„Weiter So Für Sachsen“
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SPORT Fußball „WEITER SO FÜR SACHSEN“ Beim FC Dynamo Dresden gebärdet sich der Bauunternehmer Rolf-Jürgen Otto als allmächtiger Vereinspatron, der Trainer und Profis nach Belieben anheuert und wieder fortjagt. Der Niedergang des Klubs ist vor allem Ottos Werk. Staatsanwalt und Deutscher Fußball-Bund beäugen argwöhnisch seine seltsamen Geschäftsmethoden. BONGARTS CAMERA 4 Bauunternehmer Otto in der Trabantenstadt Weißig, Dynamo-Profis Sassen, Andersen: „Ich habe Dresden das beste Team er Präsident speist im feinen Re- gangenen Mittwoch entlassen – demon- Der Hesse braucht nur sich, um sich staurantdesDresdnerHotelsBelle- tiert hatte Otto ihn schon vorher ganz wohlzufühlen. Otto, 54, der als Lastwa- Dvue, wie er es mag, „eher deftig“: systematisch. Erst wurde Hrubesch öf- genfahrer mit 1,86 Mark Stundenlohn Schweineschnitzel mit Püree und Apfel- fentlich als „das schwächste Glied hier“ begann, versuchte sich als Box-Promo- kompott. verhöhnt, dann ganz subtil lächerlich ge- ter, U-Bahn-Bauer, Großgastronom Da schallt vom Nachbartisch Geläch- macht. Nach der Dynamo-Niederlage oder als Immobilienspekulant – und sah ter herüber. Vier ältere Besucher genie- gegen den VfL Bochum, dessen neuer sich überall als die Nummer eins, auch ßen ihre gute Laune. Erst rutscht der Trainer Klaus Toppmöller auch in Dres- wenn hin und wieder eine seiner Firmen Herr Präsident, vor dem alle Kellner ei- den zur Diskussion gestanden hatte, dem Konkursverwalter anheimfiel. nen Bückling gemacht haben, nur unru- krakeelte Otto über Hrubesch hinweg Nun glaubt er, im Osten sein Glück hig hin und her, bald aber kann Rolf-Jür- durch den Kabinengang: „Tag Herr gemacht zu haben: in Dresden als Bau- gen Otto nicht mehr an sich halten. Toppmöller, da haben wir hier wohl unternehmer, beim 1. FC Dynamo als „Können Sie nicht endlich leiser sein“, doch den Falschen genommen.“ ehrenwerter Funktionär. Er ist stolz schnauzt er durchs Lokal, „schließlich ha- Das ist Rolf-Jürgen Ottos eigene Welt darauf, einer jener 18 Bundesliga-Präsi- be ich hier einen Gast aus dem Westen.“ des Befehlens und Herrschens, in die er denten zu sein, deren Arbeit täglich 80 Vor Ottos Zorn ist keiner, egal ob Ost sich hineingeboren glaubt: „Schon als Millionen Menschen bewegt. oder West, sicher. Der Hamburger Ex- Kind habe ich im Fuhrunternehmen Eine Studie des TV-Rechtehändlers Profi Horst Hrubesch, vor 99 Tagen erst meines Vaters die Angestellten kontrol- Ufa besagt, Dynamo Dresden habe in als Trainer verpflichtet, wurde am ver- liert.“ Deutschland mehr Fans als Eintracht 202 DER SPIEGEL 10/1995 . Frankfurt, und diese Fans versichern Charakter. Nach Ottos Ein- und Ver- Besonders im Lizenzierungsverfahren ihm, das Wohl und Wehe des Vereins käufen ist Dynamo eine Ansammlung 1993/94, als Dynamo im ersten Anlauf trage wesentlich zum Selbstbewußtsein von Legionären, die alle dasselbe wol- die Bundesliga-Tauglichkeit abgespro- des Ostens bei. Das ist für Otto Regie- len: im Osten so schnell und so viel Geld chen wurde, erwiesen sich die Dresdner rungsauftrag und Freibrief. abzocken wie eben möglich. als außergewöhnlich kreativ. Otto ge- Wenn jedoch, wie zuletzt bei Dyna- So geriet Dynamo zur sportlichen Va- währte seinem Verein ein Darlehen mo, der Bauunternehmer Otto und der riante jener Firmenplünderungen, die über 1,1 Millionen Mark. Weil er das gelernte Dachdecker Hrubesch am Auf- zweit- und drittklassigen Wessis unter Geld selbst nicht hatte, die Banken es bau Ost scheitern, ist stets der Trainer den Augen der Treuhand im Osten ge- ihm aber auch nicht ohne weiteres lei- verantwortlich. Hrubesch-Nachfolger langen. Dresden, prophezeien viele hen mochten, bürgte schließlich sein Ralf Minge, 34, ist bereits der sechste Bundesliga-Manager, werde am Ende Vorgänger im Präsidentenamt, Wolf- Dresdner Coach in vier Jahren. der Otto-Jahre für lange Zeit ruiniert Rüdiger Ziegenbalg, für Otto. Kaum Er habe, behauptet Otto, Dynamo sein. waren die Akten nach Frankfurt zum „die beste Mannschaft zusammenge- Daß sich Dresden, wie die Sächsische DFB unterwegs, überwies der Verein ei- kauft, seit der Klub in der Bundesliga Zeitung spottet, immer noch „vor der ne Million zurück. spielt“. Gleich zwei komplette Teams Allmacht des Geldes verbeugt“, hat viel Zwei andere Tricks wurden von ei- nem Mitglied des ehemaligen Dynamo- Werbepartners, der auch zeitweise die Vereinsgeschäfte führte, in einer eides- stattlichen Versicherung geschildert: i Als der DFB eine Prüfung ankündig- te, fehlten Dynamo immer noch Nachweise für angesetzte Werbeein- nahmen. Deshalb sollen über Nacht die für die noch laufende Saison gülti- gen Sponsorenverträge durch etliche Klebe- und Kopiervorgänge mit neu- en Daten versehen und so – scheinbar – um ein Jahr verlängert worden sein. i Die letzten Löcher habe Otto mit Bürgschaften einiger seiner Unter- nehmen gestopft, obwohl diese wirt- schaftlich nicht in der Lage gewesen wären, die Summen aufzubringen. Zudem war Otto für diese Firmen gar nicht zeichnungsberechtigt, diese hät- ten also juristisch gar nicht zur Zah- lung verpflichtet werden können. Damals wollte der DFB von diesen Aussagen nichts wissen. Zum einen nannte Otto den Zeugen im Verbands- verfahren „einen Blindfisch, der nichts weiß“, zum anderen erschien es sport- politisch opportun, der Bundesliga ei- nen Ostklub zu erhalten. Doch weil Ot- to von seiner aggressiven Transferpoli- tik, bei der er insgesamt 10,2 Millionen Mark einsetzte, nicht lassen mag, hat BONGARTS sich die Stimmung im Verband gedreht. zusammengekauft, seit der Klub in der Bundesliga spielt“ Argwöhnisch beobachten die DFB- Verantwortlichen, wie Otto trotz der hat Otto verpflichtet, seitdem er im Ja- mit dem Verschleierungsgeschick des Auflage, in dieser Saison einen Trans- nuar 1993 den einstigen Renommier- Bauunternehmers und Präsidenten Ot- ferüberschuß von 5,9 Millionen Mark zu Klub des DDR-Fußballs übernahm. Ein to zu tun. erwirtschaften, munter weitere Spieler Großteil der 22 Spieler kam auf Emp- Beim Deutschen Fußball-Bund wird einkaufte. Im Februar forderte der DFB fehlung und zum Segen des Spielerver- der „Anwalt des Ostens“ (Eigenein- deshalb vom Dynamo-Präsidenten eine mittlers und neuen Technischen Direk- schätzung) inzwischen allerdings arg- Haushaltsprüfung. Dresden, so Ligase- tors Willi Konrad („Die Provisionen der wöhnisch beäugt. Galt Otto, der an- kretär Wolfgang Holzhäuser, habe Transfers haben mir 250 000 Mark im fangs ob seiner rüden Methoden bei „unter streng wirtschaftlichen Gesichts- Jahr gebracht“). Stadionbesuchen von Leibwächtern be- punkten in der Liga nichts zu suchen“. Immer wieder haben die beiden große wacht werden mußte, den konservati- Otto sucht offenbar einen Ausweg in Transfers angekündigt, etwa den von ven DFB-Herren zunächst als aufrech- bewährter Manier. Noch vor einem hal- Rudi Völler. Engagiert wurden jedoch ter Kämpfer gegen die im einstigen ben Jahr hatte er Holzhäuser in vertrau- meist anderswo abgeschobene Profis Stasi-Klub verbliebenen roten Socken, ter Runde als „Quadrat-Arschloch“ be- wie die Hamburger Andreas Sassen und so hat sein unorthodoxes Geschäftsge- zeichnet. Jetzt, unmittelbar vor der Jörn Andersen oder gar gänzlich Ge- baren die Lizenzwächter sensibilisiert. Wirtschaftlichkeitsprüfung, lobt er an- scheiterte wie Herbert Waas. Dafür ver- In vielen Bundesliga-Aktenordnern gestrengt „das hilfreiche Engagement kaufte Otto jeden Dresdner Profi, der häufen sich die Hinweise, daß man es des DFB im Osten“. sich irgendwie zu Geld machen ließ – bei Dynamo Dresden nicht so genau Ähnliche Raffinesse zeigt der Ge- und raubte der Mannschaft so ihren nimmt. schäftsmann Otto, wenn es gilt, sein DER SPIEGEL 10/1995 203 . SPORT CAMERA 4 Populärer Trainer Hrubesch: „Wohl den Falschen gekauft“ Amt für persönliche Interessen zu nut- diese Summe, „mit der Dynamo bei mir zen. Für die FDP sitzt der selbsternann- in der Kreide steht“. te Robin Hood aller Sachsen („Ich ten- Sicher gibt es viel am Präsidenten zu diere dahin, den Schwachen zu helfen mäkeln, sagt Vargas Pascale, der Wirt und gegen die Starken anzutreten“) im der Vereinsgaststätte. Aber ob das dem Stadtrat. In Weißig, einer Gemeinde Verein nützt? „Ohne Otto gäbe es hier vor den Toren Dresdens mit knapp 3000 keinen Bundesliga-Fußball mehr.“ Der Einwohnern, stampfen Ottos Baufirmen seine Macht nutzende Präsident sei not- eine Trabantenstadt für gut 10 000 Be- wendiges Übel für Dynamo. wohner aus der Wiese. Das hat ihm in Er habe, sagt Otto, den Leuten be- Anlehnung an den Förderer der archi- wiesen, „daß nicht nur Scharlatane aus tektonischen Pracht Dresdens, dem ba- dem Westen kommen“. Anfangs sei er rocken Kurfürsten August, den Beina- zugegebenermaßen ein wenig burschi- men „Otto, der Starke“ eingebracht, je- kos zu den Menschen im Osten gewe- doch seinen Ruf als Despot und allzu sen, aber „nun habe ich gelernt, daß sie quicker Geschäftemacher nicht verbes- empfindlicher sind“. Nur eins störe ihn sert. manchmal in besinnlichen Stunden, nämlich, „daß ich mich hier mit nie- mand über Gott unterhalten kann“. „Hier kann ich Entschädigt sieht er sich durch eine mich mit niemand über Verehrung, die er seinem Part an der Wiedervereinigung angemessen glaubt. Gott unterhalten“ Wenn er Jugendliche, die ihn fotografie- ren wollen, kumpelhaft korrigiert („Das Die Chemnitzer Schwerpunkt-Staats- machst du falsch, du mußt dich mit mir anwaltschaft Wirtschaftskriminalität er- knipsen lassen“), dann glaubt er wirk- mittelt gegen ihn wegen verschiedener lich, „daß die Leute mich lieben“. Konkursdelikte sowie versuchten Pro- In solchen Momenten der Glückselig- zeßbetrugs. Die