24. September 2006 Kantonale Volksabstimmung Botschaft des Grossen Rates des Kantons

Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung (Verfassungsänderung) (Seite 2)

Justizreform (Verfassungsänderung) (Seite 16) Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung (Verfassungsänderung)

Die dezentrale kantonale Verwaltung Die Kantonsverwaltung ist zu einem gros- sen Teil in der Region Bern konzentriert. Darum braucht es eine Reform soll neu in fünf Verwaltungsregionen Zahlreiche Dienstleistungen wie zum Bei- spiel das Grundbuchwesen oder die Er- und zehn Verwaltungskreise ziehungsberatung werden aber dezentral Heute weist die dezentrale kantonale Ver- angeboten. Die Struktur der dezentralen waltung höchst unterschiedliche Struk- organisiert werden. Die Verwaltungs- Kantonsverwaltung ist heute je nach Auf- turen auf. So gibt es 26 Regierungsstatt- gabe unterschiedlich. Sie soll nun stärker halterämter, 24 Zivilstandsämter,13 Kreis- regionen sind für die meisten vereinheitlicht werden. grundbuchämter, fünf Kreise der Steuer- verwaltung und vier regionale Betrei- Dienstleistungen zuständig, Die Reform sieht die Schaffung von fünf bungs- und Konkursämter. Diese Struktu- Verwaltungsregionen und zehn Verwal- ren sind unübersichtlich und nicht mehr die dezentral angeboten werden. tungskreisen vor. Die meisten Dienstleis- zeitgerecht.Insbesondere die fast zweihun- tungen sollen neu in den fünf Verwaltungs- dertjährige Gebietseinteilung in 26 Amts- Die Verwaltungskreise für regionen Berner Jura, , Bern- bezirke ist angesichts der hohen Mobilität Mittelland, Emmental- und unserer Gesellschaft überholt. die Regierungsstatthalterämter Oberland angeboten werden. Die Dienst- leistungen der heutigen 26 Regierungs- Mit der Reform will die Mehrheit im Gros- lösen die heutigen 26 Amtsbezirke ab. statthalterämter werden neu in den zehn sen Rat die Strukturen der dezentralen Verwaltungskreisen Berner Jura, Biel/ kantonalen Verwaltung stärker vereinheit- Bienne,Seeland,Bern-Mittelland,Emmen- lichen. tal, Oberaargau, Thun, Obersimmental- Saanen, Frutigen-Niedersimmental sowie Interlaken-Oberhasli angeboten.

Die Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung erfordert eine Änderung der Kantonsverfassung. Der Grosse Rat stimmte der Verfassungsänderung mit 77 zu 41 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Konkretisiert wird die Reform in Gesetzes- änderungen, die der Grosse Rat zeitgleich mit der Änderung der Kantonsverfassung beschlossen hat. Diese Gesetzesände- Das geltende Recht rungen sind nicht Gegenstand der vorlie- finden Sie im Internet unter genden Abstimmung. www.be.ch/gesetze. Sie können es auch telefonisch unter der Nummer 031 633 75 11 beim Drucksachen- verkauf der Staatskanzlei bestellen.

2 3 Die Reform erfasst damit viele und wichtige Die Regierungsstatthalterinnen und Re- Bereiche der dezentralen kantonalen Ver- gierungsstatthalter sollen weiterhin von Amtssprachen Die Eckwerte der Reform waltung, aber nicht alle. So bleiben z. B. den Stimmberechtigten des jeweiligen Ver- Die Verwaltungsregion und der Ver- die heutigen vier Oberingenieurkreise oder waltungskreises gewählt werden. Sie sol- waltungskreis Berner Jura werden Fünf Verwaltungsregionen die acht Waldabteilungen unverändert. len die wesentlichen ihrer bisherigen Auf- selbstverständlich französischsprachig Der Kanton soll in folgende fünf Verwal- gabenbereiche behalten: sein; die Verwaltungsregionen Bern- tungsregionen unterteilt werden: Zehn Verwaltungskreise • Aufsicht und erstinstanzliche Verwal- Mittelland, Emmental-Oberaargau und Heute ist der Kanton in 26 Amtsbezirke tungsjustiz gegenüber den Gemeinden Oberland mit ihren Verwaltungskreisen Verwaltungs- Anzahl Anzahl aufgeteilt. Jeder Amtsbezirk hat ein Regie- • Koordination bei Katastrophen ebenso selbstverständlich deutsch- region Gemeinden Einwohner rungsstatthalteramt.An Stelle der 26 Amts- • Aufsicht im Vormundschaftsbereich, sprachig. Die Region Seeland ist als 1. Berner Jura 49 51 450 bezirke sollen folgende zehn Verwaltungs- Fürsorgerischer Freiheitsentzug einzige zweisprachig. Das bedeutet je- 2. Seeland 66 154 800 kreise mit je einem Regierungstatthalter- • Baubewilligungen und Baupolizei doch nicht, dass jede regionale Verwal- 3. Bern- amt treten: • Ombudsfunktion tungsstelle in der Region zweisprachig Mittelland 101 379 750 sein muss. In beiden Amtssprachen 4. Emmental- Verwaltungs- Anzahl Anzahl Auf einzelne der bisherigen Aufgaben der angeboten werden grundsätzlich die Oberaargau 97 167 500 kreis Gemeinden Einwohner Regierungsstatthalterämter wird verzich- Dienstleistungen der Verwaltungs- 5. Oberland 85 201 850 1. Berner Jura 49 51 450 tet, andere werden entweder auf die Ge- region (also v.a.Grundbuchwesen, Be- 2. Biel/Bienne 20 89 900 meinden (z.B. Angelfischerpatente) oder treibungs- und Konkurswesen, Militär- 3. Seeland 46 64 900 andere kantonale Stellen übertragen. verwaltung,Zivilstandswesen,Berufs-, In den fünf Verwaltungsregionen werden 4. Bern- Studien- und Laufbahnberatung, folgende Dienstleistungen angeboten: Mittelland 101 379 750 Schulinspektion, Steuerverwaltung). • Grundbuchwesen (mit Aussenstellen) 5. Emmental 42 91 650 Ebenfalls zweisprachig ist das Regie- • Betreibungs- und Konkursämter rungsstatthalteramt des neuen Verwal- 6. Oberaargau 55 75 850 (mit Aussenstellen) tungskreises Biel/Bienne. Der neue 7. Thun 36 100 350 • Zivilstandswesen Verwaltungskreis Seeland hingegen (mit zusätzlichen Trauungslokalen) 8. Ober- ist ausschliesslich deutschsprachig. simmental- • Militärverwaltung Saanen 7 16 600 (Sektionskontrollführer) Für die Gemeindeebene ändert sich • Berufs-,Studien-und Laufbahnberatung 9. Frutigen- nichts: Die Stadt Biel/Bienne und die Nieder- (mit Aussenstellen) simmental 13 38 900 Gemeinde Leubringen/Evilard sind • Erziehungsberatung (mit Aussenstellen) zweisprachig, die übrigen Gemeinden 10. Interlaken- • Schulinspektion Oberhasli 29 46 000 der Agglomeration Biel und des See- • Steuerverwaltung/Staatskasse landes deutschsprachig.

Auch die Polizeiregionen werden grund- sätzlich an den fünf Verwaltungsregionen ausgerichtet. Die vier heutigen Handels- registerämter werden an einem Standort konzentriert.

4 5 Verwaltungsregionen und -kreise

VK Berner Jura Verwaltungsregion Berner Jura Verwaltungsregion Seeland

Verwaltungskreis Orvin Verwaltungskreis Verwaltungskreis Berner Jura Perrefitte Biel/Bienne Seeland Belprahon Péry Aegerten Aarberg VK Oberaargau Bévilard Plagne Bellmund Arch Champoz Pontenet Biel/Bienne Bangerten Châtelat Prêles Brügg Bargen (BE) VK Biel/ Corcelles (BE) Rebévelier Ipsach Brüttelen Bienne Corgémont Reconvilier Lengnau (BE) Büetigen VK Emmental Cormoret Renan (BE) Leubringen Bühl Cortébert Roches (BE) Ligerz Büren an der Court Romont (BE) Meinisberg Busswil bei Büren VK Seeland Courtelary Saicourt Mörigen Diessbach bei Büren Crémines Saint-Imier Nidau Dotzigen Diesse Saules (BE) Orpund Epsach Eschert Schelten Pieterlen Erlach Grandval Seehof Port Finsterhennen La Ferrière Sonceboz-Sombeval Safnern Gals La Heutte Sonvilier Scheuren Gampelen VK Bern-Mittelland Lamboing Sornetan Schwadernau Grossaffoltern La Neuveville Sorvilier Sutz-Lattrigen Hagneck Loveresse Souboz Tüscherz-Alfermée Hermrigen Malleray Tavannes Ins Monible Tramelan Jens Mont-Tramelan Vauffelin Kallnach Moutier Villeret Kappelen VK Obersimmental- Nods Leuzigen Saanen Lüscherz Lyss Meienried Merzligen VK Frutigen- Müntschemier Niedersimmental Niederried bei Kallnach Oberwil bei Büren Radelfingen VK Interlaken- Rapperswil (BE) Ruppoldsried VK Thun Oberhasli Rüti bei Büren Schüpfen Seedorf (BE) Siselen Studen Täuffelen Verwaltungsregion Berner Jura Treiten Tschugg Verwaltungsregion Seeland Vinelz Walperswil Verwaltungsregion Bern-Mittelland Wengi Verwaltungsregion Oberland Worben Verwaltungsregion Emmental-Oberaargau

VK Verwaltungskreis

6 7 Verwaltungsregion Bern-Mittelland Verwaltungsregion Oberland Verwaltungsregion Emmental-Oberaargau

Verwaltungskreis Mattstetten Verwaltungskreis Verwaltungskreis Verwaltungskreis Verwaltungskreis Bern-Mittelland Meikirch Frutigen- Obersimmental- Emmental Oberaargau Oberönz Aeschlen Mirchel Niedersimmental Saanen Aefligen Obersteckholz Albligen Moosseedorf Adelboden Boltigen Allmendingen Mühleberg Aeschi bei Spiez Gsteig Alchenstorf Arni (BE) Mühledorf (BE) Därstetten Lauenen Bätterkinden Ballmoos Mühlethurnen Diemtigen Lenk Burgdorf Roggwil (BE) Bäriswil Mülchi Erlenbach im Simmental Saanen Dürrenroth Bettenhausen Rohrbach Belp Münchenbuchsee Frutigen St.Stephan Eggiwil Belpberg Münchenwiler Kandergrund Zweisimmen Ersigen Röthenbach bei Bern Münchringen Kandersteg Hasle bei Burgdorf Busswil bei Biglen Münsingen Krattigen Verwaltungskreis Heimiswil Bleiken bei Muri bei Bern Oberwil im Simmental Thun Hellsau Rütschelen Oberdiessbach Neuenegg Reichenbach im Amsoldingen Hindelbank Schwarzhäusern Bolligen Niederhünigen Kandertal Blumenstein Höchstetten Graben Bowil Niedermuhlern Spiez Buchholterberg Kernenried Gutenburg Thörigen Bremgarten bei Bern Noflen Wimmis Burgistein Kirchberg (BE) Brenzikofen Oberbalm Eriz Koppigen Untersteckholz Büren zum Hof Oberdiessbach Verwaltungskreis Fahrni Krauchthal Herzogenbuchsee Clavaleyres Oberhünigen Interlaken-Oberhasli Forst Langnau im Emmental Walliswil bei Deisswil bei München- Oberthal Beatenberg Gurzelen Lauperswil buchsee Oppligen Bönigen Heiligenschwendi Lützelflüh Walterswil (BE) Diemerswil Ostermundigen Brienz (BE) Heimberg Lyssach Etzelkofen Riggisberg Brienzwiler Hilterfingen Mötschwil Ferenbalm Rubigen Därligen Höfen Niederösch Wanzwil Fraubrunnen Rüeggisberg Gadmen Homberg Oberburg Frauenkappelen Rümligen Grindelwald Horrenbach-Buchen Oberösch Melchnau Freimettigen Rüschegg Gsteigwiler Kienersrüti Röthenbach im Niederbipp Gelterfingen Rüti bei Riggisberg Gündlischwand Längenbühl Emmental Niederönz Gerzensee Schalunen Guttannen Niederstocken Rüderswil Golaten Scheunen Habkern Oberhofen am Rüdtligen-Alchenflüh Grafenried Schlosswil Hasliberg Thunersee Rüegsau Grosshöchstetten Stettlen Hofstetten bei Brienz Oberlangenegg Rumendingen Guggisberg Tägertschi Innertkirchen Oberstocken Rüti bei Lyssach Gurbrü Toffen Interlaken Pohlern Schangnau Häutligen Trimstein Iseltwald Reutigen Signau Herbligen Urtenen-Schönbühl Lauterbrunnen Schwendibach Iffwil Vechigen Leissigen Seftigen Ittigen Wahlern Lütschental Sigriswil Trub Jaberg Wald (BE) Matten bei Interlaken Steffisburg Trubschachen Jegenstorf Walkringen Meiringen Teuffenthal (BE) Utzenstorf Kaufdorf Wichtrach Niederried bei Interlaken Thierachern Wiler bei Utzenstorf Kehrsatz Wiggiswil Oberried am Brienzersee Thun Willadingen Kiesen Wileroltigen Ringgenberg (BE) Uebeschi Kirchdorf (BE) Wohlen bei Bern Saxeten Uetendorf Zielebach Kirchenthurnen Worb Schattenhalb Unterlangenegg Kirchlindach Zauggenried Schwanden bei Brienz Uttigen Köniz Zäziwil Unterseen Wachseldorn Konolfingen Zollikofen Wilderswil Wattenwil Kriechenwil Zuzwil (BE) Zwieselberg Landiswil Laupen Limpach Linden Lohnstorf 8 9 Einmalige Buchgewinne Was geschieht mit nicht mehr Es ist vorgesehen, die nicht mehr durch Standorte Personelle und finanzielle benötigten Gebäuden? die kantonale Verwaltung genutzten Ge- Konsequenzen Es ist vorgesehen, die Zahl der Stand- bäude (vgl. S.10) zu veräussern. Wenn es Die künftigen Standorte der dezentralen orte der Regierungsstatthalterämter, gelingt, diese Liegenschaften zum ange- kantonalen Verwaltung werden zu einem der Grundbuchämter, der Betrei- Wiederkehrende Einsparungen nommenen Verkehrswert zu veräussern, späteren Zeitpunkt vom Regierungsrat bungs- und Konkursämter sowie der Die Reform der dezentralen kantonalen würde ein so genannter Buchgewinn von bzw. der Verwaltung festgelegt. Sie sind Handelsregisterämter von bisher 65 Verwaltung soll gemäss den Projektarbei- 37,4 Millionen Franken resultieren, da die daher nicht Gegenstand dieser Vorlage. auf 25 bis 30 zu reduzieren. Dies wird ten zu folgenden jährlichen Einsparungen betreffenden Liegenschaften buchhal- dazu führen, dass zahlreiche bisher führen: tungsmässig weitgehend abgeschrieben Folgende Rahmenbedingungen werden für Verwaltungszwecke genutzte Ge- • Personal: Abbau von ca. 50 Stellen sind. Es ist aber zu betonen, dass weder bei der Festlegung der Standorte weglei- bäude entweder umgenutzt oder an (4 Millionen Franken pro Jahr) die tatsächliche Verkaufsmöglichkeit noch tend sein: Dritte vermietet bzw. verkauft werden • Raumkosten: Das Ausmass der tat- der erzielbare Verkaufspreis oder der Zeit- • Soweit wie möglich sollen die bisherigen müssen. Dies betrifft insbesondere sächlich erzielbaren Einsparungen hängt punkt eines Verkaufs als gesichert gelten Räumlichkeiten der dezentralen kanto- mehrere Schlösser bzw. historische entscheidend davon ab, ob und zu wel- können. Das Eintreten eines tatsächlichen nalenVerwaltungweiter genutzt werden, Amtshäuser. Auf Grund des heutigen chen Bedingungen sich nicht mehr be- Buchgewinns und dessen Höhe sind also vor allem solche an gut erschlossenen Wissensstandes ist davon auszuge- nötigte Gebäude umnutzen oder ver- ungewiss. Standorten. hen, dass folgende Gebäude betroffen äussern lassen. Dazu sind verlässliche • Es werden keine grossen regionalen sein werden: Schlossberg Thun, Amt- Angaben zurzeit nicht möglich. Verwaltungszentren für sämtliche Dienst- haus Wimmis, Schloss Blankenburg, • Weitere Einsparungen: rund eine Million leistungen auf Regionsebene geschaf- evtl.Amthaus Meiringen, evtl. Schloss Franken pro Jahr. fen. Belp, evtl. Schloss Schwarzenburg, • Die Standorte der dezentralen kantona- Schloss Schlosswil, evtl. Schloss Einmalige Investitionen len Verwaltung werden mit der parallel Laupen, Amthaus Büren (teilweise), Die Umsetzung der Reform erfordert ein- laufenden Justizreform koordiniert. Amthaus Erlach, Schloss und Amt- malige Investitionen (z.B.Umbaumassnah- • Massgebende Kriterien für die definitive haus Aarwangen, Schloss Burgdorf, men an Liegenschaften,Anpassungen von Bezeichnung der künftigen Standorte Schloss Trachselwald und Amthaus Softwareapplikationen usw.). Diese ein- sind: Publikumsverkehr, Erreichbarkeit, La Neuveville. maligen Kosten werden auf rund 5,4 Mil- Eignung von Gebäuden für bestimmte lionen Franken geschätzt.Nicht inbegriffen Verwaltungsaufgaben und optimale Ge- in diesen Zahlen sind die Kosten für die bäudebelegung. Bereitstellung neuer Räumlichkeiten. Aus heutiger Sicht handelt es sich um ein In- vestitionsvolumen von schätzungsweise 55 Millionen Franken.

10 11 Argumente im Grossen Rat Argumente im Grossen Rat für die Vorlage gegen die Vorlage

Der Grosse Rat stimmte der Verfassungs- änderung mit 77 zu 41 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu.

Eine über 200-jährige Struktur Die Reform ist unnötig bzw. Änderung Weichenstellung muss zwingend an die veränderten geht zu weit, da sich die bisherigen der Kantonsverfassung für die Reformen Verhältnisse, vor allem die gestei- Strukturen bewährt haben gerte Mobilität, angepasst werden. oder durch weniger tief greifende Die Reform erfordert eine Änderung der In der Vorlage zur Änderung der Kantons- Mit fünf Regionen und zehn Änderungen modernisiert werden Kantonsverfassung in folgenden drei Be- verfassung, über die hier abgestimmt wird, Verwaltungskreisen sind nach wie vor könnten. reichen: sind nur die Grundzüge der Reform ver- bürgernahe Dienstleistungen Aufwand und Ertrag stehen • Die Verwaltungsregionen und die Ver- ankert (vgl. Seite 14 f). Der Grosse Rat hat der dezentralen Verwaltung möglich. bei der Reform in einem schlechten waltungskreise werden im Grundsatz zugleich mit der Änderung der Kantons- Es ist eine massvolle Reform Verhältnis. Die Angaben zu auf Verfassungsebene verankert. verfassung auch eine Totalrevision des Ge- im Sinne eines Kompromisses, den Kosten und den erhofften • Die Regelung der Amtssprachen muss setzes über die Regierungsstatthalterinnen welche nicht nur in den Zentren Einsparungen sind zu optimistisch. an die neue Gliederung angepasst wer- und Regierungsstatthalter sowie Ände- Dienstleistungen der dezentralen Es ist zu befürchten, dass letzt- den. rungen zahlreicher weiterer Gesetze be- Verwaltung anbietet. endlich Mehrkosten resultieren. • Die territoriale Zuständigkeit der Regie- schlossen. Auf Gesetzesebene wird die Die Reform ist sinnvoll und ist Der Service public im ländlichen rungsstatthalterämter umfasst nicht Reform der dezentralen kantonalen Ver- deshalb umzusetzen, unabhängig Raum wird abgebaut und dieser mehr den Amtsbezirk,sondern den Ver- waltung konkretisiert. Die Gesetzesände- davon, ob alle nicht mehr benötigten damit weiter geschwächt, und es waltungskreis. rungen bilden nicht Gegenstand der vor- Gebäude umgenutzt oder gehen Arbeitsplätze und Lehrstellen liegenden Abstimmung; der Grosse Rat veräussert werden können. im ländlichen Raum verloren. hat es abgelehnt,die Gesetzesänderungen Die Einsparungen lassen sich nicht Grössere Einheiten sind eher dem obligatorischen Referendum zu unter- exakt beziffern. Sie sind nicht das schwerfällig und ineffizient. stellen. Sollte die vorliegend zur Abstim- entscheidende Kriterium bei einer Der Verwaltungskreis Bern-Mittel- mung gelangende Änderung der Kantons- sich aufdrängenden Modernisie- land ist viel zu gross. verfassung angenommen werden, so wird rung der dezentralen Verwaltung. Leer werdende Gebäude, vor allem die Reform der dezentralen kantonalen Die Aufgabenbereinigung bei historische Schlösser, lassen sich Verwaltung gemäss den Konkretisierun- den Regierungsstatthalterämtern kaum vernünftig umnutzen oder gen, wie sie auf Gesetzesebene vom ist sinnvoll. Die Statthalter und veräussern. Grossen Rat beschlossen wurden, umge- Statthalterinnen bleiben eine starke setzt. Wird die Verfassungsänderung von Kraft im Kantonsgefüge. den Stimmberechtigten abgelehnt,so kön- Nutzniessende der Dienstleistungen nen selbstverständlich auch die Gesetzes- der Regierungsstatthalterämter änderungen nicht in Kraft treten. sind vor allem Behörden, nicht die Bevölkerung. Auch deshalb ist eine Reduktion von 26 auf 10 Standorte möglich. dafür dagegen 41 Stimmen 77 Stimmen

12 13 1 101.1 2 101.1

Verfassung des Kantons Bern c das Personal der zentralen und der dezentralen kantonalen Ver- (Änderung) waltung, d unverändert. 2 bis 4 Unverändert.

Art. 93 1 Der Grosse Rat des Kantons Bern, Die Verwaltungsregionen und die Verwaltungskreise sind die ordentlichen dezentralen Verwaltungseinheiten des Kantons. Sie auf Antrag des Regierungsrates, werden durch das Gesetz bezeichnet. beschliesst: 2 Die Stimmberechtigten wählen für jeden Verwaltungskreis eine Regierungsstatthalterin oder einen Regierungsstatthalter. I. 3 Das Gesetz legt die Aufgaben der Regierungsstatthalterinnen und Die Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 wird wie folgt Regierungsstatthalter fest. geändert: 4 Das Gesetz bestimmt, welche weiteren Regional- oder Kreisbehör-

1 den durch die Stimmberechtigten gewählt werden. Art. 3 Unverändert. 5 Das Gesetz bezeichnet die Amtsbezirke. 2 Er ist in Verwaltungsregionen, Verwaltungskreise, Amtsbezirke sowie Gemeinden gegliedert. II. 3 Unverändert. Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Art. 5 1Dem Berner Jura, der die Verwaltungsregion Berner Jura bildet, wird eine besondere Stellung zuerkannt. Diese soll es ihm er- Bern, 28. März 2006 Im Namen des Grossen Rates möglichen, seine Identität zu bewahren, seine sprachliche und kultu- Der Präsident: Koch relle Eigenart zu erhalten und an der kantonalen Politik aktiv teilzu- Der Vizestaatsschreiber: Krähenbühl nehmen. 2 Unverändert.

Art. 6 1 Unverändert. 2 Die Amtssprachen sind a das Französische in der Verwaltungsregion Berner Jura, b das Deutsche und das Französische in der Verwaltungsregion Seeland sowie im Verwaltungskreis Biel/Bienne, c das Deutsche in den übrigen Verwaltungsregionen sowie im Ver- waltungskreis Seeland. 3 Die Amtssprachen der Gemeinden in den Verwaltungskreisen der Verwaltungsregion Seeland sind a das Deutsche und das Französische für die Gemeinden Biel/Bienne und Leubringen, b das Deutsche für die übrigen Gemeinden. Die bisherigen Absätze 3 und 4 werden zu Absätzen 4 und 5.

Art. 68 1Dem Grossen Rat dürfen nicht gleichzeitig angehören a und b unverändert,

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14 15 Justizreform (Verfassungsänderung)

Eine Änderung der Kantons- Auf Anfang 1997 wurden die Gerichte im Kanton Bern neu organisiert. An Stelle der Darum braucht es verfassung schafft die Grundlage, 26 Bezirksgerichte traten 13 Gerichtskrei- eine zweite Justizreform se. Wegen der bevorstehenden gesamt- die erstinstanzlichen Gerichte schweizerischen Vereinheitlichung des Straf- und Zivilprozessrechts wird eine Eine erneute grössere Justizreform im Kanton Bern neu zu organisieren. zweite Justizreform erforderlich. Die heu- drängt sich auf, weil das Straf- und Zivil- tigen 13 Gerichtskreise sollen durch vier prozessrecht in der Schweiz vereinheit- Grund ist die bevorstehende regionale Gerichtskreise mit einer Zweig- licht wird. Vor allem die eidgenössische stelle im Berner Jura abgelöst werden. Strafprozessordnung wird zu einer gros- Vereinheitlichung des Straf- und sen Änderung führen. Die Staatsanwalt- Einzelheiten der künftigen Gerichtsorgani- schaft wird die Aufgaben der heutigen Zivilprozessrechts in der Schweiz. sation werden auf Gesetzesebene gere- Untersuchungsbehörden übernehmen. Zu- gelt. Es ist vorgesehen, dass auch bei den dem werden die Kompetenzen der Staats- Die heutigen 13 Gerichtskreise künftigen erstinstanzlichen Gerichten Laien anwaltschaft gegenüber heute deutlich tätig sein werden. Alle Richterinnen und erhöht. Dies wird zu einer erheblichen sollen durch vier regionale Gerichts- Richter sollen künftig vom Grossen Rat Reduktion der Arbeitsbelastung der Ein- gewählt werden. zelgerichte (Zuständigkeit der einzelnen kreise mit einer Zweigstelle Richter bzw. Richterinnen) führen. Ande- Die Justizreform erfordert eine Änderung rerseits wird die Kompetenz der Einzel- im Berner Jura abgelöst werden. der Kantonsverfassung. Der Grosse Rat gerichte deutlich erhöht werden. Dies wird stimmte der Verfassungsänderung mit 88 bei den Kreisgerichten zu einer bedeuten- gegen 24 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. den Reduktion der Fallzahlen führen.

Das geltende Recht finden Sie im Internet unter www.be.ch/gesetze. Sie können es auch telefonisch unter der Nummer 031 633 75 11 beim Drucksachen- verkauf der Staatskanzlei bestellen.

16 17 Justizkreise

Die Gebietsabgrenzung der regionalen Ge- richtskreise wird auf die fünf neuen Ver- Die Eckwerte der Reform waltungsregionen der dezentralen kanto- nalen Verwaltung abgestimmt. Anders als Mit der Änderung der Kantonsverfassung bei der Reform der dezentralen kanto- wird die neue Gerichtsorganisation nicht nalen Verwaltung soll bei der Justizreform im Detail festgeschrieben. Dies erfolgt auf der Berner Jura zusammen mit Biel und Gesetzesebene. Dennoch sind die Kon- Seeland einen gemeinsamen Gerichts- turen der künftigen Organisation der erst- kreis bilden. Es wird aber im Berner Jura instanzlichen Gerichte bereits sichtbar. eine Zweigstelle der Gerichtsregion ge- schaffen. Vier regionale Gerichtskreise Die bisherigen 13 Gerichtskreise sollen zu Auch weiterhin mit Laien folgenden vier regionalen Gerichtskreisen Heute sind an den Kriminalgerichten je zusammengeführt werden (siehe Grafik): eine Berufsrichterin bzw. ein Berufsrichter • Gerichtskreis Bern-Mittelland (beste- und vier Laienrichterinnen bzw. Laienrich- hend annähernd aus den heutigen Ge- ter tätig. Auch an den neuen regionalen richtskreisen Bern-Laupen, Konolfingen Kreisgerichten sollen weiterhin Laien tätig und Schwarzenburg-Seftigen) sein. • Gerichtskreis Berner Jura- Seeland (be- stehend annähernd aus den Gerichts- Wahl durch Grossen Rat kreisen Biel-Nidau, Courtelary-Moutier- Heute werden die Richterinnen und Rich- La Neuveville und Aarberg-Büren- ter an den 13 Kreisgerichten durch die Erlach) Wahlberechtigten des jeweiligen Ge- • Gerichtskreis Emmental-Oberaargau richtskreises gewählt. Meist handelt es (bestehend annähernd aus den Ge- sich um stille Wahlen. Bei vier Gerichts- richtskreisen Burgdorf-Fraubrunnen, regionen wird eine Volkswahl schon wegen Aarwangen-Wangen und Signau-Trach- der Grösse der Wahlkreise nicht mehr selwald) sinnvoll sein. Deshalb sollen alle erst- • Gerichtskreis Berner Oberland (beste- instanzlichen Richterinnen und Richter hend annähernd aus des Gerichtskrei- (auch die Laien) in Zukunft durch den sen Thun, Interlaken-Oberhasli, Fruti- Grossen Rat gewählt werden. gen-Niedersimmental und Obersim- Gerichtskreis Berner Jura/Seeland mental-Saanen) Gerichtskreis Bern-Mittelland Gerichtskreis Oberland Gerichtskreis Emmental-Oberaargau

18 19 Argumente im Grossen Rat für die Vorlage

Der Grosse Rat stimmte der Verfassungs- Argumente gegen die Justizreform änderung mit 88 gegen 24 Stimmen wurden im Kantonsparlament keine bei 2 Enthaltungen zu. vorgebracht.

Die Reform ist wegen der bevor- Finanzielle und personelle Zusammenhang stehenden Vereinheitlichung Konsequenzen mit der Reform der dezentralen des Straf- und Zivilprozessrechts kantonalen Verwaltung auf Bundesebene notwendig. Zu den finanziellen und personellen Fol- Es ist sinnvoll, bei der Justiz gen der Justizreform können heute noch Zwischen der Justizreform und der Re- den Berner Jura und das Seeland keine verbindlichen Angaben gemacht form der dezentralen kantonalen Verwal- zu einer Gerichtsregion zusammen- werden. Mehr Stellen wird es bei der tung bestehen folgende Zusammenhänge: zuschliessen (anders als bei der Staatsanwaltschaft geben, da diese die • Die Grenzen der fünf neuen Verwal- Reform der dezentralen kantonalen Aufgaben der heutigen Untersuchungs- tungsregionen stimmen mit den künfti- Verwaltung). Den Bedürfnissen richterämter übernehmen wird. Zudem gen Justizregionen überein. Bei der des Berner Juras wird mit einer erhält die Staatsanwaltschaft im Straf- Justizreform bilden die beiden Regio- Zweigstelle Rechnung getragen. mandatsverfahren höhere Kompetenzen, nen Berner Jura und Seeland eine Ein- Die Verfassungsänderung schafft was zu einer Entlastung der erstinstanz- heit. lediglich die Grundlage für lich urteilenden Richterin und Richter füh- • Die Frage der räumlichen Unterbringung die Justizreform. Der Gesetzgeber ren wird. der neuen Verwaltungseinheiten und hat die Möglichkeit, Einzelheiten Gerichte wird bei beiden Reformen ge- zu regeln. Neue Räumlichkeiten meinsam und zeitlich koordiniert ange- Die Unterbringung der vier regionalen Ge- gangen. richtskreise wird auf der einen Seite Um- bauarbeiten erfordern, andererseits wer- den aber auch neue Räumlichkeiten im Berner Oberland und in der Region Em- Änderung mental/Oberaargau benötigt. Umgerech- der Kantonsverfassung net auf jährliche Mietkosten für die neuen Räumlichkeiten ergeben sich Mehrkosten von rund 1,2 Millionen Franken pro Jahr. Die Justizreform erfordert eine Änderung Dies entspricht einem Investitionsvolumen Kantonsverfassung in folgenden beiden von rund 20 Millionen Franken. Punkten: • Die Amtsbezirke sollen nicht mehr die Ausgangsgrösse für die geografische Definition der Gerichtskreise bilden. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit soll auf Gesetzesebene geregelt werden. • Der Begriff «Amtsgericht» wird durch «Kreisgerichte» und «regionale Kollegial- gerichte» ersetzt. dafür dagegen 24 Stimmen 88 Stimmen

20 21 1 101.1

Verfassung des Kantons Bern (Änderung)

Der Grosse Rat des Kantons Bern, auf Antrag des Regierungsrates, beschliesst:

I. Die Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 wird wie folgt geändert:

Art. 97 1 und 2 Unverändert. 3 Das Gesetz regelt die Zuständigkeit der Gerichte.

Art. 99 1Die Strafgerichtsbarkeit wird ausgeübt durch a unverändert, b die Kreisgerichte oder die regionalen Kollegialgerichte, c bis e unverändert. 2 Unverändert.

II. Der Regierungsrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Bern, 28. März 2006 Im Namen des Grossen Rates Der Präsident: Koch Der Vizestaatsschreiber: Krähenbühl

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