(Ausgegeben am 9. Mai 2007)

Niedersächsischer Landtag

Stenografischer Bericht

117. Sitzung

Hannover, den 27. April 2007

Inhalt:

Tagesordnungspunkt 30: Tagesordnungspunkt 31:

Mündliche Anfragen - Drs. 15/3715...... 13835 Erste Beratung: CO2-Reduzierung in der Landesverwaltung - Frage 1: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Gewalt in deutschen Jugendgefängnissen - Euro- Drs. 15/3685...... 13850 parat rügt auch Zustände in der Jugendhaft- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 13850, 13857 anstalt Hameln - Welche Konsequenzen zieht die Silke Weyberg (CDU) ...... 13851, 13853 Landesregierung? ...... 13835 Volker Brockmann (SPD) ...... 13853, 13854 (GRÜNE) ...... 13835, 13841, 13844 Klaus Rickert (FDP) ...... 13855 Elisabeth Heister-Neumann, Justizministerin Hartmut Möllring, Finanzminister...... 13856 ...... 13836, 13839 bis 13846 Claus Johannßen (SPD) ...... 13857 Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 13839 Ausschussüberweisung...... 13857 Andreas Meihsies (GRÜNE) ...... 13839 Heike Bockmann (SPD) ...... 13840 Tagesordnungspunkt 32: (GRÜNE)...... 13842 Meta Janssen-Kucz (GRÜNE)...... 13842 Erste Beratung: Dr. Uwe Biester (CDU) ...... 13843 Ministerpräsident Wulff muss Umweltminister Ursula Körtner (CDU)...... 13843 Sander entlassen - Antrag der Fraktion der SPD - Dr. Harald Noack (CDU) ...... 13845 Drs. 15/3714...... 13858 Jens Nacke (CDU) ...... 13846 Wolfgang Jüttner (SPD)...... 13858, 13873 Dr. Philipp Rösler (FDP) ...... 13861 Frage 2: Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 13864 Naturschutzarbeit des landwirtschaftlichen Dorothea Steiner (GRÜNE)...... 13864, 13866 Naturvereins Rheiderländer Marsch ...... 13846 Bernd Althusmann (CDU)...... 13866, 13868 Ulf Thiele (CDU)...... 13846 Dieter Möhrmann (SPD)...... 13869 Hans-Heinrich Sander, Umweltminister ...... 13847 Karin Bertholdes-Sandrock (CDU) ...... 13870 Christian Wulff, Ministerpräsident ...... 13870 noch: (GRÜNE) ...... 13873 Tagesordnungspunkt 2: Ausschussüberweisung...... 13874

44. Übersicht über Beschlussempfehlungen der Tagesordnungspunkt 33: ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/3720 - Änderungsantrag der Fraktion Bünd- Erste Beratung: nis 90/Die Grünen - Drs. 15/3754 ...... 13849 Mit Sofortprogramm Chancen des Biobooms für Beschluss ...... 13849 Niedersachsen nutzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3707...... 13874 Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

und Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Tagesordnungspunkt 34: Den Klimawandel ernst nehmen - Erforderliche Investitionen in den Küstenschutz nicht länger Erste Beratung: verhindern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Sofort Handeln: Marktchancen des Ökolandbaus Grünen - Drs. 15/3704...... 13901 für Niedersachsen nutzen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3713 ...... 13874 und Hans-Jürgen Klein (GRÜNE)...13874, 13882, 13886 Karin Stief-Kreihe (SPD)...... 13876, 13880, 13885 Tagesordnungspunkt 27: Clemens Große Macke (CDU) ...... 13878, 13881 Jan-Christoph Oetjen (FDP)....13881, 13883, 13885 Erste Beratung: Hans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländlichen Klimaschutz auch in Niedersachsen! - Antrag der Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Fraktion der SPD - Drs. 15/3718 ...... 13901 braucherschutz...... 13883, 13884 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 13901, 13911 Rolf Meyer (SPD)...... 13884 Uwe Harden (SPD) ...... 13903, 13905, 13908 Ausschussüberweisung...... 13886 Anneliese Zachow (CDU) ...... 13906 Christian Dürr (FDP)...... 13908 Außerhalb der Tagesordnung: Hans-Heinrich Sander, Umweltminister...... 13909 Ausschussüberweisung...... 13911 Entscheidung über die Bauvergabe für den JadeWeserPort - Erklärung des Wirtschaftsministers Tagesordnungspunkt 37: nach § 78 Abs. 3 der Geschäftsordnung Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Mehr Transparenz durch die Novellierung des Verkehr ...... 13886 Vieh- und Fleischgesetzes - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3716...... 13911 Tagesordnungspunkt 35: Ausschussüberweisung...... 13911

Erste Beratung: Tagesordnungspunkt 38: Chancen der Digitalisierung für Niedersachsens Informations- und Medienwirtschaft nutzen - Erste Beratung: Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Erdkabel statt Hochspannungsfreileitungen - Drs. 15/3709...... 13887 Bedenken der Bevölkerung Rechnung tragen! - Ulrike Kuhlo (FDP) ...... 13887 Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3717 ...... 13911 Friedrich Pörtner (CDU)...... 13888 und Amei Wiegel (SPD)...... 13889 Ralf Briese (GRÜNE)...... 13891, 13893 Tagesordnungspunkt 39: Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr ...... 13893 Erste Beratung: Ausschussüberweisung...... 13895 Belastungen von Mensch und Natur minimieren - Hochspannungsleitungen unterirdisch verlegen - Tagesordnungspunkt 36: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3719...... 13911 Erste Beratung: Renate Geuter (SPD) ...... 13912, 13913 Arbeitsmarktinitiative "Berufschance 50plus" für David McAllister (CDU)...... 13915 Niedersachsen - Antrag der Fraktionen der CDU Dieter Möhrmann (SPD) ...... 13915 und der FDP - Drs. 15/3711 ...... 13894 Christian Wulff, Ministerpräsident...... 13915, 13923 Ernst-August Hoppenbrock (CDU)...... 13894 Hans-Joachim Janßen (GRÜNE) ...... 13916, 13922 Swantje Hartmann (SPD)...... 13896 Friedhelm Biestmann (CDU)... 13917, 13919, 13920 Gabriela König (FDP)...... 13898 Wolfgang Jüttner (SPD) ...... 13919, 13922 (GRÜNE) ...... 13899 Jan-Christoph Oetjen (FDP)...... 13920 Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Christian Dürr (FDP)...... 13921, 13922 Verkehr ...... 13900 Ausschussüberweisung...... 13924 Ausschussüberweisung...... 13901 Nächste Sitzung ...... 13924

II Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

Anlage 8: Anlagen zum Stenografischen Bericht Welche Bedeutung hat das Ehegattensplitting für Familien mit Kindern in Niedersachsen? Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 10 noch: des Abg. Bernd Althusmann (CDU)...... 13940

Tagesordnungspunkt 30: Anlage 9: Mobilfunk und der von Kritikern und auch von Mündliche Anfragen - Drs. 15/3715 Gerichten festgestellte fehlende Grundversor- gungsauftrag Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Anlage 1: Familie und Gesundheit auf die Frage 11 des Abg. Mauert die Landesregierung bei der Aufklärung Dieter Möhrmann (SPD) ...... 13943 eines bemerkenswerten Vorgangs in der Poli- zeidirektion Oldenburg? Anlage 10: Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf Ankauf von Waldflächen die Frage 3 des Abg. Heiner Bartling (SPD) ...... 13925 Antwort des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Anlage2 : auf die Frage 12 der Abg. Jan-Christoph Oetjen, Naturkindergärten für alle Regionen Nieder- Christian Dürr und Klaus Rickert (FDP)...... 13946 sachsens ermöglichen Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 4 der Anlage 11: Abg. Christian Dürr und Jörg Bode (FDP)...... 13931 Ausverkauf von Stadt, Land, Fluss Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 13 Anlage 3: des Abg. Stefan Wenzel (GRÜNE)...... 13946 Beschwerdeverfahren der Europäischen Kom- mission - Fällen von Auengehölzen im FFH-Ge- Anlage 12: biet und im Vogelschutzgebiet im Biosphären- Wird Opferschutz ernst genommen? reservat Niedersächsische Elbtalaue Antwort des Justizministeriums auf die Frage 14 Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 5 der Abg. Jürgen Gansäuer und Rainer Beckmann der Abg. Dorothea Steiner (GRÜNE)...... 13932 (CDU) ...... 13948

Anlage 4: Anlage 13: Förderung des Logistikstandorts Niedersach- Tempolimitzonen auf A 2 sen durch das neue Hafenkonzept Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 15 des Abg. Enno Hagenah Verkehr auf die Frage 6 des Abg. Hermann Dinkla (GRÜNE) ...... 13949 (CDU)...... 13933 Anlage 14: Anlage 5: Privatisierung der Dienstleistungen bei der Po- Was ist das Erfolgreiche beim Niedersachsen- lizei - Land spart nun auch bei der Sicherheit in Kombi? Dienststellen! Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 16 Verkehr auf die Frage 7 der Abg. Günter Lenz, des Abg. Prof. Dr. Hans-Albert Lennartz Heinrich Aller, Ulrich Biel, Werner Buß, Swantje (GRÜNE) ...... 13951 Hartmann, Frauke Heiligenstadt, Hans-Werner Pi- ckel, Klaus Schneck, Gerd Will und Erhard Wolf- Anlage 15: kühler (SPD) ...... 13936 Änderung der Verordnungen zur gymnasialen Oberstufe und zum Abitur - Chaotisiert das Kul- Anlage 6: tusministerium die Arbeit der gymnasialen Zieht die Scharia an den deutschen Gerichten Oberstufe? ein? Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 17 Antwort des Justizministeriums auf die Frage 8 des der Abg. Ina Korter (GRÜNE)...... 13952 Abg. Prof. Dr. Dr. Zielke (FDP) ...... 13937 Anlage 16: Anlage 7: Landesschulbehörde verhindert Einrichtung ei- Kritik der Landeshochschulkonferenz an Strat- ner gymnasialen Oberstufe an der IGS in Peine manns Hochschulpakt Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 18 Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und der Abg. Ulrich Biel, Rosemarie Tinius und Ingrid Kultur auf die Frage 9 der Abg. Dr. Gabriele Hei- Eckel (SPD)...... 13954 nen-Kljajić (GRÜNE)...... 13939 Anlage 17: Lässt die Landesregierung Bad Bederkesa im Stich? Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 19 des Abg. Claus Johannßen (SPD) ....13956

III Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

Anlage 18: Behrens, Isolde Saalmann, Wolfgang Wulf, Axel Anrechung von Konfirmationsgeld bei Leistun- Plaue und Petra Emmerich-Kopatsch (SPD)...... 13968 gen nach dem SGB II Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Anlage 27: Familie und Gesundheit auf die Frage 20 des Abg. Werbeaktivitäten von Oberbürgermeistern - Friedhelm Helberg (SPD) ...... 13958 Misst das Innenministerium mit zweierlei Maß? Ex-Parteifreund gefügt - Parteifreund geschont! Anlage 19: Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf Wie entwickelt sich die Ausbildungssituation die Frage 29 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, von Mädchen in technischen Berufen in Nieder- Heiner Bartling, Sigrid Leuschner, Johanne Mod- sachsen? der, Jutta Rübke, Monika Wörmer-Zimmermann Antwort des Kultusministeriums auf die Frage 21 und Susanne Grote (SPD) ...... 13968 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE) ...... 13958 Anlage 28: Anlage 20: Experimente statt Verantwortung - Betreibt die Wann kommt das von Minister Stratmann ange- Landesregierung eine Politik der Gefälligkeit? kündigte neue Landesmuseum in Göttingen? Antwort des Ministeriums für den ländlichen Raum, Antwort des Ministeriums für Wissenschaft und Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Kultur auf die Frage 22 der Abg. Dr. Gabriele auf die Frage 30 des Abg. Rolf Meyer (SPD) ...... 13969 Andretta (SPD) ...... 13960 Anlage 29: Anlage 21: Experiment zum Thema FOC - Will Staatssekre- Regierung Wulff ohne klaren Kurs bei Unter- tär Ripke mit dem Kopf durch die Wand? nehmensbeteiligungen - Wirtschaftsminister Antwort des Ministeriums für den ländlichen Raum, Hirche Sicherheitsrisiko für VW Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 23 auf die Frage 31 der Abg. Karin Stief-Kreihe, Klaus des Abg. Heinrich Aller (SPD) ...... 13961 Fleer, Friedhelm Helberg, Claus Johannßen, Rolf Meyer und Dieter Steinecke (SPD) ...... 13971 Anlage 22: Ist die Landesregierung bereit, die Troglösung Anlage 30: als Querung der A 26 über die Este bei Buxte- Zurück zur einphasigen Juristenausbildung? hude zu unterstützen? Antwort des Justizministeriums auf die Frage 32 Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und der Abg. Heike Bockmann (SPD)...... 13973 Verkehr auf die Frage 24 der Abg. Monika Wörmer- Zimmermann (SPD)...... 13963 Anlage 31: Warum zwingt die Justizministerin die hanno- Anlage 23: verschen Fachgerichte ins Bredero-Hochhaus? Werden auch in der Landesregierung Entschei- Antwort des Justizministeriums auf die Frage 33 dungen unmittelbar von Lobbyisten beein- der Abg. Heike Bockmann (SPD)...... 13974 flusst? Antwort der Staatskanzlei auf die Frage 25 der Anlage 32: Abg. Hans-Joachim Janßen und Ina Korter (GRÜ- Deckt das Innenministerium offensichtliche NE) ...... 13965 Verstöße gegen das Beamtengesetz? Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf Anlage 24: die Frage 34 des Abg. Jacques Voigtländer Ignoriert die Landesregierung auch bei der Ge- (SPD) ...... 13975 nehmigung der Erdöl- und -gaserkundung in der Nordsee EU-Naturschutzrecht? Anlage 33: Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wolfsburg drohen Steuerrückzahlungen an VW Verkehr auf die Frage 26 des Abg. Hans-Joachim in einer Höhe von über 100 Millionen Euro Janßen (GRÜNE) ...... 13965 Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 35 der Abg. Ingrid Eckel, Ingolf Viereck Anlage 25: und Klaus Schneck (SPD)...... 13977 Hat es Weisungen des Justizministeriums in ei- nem Bußgeldverfahren gegeben? Anlage 34: Antwort des Justizministeriums auf die Frage 27 Steuerprüfungen bei Einkunftsmillionären der Abg. Ursula Helmhold, Ralf Briese und Prof. Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 36 Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜNE)...... 13967 der Abg. Heinrich Aller, Dieter Möhrmann, Petra Emmerich-Kopatsch, Renate Geuter, Uwe-Peter Anlage 26: Lestin, Hans-Werner Pickel, Sigrid Leuschner und Minister widerspricht Minister - Wird dem Spit- Klaus-Peter Dehde (SPD) ...... 13977 zelspuk an Niedersachsens Hochschulen end- lich ein Ende gesetzt? Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 28 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Chris- tina Bührmann, Alice Graschtat, Daniela Krause-

IV Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

Anlage 35: Automatisiertes Haushaltsvollzugssystem noch immer mit Problemen Antwort des Finanzministeriums auf die Frage 37 der Abg. Dieter Möhrmann, Heinrich Aller, Petra Emmerich-Kopatsch, Renate Geuter, Uwe-Peter Lestin, Hans-Werner Pickel, Sigrid Leuschner und Klaus-Peter Dehde (SPD)...... 13978

Anlage 36: Änderung der NGO zur Anwendbarkeit der VOB/A Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 38 der Abg. Ulrich Biel, Günter Lenz, Frauke Heiligenstadt, Swantje Hartmann, Gerd Will, Erhard Wolfkühler, Hans-Werner Pickel und Klaus Schneck (SPD) ...... 13979

Anlage 37: Gebietsreform in Niedersachsen Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 39 des Abg. Bernd Althusmann (CDU) .. 13981

Anlage 38: „Strom-Trasse wird zur Chefsache“ - Welche Alternativen prüft die Landesregierung im Plan- feststellungsverfahren für die Leitungstrasse Ganderkesee - St. Hülfe? Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 40 der Abg. Renate Geuter (SPD) ...... 13982

Anlage 39: Knallapparate im EU-Vogelschutzgebiet - Wel- che Interessen vertritt der Umweltminister? Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 41 des Abg. Hans-Dieter Haase (SPD) ...... 13983

Anlage 40: Persönliche Betroffenheit des Umweltministers im Landkreis Holzminden - Wie bewertet die Landesregierung das Handeln und Entscheiden von Hans-Heinrich Sander? Antwort des Umweltministeriums auf die Frage 42 des Abg. Hans-Dieter Haase (SPD) ...... 13984

Anlage 41: Verstecke sich Minister Hirche hinter dem Lan- desrechnungshof? Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 43 der Abg. Ina Korter und Hans-Joachim Janßen (GRÜNE)) ...... 13985

Anlage 42: Weitere Politisierung von Gremien der Medien- aufsicht - Ist die unabhängige und professio- nelle Medienkonzentrationskontrolle in Gefahr? Antwort der Staatskanzlei auf die Frage 44 des Abg. Ralf Briese (GRÜNE)...... 13987

Anlage 43: Konfirmationsgeld als Einkommen? Antwort des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 45 der Abg. Stefan Wenzel und Ursula Helmhold (GRÜNE)..... 13989

V Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

Vom Präsidium:

Präsident Jürgen G a n s ä u e r (CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Ulrike K u h l o (FDP) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD)

Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Christian W u l f f (CDU)

Minister für Inneres und Sport Uwe S c h ü n e m a n n (CDU)

Finanzminister Staatssekretärin Cora H e r m e n a u , Hartmut M ö l l r i n g (CDU) Niedersächsisches Finanzministerium

Staatssekretärin Dr. Christine H a w i g h o r s t , Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Kultusminister Staatssekretär Hartmut S a a g e r , Bernhard B u s e m a n n (CDU) Niedersächsisches Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Walter H i r c h e (FDP)

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Justizministerin Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g , Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n Niedersächsisches Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Staatssekretär Dr. Christian E b e r l , Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Niedersächsisches Umweltministerium

VI Niedersächsischer Landtag - 15. Wahlperiode - 117. Plenarsitzung am 27. April 2007

Beginn der Sitzung: 9 Uhr. Frage 1: Gewalt in deutschen Jugendgefängnissen - Vizepräsidentin Astrid Vockert: Europarat rügt auch Zustände in der Ju- Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und gendhaftanstalt Hameln - Welche Konse- Kollegen! Ich eröffne ich 117. Sitzung im 40. Ta- quenzen zieht die Landesregierung? gungsabschnitt des Niedersächsischen Landtags Diese Frage wird vom Abgeordneten Briese von der 15. Wahlperiode. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestellt. Herr Die Beschlussfähigkeit des Hauses werde ich zu Briese! gegebener Zeit feststellen. Ralf Briese (GRÜNE): Vorab einige Bemerkungen zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Frau Präsidentin! Nach verschiedenen Medienbe- dem Tagesordnungspunkt 30. Danach setzen wir richten - TAZ, Nordwest-Zeitung - vom 18. April den Tagesordnungspunkt 2 mit der Behandlung 2007 hat sich der Europarat besorgt über die Ge- der strittigen Eingaben fort. Anschließend erledi- walt in einigen deutschen Jugendgefängnissen gen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihen- geäußert. In einem Bericht rügt das Europäische folge der Tagesordnung, wobei die gestern zu- Antifolterkomitee vor allem die Zustände in Ha- rückgestellten Tagesordnungspunkte 26 und 27 meln, Weimar-Ichtershausen und Halle. Zahlreiche nach Tagesordnungspunkt 36 behandelt werden. Insassen hatten dem Komitee Ende 2005 von Der Tagesordnungspunkt 37 wird lediglich zum Drohungen, Einschüchterungen, sexuellen Über- Zweck der Ausschussüberweisung aufgerufen. griffen oder anderer Gewalt durch die Mithäftlinge berichtet. Die heutige Sitzung soll gegen 14.50 Uhr enden. In einem Register des Gefängnisarztes von Ha- An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den meln fanden die Experten Fotos von Jugendlichen Stenografischen Dienst möchte ich Sie erinnern. mit gebrochenen Nasen, blauen Augen und Stich- wunden. In anderen Jugendgefängnissen klagten Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch Häftlinge über sexuelle Übergriffe, Bedrohungen Frau Schuster-Barkau. und massive Gewaltanwendungen. Einige jugend- liche Strafgefangene hatten so große Angst, dass Schriftführerin Bernadette Schuster- sie ihre Zellen nicht mehr verließen und auf den Barkau: täglichen Hofgang verzichteten. Der Ausschuss des Europarates hat die Zustände in verschiede- Schönen guten Morgen! Für heute haben sich nen deutschen Jugendgefängnissen als ein „Klima entschuldigt von der Landesregierung die Ministe- von Drohungen und Einschüchterungen“ beschrie- rin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, ben. Laut dem Bericht ist das Klima der Gewalt Frau Ross-Luttmann, von der Fraktion der CDU auch auf einen Mangel an gut geschultem Ge- Herr Stünkel und von der Fraktion der SPD Herr fängnispersonal zurückzuführen. Für Hameln hat Schack, Frau Krämer und Herr Wolfkühler ab die Kommission u. a. eine deutliche Aufstockung 12 Uhr mittags. von medizinisch geschultem Personal vorgeschla- gen. Nach den brutalen Vorfällen in der Jugend- Vizepräsidentin Astrid Vockert: vollzugsanstalt Siegburg wurde dort nunmehr eine Danke schön. - Ich rufe nun auf unabhängige Ombudsstelle für Strafgefangene eingerichtet, damit die Insassen eine vertrauliche Beschwerdestelle haben.

Tagesordnungspunkt 30: Ich frage die Landesregierung: Mündliche Anfragen - Drs. 15/3715 1. Wie bewertet die Landesregierung den Bericht Es ist 9.01 Uhr. des Antifolterkomitees des Europarates in Bezug auf die Jugendstrafanstalt Hameln? Ich rufe auf

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2. Warum lehnt die Landesregierung eine Erhö- richte des Ausschusses sind so lange vertraulich, hung des medizinischen Personals nach den Vor- bis sich der besuchte Staat mit einer Veröffentli- schlägen des Europarat-Komitees ab? chung einverstanden erklärt. Bei Verweigerung oder Ablehnung von Verbesserungsempfehlungen 3. Wie bewertet die Landesregierung den Vor- kann der CPT hierzu eine öffentliche Erklärung schlag für eine unabhängige Beschwerdestelle für abgeben. Strafgefangene in Niedersachsen? Der Bericht über den Besuch des CPT in der Bun- (Beifall bei den GRÜNEN) desrepublik Deutschland ist dem Niedersächsi- schen Justizministerium in deutscher Übersetzung Vizepräsidentin Astrid Vockert: am 31. Oktober 2006 zugeleitet worden. Er ist eingehend geprüft und gewürdigt worden. Soweit Danke schön. - Bevor die Frage beantwortet wird, die Landesregierung aufgrund des Berichts Hand- stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. lungsbedarf für den niedersächsischen Justizvoll- Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin zug gesehen hat, sind entsprechende Maßnahmen Heister-Neumann. Sie haben das Wort. in die Wege geleitet worden. Zum Beispiel haben die Feststellungen des CPT zur Unterbringung ju- Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- gendlicher Abschiebegefangenen zu der Schluss- folgerung geführt, diese Abschiebegefangene nicht rin: mehr in der Jugendanstalt Hameln, sondern nur Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und noch in der Abteilung Langenhagen der JVA Han- Herren! Ende des Jahres 2005 hat der Europäi- nover unterzubringen. In dem Bericht des CPT sche Ausschuss zur Verhütung von Folter und wird die Jugendanstalt Hameln in mehreren Berei- unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung chen - das ist in den Presseveröffentlichungen oder Strafe - CPT - rund zwei Wochen lang in leider nicht vorgetragen worden oder zum Aus- Deutschland verschiedene Haftanstalten unter- druck gekommen - ausgesprochen positiv bewer- sucht. Vom 28. bis zum 30. November 2005 war tet. So wird darin das Verfahren der ärztlichen der CPT in der Jugendanstalt in Hameln, also zwei Eingangsuntersuchungen bei der Aufnahme Ge- Tage. Während der zwei Wochen insgesamt in fangener und die Fotodokumentation von sichtba- Deutschland hat sich der CPT mit folgenden The- ren Befunden und Verletzungen jeder Art - ein- men beschäftigt: Unterbringung von Abschiebe- schließlich Hautkrankheiten, Arbeitsunfällen, Sport- gefangenen, Vollzugskonzeption, Gewalt zwischen und auch Selbstverletzungen - als „besonders gut Gefangenen und Subkultur, Einzel- und Gemein- organisiert“ bezeichnet. Dazu ein wörtliches Zitat: schaftsunterbringung, Fixierung Gefangener in besonders gesicherten Hafträumen, Gewährleis- „Der CPT ersucht die deutschen Be- tung von Hygiene und Zufuhr von Tageslicht und hörden, dieses System der computer- Luft, Nichtraucherschutz, Kontrolle des Briefver- gestützten Aufzeichnung von Verlet- kehrs sowie Umgang des Personals mit den Ge- zungen, die bei der Aufnahme eines fangenen und Personalausstattung, insbesondere neuen Gefangenen in der Haftanstalt im Bereich des medizinischen Dienstes der An- festgestellt werden, in allen deutschen stalt. Haftanstalten einzuführen.“

Der CPT gehört organisatorisch dem Europarat an. Der CPT lobt auch das Konzept der Anstalt zur Er prüft durch regelmäßige Besuche in Mitglied- Verhinderung von Gewalt und das konsequente staaten des Europarats die Behandlung von Per- Einschreiten bei tätlichen Auseinandersetzungen sonen, denen die Freiheit entzogen ist. und Übergriffen. Auch hierzu ein wörtliches Zitat:

Das Gremium setzt sich aus unabhängigen und „In Hameln bemühte sich die An- unparteiischen Experten aus verschiedenen Berei- staltsleitung bereits seit vielen Jahren chen und Mitgliedstaaten des Europarats zusam- darum, dieses Problem auf mehreren men. Der Ausschuss besucht Haftanstalten, Poli- Ebenen zu bekämpfen, und konnte zeigewahrsamseinrichtungen und psychiatrische einige Erfolge vorweisen. Die gefähr- Einrichtungen. Die Mitglieder des CPT haben frei- detsten Gefangenen wurden z. B. in en und ungehinderten Zugang zu allen Orten, an einem speziellen Gebäude unterge- denen Menschen festgehalten werden. Die Be- bracht, und mächtige Gruppen wur-

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den zerstreut, indem sie in der ganzen der Anstaltsarzt selbst dem CPT präsentiert. Dar- Einrichtung verteilt wurden.“ über hinaus sind die Aufnahmen Bestandteil der jeweiligen Gesundheitsakte jedes einzelnen Ge- So viel zur Subkultur in Anstalten. fangenen. Sie werden u. a. zur Analyse und Prä- vention von Übergriffen verwendet und auch ge- Diese Erfolge spiegeln sich auch in der Statistik gebenenfalls zur strafrechtlichen Verfolgung ge- wider. Die Zahl der schwerwiegenden tätlichen nutzt. Wie bereits erwähnt und wörtlich zitiert, fand Auseinandersetzungen unter den Gefangenen diese Form der Dokumentation die ausdrückliche konnte von 94 im Jahr 2002 auf 77 im Jahr 2004 Anerkennung des CPT. und auf 45 im Jahr 2006 verringert werden. Die Landesregierung sieht damit die in der Ju- Auch das Konzept zur Suizidprophylaxe in der gendanstalt Hameln praktizierte „Kultur des Hin- Jugendanstalt Hameln wird in dem Bericht des schauens“ bestätigt. Dem systematischen und CPT gewürdigt: genauen Hinschauen folgt entschlossenes Han- „Der CPT möchte die in der Jugend- deln. Bedrohungs- und Einschüchterungsversu- haftanstalt Hameln unternommenen chen subkulturell orientierter Gefangener treten die beachtlichen - und erfolgreichen - Be- Bediensteten entschieden entgegen. Das konse- mühungen zur Senkung des Selbst- quente Vorgehen der Anstalt hat zu einem deutli- mordrisikos hervorheben … Der CPT chen Rückgang der Auseinandersetzungen zwi- fordert die Behörden aller anderen schen den jungen Gefangenen geführt. Solche Bundesländer auf, die Einführung ei- Übergriffe werden sich auch wegen der Persön- nes solchen Programms in allen deut- lichkeitsstrukturen der im Jugendstrafvollzug ein- schen Justizvollzugsanstalten in Be- sitzenden Gefangenen nie ganz verhindern lassen. tracht zu ziehen.“ Die Jugendgerichte verhängen eine Jugendstrafe Glücklicherweise hatten wir in den letzten vier Jah- nur als letztes Mittel. Dies ist statistisch belegt. Nur ren in der Jugendanstalt Hameln keinen einzigen 4,6 % aller nach dem JGG verurteilten Straftäter Suizid. In den vier Jahren zuvor waren es insge- erhalten Jugendstrafen ohne Bewährung. 20 % samt sechs Suizide. dieser Verurteilten sind dann für eine Unterbrin- gung im offenen Vollzug geeignet. Die Übrigen Im Übrigen lobt der CPT Größe und Ausstattung befinden sich im geschlossenen Vollzug. der Hafträume, bewertet das anstaltsinterne Ge- sundheitszentrum als „beeindruckend“ und die Von den mehr als 600 jungen Gefangenen im ge- fachärztliche Versorgung, meine Damen und Her- schlossenen Vollzug der Jugendanstalt Hameln ren, als „höchst zufriedenstellend“. Das „formali- sind rund 300 Gefangene wegen Körperverlet- sierte Instrument für Beschwerden an die An- zung, wegen Sexual- oder Tötungsdelikten oder staltsleitung“ sei gut, ebenso die Einführungskurse wegen anderer Gewaltdelikte verurteilt. und Infobroschüren für Gefangene in verschiede- Wesentliches Ziel der Erziehung im Jugendvollzug nen Sprachen. ist es, dass diese Gefangenen im Verlaufe dieser Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Unterbringung lernen, Konflikte nicht mehr durch Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt. Gewalt so lösen. Dieses Ziel verfolgt die Anstalt durch verschiedene Maßnahmen: Durch konse- Zu Frage 1: In der Kleinen Anfrage ist die Rede quente Sanktionen einerseits, aber, meine Damen von einem aufgefundenen Register des Anstalts- und Herren, auch durch Behandlungsprogramme arztes mit Fotos von Jugendlichen mit körperlichen wie die Sozialtherapie in der Jugendanstalt, durch Verletzungen. Diese Fotos, meine Damen und soziales Training und auch durch Anti-Aggres- Herren, sind jedoch nicht „gefunden“ worden, wie sionstraining sollen die Gefangenen lernen, ein es die Berichte suggerieren und wie es in einer anderes Konfliktlösungsverhalten einzuüben. Pressemitteilung der Grünen vom 18. April 2007 dargestellt wird. Sie sind auch nicht „zutage ge- Zu Frage 2: In der Jugendanstalt Hameln sind rund bracht worden“, wie es die SPD in einer Pressein- 600 junge Inhaftierte untergebracht. Diese jungen formation vom selben Tag behauptet. Es sind Inhaftierten werden von zwei Anstaltsärzten, davon vielmehr Bestandteile einer offiziellen Bilddoku- einem mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit mentation in der Anstalt. Diese Dokumentation hat beschäftigter Arzt, und weiteren, regelmäßig in der

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Anstalt anwesenden nebenberuflichen Fachärzten Nach Auffassung der Landesregierung ist die per- ambulant versorgt. Stationär behandlungsbedürfti- sonelle Ausstattung mit Pflegekräften deshalb ge Gefangene werden in das niedersächsische ausreichend. Justizvollzugskrankenhaus in Lingen oder in öf- fentliche Krankenhäuser in der Nähe verlegt. Zu Frage 3: Gefangenen steht in unserem Rechts- staat eine Vielzahl von förmlichen und nicht förmli- Im medizinischen Bereich werden in der Jugend- chen Rechtsbehelfen zur Verfügung. Es gibt eine anstalt regelmäßig sechs Bedienstete des mittleren hocheffiziente gerichtliche Kontrolle des Strafvoll- Dienstes eingesetzt. Damit ist eine Assistenz der zuges durch die Strafvollstreckungskammern. Mit Anstaltsärzte wochentags morgens ab 6 Uhr bis ihren Entscheidungen leisten sie über den Einzel- zum abendlichen Einschluss der Gefangenen so- fall hinaus einen bedeutsamen Beitrag zur Voll- wie mit einer Pflegekraft an Wochenenden auch zugsgestaltung. In zweiter Instanz können sich Ge- gewährleistet. fangene mit Rechtsbeschwerden gegen Beschlüs- se der Strafvollstreckungskammern an das Ober- Ein ständiger Einsatz von Pflegepersonal im medi- landesgericht Celle als zentrale Rechtsmittel- zinischen Bereich während der Nachtzeit ist auf- instanz wenden. grund der grundsätzlichen Einzelunterbringung der Inhaftierten in verschlossenen Hafträumen und Das Strafvollzugsgesetz sieht weiter verpflichtend wegen der baulichen Struktur der Jugendanstalt die Bildung von Anstaltsbeiräten vor. Die Anstalts- Hameln unseres Erachtens nicht erforderlich. Der beiräte stellen als Institution eine Verbindung zur Nachtdienst erfüllt anders als der Tagesdienst Öffentlichkeit her. Sie nehmen Wünsche, Anre- auch im medizinischen Bereich nicht den Zweck, gungen und Beanstandungen entgegen und kön- Gefangene zu beaufsichtigen, zu behandeln und nen die Gefangenen in ihren Räumen aufsuchen. zu betreuen. Er dient dazu, die Sicherheit der An- Die Gespräche und der Schriftwechsel mit den stalt zu gewährleisten, insbesondere Ausbrüche zu Mitgliedern der Anstaltsbeiräte werden nicht über- verhindern, Zellenbrände rechtzeitig zu erkennen wacht. Die Landesregierung hat bewusst die be- oder auch bei Lärmbelästigung zu intervenieren. währte gesetzliche Einrichtung der Anstaltsbeiräte Deshalb werden die Nachtdienstbeamten vor allem in den Entwurf eines Niedersächsischen Justizvoll- in den Außenbereichen eingesetzt und nur im Be- zugsgesetzes aufgenommen. darfsfall in den Unterkunftshäusern; das ist aber auch gesichert. Meine Damen und Herren, Gefangene können sich nicht zuletzt auch an den Niedersächsischen Alle Nachtdienstleiter der Jugendanstalt sind, ob- Landtag wenden. Der Unterausschuss „Justizvoll- wohl sie nicht zum medizinischen Personal im zug und Straffälligenhilfe“ verfügt - das möchte ich engeren Sinne gehören, zu Ersthelfern ausgebil- allen seinen Mitgliedern an dieser Stelle mit einem det, sodass grundsätzlich rund um die Uhr Erst- großen Dank bestätigen - über eine hohe Sach- helfermaßnahmen durchgeführt werden können. und Fachkunde. Der Unterausschuss und dessen Alle Bediensteten der Jugendanstalt Hameln wer- Mitglieder beschäftigten sich nicht nur mit den den zudem regelmäßig in Erste-Hilfe-Maßnahmen Eingaben, sondern besuchen die niedersächsi- weitergebildet. schen Anstalten, machen sich vor Ort ein Bild und führen Gespräche mit der Gefangenenmitverant- Die Jugendanstalt Hameln liegt zudem günstig zu wortung, einzelnen Gefangenen sowie den An- den Einrichtungen weiterer Hilfsdienste. Dadurch staltsbeiräten. steht auch im Bedarfsfall fachlich qualifizierte Hilfe durch Rettungsdienste und ärztliche Notdienste Schon jetzt können sich Gefangene also an unter- innerhalb kürzester Zeit zur Verfügung. Darüber schiedliche unabhängige Institutionen wenden. Ei- hinaus können die Anstaltsärzte auch außerhalb ner Überwachung durch die Anstaltsbediensteten ihrer Dienstzeit für akute vollzugsmedizinische unterliegen sie dabei nicht. Sie können ihre Anlie- Probleme in Anspruch genommen werden. Nur gen frei artikulieren, wenn sie sich beschwert füh- selten besteht die Notwendigkeit einer stationären len. medizinischen Versorgung während der Nacht- stunden in der Jugendanstalt Hameln. In diesen Sowohl nach dem Strafvollzugsgesetz als auch Einzelfällen erfolgt eine Verlegung in das nieder- nach dem Entwurf der Landesregierung für ein sächsische Justizvollzugskrankenhaus oder, wie Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz unterlie- bereits gesagt, in die örtlichen Krankenhäuser. gen die Schreiben der Gefangenen nicht der

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Überwachung, wenn sie gerichtet sind an die Zu dem Kuscheligen, das Sie ansprechen, möchte Volksvertretungen des Bundes und der Länder ich antworten: Ich habe von Anfang an den Wohn- sowie deren Mitglieder, an das Europäische Par- gruppenvollzug in Hameln durchaus kritisch gese- lament und dessen Mitglieder, an den Europäi- hen. Wohngruppenvollzug kann in einer Jugend- schen Gerichtshof für Menschenrechte, an den anstalt, die junge, sehr aggressive Gefangene Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter beherbergt, nur dann Sinn machen, wenn dieser und unmenschlicher oder erniedrigender Behand- Wohngruppenvollzug sehr gut kontrolliert werden lung oder Strafe und an die Datenschutzbeauf- kann. Ansonsten haben wir die Problematik einer tragten der Länder und im Übrigen auch des Bun- Bedrohungssituation, weil die Jugendlichen und des. Für die Einrichtung eines Ombudsmannes als Heranwachsenden ganz andere Möglichkeiten weiterer Stelle sieht die Landesregierung daher haben, unbeaufsichtigt zu Übergriffen zu kommen. keinen Anlass. - Danke. Deshalb ist der Wohngruppenvollzug zwar vom Prinzip her richtig, aber nur unter ganz bestimmten Vizepräsidentin Astrid Vockert: Voraussetzungen. Die haben wir in Hameln ge- schaffen. Deshalb bin ich mit dem Wohngruppen- Danke schön, Frau Ministerin. - Die erste Frage vollzug in Hameln auch sehr zufrieden. Aber das stellt Frau Kollegin Helmhold. ist erst seit geraumer Zeit durch bauliche Verände- rungen und auch eine andere Konzeption ge- Ursula Helmhold (GRÜNE): währleistet. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Vizepräsidentin Astrid Vockert: vom August 2006 hat die Justizministerin erklärt, Die nächste Frage stellt Herr Kollege Meihsies. man wolle das Kuschelige im Hameln abschaffen. Meine Frage ist: Hat das Antifolterkomitee des Andreas Meihsies (GRÜNE): Europarates die Jugendanstalt in Hameln als ku- schelig bezeichnet oder bewertet? Was genau an Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kuscheligkeit soll dort abgeschafft werden? Ministerin, Sie haben nicht nur die angebliche Ku- scheligkeit begrifflich benannt, sondern haben (Jens Nacke [CDU]: Das ist ja an Ni- auch in einem Eckpunktepapier zum Strafvollzug, veaulosigkeit kaum zu überbieten! das aus Ihrem Ministerium kommt, formuliert, in Peinlich ist das! - Gegenruf von Enno niedersächsischen Strafvollzugsanstalten gebe es Hagenah [GRÜNE]: Das finden wir zu viel Fürsorge. Hat auch dieses Komitee festge- auch! - Weiterer Gegenruf von Ursula stellt, dass es zu viel Fürsorge gibt? Helmhold [GRÜNE]: Deswegen fra- gen wir ja!) Sie wollen im neuen Strafvollzugsgesetz eine Mehrfachbelegung zulassen. Das Komitee hat dies Vizepräsidentin Astrid Vockert: gerügt. Warum wollen Sie die Mehrfachbelegung für den Strafvollzug überhaupt organisieren? Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Heister-Neumann. Vizepräsidentin Astrid Vockert:

Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Danke schön. - Für die Landesregierung antwortet rin: Frau Ministerin Heister-Neumann.

Sehr geehrte Frau Helmhold, zunächst noch ein- Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- mal zu dem Bericht des CPT insgesamt. Ohne auf rin: andere Anstalten dezidiert einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, dass der CPT zwei Wochen lang Herr Meihsies, zunächst einmal müssen wir eine in vielen deutschen Anstalten gewesen ist. Man Unterscheidung zwischen dem Erwachsenenvoll- muss sehr sorgfältig darauf achten, welche Aussa- zug und dem Jugendvollzug treffen. gen sich ganz konkret auf Hameln beziehen. Ich sage das nur allgemein, weil ich das nicht anders Beim Erwachsenenvollzug beabsichtigen wir vom zuordnen will. Grundsatz her nach wie vor - so steht es auch im Entwurf des Niedersächsischen Justizvollzugsge-

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setzes -, den Anspruch auf Einzelunterbringung ierlich zurückgegangen sind. Das ist richtig. Für sicherzustellen. In Ausnahmefällen kann man von Gewalt - so war es jedenfalls vor einigen Jahren in dieser Einzelunterbringung abweichen. Die Aus- Hameln - war aber auch die Gruppe der soge- nahmefälle sind dezidiert beschrieben. Darüber nannten Russlanddeutschen mitverantwortlich. können wir uns noch im Einzelnen unterhalten. Deshalb hat damals Justizminister Christian Pfeif- fer ein sogenanntes Opferhaus in Hameln bauen Jetzt kommen wir zum Jugendvollzug. Das CPT lassen. Diese Gruppe ist, wie wir wissen, inzwi- hat die Jugendanstalt Hameln besucht und sich mit schen zum Teil - so traurig das auch ist; es ist aber ihr beschäftigt. Der Entwurf des Niedersächsischen eine Realität - im Erwachsenenvollzug gelandet, Justizvollzugsgesetzes sieht für den Jugendvollzug also in Oldenburg oder in anderen JVAs. Ist ein die Einzelunterbringung vor, und zwar generell. Grund dafür, dass die Gewalt zurückgegangen ist, Insofern unterscheidet sich der Jugendvollzug nicht auch der, dass quasi die Klientel gewechselt eindeutig vom Erwachsenenvollzug. Das ist im hat? Ist die Ursache vielleicht gar nicht so sehr in Übrigen in Hameln auch sichergestellt. den begleitenden Maßnahmen zu suchen, sondern darin, dass sich der Täterkreis verändert hat? Auch bei der Fürsorge müssen wir zwischen Er- - Danke schön. wachsenenvollzug und Jugendvollzug trennen.

Im Erwachsenenvollzug gehen wir davon aus, Vizepräsidentin Astrid Vockert: dass erwachsene Menschen über 21 Jahren - also nicht die heranwachsenden Gefangenen, die noch Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung ant- unter 21 Jahren sind - selbstbestimmt sind und wortet Frau Ministerin Heister-Neumann! dass sie das Recht haben, zu entscheiden, wie sie sich ihr weiteres Leben - mit der Unterstützung Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - rin: vorstellen. Insofern wird der Grundsatz der Eigen- Sehr geehrte Frau Bockmann, was Sie sagen, ist verantwortung gestärkt. Angebote werden gelie- durchaus zutreffend. Wir haben in der Jugendan- fert; man muss sie aber auch annehmen wollen. stalt in Hameln vor dem Hintergrund der Unterbrin- Im Jugendvollzug sehen wir das noch anders. Im gung von Spätaussiedlern - darum geht es ja im Jugendvollzug spielt der Erziehungsgedanke eine Wesentlichen - einen deutlichen Rückgang von ganz andere Rolle. Der jüngste Gefangene in der Gewalt zu verzeichnen. Ich möchte hier aber wirk- JA Hameln ist 14 Jahre alt, hat aber schon eine lich auch einmal sagen, dass dieser Rückgang von erhebliche kriminelle Karriere hinter sich. Trotzdem Gewalt nicht nur am Rückgang der Zahl der Spät- setzen wir bei diesen Jugendlichen mit dem Ge- aussiedler liegt. In diesem Zusammenhang sind danken an, dass wir sie noch stärker fördern und auch - darauf bin ich immer wieder stolz - die Mit- weiterentwickeln können. arbeiterinnen und Mitarbeiter zu nennen, die alle Fälle sehr genau analysieren, die darauf schauen, Insofern sollte man hier trennen. Im Jugendvollzug worauf die Fälle von Gewalt zurückzuführen sind, bin ich sehr stark für ein Fordern, aber auch für und überlegen, was man dagegen unternehmen eine Fürsorge. Hier müssen wir sicherlich noch kann. Ich habe hier eine Liste von Fällen vorliegen. mehr investieren als bei anderen. - Danke. Ich will diese gar nicht im Einzelnen aufzählen. Sowohl der eine Grund als auch der andere Grund (Zustimmung bei der CDU) ist somit für den Rückgang von Gewalt anzuführen. Ich glaube, wir alle können stolz auf das sein, was Vizepräsidentin Astrid Vockert: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort leisten.

Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kol- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) legin Bockmann. Vizepräsidentin Astrid Vockert: Heike Bockmann (SPD): Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kol- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen lege Briese. und Herren! Der viel zitierte Bericht besagt auch, dass körperliche Auseinandersetzungen und ande- re Unterdrückungshandlungen seit 2004 kontinu-

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Ralf Briese (GRÜNE): punkt ist das Selbstbestimmungsrecht eines er- wachsenen Menschen. Der Chancenvollzug findet Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es stellt ja nie- nicht im Jugendvollzug statt. Herr Briese, vonsei- mand infrage, dass das CPT auch gute Bewertun- ten des CPT ist etwas thematisiert worden, was gen in Bezug auf Hameln abgegeben hat. Gleich- man im Sinne Ihrer Ausführungen verstehen wohl finde ich es nicht richtig, wenn Sie, Frau Mi- könnte. Ich will Ihnen einmal beschreiben, worum nisterin, es jetzt so darstellen, als ob in Hameln es geht. Ich will es an zwei Beispielen verdeutli- alles wunderbar sei. Man muss den Bericht sehr chen. differenziert sehen. Es gibt auch eine ganze Men- ge an Kritik in diesem Bericht, und zwar auch in Wir haben einen jungen Gefangenen, der zum Bezug auf die Jugendstrafanstalt in Hameln. Es Tatzeitpunkt 16 Jahre alt war. Dieser junge Gefan- gibt dort nach wie vor ein hohes Gewaltaufkom- gene war sehr stark von harten Drogen abhängig. men. Es ist zwar rückläufig - das ist erfreulich -, Er hat sich damals, um an die Drogen zu kommen, aber es ist nach wie vor hoch. Die medizinische Geld bei seinen Eltern und seinen Großeltern ge- Versorgung wurde bemängelt, und auch die liehen. Irgendwann haben die Eltern und die Rechtsmittelbelehrung wurde bemängelt. Es gibt Großeltern diesem jungen Mann kein Geld mehr also auch eine Vielzahl an Kritiken. Fragwürdig an gegeben mit der Folge, dass der 16-Jährige seinen der ganzen Debatte ist, dass Sie in der Öffentlich- Urgroßvater umgebracht hat und im Anschluss die keit immer den Eindruck vermittelt haben, es gebe Großmutter umgebracht hat, weil sie Zeugin dieses dort einen kuscheligen Vollzug, man sei dort zart- Verbrechens geworden ist. besaitet und das müsse man jetzt ändern. Das hat das Komitee jedenfalls nicht gesagt. Dies war mei- Ein weiterer Gefangener, der ebenfalls extrem ne Eingangsbemerkung. drogenabhängig war, hatte Übergriffe auf einen anderen Jugendlichen durchgeführt. Nachdem der Nun ganz konkret: Das CPT hat auch Kritik daran andere Jugendliche zu Boden geschlagen und geübt, dass zu viel Einschluss praktiziert wird. Das getreten worden war, sich aber noch aufgerappelt ist das Prinzip des Chancenvollzuges, den Sie in hatte und fliehen wollte, ist der Täter ihm gefolgt Niedersachsen implementieren wollen. Meine Fra- und hat dessen Kopf ständig gegen die Wand ge- ge lautet: Wollen Sie an diesem Prinzip eigentlich schlagen. Ich nenne Ihnen diese beiden Fälle nur festhalten, obwohl das Komitee deutliche Kritik deshalb, damit allen klar wird, mit welcher Klientel daran geübt hat, dass viel zu viele, insbesondere man es auch in der Jugendanstalt in Hameln zu schwer gewalttätige Jugendliche dann nur noch tun hat. weggeschlossen und nicht mehr behandelt wer- den? Das war eine klare Kritik des Komitees. Herr Briese, insofern wird es Gewaltausschluss in Jugendanstalten oder überhaupt in Anstalten nur (Beifall bei den GRÜNEN) geben, wenn wir die Häftlinge komplett einzeln unterbringen. „Komplett“ heißt, dass wir ihnen den Vizepräsidentin Astrid Vockert: ganzen Tag über keine Gelegenheit mehr zu ei- nem gemeinschaftlichen Aufenthalt bei der Arbeit, Danke schön, Herr Briese. - Für die Landesregie- in der Freizeit oder bei der Fortbildung geben. Ich rung hat Frau Ministerin Heister-Neumann das glaube, das betrachten wir alle als menschenun- Wort. würdig. Das würde auch das Verfassungsgericht so sehen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- das nicht machbar ist. rin: Es wird insofern immer Übergriffe geben. Wir ha- Das CPT hat die Kritik in der Form, wie Sie sie in ben deshalb das vornehme Ziel, die Strukturen so den Eingangsbemerkungen dargestellt haben, zu gestalten, dass das Ausmaß der Übergriffe so nicht vorgetragen. Ich weise das hier zurück. Wir gering wie möglich ist. Die Fälle, die ich eben be- können im Einzelnen noch darauf eingehen. schrieben habe, sind extreme Fälle. Nicht alle Fälle sind so, aber es gibt eben auch solche Fälle. Vor Ich möchte mich jetzt dem Thema Chancenvollzug dem Hintergrund der Fälle, die ich beschrieben zuwenden, weil dieses ein grundsätzliches Thema habe, muss jedem deutlich werden, dass sich ein ist. Der Chancenvollzug - das habe ich eben schon junger Mensch, der in einer vergleichbaren per- auf den Einwurf von Herrn Meihsies vorgetragen - sönlichen Situation in die Anstalt kommt, sicherlich ist im Erwachsenenvollzug verankert. Ausgangs-

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nicht von Anbeginn den ganzen Tag über gemein- Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- sam mit anderen in der Anstalt aufhalten kann. Es rin: gibt tatsächlich Fälle, die wir für eine bestimmte Zeit von den anderen isolieren müssen. „Isolieren“ Frau Korter, im Erwachsenenvollzug gibt es den ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass diese Chancenvollzug. Im Jugendvollzug führen wir die- Gefangenen überhaupt keinen Kontakt zu Mitge- sen Chancenvollzug vor dem Hintergrund des fangenen oder zu Mitarbeiterinnen oder Mitarbei- Selbstbestimmungsrechtes nicht ein, weil wir der tern haben. Wir müssen die Betreffenden aber Auffassung sind - ich verweise auf die hier geschil- doch sehr viel stärker getrennt halten, als das in derten Fälle -, dass das Selbstbestimmungsrecht den anderen Fällen in den Wohngruppen ge- bei den Jugendlichen noch nicht in dem erforderli- schieht. Hier setzen wir mit einem breiten Angebot chen Maße möglich ist. Die Jugendlichen sind oft von Fördermaßnahmen an. Ich nenne etwa Sozi- noch nicht fähig, selbst zu entscheiden. Man muss altherapie und Antiaggressionstraining. Darüber in solchen Fällen viel stärker mit Förderung und hinaus gibt es noch diverse andere Möglichkeiten. Unterstützung arbeiten. Es ist allerdings auch nicht Ich nenne als weiteres Beispiel die fachärztliche so, dass wir sagen, dass jemand, der sagt, er habe Behandlung, die im Bericht sehr positiv hervorge- null Bock, von irgendwelchen Maßnahmen ausge- hoben wurde. Wenn der junge Mensch so weit ist, schlossen wird. Ganz im Gegenteil! Bei der Klientel dass wir es auch unter dem Aspekt des Schutzes in der Jugendanstalt konzentrieren wir unsere möglicher Opfer zulassen können, dass er in ande- Kräfte und unsere Maßnahmen - die fachärztlichen re Maßnahmen - Ausbildung, Arbeit usw. - einbe- und die anderen therapeutischen Maßnahmen - zogen wird, dann tun wir das. Das ist die Konzepti- sehr stark, wobei das Ziel ist, zu erreichen, dass on. In bestimmten Fällen ist es aber einfach nicht die jungen Menschen irgendwann auch wieder auf möglich, Einzelne von Anfang an sofort mit ande- einen guten Weg kommen. Ich will Ihnen dafür ein ren zusammenzulegen. positives Beispiel nennen. Der Jugendliche aus einem der beiden Fälle, die ich eben beschrieben (Beifall bei der CDU und bei der FDP) habe, hatte neun Jahre Freiheitsstrafe erhalten. Er hat mittlerweile eine Tischlerlehre absolviert und Vizepräsidentin Astrid Vockert: erfolgreich mit der Gesellenprüfung abgeschlos- sen. Das ist wirklich etwas, worauf auch die Mitar- Herzlichen Dank. - Die nächste Frage stellt Frau beiterinnen und Mitarbeiter sehr stolz sein können. Kollegin Korter. (Beifall bei der CDU) Ina Korter (GRÜNE): Vizepräsidentin Astrid Vockert: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, meine Frage schließt sich direkt an. Sie Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kol- haben gerade eindrucksvoll beschrieben, welches legin Janssen-Kucz. Gewaltpotenzial in der Jugendhaftanstalt Hameln anzutreffen ist. Ich stelle es mir dort überhaupt Meta Janssen-Kucz (GRÜNE): nicht kuschelig vor. Frau Präsidentin! Die Frau Ministerin hat die Situa- Sie haben eben beschrieben, was Sie unter Chan- tion sehr deutlich dargestellt und Drogenabhängig- cenvollzug verstehen. Meine Frage lautet: Werden keit und die Suchtproblematik insgesamt geschil- besonders problematische und gewalttätige Ju- dert. Die Kritik aus dem Europarat insbesondere im gendliche in Zukunft die therapeutisch notwendige Hinblick auf die Gesundheitsversorgung ist be- Behandlung bekommen oder werden sie vornehm- kannt, auch das Problem von psychisch erkrankten lich eingeschlossen? Jugendlichen. Außerdem zeigt eine Studie der Universität Oldenburg, dass die Präventionspro- Vizepräsidentin Astrid Vockert: gramme ungenügend sind. Meine Frage: Wird die Landesregierung künftig bessere Gesundheitsver- Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin sorgungs- und -vorsorgeprogramme in den Haft- Heister-Neumann. anstalten durchführen? Dies gilt insbesondere für die Prävention im Jugendstrafvollzug im Hinblick auf psychisch erkrankte oder auffällige Jugendli- che.

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Vizepräsidentin Astrid Vockert: Dr. Uwe Biester (CDU): Herzlichen Dank, Frau Kollegin Janssen-Kucz. - Frau Präsidentin! Frau Ministerin, wer bereit ist den Für die Landesregierung hat Frau Ministerin Heis- Bericht objektiv zur Kenntnis zu nehmen, wird, ter-Neumann das Wort. glaube ich, unschwer zwei Feststellungen treffen können. Erste Feststellung: Die Jugendanstalt Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Hameln wird mehrfach besonders lobend hervor- rin: gehoben. Zweite Feststellung: Seit Antritt dieser Landesregierung haben sich die Verhältnisse in Weil immer wieder suggeriert wird, dass in Hameln der Anstalt nochmals deutlich verbessert. die ärztliche Betreuung schlecht sei, muss ich mir den Bericht selber noch einmal vorknöpfen. Als (Beifall bei der CDU) Erstes lese ich Ihnen vor, was auf Seite 53, Rand- Daher meine Frage: Auf welche Maßnahmen führt nummer 126, steht - Ihnen liegt der Bericht viel- die Landesregierung im Wesentlichen die seit dem leicht vor -: Regierungswechsel eingetretenen Verbesserun- „Das Gesundheitszentrum in der Ju- gen zurück? gendhaftanstalt Hameln war in Bezug auf Räumlichkeiten, Einrichtungen Vizepräsidentin Astrid Vockert: und Ausstattung beeindruckend.“ Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung ant- (Beifall bei der CDU) wortet die Justizministerin Heister-Neumann.

In diesem Sinne geht es im Bericht weiter. Als Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Zweites lese ich vor, was bei Randnummer 133 rin: steht - jetzt müssen Sie bitte auch einmal zuhö- ren -: Sehr geehrter Herr Biester, die Verbesserungen sind auf jeden Fall darauf zurückzuführen, dass wir „In der Jugendhaftanstalt Hameln das Personal auch in der Jugendanstalt Hameln wurde den Gefangenen eine höchst verstärkt haben, dass das Personal auch vor dem zufriedenstellende fachärztliche Ver- Hintergrund beruflicher Qualifikation hoch motiviert sorgung zuteil. Ein Psychiater, ein arbeitet - hier spielt die soziale Komponente eine Dermatologe, ein Zahnarzt und ein größere Rolle - und dass wir in den sächlichen Orthopäde besuchten die Anstalt drei Bereich investieren. Zwischenzeitlich haben wir Mal die Woche und ein Augenarzt rund 1,9 Millionen Euro investiert. Dabei haben wir zwei Mal die Woche. Unter dem me- nicht nur bauliche Sanierungsmaßnahmen durch- dizinischen Personal waren sechs geführt, sondern auch - das habe ich eben schon Psychologen, von denen sich vier angesprochen - im Bereich des Wohngruppenvoll- ausschließlich mit klinischer Arbeit in zugs Abtrennungen eingerichtet. Es gibt in der der Einrichtung befassten.“ Jugendanstalt Hameln die absolute Einzelunter- Das gibt es in keiner anderen Jugendanstalt in der bringung, wenn wir nicht aus erzieherischen oder Bundesrepublik. Wir haben hier also eine gute psychologischen Gründen mit Zustimmung der fachärztliche Versorgung. Dies gilt auch für die Gefangenen eine Doppelbelegung durchführen. Es Betreuung, Beratung und Therapie von Drogenab- wurde also ein ganzer Strauß von Maßnahmen hängigen. durchgeführt, was zu diesem erfreulichen Ergebnis geführt hat. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Vizepräsidentin Astrid Vockert: Vizepräsidentin Astrid Vockert: Danke schön. - Die nächste Frage stellt Frau Kol- Danke schön. - Die nächste Frage stellt Herr Kol- legin Körtner! lege Dr. Biester! Ursula Körtner (CDU): Frau Ministerin, ich kenne die Jugendanstalt Ha- meln seit vielen Jahren, weil sie in dem Landkreis

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liegt, aus dem ich komme. Ich weiß vor allen Din- Bericht, dass es in Niedersachsen in diesem Be- gen, wie engagiert alle Leitungen und auch die reich Mängel gebe. Darauf haben Sie gar nicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Jugendan- reagiert. Meine Frage bezog sich darauf, dass die stalt ihre wirklich schwere Aufgabe wahrgenom- Zahl der hohen Einschlüsse bemängelt wird. Auch men haben und wahrnehmen. Ich weiß auch, dass darauf haben Sie nicht geantwortet. Es wäre är- sie gerade im Hinblick auf eine Senkung des Ge- gerlich, wenn wir schon wieder zum Staatsge- waltpotenzials der jungen Gefangenen sehr enga- richtshof ziehen müssten, weil die Landesregie- giert und unter Einsatz externen Sachverstandes rung die Fragen hier nicht richtig beantwortet. gearbeitet haben und arbeiten. Ich bitte Sie daher herzlich - das ist meine Frage -, konkrete Projekte Meine konkrete Frage jetzt: Unter anderem wird in zur Senkung des Gewaltpotenzials bei den jungen dem Bericht gesagt, dass die Abnahme der Gewalt Gefangenen zu benennen. in Hameln damit zusammenhängt, dass die Haft- zahlen deutlich gesunken sind. Dass dies einer der zentralen Gründe sein kann, ist doch ganz klar: Vizepräsidentin Astrid Vockert: Weniger jugendliche Gewalttäter in einer Strafan- Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung ant- stalt bedeuten weniger Gewalt insgesamt. Verfügt wortet die Justizministerin Heister-Neumann. die Landesregierung über ein Programm oder ein Konzept zur Haftvermeidung bei jugendlichen Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- Straftätern? rin: Vizepräsidentin Astrid Vockert: In der Jugendanstalt Hameln wurde im Jahre 2003 eine Projektgruppe eingerichtet, die jede tätliche Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung ant- Auseinandersetzung, jeden Übergriff und jede wortet die Justizministerin Heister-Neumann. Verletzung genauestens analysiert. Die Analyse erstreckt sich auf den Tatvorwurf, die Tatwerkzeu- Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- ge, die Herkunftsorte der Gefangenen und den rin: Tatort. Aus dieser Analyse werden Vorschläge entwickelt, wie man die Übergriffe noch weiter Ich weise zurück, dass ich Ihre Fragen nicht be- reduzieren kann. Dass diese Arbeit sehr erfolg- antwortet hätte. Ich mache es aber gern noch ein- reich ist, zeigt sich auch in den Zahlen. Der Erfolg mal. ist kein Zufall, sondern basiert auf der gründlichen (Beifall bei der CDU) und wirklich hoch motivierten Arbeit der Menschen vor Ort. Zu dem Einschluss der Jugendlichen bzw. der Heranwachsenden habe ich Ihnen geschildert, aus Vizepräsidentin Astrid Vockert: welchen Gründen eine bestimmte Gruppe von Jugendlichen und Heranwachsenden nicht gleich Danke schön. - Die nächste und für ihn letzte Fra- zu Anfang in den Wohngruppenvollzug mit all sei- ge stellt Herr Kollege Briese! nen Freiheiten - dies beinhaltet auch die Unter- bringung in Arbeits- und Ausbildungsmaßnahmen - Ralf Briese (GRÜNE): hineinkommen kann: weil man sich zunächst auf Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es wäre schon die Stabilisierung dieser jungen Menschen kon- nett von der Landesregierung, wenn Sie, Frau zentriert, um sie nach der Stabilisierung in den Ministerin, die Fragen, die gestellt werden, auch Wohngruppenvollzug hineinführen zu können. konkret beantworteten. Wir haben gar nicht gesagt, Anderenfalls wären die Zahlen, die wir Ihnen zur dass die medizinische Versorgung in dieser Ju- Verringerung der Zahl der gewalttätigen Übergrif- gendstrafanstalt schlecht sei. Es gibt aber einen fen vorgelegt haben, nicht so niedrig gewesen, klaren Vorwurf des CPT, der besagt, dass das sondern wir hätten es mit sehr viel mehr Opfern in pflegerische Personal insbesondere an Wochen- der Jugendanstalt Hameln zu tun, weil diese jun- enden dort aufgestockt werden müsse. Darauf gen Menschen noch nicht stabilisiert sind. Wir haben sich die Fragen kapriziert. Meine Kollegin wollen nicht das erleben, was an Vorkommnissen Janssen-Kucz hat gefragt, wie Sie dort künftig mit außerhalb der Anstalt von mir beschrieben wurde. psychisch erkrankten jugendlichen Strafgefange- Was die Kritik an der Ausstattung mit medizini- nen umgehen wollen. Es gibt Hinweise im CPT- schem Personal angeht, habe ich Ihnen vorgetra-

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gen, wie diese Ausstattung aussieht. Ich habe Dr. Harald Noack (CDU): Ihnen vorgelesen, wie das CPT die fachärztliche Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Betreuung der Jugendlichen in dieser Anstalt be- Herren! Lassen Sie mich damit einleiten, dass ich schreibt, nämlich als besonders gut. Im CPT-Be- trotz der pauschalen und insoweit auch unzutref- richt wird ein Punkt angesprochen, den Sie viel- fenden Kritik von Herrn Briese von der Fraktion leicht meinen. Insofern möchte ich das noch er- Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar dafür bin, gänzen. Es wird gesagt, dass während der Nacht- dass er dieses Thema heute zum Gegenstand der zeiten die Ausstattung mit ärztlichem Personal Fragestunde gemacht hat - schlichtweg deshalb, nicht in dem Maße wie am Tage gegeben ist. Ich weil offensichtlich die sich bessernden Verhältnis- hatte eingangs gesagt, dass man alle Anstalten, se in Hameln und die noch vorhandene öffentliche die vom CPT besucht wurden, im Zusammenhang Meinung nicht übereinstimmen - das hat sich auch betrachten muss. Insofern muss das CPT natürlich aus der Presseberichterstattung ergeben -, sodass berücksichtigen, dass wir während der Nachtzeiten es Not tut, die Erfolge, die sich in Hameln einge- eine Einzelunterbringung in verschlossenen Haft- stellt haben, hier der Öffentlichkeit klarzumachen. zellen haben. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der CDU) Mich interessiert im Zusammenhang mit dem, was Deshalb brauchen wir während der Nachtzeiten Sie vorgetragen haben, ob es eine Art Frühwarn- Personal nicht in dem Umfang, in dem wir es be- system in Hameln gibt. Ich habe mir das, was Sie nötigen würden, wenn wir offene Wohngruppen gesagt haben, angehört, und das klang für mich ohne Sicherungsmaßnahmen hätten; denn dann überzeugend. Das, was Sie gesagt haben, war müsste Personal zur Verfügung stehen, um ein- aber eher eine Art Reaktion: Gruppen, die sich zugreifen, falls sich Übergriffe ereignen würden. Vorkommnisse genau ansehen und entsprechende Das ist der Grund, weshalb wir einen Unterschied Überprüfungen und Therapiemaßnahmen vorneh- zwischen Nacht-, Tag- und Wochenendzeiten ma- men. Ich meine, dass die Maßnahmen noch etwas chen. Vor diesem Hintergrund ist nach unserer früher ansetzen müssten. Die Maßnahmen müss- Auffassung die Personalausstattung sehr wohl in ten so ansetzen, dass es gar nicht erst zu Über- Ordnung. griffen kommt, indem bereits im Vorfeld, im Rah- Auf die psychosoziale Betreuung der Jugendlichen men der Vorbereitung eines entsprechenden Haft- und Heranwachsenden bin ich eingegangen. Wir planes, möglicherweise aus dem Täterprofil oder haben die entsprechenden Programme, wir haben der Verurteilung geklärt wird, ob es im Einzelfall die Sozialtherapie. Wenn wir einen Grenzfall be- besondere Gefahrenmomente oder -potenziale kommen, bei dem wir der Auffassung sind, dass gibt, sodass man bereits agieren kann, bevor ein das Personal in der Jugendanstalt mit diesem Tä- gravierendes Verhalten einsetzt. ter nicht mehr klarkommt und der Täter eine ande- re fachärztliche Betreuung benötigt, dann sind wir Vizepräsidentin Astrid Vockert: darum bemüht, diesen Jugendlichen oder Heran- wachsenden in eine entsprechende psychiatrische Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung spricht Einrichtung zu überweisen. Das ist bei Grenzfällen Frau Ministerin Heister-Neumann. Sie haben das nicht einfach. Es ist aber unser Anliegen, so etwas, Wort. wenn es notwendig ist, auch zu realisieren. Ich meine, dass ich damit alle Ihre Fragen, Herr Brie- Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- se, beantwortet habe. rin:

(Beifall bei der CDU) Ich hätte jetzt gerne zitiert, habe die Stelle im Be- richt aber nicht so schnell gefunden. In dem Be- richt wird angesprochen, dass ein Frühwarnsystem Vizepräsidentin Astrid Vockert: in der Jugendanstalt Hameln durch sehr differen- Danke schön, Frau Ministerin. - Die nächste Frage zierte und sehr intensive Eingangsuntersuchungen stellt Herr Dr. Noack. vorbildlich existiert. Die Aufnahme in der Jugend- anstalt Hameln erfolgt dergestalt, dass sich ein Team von Mitarbeitern mit jedem einzelnen Ge- fangenen beschäftigt, dabei genau auf das Täter-

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profil und den gesellschaftlichen soziologischen Vizepräsidentin Astrid Vockert: Hintergrund achtet, und die Gefangenen entspre- Danke schön, Herr Kollege Nacke. - Für die Lan- chend diesen Feststellungen den unterschiedli- desregierung antwortet Frau Ministerin Heister- chen Hafthäusern, die wir in Hameln haben, zu- Neumann. ordnet.

Frau Bockmann hat auf die Subkultur hingewiesen, Elisabeth Heister-Neumann, Justizministe- die es in Gefängnissen immer wieder gegeben hat rin: und die wir in Hameln in einem bestimmten Zeit- raum vor dem Hintergrund der Spätaussiedler- Und da soll noch jemand etwas über schlechte problematik verstärkt hatten. Angehörige dieser Presseberichterstattung sagen. Sie ist ganz her- Gruppe bringen wir nicht in denselben Hafthäusern vorragend, das ist wunderbar beschrieben und unter, sondern verteilen sie auf die verschiedenen zutreffend. Ich habe mich sehr darüber gefreut, Hafthäuser in Hameln. Das tun wir, um zu verhin- weil es eine vertiefte Kenntnis von den Verhältnis- dern, dass sich diese Strukturen neu aufbauen. sen vor Ort dokumentiert. Das ist im CPT-Bericht ausdrücklich gelobt wor- (Beifall bei der CDU) den. Es ist der Bundesregierung außerdem emp- fohlen worden, dieses Konzept als Systemkonzep- tion auch auf die anderen Haftanstalten in der Vizepräsidentin Astrid Vockert: Bundesrepublik auszuweiten. Danke schön. - Wortmeldungen für weitere Zu- satzfragen liegen nicht vor. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich rufe deshalb auf Vizepräsidentin Astrid Vockert: Danke schön, Frau Ministerin. - Herr Kollege Na- cke, Sie stellen die nächste Frage. Frage 2: Naturschutzarbeit des landwirtschaftlichen Jens Nacke (CDU): Naturvereins Rheiderländer Marsch

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Thiele, Sie haben das Wort. Herr Ralph Lorenz hat in den Weserbergland- Nachrichten am 19. April die Presseveröffentli- Ulf Thiele (CDU): chung der SPD zu diesem Thema kommentiert. Mich interessiert Ihre Meinung dazu. Deshalb zitie- Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! In Ei- re ich mit Erlaubnis der Präsidentin einleitend we- geninitiative gründeten Landwirte im Rheiderland nige Sätze. Da heißt es: im Landkreis Leer 2004 den landwirtschaftlichen Naturverein Rheiderländer Marsch. 27 Landwirte „Da muss eben der Anti-Folter-Bericht stellten für den Artenschutz vor Ort eine Gesamt- aus Straßburg für Ersatzhandlungen fläche von 4 500 ha zur Verfügung. herhalten. Doch auch das können sie nicht. Zu lustvoll wird aus dem um- Der Verein setzt sich vornehmlich für den Vogel- fangreichen Bericht über blaue Augen schutz ein. Durch neue Konzepte werden Vogel- im Hamelner Jugendknast zitiert und arten, aber damit einhergehend auch andere be- zu oberflächlich mit Sachverhalten drohte Tierarten auf Ackerflächen geschützt. Dazu umgegangen. Das Thema eignet sich werden auf hochwertigen Böden Schutzstreifen wirklich nicht zum Punktsieg im Kampf angelegt, die die Lebensqualität für seltene Tiere um die Wählergunst.“ verbessern. Diese Streifen bleiben von der land- wirtschaftlichen Nutzung frei und werden Lebens- Ich frage die Landesregierung, wie sie diese Aus- raum für die vorgenannten Arten. Bereits schnell sagen bewertet. nach Beginn der Maßnahme zeichneten sich erste (Lachen bei der SPD) Erfolge ab. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregie- rung:

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1. Wie stellen sich die Erfolge des Projektes Rhei- rem eigenen Grund und Boden und aus eigenem derländer Marsch dar, und welche weiteren Per- Entschluss einen Beitrag für den Artenschutz in spektiven ergeben sich aus Sicht der Landesregie- der Feldflur zu leisten. rung für dieses Vorhaben? Zweitens. Das Schutzkonzept ist von den Land- 2. Wie wird der landwirtschaftliche Naturverein wirten selbst entwickelt worden. Sie waren also Rheiderländer Marsch seitens der Landesregie- nicht vor die Entscheidung gestellt, ein von der rung gefördert? Verwaltung angebotenes Konzept zu akzeptieren oder abzulehnen. 3. Welche vergleichbaren Projekte oder Vereine gibt es in Niedersachsen? Drittens. Die Einsparung von Verwaltungsaufwand ist erheblich. Das ist dadurch bedingt, dass es mit Vizepräsidentin Astrid Vockert: dem Verein für die Naturschutzverwaltung nur noch einen Vertrags- und Ansprechpartner gibt. Herzlichen Dank, Herr Thiele. - Für die Landesre- Nach der bisherigen Praxis hätten wir mit den gierung spricht Herr Minister Sander. Sie haben 32 Landwirten 32 Einzelverträge geschlossen. Die das Wort. Vertragsabschlüsse mit den einzelnen Landwirten organisiert der Vereinsvorstand. Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: Viertens. Der Vertrag zwischen der Landesnatur- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und schutzverwaltung und den Landwirten ist auf der Herren! Durch den fortlaufenden Wandel in der Basis von gegenseitigem Vertrauen abgeschlos- Landwirtschaft kommt es immer wieder zu Kon- sen worden. Deshalb sind die im Zuwendungsbe- flikten zwischen dem Naturschutz und der Land- scheid des Niedersächsischen Landesbetriebes für wirtschaft. Die Ackerflächen in der heutigen Zeit Wasserwirtschaft-, Küsten- und Naturschutz ent- sind vielfach arm an Strukturen. Auch die Land- haltenen Auflagen so gering und so einfach ge- technik zeigt einen stetigen Wandel zu höherer fasst worden, wie es das Haushaltsrecht und die Produktivität. Hierdurch ist es auf Ackerflächen fachlichen Ziele erlauben. vielfach zu einem Artenrückgang in der Vogelwelt gekommen. Lebensräume typischer Arten der Fünftens. Durch den Verzicht auf die EU- Feldflur, wie Feldlerche, Wachtel, Rebhuhn und Kofinanzierung soll der in unglaublicher Weise Wiesenweihe, werden immer seltener. Ein effekti- immer mehr überbordende bürokratische Aufwand ver Naturschutz kann nicht ohne eine vertrauens- vermieden werden, der von der Kommission zum volle Zusammenarbeit mit den Landwirten und den Zwecke der Kontrolle der Landwirte verlangt wird. Naturschützern funktionieren. Das öffentliche Interesse am Projekt wurde durch (Beifall bei der FDP und bei der CDU) die Dreharbeiten eines Filmteams des NDR unter- strichen. Ein Film mit sehenswerten Einblicken in Aus diesem Grund wurde 2003 vom Landwirt- die Arbeit des Landwirtschaftlichen Naturvereins schaftlichen Naturverein Rheiderländer Marsch Rheiderländer Marsch und die erzielten Erfolge e. V. in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsi- wurde im ARD-Abendprogramm ausgestrahlt. schen Umweltministerium ein zielgerichtetes, part- Überhaupt trifft dieses Projekt auf eine breite Re- nerschaftliches und bürokratiearmes Projekt sonanz in der Bevölkerung und trägt in hohem „Landwirtschaftlicher Naturschutz“ initiiert. Ziel des Maße zum Erlebniswert der Region bei. Projektes ist die Verbesserung der Strukturvielfalt, der Lebensraumsituation und der Fortpflanzungs- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine erfolge von Vogel- und anderen Tierarten der Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Feldflur über die Errichtung von struktur- und nah- rungsreichen Randstreifen als Beitrag zur Siche- Zu Frage 1: Nach nunmehr dreijähriger Praxispha- rung der biologischen Vielfalt in Niedersachsen. se in den Jahren 2004 bis 2006 bewertet die Lan- Das Projekt verdient aus folgenden Gründen be- desregierung das von engagierten Landwirten des sondere Beachtung: Landwirtschaftlichen Naturvereins Rheiderländer Marsch getragene und professionell durchgeführte Erstens. Zum ersten Mal haben sich Landwirte in Artenschutzprojekt als überaus erfolgreich. dieser Form aus eigener Initiative zu einem Natur- schutzverein zusammengeschlossen, um auf ih-

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In der kurzen Zeit von 2004 bis 2006 ist es dem Die Bestände und Fortpflanzungserfolge zahlrei- Landwirtschaftlichen Naturverein gelungen, rund cher gefährdeter Tierarten haben sich erfreulich 88 ha vernetzte Vogelschutzstreifen in einer Ge- entwickelt. Neben der Schafstelze und Feldlerche samtlänge von 57 km zu schaffen. Dadurch konnte haben vor allem die bestandsgefährdeten Arten eine Gesamtackerfläche von ca. 4 500 ha in ihrer Wachtel, Rebhuhn, Rohr- und Wiesenweihe profi- Lebensraumqualität für Vogelarten wie Feldlerche, tiert. Rebhuhn und Wiesenweihe sowie für andere Tier- arten der Feldflur, z. B. Feldhase und Reh, deutlich 2006 konnten von der Wachtel bis zu 3,9 Bruten verbessert werden. auf 100 ha in Luzerne und den Artenschutzstreifen festgestellt werden. Im Sommer wurden aus- Die Schutzstreifen haben eine Breite von mindes- schließlich die Artenschutzstreifen von der Wachtel tens 6 m und maximal 30 m. Die Länge soll min- als Deckung und Nahrungslebensraum genutzt. destens 30 m betragen. Die Aussaat hat bis zum 1. April des ersten Verpflichtungsjahres zu erfol- Die anhaltend positive Bestandsentwicklung des gen. Die Saatgutmischung wird vom Verein einer Rebhuhns gibt Anlass zur Freude. Mit 9 Brutpaa- Erfolgskontrolle unterzogen und gegebenenfalls ren und 41 Jungvögeln wurde im Jahr 2006 der verändert. Der NLWKN als Fachbehörde für Natur- bislang höchste Rebhuhnbestand im Projektgebiet schutz steht dem Verein beratend zur Seite. nachgewiesen; ein Vergleich: 2004 gab es 2 Brut- paare und 10 Jungvögel. Die Zuwendungsempfänger sind zur Pflege der Artenschutzstreifen verpflichtet. Mindestens einmal Besonders hervorzuheben sind die Erfolge aus im Jahr sollen die Streifen gemäht werden. In der Sicht des Weihenschutzes. 7 erfolgreiche Bruten Zeit vom 15. April bis zum 15. Juli darf nicht ge- und 22 ausgeflogene Jungvögel der gefährdeten mäht werden - das ist die Hauptbrutzeit. Rohrweihe und 6 Brutpaare der vom Aussterben bedrohten Wiesenweihe mit 15 ausgeflogenen Der Landwirtschaftliche Naturverein und das Nie- Jungvögeln im Jahr 2006 sprechen für sich. Die dersächsische Umweltministerium sind sich dar- Artenschutzstreifen wurden von Alt- und Jungvö- über einig, dass die bisherigen Ergebnisse die geln aufgrund ihres Mäusereichtums besonders Anfangshoffnungen mehr als übertroffen haben. gern angenommen und regelmäßig zur Nahrungs- Sollte sich dieser positive Trend in den folgenden suche genutzt. Jahren stabilisieren oder sogar fortführen, könnten alle am Projekt Beteiligten mit großer Zufriedenheit Die Bedeutung der Artenschutzstreifen für die auf ihr Engagement blicken. Feldlerche ist ebenfalls offensichtlich. Während in einem Teilgebiet mit einem hohen Anteil an Arten- Im Einzelnen stellen sich die Erfolge wie folgt dar: schutzstreifen 25 Feldlerchenbruten auf 100 ha kartiert wurden, lag deren Anzahl in einem Teilge- Mit 32 landwirtschaftlichen Betrieben nehmen über biet mit weniger Artenschutzstreifen nur bei 12,3 90 % der Betriebe im Projektgebiet teil. Der Ge- Bruten auf 100 ha. samtumfang des Schutzstreifen-Systems hat sich von 57,2 ha im Jahr 2004 auf 87,5 ha im Jahr 2006 Die Landesregierung beabsichtigt, die erfolgreiche vergrößert. Die Gesamtlänge der einzelnen und vertrauensvolle partnerschaftliche Zusam- Schutzstreifen hat sich von 42,2 km im Jahr 2004 menarbeit des Landes mit dem Landwirtschaftli- auf 57,1 km im Jahr 2006 erhöht. Die durchschnitt- chen Naturverein weiterzuführen. liche Streifenbreite ist von 13,5 m im Jahr 2004 auf 15,3 m im Jahr 2006 gewachsen. (Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, gerade die Aussaat von Zu Frage 2: Das Niedersächsische Umweltministe- sehr vielen Blühpflanzen in der Saatmischung hat rium gewährt dem Landwirtschaftlichen Naturver- dazu geführt, dass der Bewuchs in der letzten Zeit ein für die Schaffung von Artenschutzstreifen im sehr viel durchlässiger und somit auch attraktiver Zeitraum 2004 bis 2008 eine jährliche Zuwendung für die Feldvögel geworden ist. Die blühenden bis zu einer Höhe von 70 000 Euro. Die haus- Streifen, die 2006 angelegt worden sind, hatten haltstechnische Abwicklung und fachliche Beglei- das höchste Artenaufkommen und sind im Übrigen tung des Projektes obliegt der Fachbehörde für auch unter touristischen Gesichtspunkten eine Naturschutz im Niedersächsischen Landesbetrieb Augenweide. für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.

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Zu Frage 3: Das Pilotprojekt „Landwirtschaftlicher (Heinz Rolfes [CDU]: 10.10 Uhr!) Naturschutz“ ist von der Organisationsform und der verwaltungsmäßigen Abwicklung her in Nieder- - 10.10 Uhr? Nach unserer Uhr war es eben genau sachsen einzigartig. 10.08 Uhr. Sie können sich gerne mit der Land- tagsverwaltung darüber auseinandersetzen, wel- Ein weiteres gelungenes Kooperationsprojekt zwi- che Uhr möglicherweise vorgeht. Das ist Ihnen schen der Landwirtschaft und dem Naturschutz ist unbenommen. das Wallheckenprogramm in der Pilotregion Ost- friesland. Das Projekt fußt auf einer regionalen Ich rufe auf die Fortsetzung von Initiative. Ich bin dankbar, dass so viele Abgeord- nete aus dem ostfriesischen Raum - Kollege On- tijd, Herr Dinkla, Frau Ortgies, die zwar oldenburgi- Tagesordnungspunkt 2: sche Friesin ist, die wir hier aber dazu zählen, 44. Übersicht über Beschlussempfehlun- ferner Herr Riese - mitgeholfen haben, darauf hin- gen der ständigen Ausschüsse zu Einga- zuweisen, dass wir diese einzigartige Wallhecken- landschaft in die nächste Generation retten müs- ben - Drs. 15/3720 - Änderungsantrag der sen, aber gleichzeitig eine erfolgreiche Landbe- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - wirtschaftung gewährleisten müssen. Somit konn- Drs. 15/3754 ten wir im Herbst letzten Jahres dieses Projekt auf die Beine stellen. Ich möchte gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die (Beifall bei der CDU) Eingabe 3035 betr. „Verschmutzung der Umwelt bzw. der Luft durch Kohlenstaubemissionen“ Das Projekt zielt nämlich - ganz im Sinne der nochmals im Ausschuss zu beraten. Deshalb Nachhaltigkeit - darauf, die kulturhistorisch und stimmen wir heute über diese Eingabe nicht ab. - naturschutzfachlich wertvollen Wallhecken gezielt Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so in zu pflegen und zu erhalten. Ordnung.

Ähnlich wie das Projekt im Rheiderland hat auch Über die Ausschussempfehlungen zu den Einga- das Wallheckenprogramm Vorbildcharakter und ben in der Drucksache 3720, zu denen keine Än- zeigt, wie gut naturschutzfachlich wertvolle Erfolge derungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der in einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen 115. Sitzung abgestimmt. Wir beraten jetzt also nur der Landwirtschaft und dem Naturschutz erzielt noch über die Eingabe aus der Drucksache 3720, werden können und die Akzeptanz für Maßnah- zu der ein Änderungsantrag vorliegt. Die Einga- men des Naturschutzes durch eine aktive Einbin- be 3035 haben wir ja an den Ausschuss zurück- dung der Menschen vor Ort gesteigert werden verwiesen. kann. Ich eröffne die Beratung. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Wolfgang Jüttner [SPD]: Ohne Wort- Vizepräsidentin Astrid Vockert: meldungen!) Herzlichen Dank, Herr Minister Sander. - Wortmel- - Es gibt keine Wortmeldungen. Wir können also dungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Ich gleich zur Abstimmung kommen. stelle fest: Es ist 10.08 Uhr. Damit ist die Frage- Ich rufe die Eingabe 3520 auf, in der es um die stunde für diesen Tagungsabschnitt beendet. Unterrichtsversorgung und um Schulkosten gibt. Sie wissen, dass die Antworten der Landesregie- Hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion rung zu den Anfragen, die jetzt nicht mehr aufge- Bündnis 90/Die Grünen, der auf „Berücksichtigung“ rufen werden konnten, nach § 47 Abs. 6 unserer lautet. Falls dieser Änderungsantrag abgelehnt Geschäftsordnung zu Protokoll gegeben werden. wird, lasse ich danach über die Beschlussempfeh- lung des Ausschusses abstimmen. (Heinz Rolfes [CDU] meldet sich zu Wort) Wer für „Berücksichtigung“ beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstim- - Herr Rolfes, welche Anmerkung gibt es noch? men? - Stimmenthaltungen? - Das war eindeutig.

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Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion Bünd- Das hat Herr Ministerpräsident Wulff als Schirm- nis 90/Die Grünen abgelehnt. herr der bundesweiten Kampagne „Haus sanieren - profitieren“ Ende März in Osnabrück gesagt. Im Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Reden ist unser Ministerpräsident gut, aber welche Ausschusses, der für „Sach- und Rechtslage“ vo- Konsequenzen zieht die Landesregierung für ihre tiert. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um eigenen Liegenschaften daraus? - Keine! Sie ha- das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimment- ben ja noch nicht einmal vernünftige Daten über haltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung den Energieverbrauch. Der letzte veröffentlichte des Ausschusses gefolgt. Bericht liefert Zahlen für das Jahr 2002, und diese Zahlen sind so pauschal, dass man damit kaum Ich rufe auf den etwas anfangen kann. Für die Folgejahre haben Sie noch nicht einmal einen Energiebericht vorge- legt. Das ist Politik nach dem Motto „Was ich nicht Tagesordnungspunkt 31: weiß, macht mich nicht heiß“. Erste Beratung: (Beifall bei den GRÜNEN) CO2-Reduzierung in der Landesverwaltung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Herr Sander, Sie haben auf meine Frage am Drs. 15/3685 8. März 2007 hier von dieser Stelle aus gesagt, Sie bräuchten noch etwa ein Jahr, um konkrete Zahlen Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Janßen nennen zu können, was die Landesregierung auf von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. dem Gebiet der Energieeinsparung leisten könne. Bitte schön! Das klingt doch so, als seien wir im Mittelalter und müssten erst Mönche dazu bringen, mühsam Per- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): gament zu beschriften. Die nötigen Daten lassen sich schneller beschaffen und bearbeiten. Ich will Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen Ihnen an dieser Stelle durchaus etwas Nachhilfe und Herren! Rein verbal ist ja das Ziel, endlich geben. etwas für den Klimaschutz tun zu müssen, selbst bei dieser Landesregierung angekommen. Beim Bei der Polizeidirektion Hannover liegt der Heiz- Handeln allerdings fehlt Ihnen weiterhin die Kraft. energieverbrauch um 100 % über dem Ver- Klimaschutz hat bei Ihnen nur in Sonntagsreden gleichswert für solche Gebäude, der Stromver- Relevanz; beim Handeln herrscht „business as brauch um 36 %. Beim Landesamt für Bezüge und usual“. Versorgung in Hannover liegt der Wärmeenergie- bedarf um 68 % über dem Vergleichswert, beim (Zustimmung bei den GRÜNEN - Strom sind es 62 %. Heinz Rolfes [CDU]: Nein! Das ist nicht wahr!) (Anneliese Zachow [CDU]: Was ver- gleichen Sie denn da?) Sie tun noch nicht einmal im eigenen Wirkungsbe- reich etwas, wo die Landesregierung als Einkäufer, Noch ein weiteres Beispiel: Finanzamt Stade - als Immobilienbesitzer oder als stolzer Autobesit- Heizenergiewert 46 % über dem Vergleichswert, zer die Chance hätte, sofort tätig zu werden, z. B. Stromverbrauch 62 % darüber. Die Basis dazu bei der Sanierung landeseigener Liegenschaften. sind übrigens Ihre eigenen Angaben zu meiner Das ist ein Dauerthema hier im Parlament, nicht Anfrage vom 15. Mai 2006, die wir durch eine Ex- nur was das Gebäude des Landtages angeht, pertise der dena haben prüfen lassen. Meine Da- sondern was die Gebäude des Landes insgesamt men und Herren, fangen Sie doch bei solchen betrifft. Energieschleudern einfach mal an! Sie brauchen sich zunächst nur die durchschnittlichen Energie- „Wenn Hausbesitzer ihre Immobilien verbräuche je Quadratmeter anzusehen und müs- energetisch sanieren, sparen sie E- sen fragen: Welches Gebäude liegt eklatant über nergiekosten, unterstützen regionale dem Durchschnitt, und woran liegt das? Handwerksbetriebe und machen ihr Gebäude fit für die Zukunft.“ Was wir in unserem Antrag fordern, ist auch unter finanziellen Gesichtspunkten durchaus leistbar: 15 % Energieeinsparung beim Wärmeenergie-

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verbrauch in den nächsten fünf Jahren - das ist ver – New York beispielsweise werden pro Person wirklich nicht zu viel verlangt. Ich bin mir ziemlich rund 4 000 kg CO2 freigesetzt. Diese Menge zu sicher, dass Sie diese Zielmarge ohne großartige kompensieren, kostet zum Beispiel bei Atmosfair eigene finanzielle Anstrengungen hinbekommen rund 80 Euro. Wir meinen, dass die Landesregie- werden, weitestgehend nämlich über Contracting. rung auch hier ihrer Vorbildfunktion gerecht wer- Natürlich können wir bei diesem ersten Schritt den muss. Wir fordern nicht überzogene Beiträge, nicht stehen bleiben. Ziel muss es sein, Landeslie- bei denen die Haushaltssituation als Begründung genschaften mittelfristig, wo immer es möglich ist, dafür herangezogen werden kann, dass dies so auf Niedrigenergiestandard zu bringen. nicht geht.

Wenn ich mir die eben genannten Ausreißer nach Meine Damen und Herren, natürlich ist Klima- oben beim Stromverbrauch ansehe, kann mir kei- schutz nicht gänzlich zum Nulltarif zu haben. Die ner weismachen, dass nicht auch da jede Menge energetische Sanierung der landeseigenen Ge- an Einsparpotenzial vorliegt. bäude wird trotz zahlreicher Möglichkeiten privater Finanzierung auch Mittel des Landes in Anspruch (Zustimmung bei den GRÜNEN) nehmen. Aber nichts zu machen, wie es diese Landesregierung bisher praktiziert, ist mit Sicher- Nur muss man es halt machen und nicht nur dar- heit teurer. über reden. (Beifall bei den GRÜNEN) Wir fordern außerdem, den Fuhrpark des Landes auf verbrauchsarme Fahrzeuge der jeweiligen Also, meine Damen und Herren von den Fraktio- Klasse umzustellen. Gerade beim Fahrzeugpark nen der CDU und der FDP, geben Sie Ihrer Regie- könnte das Land Vorbild sein durch die Nutzung rung einen Schubs, damit Herr Ministerpräsident verbrauchsarmer Fahrzeuge und durch die Nut- Wulff seinen Worten auch Taten folgen lassen zung biologischer Treibstoffe, wo immer das geht. kann! Unterstützen Sie unseren Antrag! - Danke Wenn man sich die Liste der verbrauchsärmsten schön. Fahrzeuge ansieht, wird man nur wenige deutsche Modelle darunter finden. Das muss sich ändern. (Beifall bei den GRÜNEN) Nun hat ja die Bundeskanzlerin als EU-Ratspräsi- dentin gerade dafür gesorgt, dass die Emissions- Vizepräsidentin Astrid Vockert: obergrenzen bei den Pkws trotz vollmundiger Selbstverpflichtungen der Automobilindustrie wie- Danke schön, Herr Kollege Janßen. - Für die CDU- der aufgeweicht wurden. Wir müssen daher auf die Fraktion spricht Frau Kollegin Weyberg. Sie haben Vernunft der Kundinnen und Kunden setzen. Dafür das Wort! brauchen wir auch die Landesregierung mit ihrer Vorbildfunktion. Silke Weyberg (CDU):

(Zustimmung bei den GRÜNEN) Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lie- ber Herr Janßen, ich bin ein bisschen erstaunt, Das Gleiche gilt für das Thema Flugreisen. Natür- dass Sie meinen, Ihre Argumente so polemisch lich wäre es besser, wenn wir endlich dazu kämen, vorbringen zu müssen. auch den Luftverkehr in den Emissionshandel ein- zubeziehen, und natürlich ist eine vernünftige Be- (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das war steuerung des Flugbenzins dringend erforderlich, gar nicht polemisch!) damit wir die Fliegerei auf das erforderliche Maß Ich glaube, wir sind uns völlig einig darüber, dass beschränken. Aber das werden wir nicht national wir für unsere Umwelt gemeinsam Sorge tragen und schon gar nicht in Niedersachsen entscheiden müssen. Ich finde Ihren Antrag insofern gut - das können. muss ich ganz klar sagen -, als Sie fordern, dass Das bedeutet nun aber nicht, dass wir nichts ge- wir erst einmal in unserem eigenen Wirkungskreis gen klimaschädigende Wirkungen des Flugver- prüfen, was wir für den Umweltschutz leisten und kehrs tun können. Es gibt eine Reihe von Kom- wo wir tätig werden können. pensationsmodellen, wonach die CO -Emissionen 2 (Beifall bei der CDU und bei der FDP) an anderer Stelle wieder dauerhaft festgelegt wer- den können. Bei einem Hin- und Rückflug Hanno- Aber wir müssen auch die Kirche im Dorf lassen.

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Ich möchte auf die einzelnen Punkte Ihres Antrags (Zustimmung bei der CDU und bei der eingehen. Zu Nr. 1: Ich kann mir vorstellen, dass FDP) wir in diesem Bereich etwas weiterkommen kön- nen. Aber ich habe auch den Eindruck, dass Sie Aber bei der weiteren Beratung dieses Antrags im Moment aufgrund der steigenden Steuerein- werden wir ja sehen, was in diesem Bereich noch nahmen ein bisschen im Baurausch sind: Erst drin ist. wollten Sie einen neuen Landtag bauen. Jetzt Die Umstellung des Fuhrparks auf verbrauchsarme satteln Sie noch drauf und möchten ein Programm Fahrzeuge ist Ihnen auch sehr wichtig. Darauf für die wärmetechnische Sanierung aller Landes- haben Sie eben hervorgehoben. Ich bin zunächst liegenschaften auflegen. Das ist sicherlich ein einmal sehr dankbar, dass Frau Steiner nicht schöner Gedanke, aber Fakt ist doch, dass wir möchte, dass der Ministerpräsident demnächst im aufgrund unserer Landesfinanzen lediglich die Polo vorfährt. Ansonsten bin ich mir ganz sicher, notwendigsten Sanierungen vornehmen können. dass die Landesverwaltung auch jetzt schon dafür Nicht einmal das Wünschenswerte ist möglich. Sorge trägt, dass verbrauchsarme Fahrzeuge der Selbstverständlich ist allerdings - dabei widerspre- jeweiligen Flotten genutzt werden. Eines ist je- che ich Ihnen -, dass die Maßnahmen nach der denfalls sicher: Die Fahrzeuge, die der Landtag Energieeinsparverordnung durchgeführt werden. und die Landesverwaltung nutzen, sollten auf je- Ihr Fraktionsvorsitzender Herr Wenzel stellt dazu in den Fall deutsche bzw. niedersächsische Fahr- praktisch jeder Sitzung des Haushaltsausschusses zeuge sein. Nachfragen, und ich kann Ihnen versichern, dass (Zustimmung bei der CDU) er immer sehr gute und umfangreiche Antworten erhält. Der letzte Punkt Ihres Antrags - Sie sind gar nicht direkt darauf eingegangen - ist meiner Meinung Würden wir uns jetzt aber auch noch die Maxime nach ein bisschen setzen, alle Landessliegenschaften auf Niedrig- energiestandard zu bringen, dann würden wir uns, (Anneliese Zachow [CDU]: Albern!) glaube ich, übernehmen. Schauen Sie sich doch einmal den Bestand an: Es sind viele denkmalge- unseriös: Ausgleich der bei dienstlichen Flugreisen schützte Gebäude und viele Gebäude dabei, bei von Landesregierung und Landesverwaltung ent- denen kein akuter Handlungsbedarf besteht. Vor stehenden klimarelevanten Gase durch die Beteili- diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund, gung an einem Kompensationssystem. - Sie haben dass der Energieverbrauch in landeseigenen Ge- übrigens bei Ihrer Aufzählung die Abgeordneten bäuden - hören Sie gut zu, Herr Janßen - von 2000 vergessen. Wir fliegen also auf Kosten des Steuer- bis 2005 um 2 % gesenkt wurde - es liegen näm- zahlers durch die Gegend, und als Kompensation lich doch Zahlen vor -, halte ich Ihre Maxime, den spenden wir dann - ebenfalls auf Kosten der Steu- Energieverbrauch in den nächsten fünf Jahren um erzahler - an Suppenküchen in Indien. Ich meine, mindestens 15 % zu senken, für ziemlich ehrgei- das kann nicht wirklich unsere Aufgabe sein. zig. Ich hoffe, dass wir bei der kommenden Bera- (Zustimmung bei der CDU) tung zu dem Antrag noch zu intelligenteren Ideen kommen. Wir sind da ganz auf Ihrer Seite; für gute Sie sind auf Atmosfair eingegangen. Atmosfair ist Ideen sind wir immer offen. sicherlich eine klasse Sache. Klaus Töpfer, der unserer und nicht Ihrer Partei angehört, ist dort ja Interessant ist auch die zweite Forderung in Ihrem Schirmherr. Antrag, nämlich die Überprüfung aller Geräte und Materialien im Hinblick auf Emissionsreduktion. (Wolfgang Jüttner [SPD]: Guter Das hört sich ziemlich abstrakt an. Ich hoffe, dass Mann!) zu diesem Punkt noch ein bisschen mehr Butter bei die Fische kommt. Vielleicht wäre es ein An- - Genau, ein guter Mann. - Aber nach wie vor muss fang, Papier einzusparen, indem wir vorher über- jeder Einzelne selbst entscheiden, ob er dabei prüfen, welche Anträge unbedingt ins Plenum ein- mitmacht oder nicht. Wir sind jedenfalls nicht be- gebracht werden müssen und auf welche wir ver- reit, Steuermittel dafür einzusetzen. Es war ein zichten können. ganz guter Pressegag, als Sigmar Gabriel das gemacht hat; das muss ich wirklich sagen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die Grünen jetzt auch

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noch Sigmar Gabriel auf den Leim gehen. Dass er Silke Weyberg (CDU): sich Sachen schönrechnet und ein bisschen unse- Nein, ich glaube nicht. Manchmal habe ich aber riös mit Haushaltsmitteln umgeht, haben wir ja sehr wohl den Eindruck, Herr Jüttner, dass Sie sich gesehen, als wir 2003 den Laden hier übernom- übernommen haben. men haben. Das ist nicht unser Niveau. Ich möchte an dieser Stelle aber gar nicht in eine (Zustimmung bei der CDU und bei der solche Debatte einsteigen. FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Den Laden? Das ist aber ein bisschen (Zuruf von den GRÜNEN: Sagen Sie despektierlich! - Unruhe - Glocke der mal etwas zum Inhalt!) Präsidentin) - Ich habe eben eine ganze Menge zum Inhalt Vizepräsidentin Astrid Vockert: gesagt. - Ich meine, wir werden bei diesem Antrag eine Menge Gemeinsamkeiten finden. Ich hoffe, Frau Kollegin Weyberg, es handelt sich hier um dass wir das gemeinsam mit den Grünen hinkrie- das höchste Haus. Darauf möchte ich hinweisen. gen. Wenn nicht, werden wir unsere Vorschläge Vielleicht korrigieren Sie das noch. sicherlich in einem Änderungsantrag einbringen. - Vielen Dank. Silke Weyberg (CDU): (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ich entschuldige mich für den Ausdruck „der La- den“. Ich meinte: als wir die Landesregierung Vizepräsidentin Astrid Vockert: übernommen haben, das Parlament übernommen haben, Ordnung in den Haushalt gebracht haben. Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Brockmann. Sie haben das Wort! (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das Parlament übernommen! Das wird ja Volker Brockmann (SPD): immer schlimmer! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN) Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht, dass sich das Parlament - Im Parlament die Mehrheit hatten. Mit meiner übernimmt, deshalb fasse ich mich kurz. Sie alle Wortwahl habe ich heute wohl keinen guten Tag. kennen wahrscheinlich den Werbeslogan eines großen Elektronikmarktes, in dem die Vorzüge des (Lothar Koch [CDU]: Dem pflichte ich Geizes angepriesen werden. Ich will diesen Slogan bei!) nicht zitieren, sondern halte es mit der taz, die am Ich entschuldige mich dafür, dass ich jetzt die fal- 24. April 2007 zum Thema Klimaschutz, zur Redu- schen Worte gewählt habe. - Auf jeden Fall haben zierung von Treibhausgasen sowie zum effiziente- wir hier die Mehrheit. Die werden wir auch noch ren Energieeinsatz mit „Der gute Geiz“ titelt. lange behalten, weil wir gute Politik machen. Das Meine Damen und Herren, es gibt in der Tat eine ist doch das Wesentliche. Vielzahl von Möglichkeiten des Klimaschutzes (Beifall bei der CDU und bei der FDP - - Herr Kollege Janßen hat das schon angeschnit- Lothar Koch [CDU]: Jetzt kommen wir ten -, die kein Geld kosten, sondern äußerst lukra- zur Wahrheit!) tiv sind und sich für diejenigen, die sie anwenden - vor allem für die Investoren -, rechnen. Diese Vizepräsidentin Astrid Vockert: Erkenntnisse sind aber ganz offensichtlich bei der Landesregierung bis heute noch nicht angekom- Es ist ganz einfach: Wir befinden uns im Hohen men. Statt Landesliegenschaften wärmetechnisch Haus. zu sanieren und die Energieeffizienz zu steigern, kündigt sie die Lieferverträge für Ökostrom zu- (Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich habe gunsten von konventionell erzeugtem Strom mit den Eindruck, Sie haben sich über- einer bekanntermaßen schlechteren CO2-Bilanz. nommen!) Da bleibt die Vorbildfunktion aber ganz schön brutal auf der Strecke.

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Und wie, meine Damen und Herren auf der Regie- (Präsident Jürgen Gansäuer über- rungsbank, wollen Sie die Forderung des europäi- nimmt den Vorsitz) schen Kommissars für Energie, Andris Piebalgs, erfüllen, der Energieeffizienz und erneuerbare Für mehr als 1 300 Gebäude - Schwimmbäder, Energiequellen zu den natürlichen Prioritäten einer Schulen, Hochschulen und andere - hat die Stadt zukunftsweisenden Politik zählt? - Er fordert intelli- entsprechende Verträge geschlossen und spart gente Energiekonzepte für eine höhere Lebens- seitdem sage und schreibe ein Drittel der Energie- qualität und eine sauberere Umwelt. Er sagt: kosten ein, während die Investoren vor Ort Gewin- ne machen. Auf neudeutsch nennt man so etwas „Wir können nur dann Erfolg haben, eine Win-win-Situation. wenn die BürgerInnen sich ihrer ent- scheidenden Rolle zur Erreichung Für Deutschland gibt es Berechnungen des Des- dieser Ziele bewusst werden und be- sauer Umweltbundesamtes, die für öffentliche schließen, ihre täglichen Lebensge- Bauten 800 Millionen Liter Heizöläquivalente als wohnheiten zu ändern, um Energie zu Einsparpotenzial ergeben. sparen und den Klimawandel zu be- kämpfen. ... Die Umsetzung von Präsident Jürgen Gansäuer: EU-Politiken hängt vor allem von der Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage Frage ab, ob es den lokalen Regie- des Kollegen Dürr? rungen gelingt, Ideen zu kommunizie- ren und die Bürgerschaft einzubezie- hen.“ Volker Brockmann (SPD): Nein, im Moment nicht. - Das wären 2 Millionen t Meine Damen und Herren auf der Regierungs- CO weniger. Es wäre interessant, diese Zahlen bank, wo sind Ihre Ideen, wo sind Ihre beispielge- 2 einmal auf Niedersachsen heruntergebrochen zu benden Taten? Die Landesregierung ist in der erhalten. Das müsste Ihr Haus doch leisten kön- Pflicht und muss u. a. ihren Beitrag leisten, indem nen, Herr Sander. sie mit gutem Beispiel vorangeht und Maßnahmen ergreift, die im eigenen Bereich nachhaltig klima- Meine Damen und Herren, es bleibt allemal fest- relevante Emissionen reduzieren. zuhalten: Energiekosten zu sparen, sich klima- freundlich zu verhalten und dabei noch Geld zu Meine Damen und Herren, Was erleben wir zurzeit verdienen, stellt keinen Widerspruch dar, sondern in Niedersachsen? - Ich nenne es einmal „ver- wird auf kommunaler Ebene bereits erfolgreich und kehrte Welt“; denn unsere Kommunen gehen mit vorbildlich praktiziert. Die Landesregierung muss gutem Beispiel voran. In Hannover, in Hameln, in diesen Beispielen folgen, auch wenn dieses späte Emden, in Wilhelmshaven und in einer Vielzahl Erwachen inzwischen peinlich ist. Aber seien Sie weiterer Städte und Gemeinden wird in die Ener- unbesorgt, Herr Wulff - er ist leider nicht da -: Für gieeffizienzsteigerung investiert, werden und wur- dieses späte Erwachen sind Sie im Land schließ- den beispielsweise Referenzprojekte und -objekte lich auch auf anderen Gebieten bekannt. Das aus dem Bereich der erneuerbaren Energien in wundert niemanden mehr. und an kommunalen Immobilien - z. B. auch im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen - installiert, Zum Schluss noch ein Tipp zur Umstellung des und dies nicht selten in Kooperation mit privaten Fuhrparks. Nutzen Sie doch Ihre guten Kontakte Investoren oder häufig auch mit den kommunalen zu VW einmal zum Vorteil des Landes und des Stadtwerken. Es gibt unzählige Positivbeispiele vor Konzerns. Nutzen Sie das Know-how aus Wolfs- allem auf dem Gebäudesektor. burg. Gründen Sie z. B. ein Vorbildbündnis mit VW. Beim Besuch der AG Energie meiner Fraktion Bei diesen Energieeinspar-Contractingmodellen am 12. April dieses Jahres im Werk in Wolfsburg investieren die Kooperationspartner in öffentliche wurden uns diesbezüglich zukunftsweisende Stra- Gebäude und werden an den durch Einsparungen tegien und Forschungsergebnisse vorgestellt. VW erzielten Erlösen beteiligt. Dieses Modell funktio- ist da schon sehr weit. niert ganz offensichtlich blendend. Bundesweit Vorreiter des Energieeinspar-Contractings ist übri- (Anneliese Zachow [CDU]: Sie gens Berlin. schimpfen doch sonst immer!)

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Meine Damen und Herren, ich muss wohl nicht Als Betriebswirt interessiert mich die Frage des mehr darauf hinweisen, dass wir den Antrag der wirtschaftlichen Erfolgs von Sanierungsmaßnah- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützen. - men. Sanierungen ohne Einspareffekte sind un- Herzlichen Dank. sinnig. Im Antrag der Grünen fehlt dieser Gedanke vollends. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der FDP) Präsident Jürgen Gansäuer: Es werden einseitig Energiesparziele vorgegeben, Vielen Dank. - Das Wort hat Herr Kollege Rickert. ohne darauf hinzuweisen, wie diese kostengünstig Bitte sehr! und betriebswirtschaftlich erreicht werden können. Da die Kosten für Sie offenbar keine Rolle spielen, Klaus Rickert (FDP): versuchen Sie auch gar nicht erst, z. B. im Rah- men von Contracting oder PPP-Projekten, Private Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die einzubinden. Dabei ist doch bekannt, dass die Notwendigkeit von Energieeinsparungen ist, glau- Einbindung Privater in vielen Fällen immense be ich, auch in diesem Haus ohne Dissens er- Kostenvorteile mit sich bringen kann. kannt. Auch die Energieeinsparungsnotwendig- keiten in den Landesliegenschaften und bei der Wie wenig Sie über die Umsetzbarkeit Ihres An- Landesverwaltung beschäftigen uns deswegen seit trags nachgedacht haben, zeigt auch die Nr. 2 einer ganzen Weile. Schließlich machen die Ener- Ihres Antrags. Sie wollen alle Geräte, Materialien giekosten der Landesliegenschaften einen nicht und Abläufe auf klimarelevante Emissionen über- unerheblichen Teil des Landeshaushalts aus. Das prüfen. Ich würde gerne wissen, ob Sie die Klima- ist möglicherweise auch der Grund dafür, dass sich bilanz Ihrer Kaffeemaschine kennen und ob Sie die Haushälter heute mit diesem Thema beschäfti- wissen, wie viel CO2 beim Brühen einer Tasse gen. Kaffee produziert wird, sehr verehrte Kollegen von den Grünen. Einsparungsansätze sind an vielen Stellen mög- lich. Das fängt bei umfangreichen Baumaßnahmen (Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt wird zur Sanierung und Dämmung von Gebäuden an es aber albern!) und reicht über den Einsatz energiesparender Geräte bis hin zum Verhalten jedes einzelnen, der Übrigens wird ein fast inhaltsgleicher Antrag von beispielsweise abends das Licht oder die Stand- CDU und FDP zur landesweiten Energieeinspa- by-Funktionen bei Kommunikationsgeräten aus- rung derzeit im Umweltausschuss beraten. Diese schaltet. Beratungsergebnisse sollten wir zur Kenntnis nehmen. Es gibt Studien, die besagen, dass gerade im pri- vaten Energieverbrauch noch sehr viel Potenzial Das Ziel, den Energieverbrauch zu senken, wird zur Schadstoffvermeidung und Energieeinsparung fast ohne Streit diskutiert. Es geht immer nur um steckt. Immer dort, wo Gebäude saniert werden, die Frage, wie wir dieses Ziel sinnvoll erreichen werden natürlich Maßnahmen zur Energieeinspa- können. rung umgesetzt. Ein gutes Beispiel dafür ist unser (Zustimmung bei der FDP) Landtag. Im Rahmen der Fassadensanierung, die primär aus Sicherheitsgründen vorgenommen Die Mehrheitsfraktionen und die Landesregierung wurde, wurde natürlich auch die Dämmung ver- sind hier deutlich weiter. Wir haben mit dem In- bessert. Diese Maßnahme macht sich bereits be- strument des Contractings eine sehr effiziente Me- zahlt. thode vorgeschlagen, um den Energieverbrauch des Landes zu senken, ohne unseren Haushalt mit Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen: Die hohen Investitionen zu belasten, die wir uns ohne- Generalsanierung des Landtags allein aus energe- hin kaum leisten könnten. Das Instrument wird tischer Sicht erscheint nicht sinnvoll. Inwieweit ein übrigens auch versuchsweise vom Land einge- Neubau insgesamt wirtschaftlicher ist als die stän- setzt. Ebenso unterstützt das Land Kommunen, digen Reparaturaufwendungen und ob ein Neubau die hier aktiv sind. Auf diesem Wege müssen wir dem Ansehen und der Funktionalität des Parla- weiterkommen. - Ich danke für Ihre Aufmerksam- ments mehr nützt, mögen die Abgeordneten der keit. nächsten Legislaturperiode entscheiden.

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(Beifall bei der FDP) Die pauschale Forderung, alle Landesgebäude zu Niedrigenergiegebäuden umzurüsten, ist zunächst Präsident Jürgen Gansäuer: eine positive Forderung. Das hört sich aber ein bisschen an wie damals bei Herrn Gabriel, als er Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Möllring, sagte, jeder Schüler solle einen Laptop erhalten. bitte schön! Er hatte dabei allerdings übersehen, dass wir 1 Million Schüler haben und ein Laptop 1 000 Euro Hartmut Möllring, Finanzminister: kostet. Die Anschaffung hätte damit 1 Milliarde Euro gekostet. - So ähnlich ist es hier auch. Wir Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten haben über 6 000 Gebäude. Wenn wir diese alle Damen und Herren! Selbstverständlich sind wir zu Niedrigenergiegebäuden umrüsten wollten, wür- uns alle darüber einig, dass wir Klimaschutz be- de das Pi mal Daumen etwa 2 Milliarden Euro kos- treiben müssen, um damit den Energieverbrauch ten. Sie wissen alle, dass diese im Moment nicht soweit es geht zu senken; denn ein reduzierter vorhanden sind. Herr Rickert hat völlig zu Recht Energieverbrauch schont nicht nur die Umwelt, gesagt: Wärmedämmung und Energieeinsparung sondern auch den jeweiligen Haushalt, in unserem muss wirtschaftlich vertretbar sein. Fall den Landeshaushalt. Deshalb haben wir schon seit langem - auch schon, als Herr Aller (Beifall bei der CDU) noch Finanzminister war, und auch davor schon - bei allen Baumaßnahmen im Bestand landeseige- Das heißt, man kann nicht riesige Kosten verursa- ner Gebäude, d. h. bei Umbau- und Sanierungs- chen, um dann einen geringen Ertrag zu bekom- maßnahmen, sowie bei Neubaumaßnahmen men, sondern wir müssen zunächst einmal dort selbstverständlich die hohen Anforderungen der tätig werden, wo wir den höchsten Ertrag haben. Wärmeschutzverordnung und der gültigen Ener- giesparverordnung umgesetzt. Die Energiebilanz zeigt, dass der tatsächliche Wärmeverbrauch in den landeseigenen Gebäuden Man kann natürlich immer sagen: An der Spitze zu im Zeitraum von 2000 bis 2005 - die Zahlen für das stehen ist nicht weit genug vorn, und man kann Jahr 2006 liegen noch nicht vor - jedes Jahr um alles noch besser machen. Das ist völlig unstreitig. 2 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen ist. Ich bitte aber, nun nicht gerade das Landtagsge- Dies beweist, dass das Land in diesem Bereich bäude zum Kritikpunkt zu erheben, Herr Janßen. seit Langem - egal, ob SPD oder CDU und FDP regieren - vorbildlich ist. Ich bin davon überzeugt, (Zuruf von Hans-Joachim Janßen dass diese Tendenz weiter anhalten wird. Darüber [GRÜNE]) hinaus achten wir bei der Anschaffung von Gerä- ten darauf, dass möglichst wenig Energie ver- - Doch, Sie haben gesagt, der Landtag würde mit braucht wird. schlechtem Beispiel vorangehen. Zum Stichwort „Dienstreisen mit dem Flugzeug“. In Dieses Gebäude ist im Jahr 2004 wärmegedämmt dieser Beziehung steht die Landesregierung ganz worden, als wir die Fassade für 4 Millionen Euro weit hinten; denn sie macht ganz selten Dienstrei- sanieren mussten, weil die Steine herunterzufallen sen mit dem Flugzeug. Überhaupt keine Dienstrei- drohten. Seitdem haben wir hier eine vorbildliche sen mit dem Flugzeug wäre natürlich die beste Energiebilanz. CO2-Vermeidung. Das wird aber nicht immer funk- (Beifall bei der FDP) tionieren; denn die Landesregierung wird auch einmal nach China oder woandershin reisen müs- Das haben wir im Präsidium auch vorgetragen. Sie sen. Wir haben Ihnen ja neulich im Landtag die hätten im rundblick vom 26. April 2007 genau Frage beantwortet, wann welcher Minister mit wem nachlesen können, wie viel Kilowattstunden hier ins Ausland geflogen ist. Daran können Sie sehen, pro Quadratmeter verbraucht werden. Der Wert wie selten das vorkommt. Hier wirtschaften wir liegt 30 % unter Vergleichsimmobilien. Dies ist nur ausgesprochen sparsam, sodass wir uns nichts ein Beispiel dafür, wie wir bei jeder Baumaßnah- vorzuwerfen haben. me, bei jeder Sanierungsmaßnahme genau darauf achten, Energie einzusparen. Das ist uns hier gut Wir werden auf diesem Weg weitergehen. Wir und erfolgreich gelungen. werden das allerdings nicht von heute auf morgen schaffen. Sicherlich werden wir auch Contracting

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- dies ist von Herrn Rickert angesprochen worden - Präsident Jürgen Gansäuer: prüfen müssen, wo es sinnvoll ist. Ich habe Ihnen Vielen Dank, Herr Kollege. - Meine Damen und in einem anderen Zusammenhang schon einmal Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht berichtet, dass wir sehr viel Fernwärme und ande- vor. Ich schließe damit die Beratung. re sehr energiesparende Wärme verbrauchen. Diesen Weg werden wir gemeinsam weitergehen. - Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Vielen Dank. Entgegen dem Hinweis auf der Tagesordnung ist (Beifall bei der CDU und bei der FDP) im Fraktionskonsens vereinbart worden, die Fe- derführung bei der Beratung zu ändern. Der Antrag Präsident Jürgen Gansäuer: soll nunmehr zur federführenden Beratung an Umweltausschuss und zur Mitberatung an den Herr Minister, vielen Dank. - Der Kollege Janßen Ausschuss für Haushalt und Finanzen überwiesen hat noch 2:16 Minuten Redezeit. Bitte schön! werden. - Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist die Ausschussüberweisung beschlossen. Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Ich rufe jetzt Herrn Kollegen Johannßen auf. Er hat Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu- sich zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 nächst einmal muss ich eine Sache klarstellen: Ich unserer Geschäftsordnung gemeldet. habe den Landtag nicht als Paradebeispiel dafür angeführt, was dringend der energetischen Sanie- Herr Kollege, Sie wissen, was Sie dürfen und was rung bedarf. Ich habe ihn als ein Beispiel benannt, nicht: Sie dürfen Angriffe zurückweisen, mehr bei dem man noch mehr tun kann. Als Paradebei- nicht. Bitte schön! spiel habe ich die Polizeidirektion Hannover an- geführt. Das ist eine Liegenschaft in Ihrem Wir- Claus Johannßen (SPD): kungskreis. Dort ist der Heizenergieverbrauch um 100 % höher als der Durchschnittsverbrauch bei Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich entsprechenden Liegenschaften. - So viel dazu. beziehe mich auf den Tagesordnungspunkt 14 b von gestern Vormittag, also auf die Dringliche An- Zu Herrn Rickert möchte ich noch kurz sagen, frage mit der Überschrift „Küstenschutz und Fluss- dass sich ein Großteil von betriebstechnischen vertiefungen: Wie lange will die Landesregierung Erneuerungen über Contracting betriebswirtschaft- die Küstenbewohnerinnen und -bewohner noch lich rechnen lässt. Das machen die Kommunen hinhalten?“ vor. Auch im Land muss dies noch weit mehr als bislang Raum greifen. Das müssen wir von dieser Ich muss zunächst die Frage, die ich gestellt habe, Landesregierung erwarten können! zitieren. Ich zitiere aus dem Vorläufigen Stenogra- fischen Bericht. Ich habe gefragt: In der von Ihnen zitierten Antwort auf meine Anfra- ge von 2006 ist deutlich geworden, dass es zurzeit „Herr Minister,“ keinen Sanierungsplan für landeseigene Liegen- schaften gibt. Es gibt keine Prioritätensetzung, - damit meinte ich Herrn Sander - zumindest nichts, was Sie nach außen vorgeben „ich beziehe mich auf Ihre Aussagen können, worüber man sich unterhalten und wo zu den Problemen in Otterndorf. Ihr man gucken kann, wo es noch besser gemacht Herr Rapsch hat sich vor Ort zu dem werden kann usw. Das heißt, Sie nehmen das anstehenden Planfeststellungsverfah- Thema nicht mit dem nötigen Nachdruck ernst. ren und zu den anstehenden Bau- Das muss man hier ganz klar feststellen. maßnahmen sehr kritisch geäußert.“

Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Die Darauf hat Herr Sander geantwortet: Fraktion der Grünen ist im Vergleich mit den ande- ren Fraktionen gerne dazu bereit, sich hinsichtlich „Das kann er aber schon deshalb des Energieverbrauchs auditieren zu lassen. Schi- nicht getan haben, weil er mir eben cken Sie einmal einen vorbei, der das vergleicht! - bestätigt hat, dass er in den letzten Vielen Dank. zwei Jahren nicht mehr in Otterndorf war. Von daher kann Ihre Behauptung (Beifall bei den GRÜNEN) nur sehr schwer zutreffen.“

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Meine Damen und Herren, ich habe keinen zeitli- nicht ertragen kann. Das könnte ich auch eher chen Rahmen des Erscheinens von Herrn Rapsch nachvollziehen. genannt. Diesen Rahmen hat Herr Sander gesagt. Herr Dr. Rapsch war in den letzten dreieinhalb (Beifall bei der SPD und bei den Jahren dreimal in Otterndorf, zuletzt am 2. März GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU 2006, in 21762 Otterndorf, Raiffeisenstraße 10, in und bei der FDP) der Geschäftsstelle des Hadelner Deich- und Ufer- - Na ja, bei dem, was da inhaltlich kommt! bauverbandes zu einer Besprechung. Die Innovation in Sachen Geschäftsordnung des Also: Ihre Aussage war nicht stimmig, Herr Minis- Landtages fand ich ganz beeindruckend. In Zu- ter. kunft wird also aufgerufen mit: Als Nächster hat der (Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie war Abgeordnete XY das Wort zu einer rhetorischen falsch!) Frage. - Meine Damen und Herren, das hat es in sich! Sie war falsch. Ich weise Ihre leichtfertigen Be- hauptungen als unrichtig zurück. (Bernd Althusmann [CDU]: Sehr wit- zig! - Weitere Zurufe) (Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Das war klasse! Mir jedenfalls hat es sehr gefallen. Aber aus dem vorgesehenen Punktsieg ist eher Präsident Jürgen Gansäuer: ein Eigen-K.-o. geworden, meine Damen und Her- Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu ren; das war mein Eindruck. (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Tagesordnungspunkt 32: Fünf Minuten brauchen wir!) Erste Beratung: Wir haben gestern Abend in die Gesichter der Ministerpräsident Wulff muss Umweltmi- Abgeordneten der CDU-Fraktion gesehen. Sie nister Sander entlassen - Antrag der Frakti- waren sehr geknickt, meine Damen und Herren. on der SPD - Drs. 15/3714 (Lachen bei der CDU und bei der Das Wort dazu hat Herr Jüttner gewünscht, der es FDP) auch bekommt. Bitte sehr! Ich kann das auch sehr gut verstehen. Sie haben ja nicht nur das Problem, diesen Minister mit Wolfgang Jüttner (SPD): durchschleppen zu müssen. Das Problem ist für Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das mit Sie noch viel schlimmer: Dieser Agrarfundamenta- der persönlichen Erklärung gestern passte richtig list wildert in Ihrer Stammklientel! Das macht Ihnen zu dem Thema „Die unendliche Geschichte eines doch noch zusätzlich zu schaffen, meine Damen peinlichen Ministers“. Aber wir haben uns ja schon und Herren! fast daran gewöhnt. (Beifall bei der SPD und bei den Herr Sander, ich möchte Ihnen für Ihre überra- GRÜNEN) schende Rede gestern Abend erst einmal herzlich danken. Wir haben sie als Ouvertüre zu diesem Aber nach vier Jahren reicht es, Herr Wulff. Sie Tagesordnungspunkt begriffen, mit Höhepunkten sind gefordert: Dieser Minister gehört entlassen, gespickt; das muss ich schon sagen. Das war rich- und zwar umgehend! tig großes Kino. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei (Beifall bei der SPD und bei den den GRÜNEN) GRÜNEN) Ich zitiere einmal einen Satz aus der Regierungs- Dass Herr Meihsies vor Ihnen Angst hat, hätte ich erklärung vom 4. März 2003: nicht für möglich gehalten. Mein Eindruck war vielmehr, er geht Ihnen aus dem Weg, weil er Sie

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„Der neue Niedersächsische Um- Verbände, die finanziert worden sind. Nur ein Be- weltminister wird durch eine konse- reich nicht: die Umweltverbände. Das haben wir quente Umweltpolitik aufhorchen las- geändert. Das war dringend notwendig. Genau sen“. diese Finanzierung ist wieder zurückgenommen worden. Die Arbeit der Umweltverbände wird rigo- „Aufhorchen lassen“! - Herr Wulff, ich bin tief be- ros ausgetrocknet und behindert. Sie werden in eindruckt von Ihrer Prognosefähigkeit. ihren Mitwirkungsrechten eingeschränkt. Das, was in diesem Bereich passiert, ist ungehörig und wird (Beifall bei der SPD) von uns scharf kritisiert. Dieser Minister hat in der Tat aufhorchen lassen. (Beifall bei der SPD) Inzwischen ist in ganz Deutschland klar, dass es in Deutschland einen Landesminister gibt, der für die Oder nehmen Sie das Beispiel der Daseinsvorsor- Umwelt verantwortlich ist, aber die Umweltzerstö- ge. Dieser Minister lässt nichts aus, alles, was rung in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit kommunale Daseinsvorsorge angeht, zu diskredi- stellt. tieren und dafür zu streiten, dass privatisiert wird. Zum Glück, meine Damen und Herren, gibt es in (Beifall bei der SPD) der CDU im kommunalen Bereich aber auch noch Ob die FAZ oder welche Zeitung auch immer, alle Menschen mit Vernunft und Verstand, die das mit haben es inzwischen gemerkt: Der, der dort zu verhindert haben, sodass Herr Sander hier noch Gange ist, ist weiß Gott ein Sonderling. nicht erfolgreich gewesen ist. Gott sei Dank, dass da noch einiges gerettet worden ist! Konsequent ist diese Politik auch. Das will ich Ih- nen gern bescheinigen und an einigen Beispielen Seine Philosophie „Mit den Menschen Politik ma- deutlich machen. Beginnen wir einmal mit der Per- chen“ hört sich ja immer klasse an. Mit welchen sonalpolitik dieses Herrn. Er hat vor vier Jahren ein Menschen macht er nun aber Politik? - Er setzt geordnetes Haus übernommen Menschen mit Nutzern gleich. Wenn es darum geht, für die Gesellschaft insgesamt Natur und (Beifall bei der SPD - Lachen bei der Landschaft zu sichern, so interessiert ihn das nicht. CDU - David McAllister [CDU]: Lä- Vielmehr will er es ausweislich vieler Reden vor cherlich! Lächerlich! Da lachen sogar allem vor Ort den Nutzern recht machen. Ich habe die Sozialdemokraten!) sehr viel Verständnis für einen Interessenaus- gleich. Aber die ausschließliche Vertretung von mit hoch kompetentem und hoch motiviertem Per- Nutzerbelangen ist in der Regel kein Interessen- sonal. ausgleich, sondern ein Verstoß gegen die ökologi- (Beifall bei der SPD) sche Vernunft. Diesen Verstoß nimmt er bewusst in Kauf. Herr Sander, die Kompetenz haben Sie Ihren Be- schäftigten nicht nehmen können, aber die Motiva- (Beifall bei der SPD) tion. Wer nur konnte, ist abgewandert; ein ganzer Niedersachsen ist im Bereich der erneuerbaren Teil ist in die innere Emigration gegangen. Die Energien Vorreiter gewesen, weil wir das klimapo- Kompetenzen des Hauses werden von Ihnen gar litisch wollten und weil es beschäftigungspolitisch nicht genutzt. Wenn wir uns ansehen, wer neu ins sinnvoll ist. Was aber hat nun dieser Minister zu Haus geholt worden ist, so weiß doch inzwischen verantworten? - Die Solarenergie hat er gestrichen. jeder in Niedersachsen, dass für die Einstellung nicht die Kompetenz das Hauptkriterium war, son- (Anneliese Zachow [CDU]: Was? - dern das Parteibuch, meine Damen und Herren. Jörg Bode [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!) (Beifall bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Unverschämtheit! - Da- Die Windenergieförderung hat er in der Öffentlich- vid McAllister [CDU]: Dass du dich keit diffamiert. Den Wirtschaftsförderfonds - ökolo- nicht schämst!) gischer Teil - hat er mit null Euro pro Jahr ausge- setzt. Bei der Anmeldung der EU-Strukturmittel hat Diese Landesregierung macht sich angeblich für er vergessen, die Bereiche Umwelttechnik und das Ehrenamt stark. Als wir die Regierung im Jahr Energie zu berücksichtigen. 1990 übernommen haben, gab es unheimlich viele

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Meine Damen und Herren, das ist ein Ausdruck Es reicht ihm nun aber nicht, dass er persönlich von Peinlichkeit, wie er schlimmer nicht sein kann. gegen EU-Recht verstößt, sondern er setzt noch einen drauf. Er behindert die Aufklärung dieses (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Vorgangs, was dazu geführt hat, dass die EU- den GRÜNEN) Kommission am 21. März letzten Jahres erstmalig in ihrer Geschichte ein Vertragsverletzungsverfah- Das ist ein Verstoß gegen die ökonomischen und ren im Hinblick auf Artikel 10 des EU-Vertrages die ökologischen Belange dieses Landes. Deshalb eingeleitet hat. Der Vorwurf lautet: Illoyalität ge- sagen wir: Dieser Umweltminister sichert nicht die genüber der EU - und dies, Herr Wulff, ausgerech- Umwelt in Niedersachsen, sondern er ist der GAU net in dem Jahr, in dem Deutschland die Präsi- für die Umwelt in Niedersachsen. Deshalb gehört dentschaft in der EU ansteht. Was sagt Ihnen Frau er weg. Merkel eigentlich in Bezug auf diesen Fall? Ist es (Beifall bei der SPD und bei den ihr nicht peinlich, dass sie in Europa wegen eines GRÜNEN) solchen Ministers an den Hacken ihre weiße Weste dreckig gemacht bekommt? - Diese Ge- Herr Sander war konsequent im Weggucken. Herr schichte ist doch nicht in Ordnung. Von Ihnen ha- Wulff war es auch. Er hat nichts unternommen, um ben wir dazu nichts gehört. Herrn Sander auszubremsen. (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei Auch bei dem aktuellen Thema, nämlich beim den GRÜNEN) Streit mit der EU, ist Herr Sander konsequent. Ich zitiere einmal aus der Meppener Tagespost vom Am 18. April hat Herr Sander augenscheinlich 17. Januar 2004: eingelenkt und reumütig an die EU geschrieben, dass all das, was er gemacht hat, falsch war. Mei- „Diese ewigen Drohungen mit der EU. ne Damen und Herren, wer nun aber glaubt, dass Wir sollten eine Nichtmeldung riskie- dieser Vorgang deshalb abgeschlossen ist, der irrt. ren. Soll die EU doch die Bundesre- So ein Gesinnungstäter schlägt weiter zu; das publik verklagen, das sollten wir mal muss man wissen. Ich zitiere aus der Zevener testen.“ Zeitung vom 14. April:

Das ist O-Ton Sander. Dafür hat er jetzt Jahre „Damit unterstrich er während einer gearbeitet. Er hat es nicht gleich geschafft. Es hat Veranstaltung der ... FDP, dass er eine Reihe von Mahnschreiben gegeben. So ein sich um Brüsseler Umweltrichtlinien richtiges Vertragsverletzungsverfahren stand aller- wenig schert, wenn diese der Politik dings noch aus. Herr Sander musste selbst Hand der Landesregierung zuwiderlaufen.“ anlegen, meine Damen und Herren, damit das Ziel, ein Vertragsverletzungsverfahren zu bekommen, Und weiter: endlich erreicht werden konnte. Wahrscheinlich ist „Die von ihm verordnete umstrittene er stolz darauf, dass er es jetzt geschafft hat. Abholzung“ (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei - selbst gemacht - den GRÜNEN) „in den Elbtalauen rechtfertigte San- Dieses persönliche Handanlegen in der Elbtalaue, der als pragmatische Maßnahme zum dieses Kettensägenmassaker, wie es inzwischen Hochwasserschutz ...“ in die Literatur eingegangen ist: Was kann es Peinlicheres geben? - Nicht nur, dass ein Minister Gestern heiß es bei dpa: politisch Rechtswidrigkeiten zu verantworten hat. Das soll ja hier und da vorkommen, bei dieser „Der Minister sagte gegenüber dpa: Landesregierung oft genug. Aber dass ein Minister Die Zwillingsweide abzusägen, war persönlich hingeht und einen solchen Akt vollzieht, ökologisch wertvoll und richtig.“ ist in Deutschland wahrscheinlich erstmalig. (Lachen von Ursula Helmhold [GRÜ- (Beifall bei der SPD) NE])

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„Damit habe er die Deichverbände vor Die Menschen in Niedersachsen haben weder Ihre Ort ganz praktisch unterstützen wol- Umweltpolitik noch die Umweltpolitik len.“ (Zuruf von Axel Plaue [SPD]) Meine Damen und Herren, gegenüber der EU klei- ne Brötchen backen und zu Hause die gleiche - Herr Plaue, ganz ruhig bleiben! - von Frau Grie- Frechheit weiter betreiben - was ist das denn für fahn an dieser Stelle vergessen. Wir können zu- eine Doppelbödigkeit! sammenfassen: Sie haben 13 Jahre lang Umwelt- politik gegen die Menschen gemacht. (Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wider- (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei spruch bei der FDP) der CDU)

Herr Wulff, ich habe die herzliche Bitte an Sie: In der Tat: Diese neue Regierungskoalition aus Befreien Sie das schöne Land Niedersachsen von CDU und FDP hat ein anderes Motto. Wir haben diesem ökologischen Gesinnungstäter, schicken das Motto: Umweltpolitik mit den Menschen. - Das Sie ihn zurück in seinen Obstgarten in Golmbach! - scheint Sie immer wieder zu ärgern. Das liegt wohl Herzlichen Dank. nur daran, dass Sie das Prinzip, das dahintersteht, nicht wirklich in der vollen Tiefe durchdacht haben. (Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - (Beifall bei der FDP und bei der CDU) David McAllister [CDU]: Das war es Deswegen will ich mein ganzes therapeutisches schon?) Geschick einsetzen, um Ihnen das jetzt ganz in Ruhe zu erklären. Präsident Jürgen Gansäuer: (Heiterkeit und Beifall bei der FDP Herr Kollege Dr. Rösler, Sie haben das Wort. und bei der CDU - Zurufe von der SPD) Dr. Philipp Rösler (FDP): - Ein bisschen Weitsicht gehört in der Tat zur Poli- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und tik dazu, Herr Kollege Plaue. Herren! Lieber Herr Kollege Jüttner, wenn man Ihnen hier so in Ruhe zuhört, dann kriegt man so (Beifall bei der FDP und bei der CDU) ein bisschen das Gefühl, als würden Sie unseren Minister Sander gar nicht richtig mögen. Wir erinnern uns: Genau vor einem Jahr mussten wir in Niedersachsen eine der schwersten Hoch- (Heiterkeit und Beifall bei der FDP wasserkatastrophen in der Geschichte unseres und bei der CDU) Landes erleben.

Ich halte das inhaltlich auch für falsch. Aber sach- (Zuruf von der SPD: Daran war San- lich haben Sie es noch nicht einmal begründet. der nicht schuld!) Weil vergleichsweise wenig Sachargumente ka- men, bleibt uns nur ein Schluss: Wolfgang Jüttner Ministerpräsident Christian Wulff und Innenminister ist immer noch sauer, dass Minister Sander jetzt Uwe Schünemann haben sofort ihre Dienstreisen Umweltminister ist und nicht er. unterbrochen und waren bei den Menschen vor Ort. (Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN) (Oh, Oh! bei der SPD)

Anders, als Sie es jemals waren, ist unser Um- Minister Sander ist sogar aus dem Krankenhaus weltminister bei den Menschen vor Ort landesweit gekommen, um sofort den Menschen vor Ort seine außerordentlich beliebt. Hilfe zu geben.

(Starker, anhaltender Beifall bei der Meine Damen und Herren, das ist auch die Aufga- FDP und bei der CDU) be einer Landesregierung. Ich frage mich nur: Wo war die Opposition? - Herr Jüttner, Sie waren zwar

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auch am Wasser, aber wir alle wissen: Sie waren Stellen an der Elbe gibt, an denen wir einen Rück- am Wasser in der Karibik. schnitt einsehen.“ Was will uns dieser Satz eigent- lich sagen? (Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Zuruf von der SPD: Ja, was?)

Ich finde, wer so eine Landtagsfraktion hat, hat - Aha, Sie wissen es schon vorher. Dann ist es ja auch Urlaub verdient. Das war aber nicht das gut. Problem. (Heiterkeit und Beifall bei der FDP (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der und bei der CDU) SPD)

Dann jedoch nach Hause zu kommen und den Er sagt uns, dass eigentlich jegliche Umweltmaß- Menschen erklären zu wollen, wie es geht, das ist nahme immer Ergebnis eines vernünftigen Abwä- in der Tat dreist und frech, Herr Kollege! gungsprozesses sein muss zwischen dem Schutz der Menschen auf der einen Seite (Beifall bei der FDP und bei der CDU) (Wolfgang Jüttner [SPD]: Deshalb hat Dass Sie dann auch mit Ihrem armseligen Ver- er ein Verfahren am Hals, weil er das such, die Hochwasserkatastrophe in einem Unter- nicht gemacht hat!) suchungsausschuss zu skandalisieren, hoff- nungslos untergegangen sind, ist eine weitere und notgedrungener Eingriffe in die Natur auf der fröhliche Anekdote in der Führungsgeschichte des anderen Seite. Das Motto „Umweltpolitik mit den Wolfgang Jüttner in der SPD-Landtagsfraktion. Menschen“ bedeutet für uns in CDU und FDP: im Zweifel immer für den Schutz der Menschen. (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD) (Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU) Wir hingegen werden weiter die finanziellen Mittel für den Hochwasserschutz vor Ort und gleichzeitig Das ist kein Vorwurf, sondern das ist ein Verdienst auch die Mittel für die vielen freiwilligen Helfer dieser Landesregierung und erklärt den Satz, den erhöhen. Es gibt zwischenzeitlich - damit ist ja Sie bis heute noch nicht verstehen wollen. begonnen worden - die Hochwasserschutzmauer in Hitzacker. Das zeigt, dass wir den Schutz der Es ist richtig, Minister Sander ist auch bereit, die- Menschen vor Ort sehr ernst nehmen. Sie hinge- sen Schutz der Menschen gegenüber der gen missbrauchen manchmal die Menschen EU-Kommission zu vertreten. Diese Fachdiskussi- schlichtweg für Ihren Wahlkampf. on, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist noch völlig offen. Ich habe Ihnen dazu einmal eine Presse- (Beifall bei der FDP und bei der CDU - mitteilung mitgebracht. Ich darf zitieren: Zurufe von der SPD) „Unter Juristen gilt der Spruch: zwei Es gibt in der Tat eine Maßnahme, die von Exper- Juristen, drei Meinungen.“ ten empfohlen wurde, nämlich die Fließgeschwin- digkeit, die Abfließgeschwindigkeit der Elbe durch - Nicht wirklich schlau. - Rückschnitt von Weichhölzern am Ufer deutlich zu „Unter Naturschutzexperten - das ver- erhöhen. sichere ich Ihnen - ist es genauso. Es Wenn ich jetzt Ihre SPD-Landräte zitieren würde, gilt jetzt, diese Differenzen zu disku- die allesamt dahinterstehen, dann - davon bin ich tieren und zu einer übereinstimmen- fest überzeugt - hätten Sie keine Skrupel, auch den Linie zu kommen.“ Ihren eigenen Parteifreunden vor Ort in den Rü- Das ist eine Pressemitteilung aus dem Nieder- cken zu fallen. Deswegen will ich einmal jemanden sächsischen Umweltministerium vom Okto- zitieren, der unverfänglich ist, nämlich einen Kolle- ber 2002. Damals war noch Wolfgang Jüttner Um- gen aus Lüneburg vom Naturschutzbund, Herrn weltminister, Frank Almer, der in der Landeszeitung vom 24. April 2006 gesagt hat - ich zitiere -, „dass es (Jörg Bode [FDP]: Aha!)

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und es stand ein Vertragsverletzungsverfahren der (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei EU im Raum, der CDU)

(Jörg Bode [FDP]: Ach!) Die Antwort von Herrn Jüttner kam postwendend, also immerhin sechs Tage später, in der Hanno- weil womöglich nicht genug FFH-Gebiete gemeldet verschen Allgemeinen Zeitung vom 16. Mai 2006. wurden. Ich verstehe also: Ein Vertragsverlet- Ich finde es übrigens bemerkenswert, dass sich die zungsverfahren stand im Raum. Spitzenpolitiker der SPD nicht selber unterhalten, sondern nur über die Zeitung miteinander austau- (Hans-Dieter Haase [SPD]: Es gab schen. Das ist ein guter Hinweis auf eine super keines!) Stimmung im Wahlkampf 2013. Jetzt frage ich mich natürlich, Herr Kollege Jüttner: (Heiterkeit und Beifall bei der FDP Warum haben Sie da nicht gleich selber einen und bei der CDU) Entlassungsantrag für sich bei Sigmar Gabriel eingereicht? - Ich bin sicher, dieser Bitte wäre er Der Landesvorsitzende fordert also Konzepte, und gern nachgekommen. der Spitzenkandidat in spe, Herr Jüttner, sagt: „Die SPD braucht jetzt keine Visionen.“ - Das erklärt (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei zumindest, warum Sie Spitzenkandidat geworden der CDU) sind. Die Pressemitteilung geht weiter, und ich darf noch (Heiterkeit und Beifall bei der FDP einmal zitieren: und bei der CDU) „Lassen wir also die Fachleute das Denn in der Tat haben Sie manchmal eine etwas Thema ausdiskutieren, anstatt hier selektive Wahrnehmung. Sie wissen natürlich, Schaum zu schlagen. Eine Fachdis- dass wir die Umwelt schützen. Ich will Ihnen nur kussion eignet sich wenig für das ein Beispiel nennen. Es ist uns gelungen, nach- parlamentarische Parkett.“ dem Sie 16 Jahre erfolglos diskutiert haben, end- (Zuruf von der FDP: Oh!) lich einen gemeinsamen Nationalpark Harz der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Niedersachsen Also, Herr Kollege: Abgemacht, wir warten die ins Leben zu rufen. Sie haben nur gestritten und Fachdiskussion in aller Ruhe ab, und Sie hören geredet, wir haben gehandelt. auf, hier Schaum zu schlagen. (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei (Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Kom- der CDU) men Sie einmal zum Thema!)

Sie würden dann auf Ihren wesentlich klügeren Das Projekt „Natur erleben“ ist längst ein Erfolg Nachfolger im Amt des Landesvorsitzenden hören, geworden, auch wenn Sie das niemals eingeste- nämlich Herrn Garrelt Duin. Den mag ich ja gern. hen würden. Er hat gesagt - ich darf die Neue Presse vom 10. Mai 2006 zitieren -: Ich möchte zum Abschluss Herrn Siegfried Sie- bens zitieren. Er ist Vorsitzender der Arbeitsge- „Ich glaube, dass es uns auf Dauer meinschaft Niedersächsischer Naturparke. mehr bringt, wenn wir mit eigenen Konzepten werben, als wenn wir uns (Zuruf von der CDU: Ein ganz guter nur mit der Kritik an der Landesregie- Mann!) rung aufhalten.“ Er hat in der Deister- und Weserzeitung vom (Zuruf von der SPD: Das könnte Ihnen 19. April 2007 im Namen der Naturparke Folgen- so passen!) des gesagt:

Schade nur, dass Sie keine eigenen Konzepte in „Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Umweltpolitik haben. Sie“

- damit war Minister Sander gemeint -

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„eine weitere Legislaturperiode als tag kandidiert. Die Menschen in Holzminden, die Umweltminister tätig wären.“ den Umweltminister ja sehr genau kennen, waren so klug, (Werner Buß [SPD]: Das hat dieses Land nicht verdient!) (Norbert Böhlke [CDU]: Sie wollten versachlichen, Frau Kollegin!) Das, meine Damen und Herren, zeigt doch eines: Sie können schreien, Sie können lamentieren, Sie einen Kandidaten vom zwölften Platz dieser Liste können manchmal auch kreischen, Sie werden um Herrn Sander herum in den Kreistag zu wählen sich trotzdem an unseren Umweltministern die und den Umweltminister draußen zu lassen. Zähne ausbeißen. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der (Hans-Dieter Haase [SPD]: Hochmut SPD) kommt vor dem Fall, Herr Rösler!) Nebenher - lassen Sie mich das an dieser Stelle Ich sage Ihnen nur eines: Sie laufen gegen Wind- bemerken - waren die Menschen in Holzminden, mühlen an. Herr Jüttner, Sie erinnern mich ein die Menschen, die den Umweltminister am besten bisschen an Don Quichotte. Sie sind aus unserer kennen, so klug, dem örtlichen Kandidaten der Sicht der Don Quichotte der niedersächsischen Grünen, Christian Meyer, etwa doppelt so viele Landespolitik. Sie sind ein Oppositionsführer von Stimmen wie dem amtierenden Umweltminister zu wahrhaft trauriger Gestalt. - Vielen Dank für Ihre geben. So viel zu der Verbundenheit mit den Men- Aufmerksamkeit. schen!

(Starker, nicht enden wollender Beifall (Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP und bei der CDU) bei der SPD)

Präsident Jürgen Gansäuer: Präsident Jürgen Gansäuer: Meine Damen und Herren, zu einer Kurzinterventi- Das Wort hat Frau Kollegin Steiner. Bitte schön! on hat Frau Kollegin Helmhold für anderthalb Mi- nuten das Wort Dorothea Steiner (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ursula Helmhold (GRÜNE): Rede von Herrn Rösler war wieder ein untauglicher Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Versuch, mit dem Griff in das immer gleiche Ka- Herren! Ich möchte versuchen, ein bisschen zur lauerbuch - Sie sollten sich ein zweites anschaf- Versachlichung der Debatte beizutragen. fen - den Dampf aus dem Kessel zu nehmen und damit von dem Thema abzulenken, um das es (Lachen bei der FDP und bei der CDU eigentlich geht, nämlich Inkompetenz und Versa- - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da haben gen des Ministers. sie die Richtige geschickt!) (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Herr Rösler und die gesamte FDP/CDU-Koalition SPD) werden nicht müde, immer wieder zu betonen, Herr Sander mache Umweltpolitik für die Men- „20 Jahre Umweltministerium - dauerhafter Um- schen, wofür ihn die Menschen so mögen würden. weltschutz braucht Akzeptanz“ - so betitelte Mi- nister Sander im letzten Herbst eine Pressemittei- (Zustimmung bei der CDU) lung. Ich glaube, Niedersachsen braucht einen Minister mit Akzeptanz für den Umweltschutz. Ich habe mich einmal erkundigt, wie das die Men- schen sehen, (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) (Hermann Dinkla [CDU]: Wo?) Zwei Bilder charakterisieren derzeit den Landwirt die den Umweltminister schon am besten kennen im Umweltministerium. Das eine ist „die Axt im müssten, nämlich die Menschen in Holzminden, Walde“, das andere ist „der Mann mit der Ketten- woher Herr Sander bekanntlich stammt. Dort hat er säge“. Es handelt sich nicht um üble Nachrede der auf dem ersten Platz der FDP-Liste für den Kreis-

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Grünen, sondern um Pressetitel. Ich zitiere noch ausweist. Das geht dann ungefähr so: Ich stehe an ein paar: „unsägliche Provokation“, „Minister außer Ihrer Seite, meine Damen und Herren, ich will das Rand und Band“, „Sander-Holzhammer“. So lauten nicht umsetzen, ich muss aber, weil die EU- die Kommentare. Gesetzgebung es bestimmt. Wenn Sie protestie- ren, haben Sie recht. - Das ist illoyales Verhalten, Woher kommt das? - Minister Sander hat seine wie es die EU-Kommission ihm auch bei der Vorstellungen von Hochwasserschutz rücksichtslos Baumfällaktion bei der Elbe vorwirft. in die Tat umgesetzt, als er eigenhändig ufernahe Auengehölze an der Elbe abgeholzt hat. Noch (Beifall bei den GRÜNEN und bei der heute behauptet er frech - Herr Jüttner hat es zi- SPD) tiert -, die Fällaktion sei ökologisch wertvoll und richtig gewesen. Begründen kann er das natürlich Die Eurokraten, wie er sie nennt, sind der Feind. nicht. Seit Jahren ist mehrfach belegt, dass die Was Naturschutz ist, bestimmt Herr Sander selbst. Entfernung von Auengehölzen nicht zum Schutz Die EU-Kommission hat nach der Baumfällaktion vor Hochwasser beiträgt. Anderswo werden Auen- im Biosphärenreservat Elbtalaue ein Vertragsver- wälder als Überflutungsräume für Hochwasser neu letzungsverfahren gemäß Artikel 226 des EG-Ver- angelegt. Dort hat man die Fachpresse gelesen trages gegen die Bundesrepublik Deutschland und nicht den einen Aufsatz älteren Datums von eingeleitet. Bis sich die EU-Kommission zu einem einem bestellten Gutachter, auf den sich die FDP solchen Schritt gegen ein Mitgliedsland hinreißen und die CDU immer berufen. lässt, muss man ihr schon gewaltig auf die Zehen getreten sein. Heute lesen wir in der Zeitung, dass (Beifall bei den GRÜNEN und bei der es ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren SPD) - wieder im Zusammenhang mit Vogelschutz und Moorschutz - gibt. Das ist das vierte Vertragsver- Heute hören wir dann, dass der Minister die Deich- letzungsverfahren, das Herr Sander über Nieder- verbände vor Ort praktisch habe unterstützen wol- sachsen der Bundesrepublik eingebrockt hat. Jetzt len. Wie schön von ihm! Aber eigentlich wollte er ist die Bundesrepublik Deutschland zu der Fest- dem Naturschutz eins auswischen. stellung gezwungen - die Stellungnahme kommt natürlich aus Niedersachsen; ich zitiere sie hier (Ingrid Klopp [CDU]: Das ist ja wohl einmal -, dass den Vorgaben des EU-Rechts nicht ein Ding!) ausreichend Rechnung getragen worden ist. - So Er wollte demonstrieren, dass ihn europäisches ist es. Herr Sander eiert aber herum und versucht Naturschutzrecht nicht bindet, niedersächsisches nachträglich, zu konstruieren, dass FFH-Verträg- auch nicht. Er hat sogar gegen seinen eigenen lichkeitsprüfungen stattgefunden hätten - und Erlass verstoßen. Das ist das eigentliche Problem: wenn nicht, dann hätten es die untergeordneten Der Umweltminister fühlt sich durch Recht und Behörden versäumt. Das nenne ich, die Verant- Gesetz nicht gebunden, durch EU-Recht schon gar wortung für eigene Missetaten auf andere abzu- nicht. Er hat zwei Feindbilder: zum einen enga- wälzen. gierte Naturschützer, die Nutzungsbeschränkun- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN gen für die Landwirtschaft bewirken könnten, und und bei der SPD) zum anderen die EU-Kommission mit ihren ge- samteuropäischen Richtlinien. Zum Ausgleich kündigt Herr Sander an, er werde den von den Abholzungen betroffenen Landkrei- Bei den Auseinandersetzungen um die Nachmel- sen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg nun finan- dung von FFH-Gebieten im letzten Jahr wird die- zielle Unterstützung für die - ich zitiere - soge- ses Denkmuster ebenso deutlich wie z. B. bei der nannten Verträglichkeitsprüfungen anbieten, damit EU-Vogelschutzrichtlinie. Einerseits gibt die Pres- die Kreise Hilfe von Experten holen könnten. Wo- sestelle regelmäßig Lobeshymnen darauf heraus, her kommen denn diese Mittel? wie viele geschützte Pflanzen- und Tierarten sich in Niedersachsen wieder heimisch fühlen - vermut- Nun komme ich zum Thema Kompetenz im Um- lich alle seit 2003, seit Herr Sander Minister ist -, weltbereich. Der Sachverständigenrat für Umwelt- andererseits ruft er auf Informationsveranstaltun- fragen hat neulich befunden, dass der Umwelt- gen zu Vogelschutzgebieten die anwesenden schutz in Niedersachsen bewusst geschwächt Landwirte auf, Widerstand gegen die Vogelschutz- worden sei. Diese Einschätzung teilen wir. Genau gebiete zu leisten, die sein Ministerium gerade

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das ist das Resultat Ihrer Umstrukturierung der die Arbeit einer Landesregierung und eines Minis- Umweltverwaltung, der Versetzung, des Abschie- ters kritisch und vielleicht auch konstruktiv zu be- bens und des Vergraulens von Mitarbeitern und gleiten. Unsere Erwartungshaltung Ihnen gegen- der wirklich fragwürdigen Hochernennungen, wor- über ist in dieser Frage immer noch sehr groß und über kürzlich wieder in der Zeitung diskutiert wur- auch steigerungsfähig. Solange Sie die Arbeit der de. Das alles hat dazu geführt, dass der Umwelt- Landesregierung oder eines Ministers mit sachli- schutz in Niedersachsen ganz erheblich ge- chen Argumenten kritisieren, ist dagegen im Prin- schwächt worden ist. Ihr Mantra lautet: Statt mit zip nichts einzuwenden. Eines schreibe ich Ihnen, Konzepten und qualitätsvollen Ansätzen zu arbei- Herr Jüttner, heute aber ein für alle Mal ins ten, machen wir Politik mit den Menschen. Stammbuch:

(Lachen bei der SPD) Präsident Jürgen Gansäuer: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Es ist schändlich für das Parlament, wie Sie hier heute jedes Augenmaß verloren haben, Herr Jütt- ner. Dorothea Steiner (GRÜNE): Ich komme zum Schluss. - Diese Auffassung kann (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei ich nicht teilen; denn mit den Menschen, die Um- der FDP - Zurufe von der SPD) weltschutz ehrenamtlich betreiben, die ihn kom- - Herr Plaue, persönliche Angriffe und Beleidigun- petent betreiben, die ein FÖJ absolvieren, meidet gen - Sie sind das beste Beispiel dafür - sollten Minister Sander den Kontakt, mit ihnen redet er nicht Instrumente der politischen Auseinanderset- nicht. Er drückt sich darum. zung sein. - Wir erleben hier einen verzweifelten Deswegen kann ich nur fragen - Herr Präsident, Oppositionsführer. damit komme ich zum Schluss -: Kann das Land (Widerspruch bei der SPD) Niedersachsen, kann die Landesregierung einen Minister tolerieren, der das Umweltministerium am Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sich so liebsten auflösen würde und der das Umweltrecht mancher Sozialdemokrat wie z. B. Professor mit Füßen tritt? - Das können sie nicht. Wernstedt, der hier schon eine Rolle gespielt hat, abwenden wird, Herr Jüttner. Präsident Jürgen Gansäuer: (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss der FDP) kommen. In einem Interview in der NOZ erklärte Herr Jüttner kürzlich treuherzig, ja fast mit Augenaufschlag: Wir Dorothea Steiner (GRÜNE): betrachten Landespolitik nicht vorrangig aus Wahl- Wenn die CDU tatsächlich „ergrünen“ will, wie sie kampfinteressen. - Meine Damen und Herren, der uns über die Zeitungen mitteilt, so kann sie das Antrag auf Entlassung eines Ministers ist immer nur, indem sie diesen FDP-Klotz, den sie für die ein ernsthafter Vorgang, der Ernsthaftigkeit hätte Umweltpolitik in Niedersachsen am Bein hat, ent- erwarten lassen dürfen. Die Behauptung, die Sie sorgt. Das ist eine Botschaft an Sie, Herr Minister- vorhin aufgestellt haben, Sie hätten Minister San- präsident. der ein geordnetes Haus überlassen, ist ja wohl an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Wir mussten doch (Starker, lang anhaltender Beifall bei erst einmal mit Ihren Problemen aufräumen. den GRÜNEN und bei der SPD) (Starker, anhaltender Beifall bei der Präsident Jürgen Gansäuer: CDU und bei der FDP) Der Kollege Althusmann hat das Wort. Lassen Sie mich hier noch anfügen: Ich beziehe mich dabei nicht auf die Mitarbeiterinnen und Mit- Bernd Althusmann (CDU): arbeiter in diesem Haus. Ich meine die politisch- ideologische Spitze, hinter der Sie sich in Ihren Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und letzten Jahren versteckt haben, Herr Jüttner. Herren! Es ist das legitime Recht einer Opposition,

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Jüttner, Sie haben gerade von Loyalität ge- Widerspruch bei der SPD) genüber der EU gesprochen. Ich frage Sie, was ist Ihnen eigentlich wichtiger: vorauseilender Gehor- Nach dieser Debatte werden die Menschen in Nie- sam gegenüber der Europäischen Union oder aber dersachsen, wie ich meine, eines schnell erkannt der Schutz der Menschen in der Elbtalaue vor haben: Hochwasser? - Darum kann es doch nur gehen. Wir können doch nicht immer nur darüber diskutie- (Zuruf von der SPD: Der muss weg!) ren, dass wir der EU-Kommission in irgendeiner Ihnen, der SPD in Niedersachsen, geht es nicht Form bis ins letzte Detail ausgefeilt alles vorgeben. mehr um das Wohl des Landes. Ihnen geht es Es geht doch darum, dass die Menschen vor Ort nicht mehr um das Wohl der Bürger. Sie wollen nur von uns zu Recht erwarten, dass wir ihre Ängste noch eine Schlammschlacht, und Sie wollen einen ernst nehmen. Minister diskreditieren. Das werden wir mit uns mit (Starker Beifall bei der CDU und bei Sicherheit nicht machen lassen. der FDP) (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Sie, Herr Jüttner, haben gemeinsam mit der Kolle- der FDP) gin Griefahn den Gefahren an der Elbe jahrelang Im Unterschied zu Ihnen, Herr Jüttner, ist Herr bewusst und untätig zugesehen. Unzureichender Minister Sander eben nicht nur Theoretiker, so wie Deichschutz oder Wildwuchs im Deichvorland sind Sie es waren. Herr Minister Sander ist auch Prakti- ein trauriges Beispiel und eine Bilanz Ihrer, nicht ker und, zugegeben, auch Pragmatiker. aber unserer Politik.

(Lachen bei der SPD und bei den (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: der FDP) Ein großer Praktiker!) Meine Damen und Herren, Minister Sander ist es Nur wer nichts macht, macht keine Fehler. Ich seit seinem Amtsantritt gelungen, die Gräben zu- habe immer gedacht, auch Sie wären nicht fehler- zuschütten, die Minister wie Frau Griefahn, Herr los. Ich kann mich noch erinnern, dass wir am Jüttner, Frau Künast oder andere während ihrer 13. Juni 2000 hier im Parlament einen Missbilli- Amtsführung aufgerissen haben. gungsantrag gegen den damaligen Umweltminister (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Jüttner wegen Verletzung von Informationspflich- ten und wegen Nichtbeteiligung der Eigentümer Naturschutz und Landwirtschaft, Umweltschutz bei FFH-Gebietsausweisungen besprochen haben. und Landwirte werden in Niedersachsen, seitdem Herr Minister a. D. Jüttner, bitte halten Sie sich wir die Regierungsverantwortung übernommen zukünftig in solchen Fragen doch etwas zurück. haben, eben nicht mehr gegeneinander ausge- spielt. Das tut dem Land auch ganz gut. (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP) Es gibt einen ganz generellen Unterschied zwi- schen der linken Seite des Hauses und der rech- Zu den Rückschnittmaßnahmen in der Elbtalaue ten Seite des Hauses. sage ich Ihnen eines: Sie waren fachlich richtig, wie man dem Gutachten der TU Karlsruhe ent- (Zustimmung bei der SPD) nehmen kann. Sie waren aber auch sachlich ge- - Vielen Dank. - Wir nehmen die Sorgen der Men- boten, weil der Schutz der Menschen vor dem schen in Niedersachsen ernst. Sie machen den Hochwasser Vorrang haben muss. So sah es im Menschen in Niedersachsen ständig nur Angst, Übrigen auch der Naturschutzbund in Lüneburg im verunsichern sie und wollen sie von einer Ecke in Juli 2005. So sieht es auch der heutige Landrat die andere treiben. Das ist Ihre Politik der vergan- und SPD-Landtagsabgeordnete Manfred Nahr- genen Jahre. Das aber wird es mit der CDU in stedt. Er hat am 30. November 2006 erklärt: Niedersachsen mit Sicherheit nicht geben. „Die Verbuschung im Deichvorland (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei muss weg, wo es aus Gründen des der FDP) Hochwasserschutzes unerlässlich ist.“

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Am 13. Dezember 2006 hat er in der Lüneburger der Anwendung synthetischer Kraftstoffe aus Bio- Landeszeitung erklärt: masse - Stichwort „SunFuel“ - ins Leben gerufen. Wir haben 18 Millionen Euro für die Brennstoffzelle „‚Der Einsatz des Ministers war si- ausgebracht. Schließlich haben wir die Nachmel- cherlich provokativ. Aber er hat nichts dung der durch die Vorgängerregierung unter Ihrer gemacht, was nicht abgesprochen Verantwortung, Herr Jüttner, versäumten Vogel- war.‘ Da ist sich Landrat Manfred schutz- und FFH-Gebietsmeldung vorgenommen. Nahrstedt (SPD) ganz sicher: ‚Denn Die Meldung, bei der sich Herr Jüttner außerstan- ich war die ganze Zeit vor Ort.‘“ de sah, sie überhaupt an die EU-Kommission zu senden, hat diese Landesregierung nach Brüssel (Starker Beifall bei der CDU und bei geleitet. Es waren Ihre Versäumnisse, mit denen der FDP - David McAllister [CDU]: wir aufgeräumt haben. Blattschuss!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Nach Auffassung von Experten hängen die Hoch- wasser an der Elbe - das wissen Sie; ich erinnere an die Elbefluten 2002 und 2006 - ursächlich mit Präsident Jürgen Gansäuer: der Ausdehnung der Verbuschung im Deichvor- Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. land zusammen. Im Ergebnis führt dies zu einer deutlich schlechteren Abflussleistung der Elbe. Bernd Althusmann (CDU): Nun sagen Sie, dies alles stimme nicht. Wissen Sie, auf wen Sie von der SPD und vielleicht auch Ich komme zum Schluss. - Der vorliegende Entlas- manche in der EU-Kommission noch etwas mehr sungsantrag ist der vorläufige Höhepunkt einer hören sollten? Auf die Menschen an der Elbe, die destruktiven Politik. Anstatt inhaltliche Alternativen dort jahrzehntelang wohnen. Sie kennen jede Win- aufzuzeigen, erleben wir nur Fehlanzeige auf gan- dung und jede Welle dieses Flusses. Dort sagte zer Linie. Es mag Sie vor diesem Hintergrund we- Herr Wilhelm Stabe am 30. November 2006: nig verwundern, wie wir mit diesem Antrag umge- hen; dennoch betone ich es abschließend. „Rückschnitt bedeutet Hochwasser- schutz und Sicherung des Eigentums Erstens. Hinter Herrn Minister Sander steht die der Menschen, die hinter den Deichen Mehrheit, die Sie nicht haben und auf absehbare wohnen.“ Zeit hier im Hause nicht haben werden.

Meine Damen und Herren, was gibt es dem ei- Zweitens. Herr Minister Sander genießt das volle gentlich noch hinzuzufügen, wenn die Menschen Vertrauen der CDU-Landtagsfraktion. Wir werden vor Ort uns darum bitten, dass wir uns um ihre dem Entlassungsantrag der SPD nicht zustimmen. Sorgen und Nöte kümmern? (Heiner Bartling [SPD]: Das wundert (Beifall bei der CDU und bei der FDP) uns aber!)

Es ist auch das Verdienst dieser Landesregierung Sie mögen aufstampfen oder aufheulen; aber Mi- gemeinsam mit dem Umweltminister Sander, dafür nister Sander bleibt. - Herzlichen Dank. gesorgt zu haben, dass allein im letzten Jahr 38 Millionen Euro für den Deichschutz ausgegeben (Starker, nicht enden wollender Beifall wurden. Dies zeigt: Wir nehmen die Sorgen ernst. bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lan- Präsident Jürgen Gansäuer: desregierung hat eine hervorragende Umweltbi- lanz vorzuweisen. Meine Damen und Herren, bevor wir in der Rei- henfolge der Rednerliste fortfahren, wende ich (Lachen bei den GRÜNEN) mich an Frau Steiner. Sie haben gesagt - ich habe das eben von der Verwaltung prüfen lassen -, die- Sie reicht von einem Nachhaltigkeitsbericht bis zur ser FDP-Klotz am Bein sollte entsorgt werden. Ich Stärkung des Vertragsnaturschutzes. Vorgestern erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf. haben wir das Wasserrecht novelliert. Wir haben eine Kooperation mit Volkswagen sowie den Län- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dern Brandenburg und Hessen zur Erforschung

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Ich halte viel davon, dass wir uns streitig ausei- Präsident Jürgen Gansäuer: nandersetzen, aber ich halte nichts davon, dass Zu einer weiteren Kurzintervention hat sich Frau wir uns menschlich verächtlich machen. Kollegin Bertholdes-Sandrock gemeldet. (Beifall bei der CDU - Zurufe von den (Heiner Bartling [SPD]: Jetzt kommt GRÜNEN - Gegenrufe von der FDP) der Höhepunkt der Woche! - Weitere Jetzt sind zwei Kurzinterventionen beantragt wor- Zurufe von der SPD und von den den, eine davon aus der SPD-Fraktion, die ich GRÜNEN) aber nicht richtig verifizieren konnte. - Herr Möhr- mann, bitte schön! Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Dieter Möhrmann (SPD): Kollege Althusmann hat zu Recht den Schutz der Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Menschen und die Sicht vor Ort hervorgehoben. Herren! Wir haben eben eine Verteidigungsrede Genau dazu möchte ich etwas ganz Wichtiges gehört, die jemand im Schweiße seines Angesichts sagen. abgegeben hat. Ich habe mich die ganze Zeit ge- (Ulrich Biel [SPD]: Herr Präsident, das fragt, warum jetzt eigentlich Herr Althusmann re- geht nicht!) det. Es ist ihm sehr schwer gefallen; anderenfalls wäre er nicht so ins Schwitzen geraten. Dies zeigt - Darf ich reden? doch ganz deutlich, dass zumindest in der CDU- Fraktion die Zweifel stärker werden. Wenn man (Heiner Bartling [SPD]: Nein!) sich die Gesichtszüge von Herrn Wulff anschaut, dann weiß man spätestens seit gestern Abend, wie Präsident Jürgen Gansäuer: er innerlich zu Herrn Sander steht. Möglicherweise wird er gleich noch dazu reden, und ich bin ge- Bitte fahren Sie fort. spannt, ob ihm auch so heiß dabei wird, wie es Herrn Althusmann eben geworden ist. Karin Bertholdes-Sandrock (CDU):

(Zustimmung bei der SPD) Genau diese Sicht vor Ort muss hier unbedingt genannt werden. Die Menschen verstehen diese Meine Damen und Herren, ich sage noch etwas zu katastrophal einseitige Diskussion über das Han- dem Problem, ob Herr Sander nahe bei den Men- deln von FDP und CDU zur Verbuschung - natür- schen ist oder nicht. lich mit Unterstützung des SPD-Landrats aus Lü- neburg - überhaupt nicht, weil sie verantwortungs- (Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie hat der los ist. Seit Wochen halten die Beschwerdeführer Landrat das noch genannt?) an nahezu jedem Tag das Wasser am Kochen, Am 15. April 2007 ist in der Rotenburger Rund- indem sie immer wieder etwas an die EU nach- schau etwas zu lesen, was sich auf die inzwischen schieben. berühmt gewordene Mulmshorner Rede bezieht: (Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist ein „Die heftige Kritik von Umweltverbän- Redebeitrag! Sie beziehen sich doch den an seiner Politik nimmt Sander gar nicht auf Herrn Althusmann! - Ka- nicht sehr ernst. Auch an der Zustim- rin Stief-Kreihe [SPD]: Was hat das mung der Mehrheit der Bevölkerung mit Althusmann zu tun? - Unruhe) ist Sander nach eigenen Aussagen - Ich kann nicht reden. wenig gelegen.“ (Glocke des Präsidenten) So viel zur Politik mit den Menschen! Was hier gemacht wird, ist reine Klientelpolitik. Präsident Jürgen Gansäuer: (Beifall bei der SPD und bei den Bitte fahren Sie fort. GRÜNEN)

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Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): Das Wesentliche an dieser Sache ist, dass man- Meine Damen und Herren, deshalb sage ich ein- ches falsch gesagt wird, aber alles aufgebauscht deutig: Der von Ihnen angedeutete GAU ist nicht wird. Das jedoch wollen die Menschen an der Elbe der Minister, sondern die Untätigkeit in der Entbu- nicht. Sie haben das Absägen - übrigens nur eines schung an der Elbe. - Danke schön. einzigen Stammes eines Weidenbusches - als symbolische Unterstützung derer empfunden, die (Beifall bei der CDU und bei der FDP - seit Jahren für den Hochwasserschutz eingetreten Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das war ja sind und nicht entbuschen durften. Weil diese Si- toll!) tuation so unerträglich ist - - - Präsident Jürgen Gansäuer: (Unruhe) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Herr Präsident, ich kann mein eigenes Wort nicht Ministerpräsident hat das Wort. verstehen. Christian Wulff, Ministerpräsident: Präsident Jürgen Gansäuer: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehr- Meine Damen und Herren, wir können die Sitzung ten Damen und Herren! Herr Möhrmann, einige gern unterbrechen, bis es ruhig wird. Ich habe Worte zur seelischen Verfassung. Ich habe bereits damit kein Problem. Die Zeit, in der nicht geredet feuchte Hände bekommen, als ich Ihren Antrag werden kann, wird dann natürlich auf die Debat- gelesen habe. Die Debatte musste ich gar nicht tenzeit angerechnet; das ist klar. - Bitte schön, erst abwarten. fahren Sie fort. (Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP) Karin Bertholdes-Sandrock (CDU): Herr Jüttner, jetzt dürfen Sie zuhören, Sie erfahren Meine Lebenserfahrung sagt mir, dass derjenige, nämlich etwas Neues. - Weil diese Situation so der mit dem Schaum vor dem Mund agiert, schnell unerträglich ist, haben alle Deichverbände von den politischen Instinkt verliert. Schnackenburg bis Geesthacht, am gesamten (Wolfgang Jüttner [SPD]: Darin ken- Streifen Lüchow-Dannenberg/Lüneburg heute nen Sie sich ja zurzeit aus!) ihrerseits eine Beschwerde an die EU geschickt, in der sie die Sachverhalte, die Sie falsch und über- Insofern haben Sie das Problem, dass Sie hier das bordend darstellen, richtig stellen. Diese Deichver- Maß verloren haben; denn Sprache ist verräte- bände, die im Interesse des Hochwasserschutzes risch. Es ist auch die Frage, wie Sie sich hier auf- - und das heißt: der Menschen - arbeiten, haben führen und ob es Ihnen um die Sache, um den sich ihr Tun genauestens überlegt. Minister und um das Land oder um Klamauk geht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten) (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Norbert Böhlke [CDU]: Klamauk!) Sie sagen eindeutig - ich habe die Information gerade bekommen -: Naturschutz ja, Menschen- Ich kann dazu nur sagen: Ich halte es für völlig schutz genauso, und wenn beides an bestimmten unverantwortlich, für eine Baumfällaktion im Be- Punkten nicht miteinander vereinbar ist, muss der reich des Überschwemmungsgebietes der Elbe Schutz der Menschen Vorrang haben. Dem wollen den Begriff „Massaker“ einzuführen. Das zeigt Sie doch hoffentlich nicht widersprechen! schon, dass Sie jedes Augenmaß zur Beurteilung der Situation verloren haben und es Ihnen mit Beg- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) riffen wie „Kettensägenmassaker“ ausschließlich um Effekthascherei und Wahlkampfpolemik und Präsident Jürgen Gansäuer: nicht um die Lösung der gravierenden Probleme Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist jetzt abgelaufen. des Hochwasserschutzes in der Elbtalaue geht.

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(Beifall bei der CDU und bei der FDP - (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist ja Journalistenschelte!) Der Landkreis Lüchow-Dannenberg fordert seit Oktober 2006 kontinuierlich die Grundeigentümer Herr Wernstedt hat vor einigen Jahren, kurz vor von Vorland- und Ufergrundstücken auf, im Be- der Wahl, in einem Vortrag über politische Kultur reich des Landkreises Gehölze aus Gründen des gesagt, polemische Debatten seien wahrscheinlich Hochwasserschutzes zurückzuschneiden. Dabei der Preis der Freiheit. Je polemischer die Ausei- geht es nicht - um wieder Sie zu zitieren - etwa um nandersetzung, desto gefährdeter sei die innere eine Aufforderung, Auenwälder abzuholzen. Sie Liberalität eines Staates. Rücktrittsforderungen haben Ihren Antrag schlicht schlampig formuliert. würden mittlerweile so inflationär gebraucht, dass In der Auseinandersetzung mit der Europäischen sie zu einer stumpfen Waffe geworden seien. Wer Union geht es darum, ob FFH-Verträglichkeitsprü- das als Minister nicht erlebt habe, der müsse et- fungen durchgeführt worden sind und ob deren was falsch gemacht haben, hat Herr Wernstedt Ergebnisse ordnungsgemäß dokumentiert worden gesagt. Deshalb sollte man schon fragen, wer die sind. Außerdem geht es um die Frage, ob Entbu- Entlassung eines Ministers mit welchen Argumen- schungsmaßnahmen in der Elbtalaue als Hoch- ten verlangt. Sie sagen: Wie konnte man die weiße wasserschutz mit dem EU-Recht vereinbar sind. Weste von Angela Merkel durch ein Vertragsver- Vor Ort wurden die Maßnahmen in gemeinsamen letzungsverfahren während der deutschen Rats- Bereisungen von Fachleuten der Wasserwirtschaft präsidentschaft beschädigen? und des Naturschutzes fachlich festgelegt. Das genügt der EU-Kommission nicht. Das hat sie bis- (Wolfgang Jüttner [SPD]: Ist Ihnen her so nicht akzeptiert. Darüber sprechen wir mit das nicht peinlich?) der EU-Kommission. Darüber kann man sogar verschiedener Meinung sein. Aber Ihre diesbezüg- Herr Jüttner, ist Ihnen eigentlich bekannt, dass lichen Angriffe sind völlig überzogen und maßlos. Herr Tiefensee während der Ratspräsidentschaft Inzwischen, am 19. April 2007, hat die Bundesre- zwei Vertragsverletzungsverfahren ausgelöst hat? publik Deutschland die offenen Fragen beantwortet Ist in Berlin irgend jemand von der Opposition oder und einen Vorschlag zur einvernehmlichen Lösung hier von uns auf die Idee gekommen, deshalb den des Problems unterbreitet. Wir gehen davon aus, Rücktritt oder die Entlassung von Herrn Tiefensee dass wir mit der EU zu einer einvernehmlichen zu fordern? - Mir ist das nicht bekannt. Insofern Lösung kommen können. Das ist das Ziel eines müssen Sie schon überlegen, wie Sie Ihre Argu- Vertragsverletzungsverfahrens. Mit Erlass vom mente wenden. 5. April hat das Ministerium sichergestellt, dass bis Sie behaupten, die Kommission habe erstmals zur Klärung der Angelegenheit keine weiteren - das sei einzigartig - ein Verfahren wegen der Rückschnittmaßnahmen vorgenommen werden. Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit eröffnet. Wenn Der eigentliche Grund Ihres Protestes ist hier von Sie in die Datenbank schauen, dann können Sie Herrn Kollegen Rösler, Herrn Kollegen Althusmann dazu eine Vielzahl von Einträgen finden. Ich erin- und eben auch von Frau Bertholdes-Sandrock nere hier nur an Punkt 8 der Entschließung der angesprochen worden. Der Unterschied besteht Regierungsfraktionen in diesem Parlament, in dem darin, dass Sie von den Bürgern vor Ort in Bezug die zielgerichtete Entbuschung des Deichvorlan- auf Ihren Nationalpark Elbtalaue verklagt worden des an der Elbe gefordert wurde. Sie behaupten, sind. In dem Verfahren sind Sie auch verurteilt mit Schreiben vom 16. Januar 2007 habe das worden, Herr Jüttner. Umweltministerium die Grundeigentümer aufgefor- dert, weitere Abholzungen bis zum 28. Februar (Beifall bei der FDP) 2007 vorzunehmen. Meine Nachprüfung Ihres Entlassungsantrages ergibt, dass es ein solches Außerdem haben Sie viele Konflikte mit der Euro- Schreiben gar nicht gibt. Es gibt lediglich ein päischen Union gehabt. Herr Sander agiert mit den Schreiben Ihres Landrates, der Landkreisverwal- Deichverbänden vor Ort und mit vielen Bürgerin- tung mit dieser Aufforderung. Von daher müssen nen und Bürgern vor Ort und führt den Streit mit Sie sich schon fragen lassen, ob Sie jetzt die Ent- der Europäischen Union. Ein Unterschied zwi- lassung Ihres Landrates oder die Entlassung des schen Ihnen und anderen liegt darin, dass Herr Umweltministers betreiben wollen. Jedenfalls müs- Sander menschliche, wirtschaftliche und soziale sen die Fakten in Ihrem Antrag stimmen. Belange vor Ort stärker als andere einbezieht und

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eine Bodenständigkeit hat, die manchen verwun- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) dert. Er ist für Naturschutz, kommt aus dem ländli- chen Raum, hat eine gewisse Heimatverbunden- Die Erfolge sind von der Nachhaltigkeitsstrategie heit und einen gewissen Respekt vor Umwelt und des Landes über das Umweltinformationsgesetz Natur und entwickelt mit den Beteiligten eine Eu- bis zur genannten Landesinitiative Brennstoffzelle phorie, dass alle sich das Thema des Naturschut- unübersehbar. Auch bei den nachwachsenden zes zu eigen machen und nicht der eine dem an- Rohstoffen oder regenerativen Energien sind wir deren vorzuschreiben versucht, was er zu tun und bundesweit führend. Fast 40 % des aus Biomasse zu unterlassen hat. erzeugten Stroms kommen aus Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dieser Politikstil von Hans-Heinrich Sander hat ihn Wir haben die größten Felder von Windkraftanla- zu einem erfolgreichen Minister gemacht. gen. Wir haben die Erprobungsgebiete für Offsho- re-Windkraftfelder durchgesetzt. Die zukünftige (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Klimaschutzstrategie, über die gestern in Berlin der FDP) diskutiert wurde, haben wir unter Landwirtschafts- minister Ehlen und unter Umweltminister Sander Es müsste Sie doch nachdenklich stimmen, dass schon vor Jahren auf den Weg gebracht. Diese mit dem Vertragsnaturschutz das Vertrauen der beiden stehen dafür, dass wir in Deutschland das Land- und Forstwirte wiedergewonnen wurde, dass Windkraftland Nummer eins sind. die Deichverbände hinter dem Minister stehen, der Naturtourismus in Niedersachsen einen Auf- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) schwung erlebt und dass der Nationalpark Harz durch Herrn Minister Sander zustande gekommen Es gibt zwei Verhaltensarten. Man kann sich der ist, Sachdebatte entziehen und einem Minister am Zeuge flicken, oder man diskutiert hier über die (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Umweltpolitik oder das Fachgebiet des Ministers. Das Letztere ist völlig okay; da bin ich gerne dabei. dass wir das Wassergesetz novellieren und dass Sie müssten aber erst einmal Ihren Antrag auf wir Entschlammungsmaßnahmen an Dümmer oder Entlassung mit falschen Fakten, falschen Unter- Steinhuder Meer durchführen, bei denen alle Be- stellungen, falschen Zitaten und falschen Hinwei- teiligte unter ein Dach gebracht werden konnten: sen zurückziehen, damit wir hier in diese sachliche Naturschutz, Landschaftsschutz, Wasserwirtschaft, Debatte eintreten können. Tourismus. Das Gegeneinander, also dass einer obsiegen und andere zu unterliegen haben, hat (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Sander an vielen Stellen unseres Landes Zuruf von Axel Plaue [SPD] - Weitere überwunden und damit eine Befriedung geschaf- Zurufe von SPD und GRÜNEN) fen, die Sie nicht erreicht haben. Ich finde es schon ziemlich ungeheuerlich, Leuten (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Briefe zu unterstellen, die es gar nicht gibt. Herr Plaue, das habe ich zwar damals bei Ihnen so Wir haben aus Ihrer Amtszeit haufenweise Verfah- kennengelernt, aber wenn das bei Ihnen allgemein ren zu klären gehabt. Ich habe doch über Monate mehrheitsfähig ist, wundert mich das schon. hinweg Gespräche über Schäden zu führen ge- habt, die sich für die Bundesrepublik Deutschland (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei zu Milliarden hätten auftürmen können, beispiels- der FDP) weise in Bezug auf die Auftragsvergabe in Braun- schweig und die Beteiligung der dortigen Landes- Wissen Sie, Sie müssen in den jetzt bevorstehen- behörden in der Frage der Abfallentsorgung oder den ruhigeren Tagen um den 1. Mai nicht immer in Bezug auf die Unterschutzstellung im Zusam- nur agitieren und schlechte Stimmung verbreiten, menhang mit FFH. Wir haben doch von Ihnen sondern Sie sollten einmal Mark Twain lesen: haufenweise Verfahren übergeben bekommen, die Wenn Sie die falsche Richtung eingeschlagen Sie nicht zu Ende gebracht haben und die wir jetzt haben, nutzt es gar nichts, das Tempo zu erhöhen. mühselig mit der Europäischen Kommission klären (Starker, nicht enden wollender Beifall müssen. bei der CDU und bei der FDP)

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Präsident Jürgen Gansäuer: Präsident Jürgen Gansäuer: Meine Damen und Herren, nach § 71 Abs. 3 unse- Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen. rer Geschäftsordnung erhält der Kollege Wenzel eine zusätzliche Redezeit von eineinhalb Minuten. Stefan Wenzel (GRÜNE): Sie haben nicht die Kraft, hier das zu tun, was Stefan Wenzel (GRÜNE): eigentlich notwendig wäre. Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war das Plädoyer des Pflichtverteidigers. Meine Damen und Herren, das ist die Realität. Der FDP-Umweltminister Hans-Heinrich Sander hat die (Beifall bei den GRÜNEN und bei der ökologische Sensibilität einer Kettensäge und die SPD - Oh! bei der CDU und bei der Problemlösungskompetenz einer Heckenschere - FDP) und die haben im Kabinett nichts zu suchen. - Herzlichen Dank. Dabei vergeht hier keine Stunde, in der es nicht zu peinlichen Klarstellungen, Korrekturen und Recht- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN fertigungen zu der Arbeit dieses Ministers kommt. und bei der SPD) Wenn wir von Ihnen, Herr Sander, ein Stück An- ständigkeit erwarten könnten, Präsident Jürgen Gansäuer: (Zurufe von der CDU und von der Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen FDP) liegen mir nicht vor. dann wären Sie längst selbst zurückgetreten. (Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich hatte mich zu Wort gemeldet!) Herr Wulff, was Sie hier verteidigen, das ist einzig und allein die Machtfrage für diese Seite des Par- - Bitte schön, Herr Kollege. Sie erhalten nach § 71 laments - darum geht es -, Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zwei Minuten Redezeit. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD) Wolfgang Jüttner (SPD): obwohl Ihnen doch die Performance und auch das, Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Her- was dieser Minister macht, längst peinlich ist; man ren! Die Pflichtverteidigung hat hier Sachlichkeit sieht es an Ihren Gesichtern. eingefordert, Sachlichkeit bei einer Person, die (Widerspruch von der CDU und von über vier Jahre sämtliche gesellschaftliche Grup- der FDP) pen in diesem Land beleidigt hat. Ich will nur an Schneverdingen im November 2003 erinnern: „die Es gibt in diesem Land Millionen Menschen, denen kommunale Bande“, das erste bekannt gewordene die Bewahrung der Schöpfung - der Schutz der Zitat von Herrn Sander. Auf dieser Ebene, Herr natürlichen Lebensgrundlagen - ein wirkliches An- Wulff, hat sich Herr Sander in den letzten vier Jah- liegen ist. Dieser Mann beleidigt diese Menschen ren bewegt. „Mit den Nutzern“, das heißt klare und ihr ernsthaftes Anliegen, wenn er mit der Ket- Klientelpolitik gegen die ökologischen Belange im tensäge in ein Naturschutzgebiet geht und in ande- Lande Niedersachsen. rer Art und Weise immer wieder auf den Gefühlen dieser Menschen herumtrampelt. (Karl-Heinz Klare [CDU]: Was ist der Unterschied zwischen Nutzern und (Beifall bei den GRÜNEN und bei der Menschen?) SPD) Ich erinnere Sie daran, wie oft Sie hier haben in- Sie, Herr McAllister, und Ihr Ministerpräsident ha- tervenieren müssen, weil selbst Ihnen die Art und ben eine Problemzone im Kabinett. Die Problem- Weise peinlich war, wie hier die Belange von Natur zone heißt „Hirche und Sander“. Aber Sie, Herr und Landschaft mit Füßen getreten worden sind. Wulff, haben nicht die Kraft zu einer Kabinettsum- bildung.

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(Beifall bei der SPD und bei den Tagesordnungspunkt 34: GRÜNEN - Zurufe von der CDU und Erste Beratung: von der FDP) Sofort Handeln: Marktchancen des Öko- - Wenn es richtig ist, muss man es häufiger sagen. landbaus für Niedersachsen nutzen! - An- - Der Vorwurf der EU ist eindeutig: Dieser Minister trag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3713 persönlich hat in Kenntnis der Dinge provokativ (Unruhe) gegen EU-Recht verstoßen und hat sich beim Ver- such, diesen Vorgang aufzuklären, hochgradig Wenn Sie die Gespräche einstellen könnten, illoyal verhalten, weil er Karten hat fälschen lassen, könnten wir auch in der Arbeit fortfahren. Sonst weil er Termine verschoben und Unwahrheiten ge- behindern wir uns nur selbst. genüber der EU-Kommission geäußert hat. Zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Dass Sie so etwas in Schutz nehmen, meine Da- nen hat jetzt Herr Kollege Klein das Wort. men und Herren, das muss Ihnen doch wirklich peinlich sein. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Wir beantragen sofortige Abstimmung. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziel unseres Antrages ist ein Sofortprogramm, das auf (Starker, anhaltender Beifall bei der den Bioboom reagiert. SPD und bei den GRÜNEN) (Unruhe - Glocke des Präsidenten - Präsident Jürgen Gansäuer: Anhaltende Unruhe) Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, liegen mir wirklich keine Wortmeldungen mehr vor. Präsident Jürgen Gansäuer: Bitte fahren Sie fort, Herr Kollege. - Aber diejeni- Ich schließe die Debatte über diesen Antrag. gen Kolleginnen und Kollegen, die sich unterhalten Die SPD-Fraktion hat mich wissen lassen, dass sie möchten, wofür ich durchaus Verständnis habe, darum bittet, über diesen Antrag sofort abstimmen bitte ich, aus dem Saal zu gehen, damit wir hier zu lassen. - Ich sehe keine andere Meinung dazu weiterarbeiten können. - Bitte schön! im Hause. Dann werde ich das jetzt also machen. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer also dem Antrag der Fraktion der SPD, Herrn Umwelt- Wir möchten, dass die niedersächsische Land- und minister Sander zu entlassen, zustimmen möchte, Lebensmittelwirtschaft dabei unterstützt wird, von den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um der dynamischen Marktentwicklung, die wir ge- die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Dieser genwärtig haben, zu profitieren. Wir möchten, dass Antrag ist abgelehnt. die Erzeuger in Niedersachsen in die Lage versetzt werden, mit den Verbraucherwünschen Schritt zu (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei halten. Zusammengefasst kann man sagen: Wir der FDP) möchten, dass das Agrarland Nummer eins auch bei der Ökolandwirtschaft die Nummer eins wird Meine Damen und Herren, ich rufe nun vereinba- und endlich die rote Laterne in Deutschland abgibt. rungsgemäß zusammen auf Meine Damen und Herren, es hatte doch mit die- sem Antrag so schön angefangen. Wir sind mit dem Ausschuss, zusammen mit dem Landwirt- Tagesordnungspunkt 33: schaftsminister und seinen Fachbeamten, nach Erste Beratung: Nürnberg zur BioFach gefahren. Wir konnten uns Mit Sofortprogramm Chancen des Bio- dort über die positive Entwicklung der Biobranche booms für Niedersachsen nutzen - Antrag insgesamt und nicht zuletzt auch über die gute der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Aufstellung der niedersächsischen Firmen in die- Drs. 15/3707 sem Sektor informieren. Wir haben gute Gesprä- che geführt. Wir haben eine einhellige Botschaft und gehört: Es gibt im Moment eine wirklich gute Situa-

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tion in der biologischen Lebensmittelwirtschaft, Verarbeitern und im Handel, leistungsfähige Be- aber es gibt nicht nur die gute Situation, sondern ratungsstrukturen und vergleichsweise gute finan- es gibt auch hervorragende Perspektiven. zielle Voraussetzungen durch die aufgewachsenen EU-Mittel dank Ziel 1. (Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz) Im Mittelpunkt unseres Sofortprogramms, das wir vorstellen, steht die Wiederaufnahme der Umstel- Aber bei allen Gesprächen ist immer wieder ein lungsprämie. Es geht darum, dass Umstellungsbe- Problem genannt worden: Die Rohstoffbasis nie- triebe zwei Jahre nicht über die Bioschiene ver- dersächsischer Erzeuger wird knapp, ausländische markten können. Das heißt, zwei Jahre mit zusätz- Biobauern müssen einspringen. Dazu gab es eine lichen Investitionen und sicherlich auch mit Er- ganze Reihe von Erklärungen, aber eine war ei- tragsrückgängen können nicht entsprechend kom- gentlich immer dabei: Die Abschaffung der Um- pensiert werden. Da müssen wir ausgleichen. An- stellungsprämie verhindert stärkere Umstellungs- dere Bundesländer handeln hier ganz anders. Sie aktivitäten. Es ist erforderlich, dass das Land mit stocken ihre Förderung in diesem Bereich auf, um seinen Fördermöglichkeiten auf diese Entwicklung die Chancen zu nutzen. Wenn man ins europäi- reagiert, hier quasi eine Katalysatorfunktion über- sche Ausland sieht, merkt man, dass dort überall nimmt. viele Aktivitäten eingeleitet werden, um nicht zu- letzt auf dem deutschen Biomarkt Fuß zu fassen. Angesichts dieser Umstände war es nur folgerich- tig, dass sich dann beim abendlichen Empfang Der zweite Schwerpunkt ist die Lösung des Kapa- - mit einem übrigens hervorragenden Bio-Büfett - zitätsengpasses bei der ökologischen Schweine- fraktionsübergreifend der Gedanke durchsetzte: mast. Der Handel könnte hier ein Vielfaches ver- Da muss man doch etwas machen! - Es wurde kaufen. Wir dürfen nicht warten, bis er sich im verabredet, gemeinsam zu prüfen, ob es nicht Ausland feste Bezugsquellen aufgebaut hat. Wir möglich ist, eine Landtagsinitiative zu erarbeiten müssen jetzt handeln. Es ist sicherlich nachvoll- und zu starten. Ich habe gerne die Aufgabe über- ziehbar, dass es keine Förderung für die Aufsto- nommen, dafür eine Diskussions- und Verhand- ckung im Bereich der konventionellen Schweine- lungsgrundlage zu schreiben. Ich danke in diesem mast gibt, um nicht weitere Überkapazitäten zu Zusammenhang dem Ausschussvorsitzenden für fördern. Im Biobereich ist es aber genau umge- sein Wohlwollen, ich danke dem Kollegen Oetjen kehrt. Dann muss man doch in der Lage sein, diffe- für seine Unterstützung und für seinen Einsatz in renziert zu handeln! Dass das Ganze dann auch diesem Bereich, und ich danke auch der Kollegin noch zu einem unschönen Ferkeltourismus führt, Karin Stief-Kreihe für ihre Bereitschaft, eigene weil wir in Niedersachsen viele Bioferkel, aber Initiativen zurückzustellen. wenig Mastplätze in diesem Bereich haben, ist nur ein Randpunkt. Ich bedauere, dass das alles bis heute nicht zum Erfolg geführt hat. Ich bedauere, dass die Notwen- Meine Damen und Herren, die Förderwürdigkeit digkeit und die Dringlichkeit des Anliegens mit des Biolandbaus beruht ja nicht allein auf der ak- zeitlichem Abstand zur BioFach offensichtlich ver- tuellen Marktposition und auf guten wirtschaftlichen blasst sind. Ich bedauere auch, dass sich das Mi- Perspektiven. Uns ist auch wichtig, dass Bioland- nisterium anders entschieden und dem agrarpoliti- bau einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung des schen Sprecher der CDU offensichtlich nicht den Klimawandels leisten kann. Die Landwirtschaft in Freiraum zugestanden hat, hier etwas Vernünftiges Deutschland hat einen Anteil von 7 % an den zu tun. Treibhausgasemissionen. Da wirken Kohlendioxyd, Methan, Lachgas und CO aus landwirtschaftlichen Unser Antrag orientiert sich an der gemeinsamen 2 Böden und aus dem Energieeinsatz in der Land- Schnittmenge, von der wir nach der BioFach aus- wirtschaft. Wir wissen: Im Vergleich zum konventi- gegangen sind. Er basiert vor allem auf den kurz- onellen Landbau entstehen beim Biolandbau 40 fristigen ökonomischen Aspekten und Vorteilen bis 60 % weniger CO pro Fläche, 20 bis 50 % einer verbesserten Förderung des Biolandbaus. 2 weniger sind es immer noch bezogen auf den Er- Rahmenbedingungen haben wir im Feststellungs- trag. Für die Herstellung von 1 kg Ökobrot braucht teil dargestellt: zweistellige Wachstumsraten bei man nur 66 % der Primärenergie bei der Herstel- der Verbrauchernachfrage, gute Ausgangspositio- lung eines konventionellen Brotes. Die Biolandwirt- nen bei niedersächsischen Erzeugern, bei den schaft sorgt für hohe Humusgehalte, für höhere

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Wasserspeicherung in den Ökoböden und für haben, und zwar fraktionsübergreifend. Wir waren Schadensminderung bei Wetterextremen. Deshalb alle begeistert von der Messe. Wir waren beein- muss die biologische Landwirtschaft eine Leitfunk- druckt von dem, was wir da gesehen haben, von tion für die Landwirtschaft in Niedersachsen und dem großen Engagement und der Arbeit der Be- auch für die Landwirtschaftsförderung in Nieder- triebe, von der Leistung der niedersächsischen sachsen bekommen. Betriebe - keine kleinen Krauter in einer ökologi- schen Nische, sondern wettbewerbsfähige Betrie- Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau be mit zum Teil weit über 100 Beschäftigten, mit in der Schweiz, FiBL, kann als wohl einziges Insti- guter Auftragslage und starken Entwicklungspo- tut in der Welt auf 30 Jahre umfassende Langzeit- tenzialen. untersuchungen zurückgreifen. Es hat 90 Argu- mente zusammengetragen, die belegen, warum An jedem Stand - da dies an jedem Stand so war, Biolandbau wichtig ist und warum Biolandbau bes- wiederhole ich das, was Herr Klein gesagt hat -, ser ist als der konventionelle. Ich habe leider keine Herr Minister Ehlen, wurden uns die aktuellen Zeit, hier alle Argumente breit darzustellen, emp- Probleme des Ökolandbaus und der verarbeiten- fehle Ihnen aber die Lektüre. Es gibt viele Punkte, den Wirtschaft vorgetragen. Die Botschaft war in nicht nur die Gesundheit. Biomilch enthält mehr der Tat klar und deutlich. Wir konnten eigentlich Omega-3-Fettsäuren, Blattgemüse weniger Nitrat. beim Besuch eines jeden Standes schon im Chor Es gibt keine Pestizidrückstände über die allge- die Botschaft vorbringen, ohne dass der Aussteller meine Umweltbelastung hinaus, keine Farbstoffe, überhaupt seinen ersten Satz gesagt hatte. Die keine Aromastoffe. Bio fördert Nützlinge und Vö- Botschaft war klar: Es fehlt an Rohstoffen. Es fehlt gel. an umstellungswilligen Betrieben. - Der Biomarkt boomt. Angebot und Nachfrage - ich glaube, das (Ursula Helmhold [GRÜNE]: Es ist mittlerweile auch dem Letzten klar geworden - schmeckt besser!) klaffen immer weiter auseinander. Weil es an Roh- stoffen und umstellungswilligen Betrieben in Nie- Die artgerechte Tierhaltung im Biobereich ist her- dersachsen fehlt, werden Tür und Tor für ausländi- vorzuheben. Es gibt also viele Gründe, hier eine sche Erzeuger und Lieferanten geöffnet. Der Im- gute Förderung einzuleiten und die Förderung port ökologischer Erzeugnisse steigt rasant. Der insgesamt zu verbessern. Nachbar freut sich! Meine Damen und Herren, wir waren schon nahe Anstatt die Anreize für die Umstellung auf den an einer gemeinsamen Initiative. Deshalb glaube Ökolandbau zu erhöhen, hat diese Landesregie- ich, dass es im Ausschuss vielleicht noch eine rung genau das Gegenteil getan. Sie haben die Chance gibt, wieder zusammenzukommen. Zu- Umstellungsprämie gekürzt, für die ersten zwei mindest hätten wir hier die Chance, zu zeigen, Jahre die erhöhte Umstellungsprämie abgeschafft. dass Politik durchaus fähig ist, gute Problemlösun- Gerade diese Umstellungsprämie für die ersten gen auch ohne eine parteipolitische Profilierung zu zwei Jahre - das ist doch nun wohl auch wirklich produzieren. Ich würde es mir jedenfalls wün- dem Letzten deutlich geworden - ist aber von exi- schen. - Herzlichen Dank. stenzieller Bedeutung. (Beifall bei den GRÜNEN) (Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Silva Seeler: Wir haben gerade die Worte des Ministerpräsi- denten gehört. Er hat gesagt, dass der Landwirt- Danke, Herr Klein. - Nächste Rednerin ist Frau schaftsminister und der Umweltminister eigentlich Stief-Kreihe von der SPD-Fraktion. in allen Bereichen dafür sorgen, dass Niedersach- sen die Nummer eins wird, an der Spitze der Be- Karin Stief-Kreihe (SPD): wegung steht. Wo sind Sie denn im Ökolandbau? - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr An der Spitze der Bewegung sind Sie auf jeden Klein hat die Ausgangssituation geschildert, die zu Fall nicht. den beiden heutigen Anträgen geführt hat. Er hat Das Wissen und Können, die Leistungsstärke der den Besuch des Ausschusses auf der Messe Bio- Betriebe in Niedersachsen sind vorhanden. Davon Fach in Nürnberg angesprochen. Er hat eigentlich konnten wir alle uns überzeugen. Um den Bedarf, das geschildert, was wir alle damals empfunden

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die Nachfrage zu decken, ist schnelle Hilfe gefor- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen formuliert sind, dert. Darum stehen heute diese beiden Anträge finden Sie unsere Unterstützung. auf der Tagesordnung. Schwerpunkt unseres Antrages ist die Erhöhung Herr Minister Ehlen lobte die Aussteller, seine Oh- der Umstellungsprämie. Dafür gibt es im Prinzip ren hatte er allerdings auf Durchzug gestellt. Re- zwei Varianten: entweder eine generelle Erhöhung aktionen auf die Bitten der Wirtschaft - bis heute der Umstellungsprämie für den gesamten Zeitraum gleich null. Es ist eigentlich wie immer, Herr Mi- von fünf Jahren oder eine erhöhte Umstellungs- nister Ehlen: Den Worten folgen keine Taten. prämie für die ersten beiden Jahre der Umstellung. Noch besser ist eine Kombination von beidem, (Beifall bei der SPD und bei den also sowohl eine erhöhte Umstellungsprämie für GRÜNEN) die ersten beiden Jahre als auch eine Erhöhung der Bereitstellungsprämie über fünf Jahre. Damit - das konnten wir in den letzten Wochen und Monaten verstärkt feststellen - sind Sie ja im Lan- Meine Damen und Herren, dieses Thema war un- deskabinett nicht alleine. Meine Damen und Her- ter der Überschrift „Droht eine massive Schwä- ren, die größte Kunst dieser Landesregierung ist, chung des ökologischen Landbaus durch die Lan- so zu tun als ob und nichts umzusetzen. desregierung?“ bereits Inhalt einer Dringlichen Anfrage der SPD-Fraktion im September 2006. Im (Beifall bei der SPD) Rahmen der Vorbereitung auf diesen Tagesord- Bioland hat im Nachklang zu dem Messebesuch nungspunkt habe ich mir das Protokoll noch einmal allen Ausschussmitgliedern einen Brief geschrie- vorgenommen und durchgelesen. Ich habe mich ben. Ich zitiere aus dem Inhalt: im Nachhinein geärgert, Herr Minister, dass ich das nicht vor dem Messebesuch gemacht habe. „Nach dem intensiven Austausch auf Dann hätte ich dieses Protokoll mitgenommen und der BioFach gilt es für Niedersachsen, auf der Messe verteilt. auf die aktuelle Entwicklung im Bio- landbau zu reagieren. Wie auf der (Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: BioFach deutlich geworden ist, sollten Das hätte Ihnen keiner abgenom- jetzt Maßnahmen im Ökolandbau ini- men!) tiiert werden, damit niedersächsische - Was heißt „abgenommen“? Es ist ein Original- Betriebe in Erzeugung, Verarbeitung Protokoll, von daher gibt es nichts zu vertuschen und Handel verstärkt an der positiven oder zu verheimlichen. Entwicklung partizipieren. Ein Sofort- programm zur Förderung des Öko- (Rolf Meyer [SPD]: Er kann gar nicht landbaus wäre jetzt ein wichtiges Sig- lesen!) nal. Kernstück ist dabei die Wieder- aufnahme der erhöhten Umstellungs- Herr Minister, Ihre Lobesworte wären dort in einem prämie.“ anderen Licht erschienen. Ich bin davon über- zeugt: Ihren Worten hätte dann niemand mehr Herr Klein hat die Versuche geschildert, die wir im geglaubt. Ausschuss unternommen haben, um zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Bei der CDU- Ich nenne zwei Zitate aus Ihrer Antwort auf unsere Fraktion - ich bedaure das sehr - war die Begeiste- seinerzeitige Anfrage. Herr Minister Ehlen, Sie rung, die sie noch auf der Messe gezeigt hat, ver- haben erstens gesagt: flogen. „Ich glaube, dass sich die Macher vor Deshalb liegen heute zwei Anträge vor, wobei sich Ort über das, was Sie hier inszenie- der SPD-Antrag auf die heute anstehenden aktu- ren, gar keine Gedanken mehr ma- ellen Erfordernisse beschränkt, um möglichst chen. Sie sind darüber hinweg und schnell zu einer Beschlussfassung zu kommen; wollen sich über den Markt finanzie- denn wir stehen unter Zeitdruck. Die Anmeldefrist ren und nicht über Sonderprämien.“ für die Beantragung von Umstellungsprämien läuft am 15. Mai ab. Aber ich sage ausdrücklich: Auch Herr Minister Ehlen, ich habe damals folgenden bei den weiteren Punkten, die in dem Antrag der Zwischenruf gemacht: „Das stimmt nicht!“ Ich mei- ne, Sie müssten zumindest heute zugeben, dass

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Ihre damalige Aussage falsch war; denn das ha- Nehmen Sie als Entscheidungsgrundlage das ben Ihnen letztendlich alle Aussteller auf der Mes- Gutachten der FAL. Sie kommt zu dem Ergebnis, se gesagt. dass die Förderung des Biolandbaus zukünftig eine größere Gewichtung in den Agrarumweltpro- (Beifall bei der SPD und bei den grammen und der zweiten Säule der Agrarpolitik GRÜNEN) erhalten muss. Sie bringt auch deutlich zum Aus- druck, dass die positiven Umwelteffekte und die Ich möchte ein zweites Zitat nennen. Der Kollege zusätzlichen Arbeitsplätze durch den Biolandbau, Bäumer fragte nach anderen Maßnahmen, die Ihr die es bei uns aufgrund des wachsenden Bio- Ministerium im Bereich des Biolandbaus fördert. markts geben könnte, stattdessen ins Ausland Ihre Antwort war: verlagert werden. „Ich habe in diesem Jahr an bestimmt Nehmen Sie sich den Bundeslandwirtschaftsmi- 10 bis 15 Veranstaltungen teilge- nister Seehofer und den Deutschen Bauernver- nommen, auf denen wir für Ökopro- band zum Vorbild, die nun endlich auch eingese- dukte und für die Betriebe insgesamt hen haben, dass die Umstellungsprämien nicht geworben haben.“ ausreichend sind, und die die norddeutschen Län- Ich kann mir vorstellen, dass auch der Kollege der explizit aufgefordert haben, die Umstellungs- Bäumer eine andere Antwort erwartet hätte. Also prämie zu erhöhen. Das ist im Übrigen in anderen wieder nur lobende Worte. Ich bin davon über- Bundesländern mittlerweile geschehen. zeugt, dass Sie auch an mindestens 10 bis 15 Meine Damen und Herren, die Antragsfrist endet Veranstaltungen des Landvolks teilgenommen am 15. Mai. Verlängern Sie diese Frist - das wäre haben, zumindest ein erster Schritt -, und lassen Sie uns (Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Oder die Anträge mit einer hoffentlich breiten Zustim- Herr Sander!) mung zügig beraten! Herr Minister Ehlen, es ist Ihre Pflicht, alle Chancen für Niedersachsen zu - oder das -, ohne dass man dabei von einer ge- nutzen. Handeln Sie endlich! zielten Werbekampagne sprechen kann. (Beifall bei der SPD und bei den Meine Damen und Herren, wie Herr Klein kann ich GRÜNEN) nur an Sie appellieren, den vorliegenden Anträgen zuzustimmen. Vizepräsidentin Silva Seeler: (Rolf Meyer [SPD]: Dringend!) Nächster Redner ist Herr Große Macke von der CDU-Fraktion. Niedersachsen als Agrarland Nummer eins nutzt gegenwärtig nicht die Chancen und Wirtschafts- (Claus Johannßen [SPD]: Zustim- potenziale, die im ökologischen Landbau liegen. mung! - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Sag Ich nenne das grob fahrlässig. Im Wettbewerb mit doch mal das, was du denkst! - Claus den anderen Bundesländern fällt Niedersachsen Johannßen [SPD]: Und nicht, was du zurück - und das ohne Not. denken musst!) (Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das stimmt nicht!) Clemens Große Macke (CDU): Das wird zum Glück nicht von meiner Redezeit Denn kein anderes Bundesland ist in der glückli- abgezogen. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe chen Situation, mehr EU-Gelder zu bekommen als Kolleginnen und Kollegin! Für mich ist interessant, in der letzten Förderperiode. wie hier argumentiert und diskutiert wird. Denn Im Vergleich mit den europäischen Ländern eines steht fest: Den jüngsten Trend der Verbrau- schwächt diese Landesregierung die Wettbe- cher, Nahrungsmitteln - egal ob ökologisch oder werbsfähigkeit unserer Biolandbetriebe. Die Im- konventionell - wieder eine stärkere Wertschätzung porte steigen, was daran liegt - Herr Klein hat dar- entgegenzubringen und sich den Genuss von Le- auf hingewiesen -, dass andere europäische Län- bensmitteln wieder etwas kosten zu lassen, begrü- der ihre Umstellungsprämien drastisch erhöht ha- ße ich sehr. ben. Sie wittern zu Recht ihre Chance.

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(Norbert Böhlke [CDU]: Ich auch!) (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Man sieht es aber nicht. Der Boom am Biomarkt geht mit dem wirtschaftli- chen Aufschwung einher, den wir in Deutschland (Claus Johannßen [SPD]: Das ist aber erleben dürfen. Das sollten wir nicht vergessen. unparlamentarisch!) Das Vertrauen in die eigene Zukunft, aber auch das Vertrauen in die gesamtwirtschaftliche Situati- Geiz ist nicht mehr geil: Das gilt im Lebensmittel- on bei uns in Deutschland wächst. Noch nie war bereich für immer mehr Verbraucher, meine Da- das Konsumklima in Deutschland so günstig und men und Herren. Im Öko-Schweinebereich wird so gut wie heute. momentan ein Erlös von 2,85 Euro je Kilogramm erzielt - so lesen wir in der neuesten Ausgabe von (Zuruf von der CDU: Das stimmt!) LAND & FORST. Meine Damen und Herren, die Ökobranche boomt. Zweistellige Wachstumsraten So sagte Rolf Bürkel von der Gesellschaft für Kon- prägen den Markt, seit sich - dies ist die haupt- sumforschung sinngemäß heute Morgen im ARD sächliche Ursache - der Lebensmitteleinzelhandel, Morgenmagazin. Kurz gesagt: Seit die ideologisch die großen Ketten wie Edeka, REWE und Tengel- begründete grüne Agrarpolitik à la Künast und mann, diesen Markt mit Eigenmarken selbst er- Höhn durch eine vorausschauende behutsame schlossen haben. Discounter - Aldi, Norma, Plus - Agrarpolitik à la Heiner Ehlen ersetzt wurde, läuft sind dabei, ihr Ökosegment massiv zu erweitern. auch der Ökomarkt. Die Nachfrage - dabei stimmen wir überein - kann in vielen Marktsegmenten momentan nicht mehr (Stefan Wenzel [GRÜNE]: Da müssen befriedigt werden. Daher werden Ökowaren auch Sie ja selber grinsen!) importiert - auch das ist richtig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, staatliche Sub- Die Gewinne der landwirtschaftlichen Betriebe, die ventionen zum Anschieben, zum Initiieren von ökologisch produzieren, sind laut Agrarbericht Märkten können kurzfristig sicherlich sinnvoll sein. höher als bei ihren konventionell produzierenden Diesem Stadium ist der Ökomarkt aber schon Kolleginnen und Kollegen. Es wird sehr deutlich, längst entwachsen. dass dieser Ökomarkt schon jetzt funktioniert. Ei- (Zuruf von der SPD) nem knappen Angebot steht eine wachsende Nachfrage gegenüber. Eine Frage aber bleibt, lieber Kollege Johannßen: Wenn die Auftragssituation so hervorragend ist, Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Erfolgsge- wie Ihre Kollegin geschildert hat, warum denken schichte im Biobereich ist auch eine politische dann trotz dieser hervorragenden Ausgangssitua- Erfolgsgeschichte. Ich bin unserem Minister sehr tion, trotz dieses Marktpotenzials und trotz dieser dankbar dafür, dass er den Ökolandbau von An- Gewinnerwartung nur so wenige Landwirte über fang an immer wieder in den Fokus gerückt hat. eine Betriebsumstellung hin zu einer ökologischen Dies geschah durch Fachveranstaltungen, aber Landwirtschaft nach? auch rechtzeitig durch diese Beteiligung an der BioFach, die schon angesprochen worden ist. Dies (Zuruf von der SPD) geschah auch durch die Aktivitäten des Kompe- tenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen in Vis- - Ich habe auch das Recht, einige der Begründun- selhövede. Ökologische Landwirtschaft wurde Gott gen hier vorzutragen, ohne dass Sie ständig un- sei Dank aus der ideologischen Ecke geholt. terbrechen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Unternehmer wissen nämlich um die Gefahr von Überschussproduktion und Versorgungsengpäs- Für mich gibt es diesen Gegensatz zwischen öko- sen mit entsprechenden Preisreaktionen, gerade in logischer und konventioneller Landwirtschaft nicht. den kleinen Preissegmenten, in den Marktseg- menten, von denen wir nach wie vor reden, wenn (Rolf Meyer [SPD]: Das war auch man weiß, dass nur 3 % der gehandelten Ware Zeit!) Ökoware ist. Die Knappheit am Markt sorgt derzeit Beide sind den Konsumenten verpflichtet, und für gute Erzeugerpreise. beide müssen sich am Markt mit guten Produkten bewähren.

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Die Qualitätsstandards im Ernährungsbereich sind - Ideologische Scheuklappen kann ich nicht haben, bei uns in Deutschland häufig höher als im Aus- weil ich einen Ökobetrieb habe. - Die beste Unter- land. Dementsprechend sind die Produktionskos- stützung für Bio ist aber der Markt. ten in Deutschland je Einheit häufig wesentlich höher als bei den Wettbewerbern in Europa oder (Zuruf von der SPD: Es ist unglaub- darüber hinaus. Auch das ist ein Grund dafür, dass lich, was der da erzählt!) nur so wenige umstellen. Ich glaube, im vergange- Deshalb habe ich - vielleicht auch damit Sie zum nen Jahr waren es nur 40. Schweigen kommen - in einem Ökomarkt, in einem Auch in anderen Marktsegmenten der Landwirt- Bioladen in Hannover ein paar Äpfel besorgt. Ich schaft - ich nenne erneuerbare Energien, Getrei- habe genug mitgebracht. deanbau, Veredlung - eröffnen sich momentan (Friedrich Pörtner [CDU]: Gib Mein- auch gute Perspektiven für Unternehmer. Der hold einen!) Ökomarkt steht im Wettbewerb um Fläche, um Kapital, um Einheit und um Ideen. Ich habe so viele geknickte Gesichter auf der lin- ken Seite gesehen und so viele qualifizierte Äuße- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) rungen gehört, dass ein Apfel vielleicht gut tut. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, Nie- Ich danke Ihnen. dersachsen fördert Ökobetriebe in einer angemes- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) senen Art und Weise: zielorientiert, aber auch am Markt ausgerichtet. - Neben dieser Ackerprämie gibt es die zusätzliche Prämie von 137 Euro je Vizepräsidentin Silva Seeler: Hektar ab dem Zeitpunkt der Umstellung für unse- Frau Stief-Kreihe hat sich zu einer Kurzintervention re Ökobetriebe. Das wurde schon gesagt. Damit gemeldet. Frau Stief-Kreihe, Sie haben anderthalb bewegen wir uns in Deutschland im Mittelfeld. Minuten Redezeit. Ökobetriebe können aber auch darüber hinaus an weiteren Fördermaßnahmen teilnehmen. Das darf (Walter Meinhold [SPD]: Wo sind man nicht verschweigen. Ich nenne nur das Ag- denn die Äpfel?) rarinvestitionsförderprogramm. Wir von der CDU und der FDP werden nicht der Gefahr erliegen, Karin Stief-Kreihe (SPD): den Ökolandbau an den Tropf staatlicher Subven- tionen anzuschließen. Eine solche Abhängigkeit Herr Große Macke, bevor Sie hinausgehen und die hat noch nie langfristig zum Erfolg geführt. Äpfel holen - oder Sie haben sie schon hier -, muss ich ganz ehrlich sagen: Ich hatte damit gerechnet, (Beifall bei der CDU) dass Sie den Rückwärtsgang einlegen. Dass Sie aber gegen besseres Wissen und entgegen allen CDU und FDP trauen es den ökologisch wirt- Gesprächen, die wir auf der Messe geführt haben, schaftenden landwirtschaftlichen Unternehmerin- eine solche Rolle rückwärts machen, hätte ich nen und Unternehmern, trauen es den top- Ihnen nicht zugetraut. Von daher hat mich Ihre positionierten Unternehmen, die sich auf die Ver- Rede wirklich sehr enttäuscht. Sie sind wieder in edlung oder Vermarktung hochwertiger Ökopro- die Zeit der Großen Anfrage zurückgefallen, aus dukte spezialisiert haben, durchaus zu, ihre Zu- der ich vorhin zitiert habe, nämlich in den Septem- kunft maßgeblich selbst bewältigen zu können, am ber 2006, als der Minister erklärt hat, es gebe besten auch weiterhin mit zweistelligen Wachs- überhaupt keine Probleme im Ökolandbau. Genau tumsraten. so haben Sie auch geredet. Wollen Sie damit ei- gentlich sagen, dass die Aussteller und die Erzeu- Meine Damen und Herren, ein erfolgreicher Bio- ger, mit denen Sie sprechen können, alle lügen landbau in Niedersachsen ist gut für unser Land. oder nur hinter dem Geld her sind, weil sie unbe- Ideologische Scheuklappen haben wir nicht. dingt etwas abschöpfen wollen? (Zuruf von der SPD: Na, na, na! - (Glocke der Präsidentin) Walter Meinhold [SPD]: Was reden Sie da denn eigentlich immer?) Gerade Sie, Herr Große Macke, wissen ganz ge- nau: Die Probleme liegen in der Umstellung in den ersten zwei Jahren. Das können Sie auch nicht

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wegdiskutieren. Die Ökolandwirte benötigen Hilfe Vizepräsidentin Silva Seeler: und Unterstützung finanzieller Art. Der nächste Redner ist Herr Oetjen von der Frakti- Ich mache auch noch mit der weiteren Mär Schluss on der FDP. - das sagt auch das vorhin von mir zitierte Gut- achten aus -, dass der Ökolandbau stärker geför- Jan-Christoph Oetjen (FDP): dert wird als der konventionelle Bereich. Genau das wird in dem Gutachten widerlegt. Gleichzeitig Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen entkräftet die Studie die immer wieder öffentlich und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir vorgetragene Behauptung, der Biolandbau werde haben gerade schon gehört, dass der Biolandbau in Deutschland im Vergleich zur konventionellen auf einem guten Weg ist und die Unternehmen in Landwirtschaft bevorzugt. Niedersachsen sehr gut am Markt positioniert sind. Das muss man deutlich sagen. Auch Biolandbau bzw. Ökolandbau muss sich am Markt bewegen. Vizepräsidentin Silva Seeler: Wir haben gute Verarbeitungsorganisationen und Frau Stief-Kreihe, Ihre Redezeit ist abgelaufen! gute Handelsorganisationen in Niedersachsen, genau so wie wir gute Produzenten haben. Sie Karin Stief-Kreihe (SPD): müssen sich aber alle in ihrem eigenen Bereich bewähren. Deswegen kann man aus meiner Sicht Sie tragen diese Mär immer weiter. Ich hoffe - - - nicht sagen: „der Biolandbau insgesamt“, sondern müssen wir uns die Situation in den Teilbereichen Vizepräsidentin Silva Seeler: - Biogetreide, Biofleisch, Biomilch - angucken. Da gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze, die wir Ich muss jetzt das Mikrofon ausschalten. - Möch- auch unterschiedlich bewerten müssen. ten Sie antworten? - Herr Große Macke, Sie haben jetzt anderthalb Minuten Zeit. Zum Thema Flächen. Wir reden ja beispielsweise darüber, dass zur Herstellung von ökologischem Clemens Große Macke (CDU): Futtermittel nicht genügend ökologisch produzier- tes Getreide zur Verfügung steht. In Österreich Wenn man miteinander diskutiert, finde ich es z. B. wird mittlerweile zu 40 % konventionelles Ge- klasse, wenn Sie sagen: Kommen Sie mal zu treide eingemischt, und das Futtermittel darf sich Verstand! - Das haben schon so viele Leute ge- gleichwohl „Öko“ nennen. Ähnliches gilt für die sagt. Bislang hat es noch nicht funktioniert. Fleischproduktion.

Wenn wir fair miteinander umgehen wollen, wäre Wir müssen sehen, dass in allen Bereichen die es schön gewesen, wenn Sie zugegeben hätten, Flächen knapp sind. Dies gilt für die Veredelungs- Herr Klein, dass ich von Anfang an gesagt habe: betriebe genauso wie für die Betriebe der Bioener- Das bloße Auflegen einer Umstellungsprämie von gieproduktion. Deswegen kann man das aus mei- 130 Euro für 40 bis 50 ha - das sind 5 000 Euro - ner Sicht nicht einseitig sehen. sind im Vergleich zu den Investitionen, mit denen wir es heute zu tun haben, Peanuts. (Zustimmung von Ingrid Klopp [CDU])

Ich habe durchaus Interesse daran, den Ökoland- Zur Umstellungsprämie. Ich möchte das Ganze bau nach vorne zu bringen. Das habe ich Ihnen einmal mit Ihnen durchrechnen, Frau Kollegin. Ein auch gesagt, Herr Kollege Klein. Ich habe mit den Betrieb bekommt 255 Euro Flächenprämie. Wenn Ökoverbänden gesprochen. Ich bin selbst in einem er ökologisch wirtschaftet, kommen 137 Euro dazu. Naturlandverband organisiert. Diese Verbände Bei einem 40-ha-Betrieb wären das ungefähr haben mir gesagt: Wenn wir eure Ideen ansatz- 15 000 Euro. Die Umstellungsprämie würde 5 000 weise umsetzen, ist das ein Schritt in die richtige Euro im Jahr betragen. Bei einem 40-ha-Betrieb Richtung, dann können wir gut damit leben. - Ich würde sich das Gesamtprämienvolumen also von freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen. 15 000 auf 20 000 Euro erhöhen. Ich persönlich Aber zu sagen, ich solle zu Verstand kommen, war bin nicht davon überzeugt, dass das der Kick ist, ein bisschen primitiv. der die Betriebe veranlasst umzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

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(Zustimmung bei der FDP - Karin von Ländern fördern genauso wie Niedersachsen Stief-Kreihe [SPD]: Warum haben Sie mit 137 Euro im Rahmen der GAK. das ihnen nicht gesagt?) Lassen Sie uns im Ausschuss intensiv und an der Ich glaube vielmehr, dass wir in einem anderen Sache orientiert darüber beraten. Ich glaube Bereich ansetzen müssen. Wir müssen darüber durchaus, dass wir gemeinsam etwas für den informieren, welche Marktchancen im Bereich der Ökolandbau in Niedersachsen bewegen können. - Bioproduktion liegen; denn, meine Damen und Herzlichen Dank. Herren, die Verbraucherinnen und Verbraucher fragen Bio in den Supermärkten nach. Das Ange- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) bot wird angenommen. In manchen Supermärkten findet man nur noch Bioangebote. Im Biobereich Vizepräsidentin Silva Seeler: liegen also Marktchancen, die die Landwirte als Danke schön. - Zu einer Kurzintervention hat sich Unternehmer erkennen müssen. Das müssen wir Herr Klein gemeldet. Herr Klein, Sie haben andert- ihnen viel stärker deutlich machen. Hier müssen halb Minuten Redezeit. wir informieren. Hier brauchen wir das Kompetenz- zentrum Ökolandbau in Visselhövede, das in die- sem Bereich sehr gute Arbeit leistet. Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr (Zuruf von [GRÜNE]) Kollege Oetjen, man kann Brandenburg und das - Das liegt in meinem Wahlkreis, Frau Kollegin Saarland nennen. Man kann aber auch Mecklen- Polat. Glauben Sie mir, ich kenne die Arbeit des burg-Vorpommern nennen. Mecklenburg-Vorpom- Ökokompetenzzentrums, das wir finanziell solide mern steckt allein 10 % der Mittel für die ländliche ausgestattet haben. Ich bin der Meinung, dass wir Förderung in den Ökolandbau. Das ist ein gewalti- die Ökoarbeit dort noch stärker bündeln sollten. ger Betrag. Vergleichen Sie das einmal mit dem NAU in Niedersachsen! Das sind nur Bruchteile. Für Ihre Forderung, im Rahmen des AFP die An- forderungen des Ökolandbaus stärker zu berück- Ich möchte auf Ihr Rechenbeispiel mit den zusätz- sichtigen - z. B. bei der Schweinemast -, habe ich lichen 5 000 Euro jährlich kommen. Zum einen durchaus Sympathie. Wir haben einen Bedarf an glaube ich nicht, dass ein 40-ha-Betrieb bei den Ferkeln im konventionellen Bereich, wir müssen heutigen Wirtschaftsverhältnissen noch repräsen- Ferkel importieren. Deswegen ist in der einzelbe- tativ ist; zumindest für Niedersachsen dürfte er das trieblichen Förderung im konventionellen Bereich nicht sein. Gerade Ökobetriebe sind tendenziell das Augenmerk darauf gelegt worden, die Ferkel- größer. Wenn Sie den Betrag von 5 000 Euro ver- produktion - allerdings nicht die Mast - zu stärken. doppeln, sind Sie schon bei 10 000 Euro. Und Da es im Ökolandbau anders aussieht, kann ich wenn Sie sich dann vor Augen halten, dass die durchaus nachvollziehen, dass der Ansatz gewählt Gewinne der Betriebe laut Agrarstatistik im Jahr wird, auch Mastplätze im Ökolandbau zu fördern, durchschnittlich zwischen 30 000 und 40 000 Euro um die Marktchancen stärker aufzunehmen. Mein Gewinn liegen, dann erahnen Sie, wie bedeutend Ziel der Gleichbehandlung, also Öko nicht anders 10 000 Euro mehr für die sind. Damit können sie zu fördern als den konventionellen Bereich, ist hier nämlich die zwei Jahre überbrücken. Sie könnten ein Stück weit anders zu sehen, da wir auf beiden dafür sorgen, dass der Ertragsrückgang ausgegli- Märkten unterschiedliche Situationen haben. chen wird und dass zusätzliche Investitionen, die bei einer Umstellung auf ökologischen Landbau ja Hinsichtlich der Gesamtförderung in Niedersach- nicht so riesig sind, getätigt werden. Insofern sen haben Sie, Frau Kollegin Stief-Kreihe, gesagt, könnte das ein wesentlicher Beitrag dazu sein, die Niedersachsen fällt ab und ist Schlusslicht. Umstellungswilligkeit zu erhöhen.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Ich habe (Beifall bei den GRÜNEN und bei der „fällt ab“, nicht „Schlusslicht“ gesagt!) SPD)

Ich möchte Ihnen dazu sagen, dass es Länder gibt, die schlechtere Werte haben - ich habe von Bioland dazu eine Liste bekommen -, nämlich Brandenburg und das Saarland. Eine ganze Reihe

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Vizepräsidentin Silva Seeler: - Frau Stief-Kreihe, wenn Sie noch nicht einmal abkönnen, dass ich hier klarstelle, dass ich gesagt Herr Oetjen hat sich zu einer Kurzintervention ge- „fahrt doch mal zur BioFach und guckt euch das meldet. Herr Oetjen, auch Sie haben anderthalb an“, wenn Sie so ärmlich denken, dann tun Sie mir Minuten Redezeit. leid.

Jan-Christoph Oetjen (FDP): (Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wir sind also zur BioFach gefahren. Ich bin mitt- Klein, ich stimme Ihnen zu, dass es einzelne Län- lerweile zum fünften Mal dort gewesen und habe der gibt, in denen die Ökoförderung sehr hoch ist. damit das, was mein Vorgänger Uwe Bartels be- Mecklenburg-Vorpommern ist so ein Land. Nord- gonnen hat, fortgeführt. Dies zeigt, dass die Lan- rhein-Westfalen wäre als weiteres Beispiel zu nen- desregierung die Befindlichkeiten all derer, die sich nen. mit Ökoproduktion und Bioproduktion beschäfti- gen, sehr ernst nimmt. (Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Auch Bayern!) Meine Damen und Herren, in Niedersachsen wer- den ca. 65 000 ha nach den Richtlinien des ökolo- Aber letztlich herrscht die ganz klare Richtung vor, gischen Landbaus bewirtschaftet, von rund 1 200 dass die Länder im Rahmen der GAK fördern. Das Betrieben. Hinzu kommen noch etwa 750 Unter- tut also nicht nur Niedersachsen, sondern eine nehmen, die ökologische Lebensmittel verarbeiten breite Palette von Ländern fördert in dem gleichen oder vertreiben. Diese Zahlen sind positiv. Rahmen wie wir. Das ist - lassen Sie uns nicht über 5 Euro je Hektar streiten - relativ einheitlich. Herr Klein, Frau Stief-Kreihe, Sie haben gerade die Funktionärsebene vertreten. Die Kollegen Große Wenn Sie es nicht an der Summe, sondern an der Macke und Kollegen Oetjen haben hingegen die Prämie pro Hektar festmachen wollen, dann sind betriebliche Ebene vertreten, die sagt: Bleibt uns es mit der zusätzlichen Umstellungsprämie statt mit eurer Förderung vom Hals, wir wollen uns am 382 Euro 512 Euro. Markt behaupten!

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Die Betriebe (Beifall bei der FDP und bei der CDU) müssen sehen, dass die Chancen im Markt liegen. Sie dürfen ihre Entscheidung, ob sie umstellen Was die Höhe der Förderung angeht, sind hier oder nicht, von diesen zwei Jahren abhängig ma- einige Vorschläge gebetsmühlenartig wiederholt chen. worden. Dazu, meine Damen und Herren, darf ich nur daran erinnern - das habe ich hier aber auch (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schon einmal im Dezember gesagt -: In vielen Bundesländern wären die 137 Euro ganz weg ge- Vizepräsidentin Silva Seeler: wesen, wenn sich Niedersachsen nicht so sehr Danke. - Der nächste Redner ist Herr Minister dafür eingesetzt hätte, sie für weitere fünf Jahre Ehlen. beizubehalten. (Beifall bei der CDU) Hans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländli- chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Mein Staatssekretär, Herr Ripke, hat hier die Initia- Verbraucherschutz: tive ergriffen. Anders als Niedersachsen stehen anderen Bundesländern im jetzigen Förderzeit- Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! raum ja nicht mehr so viel EU-Mittel zur Verfügung Ich freue mich darüber, dass wir die beiden Anträ- wie im letzten Förderzeitraum; die meisten Länder ge heute hier beraten. Ich darf vorwegschicken: Ich müssen ihre Mittel um rund ein Drittel streichen, habe Sie seinerzeit zwar nicht zur BioFach tragen weil die EU-Förderung zurückgefahren worden ist. müssen, wenn ich das einmal so sagen darf, aber Deshalb haben - bis auf die reichen süddeutschen ich habe Sie zumindest ermutigt, dorthin zu fahren. Länder - fast alle anderen Länder diese Förderung gestrichen. Von daher findet die Diskussion gerade (Karin Stief-Kreihe [SPD]: Der Vor- auf einer völlig falschen Ebene statt. Niedersach- schlag kam von uns! Das ist im Proto- sen wird sich auch weiterhin für seine Bio- und koll nachzulesen!)

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Ökobetriebe einsetzen und sie in der Umstellungs- Vizepräsidentin Silva Seeler: phase begleiten. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- Ich möchte das, was Herr Große Macke und Herr neten Meyer? Oetjen hier richtigerweise schon gesagt haben, nicht wiederholen. Eine Verlängerung der An- Hans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländli- tragsfrist ist meiner Ansicht nach nicht notwendig. chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Man kann einen kompletten Betrieb nicht innerhalb Verbraucherschutz: einer sehr kurzen Zeit auf eine neue Schiene brin- gen. Dazu gehört nämlich auch, dass man sich Gerne. zuvor entsprechende Gedanken macht und Be- rechnungen über das Einkommen in der Umstel- Rolf Meyer (SPD): lungsphase und in der Zeit danach, in der also Herr Minister, aber Sie werden doch bestätigen, richtig für den Biomarkt produziert wird, anstellt. dass auf der BioFach fast jeder Standbetreiber Im Agrarinvestitionsförderprogramm werden für gesagt hat, dass es angesichts der großen Nach- jeden Landwirt in Niedersachsen die gleichen För- frage und des zu geringen Angebots an Biopro- derbedingungen dargestellt. Es gibt keine Extra- dukten hier in Niedersachsen dringend erforderlich dinge für den einen oder den anderen Bereich. wäre, dass mehr Betriebe ihre Produktion umstel- len. Für die Umstellungsphase - um die geht es Meine Damen und Herren, wir können feststellen hier - ist eine Kürzung der Beihilfe aber außeror- - darüber freuen wir uns auch -, dass Bionah- dentlich kontraproduktiv, weil in der Konsequenz rungsmittel heutzutage keine Nischenprodukte dann weniger Betriebe umstellen, als eigentlich mehr sind, sondern in den Supermärkten neben umstellen könnten. Was ist das Ergebnis? - Wir den konventionellen Nahrungsmitteln im gleichen importieren Lebensmittel nach Niedersachsen, um Kühlregal liegen. Wie wollen Sie eigentlich den die hier vorhandenen Bedürfnisse zu befriedigen. Verbrauchern klarmachen, dass das eine Produkt Das ist einem Agrarland Nummer eins, das Nie- gefördert wird - z. B. beim Schweinefleisch -, das dersachsen ja sein will, nicht angemessen. andere aber nicht? Gerade die Landwirte, die in der Veredelungsproduktion tätig sind, wollen sich Hans-Heinrich Ehlen, Minister für den ländli- am Markt orientieren und nicht am Tropf des chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Staates hängen, und zwar selbst dann nicht, wenn sie damit ihre Investitionen retten könnten. Verbraucherschutz: Herr Kollege Meyer, wir können uns die einzelnen Frau Stief-Kreihe, ich lasse mir meine Aktivitäten Stationen unseres Besuchs bei der BioFach gern im Rahmen der Werbung für den Bio- bzw. den noch einmal vor Augen führen. Ich war schon vor Ökolandbau von Ihnen und Ihren komischen und auch nach dieser Messe in vielen Betrieben. Wahrnehmungen nicht kaputtmachen. Erst letzte Woche war ich bei der Firma Petri, die (Beifall bei der CDU) diesen tollen Käse herstellt. Da muss man auch einmal fragen - in der Regel sind das ja Verarbeiter Der erste Betrieb, den ich in meiner Amtszeit be- oder Vermarkter -, was beim Bauern ankommt. Ich sucht habe, war ein Ökobetrieb. Ich habe sehr glaube, das ist der eigentliche Schlüssel. viele Freunde, die mich in meiner berechenbaren Politik für die niedersächsische Landwirtschaft Eine normale Ökoproduktion muss für ihre Pro- bestätigen. dukte um 30 % bis 50 % höhere Preise erzielen als ein konventioneller Betrieb. Der Markt in Deutsch- Meine Damen und Herren, wir haben in der mittel- land gibt aber nicht mehr als 20 % her. Das heißt, fristigen Finanzplanung weitere Mittel für die Fi- für den Landwirt, der seinen Betrieb umgestellt hat nanzierung der Werbung für den Ökolandbau ein- oder noch umstellen wird, wird die Marge so klein, gestellt. Aufgrund der aktuellen Haushaltslage dass er nach der Umstellung weniger verdient, als können wir dafür leider nicht mehr Mittel vorsehen, er zuvor als konventionell wirtschaftender Landwirt obwohl wir es gern tun würden. verdient hat.

Das Problem liegt darin, dass man sich auf die Ebene der großen Verbrauchermärkte begeben

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hat. Dort gilt dann für die Ökoprodukte genau das, (Beifall bei der FDP und bei der CDU - was auch für die konventionellen Produkte gilt. Rolf Meyer [SPD]: Das ist ja richtig! Auch dort wird - obwohl für die Ökoprodukte eine Aber die Kürzungen sind doch kont- höhere Wertigkeit verbucht werden kann, wie es raproduktiv!) der Kollege Große Macke gesagt hat - immer noch auf den Preis geguckt. Wenn der Preis für ein Vizepräsidentin Silva Seeler: Ökoprodukt um 20 % über dem Preis für ein kon- ventionelles Produkt liegt, bricht die Menge ein. Nächste Rednerin ist Frau Stief-Kreihe. Sie haben Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. noch eine Restredezeit von zwei Minuten und Diese Situation stellt für die Landwirte einen viel 20 Sekunden. größeren Hinderungsgrund dar als die Umstel- lungspauschale. Karin Stief-Kreihe (SPD):

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Herr Minister, mich macht wütend, dass Sie hier Schluss noch eines sagen. Wir haben eine Ten- ständig so tun, als wären Sie der Retter der Um- denz zum Markt. Die Leiter auch der Ökobetriebe stellungsprämie. Was Sie hier verbreiten, ist doch wollen den Markt. Sie haben insofern gelernt. Des- nun wirklich eine Mär. An anderer Stelle haben Sie halb tut die Politik meiner Meinung nach gut daran, davon gesprochen, dass man versucht hat, inner- dafür zu sorgen, dass Markt stattfindet und dass halb der norddeutschen Länder zu einer einheitli- die Betriebe ihre Ergebnisse aufgrund guter Akti- chen Prämienregelung zu kommen. Sie begründen vitäten auf dem Markt verbessern, statt - ich sage das immer damit, dass Schleswig-Holstein aus- es noch einmal - am Tropf des Staates hängen zu steigen wollte, und erklären Herr Ripke zum Retter müssen. - Danke schön. des Biolandbaus in den norddeutschen Ländern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Auch Sie könnten genauso wie Bayern selbstver- ständlich eine Bereitstellungsprämie von 190 Euro Vizepräsidentin Silva Seeler: pro Hektar zahlen. Auch Sie könnten genauso wie Sachsen selbstverständlich eine Umstellungsprä- Danke, Herr Ehlen. - Um zusätzliche Redezeit hat mie in Höhe von 262 Euro pro Hektar auflegen. Herr Oetjen gebeten. Herr Oetjen, Sie haben ein- Daran hindert Sie kein Mensch. einhalb Minuten. (Zuruf von der CDU: Doch, die Schul- den Niedersachsens!) Jan-Christoph Oetjen (FDP): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Da ich meine Deshalb sollten Sie hier nicht immer solche Dinge Antwort auf die Kurzintervention von Herrn Klein erzählen. nicht ganz zu Ende führen konnte, möchte ich jetzt Darüber hinaus - das habe ich bereits deutlich noch ein Argument anführen. gesagt - ist Niedersachsen im Gegensatz zu Bay- Die Umstellung eines Betriebes vom konventio- ern und anderen Ländern ein Land, das über die nellem auf ökologischen Landbau ist keine Ent- EU-Förderung nun wirklich am meisten Geld für scheidung, die man mal so schnell von jetzt auf diesen Zweck zur Verfügung hat. Von daher gleich trifft. Nein, das ist für eine Familie, die auf könnten Sie die Umstellungsprämien entsprechend einem landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftet, erhöhen. eine Entscheidung fürs Leben. Deshalb geht es (Beifall bei der SPD) aus meiner Sicht um viel mehr als um 137 Euro pro Hektar in zwei Jahren. Wenn wir wirklich wol- len, dass in Zukunft mehr Betriebe als bislang um- Vizepräsidentin Silva Seeler: stellen, dann müssen wir uns darüber Gedanken Herr Klein hat ebenfalls um zusätzliche Redezeit machen, wie wir diese Betriebe begleiten. In die- gebeten. Herr Klein, Sie haben eineinhalb Minuten. sem Zusammenhang geht es um mehr Informatio- nen darüber, welche Marktchancen diese Betriebe haben. - Das wollte ich an dieser Stelle noch ein- mal deutlich sagen. Herzlichen Dank.

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Hans-Jürgen Klein (GRÜNE): Finanzen befassen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich möchte die eineinhalb Minuten nutzen, um noch einmal kurz auf zwei Argumente einzugehen, Mit dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 34 soll die der Minister genannt hat. sich federführend der Ausschuss für den ländli- chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Das eine Argument ist: Wir wollen die Landwirte Verbraucherschutz und mitberatend der Umwelt- nicht an den staatlichen Tropf hängen. - Ich finde ausschuss befassen. Wer so beschließen möchte, dieses Argument etwas grotesk angesichts der den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so Tatsache, dass die europäische Landwirtschaft ihr beschlossen. Einkommen im Durchschnitt zu 50 % aus Direkt- zahlungen, also aus staatlichen Mitteln, bekommt. Jetzt hat sich Herr Minister Hirche zu Wort gemel- det. Herr Hirche, Sie haben das Wort. (Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Davon wollen wir doch gerade weg!) Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit Wir reden hier lediglich über eine zweijährige Um- und Verkehr: stellungsförderung. Das ist wirklich nur ein Peanut, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich und zwar auch für die niedersächsischen Finan- möchte Ihnen unter Bezug auf unsere gestrige zen, wenn man die EU-Mittel, die hier mit hinein- Debatte mitteilen, dass die Entscheidung über fließen, abrechnet. Es gäbe also überhaupt keine die Bauvergabe für den JadeWeserPort gefallen Schwierigkeit, das zu tun. ist. Der Aufsichtsrat hat in seiner heutigen Sitzung Das andere Argument ist das der Gleichbehand- dem Vergabevorschlag der Geschäftsleitung und lung. Hier erinnern Sie mich, Herr Minister, so ein des Vergabeteams einstimmig zugestimmt. bisschen an den Lehrer aus der Fabel mit dem (Beifall bei der FDP) Affen, dem Krokodil und der Maus. Der Lehrer sagt zu diesen drei Tieren: „Ich habt alle die gleiche Die internationale Bietergemeinschaft um das Un- Chance, meine Aufgabe zu erfüllen.“ Aber die Auf- ternehmen Hochtief soll den Auftrag für das größte gabe war: „Klettert auf einen Baum!“ - Herr Minis- Baulos für den Containertiefwasserhafen JadeWe- ter, genauso handeln Sie. serPort in Wilhelmshaven im Auftragswert von etwa 480 Millionen Euro erhalten. Dieses Baulos Sie müssen doch Unterschiedliches auch unter- umfasst u. a. die Errichtung der Kaje, die Aufspü- schiedlich behandeln. Sie können doch nicht ein- lung der Flächen und die Baggerarbeiten. fach alles über einen Kamm scheren. Wenn es doch schon so deutliche Unterschiede zwischen Diese Bietergemeinschaft hat das wirtschaftlichste konventioneller Landwirtschaft und Biolandwirt- wertbare Angebot abgegeben. Mitwettbewerber schaft - nicht nur Unterschiede, sondern geradezu war bis zuletzt eine Bietergemeinschaft um das Gegensätzlichkeiten - gibt, dann müssen Sie in der Unternehmen Bunte aus Papenburg. Die noch Förderung doch auch darauf reagieren. Alles an- beteiligten Bietergemeinschaften sind soeben über dere wäre unvernünftig. die Vergabeentscheidung informiert worden. Im Rahmen des Vergabeverfahrens beginnt damit (Beifall bei den GRÜNEN) eine 14-tägige Frist, in der unterlegene Bieter die Möglichkeit des Nachprüfungsantrages haben. Vizepräsidentin Silva Seeler: Nach Ablauf dieser Frist kann das Vergabeverfah- Weitere Wortmeldungen liegen mir jetzt nicht mehr ren für dieses Baulos mit der Auftragserteilung vor. beendet werden.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Ich denke, meine Damen und Herren, ich sollte Ihnen mit Bezug auf die gestrige Debatte dies hier Mit dem Antrag unter Tagesordnungspunkt 33 soll offiziell im Plenum mitteilen, damit Sie es nicht sich federführend der Ausschuss für den ländli- über Journalisten und Dritte erfahren. chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und mitberatend der Umwelt- (Beifall bei der FDP und bei der CDU ausschuss und der Ausschuss für Haushalt und sowie Zustimmung bei der SPD)

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Vizepräsidentin Silva Seeler: über dem sonstigen niedersächsischen Wachs- tumsdurchschnitt liegen, setzt diese Branche wich- Danke schön, Herr Hirche. Ich glaube, das ist für tige Impulse für zusätzliche Arbeitsplätze, immer uns alle eine gute Nachricht. neue Innovationen und nachhaltige Wertschöp- Wir kommen jetzt zu fung. Sie ist Innovationsmotor und Wachstumsbeschleu- niger für viele andere Branchen. Für diese Unter- Tagesordnungspunkt 35: nehmen ist Digitalisierung das Megathema und die Erste Beratung: Basis ihrer Arbeit. Ohne die Digitalisierung, die ein Chancen der Digitalisierung für Nieder- Hundertfaches an Geschwindigkeit, Qualität und Kapazität gegenüber analoger Technologie schafft, sachsens Informations- und Medienwirt- wären die rasanten Weiterentwicklungen und die schaft nutzen - Antrag der Fraktionen der Konvergenz, d. h. das Zusammenwachsen zuvor CDU und der FDP - Drs. 15/3709 getrennter Endgeräte zum Transport von Inhalten, gar nicht möglich. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kuhlo von der FDP-Fraktion. Frau Kuhlo, Sie haben das Wort. Nicht nur die Übertragungstechnik, sondern auch die medialen Endprodukte werden zunehmend Ulrike Kuhlo (FDP): digital. „Back to Gaya“ oder „Urmel aus dem Eis“ sind die beiden ersten komplett digitalen deut- Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und schen Kinofilme, und sie wurden eben nicht in Herren! Wer heute über den Medienstandort Nie- Berlin, in Hamburg oder in München, sondern in dersachsen spricht, der denkt normalerweise an Niedersachsen produziert. Rundfunk- und Fernsehunternehmen, an Sender und Sendeanstalten, an Filmfestivals, an Produkti- (Beifall bei der FDP und Zustimmung onsfirmen, an Dienstleister, vielleicht an die nord- bei der CDU) media, das Filmbüro und vielleicht noch an Ausbil- dungsstätten für medienpolitische Berufe. Wir den- Niedersachsen hat hier eine besondere Stärke und ken möglicherweise auch an Produktionen wie einen Vorsprung gegenüber anderen Bundeslän- „Das Wunder von Lengede“, „Rote Rosen“ oder dern, auf die wir uns konzentrieren und auf die wir auch an „Tatort“-Sendungen, die in Niedersachsen aufbauen sollten. Diese neuen durch die Digitali- spielen. sierung entstandenen Märkte müssen von nieder- sächsischen Unternehmen besetzt werden, solan- Rein medienpolitisch spielt der Standort Nieder- ge sie noch nicht komplett aufgeteilt sind. sachsen gemessen an der Bedeutung von Ham- burg, Berlin, Köln oder München dennoch eine Hier sind nicht nur viele niedersächsische Firmen eher bescheidene Rolle. Für Fernsehproduktionen erfolgreich unterwegs. Auch Universitäten und gibt es bei uns nur sehr wenige Nachfrager, und im Fachhochschulen des Landes an neuen Techno- klassischen Filmmarkt sind hohe Subventionen an logien, z. B. an Datenkompressionssystemen, an der Tagesordnung. neuer Settopbox-Technologie und an 3-D- Technologie. Deshalb ist es auch kein Geheimnis, dass Hanno- ver medienpolitisch gesehen in absehbarer Zeit Die Koalitionsfraktionen von FDP und CDU wollen keine ernsthafte Konkurrenz für München oder diese Entwicklungs- und Wachstumschancen für Köln sein wird. Wenn man den Begriff Medien- Niedersachsen noch besser nutzen und bitten die standort aber etwas weiter fasst und ihn in Rich- Landesregierung, die wirtschaftlichen Rahmenbe- tung Medienwirtschaft öffnet, dann findet man in dingungen für diese innovativen und herausragen- Niedersachsen mehr als 1 000 Unternehmen aus den Unternehmen sowie für die Hochschulen noch allen Tätigkeitsfeldern der Medienbranche. Der weiter zu verbessern. Wir haben in Niedersachsen Kollege Pörtner wird darauf im Einzelnen noch wichtige Leuchttürme. Das zeigt auch die vor ein eingehen. paar Wochen angelaufene Innovations- und Imagekampagne, die das Wirtschaftsministerium Knapp 4 % aller Unternehmen in unserem Land gemeinsam mit der niedersächsischen Wirtschaft sind in der Medien- und IT-Branche tätig. Mit unter dem Slogan „Sie kennen unsere Pferde - er- Wachstumsraten zwischen 7 und 8 %, die weit

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leben Sie unsere Stärken“ gestartet hat. Die Devi- hinter diesen Schlagwörtern verbirgt, zu verdeutli- se heißt also „Stärken stärken“. chen. Inzwischen dürfte aber allen Akteuren - den Medienpolitikern, den Nutzern und der Medienwirt- Ziel unseres Antrages ist es, die guten Wachs- schaftsbranche selbst - klar sein, dass wir bereits tumsraten der niedersächsischen Informations- mitten in der digitalen Revolution sind. und Medienwirtschaft mindestens auf die bundes- durchschnittliche Größe von 13 % zu steigern. So gehen die international anerkannten Medienex- Dazu halten wir es für erforderlich, dass alle Kräfte perten davon aus, dass die Digitalisierung die und Aktionen in einer Landesinitiative gebündelt größte Veränderung seit der Einführung des Privat- werden, um so europaweit an Bedeutung gewin- rundfunks darstellt und sie die Medien- und Infor- nen und Standortvorteile besser kommunizieren zu mationslandschaft nachhaltiger als alle Verände- können. rungen der vergangenen 50 Jahre verändern wird. Wie dem auch sei, fest steht, dass die durch die Vorhandene regionale Netzwerke wie etwa in Digitalisierung realisierbaren Möglichkeiten nicht Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hildesheim, mehr nur theoretischer Natur sind. Neue Angebote Osnabrück oder auch im Emsland oder im Bereich drängen auf den Markt, vorhandene Strukturen Lüneburg müssen gestärkt werden. Mittel der Wirt- werden aufgebrochen, und neue Geschäftsmo- schaftsförderung und Finanzhilfen müssen für die delle werden ersonnen und machbar. Klar ist auch: mittelständischen Unternehmen der IT- und Me- Nur wer sich diesem neuen Umfeld anpasst und dienbranche mit besonders aussichtsreichen Ge- dessen Möglichkeiten nutzt, wird als Unternehmen schäftsmodellen leichter zugänglich gemacht wer- in der Medien- und Informationsbranche in Zukunft den. bestehen können.

Niedersächsische Banken und Sparkassen sollen Hier muss - so meinen wir von der Union - eine für die speziellen finanztechnischen Belange die- sinnvolle und zielorientierte niedersächsische Lan- ser jungen Branche besonders sensibilisiert wer- despolitik ansetzen. Denn über eines sollten wir den. Hierzu gehören z. B. verfeinerte Instrumenta- uns von vornherein im Klaren sein - Frau Kollegin rien zur Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter Kuhlo hat es eben schon gesagt; sicherlich wir alle und die mittelfristige bilanzrechtliche Gleichstellung sind dieser Meinung -: Es wird nach Lage der Din- von herkömmlicher industrieller Produktion mit ge leider Fiktion bleiben müssen, im Wettkampf mit modernen wissensbasierten Dienstleistungen. den herkömmlichen Medienstandorten Berlin, Hamburg, München und Köln als Sieger vom Platz Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion sieht zu gehen. Dazu sind die Rahmenbedingungen zu der Diskussion im Ausschuss mit großem Interes- unterschiedlich. Sie sind für Niedersachsen nicht se entgegen, insbesondere auch deshalb, weil ich so günstig, wie es an den genannten anderen heute im rundblick gelesen habe, dass das neue Standorten der Fall ist. Thesenpapier der SPD zum Wirtschaftsbereich auch einen Schwerpunkt hat, der da lautet „Stär- Das soll aber beileibe nicht heißen, dass es in ken stärken“. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksam- Niedersachsen in der letzten Zeit hinsichtlich der keit. Wertigkeit des Medienstandortes keine sichtbaren Erfolge gegeben hätte. Mit Recht - so meinen wir - (Beifall bei der FDP) kann behauptet werden, dass der Medienstandort Niedersachsen besser ist als sein vermeintlicher Vizepräsidentin Silva Seeler: Ruf. Die Film- und TV-Erfolge seit 2003, Nächster Redner ist Herr Pörtner von der CDU- (Lachen von Ralf Briese [GRÜNE]) Fraktion. z. B. „Das Wunder von Lengede“, „Im Schatten der Friedrich Pörtner (CDU): Macht“ und „Gegen die Wand“, haben deutlich gezeigt, was in unserem Land oder mit nieder- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen sächsischer Hilfe möglich ist. Deshalb kann mit und Herren! Jahrelang waren die Digitalisierung Fug und Recht gesagt werden: Die Instrumente für und, damit einhergehend, die Konvergenz der die Film- und Fernsehförderung in Niedersachsen Medien eher abstrakte Gegenstände der medien- beginnen spürbar zu greifen, Herr Kollege Briese, politischen Diskussion. Manch einem fiel es und müssen weiter eingesetzt und, wenn möglich, schwer, sich den praktischen Nutzen, der sich

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finanziell verstärkt werden. Denn diese Produktio- gefallen. Wir können uns glücklich schätzen, ihn zu nen tragen wesentlich dazu bei, den Beschäfti- den niedersächsischen Wissenschaftlern zählen zu gungsgrad in der Medienwirtschaft effektiver und können. Professor Dr. Reimers ist weltweiter Vor- erfolgreicher zu gestalten. reiter bei der Normierung für die digitale Übertra- gung in Netzen, z. B. im Festnetz und im Funknetz. Dennoch bleibt festzuhalten, wie in der Begrün- dung zu diesem Antrag richtig ausgeführt wird, Zweitens. Auch die TU Hannover hat in Professor dass der Medienwirtschaftsbereich der IuK- Dr. Musmann einen Wissenschaftler, der auf Welt- Technik, der IuK-Dienstleistungen, der Telekom- niveau an dem Thema der Datenkompression munikationsdienstleistungen und der Inhaltean- arbeitet. bieter als Querschnittsbranche zu einem exempla- rischen Innovationsantreiber für andere hochwerti- Drittens gibt es eine große Zahl von niedersächsi- ge Technologiebereiche werden wird. Erwähnt schen Hardwareunternehmen, u. a. - das ist nur seien die Lasertechnik, die Medizin und die Ener- ein kleiner Auszug - die DVS Digital Video Sys- gie, die entscheidend von den Innovationen im tems GmbH, die Firma MonA, Picturesafe Media IuK-Bereich profitieren werden. und Tele Columbus, die auf Weltniveau den Trend von analog zu digital umsetzen. Dies schlägt sich Entsprechend werden auch die ökonomischen betriebs- und volkswirtschaftlich sehr positiv nie- Wachstumspotenziale einzuschätzen sein. Aus der. den offiziellen Statistiken für diesen Bereich kann abgelesen werden, dass wir auf Bundesebene Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre es eine diesbezügliche Steigerungsquote von über politisch opportun und aus technologischen und 13 % in den Jahren 2000 bis 2004 hatten, was als arbeitsmarktpolitischen Überlegungen heraus aus signifikant und beispielgebend für die gesamtwirt- unserer Sicht sehr zu begrüßen, wenn sich der schaftliche Situation angesehen werden kann, Niedersächsische Landtag in Gänze wohlwollend dass diese Wachstumsrate in Niedersachsen hin- der Bitten und Forderungen annähme, die hinter gegen - Frau Kollegin Kuhlo hat es schon er- den sechs Spiegelstrichen des Entschließungsan- wähnt - bei 7,5 % liegt. Das ist in der Tat verbesse- trages deutlich und unmissverständlich formuliert rungswürdig. Aber wichtig ist auch, darauf hinzu- worden sind. Alle diese Forderungen tragen effek- weisen, dass diese Zahl erheblich über dem tiv dazu bei, im Zukunftsfeld der Digitalisierung den Durchschnitt der niedersächsischen Gesamtwirt- Beschäftigungsgrad, die Unternehmensdichte und schaft liegt. die Kooperation weiter zu erhöhen und Gründun- gen und Transfers aus Universitäten zu verstärken. Deshalb liegt es nahe, hier politisch den Hebel Das gilt sowohl für die nationale Ebene als auch anzusetzen. Denn wir werden mit Sicherheit davon vor allem für die niedersächsische Medienwirt- ausgehen können, dass die analogen durch digi- schaft. Wir alle hier im Landtag sind deshalb dazu tale Prozesse abgelöst werden, und zwar auf allen aufgerufen, die Kräfte zu bündeln und die Aktionen Ebenen der Wertschöpfungskette. Hier liegt die voranzutreiben, die Niedersachsen medienwirt- große Chance für unser Bundesland, für Nieder- schaftlich, investitionspolitisch und zugleich öko- sachsen, technologisch und arbeitsmarktpolitisch nomisch voranbringen, im Interesse aller hier le- Terrain zu gewinnen. Denn die diesbezüglichen benden Menschen. - Danke schön. Märkte sind noch nicht besetzt, und niedersächsi- sche Ausbildungsstätten bzw. vorwiegend mittel- (Beifall bei der CDU und bei der FDP) ständische Unternehmer aus Niedersachsen ha- ben bei einer entsprechenden Unterstützung sehr Vizepräsidentin Silva Seeler: gute Chancen, im nationalen und internationalen Nächste Rednerin ist jetzt Frau Wiegel von der Wettbewerb Pflöcke einzuschlagen und sich so- SPD-Fraktion. wohl technologisch als auch ökonomisch bei den digitalen Produktionstechniken auf allen Ebenen durchzusetzen. Es sei mir gestattet, diese These Amei Wiegel (SPD): anhand von drei Beispielen zu konkretisieren. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kuhlo und Herr Pörtner, ich muss Ihnen ein Erstens. Schon sehr häufig ist bei medienpoliti- Geständnis machen: schen Diskussionen im Landtag der Name Profes- sor Dr. Ulrich Reimers von der TU Braunschweig

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(Zuruf von der CDU: Jetzt sind wir (Beifall bei der SPD) aber gespannt!) Aber es soll ja nie zu spät sein. Wir wollen uns Als ich diesen Antrag las, bekam ich richtig Kopf- aufmachen und das verbessern. schmerzen. Dann habe ich ihn noch einmal und noch einmal gelesen. Dann suche ich nach den konkreten Beispielen, nach den konkreten Wegen, wie wir das verbes- (Bernd Althusmann [CDU]: Dann ist sern wollen. Gucken wir uns die sechs Spiegelstri- es immer stärker geworden! Sie ha- che an! Interessant ist z. B., dass davor steht, der ben nicht nachgelassen!) Landtag wolle die Landesregierung „bitten“. Ich dachte erst, das sei eine Art von Höflichkeit, dass Es tut mir leid. Ich zermartere mir den Kopf, und nicht mehr gesagt wird, man möge beschließen, ich frage mich: Was soll dieser Antrag, liebe Kolle- die Landesregierung aufzufordern. Nein, es wird ginnen und Kollegen von der CDU? „gebeten“. Ich weiß auch warum, nämlich weil alles so unverbindlich und unkonkret ist, dass man nur (Beifall bei der SPD und bei den „bitte, bitte“ machen, aber keine Forderungen auf- GRÜNEN - Ernst-August Hoppen- stellen kann. brock [CDU]: Das hat er doch gerade gesagt!) (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN) Wer hat Ihnen das aufgeschrieben? - Ich komme damit nicht klar. Ich sagen Ihnen auch, warum. Ich Die Aussage unter dem ersten Spiegelstrich kann habe selten einen Antrag erlebt, der so viel ich noch nachvollziehen. Dort steht: Wir wollen die Dampfplauderei und so viel Unverbindliches zu- vorhandenen Kompetenzen zusammenfassen. - sammenträgt wie dieser Antrag. Das nenne ich Clusterbildung. Mir ist zur Ohren gekommen, dass es nach sage und schreibe vier (Beifall bei der SPD - Bernd Althus- Jahren Arbeit im FDP-Ministerium nun zu einer mann [CDU]: Unerhört!) Clustervereinbarung kommt. Das ist klasse. Dazu Wissen Sie, wie ich das nenne? - Das nenne ich kann ich nur sagen, dass das ein prima Ding ist. Zeitklauerei. Zugleich muss ich aber sagen, dass es ganz schön lange gedauert hat. Eigentlich ist dies eine Sache (Beifall bei der SPD und bei den der Verwaltung und eine klassische Dienstleistung GRÜNEN) für den Bereich der Wirtschaftsförderung. Das muss meines Erachtens ein bisschen schneller Ich kann es ein bisschen konkreter machen. Zu- gehen. nächst wird die Erkenntnis bekannt gegeben, dass es in Niedersachsen eine Medienwirtschaft gibt (Beifall bei der SPD)

(Heiner Bartling [SPD]: Geil, ey!) Was unter den folgenden fünf Spiegelstrichen steht, ist wirklich nur noch Dampfplauderei. Da und dass die Medienwirtschaft boomt. Aber gleich wird gesagt: Wir wollen die Unternehmen unter- wird die zweite Erkenntnis nachgeschoben, dass stützen. - Das ist eine tolle Sache. Sie sagen aber sie in Niedersachsen nicht so richtig boomt. nicht, wie Sie die Unternehmen unterstützen wol- (Bernd Althusmann [CDU]: Das len. Es heißt dort: Wir wollen sie vernetzen. - stimmt doch gar nicht!) Okay. - Wir wollen Standortmarketing machen. - Okay. - Können Sie uns einmal sagen, mit wel- Denn sie boomt nur halb so stark wie im gesamten chem Geld Sie dies tun wollen? Wie wäre es denn, Bundesgebiet. wenn Sie in diesem Zusammenhang einmal das Stichwort „Innovationsfonds“ ins Gespräch brin- (Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: gen? - Soll ich Ihnen einmal sagen, wie viel für die Das stimmt doch überhaupt nicht! Sie Zwecke, die Sie hier ansprechen, bei der nordme- haben nicht aufgepasst!) dia ausgegeben werden kann? - Die nordmedia verfügt über 10 Millionen Euro. Ihr Schwerpunkt ist Das heißt, man gibt zur Kenntnis, dass man hier in die Filmförderung. Für das, was Sie hier wollen, den letzten vier Jahren eigentlich ziemlich gepennt nämlich für HDT und technische Verbesserungen, hat. sind in den letzten zwei Jahren sage und schreibe

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50 000 Euro ausgegeben worden. Mehr kann die gezogen werden als aus der gesamten Filmwirt- nordmedia dafür nicht ausgeben. schaft. Es wäre schön, wenn man heute endlich einmal dazu käme, sachlich über die Entwick- Ich bitte Sie ganz herzlich: Sagen Sie, was Sie hier lungsmöglichkeiten von Computerspielherstellern an Butter bei die Fische geben wollen. Nehmen zu diskutieren, die es übrigens auch hier in Nieder- Sie uns nicht die Zeit, indem Sie hier nur um das sachsen gibt. Zarte Pflänzchen sind hier schon herumplaudern, was Sie tun wollen. vorhanden. Das wäre immerhin ein konkreter Hin- weis auf das, was in Niedersachsen stattfindet. (Beifall bei der SPD) (Friedrich Pörtner [CDU]: Warum ha- Sie berufen sich des Weiteren auf Unternehmen, ben Sie das nicht früher gemacht? Sie die in der technischen Entwicklung bereits weit mosern hier nur herum!) vorne sind und weltweit agieren. Das ist toll. Den Unternehmen ist dies aber offensichtlich ohne - So geht es ja nun nicht! Wenn Sie in diesem Be- Unterstützung des Wirtschaftsministeriums gelun- reich bisher nichts getan haben, Herr Pörtner, gen. Sonst hätten Sie ja ausweisen können, was dann halten Sie doch den Mund, und bringen Sie Sie für diese Unternehmen bisher getan haben. hier nicht einen solchen Antrag ein!

Das Tollste sind die letzten drei Spiegelstriche. Es (Beifall bei der SPD und Zustimmung heißt dort, man möge mit den Banken reden, damit bei den GRÜNEN) die Unternehmen bessere Finanzierungsmöglich- keiten bekommen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich hoffe, ich höre dann, was Sie dieser Landesre- Solange ich in die Kreativwirtschaft hineinhöre, gierung an konkreten Maßnahmen ins Buch solange ich innovative Betriebe besuche, höre ich schreiben und wo nun endlich etwas passiert. Ich dort: Die Risikofinanzierung stimmt nicht. Die Ban- habe gehört, dass der Hebel angesetzt werden ken geben uns das Geld nicht, weil wir keine mate- müsse. Wunderbar! Ich kann nur sagen: Es ist riellen Gegenwerte zu bieten haben. - Dort liegt höchste Zeit. Packen Sie es bitte an! also etwas im Argen. Angesichts dessen ist es doch schön, dass Sie aufschreiben, man möge (Beifall bei der SPD) einen Dialog führen. Meine Damen und Herren, wo sind wir hier eigentlich? Vizepräsidentin Silva Seeler: (Beifall bei der SPD und bei den Jetzt wird sich Herr Briese von der Fraktion Bünd- GRÜNEN - Heiner Bartling [SPD]: Im nis 90/Die Grünen zu diesem Thema äußern. Niedersächsischen Landtag!) Ralf Briese (GRÜNE): - Ja, im Landtag. Sie haben recht. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich Gucken Sie doch einmal nach rechts und links. Es bin eigentlich nicht dafür bekannt, dass ich Anträge gibt Bundesländer, die sich längst auf den Weg der Regierungsfraktionen in Bausch und Bogen gemacht haben. In Berlin, Brandenburg und Ham- ablehne, sondern ich gucke sie mir sehr genau an burg hat man längst begriffen, was für ein Ent- und versuche dann, mir eine konstruktive Meinung wicklungspotenzial es in diesem Wirtschaftszweig zu bilden. Meine sehr verehrten Damen und Her- gibt. Ich nenne hier das Beispiel der Computer- ren, ich finde aber, in großen Teilen muss man spiele, Games genannt. Leider ist dieses Thema meiner Vorrednerin Frau Wiegel recht geben. Der nur von unserem Innenminister besetzt, der sich Antrag ist tatsächlich eine ziemliche Ansammlung allerdings nur auf den sehr geringen Teil der Pro- von überflüssigen Plattitüden. Das gehört zur duktion gewalthaltiger Computerspiele bezieht, Wahrheit dazu. Auch ich habe lange gebraucht, obwohl dieser Anteil weniger als 10 % der gesam- um zu verstehen, was Sie überhaupt wollen. Das, ten Computerspielproduktion ausmacht. In Bezug was Sie wollen, untermauern Sie konkret über- auf diesen Anteil artikuliert der Innenminister ziem- haupt nicht. Ich habe mich wirklich gefragt, was lich krawallige Forderungen. Ich kann Ihnen sagen, aus der Partei Ludwig Erhards geworden ist. In dass 90 % der produzierten Computerspiele ge- den letzten Tagen haben wir aber gelernt, dass der waltlos sind. Ich kann Ihnen auch sagen, dass aus Mann gar nicht Mitglied der CDU war. Insofern den Computerspielen heute weltweit mehr Profite passt dieser Antrag dann vielleicht doch wieder.

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(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- durch die Landesregierung vorantreiben muss NEN und bei der SPD) oder ob die Unternehmen dies nicht selber tun können. Es ist ziemlich viel Staatsinterventionismus, was Sie hier fordern. Es ist ziemlich viel Subventions- Unter dem zweiten Spiegelstrich wird gefordert, die politik, was Sie hier fordern. Es ist eine ziemlich Unternehmen und Universitäten besser zu unter- starke Einflussnahme durch die Ministerialbürokra- stützen. Auch wir wollen die Unternehmen und die tie auf die Unternehmen, was Sie hier fordern. Universitäten besser unterstützen. Aber die Uni- Angesichts dessen frage ich mich schon, ob das versitäten müssen sich heute noch vom nieder- überhaupt in Ihre Programmatik hineinpasst. sächsischen HOK erholen. Erst einmal haben Sie ihnen viel Geld weggenommen und jetzt sagen Es ist gar keine Frage, dass die Digitalisierung zu Sie, Sie wollten sie besser fördern. Ich mache den sehr spannenden Entwicklungen in unserer Ihnen einen Vorschlag dazu, wie wir richtig gute Gesellschaft gehört. In dieser Sache gibt es gar Universitätspolitik und Förderpolitik betreiben kön- keinen Dissens. Die Entwicklung in diesem Bereich nen. Nehmen Sie die ganzen Wirtschaftssubventi- ist aber teilweise so dynamisch und so schnell, onen weg. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchun- dass große Teile der Bevölkerung gar nicht mehr gen, die besagen, dass man damit nur Mitnahme- hinterherkommen. Es gibt in diesem Bereich kurz- effekte produziert. Geben Sie diese Mittel direkt fristige Innovationszyklen, einen sehr scharfen den Universitäten. Das wäre etwas Vernünftiges. Wettbewerb und unglaublich dynamische Verände- rungen, die sich, wie gesagt, teilweise so schnell Des Weiteren wird ein Standortmarketing gefor- vollziehen, dass große Teile der Bevölkerung sie dert. Dazu haben wir jetzt schon eine teure Kam- gar nicht mehr nachvollziehen können. Es gab in pagne. Das brauchen wir nicht zu machen. den letzten Jahren auf diesem Markt teilweise eine unglaubliche Überhitzung. Auch das müssen Sie Etwas ganz Innovatives findet sich in dem Antrag ehrlicherweise einmal sagen. Wie war die Situation unter dem vierten Spiegelstrich. Finanzierungshil- denn zur Jahrtausendwende? - Damals gab es fen sollen an das Geschäftsmodell gekoppelt wer- eine derart starke Überhitzung in Bezug auf die den. Mein lieber Scholli, habe ich mir gedacht, wie ganze Internetblase, dass es zu einem riesigen soll es auch anders sein? - Es wäre traurig, wenn Börsencrash kam. Es kam zu einer Zerstörung von jemand ein völlig aberwitziges Geschäftsmodell Aktienkultur, von der sich das Land bis heute noch vorlegen und dann die Finanzierung einfordern nicht erholt hat. Dazu ist es gekommen, weil viele würde. Leute gesagt haben: Betriebswirtschaftliche Fun- Was unter dem sechsten Spiegelstrich steht, müs- damentaldaten müssen wir nicht mehr ernst neh- sen Sie im Ausschuss erläutern. Das habe ich men. Eigenkapital oder Cashflow spielen über- überhaupt nicht verstanden. haupt keine Rolle mehr. Es spielten nur noch Fan- tasie und Kreativität in Bezug auf die Börsenwerte Ich fasse zusammen, was in dieser Legislaturperi- eine Rolle. - Dazu kann ich nur sagen: Es war sehr ode in Bezug auf Digitalisierung und Förderung ungesund, was damals stattgefunden hat. Auch passiert ist. Sie haben der nordmedia eine Menge das muss man ehrlicherweise einmal reflektieren, Geld genommen. Das ist zunächst einmal ein Fakt. wenn man hier einen solchen Antrag einbringt. Dann hat sich der Ministerpräsident dieses Landes Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichts - das haben nicht besonders viele Leute mitge- gegen Digitalisierung, aber eine so unreflektierte kriegt - für die sogenannte Softwarepatentrichtlinie Jubelarie, wie Sie sie hier angestimmt haben, ist in der EU eingesetzt. Die Patentierung von Soft- fehl am Platze. ware wurde massiv vom niedersächsischen Mit- telstand kritisiert. Das ist ein sehr großes und ge- Ich will nun noch etwas zu einigen Punkten Ihres fährliches Thema, weil man durch die Patentierung Antrages sagen. Wir können die einzelnen Punkte das sehr wichtige Produkt der Software verknappt. der Reihe nach durchgehen. Zum Teil hat das Frau Das wurde vom Mittelstand deutlich kritisiert. Wiegel schon getan.

Unter dem ersten Spiegelstrich steht, dass Net- Vizepräsidentin Silva Seeler: working und Clusterbildung praktiziert werden sol- Herr Briese, über den Rest müssen wir im Aus- len. Erstens wird dies schon praktiziert. Zweitens schuss diskutieren. ist die große Frage, ob man einen solchen Prozess

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Ralf Briese (GRÜNE): Daher müssen wir uns in Zukunft darüber unter- halten, wie die Förderung dieser Entwicklung un- Dann haben wir das Phänomen gehabt - - - terstützt werden kann. Wir dürfen - hierbei stimme ich Ihnen zu - die Diskussion nicht einseitig auf Vizepräsidentin Silva Seeler: einen kleinen Teilbereich verengen. Wenn man Herr Briese, haben Sie das eben verstanden? Sie hier Politik machen will, geht es auch darum, die setzen sich jetzt hin! Beschäftigungsmöglichkeiten und die Technologie zu verbessern. Dazu bieten sich zwei große Felder (Die Präsidentin schaltet dem Redner an. das Mikrofon ab - Beifall bei den GRÜNEN) Das Erste ist in der Tat - wie immer Sie es be- zeichnen wollen; im Antrag heißt es richtigerweise Herr Hirche, Sie haben das Wort. Vernetzung - die Vernetzung der Unternehmen. Die Branche sagt selbst, dass ihr geholfen würde, Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit wenn man mehr Möglichkeiten zur Zusammenar- und Verkehr: beit eröffnete, wie dies auch in Initiativen anderer Länder der Fall ist. Deshalb wollen wir uns auf Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vorab dieses Thema konzentrieren, wie wir es bei der weise ich darauf hin, dass Folgendes schon ei- Telematik, der Logistik und dem Bereich E-Health genartig war: Frau Wiegel hat gesagt, der Antrag gemacht haben. Dies muss Schritt für Schritt erfol- sei nichts als heiße Luft, während Herr Briese ge- gen; man kann nicht alles gleichzeitig machen. Da äußert hat, der Antrag enthalte sehr viel Staatsin- die Vorgängerregierung gar nichts getan hat, kön- terventionismus, was ganz schlimm sei. In dem nen wir hier nur Schritt für Schritt vorgehen. Antrag muss also doch etwas stehen, wenn man ihn so unterschiedlich interpretieren kann. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Hinblick auf den Ausgangspunkt sind wir uns Das Zweite ist die Finanzierung. Ihre Bemerkung, sicherlich einig: Die Digitalisierung schreitet in allen Herr Briese, zu Punkt 6 des Antrags habe ich nicht Wirtschaftsbereichen ungeheuer fort. Der Bitkom verstanden. Hierbei wird etwas ganz Wichtiges als Verband der Branche hat auf der CeBIT ein angesprochen, was Frau Wiegel, Frau Kuhlo und Wachstum von 6,5 % vorausgesagt. Wenn man Herr Pörtner schon genannt haben: die Sicherung sieht, dass der elektronische Handel zwischen den der Finanzierung im Zusammenhang mit Banken. Unternehmen allein im letzten Jahr um 36 % und In diesem Bereich gibt es bis heute in der ganzen der private E-Commerce um sogar 44 % gestiegen Bundesrepublik keine ausreichenden Lösungen, sind, dann weiß man, wie die Entwicklung hier vor weil Banken mit Erfahrung hinterlegte Geschäfts- sich geht. Natürlich gibt es da auch neue Geräte; modelle, bei denen sich das Vermögen der Firmen es geht um Arbeitsplätze, Qualifikationen usw. auf Beton oder Maschinen gründet, positiver be- urteilen als Geschäftsmodelle, bei denen sich das Ich halte hier noch einmal Folgendes fest - dies ist Vermögen auf den Grips der Gründer und auf Ent- in der Regierungskoalition auch nicht streitig -: Der wicklungen gründet, die zwar auch teure Maschi- Markt wird diese Entwicklung natürlich selber nen erfordern, aber insbesondere Softwareent- meistern. Aber es gibt gleichzeitig ein Zeitfenster, wicklung bedeuten. Hier müssen wir uns vorneh- in dem die Politik die Rahmenbedingungen besser men, Herr Briese, den Dialog zu einem Ergebnis gestalten kann. Dies wird immer so sein. Die bei- zu führen, was die Vorgängerregierung ebenfalls den erfolgreichsten Computerfilme der letzten Jah- nicht geschafft hat. Dies ist in diesem Fall kein re, nämlich „Urmel aus dem Eis“ und „Gaya“ - dies Vorwurf, sondern eine schlichte Feststellung, weil ist bereits gesagt worden -, sind weitgehend in dies in der ganzen Bundesrepublik noch nicht Hannover entstanden. Hier sind die Voraussetzun- funktioniert. Ich bin nicht sicher, dass wir diesen gen und Bedingungen geschaffen worden. Herr Dialog in einem oder zwei Jahren hinbekommen Briese oder Frau Wiegel haben die Compu- werden, weil das Problem bis hin zu bilanzrechtli- terspieleentwicklung angesprochen. Hannover chen Fragen reicht. Gleichwohl muss dieser Dialog steht bei dieser Entwicklung nach Berlin auf dem zu einem positiven Ergebnis führen. Denn unsere zweiten Platz in Deutschland. Gesellschaft wandelt sich von einer klassischen Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesell- schaft. Die Instrumente haben aber unsere Fi-

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nanzpolitiker noch nicht gefunden. Deshalb müs- Es gibt allerdings auch eine andere wichtige und sen wir daran arbeiten. bedenkenswerte Botschaft von der Hannover-Mes- se. Sie lautet: Wir haben ein Problem. Der Auf- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schwung ist da, die Auftragsbücher sind voll, die Betriebe wollen investieren und neue Mitarbeiter Vizepräsidentin Silva Seeler: einstellen, aber sie finden keine Leute. In vielen Bereichen ist der Markt bei qualifizierten Fach- Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir kräften leer gefegt. Besonders die Unternehmer im nicht vor. Maschinen- und Anlagenbau sowie in der IT- Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wirtschaft wollen investieren und neue Stellen schaffen. Sie müssen aber auf ein mögliches Federführend soll sich der Ausschuss für Bundes- Wachstum verzichten und die Annahme weiterer und Europaangelegenheiten und Medien mit dem Aufträge vertagen, weil gut ausgebildetes Personal Antrag beschäftigen, und mitberatend sollen der trotz der 4 Millionen Menschen ohne Arbeit nicht Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und vorhanden ist. Nun rächt sich natürlich hier für der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig manche Betriebe, dass sie in den letzten Jahren werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich wenig oder gar nicht ausgebildet haben. Aber die- um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen. se Erkenntnis kommt nun einmal zu spät, und sie hilft kurzfristig niemandem weiter. Ich rufe auf Meine Damen und Herren, es gibt trotzdem eine Möglichkeit, die Lage bei den fehlenden Fachkräf- ten zumindest teilweise zu entspannen. In Tagesordnungspunkt 36: Deutschland gibt es ein großes vernachlässigtes Erste Beratung: Potenzial an Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Arbeitsmarktinitiative „Berufschance mern über 50 Jahre. Viele von ihnen sind schon 50plus“ für Niedersachsen - Antrag der nicht mehr im Beruf. Sie gelten wegen ihres Alters Fraktionen der CDU und der FDP - entweder als schwer vermittelbar oder schlummern Drs. 15/3711 als Langzeitarbeitslose in den Karteien der Ar- beitsagenturen, der Optionskommunen oder der Zu Wort gemeldet hat sich Herr Hoppenbrock von Arbeitsgemeinschaften. Zusätzlich läuft zurzeit von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort. den Gewerkschaft und von der SPD, Herr Lenz, eine Kampagne gegen die Rente mit 67. Ganz Ernst-August Hoppenbrock (CDU): allgemein haben wir den Eindruck, dass dies auch eine Kampagne gegen ältere Arbeitskräfte ist: Sie Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am sollen gefälligst ihren Platz für jüngere Menschen vergangenen Freitag ist die Hannover-Messe zu freimachen. - Die SPD hat dies gerade im März- Ende gegangen, ein niedersächsisches Großer- Plenum mit ihrem Antrag zur Verlängerung der eignis mit weltweiter Ausstrahlung. Von der Messe Altersteilzeit gingen mehrere Botschaften aus. (Günter Lenz [SPD]: Das haben Sie Die erste Botschaft: Die Konjunktur zieht an, der bis heute nicht verstanden!) Wirtschaftsaufschwung ist stabil und nachhaltig. Dies gilt ganz besonders für Niedersachsen. Die und mit Ihrer Ablehnung des Kombilohns für ältere Unternehmer sehen voller Optimismus und Zuver- Arbeitskräfte eindrucksvoll vorgeführt. Die Bot- sicht in die Zukunft. Dies zeigt nicht zuletzt das schaft lautet: Ab 50 gehört ihr zum alten Eisen. Ihr Mittelstandsbarometer von Ernst & Young für seid unrechtmäßige Arbeitsplatzbesetzer und soll- 2007. Die Werte für Niedersachsen sind hervorra- tet gefälligst Platz machen zugunsten der jungen gend. Dies hat noch am Mittwoch unser Fraktions- dynamischen Nachrücker. - Es wäre vielleicht ganz vorsitzender David McAllister in der Aktuellen gut, wenn auch in diesem Haus einmal jemand Stunde deutlich gemacht. Eines ist besonders darüber nachdächte. erfreulich: Außer in Hamburg schätzen die mittel- ständischen Unternehmer in keinem anderen Bun- (Zuruf von der SPD: Ja, Sie zualler- desland die regionalen Wettbewerbsfähigkeiten erst!) höher ein als in Niedersachsen.

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Die Grünen - Herr Jannßen ist im Moment nicht da; lich scheidest du bald aus. Weshalb dann noch zumindest sehe ich ihn nicht - haben gerade ges- Qualifizierung und Weiterbildung? tern in der Debatte über den JadeWeserPort ein besonders schlimmes Beispiel von Altersdiskrimi- (Vizepräsident Ulrich Biel über- nierung gebracht. nimmt den Vorsitz)

Wir meinen, dass es der völlig falsche Weg ist, Speziell den kleinen und mittleren Unternehmen Ältere vorzeitig beiseitezuschieben. Profitiert ha- wollen wir hier helfen. Wir wollen ihnen Mut ma- ben von den Programmen zum vorzeitigen Aus- chen, auch und gerade Arbeitskräfte, Mitarbeite- scheiden aus dem Berufsleben in der Vergangen- rinnen und Mitarbeiter zu fördern. Die Erwerbs- heit lediglich die großen Konzerne. Sie entledigen quote der 55- bis 64-Jährigen betrug nach Anga- sich ihrer überzähligen Arbeitnehmerinnen und ben der OECD im Jahre 2005 bei uns in Deutsch- Arbeitnehmer auf Kosten der Steuer- und Bei- land gerade einmal 45 %. Damit liegen wir weit tragszahler. hinter dem Spitzenreiter Schweden mit 70 % zu- rück. Frühverrentung und Altersteilzeit haben in Meine Damen und Herren, wer sich auch nur am der Vergangenheit eindeutig die falschen Signale Rande mit der demografischen Entwicklung und gesetzt. Deshalb wollen wir die Fort- und Weiter- der bald auf dem Kopf stehenden Alterspyramide bildung insbesondere für über 50 Jahre alte Ar- beschäftigt hat, der weiß, dass hier ein Zug mit beitnehmerinnen und Arbeitnehmer verstärkt in einer sehr gefährlichen Botschaft in die völlig fal- den Mittelpunkt stellen. Wir wollen kleinere und sche Richtung fährt. mittlere Unternehmen ermutigen und unterstützen, ihre Mitarbeiter stärker als bisher zu fördern. (Günter Lenz [SPD]: Meinen Sie damit jetzt Ihren Antrag?) Um die bestehenden Hemmnisse abzubauen, bitten wir die Landesregierung, einen Qualifizie- Zum einen können wir uns die Angebote zum Vor- rungsgipfel für Beschäftigte mit Erfahrung zu orga- ruhestand, zur Frühverrentung oder zu sonstigem nisieren. Damit soll nicht eine neue Palaverrunde vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben geschaffen werden, sondern wir wollen die Haupt- wegen der alternden Gesellschaft überhaupt nicht akteure am Arbeitsmarkt und ihre bereits vorhan- leisten. denen Programme zusammenbringen. Dabei ist schon einiges auf den Weg gebracht. Mit dem (Beifall bei der CDU) Niedersachsen-Kombi könnte man aber noch viel - Danke. - Zum anderen geben Sie ein völlig fal- mehr Langzeitarbeitslosen helfen, Herr Lenz. Die sches Signal. Da wird die Lebensleistung der älte- Förderung muss allerdings unbedingt von weiteren ren Mitarbeiter mit der Forderung entwertet, sie qualifizierenden Maßnahmen abhängig gemacht gehörten ausgemustert, man könne auf sie ver- werden. Eine reine Lohnsubvention ohne Qualifi- zichten, und die Gesellschaft lasse sich das zu- zierung ist zu vermeiden, auch mit Blick auf ver- sätzlich noch etwas kosten. Wie soll denn unsere stärkte Mitnahmeeffekte. Gesellschaft funktionieren, wenn es in weniger als Meine Damen und Herren, wir müssen insbeson- 20 Jahren ebenso viele Rentner wie Arbeitskräfte dere den kleinen Unternehmen Hilfestellung ge- gibt? Es wird vielleicht noch 15 bis 20 Jahre dau- ben, rechtzeitig eine Fort- und Weiterbildung anzu- ern, dann hat sich der Schwerpunkt der Beschäf- bieten. Sie sollen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitar- tigten von den heute 30- bis 40-Jährigen auf die beiter für die Anforderungen der kommenden Jah- 45- bis 60-Jährigen verschoben. Darauf wollen wir re fit machen. Das heißt aber auch, dass sich die uns vorbereiten. Tarifpartner, die Politik und insbesondere die Be- Meine Damen und Herren, nicht das Freisetzen schäftigten selbst stärker engagieren müssen. Wir der Älteren ist angesagt, sondern das Gegenteil ist dürfen also nicht nur auf die Jungen setzen - sie richtig. Wir brauchen schon heute jeden einzelnen brauchen wir natürlich auch; davon haben wir ja der älteren, zum Teil gut ausgebildeten und erfah- schon bald nicht mehr genug -, wir sollten die Er- renen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In fahrungen der Älteren als Bereicherung und das vielen Fällen fehlt ihnen lediglich eine zusätzliche Lebensalter nicht als Belastung ansehen. Qualifizierung. Hier tun sich Ältere manchmal (Beifall bei der CDU) schwer, weil die Botschaft lautet: Ab 50 bist du ja sowieso auf dem absteigenden Ast. Wahrschein-

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Nörgeln und Mäkeln hilft gar nichts. Die über 50- Zielsetzung verfehlt hat, vor allem ältere Arbeit- Jährigen gehören nicht auf das Abstellgleis oder in nehmer in Beschäftigung zu bringen. den vorzeitigen Ruhestand. Sie sind für uns ein Faktor, der für den Standort Deutschland und den (Beifall bei der SPD) Standort Niedersachsen immer wichtiger wird. Die handwerkliche und politisch schwache Aus- Nutzen wir das vorhandene Potenzial. Das ist gut gestaltung des Niedersachsen-Kombis ist daran für die Menschen, das ist gut für unser Land und gescheitert, älteren Arbeitsuchenden endlich wie- gut für uns alle. - Danke schön. der eine Chance auf Beschäftigung zu geben. (Beifall bei der CDU und bei der FDP) In Punkt 5 Ihres Antrages fordern Sie daher im Rahmen des Beschäftigungsmodells „Niedersach- Vizepräsident Ulrich Biel: sen-Kombi“ folgerichtig die Landesregierung auf, Für die SPD-Fraktion hat nun die Abgeordnete verstärkt für die Einbeziehung älterer Arbeitnehmer Hartmann das Wort. zu werben. Wir begrüßen ausdrücklich dieses Ein- geständnis, auch wenn Sie schon zu früheren Zeitpunkten Gelegenheit dazu hatten, aus der Swantje Hartmann (SPD): klaren Sprache der Statistiken entsprechende Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Rückschlüsse zu ziehen. Aber immerhin: Besser Herren! Sehr geehrter Herr Hoppenbrock, vorab spät als nie! Insofern haben Sie unseren Respekt eine kurze Anmerkung: Ich finde das, was Sie für Ihren wirklich mutigen Schritt, Ihrer eigenen soeben hier ausgeführt haben, schon ziemlich Landesregierung einen deutlichen Fingerzeig zu bemerkenswert. geben.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: (Beifall bei der SPD) Das ist es auch!) Wir sind auch für die Aufforderungen an die Lan- Das ist im Grunde genommen das, was wir Ihnen desregierung dankbar, das Thema „Fort- und während der vergangenen vier Jahre erzählt ha- Weiterbildung“ insbesondere für ältere Arbeitneh- ben. Ich frage mich, wer hier in den letzten vier merinnen und Arbeitnehmer verstärkt in den Mit- Jahren regiert hat. Ich finde das, was Sie hier aus- telpunkt ihrer Bemühungen zu stellen; geführt haben, bemerkenswert. (Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: (Beifall bei der SPD - Zurufe von der Noch mehr! Das tun wir ja schon!) CDU) denn, Herr Hoppenbrock, Sie haben völlig Recht: Lassen Sie mich noch eine andere Anmerkung zu Hier ist in der Tat in den letzten vier Jahren nichts Ihrem Antrag, Herr Hoppenbrock, anfügen. geschehen - und das, obwohl der politische Hand- lungsbedarf in der Arbeitsmarktpolitik aufgrund des (Weitere Zurufe von der CDU) demografischen Wandels zu den größten arbeits- marktpolitischen Herausforderungen der nächsten - Sie brauchen gar nicht zu versuchen, mich aus Jahre zählt. Zwar hat sich der Anteil der Erwerbs- der Fassung zu bringen. - Wir haben diesen Antrag tätigen über 55 Jahre durch die erfolgreiche Politik wirklich mit Interesse zur Kenntnis genommen. Wir der rot-grünen Bundesregierung von 38 % Ende sind wirklich dankbar für die deutliche und klar- der 90er-Jahre auf immerhin 48 % im Jahre 2005 stellende Bemerkung in diesem Antrag zu der Po- steigern können. Aber die europäischen Ver- sition, dass die Arbeitsmarktpolitik der Landesre- gleichszahlen weisen weiteren Handlungsbedarf gierung gescheitert ist. Das ist nämlich die Quint- aus. Dass nun ausgerechnet acht Monate vor der essenz Ihres Antrages. Landtagswahl dieses gesellschaftlich bedeutende (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei Thema durch einen Antrag der Koalitionsfraktionen der CDU) aufgegriffen wird, ist wiederum das Enttäuschende an Ihrem Antrag. Verspätet, aber immerhin in der Aussage deutlich erkennen Sie mit diesem Antrag nun endlich an, (Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: dass das Modell des Niedersachsen-Kombis seine Das liegt an Ihrem Altersteilzeitge- setz!)

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Es drängt sich bei uns der Eindruck auf, dass hier während des gesamten Berufslebens und die kon- noch schnell vor der Wahl eine Grußadresse an sequentere Umsetzung von Maßnahmen zur be- die Zielgruppe der älteren Menschen gesendet trieblichen Gesundheitsförderung. An diesen werden soll, weil man nämlich erkannt hat, dass Handlungsfeldern sehen Sie aber auch, dass Poli- man in den letzten Jahren untätig geblieben ist. tik hier nicht allein gestaltend eingreifen kann, ge- Das Enttäuschende an dem Antrag ist auch, dass fragt sind natürlich auch die Tarifparteien, die Un- überhaupt keine eigenen politischen Akzente ge- ternehmer und die Betriebsräte. setzt werden, sondern im Grunde genommen nur das abgeschrieben wird, was der Arbeitsminister Wir brauchen, das ist die Meinung der SPD-Land- von der SPD, Müntefering, entweder schon auf tagsfraktion, auch einen Mentalitätswechsel in den den Weg gebracht hat oder was sich unmittelbar in Unternehmen. Der Jugendwahn in der Wirtschaft der Umsetzung befindet. verspielt nämlich nicht nur die Zukunft der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern (David McAllister [CDU]: Dann können auch die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft; Sie doch zustimmen!) denn in Zukunft werden auch unter Berücksichti- gung von Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte Es werden aber auch viele Allgemeinplätze be- in den deutschen Arbeitsmarkt die Unternehmen handelt. Das sind wir bei Ihnen ja auch schon ge- darauf angewiesen sein, dass ältere Arbeitnehmer wohnt. Was wir in Niedersachsen wirklich nicht länger beschäftigt werden können. Insofern richtet brauchen, ist eine Showveranstaltung wie ein sich unser Appell an die Wirtschaft, hier endlich mit Qualifizierungsgipfel; denn das ist nur eine Werbe- einer Personalpolitik Schluss zu machen, die dazu veranstaltung für die Landesregierung. Die Leute geeignet ist, altersdiskriminierend zu wirken. brauchen Handlungen der Landesregierung. Die SPD-Landtagsfraktion fordert hier ausdrücklich (Beifall bei der SPD - David McAllister eine neue Unternehmenskultur ein, die die Poten- [CDU]: Es spricht die große Landes- ziale älterer Menschen erkennt. Aus dem Be- vorsitzende der SPD!) schluss des Bundestages, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre zu erhöhen - auch da Meine Damen und Herren, mit diesem Antrag er- unterscheiden wir uns, Herr Hoppenbrock -, ergibt weisen Sie Ihrem Ruf eines politischen Anschein- sich auf der anderen Seite nämlich auch die Ver- serweckers wieder einmal alle Ehre. Aber nach pflichtung, durch eine altersgerechte Arbeitsorga- den Pleiten, Pech und Pannen der letzten Wochen nisation oder auch durch gleitende Übergänge in in Sachen Landeskrankenhäuser, Nichtraucher- die Altersrente die tatsächlichen Chancen älterer schutz und JadeWeserPort kann die SPD-Land- Menschen auf längere Beschäftigung zu erhöhen. tagsfraktion natürlich nachvollziehen, dass Sie sich Wenn bestimmte gesundheitlich belastende Tätig- an die positiven Pläne des SPD-geführten Ar- keiten auch in Zukunft nicht vermieden werden beitsministeriums im Rahmen der Initiative 50plus können - das ist in bestimmten Produktionsberei- dranhängen wollen. chen immer der Fall, das wird sich auch zukünftig (David McAllister [CDU]: Stimmen Sie nicht vermeiden lassen -, dann brauchen wir aus doch einmal unserem Antrag zu!) sozialpolitischen Gründen zur Abfederung von Härten eben auch neue Modelle in der Rentenpoli- Die Arbeitsmarktsituation älterer Menschen macht tik. Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist es da- deutlich, dass das Risiko, arbeitslos zu werden, mit her auch unumgänglich, zumindest in einer Über- steigendem Lebensalter erhöht ist. Kommen dann gangszeit für diese Berufsgruppen Altersteilzeit- noch gesundheitliche Probleme oder geringe Qua- möglichkeiten zu wahren. lifizierung hinzu, ist das Risiko, mit steigendem Lebensalter arbeitslos zu werden und in die Lang- (Beifall bei der SPD) zeitarbeitslosigkeit abzurutschen, noch um ein Es ist wirklich schade, Herr Hoppenbrock, dass Sie Vielfaches höher. Das muss man auch ernst neh- in Punkt 7 zwar die Frühverrentung und Altersteil- men. Daraus wird deutlich, dass man ein Bündel zeit eingeschränkt sehen wollen, aber auf der an- von Maßnahmen und keine Einzelaktionen deren Seite nichts dazu sagen, wie die Situation braucht. An erster Stelle muss der Erhalt der Be- älterer Beschäftigter auch finanziell ausgestaltet schäftigungsfähigkeit stehen. Hierzu zählen eine werden soll, wenn das Renteneintrittsalter steigt. altersgerechte Betriebsgestaltung, neue Modelle in Das zeugt von einer gewissen Distanz und Ferne der Arbeitszeitgestaltung, die gezielte Qualifikation

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zu Menschen, die tagtäglich eine gesundheitlich Arbeitsmarktes zukunftsperspektivisch sträflich und belastende Tätigkeit ausüben. aus Sicht der Beschäftigten eine Diskriminierung und Verschwendung. (Beifall bei der SPD) Hier müssen wir schnellstens ansetzen und durch Dass Sie nur an den Pranger stellen, aber nicht die Fortbildung, Weiterbildung und Umschulung diese Spur einer Vorstellung davon haben, was für wichtigen Potenziale nutzen. Das kann durch ge- Schicksale sich dahinter verbergen, wenn die Be- zielte Unterstützung in Betrieben wie auch in allen schäftigungsfähigkeit durch gesundheitlich belas- Bildungseinrichtungen erfolgen. Wichtig ist jedoch, tende Tätigkeiten nicht mehr gegeben ist, ent- dass wir Maßnahmen ergreifen und Programme täuscht uns an Ihrem Antrag wirklich. auflegen sowie eine Vernetzung zwischen Job- centern, Arbeitsagenturen, Firmen und Bildungs- Die SPD-geführte Landesregierung wird daher ab einrichtungen herstellen, um so auch flexibel han- 2008 die Situation älterer Beschäftigter mit in den deln zu können. Fokus ihrer Beschäftigungspolitik stellen. Dies, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, Auch für Frauen nach der Familienpause können werden wir von Anfang an machen, und nicht erst solche Angebote wichtig sein und für einen Ein- am Ende der Legislaturperiode. stieg ins Berufsleben sorgen. Sie werden von der Wirtschaft bereits in vielen Bereichen umworben, (Beifall bei der SPD - Zurufe von der da sie verlässlich, belastbar und kreativ sind. Herr CDU) Hoppenbrock hatte auch schon einige Berufsgrup- pen genannt, die ganz klar und deutlich eine Wei- Vizepräsident Ulrich Biel: terbildung benötigen. Ich möchte jetzt die nächste Rednerin aufrufen. Berufsgruppen mit hohen gesundheitlichen Anfor- Das ist Frau König von der FDP-Fraktion. Sie ha- derungen können mittelfristig andere Perspektiven ben das Wort. entwickeln. Warum können nicht z. B. auch Mau- rer, Tiefbauer, Fliesenleger und Ähnliche - um dem Gabriela König (FDP): eine Gruppe hinzuzufügen - in Baumärkten und im Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, da Baustoffhandel beraten, verkaufen oder den Ein- kam wieder einmal ein Wirtschaftssachverstand kauf übernehmen? zum Ausdruck, den ich überhaupt nicht begreifen Die meisten Menschen sind in ihrer Zeit als Er- kann. Anscheinend hat die SPD immer noch nicht werbstätige auf ganz vielen Gebieten wahre Ex- mitgekriegt, dass wir in den letzten Jahren einen perten geworden und haben nicht selten Interesse Abbau von Arbeitsplätzen gehabt haben, der gran- daran, sich noch weiter zu bilden. Wenn wir mit dios war. Davon waren eine Menge Facharbeiter Angeboten Unterstützung bieten, dann werden wir betroffen. Das muss man hier einfach einmal zur nicht nur wieder mehr Fachkräfte in die Arbeitswelt Kenntnis nehmen. integrieren, sondern auch zufriedene und ausge- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) glichene Rentner in den wirklichen Ruhestand entlassen können. Trotz des sich abzeichnenden Facharbeiterman- gels suggerieren die Arbeitsagenturen, Arbeitneh- (Beifall bei der FDP) mer über 50 Jahre seien nicht mehr vermittelbar, Dazu müssen wir aber mit den falschen Frühver- und schicken sie in die Arbeitslosigkeit und Früh- rentungsprogrammen aufhören. verrentung. Auf der anderen Seite suchen aber immer mehr Unternehmen Fachkräfte, die wieder- (Zustimmung bei der FDP) um ihre Kompetenz an den Nachwuchs weiterge- ben können. Dabei gibt es genügend Menschen, Wir brauchen gut qualifizierte Menschen, die wir die ein umfangreiches Arbeitsleben bestritten und zurzeit nicht in ausreichender Zahl bekommen Erfahrungen gesammelt haben, aber aus unter- können, die wir aber bei den älteren, zum Teil ar- schiedlichsten Gründen ihren Beruf nicht mehr beitslosen Menschen finden können. Sie sollen ihr ausüben können. Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen Wissen und ihre Erfahrung weiter in die Betriebe gehen größtenteils viel zu früh verloren. Dieses einbringen und an die Jüngeren weitergeben, um Potenzial ungenutzt zu lassen, ist aus Sicht des sie zu motivieren und um bei ihrer Aus- und Fort-

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bildung Vorbild und Stütze zu sein. Das ist wichtig: ein Viertel der Arbeitslosen in Niedersachsen stel- Die Alten und die Jungen gemeinsam für die Zu- len. Hier hat die Landesregierung trotz des Nieder- kunft in Niedersachsen und in Deutschland - das sachsen-Kombis bisher versagt. Die neue Initiative ist der richtige Weg, um qualifizierte Arbeitskräfte ist leider auch eher rhetorische Schönmalerei als für die Zukunft aufzubauen. ein glaubwürdiger Versuch, die Situation der Be- troffenen wirklich zu verbessern. Fakt ist, Frau (Beifall bei der FDP und bei der CDU) König, dass Unternehmen immer noch dazu nei- gen, ihre erfahrenen Mitarbeiter mit zunehmendem Vizepräsident Ulrich Biel: Alter durch günstigere und jüngere Kräfte zu erset- zen. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Hagenah das Wort. (Gabriela König [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Im Gegenteil!) Enno Hagenah (GRÜNE): Das ist kurzsichtig und unsozial, da so nicht nur Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und eine gesellschaftliche Schieflage entsteht, sondern Herren! Frau König, wenn ich Sie gerade richtig den Unternehmen auch Wissen und Erfahrung verstanden habe, wollten Sie dem Hohen Haus verloren gehen. Dagegen jetzt nur mit einem Gip- just erklären, die Arbeitsagenturen seien daran fel, einem neuen Pakt und einem schmissigen schuld, dass die älteren Arbeitnehmer nicht mehr Motto anzugehen, ist nicht allein blauäugig, son- in Arbeit kämen. Sie würden denen - das haben dern nichts weiter als Wahlkampfshow ohne prak- Sie wörtlich gesagt - suggerieren, sie würden nicht tischen Nutzwert. Tatsächlich werden hier keine mehr gebraucht. - Entschuldigung! So habe ich neuen Programme entwickelt. Es ist ähnlich wie das von der FDP erwartet. Dass die Firmen die mit dem Medienantrag, der vorher auf der Tages- Leute nicht einstellen, sondern freisetzen, wenn ordnung stand. Alles, was vorgestellt wird - seien sie 50 werden, und sich Jüngere suchen, das legi- es das Thema Fort- und Weiterbildung für ältere timieren Sie, indem Sie behaupten, die Arbeits- Arbeitnehmer oder die Unterstützung kleinerer und agenturen kümmerten sich nicht genug um sie. mittlerer Unternehmen in der Weiterbildung ihrer Tolle Argumentation! Vielen Dank. Arbeitnehmer, seien es das Thema lebenslanges Lernen oder der Pakt für Qualifizierung -, wird (Beifall bei den GRÜNEN) schon lange auf der politischen Bühne diskutiert CDU und FDP versuchen mit ihrer Initiative „Be- und auch schon umgesetzt. Hier wildern Sie mun- rufschance 50plus“ zugleich, eine Antwort auf den ter in den Vorschlägen anderer, nicht zuletzt bei im vergangenen Plenum auch von uns abgelehn- Bundesarbeitsminister Müntefering - da gebe ich ten Antrag der SPD-Fraktion zur Fortsetzung ge- der Kollegin von der SPD Recht -, aber eben auch förderter Altersteilzeit zu geben und eine erneute in Anträgen der Grünen auf Bundesebene. Das ist Legitimation für ihr Modell des Niedersachsen- auch kein Wunder, haben doch gerade wir Grünen Kombis zu formulieren. Das kann nur schief gehen. lange vor allen anderen erkannt, dass die bisheri- Hat nicht Ihr Niedersachsen-Kombi, der besonders gen Konzepte der arbeitsmarktpolitischen Pro- für Junge und Ältere geschaffen wurde, doch bis- gramme auf unsere veränderten Lebensbedingun- her gerade dort kläglich versagt, Herr Hoppen- gen keine ausreichenden Antworten bieten. Da brock? müssen wir auf Bundesebene noch einige Stell- schrauben verändern. Alle Vorschläge, die Sie (Zustimmung bei der SPD) machen, sind doch eigentlich nur schmückendes Beiwerk, um Ihren Niedersachsen-Kombi, der sei- Die Zahlen älterer Arbeitsloser zeigen, dass trotz ne eigentliche Zielgruppe nicht erreicht, wieder ins des wirtschaftlichen Aufschwungs zu wenige Men- Spiel zu bringen, ihn hier noch einmal schönzure- schen dieser Altersgruppe neu in Arbeit kommen. den. Trotz Ihres Kombi-Modells haben die älteren Ar- beitnehmer nach den Arbeitslosenstatistiken für Da Sie in Ihrem Antrag teilweise grüne Ansätze Niedersachsen vom März 2007 die geringste Ver- übernommen haben, könnte man diesen Teilen besserung zum Vorjahr zu verzeichnen und sind möglicherweise sogar zustimmen. Doch es ist zu damit neben den Schwerbehinderten die Verlierer durchsichtig, dass der Antrag lediglich dazu dienen des Aufschwungs. Ich möchte daran erinnern, soll, neue Begründungen für den Niedersachsen- dass die Erwerbsuchenden über 50 mit 23,9 % fast

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Kombi zu liefern. Das überzeugt uns weiterhin lungen gerade einmal zwei Ältere. Da die Gewerk- nicht. - Vielen Dank. schaften ja stolz darauf sind, in den Großbetrieben mehr Einfluss zu haben als in den kleineren, kann (Beifall bei den GRÜNEN) man durchaus darüber diskutieren, ob es hier nicht Möglichkeiten gibt, auch von der Arbeitnehmer- Vizepräsident Ulrich Biel: seite und nicht nur von der Wirtschaftsseite her mehr für die Beschäftigung Älterer zu tun. Da soll- Für die Landesregierung hat nun Herr Minister ten Sie einmal einen Dialog anfangen, Frau Hart- Hirche das Wort. mann. Aber diesen Punkt haben Sie wohlgemerkt ausgeklammert. Walter Hirche, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr: (Zustimmung bei der FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer- Wir sind uns nicht nur darin einig, dass mehr Ältere hin gibt es nach diesen Wortbeiträgen einen ge- beschäftigt werden sollen, weil sie qualifiziert sind meinsamen Punkt: Wir sind uns einig, dass wir und in bestimmten Bereichen Erfahrung haben, mehr tun müssen, um dafür zu sorgen, dass auch sondern auch darin, dass wir in diesem Zusam- Ältere weiter beschäftigt werden. Das ist immerhin menhang für mehr Weiterbildung etwas tun müs- eine gemeinsame Zielvorstellung. Das ist sehr sen. Das ist natürlich keine neue Erkenntnis und schön. wird auch nicht etwa heute neu erdacht. Wir haben in den letzten Jahren seit 2004 zum Beispiel Ich habe schon gestaunt, wie Sie, Frau Hartmann, 35 Millionen Euro ESF- und Landesmittel für die die Tatsachen verdreht haben. Wir haben uns Förderung der Weiterbildung in den mittelständi- doch hier im Landtag - Herr Hagenah hat noch schen Unternehmen bereitgestellt und 200 Pro- einmal darauf hingewiesen - gegen Ihren Vorstoß jekte mit insgesamt 40 000 Teilnehmern in den gewehrt, mit einer Fortsetzung des Gesetzes zur Programmen „Weiterbildungsoffensive für den Mit- Altersteilzeitförderung Ältere weiter aus dem Markt telstand“ oder „Individuelle Weiterbildung in Nie- herauszudrängen. dersachsen“ gefördert. Im neuen EU-Förderzeit- (Zustimmung von Gabriela König raum bis 2013 werden es 93 Millionen Euro sein. [FDP]) Damit erhöhen wir die Mittel im Vergleich zu den letzten Jahren. Sie haben sich damit gegen Müntefering gestellt. Wir sind auf der Linie, die durchaus auch der Bun- Die Anregung eines Qualifizierungsgipfels insbe- desarbeitsminister für richtig hält, der für die Rente sondere für Ältere kann ich nur begrüßen. Dass mit 67 einerseits und die Beendigung dieser Früh- Ihnen das nicht schmeckt, kann ich mir gut vor- verrentungs- und Altersteilzeitförderungsmodelle stellen, weil Sie am liebsten natürlich selber auf die eintritt. Die SPD Niedersachsen versucht doch, Idee gekommen wären. dem Bundesarbeitsminister diese Vorhaben kaputt (Zustimmung bei der FDP und bei der zu machen. Sie versuchen hier doch eine gerade- CDU) zu tolle Verdrehung der Tatsachen. Aber richtig ist: Egal, ob Sie darauf kommen oder (Zustimmung bei der FDP und bei der ob jemand anders darauf kommt, das ist in jedem CDU) Fall ein richtiges Instrument. Bei allen Unterschie- Ich vermute, das war auch der Grund dafür, dass den in den einzelnen Redebeiträgen in dieser De- Herr Jüttner Ihnen nach Ihrer Rede gratuliert hat. batte wollen wir doch gemeinsam mit Arbeitgebern, Das ist ein Wahlkampfszenario, das aber den Älte- mit Gewerkschaften, mit der Bundesanstalt für ren, um die es hier geht, wirklich nicht hilft. Arbeit und mit der Politik den Versuch machen, mehr Beschäftigungschancen für Ältere zu schaf- (Zustimmung bei der CDU) fen. Da sollten Sie nicht herumnölen, sondern jetzt müssen wir uns gemeinsam an den Tisch setzen, Die Tatsachen sind deutlich. Mittelgroße Betriebe um dieses wichtige Ziel zu erreichen, damit inso- haben im vergangenen Jahr im Schnitt 15 Arbeits- fern - ich fand den Begriff in diesem Zusammen- kräfte neu eingestellt, darunter war aber nur einer hang interessant, Frau Hartmann - der Jugend- über 50 Jahre alt. Bei den Großbetrieben mit mehr wahn in der Gesellschaft aufhört. Dem stimme ich als 500 Beschäftigten waren unter 50 Neueinstel-

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unter bestimmten Gesichtspunkten ja zu, aber auch dann nicht. Wir müssen uns darauf einstellen, wichtiger finde ich das, was Frau König, danach dass bis zum Ende dieses Jahrhundert die Tempe- Herr Hagenah und in der Eingangsbemerkung ratur günstigstenfalls um 2 º Celsius zunehmen auch Herr Hoppenbrock gesagt haben: Wir sollten wird. Um das zu erreichen, muss man allerdings nicht die Generationen gegeneinander ausspielen, auch etwas tun und darf nicht nur davon reden. sondern wir sollten versuchen, für alle Generatio- nen Arbeitsmöglichkeiten zu finden. Wenn wir uns Wir haben vorhin hier über einen Antrag von uns trotz aller Polemik in diesem Ziel einig sind, wäre diskutiert, in dem es darum ging, was die Landes- das der größte Fortschritt in dieser Debatte. regierung im eigenen Wirkungskreis tun muss, um Vorbild zu werden. Bis jetzt ist es erbärmlich. Die (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Landesregierung redet von der Notwendigkeit,

CO2-Freisetzungen zu vermeiden, regenerative Vizepräsident Ulrich Biel: Energien zu fördern usw. - heute Morgen auch wieder -, aber in der Realität passiert so gut wie Meine Damen und Herren, es liegen keine weite- nichts. ren Wortmeldungen vor. (Zustimmung bei den GRÜNEN) Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Unsere zahlreichen Anträge zu diesem Thema Der Antrag soll in den Ausschuss für Wirtschaft, haben Sie alle abgelehnt. Einige Beispiele kann Arbeit und Verkehr überwiesen werden. Wer dem ich gerne nennen: Förderung von Bioenergiedör- zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. fern - abgelehnt -, Auslobung eines Preises „Ener- - Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? giesparendste Kommune Niedersachsens“ - abge- - Ich sehe, das ist nicht der Fall. lehnt -, unsere Initiativen für den bedarfsabhängi- gen Gebäudeenergiepass - abgelehnt -, Klimain- Ich rufe nun verabredungsgemäß zusammen auf novationsfonds - abgelehnt -, energetische Ge- bäudesanierung - bis jetzt abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 26: (Anneliese Zachow [CDU]: Nein! Wir haben schon einen eigenen Antrag!) Erste Beratung: Den Klimawandel ernst nehmen - Erforder- Warten wir einmal ab, wie die Beratung dieses liche Investitionen in den Küstenschutz Antrages weitergeht. nicht länger verhindern - Antrag der Fraktion Stattdessen erschweren Sie den Ausbau der er- Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3704 neuerbaren Energien, wo es nur geht. Ich erinnere und an Ihren Abstandserlass für Windkraftanlagen oder an die hohen Gebühren für die Genehmigung von Windkraftanlagen. Bis zu 120 000 Euro kostet eine solche Genehmigung in Niedersachsen. Solche Tagesordnungspunkt 27: Gebührensätze sind in anderen Bundesländern Erste Beratung: undenkbar. Repowering, also der Ersatz kleiner Klimaschutz auch in Niedersachsen! - An- Windkraftanlagen durch größere, bringen Sie so trag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3718 zum Stillstand.

Eingebracht wird der Antrag der Fraktion Bünd- (Christian Dürr [FDP]: Das liegt doch nis 90/Die Grünen durch den Abgeordneten Jan- im Planungsbereich der Kommunen! ßen. Wir können doch nicht die Kommunen entmachten!)

Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Sie verhindern mit einem solchen Verhalten Ar- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der beitsplätze und Wertschöpfung in Niedersachsen. Klimawandel ist kein Zukunftsszenario mehr; wir Das ist ganz klar. sind mitten drin. Uns steht ein Fenster von viel- Meine Damen und Herren, auch auf die Folgen leicht 10 bis 15 Jahren offen, um energisch gegen- des Klimawandels sind Sie in keiner Weise vorbe- steuern zu können. Verhindern können wir ihn reitet. Sie nehmen ihn noch nicht einmal wahr:

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weder beim Gesundheitsschutz noch in der Land- wie z. B. das Abschmelzen des Grönlandeises, oder Forstwirtschaft, weder für den Hochwasser- überhaupt nicht berücksichtigt. Und sagen Sie schutz im Binnenland noch für den Küstenschutz nicht „Das ist nicht zu erwarten“! Zurzeit verliert hat die Landesregierung ein Konzept, das den Grönland dreimal so viel Eis, wie neu gebildet wird. Klimawandel mit einbezieht. Wir fordern von Ihnen, dass Sie den Küsten- (Christian Dürr [FDP]: Etwas konkre- schutzmaßnahmen einen Meeresspiegelanstieg ter, Herr Janßen!) von 80 cm zugrunde legen. Herr Sander wird wahrscheinlich gleich sagen „Alles grüne Panik- Dann sind Sie auch noch beratungsresistent. mache“. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die von der Küste kommen, Sie sollten (David McAllister [CDU]: Auch das sich gut überlegen, ob Sie an dieser Stelle wirklich noch!) hinter Ihrem Umweltminister stehen wollen. Unser Unsere Forderung nach der Berufung eines Sach- Antrag hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern verständigenrats für Klimafragen haben Sie je- etwas mit der Sorge der Menschen hinter dem denfalls bislang abgelehnt. Vielleicht arbeiten Sie Deich. Dass diese Sorge mehr als begründet ist, ja künftig wenigstens beim Klimakompetenzzent- müssten gerade Sie gut verstehen können. rum bei der GKSS in Geesthacht mit. Eine Unter- Können Sie, meine Damen und Herren von der richtung im Ausschuss jedenfalls reicht nicht, um CDU, bei der derzeitigen Vorgabe von 25 cm Mee- vor dem Hintergrund der Klimafolgen für Nord- resspiegelanstieg pro Jahrhundert eigentlich ruhig deutschland die notwendigen Vorsorgekonzepte zusehen? Sie müssten doch bei dieser Politik des entwickeln und umsetzen zu können. Umweltministers mit der Faust in der Tasche he- Wie beratungsresistent Sie bei der Einarbeitung rumlaufen. Besser wäre es, Sie holten Sie heraus wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel und hauten auf den Tisch. sind, haben Sie gestern bei der Dringlichen Anfra- (Bernd Althusmann [CDU] und David ge zum Thema Küstenschutz demonstriert. Beim McAllister [CDU] schlagen mit der Küstenschutz - dem Bereich, in dem die Folgen Faust auf die Tische) des Klimawandels am dramatischsten sein wer- den - macht diese Landesregierung gerade vor, - Ja, gut! Hervorragend! Ein bisschen kräftiger wie sie sich bislang auf den zukünftigen Klima- noch! wandel einstellt: nämlich gar nicht. Auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und Herr Minister Sander, Ihre Küstenschutzplanungen FDP, müssen zur Kenntnis nehmen: Die Folgen sind von vorgestern. Der sogenannte Generalplan des Klimawandels sind unausweichlich. Je länger Küstenschutz berücksichtigt den klimabedingten wir diese ignorieren, desto dramatischer werden Meeresspiegelanstieg und stärker werdende Stür- sie. Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen me in keiner Weise. Er war schon zu dem Zeit- Sie die Vertieferei an den Flussmündungen von punkt Makulatur, zu dem er gedruckt wurde. Elbe, Weser und Ems! Sie erhöhen damit das Ge- fahrenpotenzial. Tiefere und breitere Flussmün- Der vergleichsweise konservative IPCC-Bericht dungen führen unweigerlich dazu, dass Sturmflu- prognostiziert z. B. einen klimabedingten Meeres- ten mit größerer Gewalt höher und weiter ins Bin- spiegelanstieg von bis zu 59 cm pro Jahrhundert. nenland auflaufen. Auch wirtschaftlich ist das nicht Hinzurechnen müssen Sie an unserer Küste eine erforderlich. Kümmern Sie sich lieber um ein abge- Landsenkung von bis zu 15 cm in den nächsten stimmtes norddeutsches Hafenkonzept, damit wir 100 Jahren. Damit sind wir bei ungefähr 74 cm. Sie nicht drei Tiefwasserhäfen in Norddeutschland können getrost noch einen höheren Wellenauflauf anlegen müssen! aufgrund zunehmender Starkwindereignisse hinzu- rechnen. Wir haben erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Herr Ministerpräsident Wulff die Hamburger (Anneliese Zachow [CDU]: Es ist Pläne zur Vertiefung der Elbe zurzeit nicht mehr für schon toll, was der Kollege alles zustimmungsfähig hält. Da haben wir aber auch weiß!) schon etwas ganz anderes gehört. Wir wollen ein- Dabei sind große Einflussfaktoren, die den Mee- mal abwarten, wie lange die Halbwertszeit dieser resspiegelanstieg weiter beschleunigen könnten, Aussage dauert. Wenn diese Landesregierung in

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dieser Frage Glaubwürdigkeit und nicht nur Wahl- Vizepräsident Ulrich Biel: taktik beweisen will, dann unterstützen Sie unseren Herr Abgeordneter Janßen, Sie haben zeitlich Vorschlag, die im Bundeshaushalt für die Vertie- gesehen bei der Einbringung dieses Antrags ein fung von Elbe und Weser eingeplanten Mittel für gutes Beispiel gegeben. Wenn die anderen Ihrem den Küstenschutz einzusetzen! Beispiel folgen, dann holen wir auf. (David McAllister [CDU]: Was sagt Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete denn Herr Egloff dazu? - Gegenruf Harden zu Wort gemeldet. von Wolfgang Jüttner [SPD]: Der ver- tritt Hamburger Interessen! - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Davon Uwe Harden (SPD): musst du dich doch distanzieren! - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Gegenruf von Wolfgang Jüttner Herren! Dieser April ist der trockenste und wärmste [SPD]: Hab ich schon!) seit vielen Jahrzehnten. In einigen Regionen ist im Meine Damen und Herren, kommen Sie zur Ver- April nicht ein einziger Tropfen Regen gefallen. nunft! Passen Sie den Generalplan Küstenschutz Selbst der Tau bleibt aus, wie Minister Ehlen vor- unverzüglich dem steigenden Meeresspiegel an! gestern zitiert wurde. Beziehen Sie alternative Methoden des Deichbaus Der Klimawandel ist das globale Umweltproblem, in Ihre Planungen ein! wenn nicht sogar das weltpolitische Megathema (Christian Dürr [FDP]: War das ein unserer Zeit und wird es vermutlich auch bleiben. Deich aus Beton?) Schmelzende Polkappen und Gletscher, steigen- der Meeresspiegel, die Bedrohung ganzer Insel- Sichern Sie frühzeitig raumordnerisch zweite gruppen und Küstenländer sind nur einige Stich- Deichlinien, wo sie in Zukunft erforderlich werden worte. Die Klimaextreme nehmen auch hierzulande können, und kämpfen Sie mit uns gemeinsam für zu: Starkregen mit Jahrtausendfluten, Dürren, eine Aufstockung der Bundesmittel für die Ge- Windhosen und Orkane hinterlassen Verwüstun- meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar- gen. Es ist unübersehbar: Die Atmosphäre reagiert struktur und des Küstenschutzes“! Beziehen Sie auf die Erwärmung mit verheerenden Folgeschä- die Ostfriesischen Inseln in den Generalplan Küs- den. tenschutz mit ein, und zwar nicht erst am Sankt- Nimmerleins-Tag, und legen Sie vor allem ein So- Mit dem Kyoto-Protokoll gibt es erstmals eine in- fortprogramm auf, um die eklatantesten Schwach- ternational verbindliche Vereinbarung, den Aus- stellen an der Küste umgehend zu beseitigen! Die stoß an Treibhausgasen zu verringern. Hierzu Deichabschnitte in der Wesermarsch, die Ostfriesi- gehört vor allem Kohlendioxid aus der Verbren- schen Inseln und auch der Altenbrucher Bogen nung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl. Die müssen umgehend gesichert werden. EU-Kommission schlägt Reduzierungspfade für die Industrieländer von 15 bis 30 % bis zum Jahr 2020 Meine Damen und Herren, entwickeln Sie Kon- und von 60 bis 80 % bis 2050 vor. Die Bundesre- zepte für andere vom Klimawandel betroffene Be- gierung hat gestern Morgen als Ziel angegeben, reiche - für den Gesundheitsschutz, für die Land- die Emissionen bis 2020 um 40 % zu verringern. wirtschaft und die Forstwirtschaft! Forschen Sie gezielt, um zeitnah Anpassungsprojekte umsetzen Diese Ziele sind schon heute mit den verfügbaren zu können! Am besten wäre es allerdings, wenn Techniken erreichbar. Deutschland ist hier als Sie es sich doch noch überlegen würden, meine Vorreiter beim Klimaschutz gefordert. Entschei- Damen und Herren von SPD, CDU und FDP, der dend sind die Förderungen effizienter Technolo- Berufung eines Sachverständigenrats zuzustim- gien und die Schaffung klimapolitischer Rahmen- men, damit wir die erforderlichen Anpassungs- bedingungen für den globalen Energiemarkt. Kli- strategien auf fundierter Grundlage entwickeln maschutz ist das Schlüsselthema für das 21. Jahr- können. - Vielen Dank. hundert. Das hat sich inzwischen breiten Bevölke- rungsschichten erschlossen. Unser Problem ist, (Beifall bei den GRÜNEN) dass die Landesregierung das bislang offenbar wenig bemerkt hat.

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(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja Im Nachhaltigkeitsbericht der Landesregierung, der Unsinn!) uns gestern in die Fächer gelegt wurde, sind Initia- tiven zum Klimaschutz aufgeführt. Unter der „Lan- Taten konnten wir bislang jedenfalls nicht registrie- desinitiative Energieeinsparung“ wird dabei die ren, dafür jedoch etliche Unterlassungen - das ist Förderung des Projektes „Energiemobil Nieder- in den letzten Tagen bereits ausgeführt worden. sachsen“ zusammen mit dem NABU subsumiert. In Euro ist das vermutlich nicht auszudrücken; denn Die Kollegin Brigitte Somfleth und der Kollege die Angabe, wie viel Geld dafür zur Verfügung Wolfgang Jüttner haben im November bzw. im gestellt wird, fehlt. Dezember darauf hingewiesen, dass die Landes- regierung die EFRE-Mittel für Klimaschutz und (Zuruf von Anneliese Zachow [CDU]) zum Ausbau erneuerbarer Energien ungenutzt gelassen hat. - Frau Zachow, wahrscheinlich ist der Betrag so klein, dass man ihn kaum noch registrieren kann. (Christian Dürr [FDP]: Das ist totaler Quatsch, Herr Harden! Das ist nicht Ferner wird Landesinitiative Brennstoffzelle mit die Wahrheit!) einem Landesbeitrag von 9,5 Millionen Euro, ver- teilt auf die Jahre 2004 bis 2007, aufgeführt. Das Für Deichbau - eine Pflichtaufgabe des Landes - ist eher minimal. werden 112 Millionen Euro EU-Mittel umgewidmet. Ich würde das nicht kritisieren, wenn im Bereich (Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt sogar Forschung und Entwicklung mehr in erneuerbare noch mal 6,5 Millionen um zwei Jahre Energien investiert würde. Nehmen Sie sich ein verlängert! Lieber Kollege, um zwei Beispiel an Dänemark: Die Dänen haben Mitte der Jahre verlängert! Sie sollten mal 1990er-Jahre in den Bereichen Bildung, Forschung nachschauen!) und Entwicklung massiv in erneuerbare Energien investiert. Heute herrscht dort Vollbeschäftigung, - Für zwei Jahre? Toll! Das ist ja eine Rieseninves- und es werden Arbeitskräfte aus Deutschland an- tition, wenn man bedenkt, welche Bedrohung ei- geworben. gentlich auf uns zukommt.

Bei der Windkraft - der Ministerpräsident hat vor (Zuruf: Nun freut euch doch mal dar- einigen Stunden noch gesagt, dabei wären wir über!) spitze - werden wir von Sachsen-Anhalt fast über- Zu den Kraftstoffen aus Biomasse steht dort: Un- holt. Das ist eine Folge Ihrer Vernachlässigungen terstützung durch Innovationsförderprogramme. - dieses Themas. Wenn es gewaltige Summen wären, dann würde (Anneliese Zachow [CDU]: Nein!) das mit Sicherheit in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht stehen. So weit kennen wir uns ja auch. Die Sum- Dass Niedersachsen das Schlusslicht in der Um- me wird nicht genannt, also ist sie vermutlich eher weltpolitik ist, hat gerade erst der deutsche Sach- gering. verständigenrat für Umweltfragen gutachterlich bestätigt. Meine Damen und Herren, für so viel Minimalismus ist das Thema Klimaschutz viel zu wichtig. Meiner (Christian Dürr [FDP]: Wer erzählt Ih- Meinung nach ist die grundlegende Haltung dieser nen denn so etwas?) Landesregierung falsch. Sie handeln eigentlich auf allen Ebenen nicht. Ihre Maximen sind: Rückzug - Sie wollen das vielleicht nicht hören, aber das ist des Landes, Abbau vorhandener Netzwerke zu- so. Sie hätten ja anders handeln können. gunsten einer permanenten Umorganisation der Landesverwaltung inklusive Demotivation der Mit- Der Bezug von Ökostrom wurde gekündigt. Nie- arbeiterinnen und Mitarbeiter, und gute Ratschläge dersachsen nimmt unter CDU und FDP Abschied statt sinnvoller Investitionen. - Mit dieser Haltung von der Rolle als Vorreiter und als leuchtendes wird die Zukunft verspielt! Beispiel in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit. Die Zerschlagung des ökologischen Fachverstan- (Zustimmung bei der SPD) des durch die Landesregierung passt dazu wie die Faust aufs Auge. Der grundlegende Unterschied zwischen unserer Regierungszeit und Ihrer Regierungszeit ist im

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Investitionsverhalten zu suchen. Wir haben alle (Joachim Albrecht [CDU]: Doch, die Möglichkeiten wahrgenommen, um Investitionen ist schon sehr interessant!) zu fördern. Sie haben viele Möglichkeiten ignoriert. - - - sondern die Schuldenrelation im Verhältnis (Wilhelm Hogrefe [CDU]: Sie haben zum Einkommen. Die Schuldenquote liegt in auf Pump gefördert, Herr Harden!) Deutschland momentan bei 68 %. Das ist das Ver- hältnis von Bruttoinlandsprodukt - nein, von abso- - Sie haben wahrscheinlich überhaupt keine Ah- luten Schulden zum Bruttoinlandsprodukt. nung von Volkswirtschaft, sondern vielleicht ein bisschen von Buchhalterei. (Joachim Albrecht [CDU]: Verheddern Sie sich nicht noch mehr! Lassen Sie (Widerspruch bei der CDU) es lieber sein! - Weitere Zurufe - Glo- cke des Präsidenten) In Bayern gibt es eine Diskussion, weil die Investi- tionsquote des Landes Bayern auf einen histori- Wenn das Bruttoinlandsprodukt wächst, d. h. wenn schen Tiefstand gefallen ist. Sie liegt jetzt bei wir Wachstum haben, verringert sich automatisch 11,8 %. Sie lag einmal bei über 20 %. In Nieder- die Schuldenquote. Wenn Sie hier im Lande auf sachsen lag die Investitionsquote im Jahr 2006 bei die Bremse treten, dann steigt automatisch die 7,2 %. Das sind 4,6 Prozentpunkte Unterschied. Schuldenquote. Das haben wir in den letzten Jah- Bei unserem Haushalt macht das 1 Milliarde Euro ren festgestellt. aus. Wären in Niedersachsen in den letzten vier Jahren 1 Milliarde Euro mehr pro Jahr investiert (Beifall bei der SPD) worden, dann würden die Arbeitslosenzahlen an- ders aussehen und wären wir insgesamt sehr viel Sie haben am meisten Schulden gemacht, nicht weiter. wir!

(Beifall bei der SPD) (Lachen und Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Unruhe - Glo- Sie haben keine Ahnung von Volkswirtschaft. Alle cke des Präsidenten) Länder, die weiter vorangekommen sind, haben eine höhere Investitionsquote als Niedersachsen. Vizepräsident Ulrich Biel: Das ist das grundlegende Problem. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ta- (Beifall bei der SPD - Joachim Alb- gesordnungspunkte 26 und 27 heißen „Den Kli- recht [CDU]: Wenn wir die Schulden mawandel ernst nehmen - Erforderliche Investitio- nicht hätten, die Sie gemacht haben, nen in den Küstenschutz nicht länger verhindern“ dann könnten wir auch investieren! und „Klimaschutz auch in Niedersachsen!“. Eine Das ist das Problem!) Haushaltsdebatte führen wir jetzt nicht, meine Da- men und Herren. - Herr Harden, führen Sie die Vizepräsident Ulrich Biel: Debatte fort! Herr Albrecht, wenn Sie etwas sagen möchten, Uwe Harden (SPD): dann geben Sie einen Zettel ab. Dann muss das hier nicht so laut sein. - Herr Abgeordneter Harden, Herr Präsident, ich bemühe mich gerade um eine gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeord- Verbesserung des Klimas hier im Landtag. neten Althusmann? (Christian Dürr [FDP]: Grandios ge- scheitert! - Weitere Zurufe) Uwe Harden (SPD): Nein. Je mehr sich das Klima ändert, desto schwerer wiegen die Folgen für Mensch und Umwelt. Das ist (Lachen) auch in Niedersachsen eine Gestaltungsaufgabe. Davor können Sie nicht weglaufen. Das müssen Ich muss erst noch Herrn Albrecht eine Antwort auf Sie machen. seine Frage geben. Herr Albrecht, interessant ist nicht die Höhe der Schulden, - - - Wir verlangen ein Handlungskonzept und Maß- nahmenpaket von den die Landesregierung tra-

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genden Fraktionen und von der Landesregierung. Landesregierung noch jahrzehntelang an der Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen und Macht sein wird. anerkennen, dass auf internationaler und nationa- ler Ebene schon längst entschieden worden ist. (Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Hieran müssen Sie endlich Ihr Handeln zum Wohle den GRÜNEN: Sie müssen genau zu- Niedersachsens ausrichten. Bis zum Jahr 2020 hören, was ich gesagt habe! Aber das müssen die CO2-Emissionen um 30 bis 40 % re- steht dann im Protokoll!) duziert werden. - Das steht da drin! - Unglaublich ist aber, dass die Eine vernünftige und durchdachte Klimaschutzpo- Unterrichtungen, die Sie im Ausschuss bekommen, litik umfasst die konsequente Nutzung aller Poten- offensichtlich total an Ihnen vorbeigehen. Im Aus- ziale erneuerbarer Energien wie Wind, Wasser, schuss ist deutlich gesagt worden - das habe ich Sonne und Geothermie sowie die Weiterentwick- Ihnen gestern auch schon gesagt -, dass sich die lung der Technologien zur effizienten Nutzung von Zielsetzung von 25 cm Deicherhöhung an den in Energie. Norderney gemessenen Pegeln orientiert

Wir fordern Sie deshalb auf: Geben Sie die Untä- (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: tigkeit auf! Erarbeiten Sie ein Klimaschutzpro- Selbst das ist ja falsch!) gramm für Niedersachsen und legen Sie dem - nein -, dass dieser Wert wohl unter neuen As- Landtag ein Maßnahmenpaket mit realistischen pekten nicht zu halten ist, dass man mit anderen Zeitplänen vor! Tun Sie endlich, wofür Sie gewählt Werten rechnet und dass man diese jetzt mit der wurden! Wissenschaft abstimmen will. Ich halte das für (Beifall bei der SPD und bei den einen ganz vernünftigen Weg. GRÜNEN) Ich bewundere aber die Grünen. Sie wissen ganz genau, 80 cm sind nötig: 15 cm für die tektoni- Vizepräsident Ulrich Biel: schen Veränderungen und 65 cm für den Anstieg Für die CDU-Fraktion hat Frau Abgeordnete Za- des Meeresspiegels. chow das Wort. (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Nein, 59!) Anneliese Zachow (CDU): - Ich habe sogar aufgerundet. - Ich bewundere Sie Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und zutiefst ob Ihrer Dreistigkeit und Naivität! Herren! Der Klimawandel ist da. Wir alle - Politiker- innen und Politiker, aber auch ganz normale Die Grünen haben im Ausschuss vorgeschlagen, Verbraucher - sind aufgerufen, unseren Beitrag zur die Deiche nicht in Schritten, sondern gleich auf Begrenzung des Temperaturanstiegs an den je- einen Schlag um das notwendige Maß - vermutlich weiligen Stellen zu leisten. Darüber hinaus müssen 80 cm - kräftig zu erhöhen; das spare richtig Kos- wir uns natürlich mit den Folgen und der Begren- ten, denn man müsse nur einmal die Baustelle zung der Folgeschäden beschäftigen. Ich finde es einrichten und nur einmal den Deich öffnen. Als wichtig, erst einmal diesen Grundkonsens festzu- dann allerdings der richtige Fachmann aus dem halten. Der Teufel liegt dann aber - wie immer - im Umweltministerium erklärte, dass dies wegen des Detail. enormen Drucks und Setzens überhaupt nicht möglich sei, kam ein verständnisvolles Nicken des (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: gleichen Vertreters der Grünen. - So weit und so Sonst wäre es ja auch langweilig!) viel zu Ihren Patentrezepten!

Über den Antrag der Grünen kann ich wieder ein- (Beifall bei der CDU) mal nur staunen. Anschuldigungen gegenüber der Landesregierung, sie nehme den Anstieg des Meine Damen und Herren, Sie wissen aber auch, Meeresspiegels nicht zur Kenntnis und wolle die dass die Inseln im nächsten Schritt beim Küsten- verantwortungslose Politik in den kommenden schutzplan einbezogen werden sollen. Jahrzehnten fortsetzen, sind fehl am Platz. Aller- dings finde ich bei dieser Feststellung eines richtig (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: gut: Sie gehen nämlich davon aus, dass diese Warum sind sie jetzt nicht mit drin?)

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Auch das ist uns gesagt worden. Ihnen ist eben- Auch die Menschen in den Entwicklungs- und falls gesagt worden, dass auch Geld beim Bund für Schwellenländern haben Ansprüche. Auch sie mehr Küstenschutz beantragt wird. wollen am Wohlstand teilhaben. Wenn wir ihnen durch unsere technologischen Entwicklungen zei- (Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: gen, dass sich Wohlstand vom Ressourcen- Das wissen wir!) verbrauch entkoppeln lässt, dann haben wir Chan- cen, die Klimaveränderung zumindest zu verlang- Es ist also nicht so, dass nach uns die Sintflut samen, wenn sie schon nicht zu stoppen ist. kommt, wie Sie behaupten. Im Gegenteil, diese Landesregierung hat alles getan, um den Küsten- (Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig!) schutz nicht zu vernachlässigen. Finanzielle Kür- zungen des Bundes hat sie ausgeglichen. Darüber Dann haben wir auch Chancen, mit marktwirt- hinaus wird im Haushalt 2008 der Ansatz für den schaftlichen Instrumenten unseren Wohlstand zu Küstenschutz erhöht werden. erhalten und nicht auf Kosten anderer zu leben.

Bei der Vertiefung von Weser und Elbe hat die (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sicherheit der Deiche absolute Priorität. Das habe ich Ihnen schon wer weiß wie oft gesagt. Wir wer- Die steigenden Temperaturen, Sturmfluten, Orka- den das so lange wiederholen, bis auch Sie es ne und starken Niederschläge, aber auch lange begriffen haben. Dürreperioden werden ihre Auswirkungen auch hier in Niedersachsen haben. Das ist völlig un- Ehe ich zum Antrag der SPD-Fraktion komme, zweifelhaft. dem wir in großen Teilen zustimmen können, möchte ich noch auf Sie, lieber Herr Harden, und (Ingrid Klopp [CDU]: Sehr richtig!) Ihre Rede zu sprechen kommen. Das war Ihre Sie sprechen beispielhaft von der Veränderung klimapolitische Jungfernrede. Von daher kann man des Ökosystems Wald. Das Gleiche gilt für die das eine oder andere verzeihen. Sie müssten sich Nordsee. Wenn jemand vor einigen Jahren vor- einmal darüber informieren, was wirklich aus den ausgesagt hätte, dass sich die Dorade - ein richtig EFRE-Mitteln geworden ist. Sie müssten sich auch guter Mittelmeerfisch - in unseren Gewässern über die Brennstoffzellentechnologie informieren wohlfühlen würde, dann hätte man ihn für nicht lassen. Auch die Windenergie gehört nicht zu Ihren zurechnungsfähig erklärt. Trotzdem ist das einge- Stärken. Was das Energiesparmobil kostet, steht treten. im Haushalt, das kann man dort nachvollziehen. Ich meine, wir arbeiten das im Ausschuss ein biss- Die Landwirtschaft wird sich auf längere Vegetati- chen nach; dann werden wir das schon hinbe- onsperioden und andere Fruchtarten umstellen kommen. müssen. An diesem Thema wird intensiv geforscht, und zwar in Niedersachsen. Es werden Pflanzen Meine Damen, meine Herren, in einem Punkt sind gezüchtet, die wenig Wasser benötigen, und neue wir mit der SPD-Fraktion völlig einer Meinung. Anbaumethoden erprobt. Im wahrscheinlich recht Auch die CDU-Fraktion ist froh, dass es die Bun- trockenen östlichen Niedersachsen werden flach- desregierung besonders durch den Einsatz unse- wurzelnde Bäume wenig Überlebenschancen ha- rer Bundeskanzlerin, Frau Merkel, erreicht hat, ben. Auch dazu gibt es große Forschungspro- dass sich die EU dazu verpflichtet hat, ihren Bei- gramme. trag zum Klimaschutz zu leisten. Meine Damen und Herren, wenn sich Deutschland (Zustimmung bei der CDU) zur CO2-Reduzierung, zur Energieeffizienzsteige- Dies ist nicht nur notwendig, um die Folgen in noch rung und zu einem höheren Anteil an erneuerba- beherrschbaren Grenzen zu halten. Es ist auch ren Energien verpflichtet hat, dann muss selbst- eine wirtschaftliche Notwendigkeit und eine ethi- verständlich auch Niedersachsen seinen Beitrag sche Verpflichtung. Wenn 20 % der Menschheit dazu leisten. Beim Vergleich mit anderen Bundes- 80 % der Ressourcen verbrauchen und 80 % des ländern stehen wir allerdings gut da. Bei der Wind- energie und bei der Biomasse nimmt Niedersach- CO2-Ausstoßes verursachen, dann ist in dieser Welt etwas ungerecht verteilt. sen Spitzenpositionen innerhalb Deutschlands ein.

(Zustimmung bei der CDU) (Beifall bei der CDU)

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Bei der Erforschung der Brennstoffzelle, lieber Herr Ich habe aber einen positiven Aspekt gefunden. Harden, haben wir in nur drei Jahren den An- Sie sagen, Sie wollten sich für eine Erhöhung der schluss an die führenden Bundesländer geschafft. Küstenschutzmittel beim Bund einsetzen. Das freut Darauf sind wir stolz. mich sehr. Ich frage mich aber, warum das wäh- rend der Regierungszeit von Rot-Grün, als Sie in (Zustimmung bei der CDU) Berlin mitregiert haben, nicht passiert ist. Diese Frage muss man redlicherweise stellen dürfen. Bei der Frage der Kernenergie, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen, meine Damen und Herren, hat (Beifall bei der FDP und bei der CDU) man Ihnen ganz offensichtlich nur einen unvoll- ständigen Bericht von unserer Klimaschutzveran- Wenn wir davon ausgehen, dass sich Christde- staltung gegeben. Prof. Töpfer hat seine kritische mokraten, freie Demokraten und Grüne für den Einstellung gegenüber der Kernenergie ganz deut- Küstenschutz einsetzen, dann bedauere ich aus- lich gemacht. Aber - dies ist Ihnen wohl nicht be- drücklich, dass das bei der SPD anders ist. richtet worden - er war nicht gegen eine Verlänge- rung der Laufzeiten, allerdings unter einer Bedin- Ich habe hier eine Pressemitteilung, in der die SPD gung, nämlich wenn die Gewinne für die Strom- die Nutzung von EU-Mitteln für den Deichbau kriti- konzerne verpflichtend zum Ausbau erneuerbarer siert. Der Kollege Haase schreibt am 13. April Energien eingesetzt würden. Das ist ein Punkt, 2007 - ich glaube, er ist schon davongehoppelt, über den man sicherlich sprechen kann. wenn ich das richtig sehe -:

(Beifall bei der CDU) „Stattdessen mogelt Herr Wulff 112 Millionen Euro in Pflichtaufgaben Die Kernenergie stellt bei uns zweifelsfrei einen des Landes für Deichausbau und wichtigen Baustein zur CO2-Reduzierung dar, aber nennt das dann Umweltschutz. Das ist eben nur einen Baustein. mehr als peinlich für Niedersachsen!“

Meine Damen, meine Herren, ich habe die herzli- So weit Herr Haase. - Ich kann Ihnen, meine sehr che Bitte, das ganze Thema auch einmal global zu verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD- betrachten; denn dann spielt die Kernenergie eine Fraktion, nur sagen: Für Sie ist peinlich, dass Sie untergeordnete Rolle. Wir alle sollten uns davor sich um das Thema Küstenschutz schlicht und hüten, die Klimafrage immer wieder auf dieses einfach nicht mehr kümmern! Thema zu verengen. Das führt nicht weiter. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Alles in allem meine ich, dass wir in Fragen des Klimaschutzes nicht weit auseinander sind. Lassen Vizepräsident Ulrich Biel: Sie uns bei diesem Thema die gemeinsamen An- sätze ausbauen und nicht im Parteiengezänk nur Herr Abgeordneter Dürr, gestatten Sie eine Frage die Unterschiede pflegen! Ich bin sicher, dass wir des Abgeordneten Harden? so für das Klima mehr erreichen. - Herzlichen Dank. Christian Dürr (FDP):

(Beifall bei der CDU und bei der FDP) Ausdrücklich mit großer Freude!

Vizepräsident Ulrich Biel: Uwe Harden (SPD): Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Herr Kollege, vielleicht haben Sie überhört, dass Dürr das Wort. ich dazu Stellung genommen und gesagt habe, dass wir das Umwidmen nicht kritisieren, wenn Christian Dürr (FDP): man ansonsten mehr Mittel in Anspruch genom- men hätte. Insofern sind wir da nicht auseinander, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und sondern wir sind uns einig. Herren! Zunächst einmal zum Entschließungsan- trag der Grünen. Frau Zachow hat das ja schon Christian Dürr (FDP): ausgeführt: Es ist schon relativ anmaßend, dass ausgerechnet die Grünen ganz genau wissen Das nehme ich gerne auf. Das freut mich sehr. wollen, wie hoch einzelne Deiche sein sollten. Aber das müssten Sie dem Kollegen Haase aus

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Emden noch einmal sagen. Er kann ja dann Mich ärgert - das kommt manchmal auch von nächste Woche eine neue Pressemitteilung Herrn Gabriel -, dass Sie lieber Vorschläge ma- schreiben. chen, wie den Menschen die Glühbirnen oder das Fliegen zu verbieten, anstatt die privaten Haus- (Heiterkeit und Beifall bei der FDP halte beispielsweise durch eine Senkung der und bei der CDU) Stromsteuer zu entlasten, um dann mit einem Ein- stieg in die Versteigerung die Zusatzgewinne, die Ich nehme diesen Punkt gerne auf, Herr Harden. bei den Energieversorgungsunternehmen zurzeit Was das Thema Klimaschutz betrifft, sind wir uns entstehen, zu verhindern. im Ziel einig. Mein Eindruck ist lediglich, dass wir uns über den Weg, also über die Instrumente, Ich glaube, wir müssen die Klimaschutzdebatte noch nicht ganz einig sind. wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir müssen dort CO einsparen, meine Damen und Herren, wo Das Problem ist, dass es bei den Sozialdemokra- 2 dies am kostengünstigsten möglich ist, um am ten offensichtlich keine Konzepte gibt. Das habe Ende möglichst viel Klimaschutz zu erreichen. Die ich auch in Ihrer Rede erkennen können, Herr Zeit unsinniger Verbotsvorschläge muss endlich Harden. Das wird auch in Ihrem Antrag deutlich: vorbei sein. Es gibt nicht einen wirklich konkreten Vorschlag. Ausgerechnet das Instrument, das nachweislich Ich möchte mit einem Zitat des Bundesumweltmi- das effizienteste Klimaschutzinstrument überhaupt nisters schließen. Er hat am 8. März der Passauer ist, findet in Ihrem Antrag überhaupt keine Erwäh- Neuen Presse gesagt: „Wenn wir so weiterma- nung und wurde von Ihnen während Ihrer Regie- chen, haben die Menschen am Ende mehr Angst rungszeit in Berlin nur widerwillig und nur auf vor dem Klimaschutz als vor dem Klimawandel.“ Druck der Europäischen Union eingeführt, nämlich der Emissionshandel. (Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin froh, dass Sie sich - auch in Ihrem Antrag - Vizepräsident Ulrich Biel: von der Vorstellung verabschiedet haben, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz das Allheilmittel Für die Landesregierung hat nun Herr Minister ist. Zum Glück kommt es weder in Ihrem Antrag Sander das Wort. noch in dem der Grünen vor. Meine Damen und Herren, wir müssen uns darauf konzentrieren, dass Hans-Heinrich Sander, Umweltminister: wir gerade die marktwirtschaftlichen Instrumente wie den Emissionshandel mehr stärken. Da bleibt Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und mir nur festzustellen, dass die SPD, insbesondere Herren! Klimawandel, Klimafolgen, Klimaschutz in der vergangenen Regierungszeit in Berlin, vor - das sind Worte dieser Tage. Wie jüngst in den der Industrie komplett eingeknickt ist, ARD-Tagesthemen dargestellt, befürchten die einen, dass in Deutschland riesige Überschwem- (Zustimmung bei der CDU) mungen stattfinden können, und die anderen, dass unter den dann gegebenen klimatischen Bedin- und zwar erstens, was die Festlegung der Ge- gungen keine Nahrungsmittel mehr produziert samtemissionsmenge betrifft - dies haben die Grü- werden können. nen übrigens freundlich mitgemacht - und zwei- tens, was das Thema Versteigerung von Emissi- Es ist verständlich, dass die SPD dazu dann einen onszertifikaten betrifft. Auch dort sind Sie einge- Antrag einbringt. Bundesumweltminister Gabriel knickt. Leider haben Sie den Emissionshandel für hat gestern auch ein Acht-Punkte-Programm prä- Niedersachsen zum Teil so kompliziert gemacht, sentiert und Ziele formuliert. Leider hat er aber dass sich insbesondere kleine und mittlere Unter- nicht die Realisierungschancen dargestellt. Nur nehmen sehr hohen Verwaltungskosten gegenü- Ziele vorzustellen, ohne sie mit Aussagen zu den bersahen. Also: Kriechen Sie bei diesem Thema, Realisierungschancen zu unterlegen, ist zu wenig. insbesondere beim Thema Versteigerung - das sage ich jetzt in Richtung beider Koalitionäre -, Herr Kollege Harden, ich will Ihnen kurz etwas zur nicht vor der Industrie und den Energieversor- Brennstoffzelle sagen, weil Sie darüber offenbar gungsunternehmen zu Kreuze. nicht informiert sind. Gerade in diesem Bereich haben wir in den vergangenen vier Jahren sehr viel getan. Wir haben 9 Millionen Euro in der Ver-

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gangenheit eingesetzt und weitere 6 Millionen (Zustimmung von Christian Dürr Euro für die Zukunft eingeplant. Für das Energie- [FDP]) sparmobil - auch das können Sie im Haushalt nachlesen - stellen wir 380 000 Euro zur Verfü- Wenn uns die Opposition nun dazu aufruft, unsere gung. Diese Zahlen sagen aber noch nichts über Anstrengungen noch zu vergrößern, dann kann ich die Anstrengungen aus, die die Landesregierung das zwar unterstützen. Besser aber wäre es, wenn insgesamt unternimmt. sie zur Kenntnis nehmen würde, dass wir dieser Aufforderung schon seit Langem nachkommen. Gegenwärtig wird auf Bundesebene darüber dis- Meine Damen und Herren, über den Küstenschutz, kutiert, die CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 30 % zu sen- Herr Kollege Janßen, haben wir in der Vergangen- ken. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass wir heit, zuletzt gestern, schon genügend diskutiert. Es einen Teil schon erreicht haben - allerdings nur ist schon interessant: Wenn man mit Ihnen und deshalb, weil seit 1990 die Schwerindustrie in den den örtlichen Vertretern außerhalb des Plenarsaals ostdeutschen Ländern weggebrochen ist. über diese Fragen diskutiert, besteht völlige Über- einstimmung über das, was technisch möglich ist. Meine Damen und Herren, auf die Kernenergie will Dann spielen die Forderungen, die Sie hier im ich jetzt nicht eingehen, weil dieser Punkt in der Plenum immer wieder erheben, keine Rolle mehr. Vergangenheit auch in diesem Hause immer wie- Insofern sollten Sie den Appell der Regierungs- der betrachtet worden ist. Ich finde den Vorschlag fraktionen ernst nehmen und hier keinen Popanz von Frau Zachow bemerkenswert, nämlich dieses aufzubauen, sondern realistisch an die Sache he- Thema global und nicht nur auf Niedersachsen rangehen. Das, was aufgrund der uns vorliegen- beschränkt zu betrachten. den Prognosen notwendig ist, müssen wir berück- sichtigen, nicht aber all die überzogenen Forde- Meine Damen und Herren, die drei niedersächsi- rungen. schen Kernkraftwerke führen zu einer Vermeidung von 25 Millionen t CO2 pro Jahr. Wenn wir sie ab- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) schalten und durch Kohlekraftwerke ersetzen wür- Meine Damen und Herren, was die Anstrengungen den, würden jährlich zusätzlich 25 Millionen t CO2 erzeugt. Dies bewusst in Kauf zu nehmen, gleich- ganz allgemein anbelangt, kommt es auch auf die großen Parteien an, die in Berlin regieren. Die zeitig aber das Ziel anzustreben, die CO2-Emis- sionen zu verringern, steht in einem Widerspruch Mittel müssen aufgestockt werden; das ist gestern zueinander. auch schon gesagt worden. Ich gehe davon aus, dass wir, wenn wir selber einen Beitrag leisten, mit Meine Damen und Herren, wir müssen gemeinsam unseren Vorstellungen in Berlin auf offene Ohren erreichen, nicht nur in Niedersachsen, dass wir treffen. Wir haben unseren guten Willen in der Wachstum und Klimaschutz in Einklang bringen. Vergangenheit dadurch bestätigt, dass wir pro Jahr Das ist eine große Herausforderung; denn mit durchschnittlich 45 Millionen Euro - im Jahr 2005 jedem Wachstum ist auch ein Mehr an Energie- sogar 3 Millionen Euro zusätzlich - für den Küsten- verbrauch verbunden. Wenn wir den Industrie- schutz bereitgestellt haben. Daran sehen Sie se- standort Niedersachsen erhalten wollen, brauchen hen, dass der Küsten- und der Menschenschutz wir preiswerte Energie. Wenn wir international bei dieser Landesregierung gut aufgehoben sind. wettbewerbsfähig bleiben und gleichzeitig vorbild- lich unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten wol- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) len, müssen wir die Balance zwischen Ökonomie Meine Damen und Herren, der Klimaschutz ist bei und Ökologie auf jeden Fall herstellen. dieser Landesregierung in den besten Händen. Die Meine Damen und Herren, Niedersachsen - der Nachhaltigkeitsstrategie ist einer der Punkte, an Ministerpräsident hat es Ihnen heute morgen noch denen wir uns orientieren müssen. In den Aus- einmal dargelegt; ich möchte es aber trotzdem schüssen werden wir Ihnen unsere Erfolge noch wiederholen, damit es Ihnen klar wird - ist Spitze einmal deutlich darstellen. - Herzlichen Dank. bei den erneuerbaren Energien. 40 % der Leistung (Beifall bei der FDP und bei der CDU) von Biogasanlagen kommen aus Niedersachsen. Wir sind Spitze bei der Windenergie und auch bei der Erzeugung von Biokraftstoffen ganz vorn.

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Vizepräsident Ulrich Biel: Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich den Ausschuss für Bundes- und Europaangele- der Abgeordnete Janßen zu Wort gemeldet. Sie genheiten und Medien überwiesen werden. Wer haben noch eine Redezeit von 1:12 Minuten. dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzei- chen. - Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthal- Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): tungen? - Das ist nicht der Fall.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu Minister Sander, was das Einwerben zusätzlicher Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse- rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ angeht, besteht zwischen uns kein Dissens. Das Tagesordnungspunkt 37: habe ich vorhin auch gesagt. Mehr Transparenz durch die Novellierung des Vieh- und Fleischgesetzes - Antrag der (Oh! bei der CDU und bei der FDP) Fraktion der SPD - Drs. 15/3716 Sie haben in Ihrem Redebeitrag ein Gespräch erwähnt, das wir gestern über einen bestimmten Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die- Deichabschnitt im Bereich des Jadebusens geführt ser Antrag ohne Beratung direkt an die Ausschüs- haben. Darin ging es auch darum, dass der An- se überwiesen werden soll. stieg des Meeresspiegels die dortige Situation in Federführend soll der Ausschuss für den ländli- besonderer Weise verschärft. Es ist klar, dass an chen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und dieser nicht tragfähigen Deichstrecke eine Deich- Verbraucherschutz sein, mitberatend der Aus- baumethode gewählt werden muss, die auch der schuss für Bundes- und Europaangelegenheiten zukünftigen Entwicklung Rechnung trägt. Insofern und Medien. Wer dem zustimmen will, den bitte ich gehen wir davon aus, dass die Landesregierung um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen bei ihren Bauvarianten ausreichende Sicherheits- oder Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. margen einkalkuliert, um den sich ändernden Be- dingungen tatsächlich Rechnung zu tragen. Denn Dann rufe ich auf dort ist die Situation tatsächlich so miserabel, dass die Gefahr besteht, dass es im nächsten Winter zu Deichbrüchen oder Ähnlichem kommen kann. Tagesordnungspunkt 38: (Beifall bei den GRÜNEN) Erste Beratung: Erdkabel statt Hochspannungsfreileitun- Vizepräsident Ulrich Biel: gen - Bedenken der Bevölkerung Rech- Meine Damen und Herren, es liegen keine weite- nung tragen! - Antrag der Fraktion der SPD - ren Wortmeldungen vor. Drs. 15/3717

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. und

Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 26 soll zur federführenden Beratung an den Umweltaus- schuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Tagesordnungspunkt 39: den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft Erste Beratung: und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Inne- Belastungen von Mensch und Natur mini- res und Sport sowie den Ausschuss für Haushalt mieren - Hochspannungsleitungen unterir- und Finanzen überwiesen werden. Wer dem zu- disch verlegen - Antrag der Fraktion Bündnis stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - 90/Die Grünen - Drs. 15/3719 Gibt es Gegenstimmen oder Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 38 wird von der Abgeordneten Geuter von der SPD-Fraktion Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 27 soll zur eingebracht. Frau Geuter, Sie haben das Wort. federführenden Beratung an den Umweltaus- schuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für

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Renate Geuter (SPD): sich die Niedersächsische Landesregierung, wie aus den Plenarprotokollen von Februar und April Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 2005 zu entnehmen ist, Ausbau von Stromnetzen in Niedersachsen ist nicht nur deshalb erforderlich, weil Leitungszubau- (David McAllister [CDU]: Wo ist ei- ten von Windenergieanlagen im Nordwesten unse- gentlich Herr Jüttner?) res Landes aufgenommen werden mussten, wie dies gerade auch von Kritikern der Windenergie in noch beim ersten Antrag zum Bau einer Freileitung diesem Hause immer wieder behauptet wurde. von Ganderkesee nach St. Hülfe auf den Stand- Inzwischen ist unbestritten, dass der Ausbau und punkt gestellt, der Antragsteller habe in seinem die Ertüchtigung von Leitungsnetzen die Möglich- Antrag ausreichend dargelegt, weshalb für ihn eine keiten für den europäischen Stromhandel deutlich Erdverkabelung nicht infrage komme, und dass die verbessern und von daher sowohl für die Energie- Landesregierung keinerlei Veranlassung sehe, die versorgungsunternehmen als auch für die Netz- Realisierungsmöglichkeiten von technischen Alter- betreiber von großem wirtschaftlichen Interesse nativen wie z. B. Erdkabel und GIL überhaupt zu sind. prüfen.

Die Art der Ausführung von Hoch- und Höchst- (Hört, hört! bei der SPD - David McAl- spannungsfreileitungen in Niedersachsen ist seit lister [CDU]: Der Jüttner fehlt bei die- mehr als zwei Jahren auch in diesem Hause immer ser wichtigen Debatte!) wieder thematisiert worden. Bei aller Unterschied- Erst die Ergebnisse einer öffentlichen Anhörung lichkeit der Argumentationen lässt sich auch eine hier im Niedersächsischen Landtag im Mai 2005 Gemeinsamkeit feststellen: Alle Fraktionen spre- und die Vielzahl der Einwendungen gegen den chen sich in ihren vorliegenden Anträgen für einen Bau der beantragten Freileitung haben dazu ge- Vorrang der Erdverkabelung vor dem Bau einer führt, dass die Landesregierung auf öffentlichen Freileitung aus. Druck hin ein ergänzendes Gutachten unter dem (Beifall bei der SPD) Titel „Vergleichsstudie zu Übertragungsalternativen Freileitung, Kabel und gasisolierte Leitung“ in Auf- Der Niedersächsische Ministerpräsident und auch trag gegeben hat. andere Vertreter der Landesregierung haben sich noch in den letzten Tagen öffentlich und ausdrück- Dass nicht beabsichtigt war, die Ergebnisse dieses lich zum Ziel der unterirdischen Netzanbindung Gutachtens zum Überdenken der eigenen Ein- bekannt und sogar angekündigt, Niedersachsen schätzung zu nutzen, zeigt die Aussage des nie- werde eine Vorreiterrolle in Sachen Erdverkabe- dersächsischen Landwirtschaftsministers im Land- lung einnehmen. tag am 26. Januar 2006, der seine ein Jahr zuvor gemachte Aussage bekräftigte: Wenn ein An- Diese öffentlichen Bekundungen lassen eigentlich tragsteller eine Freileitung beantrage, werde im vermuten, dass das Land Niedersachsen in den Raumordnungsverfahren auch nur dieser Antrag letzten Jahren alle möglichen Anstrengungen un- bedacht, behandelt und geprüft. ternommen hat, um dieses Ziel auch zu erreichen. Die Realität sieht leider ein wenig anders aus. Dann fragen wir uns natürlich: Welche Ursache hatte denn diese in Auftrag gegebene Vergleichs- (Zustimmung bei der SPD) studie? War es nur ein Placebo für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger? Die Europäische Kommission hatte bereits im De- zember 2003 in einem Hintergrundpapier empfoh- (Beifall bei der SPD) len, die Engpässe im Stromnetz durch den Bau von Erdkabeln möglichst schnell zu beheben. Der Bei allen Defiziten des von ForWind erstellten Gut- Europaabgeordnete der CDU, Herr Professor achtens - diese haben sich nicht zuletzt aus der Mayer, hat in einem Schreiben vom Februar 2005 Aufgabenstellung ergeben - kommen die Gutach- ebenfalls darauf verwiesen, dass der Bau einer ter zu einem eindeutigen Ergebnis: Alle drei Lei- unterirdischen Leitung mit der GIL-Technik nicht tungsarten - Freileitung, Kabel und GIL - sind für über den Stand der Technik und der Wissenschaft die Übertragungsaufgabe für die 380-kV-Leitung hinausgeht und von daher auch nicht als ein EU- grundsätzlich geeignet. Pilotprojekt gefördert werden kann. Dennoch hat

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Trotzdem findet sich auch jetzt aktuell in der Ein- sachsen bisher an keiner Stelle Berücksichtigung zelbegründung zum Landes-Raumordnungspro- gefunden. gramm 2007 die Aussage, dass Erdkabel beson- ders bei Hoch- und Höchstspannungsleitungen (Beifall bei der SPD und Zustimmung generell nicht dem Stand der Technik entsprächen. bei den GRÜNEN) Das spricht nicht gerade für eine Vorreiterrolle in Ich verweise auch auf die Argumentation zum vo- Sachen Erdverkabelung. rangegangenen Tagesordnungspunkt. (Beifall bei der SPD - Christian Dürr Die Schneekatastrophe im Münsterland Ende [FDP]: Wo steht das, Frau Geuter?) 2005, aber auch die Auswirkungen des Orkans Es bietet aber allen Netzbetreibern gute Argu- Kyrill haben uns deutlich gezeigt, dass Freileitun- mentationsmöglichkeiten, bei ihrer bisherigen star- gen eben nicht die hohe Versorgungssicherheit ren Haltung zu einer unterirdischen Netzanbindung bieten, wie sie ihnen sehr lange unterstellt worden zu bleiben und alle innovativen, neuen Möglich- ist und wie es auch noch das Gutachten von For- keiten zu vermeiden. Wind fälschlicherweise tut. Nach einer Stellung- nahme von dpa sind für 80 % der Stromausfälle in (Beifall bei der SPD) den letzten Jahren gerissene Freileitungen ver- antwortlich gewesen, auf die umstürzende Bäume Alle bisher vorliegenden Zahlen zu den Mehrkos- oder Äste gefallen waren. ten für eine Erdverkabelung oder eine GIL-Leitung weisen einen erheblichen Mangel auf: Sie berück- Vizepräsident Ulrich Biel: sichtigen lediglich die betriebswirtschaftlichen In- vestitionskosten des Netzbetreibers. Eine volkwirt- Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischen- schaftliche Betrachtungsweise, die mehrfach auch frage des Abgeordneten McAllister? von Mitgliedern der Regierungsfraktionen vor Ort gefordert worden ist, ist bis heute nicht vorgenom- Renate Geuter (SPD): men worden. Nein. (Zustimmung bei der SPD) (Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU Diese volkwirtschaftliche Betrachtungsweise würde - David McAllister [CDU]: Haben Sie nämlich auch die Belastungen für die Allgemein- Angst?) heit durch den Bau einer Freileitung, die unter- schiedlichen Planungsvoraussetzungen und die Herr McAllister führt schon die ganze Zeit Selbst- Realisierungsdauer mit zu berücksichtigen haben gespräche. Das kann er dann auch fortsetzen. und zu völlig anderen Ergebnissen kommen als die Auch alle bisherigen Annahmen zur voraussichtli- Ihnen bisher vorliegenden Zahlen. chen kurzen Reparaturdauer von Freileitungen In der schon zitierten Einzelbegründung zum Lan- sind inzwischen von der Realität überholt worden. des-Raumordnungsprogramm wird weiterhin der Leider hat die Landesregierung bisher nicht erken- Eindruck erweckt, dass die Belastungen der Um- nen lassen, dass und in welcher Form sie diese welt bei einer unterirdischen Netzanbindung höher aktuellen Erkenntnisse in ihre Bewertung mit ein- seien als beim Bau einer Freileitung. Die Tatsa- fließen lässt. chen sprechen eine deutlich andere Sprache. Seit zwei Jahren und auch jetzt aktuell wird von Das will ich nur an einem Beispiel deutlich ma- den Vertretern der Landesregierung und der Re- chen. Bei einer gasisolierten Leitung von 60 km gierungsfraktionen immer wieder die Mitverant- Länge spart man jährlich mehr als 10 Millionen wortung des Bundes eingefordert. Das ist im Prin- Euro dadurch ein, dass dieses unterirdische Netz zip in Ordnung. Die Große Koalition in Berlin bietet erheblich weniger Durchleitungsverluste verursacht Ihnen die Möglichkeit, Ihren Einfluss geltend zu als eine Freileitung. Damit würden jährlich machen. 58,3 Millionen kg CO weniger an die Umwelt ab- 2 (Hans-Christian Biallas [CDU]: Wer ist gegeben. Dies wäre ein wesentlicher Beitrag zum denn der Minister?) Klimaschutz. Diese Argumentation hat in Nieder-

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- Der Wirtschaftsminister, der für ganz wesentliche Abgeordnete Geuter so verstanden, dass sie keine Teile zuständig ist, heißt Glos. Zwischenfrage zulässt.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich Renate Geuter (SPD): dachte an den Umweltminister!) Richtig. Allerdings bleibt festzustellen, dass die einzige Aktivität des Landes Niedersachsen im Bundesrat (Beifall bei der SPD - Zurufe von der zu diesem Thema bisher darin bestand, sich im CDU) Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der Vor- gängerbundesregierung zur Beschleunigung von Neben der 380-kV-Leitung von Ganderkesee nach Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben ge- St. Hülfe und der in der aktuellen Diskussion be- meinsam mit anderen Bundesländern gegen eine findlichen Leitung von Wahle nach Mecklar, die Sonderregelung für Erdverkabelung auszuspre- jetzt offensichtlich nicht mehr im Schnellverfahren chen. durchgepeitscht werden soll, sind weitere Netzauf- bauten in den nächsten Jahren auch in Nieder- (Frauke Heiligenstadt [SPD]: Hört! sachsen geplant. Vor diesem Hintergrund be- Hört! - Christian Dürr [FDP]: Das hat kommt die Aussage der E.ON AG gegenüber dem Ihre eigene Fraktion beantragt! Ich Niedersächsischen Ministerpräsidenten im Hinblick habe hier die Änderungsanträge!) auf seinen Vorschlag, ein Pilotprojekt für eine Erd- verkabelung durchzuführen, eine besondere Be- Dabei wäre es für die Verbraucher nur um Cent- deutung. Der Netzbetreiber hat diesen Wunsch beträge gegangen. u. a. mit der Begründung abgelehnt, man befürch- te, dass damit die Erdverkabelung grundsätzlich Vizepräsident Ulrich Biel: zum Stand der Technik werde.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischen- Das zeigt uns ganz deutlich: Die erste Entschei- frage des Abgeordneten Althusmann? dung für einen Netzausbau in Niedersachsen wird als Präzedenzfall auch für alle anderen Leitungs- Renate Geuter (SPD): trassen Gültigkeit haben. Wenn es also darum geht, der Erdverkabelung den Vorrang einzuräu- Nein. men, und es alle ernst damit meinen, sind jetzt alle (Beifall bei der SPD - Lachen bei der Parteien und die Landesregierung aufgefordert, CDU) dies nicht nur öffentlich zu fordern, sondern auch alle Möglichkeiten zu nutzen, um dies auch tat- Auf andere Initiativen, z. B. auch in den Bundesre- sächlich umzusetzen. gelungen eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrach- tung vorzusehen, wie dies auch vom Niedersäch- (Beifall bei der SPD) sischen Städte- und Gemeindebund mehrfach Niedersachsen hat in diesem Jahr das Thema gefordert worden ist, warten wir bis heute vergeb- „Innovation“ ganz vorne auf seine Fahnen ge- lich. Niedersachsen hat sich bisher an keiner Stelle schrieben. Wir haben hier die Möglichkeit, mit ver- gegen die vom Bundeswirtschaftsministerium zu einten Kräften eine innovative Technologie durch- verantwortende, ökologisch unsinnige Regelung zusetzen und damit in Niedersachsen tatsächlich ausgesprochen, die vorsieht, dass die Kosten für eine Vorreiterrolle einzunehmen. Darüber sollten die Durchleitungsverluste bei Freileitungen auf die wir in den zuständigen Ausschüssen reden. - Dan- Kunden umgelegt werden dürfen. ke schön. (Beifall bei der SPD - Christian Dürr (Starker Beifall bei der SPD) [FDP]: Das hat Ihre Fraktion im Deut- schen Bundestag beantragt!) Vizepräsident Ulrich Biel: Vizepräsident Ulrich Biel: Der Abgeordnete McAllister hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Frau Abgeordnete, einen Augenblick, bitte! - Herr Biallas hat sich zu Wort gemeldet. Ich habe die

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David McAllister (CDU): (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Frau Kollegin, da Sie die Zwi- Da muss ich schon sagen: Die Bevölkerung hat ein schenfragen der CDU-Fraktion nicht zugelassen Anrecht darauf, dass Dinge, die in der Öffentlich- haben, habe ich mich kurz zu Wort gemeldet. Ich keit, an der Küste und andernorts, thematisiert habe Ihren Ausführungen mit Interesse gelauscht. werden, auch hier im Parlament vertreten werden. Sie haben ein wichtiges Thema angesprochen. In dieser Woche gibt es ein unglaubliches Gefälle zwischen dem, was draußen im Lande gesagt (Lachen bei der SPD) wird, und dem, was hier im Parlament behandelt Vor dem Hintergrund der Bedeutung dieses The- wird. Darauf wollten wir hinweisen. mas und vor dem Hintergrund der öffentlichen (Beifall bei der CDU und bei der FDP - Einlassungen Ihres Fraktionsvorsitzenden in den Widerspruch bei der SPD - Heinrich letzten Tagen zu diesem Thema frage ich Sie: Aller [SPD]: Jetzt ist auch der nicht Können Sie sich erklären, wo Ihr Fraktionsvorsit- zuständige Minister vor Angst wieder- zender ist? - Ich finde, es wäre angemessen ge- gekommen!) wesen, dass der Oppositionsführer, wenn er sich schon öffentlich äußert, auch den Mut gehabt hät- te, in der Landtagsdebatte anwesend zu sein. Vizepräsident Ulrich Biel: Meine Damen und Herren, wir müssen uns jetzt (Lebhafter Beifall bei der CDU und bei einig werden, ob wir hier die aufgerufenen Tages- der FDP) ordnungspunkte 38 und 39 behandeln oder ob wir uns über die Präsenz und Abwesenheit von Abge- Vizepräsident Ulrich Biel: ordneten unterhalten sollten. Die Antwort kommt vom Abgeordneten Möhrmann. (David McAllister [CDU]: Das ist unser (Hans-Christian Biallas [CDU]: Ist das Thema! - Hans-Christian Biallas der Fraktionsvorsitzende?) [CDU]: Herr Jüttner ist ja augenblick- lich weg!)

Dieter Möhrmann (SPD): Herr Ministerpräsident, ich habe das - - -

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und (Weitere Zurufe von der CDU - Glocke Herren! Herr McAllister, man kann über die Anwe- des Präsidenten - Wolfgang Jüttner senheit von Parlamentariern während einer De- [SPD] betritt den Saal - Beifall bei der batte streiten. Worüber man nicht streiten kann, ist CDU und bei der FDP) die Anwesenheit des Wirtschaftsministers bei einer solchen Debatte. Meine Damen und Herren, wir fahren - - -

(Starker Beifall bei der SPD) (Anhaltende Zurufe von der CDU - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das Thema Christian Wulff, Ministerpräsident: scheint nicht zu interessieren!) Mal langsam! Herr Kollege Möhrmann, Sie sind Meine Damen und Herren, der Abgeordnete uns zwar lieber als Ihr Fraktionsvorsitzender, aber Möhrmann hat sich zu Wort gemeldet. Die SPD- man muss schon darauf hinweisen, dass diese Fraktion hat noch 1:50 Minuten Redezeit. Frage fachlich im Zuständigkeitsbereich des nie- dersächsischen Ministers für Raumordnung liegt Dieter Möhrmann (SPD): und dass ich als Ministerpräsident gerade zu die- sem Punkt hier bin, weil ich einmal in dieser Wo- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und che erleben wollte - von Käuflichkeit durch die Herren! Herr Ministerpräsident, ich hätte mir ge- Tabakindustrie bis zum JadeWeserPort -, dass Ihr wünscht, dass Sie in dieser Frage die Position der Fraktionsvorsitzender in die Bütt geht. Er führt die SPD-Landtagsfraktion unterstützt hätten, Debatten überall draußen im Land, verunsichert (Hans-Christian Biallas [CDU]: Wel- die Menschen und verängstigt sie, und hier im che?) Parlament sucht er immer das Weite.

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weil auch Sie in der Öffentlichkeit den Eindruck nigungsgesetz zu, das genau das verhindert, was erweckt haben, es sei Ihnen ernst, offenbar alle Fraktionen hier wollen. Sie haben das Energiewirtschaftsgesetz so geändert, dass eine (Wolfgang Jüttner [SPD]: Dem ist nie Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen etwas ernst!) faktisch nicht möglich ist. So einfach, wie Sie, mei- ne Damen und Herren von der SPD, es in Ihrem wenn es darum geht, die Erdverkabelung durchzu- erneuten Antrag formulieren, geht es leider nicht. setzen. Was hier abläuft, ist eine taktische Varian- Auch wenn wir hier gemeinsam so beschließen, te. wie Sie das in Ihrem Antrag fordern, werden wir die (Christian Dürr [FDP]: Dazu sage ich Freileitungen bekommen, egal ob sie über das Ihnen gleich etwas!) Landes-Raumordnungsprogramm oder nachfol- gend in einem Raumordnungsverfahren festgelegt Sie trauen sich nicht mehr, das kalt durchzuziehen, werden. sondern setzen jetzt darauf, dass neu diskutiert wird, dass Zeit ins Land geht und dass dann das Wir können den Feststellungen in Ihrem Antrag umgesetzt wird, was E.ON und andere wollen, natürlich zustimmen. Die Ausnahmetatbestände im nämlich Leitungen über der Erde. Deswegen, mei- LROP, also im Landes-Raumordnungsprogramm, ne Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, müssen reduziert werden. Selbstverständlich ist glaube ich, wäre es besser, Sie würden Ihre Zeit bei der Betrachtung der Kosten eine volkswirt- darauf verwenden, schaftliche Gesamtbetrachtung erforderlich. Dass bei Freileitungen immense Kosten auf die betroffe- (Karin Stief-Kreihe [SPD]: Zur Sache nen Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden, zu reden!) die sich nach geltender Rechtslage kaum dagegen wehren können, ist völlig unhaltbar. Wer will letzt- sich hinter diese Forderung zu stellen, als sich endlich ein Haus kaufen, an dem in 50 m oder Sorgen über die Anwesenheit des Oppositionsfüh- 100 m Entfernung eine 380-kV-Leitung oberirdisch rers zu machen. vorbeiführt? - Es stellt sich dann auch die Frage, (Lebhafter Beifall bei der SPD) welche Bank dann noch bereit ist, solche Immobi- lien zu beleihen.

Vizepräsident Ulrich Biel: Meine Damen und Herren von der SPD, Ihr Antrag Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, in allen Ehren - erzählen Sie das aber auch einmal dass wir jetzt in der Tagesordnung fortfahren und Ihren Parteifreunden im Bund. Wer hat denn mit dass dann diejenigen Redner hier am Mikrofon dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz sprechen, die ich vorher aufgerufen habe. das Energiewirtschaftsgesetz im Dezember letzten Jahres so geändert, dass eine unterirdische Verle- Herr Janßen, Sie haben für die Fraktion Bünd- gung von Erdkabeln fast ausgeschlossen ist? - nis 90/Die Grünen das Wort. Das war die Große Koalition. Das waren CDU und SPD auf Bundesebene. Die Landesregierung hat Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): dem selbstverständlich zugestimmt, obwohl CDU und FDP hier im Landtag etwas ganz anderes Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und beantragt haben und vor Ort auch anders reden. Herren! Zunächst kann ich mich eigentlich erst einmal freuen. Offenbar wollen alle Fraktionen (Beifall bei den GRÜNEN) dieses Hauses die unterirdische Verlegung von Höchstspannungsleitungen. Zumindest haben alle Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, das Fraktionen entsprechende Anträge im Jahre 2005 Energiewirtschaftsgesetz genau zu lesen, werden gestellt. In der Sache passiert jedoch nichts, bzw. Sie feststellen, dass dort in § 21 a die Formulie- die Landesregierung tut genau das Gegenteil von rung zu finden ist, dass möglicherweise höhere dem, was die Fraktionen fordern. Kosten bei der Erdverkabelung zwar grundsätzlich bei den Netznutzungsentgelten umgelegt werden Die landesplanerische Feststellung für die Freilei- können, aber nur wenn das Erdkabel durch einen tung Ganderkesee - Sankt Hülfe ist erteilt, aber im Planfeststellungsbeschluss zugelassen ist. Wenn Bundesrat stimmte die Regierung Wulff Ende letz- Sie in diesem Gesetz weiter nachforschen, auf ten Jahres einem Infrastrukturplanungsbeschleu- welcher Rechtsgrundlage ein solcher Planfeststel-

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lungsbeschluss ergehen soll, werden Sie nichts wenn diese hier ihre Probleme mit den Freileitun- finden, jedenfalls nichts für 380-kV-Leitungen. Es gen vortragen. gibt somit keine fachrechtliche Grundlage für Erd- kabel im Höchstspannungsbereich. Daraus erge- Herr Wulff, wenn Sie in einem Gespräch mit den ben sich zwei Konsequenzen: von den Freileitungen zwischen Ganderkesee und Sankt Hülfe Betroffenen im Januar dieses Jahres Erstens. Eventuelle Mehrkosten werden bei der hier in Hannover gesagt haben, Sie würden mit der Festsetzung von Netznutzungsentgelten durch die E.ON reden wollen, aber leider seien Ihnen recht- Bundesnetzagentur nicht anerkannt. lich die Hände gebunden, dann ist das fast schon eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Sie spie- Zweitens. Ohne Planfeststellungsverfahren be- len hier das Unschuldslamm. Sie haben aber ge- kommen Sie rein organisatorisch eine Erdverka- nau dieses Recht, das Ihnen die Hände bindet, belung kaum hin. Ein Energieversorgungsunter- selbst mit beschlossen. Herr Ministerpräsident, ein nehmen müsste für die Gesamtstrecke unzählige solches Verhalten gegenüber den Betroffenen ist Einzelgenehmigungen beantragen, z. B. für die unglaubwürdig. Querung von Gewässern und für die Querung von Straßen. Die Verfahren könnten natürlich einzeln (Beifall bei den GRÜNEN) vor jedem Gericht landen. Im Übrigen könnte jeder betroffene Grundstückseigentümer gesondert kla- Ohne eine Änderung des Energiewirtschaftsgeset- gen. zes können wir in das Landes-Raumordnungs- programm hineinschreiben, was wir wollen. Bei der Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass geltenden Rechtslage werden wir die Erdkabel zurzeit kein Energieversorgungsunternehmen eine nicht hinkriegen, selbst wenn die Landesregierung Erdverkabelung beantragt. Völlig unabhängig da- in dieser Sache guten Willens wäre, was ich ihr von ist zu sagen, dass das, was Frau Geuter vor- übrigens angesichts des Verhaltens in der Ver- hin gesagt hat, richtig ist, nämlich dass die Unter- gangenheit ausdrücklich nicht zubillige. Von wohl- nehmen diesen Präzedenzfall scheuen, weil sie feilen Worten hier im Hause hat niemand etwas. sonst in die Bredouille kämen, überall entspre- Wir haben Ihnen mit unserem Antrag einen Weg chend agieren zu müssen. aufgezeigt, wie dieser Murks aus dem Bundesge- setz wieder herauszubekommen ist. Wenn Sie Meine Damen und Herren von der CDU und FDP, andere praktikable Lösungen haben, so sind wir man mag der Landesregierung bei etwas gutem für diese durchaus offen. Insofern hoffe ich auf Willen noch zugestehen, dass sie diesen Kuddel- konstruktive und interessante Beratungen in den muddel im Bundesgesetz nicht durchschaut hat. Ausschüssen, die im Sinne der Betroffenen mög- Sie haben sich aber schon bei den Beratungen lichst schnell geführt werden sollten. - Danke. zum Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz geäußert und alles getan, um Erdkabel zu blockie- (Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN) ren. Dort war nämlich zunächst daran gedacht, Erdkabel zumindest auf 10 % der in der dena- Vizepräsident Ulrich Biel: Netzstudie für erforderlich gehaltenen Neubaustre- cken vorzusehen. Aber selbst das ging der Regie- Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete rung Wulff zu weit. Diese Landesregierung hat sich Biestmann das Wort. im Bundesrat dafür eingesetzt, dass es keine Son- derregelung für Erdkabel gibt. Friedhelm Biestmann (CDU):

Die Landesregierung sowie CDU und SPD im Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Bund sind dafür verantwortlich, dass die neuen Herren! Die Frage der Versorgungsstrukturen ist Höchstspannungsleitungen zwischen Wahle und für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung wichtig, Mecklar in Südniedersachsen, in den Landkreisen aber auch für die Nutzung und Weiterentwicklung Northeim und Göttingen, entlang der Ems und ihrer existenziellen Ressourcen spielt sie eine oben im Landkreis Friesland, wenn sich nicht ganz zentrale Rolle in der Landesraumordnung. Das gilt schnell etwas im Energiewirtschaftsgesetz ändert, vor allem für ein kostengünstiges und dauerhaftes voraussichtlich als Freileitungen gebaut werden. Energieangebot. Im Klartext: Es geht um Strom. Meine Damen und Herren, darauf sollten Sie Ihre Im Rahmen der europaweiten Liberalisierung des Besucher aus diesen Regionen einmal hinweisen, Strommarktes mit einer zunehmenden internatio-

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nalen Vernetzung der Versorgungsstrukturen - ich - Herr Jüttner, Sie haben überhaupt keinen Grund, erwähne hier die transeuropäischen Netze - stellt hier groß aufzutrumpfen. Zu Ihnen komme ich sich die Frage der energetischen Infrastruktur völ- noch. lig neu. Durch den Ausbau der regenerativen Energieträger, aber auch durch die geplante Off- (Beifall bei der CDU) shorewindkraftnutzung kommt es verstärkt zu de- Ich will Ihnen nur dies sagen: Die Landesregierung zentralen Netzanbindungen zur Einspeisung und hat gerade mit dem vorliegenden Landes-Raum- Weiterleitung von Strommengen. Aus verschiede- ordnungsprogramm deutlich gemacht, dass sie nen Gründen hat es in Deutschland in den letzten sehr wohl daran festhält, dass Erdverkabelung in Jahren einen Entscheidungsstau beim Netzausbau unserem Lande in Zukunft möglich sein wird. Dies gegeben. ist eine Grundaussage des Landes-Raumord- (Beifall bei der CDU) nungsprogramms. Aber es ist nicht so einfach, wie es hier von Frau Geuter beschrieben wurde, näm- Die Investitionen in die deutschen Stromversor- lich dass wir einfach etwas beschließen und dass gungssysteme haben nach Erhebungen des VDE es morgen umgesetzt wird. Dazu gibt es zu viele in den letzten 25 Jahren um ca. 40 % abgenom- entgegenstehende Faktoren, von denen ich Ihnen men. Die durchschnittliche Stromausfallzeit ist in einige politisch etwas näherbringen werde. diesem Zeitraum von jährlich 15 auf 23 Minuten angestiegen. Das stimmt nachdenklich. Die Deut- Meine Damen und Herren, die Netzbetreiber kön- sche Netzagentur kommt in ihrer Studie zu dem nen nur die Kosten für den Bau von Hochspan- Ergebnis, dass bis 2015 850 km neue Verbund- nungsfreileitungen auf die Netzkosten umlegen, netztrassen gebaut werden müssen. Um diese nicht aber - das ist bedauerlich - die Mehrkosten Vorhaben zu bewältigen, wurde der Ausbau der für die Umstellung auf Erdkabel. Gleichwohl sind Stromtrassen in das Infrastrukturplanungsbe- die Energieversorgungsunternehmen zum Ausbau schleunigungsgesetz aufgenommen. Dadurch soll des europäischen Verbundnetzes gesetzlich ver- der notwendige Netzausbau beschleunigt werden. pflichtet. Das Gesetz ist am 17. Dezember 2006 in Berlin Herr Jüttner, Sie ziehen hier durchs Land, streuen beschlossen worden. Dadurch wird deutlich, dass den Betroffenen Sand in die Augen für die Versorgungssicherheit im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes der Bund zuständig ist. (Christian Dürr [FDP]: Genau so ist Das wird oft vergessen. Wenn man Frau Geuter es, Herr Jüttner!) hört, könnte man glauben, dass Sie mit dem, was dort politisch beschlossen wird, nichts zu tun ha- und verkünden aller Welt, dass die SPD für den ben. Einsatz von Erdkabeln steht, obwohl Ihr Bundes- umweltminister eine diametral entgegengesetzte (Beifall bei der FDP) Position in dieser Frage vertritt und wiederholt darauf hingewiesen hat, dass er keine Möglichkeit Wir erleben auch in anderen politischen Bereichen, sieht, auf die Erdverkabelung umzusteigen. dass es so dargestellt wird, dass das, was nach Ihrer Meinung weniger gut läuft, ausschließlich (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Sache der CDU und CSU ist und dass Sie mit diesen Dingen nichts zu tun haben. Wir sollten Uns liegen verschiedene Stellungnahmen aus dem hier, wie ich meine, durchaus einmal sagen - in Hause des Bundesumweltministers vor, in denen dieser Hinsicht hat Herr Janßen nicht ganz un- immer wieder darauf hingewiesen wird, dass der recht -, dass die Bundespolitik diese Fragen an- Minister keine Möglichkeit sieht, auf Erdverkabe- ders bewertet hat, was das Energiewirtschaftsge- lung umzusteigen. Grundsätzlich hält er dies zwar setz und das Infrastrukturplanungsbeschleuni- für möglich - er lehnt es nicht ab, sondern ist be- gungsgesetz anbelangt. Wir hätten uns aus nie- reit, es mitzumachen -, aber es gibt keine nach dersächsischer Sicht, was die speziellen Fragen vorne gerichtete Initiative des Ministeriums. der Trassenführung angeht, andere Regelungen gewünscht. Vizepräsident Ulrich Biel:

(Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- Herr Abgeordneter Biestmann, gestatten Sie eine ner [SPD]: Nun ist es aber gut!) Zwischenfrage des Abgeordneten Jüttner?

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Friedhelm Biestmann (CDU): Unter anderem hat er angeboten, im Bereich von Wissenschaft und Forschung zusätzliche Mittel zur Ja, natürlich. Verfügung zu stellen und möglicherweise eine in Clausthal-Zellerfeld zu gründende Netzagentur Wolfgang Jüttner (SPD): damit zu beauftragen, diese Dinge zu untersuchen. Herr Biestmann, Ihr Ministerpräsident war in der Es ist doch nicht einfach Phraseologie, was er dort vergangenen Woche in Goslar und hat dort unter macht, großer Begeisterung, großem Zuspruch (Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- (Beifall bei der CDU und bei der FDP - ner [SPD]: Wer solche Freunde hat, Bernd Althusmann [CDU]: Ja, Be- der braucht keine politischen Gegner!) geisterung!) sondern er geht wirklich auf die Leute vor Ort ein. derer, die dort für Erdkabel sind, erklärt, auch er Das finde ich ganz hervorragend. sei dafür und setze sich dafür ein. Gilt die Kritik, Wir müssen sehen, dass wir mit den bundespoliti- die Sie mir gegenüber geäußert haben, in gleicher schen Entscheidungen zugleich regionalpolitische Weise für Ihren Parteikollegen? Lösungen vor Ort bekommen, mit denen wir klar- kommen. Ich halte sehr viel davon - ich bin sehr Friedhelm Biestmann (CDU): viel unterwegs gewesen und habe mit den Men- Ja, sie fällt aber anders aus. schen über diese Frage gesprochen -, ehrliche Antworten zu geben und ehrlich zu diskutieren. - (Lachen bei der SPD - Heiterkeit bei Da müssen Sie sich nicht nach hinten wenden, der CDU und bei der FDP - Wolfgang Herr Jüttner, auch wenn Ihnen diese Seite der Jüttner [SPD]: Der war gut! Großartige politischen Arbeit eher abgeht. Antwort!) (Heiterkeit bei der CDU und bei der - Es ist ja nicht schlecht, dass wir an einem so FDP ) warmen Tag zum Schluss noch ein bisschen Spaß haben. Wir müssen den Menschen zeigen, was machbar ist und wie schwierig es ist, diese Dinge politisch Herr Jüttner, was Herr Wulff in den letzten Wochen umzusetzen. und Monaten gemacht hat, dass er nämlich immer wieder das Gespräch mit den Betroffenen gesucht (Wolfgang Jüttner [SPD]: Erzähle ihm hat - nicht nur im Bereich Ganderkersee und Sankt das mal!) Hülfe, sondern auch jetzt -, die überrascht sind, Ich will damit jetzt aber nicht mehr Zeit verlieren. wie wir an dieser Thematik arbeiten, und dass er immer wieder nach neuen - - - Vizepräsident Ulrich Biel: (Wolfgang Jüttner [SPD]: Und dann Herr Abgeordneter Biestmann, gestatten Sie eine hat er ihnen versprochen, was Sie für Zwischenfrage des Abgeordneten Janßen? unrealistisch halten!)

- Verhalten Sie sich einmal ganz ruhig! Ich bin es Friedhelm Biestmann (CDU): ja auch. Ich möchte das aus Zeitgründen nicht, weil ich (Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- noch meine Grundsatzaussagen machen will. ner [SPD]: Jetzt habe ich auch be- Alle im Landtag vertretenen Fraktionen beschäfti- griffen, warum Sie abgewählt wer- gen sich seit 2005 mit der Frage, wie wir Strom den!) mittels neuer Techniken weiterleiten können. Die Der Ministerpräsident sucht immer wieder nach Bevölkerung wünscht dies. Wir haben viel Ver- neuen Mitteln und Wegen, um hier im Sinne der ständnis dafür, und wir diskutieren in den Aus- Betroffenen neue Lösungen anzubieten. schüssen ernsthaft darüber. Wir haben auch Anhö- rungen dazu durchgeführt und Gutachten bekom- (Unruhe - Glocke des Präsidenten) men, die interessante Ergebnisse aufwiesen. Das

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ForWind-Gutachten von Professor Oswald bein- eine neue Technik. Die Landesregierung hat dies haltet zwei zentrale Aussagen: mit ernst zu nehmenden Fachgutachten unter- stützt. Wir wollen, wie bereits gesagt worden ist, Erstens. Die Freileitung stellt aus technischer und dieses Thema in den Ausschüssen vernünftig be- energiewirtschaftlicher Sicht in allen betrachteten gleiten. Fällen eindeutig die beste Lösung dar. Wir können uns nicht vorstellen, dass wir in drei (Wolfgang Jüttner [SPD]: Wieso sind oder vier Jahrzehnten eine Weiterleitung des Sie dann für Erdkabel? - Lachen bei Stroms über herkömmliche Freileitungen ähnlich der SPD) regeln wie heute. - Jetzt hören Sie doch einmal zu! Wollen Sie einen ernsthaften Dialog oder nicht? Vizepräsident Ulrich Biel:

Zweitens. Bisher wurden weder 380-kV-VPE-Kabel Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluss oder -GIL-Kabel in der hier vorgesehenen Länge kommen. Ihre Redezeit ist überschritten. von 54 km erdverlegt noch im europäischen Ver- bundnetz überhaupt eingesetzt, sodass weder Friedhelm Biestmann (CDU): Erfahrungen zum Betriebsverhalten noch zu den Dann will ich es abkürzen. tatsächlich entstehenden Kosten vorliegen. Wir sind uns mit dem Ministerpräsidenten darin Das sind doch Tatsachen, die wir nicht von der einig, dass wir das Engagement der Wirtschaft und Hand weisen können. Gleichwohl wollen wir in eine die Unterstützung aus Wissenschaft und For- neue Technik einsteigen. schung brauchen. An unserer grundsätzlichen (Karin Stief-Kreihe [SPD]: Dann soll- Einschätzung hat sich in den letzten zweieinhalb ten Sie vielleicht die Rede von Frau Jahren nichts geändert. Unsere Aufgabe muss es Geuter lesen!) sein, den Menschen diese Signale zu vermitteln. Nicht alles ist finanzierbar. Nun bringe ich Ihnen unsere grundsätzlichen Aus- sagen näher. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt Vizepräsident Ulrich Biel: die Zielvorgabe des Entwurfs eines Landes- Raumordnungsprogramms, eine Erdkabelverle- Herr Abgeordneter, den letzten Satz jetzt! gung als Regelverfahren anzunehmen und ent- sprechend zu genehmigen. Friedhelm Biestmann (CDU):

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich denke, Nicht alles ist wirtschaftlich, und es geht auch nicht das ist unerwünscht?) alles sofort. Aber wir brauchen ein Signal. - Danke schön. Die CDU-Fraktion hält die Forderung der Landes- regierung in Verbindung mit der Anbindung von (Beifall bei der CDU und bei der FDP) Offshorewindparks, die landseitige Netzanbindung bis hin zu den Netzeinspeisungspunkten nur noch Vizepräsident Ulrich Biel: über unterirdische Erdkabel zuzulassen, für einen Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Oetjen Schritt in die richtige Richtung. das Wort. Wir halten es für angemessen, die aktuell beratene Freilandtrasse Wahle - Mecklar nicht unter irgend- Jan-Christoph Oetjen (FDP): einem Zeitdruck in das LROP aufzunehmen, um Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und damit die Genehmigungsphase abzukürzen, son- Herren! Zu Beginn werde ich auf die raumord- dern wir halten hier im Sinne ausgewogener Ab- nungspolitischen Fragen eingehen. wägungen sowie im Sinne von Mitwirkungs- und Klagemöglichkeiten ein gesondertes Verfahren für Warum diskutieren wir über diese Angelegenheit? - richtig. Wir diskutieren zunächst einmal deswegen dar- über, weil die Firma E.ON im Februar einen Antrag Die CDU will hinsichtlich der Stromübertragungs- gestellt hat, die in der dena-Studie genannten techniken kurz- und mittelfristig den Einstieg in Trassen - das sind die Trassen Wilhelmshaven -

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Conneforde, Stade - Dollern, Diele - Niederrhein sind. Das heißt, Niedersachsen eröffnet hier den und Wahle - Mecklar - in das Landes-Raumord- Weg, um eine Erdverkabelung für diese Trassen nungsprogramm aufzunehmen und dadurch auf zu ermöglichen. Wenn die Trassen in das Landes- ein förmliches Raumordnungsverfahren zu ver- Raumordnungsprogramm aufgenommen werden, zichten, wie es das Infrastrukturplanungsbeschleu- sagt das allerdings noch nichts darüber aus, ob sie nigungsgesetz vorsieht. als Hochspannungsleitung überirdisch oder als Erdverkabelung gebaut werden. Für die letztgenannte Trasse Wahle - Mecklar lie- gen die meisten Einwendungen vor. Ich bin an Zu den energiewirtschaftspolitischen Fragen wird einigen Stellen vor Ort gewesen und kann deswe- der Kollege Dürr gleich weiter Stellung nehmen. - gen sagen, dass ich die Menschen verstehe, wenn Vielen Dank. sie Probleme mit dieser Trasse haben. Man kann durchaus den Eindruck gewinnen, dass der von (Beifall bei der FDP und bei der CDU) E.ON aufgeschriebene und eingereichte Vorschlag ein wenig mit der heißen Nadel gestrickt wurde. Ich Vizepräsident Ulrich Biel: begrüße daher die Initiativen der Landesregierung, Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete also sowohl die des Landwirtschaftsministers als Dürr das Wort. Er hat noch 1:57 Minuten. auch die des Ministerpräsidenten, vor Ort alle Be- teiligten an einen Tisch zu bekommen und nach Lösungen zu suchen, wie wir mit dieser Trasse Christian Dürr (FDP): umgehen können. Das ist der Weg, den wir gehen Ich kann schnell reden. - Herr Präsident! Meine sollten, meine Damen und Herren. sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich aus einem (Beifall bei der FDP und bei der CDU) betroffenen Wahlkreis komme, in dem die Strecke Wenn im bevorstehenden Erörterungsverfahren Ganderkesee - Sankt Hülfe täglich auf der Tages- herauskommen sollte, dass wir die Interessen zum ordnung steht, und weil vor Ort die Einlassungen jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausgleichen können, des Abgeordneten Jüttner natürlich eine Rolle ge- dann sollten wir nach meiner Auffassung auf die spielt haben. Herr Kollege Oetjen hat vorhin schon beschleunigte Aufnahme in das Landes-Raumord- gesagt, dass wir die Erdverkabelung ausdrücklich nungsprogramm verzichten und ein weiteres förm- im Landes-Raumordnungsprogramm berücksichti- liches Raumordnungsverfahren für die Trasse gen. Richtig ist auch, dass der ausschlaggebende Wahle - Mecklar durchführen. rechtliche Rahmen jetzt mit dem Infrastrukturpla- nungsbeschleunigungsgesetz auf Bundesebene (Karin Stief-Kreihe [SPD]: Was ist im geändert wurde. Darin war die Erdverkabelung Emsland?) zunächst vorgesehen, Herr Jüttner. Dann hat es eine sogenannte Formulierungshilfe insbesondere - Das gilt für die Trassen, für die mit den Trägern aus dem Hause des Bundesumweltministers auch der Regionalplanung zunächst kein Einvernehmen für Ihre Bundestagsfraktion gegeben, nach der nur hergestellt werden kann. Es geht doch darum, noch 10 % berücksichtigt werden sollten. Ihre dass die Beteiligten vor Ort darüber diskutieren. Bundestagsfraktion, Herr Jüttner, hat dafür ge- Wenn die Beteiligten vor Ort sagen, dass sie damit sorgt, dass die Erdverkabelung letztlich aus die- kein Problem haben, dann habe auch ich damit sem Gesetz herausgestrichen worden ist. kein Problem. Der Landrat des Landkreises Stade beispielsweise sagt sehr deutlich, Frau Kollegin, (Beifall bei der FDP und bei der CDU - dass der Landkreis Stade mit der Strecke Stade - David McAllister [CDU]: Das ist ja Dollern überhaupt kein Probleme habe. Deshalb wohl ein Ding, Herr Jüttner!) habe auch ich kein Problem damit, die Maßnahme in das Landes-Raumordnungsprogramm aufzu- Herr Jüttner, das, was Sie hier machen, ist einfach nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren. nur noch unredlich. Man kann den Menschen vor Ort nicht das eine versprechen und in Berlin das (Beifall bei der FDP und bei der CDU) andere tun. Das geht nicht!

Erdkabel sind nach dem Landes- Raumordnungs- (Beifall bei der FDP und bei der CDU) programm ausdrücklich vorgesehen, wenn sie technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar

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Vizepräsident Ulrich Biel: Bundesländern dafür gesorgt hat, dass eine Mehr- heit im Bundesrat dies gemeinsam beschlossen Herr Abgeordneter Dürr, gestatten Sie eine Zwi- hat. - So viel der Vollständigkeit halber. schenfrage des Abgeordneten Jüttner? (Lebhafter Beifall bei der SPD) Christian Dürr (FDP): Nein, das gestatte ich nicht. Er hat mir auch schon Vizepräsident Ulrich Biel: einmal eine versagt. Herr Abgeordneter Dürr, Sie antworten darauf.

(Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Weil Sie die Unwahrheit Christian Dürr (FDP): gesagt haben!) Herr Kollege Jüttner, ich meine, dass ich in meiner Rede eines deutlich gemacht habe: Die Fakten - Ich bin nicht nachtragend, aber ich vergesse sind an der Stelle unbestreitbar. Auch die Mehr- nichts, Herr Kollege Jüttner. heiten im Deutschen Bundestag sind unbestreit- (Heiterkeit bei der FDP und bei der bar. Ich will Ihnen nur Folgendes sagen: Wenn Sie CDU) in meine Region kommen und behaupten, dass Sie sich persönlich auf allen Ebenen für das Erd- Ich will Ihnen auch sagen, warum der Bundesum- kabel einsetzen, aber Ihr Bundesumweltminister weltminister dafür gesorgt hat, dass Ihre Fraktion aus den von mir vorhin genannten Gründen das in dieser Richtung entscheidet. Er wollte, dass Gegenteil tut, dann ist das nicht mehr redliche Offshore so schnell wie möglich kommt. Alle wis- Politik, meine Damen und Herren. sen, dass die Netzanbindung für Offshore noch ein erheblicher Kostenblock sein wird. Weil Herr Bun- (Starker Beifall bei der FDP und bei desumweltminister Gabriel wusste, dass die Betrei- der CDU) ber das nicht alleine bezahlen können, hat er ent- schieden, dass die Kosten auf die Energieversor- Vizepräsident Ulrich Biel: gungsunternehmen und damit letztlich auf die Herr Abgeordneter Janßen hat das Wort für eine Kunden umgelegt werden. Damit war klar, dass die Kurzintervention. Erdverkabelung nicht mehr möglich ist. Das ist der wahre Grund. Dies hat Ihr Bundesumweltminister (Bernd Althusmann [CDU]: Auf wen zu verantworten. denn? Wozu denn? - Lachen bei der SPD) (Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU) Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Vizepräsident Ulrich Biel: Das geht ganz schnell. Zu einer Kurzintervention hat sich der Abgeordnete Jüttner gemeldet. Vizepräsident Ulrich Biel: Herr Janßen, Sie haben 2:10 Minuten. Wolfgang Jüttner (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hans-Joachim Janßen (GRÜNE): Volksmund sagt man Lüge, hier sagt man, dass Diese Zeit brauche ich nicht. Vielleicht kommt ja man die Unwahrheit gesagt hat. Wie darf man das noch etwas, wozu man etwas ergänzen muss. nennen, Herr Präsident? - Das, was Sie, Herr Kol- lege, gemacht haben, ist einfach nicht in Ordnung. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bünd- Sie haben darauf hingewiesen, dass die SPD- nis 90/Die Grünen haben im Bundestag dem Infra- Bundestagsfraktion das durchgesetzt hätte. Au- strukturplanungsbeschleunigungsgesetz nicht zu- genscheinlich ist es richtig, dass auch die SPD- gestimmt. Bundestagsfraktion so entschieden hat. Sie hätten aber fairerweise sagen sollen, dass die anderen (Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Fraktionen im Bundestag genauso votiert haben Rösler [FDP]: Das ist eine großartige und dass das Land Niedersachsen mit anderen

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politische Botschaft! - Minister Ehlen unter der Erde liegen. Ansonsten verlaufen die tritt zum Rednerpult) Leitungen in der gesamten Bundesrepublik oberir- disch. Ich habe einen Termin vereinbart und Vizepräsident Ulrich Biel: schaue mir diese unterirdische Verbindung in Ber- lin an. Ich habe mit dem EU-Kommissar Piebalgs Für die Landesregierung spricht Herr Ministerprä- in Brüssel gesprochen, der Hilfe angeboten hat. sident. Ich habe mit den EVUs gesprochen, nicht nur mit E.ON und E.ON Netz, sondern auch mit den ande- (Heiterkeit) ren. Wir haben mit dem Vorstand von Siemens und mit ABB, Herstellern dieser gasisolierten Leitun- Christian Wulff, Ministerpräsident: gen, die die Möglichkeit bieten, Strom dieser Men- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch ist ge unterirdisch zu transportieren, gesprochen. Wir Herr Ehlen nicht Ministerpräsident. werden hier gemeinsam einen sehr schwierigen Weg zurückzulegen haben. Die heutige Rechtsla- (Heiterkeit - Glocke des Präsidenten) ge gibt uns dabei aber keine Unterstützung.

Insofern lege ich doch Wert darauf, dass sich der Das, was gesagt worden ist, ist zutreffend: Auch Kollege Ehlen noch einige Jahre gedulden möge, die Niedersächsische Landesregierung hat im was immer die Zukunft bringen möge. Dezember wie der gesamte Bundesrat - wenn ich mich recht erinnere, war es einstimmig - dem Ge- Die Angelegenheit, die wir hier vorhaben, wird setz die Zustimmung gegeben. Wir hatten keinen außerordentlich schwierig. Herr Jüttner ist für Erd- Grund, das zu verzögern, weil es die Netzanbin- verkabelung und hilft uns dabei, indem er sich dungskosten der Offshorewindparks in der Nord- dafür einzusetzt. Die Grünen sind für Erdverkabe- see betraf. Das ist angesprochen worden. Hätten lung. Die FDP ist für Fortschritte bei der Erdverka- wir hier nicht die Gunst der Stunde genutzt, eine belung. Mehrheit dafür zu erzielen, dass die Kosten bun- (Lachen bei der SPD) desweit umgelegt werden und nicht an den Strom- verbrauchern im Norden hängen bleiben, dann Die CDU ist für die Erdverkabelung. Alle sind da- hätten wir uns einen Tort angetan; denn natürlich für, dass wir etwas machen, was früher bei den gab es ein gemeinsames Interesse mit dem Bun- Telefonverbindungen gemacht wurde. Früher wa- desumweltminister, dass die Netzanbindungskos- ren alle Telefonleitungen oberirdisch. Es gibt heute ten der Offshorewindparks nicht an unseren Ener- noch Volkswirtschaften wie Amerika, in denen es gieversorgern im Norden hängen bleiben. Insofern eine Reihe von Bundesstaaten gibt, in denen die war das Gesetz in Gänze gut. Aber wir müssen Telefonmasten an den Straßen entlang führen. Es jetzt zu Modellprojekten kommen, und zwar unter war ein Ausweis deutscher Technologie und im Einsatz von Mitteln des Landes, des Bundes, der Grunde genommen eine Idee von Wernher von Europäischen Union und der EVUs, um solche Siemens, der quasi die Taubenflugpostlinie Köln - Kabel unter die Erde zu bringen und entsprechen- Brüssel durch Telegrafenlinien ersetzt hat und de Modellversuche voranzubringen. Das ist in dann in Fortführung dieser unternehmenspoliti- Goslar bei der Bildung des Energieforschungszent- schen Innovation die Telefonkabel unter die Erde rums begrüßt worden, und das wird an vielen gebracht hat. Ich bin davon überzeugt, dass in Stellen in Deutschland begrüßt. Die Rede der Kol- einigen Jahrzehnten alle Leitungen - insbesondere legin der SPD-Fraktion war insoweit zutreffend und die 380-kV-Leitungen - unter der Erde liegen wer- sachlich, als die EVUs kein besonderes Interesse den. Es wird Jahrzehnte dauern, alle oberirdischen daran haben, dass sich das als bewährt heraus- Leitungen - Telefon- und Stromleitungen - unter stellt, solange diese Verbindung zweifelsfrei teurer die Erde zu bekommen. Wer etwas anderes be- ist, weil in dem Moment alle Trassen, die in hauptet, streut den Leuten nach meiner Meinung Deutschland neu gebaut werden, unterirdisch ge- die Unwahrheit in die Augen. Das kann man nicht führt werden müssen. Also sind hier dicke Bretter verantworten wollen. zu bohren. Ich finde, dass man bereit sein muss, sich im Ausschuss, wohin die Anträge verwiesen (Beifall bei der CDU und bei der FDP) werden, zusammenzusetzen. Jeder sorgt vor sei- ner Tür für entsprechende Aktivitäten. Dann gilt der Also müssen wir realisieren, dass heute, wenn ich richtig informiert bin, 4 km 380-kV-Leitung in Berlin

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Grundsatz: Jeder kehrt vor seiner Tür, und sauber ist das Hausquartier.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da müsste jetzt jeder seinen Auftrag verstehen. Wir tun den Bürgern einen Gefallen, wenn wir ver- suchen, die ersten Modellprojekte an sensiblen Punkten durchzusetzen. Dafür stehe ich. Ich freue mich, dass alle anderen dabei mitwirken wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vizepräsident Ulrich Biel: Meine Damen und Herren, jetzt liegen keine weite- ren Wortmeldungen mehr vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung beider Anträge.

Federführend soll sich der Ausschuss für den länd- lichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Ver- braucherschutz mit den Anträgen befassen, mitbe- ratend der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Umweltausschuss. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzei- chen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimm- enthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, der nächste, der 41. Tagungsabschnitt ist für Freitag, den 11. Mai 2007, vorgesehen. Der darauffolgende 42. Ta- gungsabschnitt ist für die Zeit vom Dienstag, dem 5. Juni, bis zum Donnerstag, dem 7. Juni 2007, vorgesehen. Der Präsident wird den Landtag ein- berufen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung der Sitzungen bestimmen.

Meine Damen und Herren, wir sind am Schluss der Sitzung. Ich wünsche allen einen angenehmen Heimweg und einen schönen 1. Mai.

Schluss der Sitzung: 15.31 Uhr.

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Anlagen zum Stenografischen Bericht früheren Zeitpunkt auf die Unregelmäßigkeiten in den Ermittlungen reagiert, die innerhalb der noch: Polizeidirektion Oldenburg bereits seit Dezem- ber 2006 für erheblichen Gesprächsstoff ge- Tagesordnungspunkt 30: sorgt haben? 3. Aus welchen Gründen haben es weder der Mündliche Anfragen - Drs. 15/3715 zuständige Polizeipräsident noch das Innenmi- nisterium oder gar der Innenminister für not- Anlage 1 wendig gehalten, noch in der Nacht des 22. De- zember oder unmittelbar danach eine neutrale Antwort Dienststelle die erforderlichen Ermittlungen durchführen zu lassen, um zum einen sowohl des Ministeriums für Inneres und Sport auf die die be- als auch die entlastenden Beweismo- Frage 3 des Abg. Heiner Bartling (SPD) mente sicherzustellen und um zum anderen von vorneherein möglichen Vorwürfen zu be- Mauert die Landesregierung bei der Aufklä- gegnen, ein leitender Polizeibeamter solle u. a. rung eines bemerkenswerten Vorgangs in aufgrund seiner Beratertätigkeit für die CDU- der Polizeidirektion Oldenburg? Landtagsfraktion geschützt werden?

Seit Anfang des Jahres wird insbesondere in Die im Raum stehenden strafrechtlichen und dis- den Printmedien im Nordwesten des Landes, ziplinarrechtlichen Vorwürfe werden durch die zu- mittlerweile jedoch auch in den überregionalen ständigen Stellen konsequent und vorbehaltlos Medien über angebliche Suizidversuche des Leiters der Polizeiinspektion Wilhelmshaven- aufgeklärt. Dafür sind alle erforderlichen Maßnah- Friesland-Wittmund und damit verbundene Er- men veranlasst worden. Hierbei sind jedoch neben mittlungspannen im Zuständigkeitsbereich der den allgemeinen Erfordernissen eines strafrechtli- Polizeidirektion Oldenburg berichtet. Ich habe chen Ermittlungsverfahrens auch die Rechte des diesen Vorfall zum Gegenstand einer schriftli- chen Anfrage an die Landesregierung gemacht, Beschuldigten und seiner Angehörigen zu wahren. die ich am 14. März 2007 gestellt habe, die Dies sind tragende Prinzipien eines jeden Ermitt- aber unbeantwortet geblieben ist. In der Nord- lungsverfahrens. Sie gelten gegenüber jedermann west-Zeitung vom 28. Februar 2007 wurde un- und stehen nicht zur Disposition. Insbesondere hat ter der Überschrift „Offenbar schwere Versäum- nisse in der Affäre um Polizeichef“ geschrieben, der betroffene Beamte gegenüber seinem Dienst- dass möglicherweise der Fall „auf kleiner Flam- herrn unstreitig einen (Rechts-)Anspruch auf Für- me gekocht" werden sollte: „Die Beamten fol- sorge. Diesen nicht nur in dieser Legislaturperiode, gen den Anweisungen ihres Chefs. Der Leiter sondern bereits seit Jahrzehnten geltenden des Zentralen Kriminaldienstes wurde gerufen. Ihm händigte A. Abschiedsbriefe von seiner grundlegenden Prinzipien widerspräche es, den Frau und von ihm aus. Der Fall schien klar: Vorgang vor Abschluss der Ermittlungen und einer Doppelter Suizidversuch - kein weiterer Ermitt- eventuellen gerichtlichen Entscheidung zum Ge- lungsbedarf. Tatsächlich finden weitere Ermitt- genstand einer öffentlichen Diskussion zu machen. lungen, Beweisaufnahmen und Spurensiche- rungen an diesem Abend im Hause (...) nicht Eine solche wäre im Wesentlichen spekulativ und statt. Erfahrene Polizeibeamte sprechen von trüge die erhebliche Gefahr von Vorverurteilungen. einem Unding. (…) So ein Vorgehen bei un- Nichtsdestotrotz wird die Landesregierung so um- gleich geringfügigeren Straftaten hätte jeden fassend wie möglich Auskunft geben. kleinen Schutzmann den Kopf gekostet, sagte ein Beamter.“ Der hat Innenminister noch am Nach den Berichten der zuständigen Polizeidirekti- 13. April 2007 erklären lassen, dass es in dem aufsehenerregenden Fall seiner Auffassung on Oldenburg ergibt sich folgender Sachverhalt: nach keine Ermittlungspannen gegeben habe. Der betroffene Beamte ist am 22. Dezember 2006 Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- nachmittags mit einem Streifenwagen gegen einen regierung: Baum gefahren, wobei er unverletzt blieb und der 1. Wann wurde der Oldenburger Polizeipräsi- Streifenwagen erheblich beschädigt wurde. Um dent, wann das Innenministerium und wann der 23.14 Uhr desselben Tages hat er dem Rettungs- Minister selbst von dem Vorfall erstmalig in dienst gemeldet, dass seine Ehefrau nach dem Kenntnis gesetzt? Abbruch eines gemeinsamen Suizidversuchs in 2. Trifft es zu, dass das Verbot der Amtsführung der Garage des Wohnhauses einen Kreislaufkol- gegen den betroffenen Beamten erst durch das laps erlitten habe. Die Rettungsleitstelle Wittmund Innenministerium verhängt wurde, nachdem die informierte um 23.22 Uhr die Polizei. Die um Staatsanwaltschaft Oldenburg ihre Ermittlungen Mitte Februar ausgeweitet hatte, und warum hat 23.25 Uhr eintreffenden Polizeibeamten des PK das Innenministerium nicht bereits zu einem Wittmund wurden von dem betroffenen Beamten

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gebeten, den Leiter des Zentralen Kriminaldienstes 23. Dezember 2006 über die Vorkommnisse infor- (ZKD) der Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Fries- miert und hat am selben Tag den Innenminister land/Wittmund zu verständigen. Dies erfolgte um und das Ministerium für Inneres und Sport in 23.30 Uhr. Der Beamte und seine Ehefrau wurden Kenntnis gesetzt. um 23.49 Uhr zur weiteren Versorgung durch den Rettungsdienst in das Krankenhaus verbracht. Der Zu 2: Das Verbot der Amtsführung wurde durch Leiter des ZKD, ein Erster Kriminalhauptkommis- das Ministerium für Inneres und Sport nach Be- sar, traf gegen 23.58 Uhr ein. Der Ereignisort wur- kanntwerden der Ausweitung der Ermittlungen de durch ihn polizeilich gesichert und aufgenom- durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg auf den men. Vorwurf eines versuchten Tötungsdeliktes im Fe- bruar ausgesprochen, da erst ab diesem Zeitpunkt Der Polizeipräsident der Polizeidirektion Oldenburg die Voraussetzungen des § 67 des Niedersächsi- wurde am 23. Dezember 2006 gegen 1.00 Uhr schen Beamtengesetzes vorlagen. fernmündlich durch den Leiter ZKD unterrichtet. Daraufhin traf er gegen 3.00 Uhr in der Dienststelle Zuständig für das Verbot der Amtsführung ist ge- in Wittmund ein. Hier informierte er sich über den mäß § 67 Abs. 1 NBG in Verbindung mit Ab- aktuellen Sachstand. Die Ereignisse des 22. De- schnitt I Ziffer 1 des Gemeinsamen Runderlasses zember 2006 stellten sich nach dem Ermittlungs- des MI, der Staatskanzlei und der übrigen Ministe- stand zu diesem Zeitpunkt als Suizidversuche des rien vom 20. Februar 1998 in diesem Fall das Mi- betroffenen Beamten und seiner Ehefrau dar. Ne- nisterium für Inneres und Sport. An dieser Zustän- ben die Pflicht zur Strafverfolgung traten damit für digkeit hat sich gegenüber der Amtszeit des Fra- den Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Olden- gestellers als Innenminister nichts geändert. burg auch gesetzliche Fürsorgepflichten für den Das Ministerium für Inneres und Sport wurde am Beamten und dessen Ehefrau. 9. Februar 2007 durch den Polizeipräsidenten der Unter Berücksichtigung der exponierten Stellung Polizeidirektion Oldenburg schriftlich über die des Leiters der Polizeiinspektion avisierte er dem Ausweitung der Ermittlungen durch die Staatsan- Leiter ZKD noch in der Nacht zum 23. Dezember waltschaft Oldenburg unterrichtet. Noch am selben 2006, dass das Verfahren durch externe, noch Tag wurde angesichts des gegen den betroffenen nicht benannte Beamte einer anderen Dienststelle Beamten, der seit den Ereignissen des 22. De- übernommen wird. Dies ist am Nachmittag des zember 2006 dienstunfähig erkrankt war, nunmehr 27. Dezember 2006 durch Beamte des PK Wildes- gerichteten Verdachts das Verbot der Amtsführung hausen der Polizeiinspektion Delmenhorst/Ol- zunächst mündlich seitens des Landespräsidiums denburger Land erfolgt. für Polizei, Brand- und Katastrophenschutz ausge- sprochen. Der Polizeipräsident der Polizeidirektion Am Vormittag des 23. Dezember 2006 führte der Oldenburg teilte noch an diesem Tag dem betrof- Polizeipräsident im Kreiskrankenhaus Wittmund fenen Beamten diese Entscheidung im Namen des ein kurzes Gespräch mit dem Leiter der Polizeiin- Ministeriums für Inneres und Sport mit. Unter dem spektion Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund, in 14. Februar 2007 wurde das Verbot der Amtsfüh- dem er sich im Rahmen seiner Fürsorgepflicht rung gegenüber dem Beamten dann schriftlich einen Eindruck über dessen Gesundheitszustand bestätigt und begründet. verschaffte. Ebenfalls an diesem Tag wurde die Dienstwaffe des Beamten sichergestellt. Die Polizeidirektion Oldenburg hat dem Innenmi- nisterium seit dem 23. Dezember 2006 mehrfach Aufgrund vorliegender strafrechtlicher Anhalts- mündlich, telefonisch und schriftlich im Rahmen punkte ist durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg der Zuständigkeit des Innenministeriums berichtet. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Zu Aufgrund dieser Informationen haben sich keine weiteren Ermittlungsinhalten und -ergebnissen Anhaltspunkte für eine unzureichende Aufklärung kann daher nur begrenzt Stellung genommen wer- der vorgenannten Ereignisse durch die zuständi- den. gen Behörden ergeben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich Anfrage Zu 3: Wie dem Polizeipräsidenten der Polizeidirek- namens der Landesregierung wie folgt: tion Oldenburg nach seinem Eintreffen im Polizei- kommissariat Wittmund am 23. Dezember 2006 Zu 1: Der Oldenburger Polizeipräsident wurde mitgeteilt wurde, war die Tatortarbeit am Wohn- - wie bereits in der Vorbemerkung dargestellt - am

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haus bereits abgeschlossen. Hinweise darauf, zeug aber völlig zerstört wurde. Erst ca. drei dass erforderliche Ermittlungshandlungen nicht Wochen später soll er selbst ausgesagt ha- vorgenommen wurden, lagen ihm nicht vor. Im ben, in Suizidabsicht gegen den Baum gefah- Übrigen avisierte der Polizeipräsident noch in der ren zu sein. Aber auch diese Version soll an- Vorfallsnacht die Ermittlungsübernahme durch eine geblich aufgrund von Zeugenaussagen mitt- andere Dienststelle. Diese Übernahme wurde am lerweile widerlegt sein. 27. Dezember 2006 durch Beamte des PK Wildes- hausen der Polizeiinspektion Delmenhorst vollzo- In den späten Abendstunden des gleichen gen. Tages soll der Beamte zusammen mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haus (Garage) ver- Der Beamte und seine Ehefrau waren bis zum sucht haben, sich das Leben zu nehmen. Es 10. Januar 2007 in einem Krankenhaus in stationä- kam jedoch zum Abbruch des Suizides, der rer Behandlung. Beamte selbst verständigte den Rettungs- dienst. Hintergründe für die behaupteten Sui- Die sich unmittelbar nach Weihnachten anschlie- zide sollen im privaten Bereich liegen; seit ßenden Ermittlungen der mit den Ermittlungen Anfang März berichten die Medien davon, beauftragten Polizeidienststelle der Polizeiinspek- dass der betroffene Beamte eine Freundin tion Delmenhorst/Oldenburger Land haben nach gehabt haben soll und dieses Verhältnis kurz Erlangung zusätzlicher Erkenntnisse zur Auswei- vor Weihnachten aufzufliegen drohte. tung des Straftatvorwurfes im bestehenden Er- mittlungsverfahren geführt. Da es Ungereimtheiten hinsichtlich des Ver- kehrsunfalls, aber insbesondere hinsichtlich Aus Sicht des Innenministeriums waren die ange- des Herganges im Hause des Beamten gibt wandten Verfahrensweisen zum Zeitpunkt des - so soll z. B. er selbst laut Mitteilung der jeweiligen Kenntnisstandes nicht zu beanstanden. Staatsanwaltschaft Oldenburg beim Eintreffen des Notarztes voll handlungsfähig gewesen Somit habe ich die Mündliche Anfrage des Abge- sein, während bei der Ehefrau ein lebensbe- ordneten Bartling beantwortet. drohlicher Zustand festgestellt wurde -, hat die Allerdings hat Herr Abgeordneter Bartling in der Staatsanwaltschaft im Februar dieses Jahres Mündlichen Anfrage auch die von ihm zum selben ihre Ermittlungen auf das Geschehen am Sachverhalt gestellte Kleine Anfrage zur schriftli- fraglichen Abend ausgeweitet. Angeblich soll chen Beantwortung erwähnt und weiter den Ein- jetzt auch wegen Verdachts des versuchten druck erweckt, ich würde diese Anfrage nicht zeit- Totschlags ermittelt werden. nah beantworten wollen. Ihr Einverständnis, Herr Ebenfalls laut Berichterstattung seit Anfang Bartling, vorausgesetzt, beantworte ich Ihre schrift- März soll es weitere Ungereimtheiten gege- liche Anfrage deshalb mündlich wie folgt: ben haben: So wird insbesondere mitgeteilt, Wortlaut der Kleine Anfrage des Abgeordneten dass am Vorfallstag der herbeigerufene Ret- Heiner Bartling (SPD), eingegangen am 14. März tungsdienst vom Beamten ausdrücklich ge- 2007: beten worden sein soll, keine Polizei zu infor- mieren. Den dennoch vom Rettungsdienst „Ungereimtheiten bei der Aufklärung eines angeforderten Beamten der Polizeidienststelle bemerkenswerten Vorgangs in der Polizeidi- in Wittmund, deren Vorgesetzter der Beamte rektion Oldenburg? im Übrigen ist, soll der Zutritt in das Haus verweigert worden sein. Der Beamte soll Seit Anfang des Jahres wird insbesondere in vielmehr nach einem Polizisten seines Ver- den Printmedien im Nordwesten des Landes trauens, nämlich dem Leiter des Zentralen über angebliche Suizidversuche des Leiters Kriminaldienstes aus Wilhelmshaven, verlangt der Polizeiinspektion Wilhelmshaven-Fries- haben. In der Nordwest-Zeitung vom 28. Feb- land-Wittmund berichtet: Danach soll der Be- ruar wird unter der Überschrift „Offenbar amte, ein leitender Polizeidirektor, zunächst schwere Versäumnisse in der Affäre um Poli- am Nachmittag des 22. Dezember 2006 mit zeichef“ geschrieben, dass möglicherweise einem Streifenwagen anlässlich einer Verfol- der Fall „auf kleiner Flamme gekocht“ werden gungsfahrt einen Verkehrsunfall verursacht sollte: „Die Beamten folgen den Anweisungen haben, bei dem er nicht verletzt, das Fahr- ihres Chefs. Der Leiter des Zentralen Krimi-

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naldienstes wurde gerufen. Ihm händigte A. und ihm insofern der Ermittlungsstand und Abschiedesbriefe von seiner Frau und von die Bearbeitung durch den Leiter ZKD be- ihm aus. Der Fall schien klar: doppelter Sui- kannt waren? zidversuch - kein weiterer Ermittlungsbedarf. Tatsächlich finden weitere Ermittlungen, Be- 6. Hat das Innenministerium die Frage über- weisaufnahmen und Spurensicherungen an prüft, warum nicht in der fraglichen Nacht diesem Abend im Hause (…) nicht statt. Er- sofort eine neutrale Polizeidienststelle fahrene Polizeibeamte sprechen von einem - wie allgemein üblich - mit den Ermittlun- Unding. (…) So ein Vorgehen bei ungleich ge- gen betraut wurde? Wenn ja, mit welchem ringfügigeren Straftaten hätte jeden kleinen Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Schutzmann den Kopf gekostet, sagte ein 7. Ist es nach Auffassung des Innenministeri- Beamter.“ ums eine richtige Entscheidung gewesen, Die Gesamtsituation ist für Mitarbeiter der Po- so zu verfahren? Oder wäre es nach Auf- lizeiinspektion Wilhelmshaven sehr belastend. fassung des Innenministeriums nicht Täglich müssen sie in den Zeitungen immer zweckmäßiger gewesen, durch eine neut- neue Enthüllungen lesen. Angeblich soll sei- rale Dienststelle sofort die erforderlichen tens des Personalrats in einem Schreiben an Maßnahmen durchführen zu lassen, um die vorgesetzte Dienststelle sehr deutlich auf sowohl die be- als auch die entlastenden die unbefriedigende Situation hingewiesen Beweismomente sicherzustellen? worden sein. 8. Können nach Auffassung der Landesregie- Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- rung künftig Bürger bei polizeilichen Anläs- regierung: sen ihre Ermittler selbst aussuchen?

1. Trifft es zu, dass die mittlerweile erfolgte 9. Gegen welche Regeln ist nach derzeitigem Suspendierung des betroffenen Beamten Erkenntnisstand der Landesregierung bei vom Innenministerium und nicht vom Poli- den Ermittlungen verstoßen worden? zeipräsidenten der Polizeidirektion Olden- 10. Beabsichtigt die Landesregierung bzw. das burg - wie in der Presse dargestellt wurde - Innenministerium, diesen Sachverhalt zum ausgesprochen wurde? Anlass zu nehmen, gegebenenfalls weitere 2. Ist es richtig, dass diese Maßnahme erst Regelungen zu entwickeln, um derartige erfolgte, nachdem die Staatsanwaltschaft Verhaltensweisen für die Zukunft auszu- Oldenburg ihre Ermittlungen Mitte Februar schließen? Wenn nein, warum nicht? ausgeweitet hatte? Und ist es weiter zu- 11. Warum wurde der Verkehrsunfall am treffend, dass insofern das Innenministeri- Nachmittag des Vorfallstages nicht durch um über den Sachverhalt umfassend in- eine andere, neutrale Dienststelle aufge- formiert ist? nommen, so wie es schon bei geringen 3. Wann wurde das Innenministerium und Sachschäden üblich ist? Sollen auch hier wann wurde der Minister selbst von dem Regelungen entwickelt werden, oder sind Vorfall erstmalig in Kenntnis gesetzt? derartige Regelungen möglicherweise be- reits in Kraft, jedoch missachtet worden? 4. Sind dem Innenministerium alle relevanten Presseartikel vorgelegt worden? Wenn 12. Wie bewertet die Landesregierung Zei- nein, warum nicht? Wenn ja, was hat das tungsberichte, wonach die Polizei noch Innenministerium selbst veranlasst, nach- Mitte Januar „derzeit kein strafrechtlich re- dem unzureichende Sachverhaltsermitt- levantes Verhalten“ sähe? Gab es hierzu lungen in der Vorfallsnacht behauptet wor- eine Pressemitteilung der Polizeidirektion den sind? Oldenburg? Wenn ja, warum? Hatte das Innenministerium hiervon Kenntnis? 5. Wie bewertet die Landesregierung den Umstand, dass der Polizeipräsident der 13. Wann ist die Staatsanwaltschaft zum ers- Polizeidirektion Oldenburg in der Vorfalls- ten Mal von dem Vorfall in Kenntnis ge- nacht persönlich in Wittmund gewesen ist setzt worden?

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14. Wann hat die Staatsanwaltschaft Olden- ar ausgesprochen, da ab diesem Zeitpunkt die burg die Ermittlungen aufgenommen, und Voraussetzungen des § 67 NBG vorlagen. Die gegen wen wird wegen welchen Vorwurfs Polizeidirektion Oldenburg hat dem Innenministeri- ermittelt? um seit dem 23. Dezember 2006 mehrfach münd- lich, telefonisch und schriftlich im Rahmen der 15. Gab es Veränderungen/Ausweitungen der Zuständigkeit des Innenministeriums berichtet. Ermittlungen? Wenn ja, zu welchem Zeit- punkt und mit welcher Begründung? Zu 3: Der Polizeipräsident der Polizeidirektion Ol- denburg hat den Innenminister und das Ministeri- 16. Ist es nach Auffassung der Landesregie- um für Inneres und Sport am 23. Dezember 2006 rung durch die Aufarbeitung des Vorfalls über die Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt. bereits jetzt schon zu einer Ansehens- schädigung der Polizei gekommen? a) Zu 4: Dem Ministerium für Inneres und Sport liegen Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, wel- im Zusammenhang mit den Geschehnissen rund che Schritte werden beabsichtigt, um den um den betroffenen Beamten diverse Presseartikel Vorwurf des Vertuschens zu entkräften? vor, ohne dass diese Sammlung Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Die Sicherstellung zurei- 17. Ist das Innenministerium nach Auffassung chender Sachverhaltsermittlungen obliegt den der Landesregierung seinen Aufgaben in zuständigen Ermittlungsbehörden. Der Pressebe- dieser Angelegenheit voll nachgekommen? richterstattung war zu entnehmen, dass eine ent- Wenn ja, sieht die Landesregierung dann sprechende Befassung durch die zuständigen Versäumnisse im nachgeordneten Bereich Stellen zum Zeitpunkt des Erscheinens des vom und, wenn ja, welche? Welche Schwach- Fragesteller zitierten Artikels am 28. Februar 2007 stellen insgesamt sieht die Landesregie- bereits erfolgt war. Die Polizeidirektion Oldenburg rung in diesem Vorgang? hat dem Innenministerium seit dem 23. Dezember 2006 im Rahmen der Zuständigkeit des Innenmi- 18. Laufen bereits Disziplinarverfahren in die- nisteriums mehrfach zum Sachverhalt berichtet. ser Angelegenheit? a) Wenn nein, warum Weitergehende Reaktionserfordernisse waren für nicht? b) Wenn ja, gegen wen richten sie das Ministerium für Inneres und Sport nicht gege- sich, und durch wen werden sie bearbei- ben. tet? Zu 5: Der Polizeipräsident der Polizeidirektion Ol- Zu 1: Dem betroffenen Beamten wurde im Februar denburg ist den ihm obliegenden Pflichten nach- dieses Jahres gemäß § 67 NBG aus zwingenden gekommen. Es ist auch seine Aufgabe, Mitarbeite- dienstlichen Gründen für die Dauer von drei Mo- rinnen und Mitarbeitern sowie ihren Angehörigen naten das Führen seiner Dienstgeschäfte verboten bei herausragenden Ereignissen und menschli- (Verbot der Amtsführung). Zuständig für das Ver- chen Tragödien persönlich zur Seite zu stehen und bot der Amtsführung war gemäß § 67 Abs. 1 NBG die notwendige Fürsorge zu zeigen. Der Polizei- in Verbindung mit Abschnitt I Ziffer 1 des Gemein- präsident der Polizeidirektion Oldenburg hat sich samen Runderlasses des MI, der Staatskanzlei direkt in der Polizeidienststelle in Wittmund bei und der übrigen Ministerien vom 20. Februar1998 dem Leiter des ZKD der Polizeiinspektion Wil- in diesem Fall das Ministerium für Inneres und helmshaven/Friesland/Wittmund über den Sach- Sport. An dieser Zuständigkeit hat sich gegenüber stand des in Rede stehenden Suizidversuchs ei- der Amtszeit des früheren Innenministers Bartling nes seiner ranghöchsten Führungskräfte und des- nichts geändert. Der Polizeipräsident der Polizeidi- sen Ehefrau sowie deren Befinden in Kenntnis rektion Oldenburg wurde gebeten, dem betroffe- setzen lassen. Es gab nach der Berichterstattung nen Beamten diese seitens des Landespräsidiums für ihn keinen Anlass für Zweifel an der Qualität für Polizei, Brand- und Katastrophenschutz zu- der Aufnahme des Ereignisortes, die vom Leiter nächst mündlich getroffene Entscheidung im Na- ZKD bereits durchgeführt worden war. men des Ministeriums für Inneres und Sport mit- zuteilen. Zu 6: Ja. Wie dem Polizeipräsidenten der Polizeidi- rektion Oldenburg nach seinem Eintreffen im Poli- Zu 2: Das Verbot der Amtsführung wurde durch zeikommissariat Wittmund am 23. Dezember 2006 das Ministerium für Inneres und Sport nach Be- mitgeteilt wurde, war die Tatortarbeit am Wohn- kanntwerden der Ausweitung der Ermittlungen haus bereits abgeschlossen. Hinweise darauf, durch die Staatsanwaltschaft Oldenburg im Febru-

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dass erforderliche Ermittlungshandlungen nicht kraftfahrzeugen nicht verstoßen worden. Für eine vorgenommen wurden, lagen ihm nicht vor. Im Neufassung oder Änderung der bestehenden Re- Übrigen avisierte der Polizeipräsident noch in der gelungen wird kein Erfordernis gesehen. Die auf- Vorfallsnacht die Ermittlungsübernahme durch eine nehmenden Beamten mussten nach dem damali- andere Dienststelle. Diese Übernahme wurde am gen Erkenntnisstand auch die Fahndung nach 27. Dezember 2006 durch Beamte des PK Wildes- einem flüchtigen Verkehrsgefährder betreiben. hausen der Polizeiinspektion Delmenhorst vollzo- gen. Zu 12: In einem Zitat der Nordwest-Zeitung vom 13. Januar 2007 sieht die Polizei „derzeit kein Der Beamte und seine Ehefrau waren bis zum strafrechtlich relevantes Verhalten“ des Betroffe- 10. Januar 2007 in einem Krankenhaus in stationä- nen. Nach Mitteilung der Polizeidirektion Olden- rer Behandlung. burg wurde diese Aussage mündlich auf telefoni- sche Anfrage der Nordwest-Zeitung getätigt und Die sich unmittelbar nach Weihnachten anschlie- bezog sich mit damaligem Kenntnisstand allein auf ßenden Ermittlungen der mit den Ermittlungen den gemeinsamen Suizidversuch der Betroffenen. beauftragten Polizeidienststelle der Polizeiinspek- Eine strafrechtliche Würdigung des Verkehrsunfalls tion Delmenhorst/Oldenburger Land haben nach war zu diesem Zeitpunkt nicht in die Fragestellung Erlangung zusätzlicher Erkenntnisse zur Auswei- einbezogen. Eine schriftliche Pressemitteilung tung des Straftatvorwurfes im bestehenden Er- durch die Polizei ist hierzu nicht erfolgt. Der Press- mittlungsverfahren geführt. artikel wurde dem Ministerium für Inneres und Sport von der Polizeidirektion Oldenburg nachträg- Zu 7: Aus Sicht des Innenministeriums waren die lich übersandt. angewandten Verfahrensweisen zum Zeitpunkt des jeweiligen Kenntnisstandes nicht zu beanstan- Zu 13: Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ist Mitte den. Januar 2007 von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt worden. In Bezug auf den zweiten Teil der Frage verweise ich auch meine Ausführungen zu Frage 6. Zu 14: Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat dar- aufhin am 15. Januar 2007 ein förmliches Ermitt- Zu 8: Nein. Dem steht allerdings nicht entgegen, lungsverfahren gegen den Beamten wegen des dass in geeigneten Fällen auf Wünsche Betroffe- Verdachts der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel ner hinsichtlich der Gestaltung des Ermittlungs- und des Vortäuschens einer Straftat eingeleitet. verfahrens Rücksicht genommen werden kann. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Hierbei handelt es sich immer um Einzelfallent- Die Landesregierung sieht sich deshalb - wie in scheidungen unter Beachtung sachlicher Erforder- jedem anderen Strafverfahren auch - nicht in der nisse. So können z. B. weibliche Opfer von Sexu- Lage, weitergehend Stellung zu nehmen. alstraftaten auf Wunsch durch weibliche Polizeibe- amtinnen vernommen werden. Zu 15: Aufgrund von Erkenntnissen, die sich wäh- rend der laufenden Ermittlungen ergeben hatten, Zu 9: Es ist nach derzeitigem Kenntnisstand im hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen Anfang Rahmen der Ermittlungen nicht gegen Regeln Februar 2007 ausgedehnt. Um die andauernden verstoßen worden. Ermittlungen nicht zu gefährden, kann die Landes- Zu 10: Nein. Die angewandten Verfahrensweisen regierung zu Einzelheiten zurzeit keine Auskunft waren zum Zeitpunkt des jeweiligen Kenntnisstan- geben. des nicht zu beanstanden. Da derartige Sachver- Zu 16: Nein, nach Auffassung der Landesregie- halte nur bezogen auf den Einzelfall und unter rung hat die Polizei mit der sachgerechten Aufar- Berücksichtigung des jeweiligen Ermittlungsstan- beitung dieser Vorfälle, ohne Ansehen der Person des betrachtet werden können, besteht im Rah- des Leiters der Polizeiinspektion Wilhelmsha- men der Zuständigkeit des Innenministeriums kein ven/Friesland/Wittmund und trotz vielfältiger Spe- Handlungsbedarf. kulationen in den Medien, Handlungsfähigkeit be- Zu 11: Der Unfall ist durch die Polizeistation wiesen. Schortens aufgenommen worden. Nach dem Be- Zu 17: richt der PD Oldenburg ist gegen bestehende Re- gelungen zur Aufnahme von Unfällen mit Dienst- Zu Teilfrage 17.1: Ja.

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Zu Teilfrage 17.2: Nein. grund einer ganz speziellen Betriebserlaubnis. Von 1996 bis 1999 wurde in einem Modellversuch er- Zu Teilfrage 17.3: Aus Sicht der Landesregierung mittelt, welchen Anforderungen die Einrichtung waren die angewandten Verfahrensweisen zum „Waldkindergarten“ genügen muss. Anhand dieser Zeitpunkt des jeweiligen Kenntnistandes nicht zu Erfahrungen wurden genaue Vorgaben für den beanstanden. Eine endgültige Bewertung dürfte Standort, die Ausstattung, die Gruppengröße und erst nach Abschluss der straf- und dienstrechtli- Gruppenzusammensetzung, die Betreuungszeiten chen Verfahren möglich sein. und das Erziehungspersonal erarbeitet, die unbe- dingt einzuhalten sind. Diese Vorgaben für die Zu 18: Gegen den betroffenen Beamten wurde Erteilung der Betriebserlaubnis sind notwendig, seitens der zuständigen Polizeidirektion Oldenburg damit der Bildungs- und Erziehungsauftrag auch in ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Dieses Diszip- einer solchen Einrichtung erfüllt werden kann. Ein linarverfahren wurde angesichts des staatsanwalt- durch Betriebserlaubnis genehmigter Waldkinder- schaftlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 23 garten kann dann ausschließlich als Waldkinder- NDiszG ausgesetzt. garten betrieben werden. Das gesamte Jahr hin- Anlage 2 durch sind die Kinder in einer Gruppe mit 15 Kin- dern im Wald, und zwar täglich vier, maximal fünf Antwort Stunden. des Kultusministeriums auf die Frage 4 der Abg. Regelkindergärten, deren maximale Gruppengröße Christian Dürr und Jörg Bode (FDP) 25 Kinder umfasst, arbeiten nach einem trägerspe- zifischen pädagogischen Konzept unter Einbezie- Naturkindergärten für alle Regionen Nieder- sachsens ermöglichen hung der Empfehlungen des Orientierungsplans. Die unterschiedlichen Lernbereiche in der Frühpä- In Niedersachsen besteht seit vielen Jahren die dagogik bieten mannigfaltige Möglichkeiten, die Möglichkeit, Waldkindergärten zu genehmigen. Ein Waldkindergarten ermöglicht es Kindern, Arbeit in der Einrichtung an einem besonderen die Natur unmittelbar und spielerisch zu erfah- Profil auszurichten. ren und diese als ihre Lebensgrundlage zu be- greifen. Als eine wesentliche Voraussetzung für Das Konzept „Naturkindergarten“, welches - wie in eine Genehmigung als Waldkindergarten gilt der Anfrage bereits erwähnt - in Niedersachsen der tägliche und bis zu vier Stunden dauernde gern und oft eingesetzt wird, ist ein solches Profil. Aufenthalt der Gruppe in einem Waldgebiet. Naturkindergärten mit einem vergleichbaren Sinnvoll ist die Umsetzung an Orten, wo die natur- pädagogischen Anspruch, die z. B. in den Küs- räumlichen Bedingungen dafür ideale Vorausset- tenregionen unseres Landes betrieben werden, zungen bieten. Dazu können durchaus auch Küs- haben aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage tengebiete gehören. Dort können Kindergärten keine Aussicht auf Genehmigung - es können lediglich Regelkindergärten mit dem Schwer- z. B. mit einzelnen Gruppen im Wechsel naturnah punkt Natur genehmigt werden. arbeiten, indem sich diese tageweise an geeigne- ten Plätzen in der freien Natur aufhalten. Gleich- Vor diesem Hintergrund fragen wir deshalb die Landesregierung: zeitig ist jederzeit die Alternative gegeben, den Kindergartenalltag auch in der Einrichtung selbst 1. Wie viele Projekte mit einem den Waldkin- zu verbringen. dergärten vergleichbaren Anspruch gibt es nach Kenntnis der Landesregierung derzeit in Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Niedersachsen? Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie 2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregie- folgt: rung für die Genehmigung von Naturkindergär- ten entsprechend den Richtlinien, die für Wald- Zu 1: Es gibt in Niedersachsen keine weiteren kindergärten bestehen? Tageseinrichtungen mit einem den Waldkinder- 3. Würden der Landesregierung zusätzliche gärten vergleichbaren Anspruch und dementspre- Kosten durch die Genehmigung von Naturkin- chenden Rahmenbedingungen. Regelkindergär- dergärten entstehen? Wenn ja, in welcher Hö- ten, die sich in ihrer Konzeption insbesondere der he? Naturnähe verpflichten, nennen sich mancherorts Von den ca. 4 400 genehmigten Tageseinrichtun- „Naturkindergärten“ und binden in ihren Tagesab- gen für Kinder sind aktuell 85 Einrichtungen als lauf bzw. im Wochenrhythmus Aufenthalte in der Waldkindergärten ausgewiesen. Sie arbeiten auf- freien Natur ein. Diese Möglichkeit hat jede Ein-

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richtung, ohne dass es einer besonderen Geneh- len Zusammenarbeit verstoßen habe, ist ein migung bedarf. Es gelten die Mindestanforderun- bisher einmaliger Vorgang. gen des KitaG und seiner Durchführungsverord- Ich frage die Landesregierung: nungen. 1. Warum hat das Umweltministerium der Eu- Zu 2: Die Landesregierung sieht zum jetzigen Zeit- ropäischen Kommission nicht alle zu diesem punkt keine Notwendigkeit, ein weiteres Kinder- Vorgang vorliegenden Informationen zur Verfü- gung gestellt und damit gegen die Verpflichtung gartenmodell einzuführen, da die bisherigen Mög- zur loyalen Zusammenarbeit verstoßen? lichkeiten, zwischen Regel- und Waldkindergarten zu wählen, als ausreichend erscheinen. In der 2. In welcher Weise hat das Umweltministerium fachaufsichtlich sichergestellt, dass die im Er- Beratungstätigkeit durch die Fachdienste vor Ort lass vom 8. Juli 2005 („Handlungsvorgaben zur konnten bisher alle Einzelanfragen im Hinblick auf Reduzierung der den Hochwasserabfluss be- Naturkindergärten geklärt werden, sodass man einträchtigenden Verbuschung im niedersäch- sich vor Ort letztlich für eine der beiden bisher sischen Abschnitt der Mittelelbe“) geforderte Anwendung des § 34 c NNatG (FFH-Verträg- schon möglichen Formen entschieden hat. lichkeitsprüfung) auch tatsächlich von den Landkreisen umgesetzt wurde? Zu 3: Wie ausgeführt, hält es die Landesregierung nicht für angezeigt, ein spezielles Modell „Natur- 3. Warum hat das Umweltministerium bzw. die kindergarten“ einzuführen. Wollte man die jetzigen Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsi- sche Elbtalaue erst mit Schreiben vom 12. Ja- Naturkindergärten etwa verpflichten, nur Gruppen nuar 2007 - also nach der deutlichen öffentli- von 15 Kindern zu führen und die übrigen Stan- chen Kritik an der Unrechtmäßigkeit des Vor- dards der Waldkindergärten anzuwenden, würden gehens - den Landkreisen Lüneburg und Lü- zwar dem Land keine zusätzlichen Kosten entste- chow-Dannenberg die vorliegenden Materialien über besondere Artenvorkommen und Lebens- hen, genauso wenig wie bei den Waldkindergär- raumtypen zur Verfügung gestellt, auf deren ten. Stärker belastet wäre aber der örtliche Träger Grundlage erst eine FFH-Verträglichkeits- der öffentlichen Jugendhilfe. Durch kleinere Grup- prüfung durchgeführt werden kann? pen, mehr Betreuungspersonal und eventuell hin- Vorbemerkungen: zukommende Fahrtkosten würde - verglichen mit den Regelkindergärten - fast immer ein Mehrauf- Die dramatischen Hochwasser der Elbe in den wand entstehen. Jahren 2002 und 2006 sind vergleichsweise höher aufgelaufen, als nach den abgeführten Wasser- Anlage 3 mengen rechnerisch zu erwarten war. Die Ursache Antwort dafür liegt insbesondere in der Verbuschung des Abflussprofils der Elbe. Hierdurch erhöht sich die des Umweltministeriums auf die Frage 5 der Abg. Rauhigkeit des Überflutungsbereiches mit der Fol- Dorothea Steiner (GRÜNE) ge eines stärkeren Rückstaus. In den letzten Jah- ren konnten dort durch eine Extensivierung der Beschwerdeverfahren der Europäischen Kommission - Fällen von Auengehölzen im landwirtschaftlichen Nutzung verstärkt Bäume und FFH-Gebiet und im Vogelschutzgebiet im Sträucher aufwachsen. In einzelnen Bereichen hat Biosphärenreservat Niedersächsische Elb- der Bewuchs um 400 % zugenommen. Er behin- talaue dert heute zunehmend den Wasserabfluss und Die Europäische Kommission hat im März be- führt damit zu höheren Wasserständen. schlossen, das Beschwerdeverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Ver- Höhere Wasserstände bei ansonsten gleichen stoß gegen die FFH- und Vogelschutzrichtlinie Abflussmengen bedeuten für die im Schutz der im Biosphärenreservat Elbtalaue fortzuführen. Deiche lebende Bevölkerung eine nicht hinnehm- Konkret muss das Niedersächsische Umwelt- ministerium zur Kettensägeaktion des Umwelt- bare Gefährdung. Extreme Hochwasserereignisse ministers, dem Fällen von Auengehölzen ohne und natürlich das Bemessungshochwasser selbst die rechtlich gebotene fachliche Prüfung, Stel- können unter Umständen nicht mehr schadlos lung nehmen. Darüber hinaus habe Deutsch- zwischen den Deichen abgeführt werden. Es be- land in diesem Fall gegen die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit der Kommission steht ein erhöhtes Risiko für Deichbrüche und Ü- gemäß Artikel 10 des EG-Vertrages verstoßen. berschwemmungen. Nach dem Wassergesetz ist Der Vorwurf, dass eine Dienststelle in deshalb, zum Schutz von Leib und Leben, der Deutschland gegen die Verpflichtung zur loya- Entstehung von Hochwasserschäden vorzubeugen und der schadlose Hochwasserabfluss zu ge-

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währleisten. Dafür ist ein Rückschnitt des Auf- ordneten Behörden umgesetzt werden. Das gilt wuchses im Deichvorland unabdingbar. Die zu- grundsätzlich auch für diesen Fall. ständigen Landkreise sind mit dem Erlass des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 8. Ju- Nachdem im Ministerium bekannt wurde, dass sich li 2005 zur Umsetzung entsprechender Maßnah- vor Ort bei der Umsetzung des Erlasses mögli- men aufgefordert worden. Dieser Erlass trägt aber cherweise Probleme ergeben könnten, hat es zum nicht allein dem schadlosen Hochwasserabfluss 21. September 2006 den Landkreis Lüchow-Dan- Rechnung, er berücksichtigt ebenfalls die heraus- nenberg zu einem fachaufsichtlichen Gespräch gehobene ökologische Bedeutung der Elbtalaue. eingeladen. In dem Gespräch wurde dem Land- kreis erläutert, dass er die erforderlichen Verträg- Abgesehen davon, dass der Vorwurf, der loyalen lichkeitsprüfungen im erforderlichen Umfang durch- Zusammenarbeit nicht nachgekommen zu sein, zuführen habe. aus Sicht der Landesregierung unberechtigt ist (siehe auch Antwort 1), ist auch Deutschland in Zu 3: Die Biosphärenreservatsverwaltung hat mit den vergangenen fünf Jahren mehrmals vom Schreiben vom 12. Januar 2007 dem Landkreis EuGH verurteilt worden, diese Pflicht verletzt zu Lüneburg als unterer Wasserbehörde auf Daten- haben. Ein solcher Vorwurf ist keineswegs einma- träger die neuesten Ergebnisse aus der im Rah- lig. men des FFH-Monitorings durchgeführten Erstin- ventur übermittelt. Weiterhin handelt es sich um Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine die Bereitstellung von Materialien aus einer gan- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: zen Reihe von in den Jahren 2006 und 2007 den Landkreisen Lüchow-Dannenberg und Lüneburg Zu 1: Das Umweltministerium hat dem Bundesmi- bereits zur Verfügung gestellten Unterlagen. Über- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi- dies bestand jederzeit Gelegenheit, aktuelle Daten cherheit am 16. Januar 2007 die von der EU-Kom- auf dem Datenserver des Niedersächsischen Um- mission gewünschten Informationen zur FFH-Ge- weltministeriums abzurufen. bietskulisse, zu den bis dahin durchgeführten und den geplanten Rückschnittmaßnahmen, zum FFH- Anlage 4 Lebensraumtyp *91E0 sowie zum Vorkommen des Bibers und Fischotters in Niedersachsen in Form Antwort von Karten und erläuternden Anmerkungen vor- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gelegt. Die Bundesregierung hat diese Informatio- auf die Frage 6 des Abg. Hermann Dinkla (CDU) nen mit Mitteilung vom 24. Januar 2007 an die EU- Kommission weitergeleitet. Förderung des Logistikstandorts Nieder- sachsen durch das neue Hafenkonzept Die in den von den Maßnahmen betroffenen Be- reichen vorkommenden relevanten Vogelarten Am 28. März 2007 hat der Niedersächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, wurden benannt. Von einer detaillierten kartografi- Walter Hirche, das neue Niedersächsische schen Darstellung der Brut-, Rast- und Jagdge- Hafenkonzept vorgestellt. Dieses nennt ver- biete jeder einzelnen Vogelart wurde unter Hinweis schiedene Maßnahmen wie z. B. eine stärkere auf die große Zahl der Arten und die durch die Zusammenarbeit zwischen den See- und Bin- nenhäfen, um die niedersächsischen Häfen und durchgeführten Maßnahmen nicht gegebene damit auch den Logistikstandort Niedersachsen nachhaltige Beeinträchtigung der Vogelwelt ver- weiterzuentwickeln und für den internationalen zichtet. Wettbewerb besser zu positionieren.

Eine vertiefende kartografische Darstellung zu Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- regierung: Biber- und Fischotternachweisen sowie weitere Flächenangaben zu den durchgeführten Rück- 1. Wie können die geplanten Investitionen in die schnittmaßnahmen wurden dem BMU am Häfen konkret dazu beitragen, die „Job-Ma- schinen“ der niedersächsischen Häfen weiter 27. Februar 2007 übermittelt und der EU- zu fördern und damit auch das Land insgesamt Kommission mit Mitteilung der Bundesregierung als einen der führenden Logistikstandorte in vom 8. März 2007 weitergeleitet. Deutschland und auf internationaler Ebene weiter zu stärken? Zu 2: Das Niedersächsische Umweltministerium 2. Welche weiteren Maßnahmen sind im Zu- geht davon aus, dass alle Erlasse im Einklang mit sammenhang mit dem Bau des JadeWeser- den bestehenden Vorschriften von den nachge- Ports notwendig, damit Niedersachsen von dem

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rasant wachsenden Containerverkehr zukünftig sität abhängig ist. Am Beispiel Brake wird das in vollem Maße profitieren kann? deutlich: Der Hafen Brake hat sich auf der Grund- 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregie- lage seines traditionellen Umschlags im Holz- und rung, um angesichts der prognostizierten Ver- Zellulosemarkt, durch die Errichtung hafennaher kehrszuwächse insbesondere die Potenziale Distrubutionszentren mit entsprechenden Dienst- der Schiene und der Wasserstraßen in Nieder- leistungen, zu einem der führenden Logistikzent- sachsen stärker für eine Entlastung des bereits jetzt stark beanspruchten Verkehrsträgers ren für Holz- und Holzprodukte im internationalen Straße zu nutzen? Maßstab entwickelt.

Zu 1: Durch die Globalisierung der Märkte erhalten Die zunehmenden Nachfragen nach Ansiedlungs- die Häfen eine immer bedeutendere Rolle in der möglichkeiten in den niedersächsischen Häfen be- internationalen Wirtschaft. Häfen bilden das Bin- legen das Marktinteresse. Die international tätigen deglied zwischen Wirtschaftsstandorten und der Reedereien denken in immer stärkerem Maße in Weltwirtschaft. Weit über 90 % des weltweiten Logistikketten. Hierbei können die Häfen eine Handels gehen über die Seehäfen. wichtige Rolle dadurch übernehmen, dass sie als Zwischenpuffer innerhalb der internationalen Die niedersächsischen Seehäfen befinden sich Transportketten fungieren. trotz des zurzeit sehr positiven Umfeldes im Hin- blick auf die nationale und weltweite Wirtschaft in Innerhalb des europäischen Wettbewerbs wird es einem permanenten Wettbewerb mit anderen Ha- zunehmend wichtiger, strategische Allianzen zu fenstandorten in Europa. Die Häfen als Infrastruk- schmieden und Kooperationen mit anderen Häfen tur des Landes müssen permanent fit für den oder sonstigen Logistikpartnern einzugehen. Hier- Wettbewerb gehalten werden, weil gerade die für bietet das Hafenkonzept eine gute Grundlage. Transport- und Logistikbranche sehr schnell ande- Schon durch die Erarbeitung des Hafenkonzeptes re Standorte in ihre Konzepte aufnimmt, wenn an ist eine enge Abstimmung zwischen den nieder- den angestammten die Rand- und Rahmenbedin- sächsischen See- und Binnenhäfen entstanden, gungen nicht stimmen. Damit haben die Häfen, die nach Fertigstellung des Hafenkonzeptes weiter neben den direkt betroffenen Arbeitsplätzen, auch gestärkt werden soll. Das Ziel der Kooperation ist mittelbare Wirkungen auf das Binnenland. es, die niedersächsischen Häfen (Seehäfen plus Binnenhäfen) als ein Hafensystem darzustellen, Die Logistikbranche ist die am stärksten wachsen- um so mit einer abgestimmten Logistikkette Stand- de Branche in Deutschland. Investitionen in die ortvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu gene- Häfen zur Unterstützung der Logistik setzen sich in rieren. Durch derartige Maßnahmen können die der Regel aus Infrastrukturanteilen und Supra- niedersächsischen Häfen an Attraktivität für weite- strukturanteilen zusammen. re Ansiedlungen gewinnen.

In bzw. an den Häfen führen die Investitionen in Darüber hinaus ist auch die Kooperation mit Ham- die Hafeninfrastruktur zu neuen Arbeitsplätzen. Die burg und Bremen zu verstärken, da insbesondere Infrastruktur wird in der Regel von staatlichen zwischen diesen Häfen und den niedersächsi- Stellen bzw. mit staatlichen Zuschüssen erstellt, schen Binnenhäfen ein reger Ladungsaustausch der Bau der Suprastruktur ist Angelegenheit der stattfindet, der für die wirtschaftliche Entwicklung Hafenumschlagsunternehmen. Investitionen in die im Binnenland unverzichtbar ist. Suprastruktur werden von den Unternehmen in enger Abstimmung auf die Infrastruktur vorge- Zu 2: Nach dem Baubeginn für den JadeWeser- nommen. In allen Hafenstandorten, in denen in die Port sind die bekannten Infrastrukturmaßnahmen Infrastruktur neu erstellt wird, wird zugleich auch im Bereich der Autobahnanbindung zum JadeWe- massiv in die Suprastruktur investiert. Investitionen serPort sowie die Ertüchtigung der Schienenan- staatlicher Stellen induzieren somit weitere Investi- bindung von Wilhelmshaven über Sande nach tionen privater Unternehmen, in der Regel in glei- Oldenburg vordringlich. Die hierfür notwendigen cher Größenordnung. Investitionsbeschlüsse sind von der DB AG und dem Bundesverkehrsministerium getroffen. Da mit den Investitionen zugleich eine Ausweitung der Geschäftstätigkeit verbunden ist, entstehen in Unabhängig von den infrastrukturellen Vorausset- diesem Zusammenhang zusätzliche Arbeitsplätze, zungen wie eine leistungsfähige Hinterlandanbin- deren Anzahl jedoch von der Art des Umschlags dung (Schiene) ist es von Bedeutung, dass der und der damit verbundenen Beschäftigungsinten-

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Hafen in nationale und internationale Logistiknetz- Stärkung und Förderung des Kombinierten Ver- werke eingebettet wird. Die internationale Vernet- kehrs. So unterstützt das Land den Ausbau des zungsqualität birgt die größten Marktchancen für Kombinierten Verkehrs auf Schiene (aktuell im den gesamten Logistik- und Wirtschaftsstandort GVZ Göttingen) und der Wasserstraße (z. B. Niedersachsen. Über den Betreiber EUROGA- C-Port, Eurohafen Emsland und Hannover) und TE/Maersk wird bereits eine grundlegende Vernet- hilft bei der Realisierung von MarcoPolo-Projekten zungsqualität sichergestellt; diese gilt es weiter bzw. Projekten aus dem nationalen Pact-Pro- auszubauen. Dieses ist ein entscheidender Faktor gramm. für die Attraktivitätssteigerung Niedersachsens als Standort für Europäische Distributionszentren. Wie für den JWP gilt es, auch für die Schiene die Dieses gilt auch für die Ansiedlung von logistikaffi- Vernetzungsqualität zu erhöhen; hierfür sind die nen Unternehmen am JWP. Die Entwicklung von infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. nutzer- und marktkonformen Logistikangeboten am Daher setzt sich die Landesregierung beim Bund Hafen wird dazu beitragen, eine noch stärkere nachhaltig für den Ausbau des Knotens Megahub Wertschöpfung in Wilhelmshaven bzw. in Nieder- Lehrte ein. Der Aufbau von Verkehren auf der sachsen zu generieren und positive Effekte auf Schiene bedarf einer stärkeren Kooperation der neue Arbeitsplätze haben. beteiligten Akteure; auch in diesem Feld leistet die Logistikinitiative Niedersachsen erfolgreiche Arbeit. Neben der erwähnten Bahnstrecke wird auch die Sie vermittelt Kontakte zwischen Verladern und Verknüpfung zwischen dem JadeWeserPort-Be- potenziellen Dienstleistern und steht für Frage- reich und dem Nordhafen in Wilhelmshaven weiter stellungen der modalen Verlagerung mit Rat zur vorangetrieben. Es wird angestrebt, die abgängige Seite. Gleisanbindung des inneren Hafenteils in abseh- barer Zeit durch den Bau eines neuen Gleises Um die Standortbedingungen der Seehäfen zu nach Norden (sogenanntes Nordgleis) zu ergän- verbessern, sind die seewärtigen Zufahrten zu den zen. Das hierfür erforderliche Planfeststellungs- Häfen anzupassen. Die für Niedersachsen beson- verfahren ist in Vorbereitung und wird in Kürze in ders wichtige Unterweseranpassung (für den Ha- Gang gebracht. fenstandort Brake) befindet sich zurzeit im Plan- feststellungsverfahren; mit dem Baubeginn wird in Eine Beeinträchtigung des Standortes Wilhelms- 2008 gerechnet. Für den Standort Emden ist die haven sowohl für den Container- als auch für den Außenemsvertiefung von besonderer Bedeutung, Massengutbereich ist die fehlende Binnenschiffs- da der VW-Konzern Emden als zentralen Hafen für anbindung. Nach Voruntersuchungen des Bundes den Im- und Export der Fahrzeuge aus dem VW- für eine Binnenwasserstraßenanbindung zwischen Konzern etabliert hat. Die auch in diesem Bereich dem Jadebusen und der Weser ist diese Verbin- immer größer werdenden Schiffseinheiten machen dung unwirtschaftlich. Da jedoch die Standortqua- eine Vertiefung der Außenems von heute 8,50 m litäten für den JadeWeserPort deutlich verbessert (tideunabhängig) auf 9,50 bis 10,50 m dringend werden können, wenn die Erreichbarkeit des neu- erforderlich. Der Planungsauftrag seitens des en Containerhafens auch mit dem Binnenschiff BMVBS ist erteilt, die WSD Nordwest arbeitet an gewährleistet werden kann, werden zurzeit alter- der Nutzen-Kosten-Untersuchung sowie der Um- native Konzepte für den Binnenschiffstransport weltrisikoeinschätzung. Der Kabinettsbeschluss geprüft. auf Bundesebene für die Umsetzung des Vorha- bens ist noch in 2007 zu erwarten, sodass spä- Zu 3: Das Hafenkonzept hat die Bedeutung des testens in 2008 mit der Einleitung des Planfest- Ausbaus der Wasserstraßen in Norddeutschland stellungsverfahrens gerechnet werden kann. Die noch einmal sehr deutlich herausgearbeitet. Es Gesamtmaßnahme soll dann in 2010, spätestens war ein sehr wichtiger Schritt und komplettiert das 2012, abgeschlossen sein. bereits existierende GVZ- und KV-Konzept, sodass nun alle wichtigen Güterverkehrsknoten (bis auf Vor dem Hintergrund überproportional steigender Luftverkehr) in ein entsprechendes Konzept einge- Transportmengen und einer zunehmenden Ver- bunden sind. Dieses wollen wir fortschreiben mit schärfung der Umweltvorschriften bekommt der dem Ziel, einen Masterplan Güterverkehr und Lo- Ausbau der Binnenwasserstraßen als Hinterland- gistik Niedersachsen zu entwickeln, der zu Effi- verbindungen der niedersächsischen Seehäfen zienzsteigerungen im gesamten Verkehrssystem eine immer größere Bedeutung. An zentraler Stelle führen soll. Niedersachsen ist Vorreiter bei der stehen die Mittelweseranpassung und der Ausbau

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der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals. Die Die stärkere Nutzung der Wasserstraßen innerhalb Mittelweseranpassung ist bereits planfestgestellt; der Logistikkette ist an zwei Voraussetzungen die Umsetzung kann umgehend beginnen. Parallel geknüpft: zum Ausbau der Strecke müssen auch die Schleu- sen in Dörverden und in Minden neu gebaut wer- - Die durchgehende Befahrbarkeit mit einheitli- den. Der Bau der Schleuse in Dörverden ist in chen Schiffsgrößen (mindestens übergroßes Vorbereitung; er kann in Kürze beginnen. Für die Großgütermotorschiff) und neue Schleuse in Minden als zentrales Abstiegs- - die Herbeiführung einer breiteren Akzeptanz bauwerk zwischen dem Mittellandkanal und der des Binnenschiffs innerhalb der Logistikkette. Mittelweser beginnt in Kürze das Planfeststel- lungsverfahren. Die Landesregierung hat gegen- Die Binnenschifffahrt wird von den Logistikunter- über der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte nehmen bisher nicht als ernst zu nehmende Alter- als Träger des Vorhabens zusammen mit dem native zu den traditionellen Transportmöglichkeiten Hafen Minden, dem Wirtschaftsverband Weser auf der Straße und auf der Schiene angesehen. sowie den Ländern Bremen und Nordrhein-West- Hier ist ein Bewusstseinswandel herbeizuführen, falen eine Initiative gestartet, um die Möglichkeiten der auch durch die engere Kooperation zwischen für den Transport auf der Mittelweser mit dreilagi- den See- und Binnenhäfen erreicht werden kann. gem Containerverkehr zu überprüfen. Gerade vor Darüber hinaus werden bei vielen Überlegungen dem Hintergrund des Neubaus der Schleuse in der Landesregierung auch die Logistikinitiative und Minden sind diese Überlegungen vordringlich. Die das ShortSeaShipping and Inland Waterway Pro- Möglichkeit, mit Binnenschiffen dreilagig aus der motion Center (SPC) eingebunden. Für die Zukunft Unterweserregion bis nach Minden zu fahren, ist ist an eine stärkere institutionelle Verknüpfung der für die Wirtschaftlichkeit dieser Transportstrecke genannten Organisationen gedacht. Die hierfür von entscheidender Bedeutung, möglicherweise notwendigen Überlegungen sind jedoch noch nicht - unter Hinweis auf die vorangegangenen Ausfüh- abgeschlossen. rungen - auch auf den JadeWeserPort. Anlage 5 Für den Dortmund-Ems-Kanal wird vom Land und von der Region kein Vollausbau gefordert, sondern Antwort (zunächst) nur die einschiffige Befahrbarkeit mit des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr übergroßen Großgütermotorschiffen (ÜGMS). In auf die Frage 7 der Abg. Günter Lenz, Heinrich bereits vorliegenden Wirtschaftlichkeitsuntersu- Aller, Ulrich Biel, Werner Buß, Swantje Hartmann, chungen hat der Bund einem Vollausbau des Dort- Frauke Heiligenstadt, Hans-Werner Pickel, Klaus mund-Ems-Kanals zwischen Bergeshövede und Schneck, Gerd Will und Erhard Wolfkühler (SPD) Papenburg eine Absage erteilt. Die beschleunigte Anpassung dieser Kanalstrecke ist kein neues Was ist das Erfolgreiche beim Niedersach- Wasserstraßenprojekt, sondern wird nach dem sen-Kombi? derzeitigen Kenntnisstand aus dem Ersatzinvestiti- Nicht Ende 2006, wie erwartet, sondern erst onsprogramm des Bundes bezahlt. Nach einer mit Anfang Februar konnte die Landesregierung dem Land Niedersachsen gemeinsam erstellten den 1 000. Kombilohnempfänger begrüßen. Analyse der WSD West haben die Vorarbeiten für Das Niedersachsen-Kombi-Lohnmodell bleibt die Anpassung dieses Wasserstraßenabschnitts aber nicht nur quantitativ hinter den Erwartun- gen der Landesregierung zurück. Es fällt auf, bereits begonnen. dass per 20. Dezember 2006 sechs ARGEn vom Niedersachsen-Kombi überhaupt keinen Am Elbe-Seiten-Kanal ist der zentrale Engpass Gebrauch gemacht haben, während sich ein das Schiffshebewerk in Scharnebeck. Das Schiffs- Großteil der Förderfälle auf ein halbes Dutzend hebewerk sollte daher durch ein Abstiegsbauwerk Träger konzentriert. mit größeren Abmessungen ersetzt werden. Auf- In der Broschüre „Niedersachsen-Kombi - Ein grund der starken Mengenzuwächse im Hafen Impuls für den Arbeitsmarkt“, herausgegeben Hamburg und den übrigen Elbhäfen bekommt die vom Niedersächsischen Ministerium für Wirt- Erweiterung des Schiffshebewerks einen besonde- schaft, Arbeit und Verkehr, heißt es in der Rub- rik „Welcher Personenkreis wird gefördert?“ ren Stellenwert. Zurzeit laufen Gespräche mit dem wörtlich: „Vorrang bei der Förderung haben Ju- Bund über die mittel- und langfristige Umsetzung gendliche bis 25 Jahre und Ältere ab 50 Jahre.“ dieses Vorhabens.

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Die Förderpraxis konnte diesem Anspruch aber wichtigen Beitrag für die Integration Langzeitar- nicht gerecht werden. Nur 30,6 % der Geför- beitsloser geleistet. Insbesondere in der Alters- derten entfallen auf die genannten Altersgrup- pen. Mit einem Anteil von nur 30 % an allen gruppe der Jugendlichen zeigt der Niedersachsen- Förderfällen sind Frauen völlig unterrepräsen- Kombi gute Erfolge. Diese Gruppe ist unter den tiert. Die mit dem Niedersachsen-Kombi vorge- geförderten Arbeitnehmern überproportional ver- sehene Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen treten. Obwohl ihr Anteil an allen Arbeitslosen im ist Theorie geblieben. Nicht einmal 4 % der geförderten Personen sind in den Genuss von SGB II nur rund 9 % beträgt, ist sie beim Nieder- Qualifizierungszuschüssen gekommen. sachsen-Kombi mit über 20 % beteiligt.

Angesichts dieser Umstände wird es von Beob- Zu 1: Die Entscheidung darüber, ob zusätzliche achtern als erstaunlich angesehen, dass die Qualifizierung notwendig ist, treffen die einstellen- Landesregierung das Programm als Erfolg ein- stuft. den Arbeitgeber. Bis Ende Februar wurden bei insgesamt 1 387 Bewilligungen 60 Qualifizierun- Wir fragen die Landesregierung: gen gefördert. Dies entspricht einem Anteil von 1. Wie bewertet sie den Umstand, dass bei 4,3 %. Die geringe Inanspruchnahme des Qualifi- 1 028 Förderfällen (Stand 19. Januar 2007) le- zierungszuschusses deutet darauf hin, dass in diglich 40 Qualifizierungszuschüsse vergeben vielen Fällen eine externe Qualifizierung nicht not- werden konnten? wendig ist und die Arbeitgeber auf „Training on the 2. Wie viele der geförderten Personen haben Job“ setzen. eine Beschäftigung bei einem Zeitarbeitsunter- nehmen gefunden, und wie bewertet die Lan- Zu 2: Bis Ende Februar haben im Rahmen des desregierung den Umstand, dass die Einstel- Niedersachsen-Kombi 285 langzeitarbeitslose lung bei Zeitarbeitsfirmen überhaupt förderfähig ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger eine so- ist? zialversicherungspflichtige Beschäftigung bei Zeit- 3. Wie gelangt die Landesregierung angesichts arbeitsunternehmen gefunden. Dies entspricht der äußerst geringen Zahl von Qualifizierungs- einem Anteil von ca. 20 %. Beschäftigung in Zeit- zuschüssen, der unterdurchschnittlichen Förde- arbeitsfirmen ermöglicht ebenso wie in anderen rung von Frauen (nur 30 %) und der fehlenden Zielgruppengenauigkeit (69,4 % außerhalb der Branchen die Beendigung von Arbeitslosigkeit und von der Landesregierung benannten Alters- Hilfebedürftigkeit. Positive Beschäftigungseffekte gruppen) zu der Auffassung, das niedersächsi- ergeben sich vor allem daraus, dass auch Be- sche Kombilohnprogramm sei ein Erfolg? schäftigungsverhältnisse in Zeitarbeitsfirmen län- Der Niedersachsen-Kombi hat die für das zweite gerfristig angelegt sein können und die Tätigkeit in Halbjahr 2006 angestrebte Zahl von 1 000 För- einer Zeitarbeitsfirma außerdem Kontakte zu ande- derfällen bis Ende Dezember 2006 erwartungsge- ren Arbeitgebern schafft. Etwaige Mitnahmeeffekte mäß erreicht. Darüber hat das Wirtschaftsministe- werden durch Sonderregelungen minimiert, die für rium den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Zeitarbeitsfirmen gelten: bei Arbeitsverhältnissen Verkehr des Niedersächsischen Landtages am nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wird 12. Januar 2007 unterrichtet. Bis Ende Februar der gesamte Arbeitgeberzuschuss erst rückwir- 2007 ist diese Zahl auf 1 387 angewachsen. kend nach einem ununterbrochenen Beschäfti- gungszeitraum von zehn Monaten gezahlt, sofern Die Vermittlung von rund 1 400 Langzeitarbeitslo- das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt unge- sen auf zusätzliche Arbeitsplätze in der Wirtschaft kündigt und unbefristet fortbesteht. sieht die Landesregierung in der Tat als Erfolg. Dies gilt umso mehr, als die Koalitionsregierung in Zu 3: Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Berlin, die die Einführung des Niedersachsen- Anlage 6 Kombi im letzten Sommer wegen ihrer eigenen Planungen kritisiert hatte, nach wie vor über ein Antwort Kombilohnmodell streitet. Niedersachsen hat ge- handelt und fast 1 400 Menschen in den ersten des Justizministeriums auf die Frage 8 des Abg. Arbeitsmarkt vermittelt, drei Viertel von ihnen mit Prof. Dr. Dr. Roland Zielke (FDP) unbefristeten Arbeitsverträgen und auf Vollzeit- Zieht die Scharia an den deutschen Gerich- stellen. ten ein?

Der Niedersachsen-Kombi hat als ein zusätzlicher Im März dieses Jahres hat eine Frankfurter Baustein der aktiven Arbeitsförderung damit einen Richterin entschieden, dass der Koran Gewalt

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in der Ehe rechtfertige und im marokkanischen Ressorts im Rahmen der von ihnen wahrzuneh- Kulturkreis das Züchtigungsrecht des Mannes menden Aufgaben aus anderen Gründen als der nicht unüblich sei. Es sei deshalb keine unzu- mutbare Härte, das Trennungsjahr bis zur Anfrage bereits bekannt geworden sind. rechtskräftigen Scheidung abzuwarten. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Zwar wurde die zuständige Richterin von dem Landesregierung die Anfrage wie folgt: Fall abgezogen, jedoch spiegelt er die Notwen- digkeit einer politischen Aufarbeitung wider; Zu 1: Der Landesregierung sind entsprechende denn eine Misshandlung und Bedrohung einer anderen Person ist in Deutschland zu Recht Entscheidungen nicht bekannt. unter Strafe gestellt und kann nicht mit dem Ko- ran gerechtfertigt werden Zu 2: Der Landesregierung sind entsprechende Entscheidungen nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- regierung: Zu 3: Im Falle der in Frage 1 angesprochenen

1. Sind der Landesregierung gerichtliche oder rechtswidrigen behördlichen oder gerichtlichen behördliche Entscheidungen aus Niedersach- Entscheidungen wäre es in erster Linie eine Oblie- sen bekannt, in denen gemäß dem Koran und genheit der Verfahrensbeteiligten, von den jeweils im Widerspruch zu unserer Rechtsordnung ent- zulässigen Rechtsbehelfen bzw. Rechtsmitteln Ge- schieden wurde? brauch zu machen. 2. Sind der Landesregierung gerichtliche oder behördliche Entscheidungen aus Niedersach- Bei behördlichen Entscheidungen kommt weiterhin sen bekannt, die darauf hindeuten lassen, dass eine Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur in die Entscheidungsgründe Grundgedanken durch die einer höheren Behörde zustehende des Korans eingeflossen sind? Rechts- oder Fachaufsicht in Betracht. Eine 3. Welche Maßnahmen müssten ergriffen wer- Rechts- oder Fachaufsicht bei gerichtlichen Ent- den, wenn sich ein solcher Fall an einem nie- scheidungen ist hingegen ausgeschlossen; eine dersächsischen Gericht oder in einer nieder- Korrektur ist aufgrund der verfassungsrechtlich sächsischen Behörde ereignen würde? garantierten richterlichen Unabhängigkeit nur infol- Die Landesregierung nimmt keine generelle Prü- ge einer Überprüfung im Rechtsmittelweg möglich. fung oder Sichtung von gerichtlichen und behördli- Der Justizverwaltung ist es daher im Grundsatz chen Entscheidungen vor. Behördliche Entschei- auch verwehrt, richterliche Entscheidungen auch dungen werden nicht nur vom Land und seinen nur zu kommentieren. Behörden, sondern auch von rechtlich selbststän- Im Wege der Dienstaufsicht kann zudem geprüft digen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen werden, ob dem im Einzelfall handelnden Be- getroffen, sodass es der Landesregierung schon diensteten eine Verletzung dienstlicher Pflichten aus rein tatsächlichen Gründen nicht möglich sein vorzuwerfen ist und ob daran Maßnahmen der kann, sich Kenntnis über sämtliche Entschei- Dienstaufsicht zu knüpfen sind. Dies betrifft im dungsinhalte zu verschaffen. Dasselbe gilt für Ent- Grundsatz sowohl gerichtliche als auch behördli- scheidungen niedersächsischer Gerichte. Daran che Entscheidungen. Bei richterlichen Entschei- ändern auch die wahrzunehmenden Aufsichts- dungen ist die Dienstaufsicht allerdings aufgrund funktionen (Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht) der der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen einzelnen Ressorts der Landesregierung nichts. Unabhängigkeit erheblich eingeschränkt. Sie greift Anlässlich der Anfrage konnte in Anbetracht der nur bei einem richterlichen Verhalten, das dem Vielzahl von Entscheidungen auch keine umfas- Kernbereich der Unabhängigkeit so weit entrückt sende Recherche durchgeführt worden, ob es ist, dass für sie die entsprechende verfassungs- behördliche oder gerichtliche Entscheidungen gibt, rechtliche Garantie nicht mehr in Anspruch ge- bei denen in den Begründungselementen ent- nommen werden kann. Bei Entscheidungsinhalten scheidend auf den Koran zurückgegriffen worden ist das allenfalls bei krassen Fehlgriffen denkbar, ist. Was den Justizbereich betrifft, sind im Jahre über die keine Zweifel bestehen können. Eine Ab- 2006 allein in der Zivilgerichtsbarkeit in allgemei- änderung oder Beeinflussung gerichtlicher Ent- nen Zivilsachen 46 898 streitige Urteile ergangen; scheidungen ist indes im Wege der Dienstaufsicht in Familiensachen 24 513 Urteile. Vor diesem selbst in diesen Fällen nicht möglich. Hintergrund geht die Landesregierung davon aus, dass sich die Anfrage nur auf gerichtliche und be- Soweit - wie in Frage 2 vorausgesetzt - Grundge- hördliche Entscheidungen bezieht, die einzelnen danken des Korans in Entscheidungen einfließen,

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ohne dass diese dadurch rechtwidrig werden, wäre Umstellung auf die Bachelor-/Masterstruktur eine Änderung behördlicher Entscheidungen al- und die Einführung von Promotionsstudiengän- gen nicht umsetzbar sei. Besonders lehnt es lenfalls infolge einer Zweckmäßigkeitskontrolle im die LHK ab, dass der im Zuge des Bologna- Rahmen eines Widerspruchsverfahrens oder im Prozesses verzeichnete Rückgang der Stu- Rahmen der Ausübung von Fachaufsicht denkbar. dienanfängerzahlen in Niedersachsen durch ei- Bei - im Ergebnis zutreffenden - gerichtlichen Ent- ne Verschlechterung der Betreuungsverhältnis- se - und damit der Studienbedingungen - auf- scheidungen wäre ein Rechtsmittel in dieser gefangen werden soll, indem zum einen die Konstellation nicht Erfolg versprechend. Die dar- curricularen Normwerte an den Fachhoch- gestellte dienstaufsichtliche Reaktionsmöglichkeit schulen abgesenkt werden und zum anderen besteht - in extremen Ausnahmefälle - auch dann, die Lehrverpflichtungen von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Universitäten angehoben wer- wenn eine gerichtliche Entscheidung zwar im Er- den. Dies steht zum einen im Widerspruch zu gebnis fehlerfrei, aber in der Begründung krass dem unzählige Male gegebenen Versprechen fehlerhaft ist, etwa strafrechtlich relevante beleidi- Minister Stratmanns, mit der Einführung von gende Elemente enthält. Studiengebühren würden sich die Studienbe- dingungen verbessern, und zum anderen im Widerspruch zu der Zusage - die auch Gegen- Anlage 7 stand des Zukunftsvertrags ist -, dass deren Einführung nicht mit Kürzungen der Hochschul- Antwort etats einhergehen werde. des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf Ich frage die Landesregierung: die Frage 9 der Abg. Dr. Gabriele Heinen-Kljajić 1. Wie rechtfertigt die Landesregierung die fak- (GRÜNE) tische Kürzung der pro Studierendem aufge- brachten Landesmittel an Fachhochschulen Kritik der Landeshochschulkonferenz an (bedingt durch die Absenkung der curricularen Stratmanns Hochschulpakt Normwerte) und die mit den Regelungen zum Hochschulpakt verbundene Verschlechterung Am 11. April 2007 hat Wissenschaftsminister der Studienbedingungen? Stratmann die für Niedersachsen geplante Um- setzung des Hochschulpakts vorgestellt. In die- 2. Wer soll aus welchen Mitteln die vom Bund sem Jahr sollen in einem ersten Schritt zusätz- eingeforderten Ausgleichsmaßnahmen oder lich 1 610 Studienanfänger aufgenommen wer- Rückzahlungsforderungen begleichen, wenn den. Es werden allerdings deutlich weniger zu- die mit dem Hochschulpakt verbundenen zu- sätzliche Studienanfängerplätze geschaffen. In sätzlichen Studienanfängerzahlen nicht erreicht einer Presseerklärung (Nr. 38/07) spricht Mi- werden? nister Stratmann von einer „einvernehmlichen Lösung“, die man mit den Hochschulen gefun- 3. Wie wird die Landesregierung, da Minister den habe. Stratmann immer wieder darauf verwiesen hat, dass die Umsetzung des Hochschulpakts im Dieser Aussage steht eine Pressemitteilung der Einvernehmen mit den Hochschulen geschehen Landeshochschulkonferenz Niedersachsen soll, mit den gravierenden Kritikpunkten der (LHK) vom 13. April 2007 entgegen, in der es LHK umgehen? heißt: „Die Landeshochschulkonferenz Nieder- sachsen (LHK) kritisiert die Rahmenbedingun- Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung gen für die Schaffung neuer Studienplätze, wie sie für den von Bund und Ländern finanzierten und Forschungsförderung (BLK) hat am 20. No- Hochschulpakt 2020 vorgesehen sind.“ Als vember 2006 den Bericht der Wissenschaftsmi- Problem wird u. a. die Orientierung der Vergabe nisterinnen und -minister von Bund und Ländern der Fördermittel an den Studienanfängerzahlen über die gemeinsamen Planungen zu einem des Jahres 2005 benannt. Hintergrund ist die erhebliche Reduzierung der Zahl von Studien- Hochschulpakt 2020 beschlossen. Der Bericht anfängerplätzen aufgrund der Umstellung auf wurde den Regierungschefs des Bundes und der Bachelor- und Masterstudiengänge. Von 2005 Länder zu ihrer Sitzung am 13. Dezember 2006 auf 2006 ist die Zahl der Studienanfänger in vorgelegt und zustimmend zur Kenntnis genom- Niedersachsen um mehr als 1 100 gesunken. Um ein weiteres Absinken der Studienanfän- men. gerzahlen gegenüber dem Basisjahr 2005 zu verhindern, geht das Ministerium für Wissen- Der Entwurf der Verwaltungsvereinbarung zwi- schaft und Kultur laut Schreiben vom 30. März schen Bund und Ländern über den Hochschulpakt 2007 davon aus, dass die Hochschulen in den 2020 wurde am 23. April 2007 von der Bund-Län- kommenden Jahren keine Maßnahmen ergrei- fen werden, die zu einer Verminderung ihrer der-Kommission für Bildungsplanung und For- Kapazitäten führen. Die LHK hat in einer Stel- schungsförderung beschlossen und soll nach Ab- lungnahme vom 13. April 2007 festgehalten, stimmung mit der Finanzministerkonferenz im Juni dass diese Forderung angesichts der weiteren

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2007 unterzeichnet werden. Bei den Besprechun- stellungsmodalitäten in den anderen Ländern war gen zur Verwaltungsvereinbarung zeichnet sich erforderlich, um, ausgehend von den Anfänger- ab, dass die Studienanfänger der Niedersächsi- zahlen des Jahres 2005, additive Kapazitäten zu sches Fachhochschule für Verwaltung und vereinbaren. Mit diesen Maßnahmen erbringen die Rechtspflege bei den Spitzabrechnungen des Hochschulen auch den durch die Finanzminister- Bundes nicht berücksichtigt werden, da sie ihren konferenz geforderten Eigenanteil zum Hochschul- Status als Hochschule verlieren wird. Deshalb pakt 2020. Darüber hinaus erhalten die Fachhoch- werden bei den weiteren Betrachtungen die Stu- schulen in den Jahren 2005 bis 2010 zusätzliche dienanfänger der Niedersächsischen Fachhoch- Mittel aus dem Fachhochschulkonsolidierungspro- schule für Verwaltung und Rechtspflege herausge- gramm. rechnet. Die Landesregierung wird die auf Nieder- sachsen entfallenden Bundesmittel zum Hoch- Zu 2: Die Hochschulen erhalten aus Gründen der schulpakt in voller Höhe kofinanzieren. Die Kofi- Planungssicherheit 50 % der vereinbarten zusätzli- nanzierungsraten für die Folgejahre werden eben- chen Mittel erfolgsunabhängig. Bei Nichterreichung falls in voller Höhe und zusätzlich aus dem Lan- der vereinbarten Ziele werden die Rückforderun- deshaushalt bereitgestellt. Sie werden also nicht gen verrechnet und an anderem Ort zur Schaffung zulasten anderer Haushaltsansätze innerhalb des zusätzlicher Studienanfängerkapazitäten einge- MWK-Haushalts umgeschichtet. setzt. Die Landesregierung geht davon aus, dass wegen der steigenden Studienberechtigtenzahlen Die zwischen Bund und Ländern abgestimmten die bundesweit vereinbarten Zahlen erreicht wer- Abrechnungsmodalitäten sehen vor, dass die über den. die Studienanfängerzahl des Jahres 2005 hinaus- gehenden Studienanfängerinnen und Studienan- Zu 3: Die Kritikpunkte der LHK beziehen sich in fänger aus den Mitteln des Hochschulpakts 2020 erster Linie auf die Grundlagen der Bund-Länder- finanziert werden. Vereinbarungen. An den Umsetzungsmaßnahmen in Niedersachsen wird die Erwartung der Landes- Ende März wurden die Verhandlungen mit den regierung kritisiert, dass die noch ausstehende Hochschulen termingerecht abgeschlossen, in Umstellung auf die gestufte Studienstruktur ohne denen die Aufnahme von 1 610 zusätzlichen Stu- Rückgang der Anfängerkapazitäten verlaufen soll. dienanfängern über die rechnerische Aufnahme- Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Be- kapazität hinaus aus Mitteln des Hochschulpakts reiche, in denen Kapazitätsrückgänge im Rahmen vereinbart wurde. Die LHK hat sich zwar mittler- der Umstellung auf die gestuften Studiengänge weile gegen das Prinzip ausgesprochen, die An- voraussehbar waren, bereits komplett umgestellt fängerzahlen des Jahres 2005 als Basis zu ver- sind. Dies sind namentlich die Lehrerausbildung wenden. Vonseiten des Bundes ist dies aber eine (mit einer deutlich höheren Übergangsquote in die Bedingung für den Hochschulpakt 2020, weil nicht Masterstudiengänge) und die sogenannten Mas- alle Länder so wie Niedersachsen über eine flä- senstudienfächer, bei denen die Curricularnorm- chendeckende Kapazitätsrechnung verfügen, mit werte für die Bachelorstudiengänge trotz einer 33- der Kapazitätsausweitungen nachgewiesen wer- prozentigen Reduzierung der Regelstudienzeit in den können. Mit der Berechnungsgrundlage Stu- gleicher Höhe wie bei dem entsprechenden Dip- dienanfänger im ersten Hochschulsemester soll lom- oder Magisterstudiengang festgesetzt wur- sichergestellt werden, dass Mitnahmeeffekte ver- den. Daher geht die Landesregierung davon aus, mieden werden. dass die mit den Hochschulen getroffenen Verein- barungen eingehalten werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Anlage 8

Zu 1: Die Vorstellung, dass die Studienbedingun- Antwort gen sich dadurch verschlechtern, dass die unbe- fristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter des Finanzministeriums auf die Frage 10 des Abg. zukünftig Lehrveranstaltungen im Umfang von Bernd Althusmann (CDU) zehn Semesterwochenstunden (SWS) statt bisher Welche Bedeutung hat das Ehegattensplit- acht SWS abhalten, entbehrt jeder sachlichen und ting für Familien mit Kindern in Niedersach- empirischen Grundlage. Die Anpassung des Curri- sen? cularnormwertes an Fachhochschulen an die Um-

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Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Land- 6 % des gesamten Splittingvolumens auf Ehen tag hat sich in einer Pressemitteilung vom ohne Kinder entfällt? 23. Februar 2007 zur Finanzierung der geplan- ten Erhöhung der Anzahl von Krippenplätzen in Die Verbesserung der Kinderbetreuung ist eines Deutschland u. a. für ein Abschmelzen des der vorrangigen Ziele der Großen Koalition auf Ehegattensplittings ausgesprochen. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Nieder- Bundesebene. Ich zitiere aus dem Koalitionsver- sächsischen Landtag hat sich wiederholt für ei- trag vom November 2005: ne Umwandlung des Ehegattensplittings zur Fi- nanzierung zusätzlicher Krippenplätze, zuletzt „Die Schaffung eines qualitätsorientierten und in einer Pressemitteilung vom 2. April 2007 bedarfsgerechten Bildungs- und Betreuungsan- ausgesprochen. gebotes für Kinder aller Altersklassen zählt … Die SPD Deutschland hat am 26. Februar 2007 zu den vordringlichsten und zentralen Zu- ein Konzept zur Finanzierung der Ausgaben für kunftsprojekten. ... Im Jahre 2010 soll ein be- zusätzliche Krippenplätze vorgelegt, das u. a. darfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung für eine Änderung der Ehegattenbesteuerung vor- sieht. Durch die Einführung eines tariftechni- die unter Dreijährigen verfügbar sein.“ schen Realsplittings mit einem Übertrag von 15 000 Euro sollen ab dem Jahr 2010 für Bund, Auf dem sogenannten Krippengipfel Anfang April Länder und Kommunen insgesamt Steuer- haben Spitzenvertreter von Ländern und Gemein- mehreinnahmen in Höhe von 1,9 Milliarden Eu- den gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Ur- ro erzielt werden. sula von der Leyen dieses Ziel konkretisiert. Mit Nach einem Bericht im Handelsblatt vom der Vereinbarung, für jedes dritte Kind unter drei 2. März 2007 würden die SPD-Pläne nach einer Jahren ein Angebot bereitzustellen, haben sich die Studie der Universität Hohenheim bereits bei Spitzenpolitiker hinter den Vorschlag der Famili- Ehepaaren mit einem Einkommen ab 30 000 Euro zu Einkommenseinbußen führen. enministerin gestellt, die Zahl der Krippenplätze bis Der Studie zufolge betrage der rechnerische 2013 um 500 000 auf rund 750 000 zu erhöhen. Splittingvorteil bundesweit etwa 18,5 Milliarden Auch die Landesregierung unterstützt dieses Vor- Euro. Mehr als die Hälfte des Splittingvorteils haben uneingeschränkt. komme Familien mit Kindern unter 16 Jahren zugute. Soweit auch die Ehen berücksichtigt Natürlich kostet der Ausbau der Betreuungsmög- würden, deren Kinder älter als 15 Jahre sind, zeige sich, dass sogar nur 6 % des gesamten lichkeiten Geld. Die Bundesfamilienministerin Splittingvorteils auf Ehen ohne Kinder entfiele. schätzt den Finanzbedarf auf 3 Milliarden Euro jährlich. Ich gehe davon aus, dass diese Last nicht Nach dem Bericht des Bundesamtes für Statis- tik „Haushalte, Familien und Gesundheit - Er- nur von Ländern und Gemeinden zu schultern ist, gebnisse des Mikrozensus 2005“ sind bundes- dass vielmehr auch der Bund einen Teil der Kosten weit 74,8 % (alte Bundesländer ohne Berlin: für die zusätzlichen Betreuungsplätze übernimmt. 78,3 %) der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren verheiratet, 17,6 % (alte Bundesländer ohne Wie Ihnen bekannt, ist geplant, zunächst die Steu- Berlin: 16,1 %) der Eltern mit Kindern unter 18 erschätzung im Mai abzuwarten und die Finanzie- Jahren alleinerziehend und 7,7 % (alte Bun- desländer ohne Berlin: 5,6 %) der Eltern mit rungsfragen anschließend zwischen der Bundes- Kindern unter 18 Jahren leben in nichtehelichen familienministerin und dem Bundesfinanzminister Lebensgemeinschaften. zu klären. Ich gehe davon aus, dass dabei eine

Deshalb ich frage die Landesregierung: einvernehmliche Lösung gefunden werden wird.

1. Wie viel Prozent der Eltern in Niedersachsen Einen der Finanzierungsvorschläge, den die SPD mit Kindern unter 18 Jahren sind verheiratet, in ihrem Papier vom Februar dieses Jahres vorge- alleinerziehend bzw. leben in nichtehelichen legt hat, werden wir jedoch nicht mitmachen. Das Lebensgemeinschaften? ist der Vorschlag, das Ehegattensplitting durch ein 2. Wie viel Prozent der Eltern in Niedersachsen „tariftechnisches Realsplitting mit einem Übertrag mit Kindern unter 18 Jahren profitieren von den von 15 000 Euro“ zu ersetzen. aktuellen Regelungen des Ehegattensplittings? Es sind schon viele Anläufe gemacht worden 3. Wie beurteilt die Landesregierung die in der Ausgabe des Handelsblattes vom 2. März 2007 - auch von der Opposition in diesem Hause -, das vertretene These, dass die SPD-Pläne zum Ehegattensplitting anzutasten. Ich erkläre hiermit Realsplitting bereits bei Ehepaaren mit einem erneut, dass das mit uns nicht zu machen ist. Einkommen ab 30 000 Euro zu Einkommens- einbußen führen und dass bei Berücksichtigung Das Ehegattensplitting hat sich in vielen Jahren als der Ehen mit Kindern über 15 Jahre nur etwa vernünftige und gerechte Form der Ehegattenbe-

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steuerung bewährt. Das Bundesverfassungsgericht gruppe, die gerade besonders schützenswert ist, und der Bundesfinanzhof haben wiederholt ent- nämlich Ehen mit Kindern. schieden, dass das Splitting keine beliebig verän- derbare Steuervergünstigung, sondern eine an Selbst wenn man berücksichtigt, dass der SPD- dem Schutzgebot des Artikels 6 des Grundgeset- Vorschlag für Ehegatten mit einer Einkommens- zes und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der differenz bis 30 000 Euro keine Nachteile bringt, so Ehepaare - Artikel 3 des Grundgesetzes - orien- ist dennoch anzunehmen, dass auch das Splitting- tierte sachgerechte Besteuerung darstellt. Der volumen, das auf Ehen mit einer höheren Ein- Splittingtarif steht nicht nur im Einklang mit den kommensdifferenz - insbesondere auf Alleinver- Grundwertungen des Familienrechts, sondern dienerehen - entfällt, ganz überwiegend Ehen mit respektiert zugleich die Gleichwertigkeit der Arbeit Kindern zugute kommt. Diese wären deshalb die von Mann und Frau und die freie Entscheidung der Verlierer einer Reform im Sinne der SPD. Eheleute über die Aufgabenverteilung innerhalb Der SPD-Vorschlag hätte zur Folge, dass viele der Ehe. Zusätzlich begegnet das Splitting der Ehen mit Kleinkindern die verbesserte Kinder- Gefahr, dass Eheleute nur durch Übertragung von betreuung durch die Steuermehrbelastung selbst Einkunftsquellen oder durch die Begründung finanzieren und dass Ehen mit Kindern, die nicht wechselseitiger Dienstleistungspflichten ihr jeweili- mehr betreuungsbedürftig sind, steuerliche Einbu- ges Einkommen untereinander willkürlich verla- ßen erleiden würden, ohne dafür eine Kompensa- gern. Schließlich ist das Splitting unter dem Ge- tion zu erhalten. sichtspunkt des einfachen Verwaltungsvollzugs allen Alternativen vorzuziehen. Zusätzliche Belastungen kämen durch den SPD- Vorschlag auf Ehen mit Kindern dadurch zu, dass Das von der SPD vorgeschlagene „tariftechnische Kindergelderhöhungen ausgesetzt und der steuer- Realsplitting mit einem Übertrag von 15 000 Euro“ liche Freibetrag für den Betreuungs- und Erzie- wäre wohl kaum verfassungsgemäß, wenn man hungs- oder Ausbildungsbedarf um 300 Euro ge- bedenkt, dass nach geltendem Recht das Real- kürzt werden sollen. Diese Maßnahmen sind nicht splitting für geschiedene Ehegatten eine Übertra- nur unsozial, sondern auch rechtlich fragwürdig. gung von bis zu 13 805 Euro zulässt. Der Vor- Denn der genannte Freibetrag bildet zusammen schlag der SPD behandelt Eheleute in einer intak- mit dem Kinderfreibetrag im engeren Sinne das ten Ehe also kaum besser als Geschiedene. Dies verfassungsrechtlich geschützte Kinderexistenzmi- dürfte nicht dem Eheschutzgebot des Artikels 6 nimum ab, das von der Steuer verschont bleiben des Grundgesetzes entsprechen. Dies gilt in noch muss. stärkerem Maße für den Vorschlag der Grünen, der einen übertragbaren Höchstbetrag von ledig- Als Fazit bleibt: Wenn bessere Kinderbetreuungs- lich 10 000 Euro vorsieht. Hiernach würde eine möglichkeiten durch Steuermehrbelastungen und intakte Ehe steuerlich sogar noch schlechter als Verzicht auf Kindergelderhöhungen ausgerechnet eine geschiedene behandelt. von Ehepaaren mit Kindern bezahlt werden müs- sen, ergibt sich für Kinder und Familien unter dem Gravierender aber ist der Einwand gegen den Strich keine Verbesserung. Dann aber ist nicht SPD-Vorschlag, der sich aus den Untersuchungen einzusehen, welchen Sinn die von der SPD vorge- der Universität Hohenheim ergibt. Danach beträgt schlagene Reform haben sollte, wenn nicht den, in der rechnerische Splittingvorteil bundesweit den freien Elternwillen, wie die Betreuung und 18,5 Milliarden Euro. Hiervon entfallen nur gut 6 % Erziehung der Kinder gestaltet werden soll, len- auf Ehen ganz ohne Kinder. Anders ausgedrückt: kend einzugreifen. das Splittingvolumen entfällt zu 94 % auf Ehen mit Kindern. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Eine Zu den einzelnen Fragen von Herrn Abgeordneten Einschränkung des Splittings trifft weit überwie- Althusmann ist Folgendes auszuführen: gend Ehen mit Kindern. Getroffen und benachtei- ligt durch den SPD-Vorschlag würde also nicht Zu 1: In Niedersachsen waren (Stand 2005) allein und in erster Linie die kinderlose Alleinver- 77,3 % der Eltern mit Kindern unter 18 Jahren dienerehe mit hohem Einkommen, die bei SPD verheiratet, 16,4 % der Eltern mit Kindern unter 18 und Grünen immer als Popanz dient, wenn das Jahren waren alleinerziehend, und 6,4 % der El- Splitting abqualifiziert werden soll. Getroffen und tern mit Kindern unter 18 Jahren lebten in nicht- benachteiligt würde ganz überwiegend die Ziel- ehelicher Lebensgemeinschaft.

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Zu 2: Im Jahre 2005 betrug die Zahl der Ehepaare ne des Artikels 87 f GG fehlt. Man geht davon mit Kindern unter 18 Jahren in Niedersachsen rund aus, dass es schon heute eine 100-prozentige Outdoorversorgung gebe, damit sei die von Be- 680 000. Da der Splittingvorteil nur dann entfällt, treibern forcierte Inhouseversorgung in keiner wenn beide Ehegatten genau gleich hohe Ein- Weise von Artikel 87 f Abs. 1 GG gedeckt. Die künfte haben, und diese Voraussetzung nur selten Betreiber seien daher keine Träger öffentlicher erfüllt ist - schon eine geringfügige Einkommens- Belange. Man beruft sich auf Entscheidungen des Bayerischen VGH (Az. N 98.2262) und des differenz bewirkt einen Splittingvorteil -, profitiert 7. Senats des OVG Münster (BauR 2004, fast jedes der genannten Ehepaare vom Splitting. S. 649, 653) sowie auf einen Erlass des Bayeri- schen Staatsministeriums des Innern vom Zu 3: Die zitierte Aussage im Handelsblatt vom 16. Juli 2001 (Az. IIB-4-4104-038/00). So ar- 2. März 2007 ist dahin zu präzisieren, dass der gumentieren etwa die Stadt Attendorn und der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-West- SPD-Vorschlag einer Einkommensübertragung von falen. Das Problem ist, ob damit auch der Pri- maximal 15 000 Euro nicht Ehepaare mit einem vilegierungstatbestand des § Abs. 35 Abs. 1 Einkommen, sondern mit einer Einkommensdiffe- Nr. 3 BauGB infrage steht (siehe auch Bayeri- renz von mehr als 30 000 Euro trifft, also Ehepaa- scher VGH vom 13. Februar 2006). re, bei denen der eine über 30 000 Euro mehr als Niedersächsische Kommunen berufen sich in der andere verdient. Davon sind besonders Ehen ihren Entscheidungen über Anlagen für Tele- betroffen, in denen einer der Ehegatten zugunsten kommunikation auf deren Privilegierung gemäß der Kindererziehung ganz oder zum Teil auf eine § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Danach hätten die Betreiber unabhängig von deren technischer Erwerbstätigkeit und damit auf eigene Einkünfte Ausrichtung des Mobilfunks einen Rechtsan- verzichtet. Dies bestätigt die eingangs gemachten spruch auf Genehmigung. Eine Ablehnung sei Ausführungen, dass der SPD-Plan überwiegend nur gegeben, wenn öffentliche Belange der Ge- Ehen mit Kindern schlechter stellt. nehmigung entgegenstehen. Diese zumeist mit Hinweis auf verfassungs- Die weitere Aussage im Handelsblatt, wonach bei rechtliche Begründungen ausgetragene Ausein- Berücksichtigung der Ehen mit Kindern über 15 andersetzung bis hin zu dem Hinweis auf das Jahre nur etwa 6 % des gesamten Splittingvolu- Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß mens auf Ehen ohne Kinder entfällt, beruht auf Grundgesetz Artikel 2 Abs. 2 von Anwohnern neu geplanter Funkmasten bis zu schon seit einer Studie der Universität Hohenheim, gegen Längerem betriebenen Mobilfunkanlagen führt deren Richtigkeit bislang so weit ersichtlich keine immer wieder zu Konflikten mit den jeweiligen Einwände erhoben worden sind. Das Splittingvo- Kommunalverwaltungen und den ehrenamtli- lumen kommt damit ganz überwiegend Ehen mit chen Stadt- und Gemeinderäten. Kindern zugute. Eine Einschränkung des Splittings Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- im Sinne des SPD-Vorschlags würde - wie schon regierung: ausgeführt - gerade diese Ehen treffen und ist 1. Wie stellt sich für das Land Niedersachsen, deshalb aus Sicht der Landesregierung abzuleh- bezogen auf die Vorbemerkung, die Rechtslage nen. für die Genehmigung von digitalen Mobilfunk- anlagen für Kommunen dar, gibt es einschlägi- Anlage 9 ge Gerichts- oder Genehmigungsentscheidun- gen bundes- oder niedersachsenweit im Sinne Antwort der Kritiker, und gibt es in anderen Bundeslän- dern oder im Bund Bestrebungen, bei der Ge- des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und nehmigung von digitalen Mobilfunkanlagen zwi- schen Inhouse- und Outdoorentscheidungen zu Gesundheit auf die Frage 11 des Abg. Dieter differenzieren? Möhrmann (SPD) 2. Welche rechtlichen Möglichkeiten mit wel- Mobilfunk und der von Kritikern und auch chen konkreten kommunalpolitischen Entschei- von Gerichten festgestellte fehlende Grund- dungen oder über Satzungen o. Ä. haben versorgungsauftrag Städte, Gemeinden oder Landkreise im Zuge ihrer Planungshoheit, Genehmigungen von di- Nach Auffassung von Kritikern des Mobilfunks gitalen Mobilfunkanlagen zu verweigern, und gehört der digitale Mobilfunk nicht zum Min- wie wird die Rechtsbeständigkeit von Vorsor- destangebot an öffentlichen Telekommunikati- geplänen zur Festlegung von lokalen/kom- onsleistungen, weil er in der abschließenden munalen Grenzwertempfehlungen (Vorsorge- Aufzählung der sogenannten Universaldienst- werten) eingeschätzt? leistungen des Telekommunikationsgesetzes fehlt. Daraus wird abgeleitet, dass es damit an 3. Welche Grenzwerte müssen heute nach den einem öffentlichen Versorgungsauftrag im Sin- geltenden Regeln des Immissionsschutzes von

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Mobilfunkbetreibern auch nach Entscheidungen schädlichen Ausmaß ausgehen. Dies wird von den des Bundesverfassungsgerichts eingehalten Bauaufsichtsbehörden im Genehmigungsverfahren werden, und warum sind bisher die Erkenntnis- se und Grenzwertforderungen von Ärzten, Wis- stets geprüft. Die Baugenehmigung kann nur erteilt senschaftlern, Umweltverbänden oder aus neu- werden, wenn die in der 26. Verordnung zur eren Untersuchungen nach 15-jähriger Mobil- Durchführung des Bundes-Immissionsschutzge- funkerfahrung nicht berücksichtigt worden? setzes (Verordnung über elektromagnetische Fel- Ein flächendeckendes und engmaschiges Mobil- der - 26. BImSchV) verbindlich geregelten Perso- funknetz ist von großer Bedeutung für die weitere nenschutzgrenzwerte in der Form von Sicherheits- wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Städ- abständen eingehalten werden. Jeder Anlagen- te und Gemeinden sind heutzutage nur dann als betreiber muss daher eine Standortbescheinigung Wirtschaftsstandort attraktiv, wenn sie neben qua- der Bundesnetzagentur vorlegen, in der unter An- lifiziertem Personal, guten Verkehrsanbindungen gabe des erforderlichen Sicherheitsabstandes be- oder einem günstigen Wirtschaftsklima auch eine stätigt wird, dass am konkreten Standort die gülti- funktionsfähige technische Infrastruktur vorweisen gen Sicherheitsabstände eingehalten werden. In können. Hierzu gehört insbesondere auch eine diesem Fall ist das Vorhaben immissionsschutz- gute und zuverlässige Mobilfunkversorgung, ohne rechtlich unbedenklich. Die Bauaufsichtsbehörde die eine Zusammenarbeit zwischen der lokalen entscheidet im Baugenehmigungsverfahren im Wirtschaft und ihren regionalen und überregiona- Einvernehmen mit der Gemeinde, die ihr Einver- len Partnern nicht mehr möglich ist. nehmen aus städtebaulichen Gründen verweigern darf (§ 36 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 BauGB). In Deutschland werden alle öffentlichen Mobilfunk- netze digital betrieben. Der Mobilfunkstandard § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB stellt darauf ab, dass das GSM ist in Niedersachsen mittlerweile nahezu Vorhaben der öffentlichen Versorgung mit Tele- flächendeckend gewährleistet. Seit 2004 kann kommunikationsdienstleistungen dient. Damit sind zunehmend auch die schnelle mobile Datenüber- nicht nur diejenigen Leistungen gemeint, die vom tragung mit UMTS genutzt werden. Die deutschen Grundversorgungsauftrag nach Artikel 87 f Abs. 1 Netzbetreiber wurden bei der Vergabe der UMTS- GG erfasst werden. Der Landesregierung sind Lizenzen verpflichtet, bis Ende 2005 50 % der keine Gerichtsentscheidungen bekannt, die Mo- Bevölkerung mit diesem Standard zu versorgen. bilfunkbetreibern die Privilegierung ihrer Anlagen Sie haben diese Pflicht erfüllt, da in allen großen nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB mit der Begründung Städten und auch in vielen kleineren Gemeinden verweigerten, dass der digitale Mobilfunk nicht zum diese Technik zur Verfügung steht. Die Netzbetrei- Grundversorgungsauftrag gehöre. Dies gilt auch ber arbeiten daran, die UMTS-Versorgung nach für den (in der Kleinen Anfrage erwähnten) Be- Bedarf weiter auszubauen und zu verbessern. schluss des Bayerischen VGH vom 13. Februar 2006, wo diese Frage überhaupt nicht behandelt Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine wird. Im (ebenfalls genannten) Urteil des OVG Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Münster vom 8. Oktober 2003 wird u. a. ausge- führt, dass die flächendeckende angemessene und Zu 1: Mobilfunkanlagen sind überwiegend bauliche ausreichende Versorgung mit Telekommunikati- Anlagen im Sinne des öffentlichen Baurechts. Ihre onsdienstleistungen im öffentlichen Interesse steht städtebauplanungsrechtliche Zulässigkeit ist nach und dass das Interesse an der störungsfreien Teil- dem Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen. nahme am Mobilfunk von beachtlichem Gewicht Mobilfunkanlagen sind im Außenbereich als privi- sei. Auch sind der Landesregierung Bestrebungen legierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB in anderen Bundesländern oder auf Bundesebene, zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist. Ist bei der Genehmigung von Mobilfunkanlagen zwi- diese Voraussetzung erfüllt, hat der Betreiber ei- schen einer sogenannten Inhouse- bzw. Out- nen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Bauge- doorversorgung zu differenzieren, nicht bekannt. nehmigung, wenn nicht im Einzelfall öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB entgegenste- Zu 2: Die Gemeinden haben auf ihrem Gebiet die hen. So sind Vorhaben unzulässig, die schädliche Planungshoheit. Hierzu erlassen sie Bauleitpläne, Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immis- d. h. Flächennutzungspläne und Bebauungspläne. sionsschutzgesetzes hervorrufen können. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne haben sie u. a. die Anforderungen an gesunde Wohn- und Kritiker befürchten bei Mobilfunkanlagen, dass von Arbeitsverhältnisse und an die Sicherheit der Ar- ihnen elektromagnetische Strahlen in einem beits- und Wohnbevölkerung, die Belange des

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Umweltschutzes und die Belange des Post- und (Verordnung über elektromagnetische Felder - Telekommunikationswesens zu berücksichtigen. 26. BImSchV vom 16. Dezember 1996) geschaf- Sie müssen die öffentlichen und privaten Belange fen. Gemäß Anhang 1 (zu § 2) der Verordnung gegeneinander und untereinander gerecht abwä- sind die Grenzwerte wie folgt festgelegt: gen (§ 1 Abs. 6, 7 BauGB). Innerhalb dieses ge- setzlich vorgegebenen Rahmens haben sie Mög- Hochfrequenzanlagen Frequenz (f) in Effektivwert der Feldstärke, quad- lichkeiten, durch Bauleitplanung die Auswahl von Megahertz ratisch gemittelt über 6-Minuten- Standorten für Mobilfunkanlagen zu steuern. So (MHz) Intervalle kann eine Gemeinde gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 elektrische magnetische BauGB im Gemeindegebiet in einem Flächennut- Feldstärke Feldstärke zungsplan Flächen für Mobilfunkanlagen in Volt pro Meter in Ampere pro (V/m) Meter (sogenannte Konzentrationszonen oder -flächen) (A/m) ausweisen. Dies hat zur Folge, dass Mobilfunkan- 10 - 400 27,5 0,073 lagen dann im übrigen Außenbereich der Gemein- 400 - 2 000 1,375 √f 0,0037 √f de bauplanungsrechtlich in der Regel unzulässig 2 000 - 300 000 61 0,16 sind. Die ausgewiesenen Standorte müssen aller- dings für die Nutzung durch Mobilfunkanlagen Diese Grenzwerte der 26. BImSchV beruhen auf grundsätzlich geeignet sein; denn andernfalls läge einer Auswertung der wissenschaftlichen Literatur, eine ausschließlich negative und damit unzulässi- die zum Zeitpunkt der Grenzwertsetzung verfügbar ge Bauleitplanung vor. Der Planung muss ein war. Die Strahlenschutzkommission ist vom Bun- schlüssiges Gesamtkonzept zugrunde liegen. In desministerium für Umwelt, Naturschutz und Re- der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass die aktorsicherheit gebeten worden, den Stand der Gemeinde ergänzend zu den Ausweisungen im wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Gesundheits- Flächennutzungsplan im Bebauungsplan die nöti- beeinträchtigungen durch statische und niederfre- ge „Feinsteuerung“ für die Errichtung von Mobil- quente elektrische und magnetische sowie hoch- funkanlagen vornehmen darf. Hier kann beispiels- frequente elektromagnetische Felder auf den Men- weise die Anlagenhöhe begrenzt werden, oder es schen zu überprüfen. Die Empfehlung der Strah- können Festsetzungen zur Gestaltung oder zur lenschutzkommission „Grenzwerte und Vorsorge- Lage getroffen werden. Die Festsetzungen im Be- maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor bauungsplan sind verbindliche Rechtsvorschriften, elektromagnetischen Feldern“ vom 14. September da der Plan als Satzung erlassen wird. 2001 (verabschiedet in der 173. Sitzung der SSK Zwar sind die Gemeinden ermächtigt, bei der am 4. Juli 2001, gebilligt in der 174. Sitzung der Bauleitplanung vorbeugenden Umweltschutz zu SSK am 13./14. September 2001) stellt hierzu fest, betreiben (§ 1 Abs. 5 S. 2 BauGB), ob sie aber dass die geltenden Grenzwerte einen ausreichen- auch Grenzwerte oder Vorsorgewerte für Mobil- den Schutz von Mensch und Umwelt vor nachge- funkanlagen festlegen dürfen, ist noch nicht ab- wiesenen Gesundheitsbeeinträchtigungen bieten schließend geklärt. (http://www.bmu.de/strahlenschutz/doc/2471.php).

Das Verwaltungsgericht München (Urteile vom Neben den wissenschaftlich gut dokumentierten 14. Juli 2005 - M 11 K. 04.2923 - und vom 19. Ja- gesundheitlichen Schädigungen oberhalb der nuar 2006 - M 11 K 05.1236) hat entschieden, Grenzwerte existieren auch einzelne Hinweise zu dass Gemeinden keine „eigene Vorsorgepolitik“ möglichen biologischen Wirkungen bei Intensitäten betreiben dürfen, da davon auszugehen sei, dass unterhalb der Grenzwerte. Für diese konnte trotz Mobilfunkanlagen, die unter Einhaltung der Perso- zahlreicher internationaler Forschungsprojekte kein nenschutzgrenzwerte der 26. BImSchV betrieben wissenschaftlicher Beleg erbracht werden. Auch werden, immissionsschutzrechtlich unbedenklich die zugrunde liegenden Mechanismen sowie die seien. Der Bayerische VGH hat es in einem Urteil gesundheitliche Relevanz sind nicht geklärt. Daher vom 29. November 2006 - 2 B 04.1860 - offen lässt sich kein gesundheitliches Risiko für die Be- gelassen, ob den Gemeinden eine entsprechende völkerung ableiten. Mögliche biologische Wirkun- Befugnis zusteht. gen bei Intensitäten unterhalb der Grenzwerte sind jedoch Grund genug, entsprechend vorsorgend Zu 3: Deutschland hat 1996 als erstes EU-Land tätig zu werden. Die Landesregierung wird die rechtlich verbindliche Regelungen zur Begrenzung wissenschaftliche Diskussion weiter beobachten elektromagnetischer Felder durch die 26. BImSchV

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und verfolgen, ob neue Erkenntnisse zu einer an- Zu 1: Um den Zielsetzungen des Landes und den deren Bewertung führen. unternehmerischen Zielen der NLF gerecht zu werden, nämlich kurzfristig den Zuschussbedarf Anlage 10 durch das Land zu reduzieren, mittelfristig eine Kostendeckung zu erreichen, um das Land zu Antwort entlasten und langfristig Gewinne zu erwirtschaf- des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernäh- ten, ist auch eine Arrondierung des Eigentums der rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf NLF geboten. Daher kann das unternehmerische die Frage 12 der Abg. Jan-Christoph Oetjen, Ziel der NLF, wirtschaftlich zu handeln, auch An- Christian Dürr und Klaus Rickert (FDP) käufe umfassen. § 2 Abs. 2 und 4 des Gesetzes über die Anstalt Niedersächsische Landesforsten Ankauf von Waldflächen regelt, dass der Erwerb von Flächen durch die NLF In den letzten Jahren wurde in Niedersachsen möglich sein soll. Ein Flächenankauf im finanziell in erheblichem Umfang Waldbesitz verkauft. vertretbaren Rahmen widerspricht daher nicht dem Dieser Verkauf hat, wie im Gesetz über die An- Gesetz der Anstalt Niedersächsischer Landes- stalt Niedersächsische Landesforsten vorgese- forsten. hen, dazu beigetragen, Einnahmen für den Landeshaushalt zu erwirtschaften. Zu 2: Bei dem durch die NLF angekauften Wald- So wurden, laut Auskunft der Landesregierung, besitz der TUI-AG im Raum Salzgitter handelt es in den Jahren 2005 und 2006 3 459 ha Wald sich um ein rund 1 669 ha großes, gut arrondiertes verkauft. Gleichzeitig gibt aber die Landesregie- und damit optimal zu bewirtschaftendes Waldge- rung an, dass sie in diesen Jahren 1 730 ha Wald angekauft hat. biet, welches in besonderem Maße geeignet ist, gute Erträge zu erzielen und dadurch die wirt- Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- schaftlichen Voraussetzungen der NLF zu verbes- regierung: sern. Weitere Ankäufe forstlicher Flächen durch 1. Aus welchem Grund hat sie Wald angekauft, die NLF blieben jeweils unter 10 ha und dienten obwohl dies zumindest vordergründig dem Ge- vorrangig Arrondierungszwecken. setz über die Anstalt Niedersächsische Lan- desforsten widerspricht? Zu 3: In den Jahren 2005 und 2006 haben die NLF 2. Handelt es sich bei den angekauften Wald- die vorgegebenen Abführungsverpflichtungen zur gebieten um größere, zusammenhängende Haushaltskonsolidierung des Landes voll erfüllt Gebiete, oder wurden lediglich kleinere Wald- und sind dazu auch in den kommenden Jahren gebiete zur Ergänzung vorhandener Wirt- verpflichtet. Sofern gesichert ist, dass die NLF schaftseinheiten aufgekauft? auch weiterhin ihre Abführungsverpflichtungen 3. Plant die Landesregierung, auch weiterhin erfüllen und sich gleichzeitig wirtschaftlich attrakti- Waldgebiet anzukaufen? ve Gelegenheiten zur Arrondierung oder zum Er- werb arrondierter Flächen ergeben, so sollen diese Die NLF sind gehalten, bis 2014 aus der Veräuße- Chancen in ausgewählten Fällen genutzt werden. rung von Liegenschaften Erlöse von 132 Millionen Entsprechende Ankäufe sollen dabei vorrangig aus Euro zur Konsolidierung des Landeshaushalts zusätzlichem Flächenverkauf von unwirtschaftli- abzuführen. Die Ausformung der Verkaufsstrategie chen Betriebsteilen finanziert werden. obliegt dabei grundsätzlich den NLF in eigener Zuständigkeit. Im Rahmen des Verkaufskonzepts Anlage 11 ist ihr Handeln darauf ausgerichtet, die Abfüh- rungsverpflichtungen aus Verkäufen zu erfüllen Antwort und gleichzeitig forstbetriebliche Wirtschaftsziele zu erreichen. Arrondierungsbemühungen nehmen des Finanzministeriums auf die Frage 13 des Abg. dabei - auch aufgrund einer Empfehlung des LRH - Stefan Wenzel (GRÜNE) einen besonderen Stellenwert ein. Die Ergebnisse Ausverkauf von Stadt, Land, Fluss der Wirtschaftsjahre 2005 und 2006 zeigen in die- sem Sinne entsprechende Erfolge. Finanzminister Möllring veräußert Liegen- schaften des Landes jedweder Art über ver- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine schiedenste Vertriebswege, um den Landes- haushalt ausgleichen zu können. So schrieb die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Neue Presse am 4. Januar 2007 unter der Überschrift „Ausverkauf beim Landeseigentum“: „Sogar ein Hundeteich und ein Feldweg fanden

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Interessenten.“ In der Nordwest Zeitung wurde haushaltsordnung im § 64 ein Veräußerungsgebot am 19. Januar 2007 im Rahmen der Debatte für nicht mehr benötigte Grundstücke. Die Landes- um den Verkauf der Landeskrankenhäuser auf weitere Verkäufe wie folgt Bezug genommen: regierung wird den eingeschlagenen Weg deshalb „Als ob das noch nicht genug Geld für die weiterhin konsequent verfolgen. Voraussetzung für klamme Landeskasse wäre, bringt der ge- den Verkauf ist jedoch in jedem Fall die Entbehr- schäftstüchtige CDU-Politiker auch noch einen lichkeit einer Liegenschaft für die Aufgabenerledi- ausgetrockneten Bachlauf an den Mann. Für 400 Euro habe der neue Besitzer den Zuschlag gung des Landes. Was noch benötigt wird, bleibt erhalten, erklärte Möllring.“ auch im Landeseigentum.

Zu einem möglichen Verkauf des Zwischenah- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen ner Meeres erklärte der Finanzminister in einer des Abgeordneten Stefan Wenzel im Namen der Pressemitteilung vom 10. März 2007: „Es ist nicht beabsichtigt, das gesamte Zwischenahner Landesregierung wie folgt: Meer oder andere Gewässer, die im Landesei- gentum stehen, zu veräußern.“ Zu 1: Das Land hat in der 15. Legislaturperiode bislang 1 177 Liegenschaften mit einem Einzelwert Bei den aktuellen Angeboten des Landeslie- von jeweils unter 1 Million Euro und einem Ge- genschaftsfonds Niedersachsen finden sich ne- ben Büro- und Wohnhäusern auch kleinere samterlös von 81,64 Millionen Euro veräußert; die Grundstücke, wie z. B. eine Deichfläche am Verkäufe durch die Landesforstverwaltung sind bis Fluss Leda in Leer, 4 341 m³ groß, angegebe- zu ihrer Verselbständigung berücksichtigt. ner Kaufpreis im Rahmen eines Gebotsverfah- rens 1 500 Euro (Immobilien-Galerie des Lan- Zu 2: Der Verkauf von landeseigenen Grundstü- desliegenschaftsfonds, 12. März 2007). cken gehört zum Kerngeschäft des Landesliegen- Während der Landtag bei Grundstücksverkäu- schaftsfonds. Entbehrliche Landesimmobilien wer- fen mit einem Wert von über 1 Million Euro ent- den deshalb im Regelfall unmittelbar von der je- sprechend dem Anwendungserlass zu § 64 der weils zuständigen Außenstelle des Landesliegen- Landeshaushaltsordnung beteiligt wird, liegen Verkäufe von Grundstücken mit geringerem schaftsfonds veräußert. Die Verkaufsobjekte wer- Wert allein im Verantwortungsbereich von Fi- den üblicherweise in den Printmedien und im In- nanzminister Möllring und der beteiligten Res- ternet zum Verkauf angeboten. Makler werden nur sorts. in Ausnahmefällen eingeschaltet. Paketverkäufe Ich frage die Landesregierung: werden als unwirtschaftliche Variante nicht weiter verfolgt. Für schwer vermarktbare Objekte - vor- 1. Wie viele Landesliegenschaften mit einem rangig im unteren Preissegment - hat sich in den Einzelwert von unter 1 Million Euro wurden mit welchem bisherigen Gesamterlös seit Beginn letzten Jahren zunehmend der Vertrieb über der Legislaturperiode vom Land veräußert? Grundstücksauktionen bewährt. Seit 2003 hat der Landesliegenschaftsfonds in vier Auktionsveran- 2. Welcher Veräußerungswege (Direktver- staltungen 48 Objekte mit einem Gesamterlös von marktung einzelner Objekte durch den Landes- liegenschaftsfonds, Vermarktung unter der Ein- 482 950 Euro veräußert. Die Verkäufe von land- beziehung von Auktionshäusern, Paketverkäufe wirtschaftlichem Vermögen durch die Domänen- etc.) hat sich die Landesregierung für den Ver- verwaltung an die Pächter, Mieter oder sonstige kauf von Landesliegenschaften bisher in wel- Interessenten erfolgen gegebenenfalls durch Frei- chem Umfang bedient? handverkauf, beschränkte oder öffentliche Aus- 3. In welchen Fällen hat es nach der Veräuße- schreibung je nach Nachfrage und Art des Objek- rung von Landesliegenschaften Probleme bei- tes. spielsweise hinsichtlich des Naturschutzes (z. B. Amphibienleitsysteme), grundbuchrechtli- Zu 3: Nach dem Verkauf eines Grundstücks auf cher Absicherungen oder anderweitiger Art ge- geben? Norderney stellte sich im Zuge der Bauleitplanung heraus, dass sich auf einer Teilfläche ein Biotop Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, entwickelt hatte. Der Käufer hat seine Bauplanung sich von entbehrlichen landeseigenen Immobilien geändert und im Übrigen eine Ausnahmegenehmi- zu trennen und mit dem Verkaufserlös einen nicht gung des Landkreises nach § 28 a (5) NNatG er- unerheblichen Anteil zur Konsolidierung des langt. Der Kaufpreis wurde reduziert. Haushalts beizutragen. Für jede veräußerte Immo- bilie spart das Land gleichzeitig die laufenden Mehr als zwei Jahre nach dem Verkauf von zwei Kosten für den Erhalt und die Bewirtschaftung. Mietshäusern in Emden-Wybelsum, die das Land Auch aus diesem Grunde normiert die Landes- in den 80er-Jahren angekauft hatte, wurde der

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jetzige Eigentümer mit einer Ordnungsverfügung 1. Ist sie der Auffassung, dass die in der Öffent- der Bauaufsichtsbehörde aus dem Jahr 1971 kon- lichkeit bekannt gewordenen Straftaten des Ö. von der hannoverschen Staatsanwaltschaft un- frontiert, deren Existenz dem Land als Zwischenei- ter Berücksichtigung der immer noch drohen- gentümer nicht bekannt war - offensichtlich der den Gefahren für die Opfer ausreichend konse- Stadt Emden auch nicht, da sie zwischenzeitlich quent verfolgt worden sind? Asylbewerber in diesen Gebäuden untergebracht 2. Was ist erforderlich, damit nicht unter den hatte, also zu Wohnzwecken genutzt hatte. Durch aus dem Milieu ausstiegswilligen Frauen der die Ordnungsverfügung wird die Nutzung der ver- Eindruck entstehen kann, dass sie in ähnlich mieteten Dachgeschosswohnungen zu Wohnzwe- gelagerten Fällen keine Hilfe vom Staat zu er- cken untersagt. Mit dem jetzigen Eigentümer wird warten haben? gegenwärtig über die Möglichkeit einer Rückab- 3. Würde eine schnellere Ermittlungsarbeit, die wicklung verhandelt. in diesem Fall schon über drei Wochen dauert, nicht auch abschreckende Wirkungen auf die Sofern für die vorgesehene zukünftige Nutzung potenziellen Straftäter ausüben? einer Immobilie die Bauleitplanung geändert wer- Gegenstand der Drucksache 15/3570 sind Pres- den muss, wird der Kaufvertrag regelmäßig unter seberichte, wonach der Heranwachsende Osman einer entsprechenden Bedingung geschlossen. Die Ö. seine damalige Freundin u. a. sexuell ausge- endgültige Rechtswirksamkeit hängt dann davon beutet habe. Zudem ist dort ein Fall geschildert, in ab, ob der Käufer/Investor mit den kommunalen dem er mithilfe von Drohungen und unter Einsatz Planungsbehörden eine Einigung erzielt. einer Pistole versucht haben soll, den Aufenthalts- Im Landkreis Schaumburg hat der LFN eine Rest- ort seiner damaligen Freundin zu erfahren. fläche (der Straßenbauverwaltung) im Rahmen Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte bereits einer Auktion veräußert. Erst anschließend wurden zuvor wegen dieser Vorwürfe ein Ermittlungsver- Rechte Dritter bekannt, die nicht im Grundbuch fahren eingeleitet. Dieses hat sie nach umfangrei- eingetragen und dem LFN auch nicht mitgeteilt chen und sorgfältigen Ermittlungen schon im März worden waren. Betroffen ist u. a. ein Amphibien- dieses Jahres mit einer Anklage gegen Osman Ö. leitsystem, über dessen Fortbestand sich die vor zum Jugendschöffengericht abgeschlossen. In der Ort Beteiligten zurzeit abstimmen. Die Gemeinde Anklage werden Osman Ö. u. a. Menschenhandel prüft derzeit, ob sie von Ihrem Vorkaufsrecht zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, Zuhälterei, Gebrauch machen soll. Nötigung, Bedrohung und Körperverletzung zum Anlage 12 Nachteil seiner damaligen Freundin zur Last ge- legt. In diesem Verfahren hat die Staatsanwalt- Antwort schaft sorgfältig geprüft, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorliegen. Nach des Justizministeriums auf die Frage 14 der Abg. den bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwalt- Jürgen Gansäuer und Rainer Beckmann (CDU) schaft ist das nicht der Fall. Insbesondere haben Wird Opferschutz ernst genommen? die gerade auch in dieser Hinsicht intensiv ge- führten staatsanwaltschaftlichen und polizeilichen In der Drs. 15/3570 wird beschrieben, wie und Ermittlungen keine Anhaltspunkte für ein Fortdau- mit welchen Mitteln der türkische Serienstraf- ern einer Bedrohungslage durch Osman Ö., auf täter Osman Ö. seine Exfreundin u. a. sexuell ausgebeutet hat. Nachdem sie sich unter Mit- die ein Haftbefehl gestützt werden könnte, er- wirkung ihrer Familie aus dem Milieu befreien bracht. Die Staatsanwaltschaft wird, wie in solchen konnte, hat Ö. unter Zuhilfenahme einer Pistole Fällen üblich, die weitere Entwicklung aufmerksam und Morddrohungen bis zum heutigen Tage beobachten und im Bedarfsfall reagieren. Zudem immer wieder versucht, sich sein „Eigentum“ (Angelique C.) zurückzuholen. Obwohl der hat die Staatsanwaltschaft zur Vermeidung von Sachverhalt eindeutig ist und in der öffentlichen Unwägbarkeiten die für den Schutz von mögli- Diskussion breiten Raum eingenommen hat, cherweise gefährdeten Zeuginnen und Zeugen prüft die Staatsanwaltschaft laut Aussage der zuständige Polizeidienststelle informiert. Diese Landesregierung vom 8. März 2007 immer noch, ob die Voraussetzungen für die Anord- Stelle ist für die Abwehr von Gefahren verantwort- nung einer Untersuchungshaft gegeben sind. lich, die insbesondere den Opfern von Menschen- handel drohen können. Sie kann und wird im Wir fragen die Landesregierung: Rahmen ihrer Zuständigkeit umgehend Maßnah- men zum Schutz der ehemaligen Freundin des

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Osman Ö. und eventuell weiterer Zeuginnen er- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei- und greifen, wenn dies erforderlich werden sollte. Das Justizbehörden werden gezielt darauf geschult, Angebot von Zeugenschutzmaßnahmen ist vielfäl- Opfer von Zwangsprostitution zu erkennen. Sie tig. Es reicht von bloßen Beratungen über Hilfe- nutzen hierzu seit Jahren die bestehenden um- stellungen im Einzelfall bis hin zur Verschaffung fangreichen Fortbildungsmöglichkeiten im Delikts- einer neuen Identität. bereich „Menschenhandel“. Außerdem werden die niedersächsischen Staatsanwältinnen und Staats- Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der anwälte, Richterinnen und Richter für die Bearbei- Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt: tung von Ermittlungs- und Strafverfahren wegen Menschenhandels kontinuierlich fortgebildet. Das Zu 1: Die Landesregierung ist der Auffassung, Fortbildungsreferat des Niedersächsischen Justiz- dass die Staatsanwaltschaft Hannover die Strafta- ministeriums führt regelmäßig unter Einbindung ten des Osman Ö. konsequent und mit der gebo- der Koordinierungs- und Beratungsstelle für Opfer tenen Gründlichkeit verfolgt hat und auch weiterhin von Frauenhandel (KOBRA) überregionale Infor- verfolgt. Dabei hat die Staatsanwaltschaft beson- mationsveranstaltungen „Menschenhandel“ durch. ders die Interessen und den Schutz der Opfer im Die bei diesen Tagungen behandelten Themen Blick. Die ihr möglichen Maßnahmen zum Opfer- beziehen sich auch auf die Betreuung von Zeugin- schutz wird sie veranlassen, sofern diese notwen- nen. An den Veranstaltungen nehmen Strafrichte- dig werden sollten. rinnen und Strafrichter sowie Staatsanwältinnen Zu 2: Nach Auffassung der Landesregierung ist es und Staatsanwälte aus ganz Niedersachsen teil. erforderlich, aus dem Milieu ausstiegswilligen Zu 3: Die Landesregierung ist der Auffassung, Frauen Hilfen und Schutz anzubieten. Die Landes- dass eine gründliche, sorgfältige und sachgerechte regierung setzt sich deshalb seit Jahren dafür ein, Ermittlungsarbeit, die zielstrebig betrieben wird, am dass Frauen, die aus dem Prostitutionsmilieu aus- ehesten zu Ermittlungserfolgen und damit auch zu steigen wollen und mit psychischer und physischer Anklagen, die potenzielle Straftäter abschrecken Gewalt zur Prostitution gezwungen werden, kon- können, führt. Hiervon hat sich auch die Staatsan- sequenter Schutz angeboten wird. Darüber hinaus waltschaft Hannover bei dem in Rede stehenden kann - falls erforderlich und vom Opfer gewünscht - Verfahren leiten lassen. eine psychosoziale Betreuung durch professionelle Opferhilfeeinrichtungen initiiert werden. Durch die Anlage 13 intensive Zusammenarbeit der Ermittlungsbehör- den mit verschiedenen Opferhilfeeinrichtungen im Antwort Rahmen von Netzwerken und sogenannten Run- den Tischen ist die Vermittlung eines Opfers an des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr diese Organisationen schnell und unbürokratisch auf die Frage 15 des Abg. Enno Hagenah (GRÜ- möglich. Einzelfallabhängig kommen hierfür in NE) Niedersachsen u. a. die Beratungs- und Interventi- Tempolimitzonen auf A 2 onseinrichtung BISS, die Stiftung Opferhilfe und der Weiße Ring in Betracht. Auch können die Er- 2006 hat die Polizei einen Anstieg der Zahl der mittlungsbehörden die ausstiegswilligen Frauen Getöteten auf niedersächsischen Autobahnen von 10,5 % feststellen müssen, obwohl die auf die Möglichkeit der Beantragung einer Schutz- passive Sicherheit der Kraftfahrzeuge sich noch anordnung gegen den Störer beim zuständigen weiter verbessert hat. Bei der Vorstellung der Amtsgericht hinweisen. Zudem suchen Mitarbeite- Verkehrsunfallstatistik am 30. Januar 2007 hat rinnen von Beratungsstellen für Prostituierte, wie Innenminister Schünemann erklärt, dass die Zunahme neben der A 7 südlich von Hannover z. B. der Verein Phönix, regelmäßig Prostituierte dem westlichen Bereich der A 2 zuzuordnen auf dem Straßenstrich und auch in Bordellen auf. sei. Insbesondere auf der A 2 haben sich deut- Neben allgemeiner Fürsorge beraten und unter- lich mehr Unfälle ereignet, bei denen mehr als stützen die Mitarbeiterinnen Prostituierte, sofern eine Person tödlich verletzt worden sind. Der Innenminister betonte, dass „immer die Ge- diese den Wunsch äußern, die Prostitution aufge- schwindigkeit für die Schwere der Unfallfolgen ben zu wollen. Über diese Möglichkeiten informie- mitursächlich sei“. ren Faltblätter der Institutionen, die regelmäßig an Am 14. März 2007 stellte Verkehrsminister Hir- Prostituierte verteilt werden. che ein Maßnahmenkonzept für den Autobahn- abschnitt der A 2 westlich von Hannover vor. Künftig sollen dort in vier Tempolimitzonen ab-

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gestufte Temporegelungen als zweijähriges Pi- nover (A 7, A 37 und A 352) ist die A 2 stärker von lotprojekt dafür sorgen, dass in diesem unfall- Unfällen betroffen. Die Anrainergemeinden und die trächtigen Abschnitt eine größere Verkehrssi- cherheit gewährleistet wird. Von der Landes- Polizeidirektion Hannover haben sich angesichts grenze zu Nordrhein-Westfalen bis zur An- dieser Entwicklung für geschwindigkeitsregelnde schlussstelle Bad Eilsen gilt Tempo 120, von Maßnahmen und die Einführung eines Lkw-Über- Bad Eilsen bis Anschlussstelle Rehren Tempo holverbots auf diesem Abschnitt der A 2 einge- 100, von Rehren bis Anschlussstelle Bad Nenn- dorf wieder Tempo 120 und von Bad Nenndorf setzt. bis Anschlussstelle Garbsen Tempo 130. Ein generelles Tempolimit und ein Überholverbot Die daraufhin erfolgte Analyse und Bewertung des für Lkw für den gesamten Streckenabschnitt Unfallgeschehens in 2006 bestätigten, dass die lehnt der Minister ab. Verhältnisse auf dem in Rede stehenden Abschnitt Der hannoversche Polizeipräsident Klosa hat der A 2 eine gegenüber dem Normalmaß erheblich Anfang des Jahres maximal Tempo 120 auf gesteigerte Gefahr für die Verkehrsteilnehmer dem Abschnitt gefordert, die jetzt gefundene begründen. Die Ursachen liegen zum einen in dem Lösung bezeichnet er als „keine ideale“ (rund- sehr hohen Verkehrsaufkommen, zum anderen blick, 15. März 2007). Auch ein streckenweises Lkw-Überholverbot hält er weiter für nötig. Der aber auch - insbesondere westlich der Anschluss- Bürgermeister der Gemeinde Auetal hatte sich stelle (AS) Bad Nenndorf - an den gegebenen ebenfalls Anfang des Jahres für Tempo 100 topographischen Bedingungen. Im Ergebnis ist zwischen Bad Nenndorf und Bad Eilsen einge- eine Geschwindigkeitsreduzierung für den ge- setzt. samten Streckenabschnitt der A 2 zwischen der Ich frage die Landesregierung: AS Bad Nenndorf und der Landesgrenze Nord- rhein-Westfalen auf 120 km/h bzw. für einen Teil- 1. Warum wurde erst so spät und nicht in vol- lem Umfang den bekannten Empfehlungen der bereich auf 100 km/h angeordnet worden. Polizei zu Geschwindigkeitsbeschränkungen gefolgt? Im Abschnitt von der Tank- und Rastanlage Garb- sen bis nach Bad Nenndorf, mit einem ebenfalls 2. Warum wurde angesichts der häufigen Betei- nicht zu vernachlässigenden Unfallgeschehen, ligung von Lkw, die in schwere Unfälle verwi- ckelt waren, nicht zugleich der Forderung der wäre ohne eine Regelung zur Geschwindigkeitsre- Polizei nach einem Überholverbot für Lkw ge- duzierung im gesamten Streckenzug in Fahrtrich- folgt? tung Dortmund ein isolierter Abschnitt vorhanden. Im Abschnitt davor befindet sich der Autofahrer im 3. Nach welchen Kriterien will die Landesregie- rung den Erfolg bzw. die Wirksamkeit der erlas- Bereich einer Verkehrsbeeinflussungsanlage, im senen Maßnahmen des Pilotversuchs messen Abschnitt danach in einer Geschwindigkeitsredu- und bewerten? zierung durch Beschilderung. Es steht nach Ein- schätzung der Unfallkommission zu befürchten, Für die Landesregierung ist die Sicherheit im Stra- dass sich hier auf der relativ kurzen Strecke „freier ßenverkehr von herausragender Bedeutung. Die Fahrt“ ein überproportionales Unfallgeschehen Verkehrssicherheitsarbeit zielt darauf ab, insbe- infolge zu hoher gefahrener Geschwindigkeiten sondere die Zahl der schweren Verkehrsunfälle zu und zu großer Geschwindigkeitsunterschiede ver- minimieren. festigt. Mit der Drosselung der Geschwindigkeit auf Die Verkehrsunfallstatistik 2006 zeigt insgesamt 130 km/h wird auf eine Kappung der Geschwindig- eine Tendenz zu weniger Verkehrstoten, weniger keitsspitzen und damit, im Sinn eines Geschwin- Schwerverletzten und weniger Unfällen. Zu diesem digkeitstrichters, auf eine Verstetigung der Reise- Ergebnis hat auch das Zusammenwirken von Poli- geschwindigkeit abgezielt. zei- und Verkehrsbehörden einen wichtigen Bei- Die als weitergehende Maßnahme zur Verbesse- trag geleistet hat. rung der Verkehrssicherheit und zur Harmonisie- Im Gegensatz zu dieser insgesamt positiven Ent- rung des Verkehrsflusses vonseiten der Polizei wicklung weisen die für das vergangene Jahr vor- ursprünglich geforderte Einrichtung von strecken- liegenden Zahlen für den westlich von Hannover bezogenen Lkw-Überholverboten auf dem o. g. verlaufenden Teil der Autobahn 2 einen deutlichen Abschnitt der Autobahn 2 ist, in Übereinstimmung Anstieg der Unfallzahlen, insbesondere der Unfälle aller Beteiligten, zurückgestellt worden. Dem liegt mit Schwerverletzten und Toten, auf. Auch im Ver- die Erwartung zugrunde, dass bereits die vorste- gleich zu den übrigen Autobahnabschnitten im hend geschilderten Maßnahmen zu einer deutli- Verantwortungsbereich der Polizeidirektion Han- chen Senkung der Unfallzahlen führen werden.

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Insbesondere wird mit der Begrenzung der rung die Neuausrichtung der Liegenschafts-, Höchstgeschwindigkeit auf eine Reduzierung des Bau- und Gebäudeverwaltung in Niedersach- sen beschlossen, weil sie der Auffassung ist, Geschwindigkeitsunterschieds zwischen dem über- dass hier deutliche Einsparpotenziale liegen. holenden Verkehr und dem Lkw-Verkehr abgezielt. Unter anderem sollen die Hausmeisterdienste, Unabhängig davon wird noch im laufenden Jahr Gebäudereinigung, Wartung und Inspektion mit einer Projektarbeit zur Untersuchung eines technischer Anlagen, aber auch Pförtner- und Gebäudesicherheitsdienste auch für die Polizei streckenbezogenen Lkw-Überholverbotes begon- privatisiert und Fahrdienste mit Standort Han- nen, die von der Technischen Universität Wolfen- nover zentralisiert werden. Dabei ist zunächst büttel begleitet wird. eine regionale Erprobung in Braunschweig ab Juli 2007 vorgesehen. Das z. B. für Hausmeis- Dieses vorausgeschickt, werden die Fragen na- terdienste eingesetzte Personal soll zunächst mit dem Personalkostenbudget zum Staatlichen mens der Landesregierung wie folgt beantwortet: Baumanagement (SBM) wechseln, erledigt sei- ne Aufgaben dort ressort- und liegenschafts- Zu 1: Die Maßnahmen sind nach der erforderlichen übergreifend und soll längerfristig abgebaut inhaltlichen Analyse zügig und in zeitlicher Nähe werden. Schon jetzt regt sich Kritik aus der Po- zu den Auswertungen des Unfallgeschehens aus lizei, weil befürchtet wird, dass nicht nur ein dem Jahr 2006 erfolgt. Unter Beachtung der recht- Qualitäts-, sondern auch ein Sicherheitsverlust in den Polizeidienststellen eintreten wird. Durch lichen Vorgaben der StVO sind die geeigneten und die Vergabe der Arbeiten in den Dienststellen an der Situation orientierten geschwindigkeitsre- an Fremdfirmen entstehen auch zusätzliche gelnden Maßnahmen angeordnet worden. Aufgaben für die Polizeibeamten vor Ort; denn diese müssen die Mitarbeiter der Fremdfirmen Zu 2: Das als weitergehende Maßnahme gefor- bei der Durchführung ihrer Arbeiten wegen der Sicherheit beaufsichtigen. derte Überholverbot für Lkw kann nur dann ange- ordnet werden, wenn dieses tatsächlich geeignet Ich frage die Landesregierung: und aufgrund zwingender Umstände geboten ist. 1. Durch welche konkreten Maßnahmen will die Da die hohen Differenzgeschwindigkeiten auf den Landesregierung vermeiden, dass es bei der Fahrstreifen offenbar eine der wesentlichen Unfall- Neuausrichtung der Liegenschafts-, Bau- und ursachen darstellen, ist davon auszugehen, dass Gebäudeverwaltung in der Polizei im Bereich die damit im Zusammenhang stehenden Beteili- der Hausmeisterdienste zu zeitlichen Verlusten, gegebenenfalls längeren Arbeitszeiten und gungen überholender Lkw zurückgehen werden. Mehrkosten durch Anfahrten der Hausmeister Die Maßnahme ist mit der Polizei abgestimmt. zu den Dienststellen kommt?

Zu 3: Ein entscheidendes Kriterium ist die Ent- 2. Durch die Vergabe von Aufgaben an Fremd- wicklung der Verkehrsunfälle mit schweren Perso- firmen wird es zu einem erheblichen Sicher- heitsverlust in den Polizeidienststellen kommen. nenschäden, neben einer Bewertung der Unfälle Nach welchen Kriterien legt die Landesregie- mit Leichtverletzten und der Gesamtunfälle. Es rung Bereiche mit „besonderer Sicherheitsrele- wird sowohl eine ganzheitliche Analyse der Unfall- vanz“ fest, und wie will die Landesregierung lage auf der A 2 als auch eine spezielle auf die neu vermeiden, dass Mitarbeiter von Fremdfirmen bei der Durchführung von Arbeiten beaufsichtigt geregelten Strecken ausgerichtete Betrachtung werden müssen? erfolgen. Die Verkehrsunfallentwicklung wird dazu monatlich im Dreijahresvergleich analysiert. Dar- 3. Wie viele Stellen will die Landesregierung über hinaus wird im Rahmen der Verkehrsüberwa- durch die Neuausrichtung der Liegenschafts-, Bau- und Gebäudeverwaltung in Niedersach- chung die Einhaltung der Geschwindigkeitsbe- sen bis zum Jahr 2015 jährlich einsparen? grenzung verstärkt werden. Nachdem die Niedersächsische Landesregierung Anlage 14 im Dezember vergangenen Jahres die liegen- schaftsbezogenen Dienstleistungen „Hausmeister- Antwort dienste“, „Gebäudereinigung“, „Wartung und In- des Finanzministeriums auf die Frage 16 des Abg. spektion technischer Anlagen“ und „Pförtner- und Prof. Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜNE) Gebäudesicherheitsdienste“ dem Staatlichen Bau- management Niedersachsen übertragen hat, hat Privatisierung der Dienstleistungen bei der dieses zu Beginn dieses Jahres mit der Umset- Polizei - Land spart nun auch bei der Si- zung des Kabinettsbeschlusses begonnen. Dazu cherheit in Dienststellen! erarbeitet die Landesbauabteilung der Oberfinanz- Noch im Dezember 2006 hat die Landesregie- direktion Hannover zurzeit ein Feinkonzept. rung im Rahmen der Verwaltungsmodernisie-

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Es ist vorgesehen, zunächst im Rahmen eines am Liegenschafts-, Bau- und Gebäudeverwaltung in 1. Juli 2007 beginnenden Pilotprojekts, das sich Niedersachsen“ bis zum Jahr 2015 bis zu 590 VZE auf den Zuständigkeitsbereich des Staatlichen eingespart werden können. Baumanagement Braunschweig erstreckt, die or- ganisatorischen Veränderungen im Einzelnen fest- Anlage 15 zulegen und die Auswirkungen auf besondere Antwort Anforderungen des Dienstbetriebs zu untersuchen. Dabei wird insbesondere den sicherheitsrelevan- des Kultusministeriums auf die Frage 17 der Abg. ten Aspekten nachgegangen. Das Pilotprojekt soll Ina Korter (GRÜNE) insbesondere Aufschluss geben darüber, Änderung der Verordnungen zur gymnasia- - welche Leistungen vorrangig für eine Privati- len Oberstufe und zum Abitur - Chaotisiert sierung in Betracht kommen, das Kultusministerium die Arbeit der gym- nasialen Oberstufe?

- welche Leistungen wirtschaftlicher mit eige- Obwohl die letzte Änderung erst im Jahr 2005 nem Personal erfüllt werden können und erfolgt ist, plant die Landesregierung erneut ei- ne Überarbeitung der Verordnung über die - wo durch organisatorische Maßnahmen auf die gymnasiale Oberstufe und das Abitur. Die Ent- besonderen Verhältnisse des Dienstbetriebs würfe für die Änderungen hat das Kultusminis- terium am 5. Januar 2007 in die Anhörung ge- Rücksicht zu nehmen ist. geben. Nach Ende der Anhörungsfrist am 22. Februar 2007 sind die Änderungen noch- Schon in der Vergangenheit wurden nicht alle lie- mals erheblich überarbeitet worden. genschaftsbezogenen Dienstleistungen von eige- Die Schülerinnen und Schüler, die derzeit den nem Personal erledigt, da die Art der Leistungen 11. Jahrgang der gymnasialen Oberstufe besu- oftmals entweder spezielle, in eigenen Reihen chen, befinden sich bereits im Entscheidungs- nicht vorhandene Fachkenntnisse erforderte oder prozess, welchen Schwerpunkt und welche aber der Leistungsumfang eine Vergabe an Exter- Prüfungsfächer sie für die Qualifikationsphase ne gebot. In solchen Fällen werden selbstver- der Oberstufe (12. und 13. Jahrgang) wählen wollen. Sie sind hierbei von den Schulen auf ständlich besondere Sicherheitsanforderungen der Grundlage der alten, noch geltenden Re- beachtet. Insoweit wird es durch die Neuorganisa- gelungen beraten worden. tion nicht zu einer Veränderung kommen. Mitten in diesem bereits laufenden Auswahlpro- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen zess ist den Gymnasien am 13. März 2007 mit Schreiben vom Kultusministerium mitgeteilt des Abgeordneten Herrn Professor Dr. Lennartz im worden, dass „aufgrund des Ergebnisses des Namen der Landesregierung wie folgt: Anhörungsverfahrens“ entschieden worden sei, „die Neuregelungen zur gymnasialen Oberstufe Zu 1: Im Rahmen des eingangs erwähnten Pilot- und zur Abiturprüfung bereits zum 1. August projekts wird u. a. untersucht, welche Maßnahmen 2007 in Kraft zu setzen“ und dass diese Ände- rungen auch diejenigen Schülerinnen und im Einzelnen zur Optimierung der Hausmeister- Schüler beträfen, die sich bereits im Auswahl- dienste zu ergreifen sind. Die durchgeführte Unter- prozess befinden, obwohl die endgültige Neu- suchung hat gezeigt, dass das neue Organisati- fassung der genannten Verordnungen und er- onsmodell auch trotz der notwendigen längeren gänzenden Bestimmungen noch nicht vorliegt. Einzelne der geplanten Änderungen wurden Anfahrten der Hausmeister wirtschaftliche Vorteile den Schulen „im Vorgriff auf die noch ausste- bietet. hende Veröffentlichung im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt sowie im Schul- Zu 2: In welchem Umfang im Bereich der Polizei verwaltungsblatt“ mitgeteilt. Die übrigen ge- eigene Hausmeister durch Fremdpersonal ersetzt planten Neuregelungen sind den Schulen bis heute nicht bekannt. werden können, wird im Rahmen des Pilotprojek- tes untersucht. Da für die Eigenerledigung weiter- Es muss davon ausgegangen werden, dass die hin ein Beschäftigungsvolumen von 312 Vollzeit- Landesregierung, wie in den Entwürfen vorge- einheiten (VZE) vorgesehen ist, besteht ein ausrei- sehen, die Regelungen zur Einbringung von Leistungen in den Oberstufenkursen in die chender Handlungsspielraum, um im Einzelfall Abiturprüfung weiter verschärften wird. Damit angepasste Lösungen zu finden. würde der Zugang zum Abitur weiter erschwert.

Zu 3: Die Niedersächsische Landesregierung geht Ich frage die Landesregierung: davon aus, dass durch die „Neuausrichtung der

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1. Welche zwingenden Gründe haben die Lan- beginnenden Fremdsprache zwei Schulhalbjah- desregierung veranlasst, die neuen Verordnun- resergebnisse nicht nur - wie bisher - aus dem gen zur gymnasialen Oberstufe und zum Abitur so in Kraft zu setzen, dass die Schülerinnen zweiten, sondern auch aus dem ersten Schul- und Schüler des gegenwärtigen 11. Jahrgangs jahr der Qualifikationsphase berücksichtigt wer- der gymnasialen Oberstufe die Wahl ihres den. Schwerpunktes und der Prüfungsfächer bereits auf der Grundlage der Neuregelung treffen - Bei der Berechnung der Gesamtqualifikation müssen? wird nur noch zwischen Block I (alle Schul- 2. Auf welcher Rechtsgrundlage ist es möglich, halbjahresergebnisse aus der Qualifikations- dass die Landesregierung die Schulen auffor- phase) und Block II (Abiturprüfungsergebnisse) dert, die Auswahl des Schwerpunktes in der unterschieden, und es müssen zwar - wie bis- gymnasialen Oberstufe und der Prüfungsfächer auf der Grundlage von Bestimmungen vorzu- her - mindestens 32 Schulhalbjahresergebnis- nehmen, die während dieses Auswahlverfah- se, es können aber nach Entscheidung der rens noch gar nicht rechtskräftig sind, und bis Länder bis zu 40 Schulhalbjahresergebnisse in wann wird den Schulen ein zuverlässig funktio- die Gesamtqualifikation eingebracht werden. nierendes Computerprogramm zur Umsetzung der neuen Regelungen zur Verfügung stehen, das die Einhaltung der Zulassungsbedingungen Beide KMK-Änderungen ermöglichen für Nieder- zum Abitur bereits zu Beginn des 12. Jahrgan- sachsen, einerseits den Übergang von Schülerin- ges zuverlässig überprüft? nen und Schülern aus Schulen anderer Schulfor- men in die gymnasiale Oberstufe durchlässiger zu 3. Wie ist nach Auffassung der Landesregie- rung die erneut verschärfte Reglementierung gestalten, weil für sie die Bedingungen für eine der gymnasialen Oberstufe mit dem Ziel ver- neu zu erlernende zweite Fremdsprache erleichtert einbar, die Quote der Abiturientinnen und Abitu- werden, und andererseits die Belegungsverpflich- rienten zu erhöhen und die vielfältigen Bega- tungen in der Qualifikationsphase (im Durchschnitt bungen auszuschöpfen? sind 36 Kurse zu belegen) mit den Einbringungs- Die Fragestellerin hat sich leider nicht die Mühe verpflichtungen wieder deutlicher in Übereinstim- gemacht, sich über das Ergebnis des Anhörungs- mung zu bringen (bisher können nur 32 Schul- verfahrens zu den neuen Oberstufen- und Abitur- halbjahresergebnisse eingebracht werden). prüfungsregelungen zu informieren. Denn entge- Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zu den Neu- gen ihrer Aussage in der Kleinen Anfrage ist von regelungen, das bereits am 5. Januar 2007 einge- vielen Seiten im Rahmen des Anhörungsverfah- leitet worden ist, sind zu den Entwürfen zahlreiche rens gefordert worden, die Neuregelungen bereits Stellungnahmen eingegangen, wobei sich die zum 1. August 2007 in Kraft treten zu lassen, um meisten Stellungnahmen von Schulen und Fach- die Position der Schülerinnen und Schüler in der verbänden auf die Stellung der Fächer Erdkunde, gymnasialen Oberstufe und in der Abiturprüfung zu Wirtschaftslehre, Pädagogik, Sport und Darstellen- verbessern. - Worum geht es im Einzelnen? des Spiel in der gymnasialen Oberstufe und in der Mit Beschluss der Kultusministerkonferenz vom Abiturprüfung bezogen haben. Neben diesen aus- 2. Juni 2006 ist die „Vereinbarung zur Gestaltung schließlich fachbezogenen Stellungnahmen sind der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II“ ferner u. a. eingegangen die Stellungnahmen des geändert worden. Danach sind die Länder ver- Landeselternrats, der Lehrerverbände, der evan- pflichtet, die in der Vereinbarung enthaltenen Neu- gelischen und katholischen Kirche, der Gemein- regelungen spätestens für diejenigen Schülerinnen nützigen Gesellschaft Gesamtschule, der Landes- und Schüler umzusetzen, die im Schuljahr schulbehörde, des Niedersächsischen Landesamts 2011/2012 in die Qualifikationsphase eintreten. Sie für Lehrerbildung und Schulentwicklung, der Di- können die Neuregelungen aber auch unmittelbar rektorenvereinigung im Philologenverband, des umsetzen. Verbandes der Elternräte an Gymnasien und des Schulleitungsverbandes, die sich vornehmlich zu Die niedersächsischen Oberstufen- und Abiturprü- der Fremdsprachenregelung und den Einbrin- fungsbestimmungen entsprechen mit Ausnahme gungsverpflichtungen geäußert haben. Im Ergeb- zweier Punkte der neuen KMK-Vereinbarung in nis lässt sich feststellen: vollem Umfang. Diese beiden Punkte sind: Die Regelungen zum schulischen Teil der Fach- - Beim schulischen Teil der Fachhochschulreife hochschulreife bei einer neu beginnenden Fremd- können bei einer in der Einführungsphase neu

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sprache sind ausnahmslos begrüßt worden, weil lich des Anhörungsverfahrens in Kenntnis gesetzt sie die Schülerinnen und Schüler begünstigen. und gebeten, die Schülerinnen und Schüler des jetzigen 11. Schuljahrgangs dahin gehend zu in- Die Erhöhung der Einbringungsverpflichtungen von formieren, dass sie ihre Wahlentscheidungen mit 32 auf zukünftig 36 Schulhalbjahresergebnisse ist Blick auf die Abiturprüfungsfächer nicht revidieren überwiegend begrüßt worden, da alle Schülerinnen müssen und die Ergebnisse in den von ihnen in und Schüler im Regelfall 36 Kurse belegen müs- der Qualifikationsphase zu belegenden Kursen sen, deren Ergebnisse sie nunmehr auch in die nunmehr in der Regel auch einbringen können. Berechnung für die Gesamtqualifikation (Abiturno- te) einbringen können. In den meisten Stellung- Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der nahmen wird auch hierin eine die Schülerinnen Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie und Schüler begünstigende Regelung gesehen. folgt: Allerdings ist zugleich gefordert worden, durch Verordnung nicht alle der 36 einzubringenden Zu 1 bis 3: Siehe allgemeine Vorbemerkungen. Schulhalbjahresergebnisse festzulegen, damit die Ergänzend zu 2: Das vom Land den Schulen zur bisherigen Schülerwahlmöglichkeiten nicht einge- Verfügung gestellte Computerprogramm zur An- schränkt werden. Diese Forderung ist aufgegriffen wendung der Oberstufen- und Abiturprüfungsre- worden, sodass durch Verordnung nur 32 der 36 gelungen wird zum 1. August 2007 auf der Grund- einzubringenden Schulhalbjahresergebnisse fest- lage der Neuregelungen rechtzeitig zur Verfügung gelegt werden. Im laufenden Schuljahr 2006/2007 gestellt. Mit diesem Programm werden zum 1. Au- bereits getroffene Wahlentscheidungen der Schü- gust 2007 noch nicht die „Zulassungsbedingungen lerinnen und Schüler des 11. Schuljahrgangs müs- zum Abitur“ zu überprüfen sein, sondern lediglich sen somit nicht revidiert werden. Entgegen der die Unterrichtsverpflichtungen in der Qualifikati- Annahme der Fragestellerin muss keine Schülerin onsphase der gymnasialen Oberstufe. und kein Schüler die Abiturprüfungsfächer neu wählen. Ergänzend zu 3: Da es sich entgegen der Aussage der Fragestellerin um keine „erneut verschärfte Im Rahmen der Stellungnahmen ist besonders der Reglementierung der gymnasialen Oberstufe“ han- Stellenwert der Fächer Erdkunde, Wirtschaftslehre, delt, wird die Abiturientenquote in Niedersachsen Pädagogik und Sport erörtert worden. Mit der nicht negativ beeinträchtigt. Im Übrigen wird darauf nunmehr getroffenen Entscheidung, nur 32 der 36 hingewiesen, dass die Hochschulzugangsberech- Schulhalbjahresergebnisse durch Verordnung fest- tigtenquote in Niedersachsen zurzeit bereits bei ca. zulegen und in den Bereichen Religion/Werte und 40 % liegt. Normen/Philosophie sowie dem neuen Seminar- fach jeweils nur zwei Schulhalbjahresergebnisse Anlage 16 als Einbringungsverpflichtung zu verlangen, wird der bisherige Stellenwert dieser Fächer nicht be- Antwort einträchtigt. Sie können weiterhin als Abiturprü- des Kultusministeriums auf die Frage 18 der Abg. fungsfächer angewählt werden. Ulrich Biel, Rosemarie Tinius und Ingrid Eckel Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurde dafür (SPD) plädiert, die Neuregelungen bereits zum 1. August Landesschulbehörde verhindert Einrichtung 2007 wirksam werden zu lassen, obwohl im Anhö- einer gymnasialen Oberstufe an der IGS in rungsentwurf des Kultusministeriums erst der Peine 1. August 2008 vorgesehen war. Für den 1. August Im vergangenen Jahr wurde der Antrag auf Ein- 2007 haben sich beispielsweise der Landeseltern- richtung einer gymnasialen Oberstufe an der rat, der Philologenverband, die Direktorenvereini- IGS in Peine von der Landesschulbehörde ab- gung im Philologenverband, die Gemeinnützige gelehnt. Begründet wurde die Ablehnung mit Gesellschaft Gesamtschulen oder die beiden Kir- der Erwartung von zu geringen Schülerzahlen für diese dreizügige Oberstufe. Der Prognose chen ausgesprochen. zugrunde gelegt wurde, dass von einem Jahr- gang höchstens 30 % den erweiterten Sek-I- Noch vor der Veröffentlichung der Neuregelungen Abschluss erreichen. Ebenso wurden die Ober- in den Amtsblättern hat das Kultusministerium die stufen der anderen Gymnasien als gefährdet Schulen mit Datum vom 13. März 2007 frühzeitig angesehen. Dies, obwohl alle Schulleitungen über das Ergebnis und die Entscheidung hinsicht- der Gymnasien befragt wurden und für ihre ei- genen Oberstufen keine Gefährdung sahen.

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Gegen den Bescheid hat der Landkreis Peine nem Antrag das Bedürfnis für diese Maßnahme als Schulträger Klage eingereicht. Die mündli- nicht annähernd überzeugend dargelegt hatte. che Verhandlung soll wahrscheinlich Anfang Mai 2007 sein. Zum einen fehlte ein Nachweis, dass die örtlichen Schülerzahlen des für die Maßnahme in Frage In diesem Januar wurde ein neuer Antrag auf kommenden Bereichs den vom Landkreis Peine Einrichtung einer Oberstufe gestellt. Der Antrag beabsichtigten Schulorganisationsakt tragen wür- wird zurzeit von der Landesschulbehörde in Braunschweig geprüft. Die Rahmenbedingun- den. Eine für die gymnasiale Oberstufe erforderli- gen haben sich in diesem Jahr verändert: Es che stabile Dreizügigkeit mit 54 Schülerinnen und wechseln weitaus mehr Realschüler in die Schülern war vom Schulträger nicht plausibel gymnasialen Oberstufen als bisher. nachgewiesen worden. Zum anderen blieben auch Der Anteil der Schüler der IGS, die den erwei- die vom Schulträger ermittelten Interessen der terten Sek-I-Abschluss erreichen, ist gegenüber Erziehungsberechtigten den Nachweis eines schu- dem Vorjahr noch weiter gestiegen. Dies führt lischen Bedürfnisses schuldig. Nicht ermittelt wur- in diesem Jahr zu der Situation, dass die Peiner Gymnasien räumlich und personell nicht in der de beispielsweise, wie groß der Bedarf für die Ein- Lage sind, alle Schüler aufzunehmen. Auch die richtung einer gymnasialen Oberstufe tatsächlich Oberstufen der Gesamtschulen in Braun- ist. Aus dem Ergebnis der Elternbefragung konn- schweig und Hildesheim nehmen keine Schüler ten keine Schlüsse in Bezug auf die zu erwartende aus dem Landkreis Peine auf, da sie selbst kei- ne freien Kapazitäten haben. Schülerzahl einer gymnasialen Oberstufe an der IGS Peine gezogen werden. Die Anmeldefristen für die gymnasialen Ober- stufen sind bereits am 28. Februar abgelaufen. Das Kultusministerium hatte sich seinerzeit der Die Schülerinnen und Schüler waren so ge- Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die zwungen, sich an den anderen Gymnasien an- zumelden, da ein Bescheid der Landesschul- Schulbehörde uneingeschränkt angeschlossen behörde bisher nicht vorliegt und so die IGS und gegen deren Absicht, dem Antrag die schul- natürlich auch keine Anmeldungen für eine ei- behördliche Genehmigung zu versagen, keine gene Oberstufe annehmen kann. Es gibt eine Bedenken erhoben. Absprache der Schulleitungen des Ratsgymna- siums und der IGS, dass gemeinsame Klassen Seit Anfang Januar 2007 liegt der Landesschulbe- für IGS-Schüler eingerichtet werden. Diese Klassen könnten auch bei Einrichtung einer ei- hörde ein neuer Antrag des Landkreises Peine genen Oberstufe an der IGS sofort dorthin - nunmehr gerichtet auf den Schuljahresbeginn wechseln. Hier wurden allein 42 Kinder ange- 2007/2008 - vor. Der Antrag stützt sich im Wesent- meldet. lichen auf eine erneut durchgeführte, allerdings Wir fragen die Landesregierung: modifizierte Elternbefragung sowie auf neu erho- bene Daten. Es versteht sich im Hinblick auf die 1. Wie groß ist der Anteil der Schülerinnen und Tragweite einer solchen nachhaltigen schulorgani- Schüler, die die einzelnen IGSen am Ende des Schuljahres 2006/2007 mit dem erweitertem satorischen Entscheidung von selbst, dass im Falle Sekundarabschluss I verlassen haben? der erneuten Antragstellung des Schulträgers bin- nen Jahresfrist von den Schulbehörden sorgsam 2. Trifft es zu, dass die Peiner Gymnasien bei Erweiterung der IGS Peine um eine gymnasiale geprüft und bewertet wird, ob und warum früher Oberstufe keine Gefährdung ihrer eigenen erhobene Daten und vorgetragene Darstellungen Oberstufe sehen? des Schulträgers zwischenzeitlich Veränderungen erfahren haben. Die Landesschulbehörde hat die 3. Ist beabsichtigt, im Lichte neuer Kenntnisse über die Übergangsquoten den Landkreis Peine umfangreichen Antragsunterlagen umfassend im Verwaltungsstreit um die Einrichtung der schulfachlich und schulrechtlich geprüft und dem gymnasialen Oberstufe an der IGS Peine klag- Kultusministerium berichtet, dass dieser Antrag los zu stellen bzw. den neuen Antrag des Land- genehmigungsfähig sei. Das MK folgt dieser Ein- kreises positiv zu bescheiden? schätzung. Deshalb wird der Schulträger in Kürze Der Landkreis Peine hatte Mitte Dezember 2005 einen positiven Bescheid von der Landesschulbe- bei der Landesschulbehörde - Abteilung Braun- hörde erhalten. schweig - einen Antrag auf Erteilung einer Geneh- migung zur Erweiterung der IGS Peine um eine Anzumerken ist im Übrigen, dass Erkenntnisse gymnasiale Oberstufe zum Schuljahresbeginn oder Mitteilungen darüber, dass die Peiner Gym- 2006/2007 gestellt. Die Schulbehörde war seiner- nasien nicht in der Lage sind, in diesem Jahr alle zeit allerdings gehalten, die beantragte Genehmi- Schülerinnen und Schüler aufzunehmen und dass gung zu versagen, da der Landkreis Peine in sei- die Gesamtschulen der angrenzenden Schulträger

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ebenfalls keine freien Kapazitäten für die Aufnah- Oberstufen im Landkreis Peine führt. Insofern sah me Peiner Schülerinnen und Schüler haben, den er Einschränkungen für den Bildungsstandort Pei- Schulbehörden nicht vorliegen. ne insgesamt. Die Bedenken hinsichtlich der Diffe- renzierung wurden von der Leiterin des Gymnasi- Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der ums Groß Ilsede geteilt. Der Leiter der BBS be- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie fürchtete Beeinträchtigungen für das Wirtschafts- folgt: gymnasium, relativierte diese Aussage jedoch nachträglich. Zu 1: Da das Schuljahr 2006/2007 bis zum 31. Juli 2007 andauert und demzufolge zurzeit noch keine Vor dem Erörterungsgespräch war mit Schreiben Schülerinnen und Schüler die Integrierten Gesamt- vom 12. Mai 2005 eine schriftliche Abfrage des schulen des Landes mit einem Erweiterten Sekun- Landkreises bei den Gymnasien und der BBS zu darabschluss I verlassen haben, lässt sich die den möglichen Auswirkungen der Erweiterung der Frage in der gestellten Form nicht beantworten. IGS um eine gymnasiale Oberstufe durchgeführt Die Daten, die eine Beantwortung dieser Frage worden. Seitens des Gymnasiums Groß Ilsede ermöglichen, werden erst mit der Erhebung am wurde im Schreiben vom 25. Mai 2005 die Erweite- 13. September 2007 erhoben, die entsprechenden rung der IGS um eine gymnasiale Oberstufe als Auswertungen werden im Frühjahr 2008 vorliegen. „nicht begrüßenswert" bezeichnet. Das Ratsgym- nasium Peine befürchtete im Schreiben vom Am Ende des Schuljahres 2004/2005 ergab sich 23. Mai 2005 eine Schwächung der bestehenden landesweit an den Integrierten Gesamtschulen des Oberstufen. Landes - einschließlich der Schulen in freier Trä- gerschaft mit Gesamtschulcharakter - Folgendes: Von einer aktuelleren Befragung der Schulleitun- Insgesamt haben 1 320 Schülerinnen und Schüler gen der von der beabsichtigten Schulerweiterung - das sind 41,8 % des 10. Jahrgangs - einen Er- berührten Schulen ist den Schulbehörden nichts weiterten Sekundarabschluss I erworben. In den bekannt. Sekundarbereich II sind 985 Schülerinnen und Schüler übergegangen; das entspricht 31,2 % des Zu 3: Die Landesschulbehörde hat den neuen 10. Jahrgangs. Für das Schuljahr 2005/2006 lie- Antrag des Landkreises Peine geprüft und ist zu gen noch keine endgültigen Daten vor; es wird dem Ergebnis gekommen, dass dieser Antrag aber ein Anstieg auf rund 47 % bzw. 37 % erwar- nunmehr genehmigungsfähig ist. Das Kultusmi- tet. Für die IGS Peine wird prognostiziert, dass 56 nisterium hat gegen die Absicht der Landesschul- Schülerinnen und Schüler (37 %) das Schuljahr behörde, die Erweiterung der IGS Peine um eine 2006/2007 mit dem Erweiterten Sekundarab- gymnasiale Oberstufe zum 1. August 2007 zu ge- schluss I abschließen werden. nehmigen, keine Bedenken erhoben und um weite- re Veranlassung gebeten. Der Schulträger wird in Zu 2: Vor der erstmaligen Beantragung der Ge- Kürze eine entsprechende Verfügung der Schul- nehmigung zur Erweiterung der IGS Peine um eine behörde erhalten. Die positive Bescheidung des gymnasiale Oberstufe hat am 29. August 2005 ein Antrags wird sicherlich auch Auswirkungen auf das Erörterungsgespräch beim Landkreis Peine mit anhängige Klageverfahren haben. Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Peine, der IGS Peine, der BBS des Landkreises Peine und Anlage 17 der Gymnasien im Landkreis Peine stattgefunden. Wie sich aus der Niederschrift über die Bespre- Antwort chung ergibt, wurde von den am Gespräch teil- des Ministeriums für Inneres und Sport auf die nehmenden Leiterinnen und Leitern der Gymna- Frage 19 des Abg. Claus Johannßen (SPD) sien und der BBS (wg. Fachgymnasium Wirtschaft) eine Gefährdung der eigenen Oberstufen in ihrem Lässt die Landesregierung Bad Bederkesa Bestand nicht geltend gemacht. Mehrere Schullei- im Stich? terinnen und Schulleiter befürchteten jedoch eine Im Flecken Bad Bederkesa häufen sich Ge- Beeinträchtigung von Qualität und Vielfalt des An- walttaten vor dem Hintergrund von Jugendge- gebotes in den gymnasialen Oberstufen. Der Leiter walt und Jugendlichen mit Migrationshinter- des Ratsgymnasiums vertrat die Auffassung, dass grund. So gab es bei der Veranstaltung „NIG Rockt“ des Niedersächsischen Internatsgymna- die Erweiterung der IGS Peine um eine Oberstufe siums eine Massenschlägerei. Auf dem Schul- zu einer Einschränkung in der Differenzierung aller hof des Schulzentrums kommt es immer wieder

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zu Erpressungen, Bedrohungen und Gewaltta- Im Zuständigkeitsbereich der Polizeistation Bad ten. Bederkesa wurden im Jahr 2006, bezogen auf die Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- Gesamtstraftaten, 374 Tatverdächtige ermittelt. regierung: Hierunter waren 343 deutsche Staatsangehörige (davon 13 Aussiedler/Spätaussiedler) und 31 Tat- 1. Unterstützt sie Präventionsmaßnahmen in Bad Bederkesa, bzw. beabsichtigt sie, dort verdächtige mit anderer Staatsangehörigkeit (dar- Maßnahmen einzuleiten? unter neun Asylbewerber). Die PKS erfasst bei den Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit 2. Was unternimmt sie, um die Eingliederung nicht, ob ein Migrationshintergrund besteht (mit von jugendlichen Migranten zu fördern? Ausnahme der Aussiedler/Spätaussiedler). Diese 3. Ist aufgrund der Vorfälle die Polizeipräsenz in Frage lässt sich mithin auch bei der Aufschlüsse- Bad Bederkesa erhöht worden? lung nach Altersgruppen nicht beantworten. Die Am 13. Mai 2006 fand am Niedersächsischen In- Aufschlüsselung im Bereich der Gesamtstraftaten ternatsgymnasium (NIG) in Bad Bederkesa die stellt sich so dar, dass sich unter den 374 Tatver- Veranstaltung „NIG ROCK“ statt. Es handelte sich dächtigen 23 Kinder, 50 Jugendliche, 35 Heran- dabei nicht um eine Schulveranstaltung, sondern wachsende und 266 Erwachsene befinden. Unter um eine ehrenamtlich organisierte öffentliche Mu- den 73 minderjährigen Tatverdächtigen befanden sikveranstaltung, bei der neben bekannten Bands sich 5 Aussiedler und 1 Nichtdeutscher. Bezogen auch Nachwuchs- und Newcomer-Bands auftraten. auf Körperverletzungsdelikte, wurden in Bad Be- Im Verlauf dieser Veranstaltung kam es nach An- derkesa im Jahr 2006 53 Tatverdächtige ermittelt. gaben der Polizei u. a. zu einer körperlichen Aus- Darunter befanden sich insgesamt 5 Aussied- einandersetzung unter zwei Besuchern, in deren ler/Spätaussiedler (2 Minderjährige) sowie 4 Nicht- Verlauf ein Spätaussiedler durch einen Faust- deutsche (1 Minderjähriger). schlag ins Gesicht verletzt wurde. Er verließ da- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage nach das Gelände und kam einige Minuten später namens der Landesregierung wie folgt: mit einer größeren Personengruppe zurück. Aus dieser Gruppe heraus wurden nun der Kontrahent Zu 1: Polizei und Kommune im Flecken Bad Be- des verletzten Spätaussiedlers sowie dessen zwei derkesa arbeiten bereits seit vielen Jahren insbe- Begleiter angegriffen. Zum Teil wurde mit Flaschen sondere im Präventionsbereich zusammen, auch geschlagen und mit Füßen getreten. Bei einem um der Jugenddelinquenz mit allen beteiligten später ermittelten Tatverdächtigen handelte es sich Stellen und Institutionen zu begegnen. Die zu- um einen erwachsenen Aussiedler aus Bremerha- nächst nur in kooperativer Zusammenarbeit be- ven. stehende Projekt- und Präventionsarbeit aller Be- teiligten führte im August 2002 zur konstituieren- Im Zusammenhang mit Straftaten auf dem Schul- den Sitzung eines Präventionsrates, welcher spä- hof der „Schule An der Mühle“ berichtet das Nie- ter auch Mitglied im Landespräventionsrat Nieder- dersächsische Kultusministerium, dass es mit einer sachsen wurde. Gruppe von vier Schülern vorübergehend Proble- me gegeben habe. Neben Beleidigungen von Mit- Es finden seither zahlreiche Maßnahmen zur Vor- schülern und Lehrkräften sei es auch zu Körper- beugung von Gewaltdelikten statt. Zum Beispiel: verletzungen auf dem Schulhof gekommen. Schu- le, Jugendamt und Polizei haben in dieser Angele- - Elternabende an Schulen zum Thema Gewalt genheit gut zusammengearbeitet. Durch Unter- und Sucht und deren Begleitung im Unterricht, bringung zweier der betroffenen Jugendlichen in - Projekt „Starke Schule - Schule ohne Gewalt“ Jugendhilfeeinrichtungen oder Pflegefamilien, in Planung für das Schuljahr 2007/08, schulischen Maßnahmen (auch Schulwechsel) sowie strafrechtlichen Maßnahmen konnte das - Projekt „TSG - Trainings- und Schulungspro- Problem behoben werden. gramm zur Gewaltprävention“, - Entwicklung einer Prioritätenliste (1. Integrati- Im Hinblick auf die Ereignisse in Bad Bederkesa, on von Spätaussiedlern und Migranten, bei denen es um Straftaten durch Spätaussiedler 2. friedliches Miteinander und angstfreies Auf- ging, lassen sich auf Grundlage der Polizeilichen wachsen für Kinder, 3. Arbeit und Ausbil- Kriminalstatistik (PKS) folgende grundsätzliche dung/sichere Perspektiven, 4. Kommunikation Aussagen treffen: über die Grenzen hinweg (Vernetzung), 5. Si-

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cherheit, Freundlichkeit, Zufriedenheit) der Anlage 18 „Zukunftswerkstatt“ des Präventionsrates. Antwort Hierbei arbeiten die seit Oktober im Polizeikom- missariat Langen tätige Sachbearbeiterin für Prä- des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und vention, der Präventionsrat, die Schulen mit Leh- Gesundheit auf die Frage 20 des Abg. Friedhelm rern, Eltern und Schülern, der Verein „Die Schleu- Helberg (SPD) se e. V.“ (Jugendstraffälligenhilfe im Landkreis Anrechnung von Konfirmationsgeld bei Cuxhaven) sowie die Kommune eng zusammen. Leistungen nach dem SGB II Zudem erfolgt teilweise eine Finanzierung der Projekte durch den Landespräventionsrat sowie Der Landkreis Rotenburg (Wümme) ist eine von durch Eigenmittel der Polizei im Rahmen der Prä- 69 sogenannten Optionskommunen, die in ei- gener Verantwortung für die Umsetzung des ventionsarbeit. „Hartz-IV-Gesetzes“ zuständig sind. Der Fall zweier Geschwister aus Rotenburg (Wümme), Zu 2: Die jugendlichen Migrantinnen und Migran- deren Eltern ALG-II-Bezieher sind und deren ten in Bad Bederkesa profitieren von den Maß- Konfirmationsgeld seitens des Rotenburger Ar- nahmen auf der Grundlage des „Handlungspro- beitsmarktportals ArROW als Einkommen nach § 11 SGB II angerechnet wurde, hat mittlerweile gramms Integration“ der Niedersächsischen Lan- eine überregionale Bekanntheit erreicht. Die desregierung. Dessen Schwerpunkte sind: Anrechnung der Einmalzahlung an die Kinder (hier: Konfirmationsgeld) würde sich leistungs- - Erlernen der deutschen Sprache und Einord- mindernd auf den Bezug des ALG II auswirken. nung in die hiesige Rechts- und Gesellschafts- Die Eltern hatten seinerzeit, im Sommer 2006, ordnung, frist- und formgerecht Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt. Diesem Widerspruch wur- - Integration in Arbeit und Ausbildung, de nunmehr Mitte März dieses Jahres seitens der Optionskommune Landkreis Rotenburg - Förderung von Frauen und Stärkung der Fa- (Wümme) stattgegeben. milien, Dies vorausgeschickt, frage ich die Landesre- - Förderung der Migrantenselbstorganisationen, gierung:

- Stärkung der Beratungsnetzwerke und der 1. Gibt es ähnlich gelagerte Fälle in anderen Optionskommunen, im Bund und dem Land Zusammenarbeit aller Integrationsakteure Niedersachsen, bei denen solche Einmalzah- (Kooperative Migrationsarbeit), lungen als Einkommen der Bedarfsgemein- schaft angerechnet wurden? - Förderung des gesellschaftlichen Dialogs (Fo- rum Integration). 2. Falls ja: Gab es hiergegen Widersprüche, und wie ist in diesen Fällen seitens der Opti- Zu 3: Der seit der Reform durch Neueinstellungen onskommune entschieden worden? von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten kon- tinuierlich angewachsene Personalbestand wird 3. Im Falle einer Anrechnungsentscheidung: Nach welcher Norm wurde die betreffende durch die Polizeiinspektionen entsprechend den Einmalzahlung angerechnet? jeweiligen lokalen Besonderheiten und Erforder- nissen eigenverantwortlich eingesetzt. Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Die Polizeistation Bad Bederkesa ist mit fünf Be- amtinnen/Beamten besetzt. Die Anbindung an das Zu 1 bis 3: Ähnlich gelagerte Fälle sind nach dem PK Langen sowie die räumliche Nähe zu dieser Ergebnis einer durchgeführten Umfrage nicht be- Dienststelle gewährleisten eine schnelle Reakti- kannt. Es hat weder Anrechnungen noch Wider- onsfähigkeit und eine angemessene, überlagernde sprüche gegeben. Polizeipräsenz. Die zuständige Polizeidirektion Anlage 19 Oldenburg beobachtet und bewertet die Kriminali- tät sehr genau. Sie hält derzeit eine personelle Antwort Aufstockung nicht für notwendig, schließt sie aber zukünftig je nach Lageentwicklung nicht aus. des Kultusministeriums auf die Frage 21 der Abg. Ursula Helmhold (GRÜNE)

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Wie entwickelt sich die Ausbildungssituati- Deutschland die Mehrheit der Jugendlichen im on von Mädchen in technischen Berufen in dualen System ausgebildet. Niedersachsen?

Unter dem Begriff „IT-Berufe“ werden folgende Frauen haben sich mit immer besseren Qualifikati- acht Ausbildungsberufe zusammengefasst: onen in den letzten Jahren ihren Platz in der Ar- Fachinformatiker/in, Informatikkaufleute, IT- beitswelt erobert. Dennoch müssen wir feststellen, System-Elektroniker/in, IT-System-Kaufleute, dass die Berufswahl junger Frauen und Männer Informationselektroniker/in, Systeminformati- ker/in, Systemelektroniker/in, Elektroniker/in immer noch geschlechtsspezifisch ausgerichtet ist Informations- und Telekommunikationstechnik. und durch traditionelle Rollenbilder geprägt wird. Die Gesamtanzahl der Ausbildungsplätze in Lange vor der Berufsorientierung und Berufswahl den IT- und Medienberufen ist seit 2002 bun- setzen in der Erziehung Mechanismen der ge- desweit rückläufig: 2005 befanden sich 17 % weniger Frauen und Männer in einer Ausbil- schlechtsspezifischen Sozialisation ein, die dung in diesen Berufen als drei Jahre zuvor. schließlich dazu führen, dass Mädchen sich bei der Bei den weiblichen Auszubildenden hat sich die Berufswahl sehr viel größeren Einschränkungen Zahl in diesem Zeitraum dramatisch um fast ein unterwerfen als Jungen. Drittel reduziert. Ihr prozentualer Anteil lag 2005 bei 19,3 %. Außerdem ist die Zahl der neu ab- geschlossenen Ausbildungsverträge in den IT- Die Politik der Landesregierung ist darauf ausge- und Medienberufen im Vergleich zum Vorjahr richtet, den Mädchen und Jungen diese selbst deutlich um 4 % gesunken. Die bei den Frauen auferlegten oder von außen nahegelegten Be- seit 2001 zu beobachtende rückläufige Ten- schränkungen durch die eigene Geschlechterrolle denz setzt sich verstärkt fort: 2005 schlossen 346 Frauen weniger einen Ausbildungsvertrag bewusst zu machen und sie zu motivieren, diese ab als 2004; das entspricht einem Minus von zu überwinden. Neben der Förderung von Chan- fast 8 % (Quelle: Kompetenzzentrum Technik- cengleichheit sprechen auch ökonomische Überle- Diversity-Chancengleichheit e. V., Bielefeld). gungen für eine Erhöhung des Frauenanteils in Diese Zahlen aus dem IT-Bereich lassen be- technischen Berufen. Aus ökonomischer Perspek- fürchten, dass auch in anderen technischen Be- tive ist die Eingrenzung des Berufsspektrums - für rufen die Anzahl der weiblichen Auszubilden- junge Frauen wie auch für Männer - problematisch. den rückläufig ist. Anzunehmen ist außerdem, Die Flexibilität am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dass auch in Niedersachsen ähnliche Entwick- lungen zu beobachten sind. wird eingeschränkt, und bei einem drohenden Fachkräftemangel fehlen Rekrutierungspotenziale. Ich frage die Landesregierung: Vor dem Hintergrund des demografischen Wan- 1. Liegen ihr Erkenntnisse darüber vor, dass die dels müssen hingegen weitere Rekrutierungspo- Anzahl der weiblichen Auszubildenden in tech- tenziale eröffnet werden, um den Fachkräftebedarf nischen Berufen auch in Niedersachsen rück- und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts läufig ist, und welche Ursachen dafür sieht die Deutschland zu sichern. Landesregierung?

2. Hat die Landesregierung statistische Aus- Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der wertungen über die Berufswahl niedersächsi- Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie scher Schulabgängerinnen seit Einführung des folgt: „Girls‘ Day“ an niedersächsischen Schulen? Wenn ja, bitte vorlegen! Wenn nein, warum Zu 1: Die Zahl der neu abgeschlossenen Be- nicht? rufsausbildungsverträge wird jeweils zum 30. Sep- 3. In welcher Form werden Schulabgängerin- tember des Jahres für die vorausgegangenen nen über die Möglichkeiten, einen „Männerbe- zwölf Monate (Ausbildungsjahr) durch das Bun- ruf“ zu ergreifen, über die Aktivitäten des „Girls‘ desinstitut für Berufsbildung erhoben und veröf- Day“ hinaus informiert und motiviert? fentlicht. Die staatlich anerkannten Ausbildungsbe- Das duale System der Berufsausbildung ist für die rufe, derzeit rund 350 Berufe, werden in 13 Be- wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands rufsgruppen zusammengefasst. Eine dieser Be- von großer Bedeutung. Eine qualifizierte Berufs- rufsgruppen sind die „Technischen Berufe“. In der ausbildung bestimmt die Arbeitsmarkt- und Le- Berufsgruppe „Technische Berufe“ wurden in Nie- benschancen der jungen Menschen ebenso wie dersachsen zum Stichtag 30. September 2005 ins- die potenzielle Leistungs- und Wettbewerbsfähig- gesamt 1 713 Ausbildungsverträge neu abge- keit einer Volkswirtschaft. Trotz bestehender schlossen. Hiervon entfielen 545 Ausbildungsver- Probleme auf dem Lehrstellenmarkt wird in träge - dies entspricht 31,8 % - auf weibliche Aus- zubildende. Zum Stichtag 30. September 2006

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konnte eine Steigerung der neu abgeschlossenen Aktionsprogramm, in dem Schülerinnen und Ausbildungsverträge um 35 auf 1 748 neue Be- Schüler, Schulabsolventinnen und -absolventen rufsausbildungsverhältnisse verzeichnet werden. sowie Studierende die Faszination, die Chancen 521 neue Ausbildungsverträge entfallen dabei auf und die Perspektiven von Berufsbildern in der weibliche Auszubildende. Dies bedeutet zwar ei- Technologiebranche hautnah erleben können. nen Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr, Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf die doch der aktuelle Anteil der weiblichen Auszubil- IdeenExpo 2007 vom 6. bis 14. Oktober hier in denden in den technischen Berufen liegt in Nieder- Hannover. Mit Partnern aus Wirtschaft und Bildung sachsen mit 29,8 % über dem Wert der alten Bun- ruft das Land Niedersachsen erstmalig einen desländer, der 26,6 % beträgt. Ideen-Event ins Leben, der Schülerinnen und Schüler für Wissenschaft und Technik begeistern Insgesamt ist der Anteil der weiblichen Auszubil- wird. Mit unserem Wettbewerb „Niedersachsen denden bei den neu abgeschlossenen Ausbil- geht auf Ideenfang“ können Lehrkräfte der Phan- dungsverträgen in Niedersachsen über alle Be- tasie ihrer Schülerinnen und Schüler im Bereich rufsgruppen hinweg von 21 585 (Stichtag 30. Sep- Technik freien Lauf lassen. tember 2005) auf 22 260 (Stichtag 30. September 2006) gestiegen. Dies entspricht einem Anteil von Anlage 20 41,0 % an allen neu abgeschlossenen Ausbil- dungsverträgen. Der Zuwachs der weiblichen Aus- Antwort zubildenden ist insbesondere in den Berufsgrup- des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf pen „Waren- und Dienstleistungsberufe“ und „Kör- die Frage 22 der Abg. Dr. Gabriele Andretta (SPD) perpflege-, Hauswirtschafts- und Reinigungsberu- fe“ zu verzeichnen. Die Ursache für den Rückgang Wann kommt das von Minister Stratmann der weiblichen Auszubildenden in den technischen angekündigte neue Landesmuseum in Göt- Berufen ist auf den gleichzeitigen Anstieg in ande- tingen? ren Berufsgruppen zurückzuführen. Das Institut für Ethnologie der Universität Göt- tingen verfügt über Kunst- und Kulturschätze Zu 2: Erhebungen zum Berufswahlverhalten nie- außereuropäischer Völker, die weltweit einzig- dersächsischer Schulabgängerinnen erfolgen im artig sind. Vor allem zwei Sammlungen, die der Rahmen der Geschäftsstatistik der Regionaldirek- Göttinger Naturforscher Johann Friedrich Blu- menbach (1752 bis 1840) erwerben konnte, tion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für genießen in der Fachwelt überaus hohes Anse- Arbeit. Während zum 30. September 2001 noch hen und bilden das Herzstück der völkerkundli- 818 Bewerberinnen für die technischen Berufe chen Sammlung der Georgia Augusta: zum ei- registriert wurden, sank die Zahl zum nen die aus europäisch noch unbeeinflussten Kulturdokumenten der arktischen Regionen von 30. September 2006 auf 657 Bewerberinnen. Sibirien und Alaska bestehende Baron-von- Asch-Sammlung, zum anderen die auf den be- Zu 3: Mit der Aktualisierung des Erlasses „Berufs- rühmten englischen Kapitän James Cook und orientierung an allgemeinbildenden Schulen“ vom seine wissenschaftlichen Begleiter Georg und 7. Februar 2006 werden die Schulen zu einer ge- Johann Reinhold Forster zurückgehende Süd- seesammlung. Trotz der langen Tradition, auf zielten Auseinandersetzung mit den geschlechts- welche die Göttinger Ethnologie zurückblicken spezifisch unterschiedlichen Rollenerwartungen in kann, befinden sich Sammlung und Institut in der Berufswelt aufgefordert. Hierzu gehört insbe- großen Nöten: Die Präsentation der kostbaren sondere auch, Mädchen auf männerspezifische Sammlungsgegenstände in dem während der 1930er-Jahre gebauten Institutsgebäude am und damit vorrangig technische Berufe aufmerk- Göttinger Theaterplatz entspricht in keiner Wei- sam zu machen. Über unterrichtliche und schuli- se heutigen Ansprüchen und dem immensen sche Angebote hinaus wird dazu den Schulen eine Wert der Sammlungen. Sie zu bewahren und ganze Reihe von Möglichkeiten zur Teilnahme an einer breiten Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich zu machen, erfordert einen Umbau des Insti- Wettbewerben und Informationsveranstaltungen tutsgebäudes, der unter Wissenschaftsminister geboten. Bereits seit fünf Jahren bietet die welt- Thomas Oppermann konkret geplant und in den größte Technologiemesse, die Hannover Messe, Rahmenplan der HBFG-Finanzierung aufge- die Initiative GO FOR HIGH TECH an, die technik- nommen wurde. Die Kosten für Um- und Er- weiterungsbauten der Ethnologie sind mit 6 Mil- begeisterten Jugendlichen und jungen Berufsein- lionen Euro veranschlagt. Mit dem Regierungs- steigerinnen und -einsteigern ein ganz besonderes wechsel wurde das baureife Vorhaben von Mi- Forum bietet. Die Nachfolgeveranstaltung Tecto- nister Stratmann auf Eis gelegt und die drin- You bietet in diesem Jahr ein Informations- und

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gend notwendige Sanierung des maroden Mu- im 32. Rahmenplan im Jahre 2003 mit Gesamt- seums bis heute nicht in Angriff genommen. kosten von 2 964 000 Millionen Euro die Einstu- In der Antwort der Landesregierung auf meine fung in Kategorie I erhalten. Gleichzeitig wurde ein mündliche Anfrage vom Juli 2006 bestätigte zusätzliches Vorhaben „Teilneubau des Instituts“ Minister Stratmann den dringenden Handlungs- mit Gesamtkosten von 1 782 000 Euro in den bedarf und verwies darauf, dass es sinnvoll sei, 32. Rahmenplan mit der Kategorie I aufgenom- „die vor Ort vorhandenen, singulären Samm- lungen zu anspruchsvollen Museen weiterzu- men. Damit war die 50-prozentige Mitfinanzierung entwickeln.“ Ein konkreter Zeitplan wurde nicht des Bundes gemäß Hochschulbauförderungsge- genannt, sondern es wurde auf laufende Ge- setz (HBFG) gesichert. Mit beiden Vorhaben hätte spräche verwiesen. begonnen werden können. Die Universität Göttin- Im Göttinger Tageblatt vom 24. März 2007 ist gen selbst hat die Vorhaben anschließend auf- nun erneut von der Absicht der Landesregie- grund einer veränderten Prioritätensetzung (nach- rung berichtet worden, in Göttingen ein neues rangige Einordnung der Maßnahme) zurückgestellt Ethnologisches Landesmuseum zu bauen. Kulturminister Stratmann habe dies bei der Jah- und in den nächsten Jahren nicht weiterverfolgt. restagung des Museumsverbandes für Nieder- sachsen und Bremen in Hannover bestätigt. Im September 2006 hat die Universität - unab- Grundlage des neuen Landesmuseums sollen hängig von den bereits laufenden Diskussionen - die Cook-Forster-Sammlung und die Sammlung eine Schlussabrechnung vorgelegt (Abrechnung des Barons Georg Thomas von Asch sein. der Planungskosten), auch im Zusammenhang mit Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- der Beendigung der Gemeinschaftsaufgabe Hoch- regierung: schulbau durch die Föderalismusreform. MWK hat daraufhin die mit dem Bund erforderliche Abrech- 1. Wann ist mit einer Entscheidung über den Standort des angekündigten Ethnologischen nung der HBFG-Mittel vorgenommen. Landesmuseums zu rechnen, und in welchem zeitlichen Rahmen soll der Bau realisiert wer- Dieses vorweggeschickt, beantworte ich die Fra- den? gen namens der Landesregierung wie folgt:

2. Welche weiteren Sammlungen aus Nieder- Zu 1: Die Gespräche mit der Stiftung Universität sachsen sollen in dem Landesmuseum in Göt- tingen ausgestellt werden? Göttingen als Eigentümerin der ethnologischen Sammlungen sind nicht abgeschlossen. 3. Werden die Investitionsentscheidungen so rechtzeitig getroffen, dass eine Etatisierung des Zu 2: Da der Anlass für die museale Entwicklung Bauvorhabens im Haushalt 2008 erfolgen wird? die exquisiten Sammlungen der Stiftung Universität Die Bedeutung der im Eigentum der Stiftung Uni- Göttingen als Eigentümerin sind, gehen Planungen versität Göttingen befindlichen ethnologischen von den Göttinger Sammlungen aus. Sammlungen steht außer Zweifel. Die Sammlung Zu 3: Der derzeitige Stand der Gespräche stellt Cook/Forster erhält nach einer grundlegenden Pu- eine Etatisierung musealer Baupläne im Haus- blikation 1998 die ihr zukommende Aufmerksam- haltsjahr 2008 nicht in den Vordergrund. keit weltweit dank Sonderausstellungen in Hono- lulu und Canberra. Die Sammlung „Baron von Anlage 21 Asch“ wird zurzeit für eine grundlegende Publikati- on aufgearbeitet. Auch ihr gebührt eine angemes- Antwort sene Aufmerksamkeit. Deshalb ist es sinnvoll, mit des Finanzministeriums auf die Frage 23 des Abg. der Eigentümerin „Stiftung Universität Göttingen“ Heinrich Aller (SPD) die Potenziale einer dauerhaften, besucherorien- tierten und angemessenen Präsentation zu entwi- Regierung Wulff ohne klaren Kurs bei Un- ckeln. ternehmensbeteiligungen - Wirtschaftsmi- nister Hirche Sicherheitsrisiko für VW Wie bereits in der Beantwortung einer entspre- Angesichts der aktuellen Medienberichte über chenden Anfrage vom Juli 2006 dargestellt, ist die die massiven Machtverschiebungen bei VW Aussage, mit dem Regierungswechsel sei das äußern sich Mitglieder der Regierung Wulff öf- baureife Vorhaben auf Eis gelegt worden, nicht fentlich widersprüchlich zu den Plänen der Lan- zutreffend. Das Vorhaben (Herrichtung des Insti- desregierung. Die Varianten über das künftige Engagement stehen im Gegensatz zueinander. tutsgebäudes) wurde zwar zum 31. Rahmenplan Sie reichen von Verkäufen der Landesanteile für den Hochschulbau angemeldet und hat dann

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und Ausstieg des Landes bei VW bis zur mögli- sachsen bei Volkswagen angesichts der offen- chen Aufstockung der Landesbeteiligung. kundigen Machtverschiebungen zugunsten von Porsche und der anstehenden Gerichtsent- Die Tatsache, dass der stellvertretende Minis- scheidung zum sogenannten VW-Gesetz? terpräsident und Wirtschaftsminister Walter Hir- che (FDP) als Vertreter des Landes und als 2. Welche Strategie verfolgt sie mit den Beteili- Mitglied des Aufsichtsrates des VW-Konzerns gungen an strukturbestimmenden Unternehmen wiederholt und öffentlich den Ausstieg Nieder- oder Unternehmen und Banken mit wesentli- sachsens bei VW gefordert hat, schadet nach cher Bedeutung zur Erfüllung landespolitischer Auffassung von Beobachtern dem Unterneh- Ziele in der öffentlichen Daseinsvorsorge men und den Interessen des Landes Nieder- und/oder der Wirtschaftsförderung? sachsen. Angesichts der aktuellen Entwicklung, der konsequenten Ausweitung des Einflusses 3. Wie will sie künftig verhindern, dass insbe- von Porsche bei VW und der Schwächung der sondere Wirtschaftsminister Hirche weiterhin Mitwirkungsrechte des Landes bei dem für das durch Ausstiegsforderungen bei VW die Rolle Land Niedersachsen strukturbestimmenden des Landes im Konzern schwächt, zu Irritatio- Konzern braucht das Land einen klaren Kurs für nen über den künftigen Kurs der Landesregie- seine Unternehmensbeteiligungen. rung bei Unternehmensbeteiligungen führt und den Landesinteressen schadet? Der Ministerpräsident (CDU) hat es versäumt, seinen Wirtschaftsminister (FDP) frühzeitig und Die Fragen des Abgeordneten Aller beantworte ich unmissverständlich auf eine Position der Lan- im Namen der Landesregierung wie folgt: desregierung festzulegen. Derzeit bestimmen Irritationen und öffentliche Spekulationen über Zu 1: Solange keine Entscheidung des Europäi- die künftige Position der Landesregierung das Bild. Die Landesregierung gilt für die Märkte, schen Gerichtshofs zum VW-Gesetz vorliegt, wird die Unternehmensstandorte und die Beleg- sich an den gesetzlichen Voraussetzungen zur schaft unter den derzeitigen Bedingungen nicht Sicherung der Interessen des Landes Niedersach- als verlässlicher Partner zur Durchsetzung von sen an dem Unternehmen Volkswagen AG nichts Landesinteressen. ändern: Es bleibt bei den gesetzlichen Regelungen Die Unternehmensbeteiligungen haben für das bezüglich der Entsendemandate und der Stimm- Land Niedersachsen existenzielle Bedeutung. rechtsbeschränkung auf 20 %, die zusammen den Jüngste Entscheidungen der Landesregierung über Unternehmensbeteiligungen oder Privati- durch das VW-Gesetz beabsichtigten Minderhei- sierungen haben zu erheblichen Imageschä- tenschutz garantieren. den, Klagen oder bisher nicht ausreichend er- klärten sogenannten strategischen Verkäufen Falls wider Erwarten das VW-Gesetz für europa- geführt. rechtswidrig erklärt werden sollte, wird Nieder-

Die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft sachsen gleichwohl auch weiterhin über eine hin- spielt für die wirtschaftlichen Engagements des reichende Sperrminorität an VW verfügen. Auf- Landes eine immer bedeutendere Rolle. Früher grund der Hauptversammlungspräsenzen bei von der damaligen Opposition scharf kritisiert, Volkswagen von rund 60 % reicht die derzeitige hält sie auch unter der jetzigen Regierung die wichtigen Beteiligungen des Landes. Beteiligung von 20,24 % an den VW-Stammaktien für die erforderliche Einflussnahme aus, sodass Landesbeteiligungen sind kein Spielzeug der derzeit keine Notwendigkeit für eine Aufstockung Landesregierung. Der Landtag hat einen An- der Aktienanteile gesehen wird. spruch auf aktuelle Informationen über den Kurs der Landesregierung. Er entscheidet in Vermögensfragen. Zu 2: Strategische Ziele sind in Abhängigkeit vom jeweiligen Unternehmen differenziert zu sehen. So Die Entwicklung bei Volkswagen und die un- ist naturgemäß eine Beteiligung an einer Bank übersichtliche Lage zur Haltung des Landes, bzw. Förderbank von anderen Zielen geprägt als auch für den Fall einer ungünstigen Entschei- dung zum VW-Gesetz, im Landeskabinett ma- die an Produktionsunternehmen, wie der Volkswa- chen eine klare Positionierung des Landes gen AG und der Salzgitter AG, deren Wirken Ein- dringend erforderlich. Die Position des Landes fluss auf die mittelständisch geprägte Zulieferin- „Pro Landesbeteiligung bei Volkswagen“ muss dustrie haben. sich auch bei den handelnden Personen im Ka- binett und im Aufsichtsrat widerspiegeln. Wirt- schaftsminister Hirche erfüllt diese Anforderun- Die Sperrminorität des Landes bei der Salzgitter gen nicht. AG soll erhalten bleiben. Die Landesregierung steht zu der von der Vorgängerregierung 2002 Ich frage die Landesregierung: abgegebenen Halteerklärung, die Beteiligung in 1. Wie bewertet sie die Voraussetzungen zur Höhe von 25,2 % am Aktienkapital an der Salzgit- Sicherung der Interessen des Landes Nieder-

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ter AG bis zum Jahre 2010 aufrechtzuerhalten. Anlage 22 Herr Ministerpräsident hat am 27. März 2007 in der Landespressekonferenz deutlich gemacht, dass er Antwort die Sperrminorität mindestens bis zum Jahre 2013 des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr verficht. auf die Frage 24 der Abg. Monika Wörmer- Die Landesregierung sieht in ihrem Engagement Zimmermann (SPD) bei der NORD/LB weiterhin eine wichtige Wei- Ist die Landesregierung bereit, die Troglö- chenstellung zur Sicherstellung eines umfassen- sung als Querung der A 26 über die Este bei den Finanzdienstleistungsangebots für die ange- Buxtehude zu unterstützen? schlossenen Sparkassen, den Mittelstand und die Im zweiten Bauabschnitt der A 26 wird die Au- Industrie in Niedersachsen. tobahn bei Buxtehude die Este queren. Geplant ist eine Brücke über die Este, die gleichbedeu- Mit der Integration der LTS in die NBank konzent- tend mit dem Aus für eine Passage von Seglern riert die Landesregierung das gesamte Förderge- bis in den Hafen der Estestadt wäre. Die Stadt schäft auf ein Institut und strafft somit in einem Buxtehude lehnt u. a. auch aus diesem städte- baulichen Grund die Brücke ab. Sie schlägt weiteren Schritt nach der Auflösung der Bezirksre- stattdessen den Bau eines sogenannten Troges gierungen die administrative Abwicklung des För- vor. Bei einem Trog wird im Prinzip die Straße dergeschäfts in Niedersachsen. Koordinierte För- tiefer gelegt und die Este in einem Kanal über derung aus einer Hand verspricht mehr Effizienz die Straße geführt. und einen gezielten Einsatz der Mittel. Die Stadt Buxtehude setzt auf den Wirtschafts- zweig Tourismus. Teile der Stadt und des Bux- Die Deutsche Messe AG und die Flughafen Han- tehuder Hafens werden zurzeit mit Städtebau- nover-Langenhagen GmbH sind der Wirtschaft fördermitteln des Bundes und des Landes in dienende Unternehmen. Während die Flughafen Höhe von ca. 3 Millionen Euro saniert, um den Charakter als Hanse- und Hafenstadt wieder Hannover-Langenhagen GmbH in den letzten Jah- aufleben zu lassen. Die geplante Brücke als ren eine sehr positive Entwicklung genommen hat, Querung macht für viele Schiffe das Einlaufen sind bei der Deutschen Messe AG aufgrund der in den Buxtehuder Hafen unmöglich. Sie bringt starken Konkurrenzsituation mit anderen öffentlich für die Stadt nicht nur vom Stadtbild her, son- dern auch für den Verkehr große Nachteile. Ei- geförderten Messeplätzen weitere Anpassungs- ne Brücke wird bei Sturm und Eis gesperrt. maßnahmen erforderlich. Absehbar stehen keine Durch den Trog kann der Verkehr auch bei sol- Veränderungen hinsichtlich der Eigentümerstruktur chen Wetterbedingungen ungehindert fließen an. und muss nicht wieder durch die Stadt und die umliegenden Ortschaften gehen.

Die genannten Beteiligungen werden mit Ausnah- Buxtehude ist das Tor zum Alten Land, das me der NBank von der Hannoverschen Beteili- vom Obstbau lebt. Sollte die Este mit einer Brü- gungsgesellschaft mbH (HanBG) gehalten. Die cke überquert werden, entstünden sogenannte 1986 gegründete Beteiligungsholding hat sich als Kälteseen, die den Obstbau massiv beeinträch- tigen würden. Finanzierungsinstrument über 20 Jahre bewährt und soll auch zukünftig weitergeführt werden. Das Planfeststellungsverfahren für den zweiten Bauabschnitt der A 26 ist seit Jahren abge- Zu 3: In Kenntnis unterschiedlicher Positionen zu schlossen. Alle Einsprüche der Stadt Buxtehu- Landesbeteiligungen haben sich die Koalitions- de wurden vor allem wegen der zu erwartenden Mehrkosten für den Bau eines Troges verwor- partner in der Koalitionsvereinbarung für die fen. Deshalb ist vonseiten der Stadt Buxtehude 15. Wahlperiode des Niedersächsischen Landta- eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht ges gleichwohl darauf geeinigt, zur Verantwortung Lüneburg anhängig. für die Unternehmen zu stehen, an denen das Minister Hirche ist die Problematik gut bekannt. Land beteiligt ist. Dies gilt insbesondere für Volks- Er weiß aus Gesprächen mit Vertretern der wagen. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Stadt Buxtehude, dass sich eine breite Front Walter Hirche steht hinter der Koalitionsvereinba- von „Brückengegnern“ gebildet hat. Hierzu ge- rung, er erfüllt im Aufsichtsrat der VW AG vollum- hören nicht nur der gesamte Rat, sondern Ver- bände, Vereine und die Wirtschaft. Innerhalb fänglich seine entsprechenden Aufgaben im Un- von wenigen Tagen wurden ca. 3 000 Unter- ternehmensinteresse. schriften aus der Bevölkerung für die soge- nannte Troglösung gesammelt.

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Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- reduzieren Lärmschutzwände die Windanfälligkeit. regierung: Eine Troglösung ist aus diesen Gründen nicht not- 1. Teilt sie die Auffassung, dass ein Brücken- wendig. bau die aufgezeigten negativen Auswirkungen für die regionale Wirtschaft hätte? Negative Auswirkungen eines Brückenbauwerkes auf das Kleinklima („Kälteseen“) und auf den Obst- 2. Wie unterstützt sie die Bemühungen vor Ort, bau im Alten Land sind nicht zu belegen. Im Be- eine Estequerung der A 26 bei Buxtehude durch den Bau eines Troges möglich zu ma- reich der vorgesehenen Estequerung befindet sich chen? hauptsächlich Grünland.

3. Ist sie bereit, sich an den Mehrkosten zu Zur planungsrechtlichen Absicherung der Maß- beteiligen, die beim Bau eines Troges statt ei- nahme wurde ein Planfeststellungsverfahren nach ner Brücke entstünden? dem Fernstraßengesetz durchgeführt; der Plan- Mit dem zweiten Bauabschnitt wird die derzeit im feststellungsbeschluss ist am 30. Januar 2004 Bau befindliche A 26 in Richtung Hamburg von der ergangen. Gegen den Beschluss wurden vor dem Anschlussstelle Horneburg bis zum Anschluss der Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) mehrere Kreisstraße 40 nordöstlich von Buxtehude fortge- Klagen eingelegt. führt. Die Autobahn wird mit einer Brücke über die Bundeswasserstraße Este geführt. Maßgeblich für Während mit der Stadt Buxtehude im Verlauf der die Planungsentscheidung zu einer Brücke waren Entwurfsplanung vor der Planfeststellung noch u. a. die Anforderungen der Wasser- und Schiff- Einvernehmen über eine Brücke zur Querung der fahrtsverwaltung des Bundes als Baulastträger der Este bestand, wurde im Planfeststellungsverfahren Bundeswasserstraße Este und ein Kostenvergleich von der Stadt ein Trog gefordert. Gegen den an- für verschiedene Querungsvarianten (flache Brü- ders lautenden Planfeststellungsbeschluss hatte cke, Hochbrücke, Trog). die Stadt Klage beim OVG eingelegt.

Motorboote mit einer Höhe kleiner als rund 5 m Einem Beschluss des OVG vom 12. Dezember sowie Segelboote und größere Motorboote mit 2005 ist zu entnehmen, dass die Trassenführung kippbaren Mast bzw. Aufbauten können den Brü- im Bereich von der Anschlussstelle Horneburg bis ckenbereich bei einem mittleren Tidehochwasser einschließlich der Querung der Este nicht bemän- passieren. Eine unüberwindliche Barriere bildet gelt wird. Das OVG hat sich zur Frage der Que- das Brückenbauwerk damit nicht. Einen Rechtsan- rung der Este jedoch bisher nicht abschließend spruch darauf, dass die Stadt Buxtehude auf der geäußert; das Gerichtsverfahren dauert noch an. Bundeswasserstraße Este von Segel- bzw. Motor- Im Jahr 2006 hatte die Stadt Buxtehude parallel booten mit stehendem Mast erreicht werden kann, zum Klageverfahren eine Kostenkalkulation von gibt es gegenüber dem Bund nicht. einem Unternehmen aus den Niederlanden für Die Stadt Buxtehude ist derzeit dabei, ihren Hafen eine Troglösung nach niederländischem Vorbild im Rahmen der Städtebauförderung zu revitalisie- erstellen lassen. Gemeinsam wurde bei einer ren. Sie hat ein Gutachten zur Untersuchung der Kostenprüfung festgestellt, dass im Vergleich mit Auswirkungen des Brückenbaus auf die touristi- der Brückenlösung nach Planfeststellung die „nie- sche Entwicklung der Stadt und der maritimen derländische“ Trogvariante rund 16 Millionen Euro Landschaft Unterelbe erstellen lassen. Nach die- teurer ist. Bei einer Optimierung der Konstruktion sem Gutachten ist die Trogvariante der Brückenva- dieser Trogvariante könnten nach Angabe der riante aus gesamtwirtschaftlichen Gründen und zur Stadt Buxtehude noch Einsparungen realisiert Möglichkeit der Entfaltung der touristischen Poten- werden. Sie wäre dann jedoch immer noch min- ziale vorzuziehen. destens rund 9 Millionen Euro teurer.

Die Brücke über die Este ist hinsichtlich ihrer Dies vorangestellt, werden die Fragen namens der Gebrauchseigenschaften für den Verkehr bei un- Landesregierung wie folgt beantwortet: günstigem Wetter („Sturm, Eis“) nicht anders ein- Zu 1: Nein. zuordnen als entsprechende andere Brücken im Zuge von Autobahnen. Sie ist als „flache“ Brücke Zu 2: Mit dem Ziel einer kreativen und umsetzba- konzipiert und nicht sehr exponiert den Witte- ren Gesamtlösung wird die Planung mit allen Be- rungsverhältnissen ausgesetzt. Auf dem Bauwerk teiligten erörtert. In einem vom Land moderierten

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Prozess soll eine wirtschaftliche und technisch mit Aufgaben betraut werden, bei denen eine machbare Lösung gesucht und dem Bund als Einflussnahme ihres bisherigen und künftigen Arbeitgebers auf behördliche Entscheidungen Baulastträger für die Autobahn vermittelt werden. und Gesetzentwürfe des Landes ausgeschlos- Die Abstimmungen sind noch nicht abgeschlossen. sen ist?

Zu 3: Ohne den laufenden Gesprächen vorzugrei- Die Anfrage bezieht sich auf „private Unternehmen fen, ist die Landesregierung bereit - wenn die Ent- und Verbände“; aus diesen sind in niedersächsi- scheidung auf die Troglösung aufgrund einer schen Ministerien und Behörden keine Mitarbeite- Kosten-Nutzen-Analyse hinausläuft -, einen ange- rinnen und Mitarbeiter befristet beschäftigt. messenen Beitrag im Rahmen einer gemeinschaft- lichen Finanzierung zu übernehmen, soweit Mittel Der Vollständigkeit halber führe ich eine Entsen- im Einzelplan des MW zur Verfügung stehen. Aber dung von der AOK die Gesundheitskasse (Körper- auch der Bund und die Region werden einen eige- schaft des öffentlichen Rechts) zum Ministerium für nen Beitrag zur Umsetzung leisten müssen. Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit im Zeit- raum 2006/2007 für die Dauer von neun Monaten Anlage 23 an. Bei dem entsandten Mitarbeiter handelt es sich um einen Angehörigen des gehobenen Dienstes Antwort (kein Entscheider), der bereits über fortgeschritte- ne berufliche Erfahrung verfügt und der für künftige der Staatskanzlei auf die Frage 25 der Abg. Hans- Führungsaufgaben infrage kommt. Die Hospitation, Joachim Janßen und Ina Korter (GRÜNE) die am 30. April 2007 endet, dient allein dazu, Werden auch in der Landesregierung Ent- Fortbildungsmöglichkeiten zu eröffnen, die das scheidungen unmittelbar von Lobbyisten Verständnis für übergreifende Zusammenhänge beeinflusst? auf dem Gebiet der Sozial- bzw. Pflegeversiche- Wie das Landesprogramm des WDR-Fern- rung wecken. sehens am 2. April 2007 unter dem Titel „Wir sind drin - Lobbyisten im Zentrum der Macht“ Daneben finden jährlich ein Verwaltungs- und ein berichtete, arbeiten in den Bundesministerien Wirtschaftsvolontariat unter der Federführung des rund 100 „Leihbeamte“ aus Unternehmen und Innenministeriums und der Unternehmerverbände Verbänden. Diese „Leihbeamten“ sitzen Tür an Tür mit den „regulären“ Bediensteten der Mi- Niedersachsen e. V. statt, in denen ca. 12 bis 20 nisterien, werden von ihren bisherigen Arbeit- Nachwuchskräften aus Verwaltung und Wirtschaft gebern aus Industrie und Verbänden weiterhin die Gelegenheit gegeben wird, die jeweils „andere bezahlt und arbeiten zum Teil sogar an Ge- Seite“ für zwei Wochen kennen zu lernen. setzentwürfen mit. Der Verdacht, dass auf die- se Weise Gesetzentwürfe direkt im Sinne ein- zelner Lobbygruppen beeinflusst werden, ist Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage zumindest nicht auszuschließen. Darüber hin- namens der Landesregierung wie folgt: aus sollen nach WDR-Informationen vertrauli- che Unterlagen von „Leihbeamten“ direkt an ih- Zu 1: Nein. re eigentlichen Arbeitgeber weitergegeben wor- den sein. Zu 2: Entfällt.

Wir fragen die Landesregierung: Zu 3: Entfällt. 1. Sind in Ministerien und Behörden des Lan- des Niedersachsen Mitarbeiterinnen und Mitar- Anlage 24 beiter befristet beschäftigt, bei denen schon bei der Einstellung klar war, dass sie nach ihrer Antwort Tätigkeit im Dienste des Landes Niedersachsen zu ihrem vorherigen Arbeitgeber aus privaten des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Unternehmen oder Verbänden zurückkehren auf die Frage 26 des Abg. Hans-Joachim Janßen werden? (GRÜNE) 2. Falls es derartige Mitarbeiterinnen und Mitar- Ignoriert die Landesregierung auch bei der beiter in Diensten des Landes Niedersachsen Genehmigung der Erdöl- und -gaserkun- gibt, werden diese während der Zeit ihrer Tätig- dung in der Nordsee EU-Naturschutzrecht? keit für das Land ausschließlich aus Landes- mitteln bezahlt? Das dem niedersächsischen Wirtschaftsminis- ter unterstehende Landesamt für Bergbau, 3. Wie stellt die Landesregierung gegebenen- Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld falls sicher, dass „Leihbeamte“ in Diensten des habe Ende März die Erkundung von Erdöl- und Landes Niedersachsen - sofern es sie gibt - nur

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Erdgasvorkommen im Bereich der Doggerbank 17 v. H. des deutschen Seismikgebietes liegen genehmigt, berichtete die Tageszeitung taz in innerhalb des der Kommission der Europäischen ihrer Ausgabe vom 3. April 2007. Gemeinschaften benannten Gebietes von gemein- Auf Antrag der Firma Wintershall sollen dem- schaftlicher Bedeutung (FFH-Vorschlagsgebiet) nach in einem an die EU gemeldeten und per Doggerbank. Die Messungen im FFH-Vorschlags- Rechtsverordnung des Bundes als Naturschutz- gebiet werden ca. 30 Tage betragen. Im Rahmen gebiet geschützten FFH-Gebiet in der AWZ Er- kundungen mit niederfrequenten Schallwellen der Zulassung des Hauptbetriebsplans wurde eine in einer Stärke von bis zu 180 Dezibel durch- FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt. Die geführt werden dürfen. Zum Vergleich: Die artenschutzrechtlichen Bestimmungen gemäß Schallemissionen von Schiffsmotoren sind in- Artikel 12 der FFH-Richtlinie sowie gemäß Artikel 5 ternational auf maximal 75 Dezibel begrenzt. Naturschützer befürchten dadurch erhebliche der Vogelschutzrichtlinie wurden angewendet. Die Beeinträchtigungen des Schweinswals, einer Stellungnahmen, die von denjenigen Behörden gemäß FFH-Richtlinie zu schützenden Art, des- und Forschungseinrichtungen eingeholt wurden, sen Bestand im Bereich der Doggerbank mit deren Aufgabenbereich von dem geplanten Projekt 1 500 bis 2 500 Tieren angegeben wird. Dass die Tiere durch die Erkundungen vertrieben berührt werden könnte, sind bei der Zulassung werden, räumt das Landesamt offenbar selbst berücksichtigt worden. ein: Die Lautstärke müsse in einem Zeitraum von 20 Minuten in gleichmäßigen Intervallen Angesichts der derzeitigen Rohstoffpreise für Erdöl gesteigert werden, damit die Tiere ausweichen und Erdgas und der Diskussion über die Diversifi- können, zitiert die taz einen Sprecher der Be- hörde. Außerdem müssten die Messungen bei zierung der Bezugsquellen dieser Rohstoffe ist die Walsichtungen abgebrochen werden. Wie das Sicherung der nationalen Rohstoffversorgung Blatt weiter berichtet, soll auch das Bundesamt durch die Förderung von Erdöl und Erdgas aus für Naturschutz (BfN) auf eine mögliche Ge- Lagerstätten im eigenen Land für die Niedersäch- fährdung des Schweinswals hingewiesen ha- ben. Das habe „die Kollegen aber nicht sehr sische Landesregierung von erheblicher Bedeu- beeindruckt“, so ein BfN-Sprecher gegenüber tung. Explorationsmaßnahmen zur Erkundung der taz. Da eine erhebliche Beeinträchtigung neuer Lagerstätten werden daher auch in sensib- des Schweinswals im ausgewiesenen FFH-Ge- len Naturbereichen - unter Einhaltung der ein- biet daher als sehr wahrscheinlich anzunehmen ist, liegt die Vermutung nahe, dass die Geneh- schlägigen rechtlichen Regelungen - im unum- migung unter Missachtung des europäischen gänglichen Umfang notwendig sein. Naturschutzrechts erteilt worden ist. Dies vorausgeschickt, werden die Fragen namens Ich frage die Landesregierung: der Landesregierung wie folgt beantwortet: 1. In welchem Radius um die Schallquelle wer- den Schweinswale durch niederfrequente Zu 1: Zwar kann der Radius möglicher Vertreibun- Schallwellen in einer Stärke von 180 Dezibel gen von Schweinswalen nicht exakt prognostiziert nach Kenntnis der Landesregierung vertrieben? werden. Es wird gemäß Stone (2003) von einem Meidungsradius von ca. 1 500 m um den Seismik- 2. Welche räumlichen und technischen Alterna- tiven zur Erkundung mittels niederfrequenter verband ausgegangen. Die Antragsunterlagen Schallwellen in einem gemeldeten und per sahen eine Schutzzone von 500 m um die Schall- Rechtsverordnung geschützten FFH-Gebiet quelle vor, wobei die am Rand der Zone prognosti- wurden im Rahmen des Genehmigungsverfah- zierte Schalllautstärke 172 dB re 1 µPa beträgt. rens mit welchen Ergebnissen geprüft? rms Die Schutzzone, in der ein Aufenthalt von 3. Mit welcher Begründung nimmt die Landes- Schweinswalen zur Einstellung der seismischen regierung an, die Erkundung der Erdöl- und Messungen führt, wurde in der Zulassung vom Erdgasvorkommen im Bereich der Doggerbank sei im überwiegenden öffentlichen Interesse, LBEG erheblich ausgedehnt und - in Anlehnung an wenn sie das Vorhaben trotz eines erheblichen Stone - auf einen Abstand von 1 500 m zur Schall- Eingriffs in die Schutzgüter des FFH-Gebietes quelle festgelegt. Damit wird die auf die genehmigt? Schweinswale einwirkende Schalllautstärke weiter Auf den Antrag der Firma Wintershall hat das Lan- verringert. Die Einheit dBrms re 1 µPa berücksichtigt desamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) dabei die besonderen Verhältnisse für die Lärm- am 23. März 2007 den bergrechtlichen Hauptbe- ausbreitung unter Wasser. Sie entspricht nicht der triebsplan für seismische Messungen zur Aufsu- Einheit Dezibel im allgemeinen Sprachgebrauch, chung von Bodenschätzen für einen genau fest- die sich auf die Lärmausbreitung in der Luft be- gelegten Bereich im deutschen Sektor des Fest- zieht. landsockels der Nordsee zugelassen. Rund

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Zu 2: Im Rahmen des Zulassungsverfahrens für 1. Hat es in diesem Verfahren eine Weisung den Hauptbetriebsplan hat das LBEG unter An- des Justizministeriums an die Staatsanwalt- schaft gegeben, einer Einstellung des Verfah- wendung des Methodik-Leitfadens „Prüfung der rens nicht zuzustimmen? Wenn ja, ist das eine Verträglichkeit von Plänen und Projekten mit er- übliche Vorgehensweise? heblichen Auswirkungen auf Natura-2000-Gebiete - Methodik-Leitfaden zur Erfüllung der Vorgaben 2. Auf wessen Veranlassung rief die Staatsan- wältin F. bei der Vorsitzenden Richterin an? des Artikels 6 Abs. 3 und 4 der Habitat-Richtlinie 92/ 43/ EWG“ der Generaldirektion Umwelt der 3. Aus welchen Gründen hält es die Landesre- Europäischen Kommission gemäß § 34 BNatSchG gierung für zulässig, wenn das Justizministeri- um und/oder die Staatsanwaltschaft im Vorfeld bzw. Artikel 6 der FFH-Richtlinie die Verträglichkeit von oder während laufender Verfahren Einfluss des Projektes geprüft. Bei dieser Prüfung wurde auf Richterinnen und Richter nimmt? festgestellt, dass das Projekt keine erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Vorschlaggebietes Dem Justizministerium obliegt nach § 147 Nr. 2 Doggerbank hervorruft, da eine Voraussetzung für des Gerichtsverfassungsgesetzes „das Recht der die Erheblichkeit auch die Dauerhaftigkeit der Aufsicht und Leitung … hinsichtlich aller staatsan- Maßnahme ist. waltschaftlichen Beamten“ und Beamtinnen Nie- dersachsens. Diese Befugnis umfasst zwar auch Räumliche und technische Alternativen gemäß das sogenannte externe Weisungsrecht, von dem § 34 Abs. 3 BNatSchG waren nicht zu prüfen, da in das Justizministerium jedoch in konkreten Verfah- der Verträglichkeitsprüfung keine erheblichen Be- ren nur unter sehr engen Voraussetzungen Ge- einträchtigungen festgestellt wurden. brauch macht. Ein der Staatsanwaltschaft zuste- hendes Ermessen akzeptiert die niedersächsische Im Übrigen gibt es weder technische noch räumli- Landesjustizverwaltung grundsätzlich bis zur Gren- che Alternativen, da die Lagerstätten ortsgebun- ze des Fehl- oder Nichtgebrauchs. Das Justizmi- den sind. nisterium hat in dieser Legislaturperiode noch in keinem Fall von dem Weisungsrecht Gebrauch Zu 3: Die Verträglichkeitsprüfung der FFH- gemacht. Richtlinie hat bereits ergeben hat, dass keine er- hebliche Beeinträchtigung des FFH-Vorschlag- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage gebietes vorliegt; insoweit erübrigt sich die Fest- namens der Landesregierung wie folgt: stellung, ob ein überwiegendes öffentliches Inte- resse besteht. Zu 1: In den in Rede stehenden Verfahren hat es zu keiner Zeit eine Weisung des Justizministeriums Anlage 25 an die Staatsanwaltschaft gegeben, einer Einstel- lung der Verfahren nicht zuzustimmen. Die ge- Antwort genteilige Behauptung entspricht nicht den Tatsa- des Justizministeriums auf die Frage 27 der Abg. chen. Ursula Helmhold, Ralf Briese und Prof. Dr. Hans- Zu 2: Die Staatsanwältin rief nicht auf Veranlas- Albert Lennartz (GRÜNE) sung eines oder einer Dritten bei der Richterin an. Hat es Weisungen des Justizministeriums in Sie rief vielmehr als zuständige Dezernentin bei einem Bußgeldverfahren gegeben? der Richterin an, um mitzuteilen, dass die Staats- Am 11. April 2007 wurde vor dem Amtsgericht anwaltschaft an der Verhandlung über die Ein- Hannover gegen vier Angeklagte wegen der sprüche teilnehmen werde; sie selbst werde jedoch Teilnahme an einer Demonstration vor dem die Sitzungsvertretung nicht wahrnehmen. Niedersächsischen Landtag am 6. Dezember 2006 verhandelt. Zu 3: Die Landesregierung nimmt aufgrund der Im Laufe der Hauptverhandlung verlas die Vor- verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit sitzende Richterin einen Aktenvermerk, nach der Rechtsprechung auf Richterinnen und Richter dem sie am 3. April 2007 von einer Staatsan- in einem Verfahren keinen Einfluss. Die Staatsan- wältin, Frau F., angerufen wurde. Diese habe waltschaft nimmt ausschließlich in der prozessual sie aufgefordert, das Verfahren ernst zu neh- men und keinesfalls einzustellen. Es handele vorgesehenen zulässigen Weise durch Anträge sich hierbei um eine Anweisung des Justizmi- und Rechtsmittel Einfluss auf die Rechtsprechung. nisteriums an die Staatsanwaltschaft. In Bußgeldverfahren, die beim Amtsgericht anhän- Wir fragen die Landesregierung: gig sind, nimmt die Staatsanwaltschaft die Aufga-

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ben einer Verfolgungsbehörde wahr (§ 69 Abs. 4 Einrichtungen zur Abwehr terroristischer Bedro- Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten hung unerlässlich. (OWiG)). Sie kann an der Hauptverhandlung teil- nehmen (§ 75 Abs. 1 OWiG) und nach Maßgabe Die Innenministerkonferenz hat sich nach den der einschlägigen Vorschriften Anträge stellen und versuchten Sprengstoffanschlägen in der Bundes- Anregungen vorbringen. Dies kann während der republik Deutschland vom 31. Juli 2006 neben Verhandlung oder auch davor geschehen. Eine weiteren zielführenden Maßnahmen für die Sensi- Kommunikation mit dem sachbefassten Gericht zu bilisierung insbesondere der Hochschulen, Stu- diesem Zweck ist ihr nicht untersagt. dienkollegien und anderer im Hochschulumfeld tätiger Institutionen für Sicherheitsbelange sowie Anlage 26 für die Zusammenarbeit zwischen diesen und den Sicherheitsbehörden ausgesprochen. Nichts ande- Antwort res geschieht in Niedersachsen. Das beinhaltet vor allem einen gegenseitigen Informationsaustausch. des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Auch in früheren Legislaturperioden ist dies bereits Frage 28 der Abg. Dr. Gabriele Andretta, Christina geschehen. Bührmann, Alice Graschtat, Daniela Krause- Behrens, Isolde Saalmann, Wolfgang Wulf, Axel Eine Datenerhebung über bestimmte Gruppen von Plaue und Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) Studentinnen und Studenten ist nicht geplant. Minister widerspricht Minister - Wird dem Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Spitzelspuk an Niedersachsens Hochschu- len endlich ein Ende gesetzt? namens des Landesregierung wie folgt:

Innenminister Schünemann hatte sich am Zu 1: Eine „Bespitzelung“ an den Hochschulen 20. März 2007 dafür ausgesprochen, im Rah- findet nicht statt. Zwischen den Äußerungen von men der Terrorismusbekämpfung an Nieder- Herrn Minister Schünemann und Herrn Minister sachsens Hochschulen Beauftragte zu benen- nen, bei denen man potenzielle Islamisten unter Stratmann besteht kein Widerspruch. den Studierenden melden könne. Der Vorstoß des Innenministers zur Bespitzelung von aus- Zu 2: Die Landesregierung plant, die Immatrikulati- ländischen Studierenden hat scharfe Proteste onsämter der niedersächsischen (Fach-) Hoch- ausgelöst, u. a. aus den Reihen des Koalitions- schulen über den rechtlichen Rahmen, in dem partners FDP, der von der Einrichtung eines „Spitzelsystems“ sprach. Kritik kam auch vom ausländische Studierende sich in Deutschland für die niedersächsischen Hochschulen zustän- aufhalten, sowie die Bestimmungen über die Zu- digen Minister, der offenbar über die Pläne sei- sammenarbeit der Hochschulverwaltungen mit nes Kabinettskollegen nicht informiert war. In Ausländer- und Sicherheitsbehörden unter Be- einer Pressemitteilung vom 21. März 2007 ließ Minister Stratmann erklären, dass er sich von achtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zu den Plänen des Innenministers distanziere und informieren und hinsichtlich der Rechtsanwendung es ein Ausspähen einzelner Studentengruppen in diesem Bereich zu unterstützen. mit ihm nicht geben werde. Anlage 27 Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- regierung: Antwort 1. Wie bewertet sie den Vorstoß von Innenmi- nister Schünemann, teilt sie die Meinung des des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Innenministers oder die des Wissenschaftsmi- Frage 29 der Abg. Klaus-Peter Bachmann, Heiner nisters? Bartling, Sigrid Leuschner, Johanne Modder, Jutta 2. Plant sie weiter konkrete Maßnahmen, mit Rübke, Monika Wörmer-Zimmermann und Susan- denen Hochschulen sich an der Terrorismusbe- ne Grote (SPD) kämpfung beteiligen sollen? Wenn ja, welche? Werbeaktivitäten von Oberbürgermeistern - Die Terroranschläge vom 11. September 2001 in Misst das Innenministerium mit zweierlei New York und die versuchten Sprengstoffanschlä- Maß? Ex-Parteifreund gerügt - Parteifreund geschont! ge auf die Regionalbahnen nach Koblenz und Dortmund am 31. Juli 2006 zeigen, dass Täter an Am 13. März 2007 meldete die Hannoversche deutschen Hochschulen immatrikuliert waren. In- Allgemeine Zeitung (HAZ) unter der Überschrift sofern ist eine Zusammenarbeit zwischen den „Machens gerüffelt“ von Werbeaktivitäten des Hildesheimer Oberbürgermeisters für einen ört- Sicherheitsbehörden und anderen öffentlichen lichen Fitnessclub. In der Mitgliederzeitung des

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„Elan Fitnessclubs Hildesheim“ wurde der Gelegenheit ausdrücklich hingewiesen. Es handelt Oberbürgermeister mit Bild und Amtsbezeich- sich also nicht um die Feststellung, dass rechtliche nung folgendermaßen zitiert: „Mein Programm: Mit Elan unsere liebenswerte Stadt voranbrin- Grenzen überschritten wurden, wozu im Ministeri- gen und abends ab und zu zum Training ins um eine inzwischen abgeschlossene Prüfung ein- Elan; das ist gesund, hält fit und macht Spaß - geleitet worden war. besonders im Kreise Gleichgesinnter!“ Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfra- Der Pressesprecher des Innenministeriums warf die Frage auf, ob Machens möglicherweise ge namens der Landesregierung wie folgt: gegen seine Neutralitätspflicht als OB versto- ßen habe, was zu prüfen sei. Der Innenminister Zu 1: Der Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim erklärte laut HAZ: „So eine Werbung finde ich hat die Grenzen der beamtenrechtlichen Neutrali- persönlich nicht korrekt.“ tätspflicht nicht überschritten. Es wird als zulässig Im Vergleich dazu warb der Wolfsburger Ober- angesehen, z. B. bei Neuansiedlungen von Firmen bürgermeister am 8. April 2006 in der Wolfs- oder anlässlich von Firmenjubiläen Beiträge in burger Allgemeinen Zeitung (WAZ) und mehre- Form von mündlichen oder schriftlichen Grußwor- re Wochen lang auf Werbegroßflächen für eine ten zu leisten. Auch der einmalige Beitrag in der fusionierte Volksbank Braunschweig-Wolfsburg. Mitgliederzeitung der Firma Elan hält sich noch in Rund ein Jahr lang hatte das Unternehmen ei- diesen Grenzen, zumal keine Absicht erkennbar ne Imagekampagne durchgeführt, in der jeweils ist, einen Anbieter in der Stadt Hildesheim zu be- Personen unterschiedlicher Berufsgruppen vorzugen. Generell besteht die allgemeine Bera- (u. a. auch Sportler aus Braunschweig und Wolfsburg sowie Fans von Eintracht Braun- tungspraxis der Kommunalaufsichtsbehörden, sich schweig und vom VfL Wolfsburg) ihr Zusam- als Amtsträger mit solchen Mitteilungen über ein- mengehörigkeitsgefühl dokumentierten. zelne Firmen zurückzuhalten, die Anlass zu Dis- Gemeinsam mit einem Braunschweiger Spedi- kussionen über die Einhaltung der Grenzen ihrer teur stellte sich der Wolfsburger OB im Rahmen Neutralitätspflicht geben könnten. dieser Imagekampagne für ein Privatunterneh- men zur Verfügung. Dies erscheint auch zu- Zu 2: Wie bereits in der Antwort auf die Kleine sätzlich problematisch, weil er vor seiner Zeit Anfrage Nr. 34 in der Sitzung des Niedersächsi- als Hauptverwaltungsbeamter Aufsichtsratsvor- schen Landtages vom 18. Mai 2006 ausgeführt, sitzender der Volksbank Wolfsburg war und es sich dabei auch um die Hausbank seiner Spe- stellt die Abbildung des Oberbürgermeisters der dition handelt. Stadt Wolfsburg in einer Anzeigenkampagne der Volksbank Braunschweig-Wolfsburg keine Wer- Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- regierung: bung für ein Unternehmen dar. Vielmehr ging es - für jeden Betrachter der Anzeige ohne weiteres 1. Wie bewertet sie die Werbung des Hildes- ersichtlich - allein darum, aus Anlass des aktuellen heimer Oberbürgermeisters für einen örtlichen Beispiels der neuen Volksbank konkret auf den Fitnessclub, und liegt ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot bzw. das Beamtengesetz vor? eingeleiteten Prozess der Stärkung der Region, ein zentrales Thema der regionalen Entwicklungspoli- 2. Wenn der Innenminister die Aktivitäten von tik, hinzuweisen. Ein Verstoß gegen das Neutrali- Herrn Machens als „politisch nicht korrekt“ empfindet, welche Empfindungen hat er bei den tätsgebot liegt nicht vor. Werbeaktivitäten des Wolfsburger Oberbürger- meisters für ein privates Kreditinstitut? Zu 3: Siehe Antwort zu Frage 2.

3. Da in der Anzeigenserie die fusionierte Anlage 28 Volksbank Braunschweig-Wolfsburg immer ein zentraler Bestandteil war, hat diese Imagekam- Antwort pagne also auch noch werbliche Vorteile für ein Privatunternehmen gebracht. Hält die Landes- des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernäh- regierung die Beteiligung von Amtsträgern an rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf solchen Werbeauftritten für sinnvoll und recht- lich einwandfrei? die Frage 30 des Abg. Rolf Meyer (SPD)

Die zitierte Äußerung zum Beitrag des Hildeshei- Experimente statt Verantwortung - Betreibt die Landesregierung eine Politik der Gefäl- mer Oberbürgermeisters Machens für die Mitglie- ligkeit? derzeitung der Firma Elan war eine politische Ein- schätzung aufgrund einer Presseanfrage. Auf die Die Cellesche Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom Natur dieser Einschätzung hatte ich bei dieser 11. April 2007 über die Ankündigung von Staatssekretär Ripke berichtet, in das Landes-

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Raumordnungsprogramm eine Experimentier- Hersteller-Direktverkaufszentren sind regelmäßig klausel aufzunehmen, wonach am Standort Bis- auf eine Verkaufsfläche von 10 000 m2 und mehr pingen durch den Investor Value Retail ein FOC errichtet werden kann. Es solle u. a. festgestellt angelegt. Nach geltender Rechtslage sind sie in werden, „ob es tatsächlich zu der vom Einzel- dieser Größenordnung nur in Oberzentren an handel befürchteten Verlagerung der Umsätze städtebaulich integrierten Standorten zulässig. aus den Innenstädten heraus komme“. Nach Kleinere Hersteller-Direktverkaufszentren können drei Jahren sollten dann die Auswirkungen auf den Handel der umliegenden Städte überprüft auch in Mittelzentren an städtebaulich integrierten werden. Standorten raumverträglich sein. In Grundzentren oder außerhalb von Grundzentren entsprechen In der Ausgabe vom 12. April 2007 werden Cel- Hersteller-Direktverkaufszentren von vornherein les Oberbürgermeister Martin Biermann (CDU) und Landrat Klaus Wiswe (CDU) zitiert. nicht mehr der zentralörtlichen Versorgungsfunkti- on und dem Verflechtungsbereich des Zentralen Die Cellesche Zeitung schreibt: Das „Experi- Ortes und sind daher unzulässig. ment“ eines FOCs in Bispingen oder Soltau werde Städte wie Celle zu „Opfern eines unge- Um die raumordnerischen Vorgaben zum Einzel- bremsten Kapitalismus“ machen, fürchtet Celles Oberbürgermeister Martin Biermann (wörtliches handel unter Gesichtspunkten zeitgemäßer Anfor- Zitat). derungen zu erörtern, sah der LROP-Entwurf 2006 (Ziffer 2.3 „Entwicklung der Versorgungsstrukturen“ Weiter heißt es in der CZ: „Da die Bedenken der Städte gegen ein FOC in Hannover seit Satz 13) zunächst eine Öffnungsklausel für groß- Jahren bekannt seien und die Landesregierung flächigen Einzelhandel vor. Nach Auswertung der nun trotzdem den Weg für ein FOC in der Flä- im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur LROP- che bahnen wolle, sei davon auszugehen, dass Novellierung hierzu eingegangenen Stellungnah- die Anhörung der Betroffenen vor der Verab- schiedung des Gesetzes eine Farce sein wer- men wird stattdessen jetzt die Festlegung eines de, so Celles Oberbürgermeister Martin Bier- konkreten FOC-Erprobungsstandortes als sachge- mann: ‚Da wird unterschwellig ein Dammbruch rechter erwogen. Im Rahmen der Erprobung soll vorbereitet, der das K. o. für Deutschlands his- gezielt untersucht werden, ob großflächiger Ein- torisch gewachsene Städte bedeuten könnte‘“ (wörtliches Zitat). zelhandel im ländlichen Raum unter den besonde- ren Rahmenbedingungen eines tourismusorien- Weiter schreibt die Zeitung: tierten Standortes raumverträglich entwickelt wer- Celles Landrat Klaus Wiswe warnt vor einer den kann und welche positiven und negativen Ef- Sonderregelung: „Dieser Versuch ist ausge- fekte dies nach sich zieht. sprochen gefährlich, und er dürfte schiefgehen. Das Experiment hätte für Celle definitiv keine Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Vorteile“ (wörtliches Zitat). Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- Zu 1: Das Modellvorhaben zielt mit seinen Versor- regierung: gungsfunktionen entsprechend den örtlichen tou- 1. Mit welchen Maßnahmen wird sie die Stadt ristischen Angeboten ganz überwiegend nicht auf Celle und andere betroffenen Kommunen bei die Versorgung der örtlichen und regionalen Be- einem Scheitern des Experimentes unterstüt- zen, um die dann eingetretenen negativen Fol- völkerung. Die Einzelheiten des Modellversuchs gen ausgleichen zu können? wären in einem raumordnerischen Vertrag zwi- schen dem Land Niedersachsen, der Standortge- 2. Hat die Landesregierung die Absicht, falls meinde und dem FOC-Betreiber verbindlich abzu- das Experiment in Bispingen und/oder Soltau erfolgreich sein sollte, eine flächendeckende sichern. Die Vertragsinhalte würden sich im Ein- Ausweitung von FOCs in den ländlichen Räu- zelnen aus der landesplanerischen Feststellung men Niedersachsens zu genehmigen? des durch die oberste Landesplanungsbehörde

3. Die von der Landesregierung angegebene durchzuführenden Raumordnungsverfahrens er- Begründung der „funktionalen Vernetzung mit geben. touristischen Großprojekten“ trifft für viele Standorte in Niedersachsen zu. Nach welchen Nach derzeitiger Beurteilung ist davon auszuge- Kriterien wurde die Auswahl der Standorte Bis- hen, dass unter den für die Erprobung festzule- pingen und Soltau durchgeführt? genden Bedingungen wesentliche negative Beein- Vorbemerkungen: trächtigungen auf die Versorgungsfunktionen und -strukturen gewachsener Zentren in der Region verhindert werden könnten. Weitere Erkenntnisse

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und Handlungserfordernisse könnten sich erst aus mehr für FOCs wie bisher vorgesehen, sondern dem Raumordnungsverfahren und der Erprobung eine sogenannte Experimentierklausel soll den Bau eines FOCs in Bispingen oder Soltau er- selbst ergeben. Hierbei wären auch die Entwick- möglichen. Die vorliegenden Stellungnahmen lung der Versorgungsstrukturen sowie die aktuel- zur Verordnung der Landesraumordnung haben len Gegebenheiten in den möglicherweise betrof- deutlich gemacht, dass sich die überwiegende fenen Kommunen zu berücksichtigen. Mehrheit der Kommunen gegen die Errichtung von FOCs ausgesprochen hat - die bisher vor- gesehene Ausnahmeregelung ablehnt. Die Lan- Zu 2: Nein. Die landesweite Sicherung ausgewo- desregierung ignoriert diese Stellungnahmen gener und wohnortnaher Versorgungsstrukturen ist und erweckt so den Eindruck, als wolle Staats- ein Kernaspekt des raumordnerischen Versor- sekretär Ripke „sein“ Projekt mithilfe der Expe- gungsauftrags. Daher müssen FOCs wie anderer rimentierklausel mit Macht durchsetzen. Zu den Auswirkungen von FOCs und dem damit ver- großflächiger Einzelhandel grundsätzlich in Um- bundenen Kaufkraftabfluss aus den umliegen- fang und Lage dem Zentralen Ort entsprechen, den Städten und Gemeinden gibt es zahlreiche den sie versorgen (Kongruenz- und Konzentrati- Untersuchungen, Gutachten und Stellungnah- onsgebot) und können nicht flächendeckend zu- men, die davor warnen, gefährliche Experimen- te zulasten Dritter zu machen. gelassen werden. Abweichungen davon können nur über Einzelfallfestlegungen im Rahmen einer Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- LROP-Änderung erfolgen. regierung:

Zu 3: Die Tourismusdestination Lüneburger Heide 1. Die bisher vorgesehene „Ausnahmerege- lung“ zur Errichtung von FOCs ist rechtlich um- - im Städtedreieck Hamburg, Bremen und Hanno- stritten. Auf welche rechtliche Grundlage stützt ver - weist eine besonders hohe Dichte von Frei- sich die jetzt vorgesehene Experimentierklau- zeitparks und Anlagen auf, was der Region ge- sel, um auszuschließen, dass auch andere genüber den zwei anderen großen Tourismusdes- Städte oder Landkreise „experimentieren“ kön- nen? tinationen, der Nordsee und dem Harz, ein Allein- stellungsmerkmal gibt. Das Land will die Lünebur- 2. Bis zum 15. Februar hatten die Kommunen ger Heide als wichtige, aber in der Wahrnehmung die Möglichkeit, Stellungnahmen zum Entwurf des Landes-Raumordnungsprogramms abzu- jüngerer Gästegruppen zunehmend verblassende geben. Da die Landesregierung jetzt eine neue Urlaubsregion Niedersachsens gezielt unterstützen Regelung (Experimentierklausel) eingebracht und fördern. Deshalb soll das touristische Angebot hat, ergibt sich für die Kommunen eine neue der Lüneburger Heide, basierend auf dem touristi- Ausgangssituation. Wann wird die Landesregie- schen Zukunftskonzept Lüneburger Heide/Elbtal- rung ein neues Beteiligungsverfahren zur nun vorgesehenen Experimentierklausel durchfüh- aue 2015, weiter verbessert und im internationalen ren? Wettbewerb noch effizienter vermarktet werden. Der Vorschlag für einen Standort innerhalb der 3. Wer haftet für die möglichen Schäden des Einzelhandels, für die möglichen negativen Heideregion ergab sich in erster Linie aus der Auswirkungen in den Innenstädten, für eventu- räumlichen Konzentration kundenstarker Touris- ell wegbrechende Einnahmen in den Haushal- museinrichtungen mit ganzjähriger Nachfrage. ten der betroffenen Kommunen, für das Investi- tionsrisiko des Investors, der nur eine Be- Anlage 29 standsgarantie für drei Jahre erhalten kann, und welche Basisdaten sollen für die Beurtei- Antwort lung nach drei Jahren zu Grunde gelegt wer- den? des Ministeriums für den ländlichen Raum, Ernäh- Vorbemerkungen: rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf die Frage 31 der Abg. Karin Stief-Kreihe, Klaus Hersteller-Direktverkaufszentren sind regelmäßig Fleer, Friedhelm Helberg, Claus Johannßen, Rolf auf eine Verkaufsfläche von 10 000 m2 und mehr Meyer und Dieter Steinecke (SPD) angelegt. Nach geltender Rechtslage sind sie in dieser Größenordnung nur in Oberzentren an Experiment zum Thema FOC - Will Staats- sekretär Ripke mit dem Kopf durch die städtebaulich integrierten Standorten zulässig. Wand? Kleinere Hersteller-Direktverkaufszentren können auch in Mittelzentren an städtebaulich integrierten Aus der Presse müssen die Mitglieder des zu- Standorten raumverträglich sein. In Grundzentren ständigen Fachausschusses erfahren, dass der vorliegende Entwurf des Landes-Raumord- oder außerhalb von Grundzentren entsprechen nungsprogramms von der Landesregierung ge- Hersteller-Direktverkaufszentren von vornherein ändert worden ist. Keine Ausnahmeregelungen

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nicht mehr der zentralörtlichen Versorgungsfunkti- wurf während der Planaufstellung in seinen Grund- on und dem Verflechtungsbereich des Zentralen zügen geändert wird. Ortes und sind daher unzulässig. Die neuen Sätze 9 bis 12 im Kapitel 2.3 des Um die raumordnerischen Vorgaben zum Einzel- LROP-Entwurfs stellen keine wesentliche Ände- handel unter Gesichtspunkten zeitgemäßer Anfor- rung dar. Die Ausnahmeregelung zum FOC ist derungen zu erörtern, sah der LROP-Entwurf 2006 untergeordneter Bestandteil des Kapitels über die (Ziffer 2.3 „Entwicklung der Versorgungsstrukturen“ Entwicklung der Versorgungsstrukturen und zur Satz 13) zunächst eine Öffnungsklausel für groß- Steuerung des großflächigen Einzelhandels. Die flächigen Einzelhandel vor. Nach Auswertung der Grundaussagen zur Entwicklung der Versorgungs- im Rahmen des Beteiligungsverfahrens zur LROP- strukturen sowie zur Steuerung des großflächigen Novellierung hierzu eingegangenen Stellungnah- Einzelhandels (Kongruenzgebot, Konzentrations- men wird stattdessen jetzt die Festlegung eines gebot, Integrationsgebot, Abstimmungsgebot, Be- konkreten FOC-Erprobungsstandortes als sachge- einträchtigungsverbot) bleiben unverändert. Eben- rechter erwogen. Im Rahmen der Erprobung soll so bleibt es bei der Aussage, dass FOCs wie an- gezielt untersucht werden, ob großflächiger Ein- derer großflächiger Einzelhandel zu bewerten sind zelhandel im ländlichen Raum unter den besonde- und daher grundsätzlich nur in Oberzentren sowie ren Rahmenbedingungen eines tourismusorien- in kleinerer Form in Mittelzentren in städtebaulich tierten Standortes raumverträglich entwickelt wer- integrierten Lagen zulässig sind. Präzisiert wurde den kann und welche positiven und negativen Ef- lediglich das Merkmal der „landesweiten Bedeu- fekte dies nach sich zieht tung in besonderem Maße“ im Rahmen der Aus- nahmeregelung. Hierbei handelt es sich jedoch um Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine keine Änderung, die die Aussagen zur Entwicklung Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: der Versorgungsstrukturen oder des großflächigen Einzelhandels gänzlich neu gestaltet, sodass die Zu 1: Ausnahmeregelungen müssen die tatbe- Grundzüge der Planung hierdurch nicht berührt standlichen Voraussetzungen, unter denen sie werden. Eine Wiederholung des Beteiligungsver- eine Abweichung von einer Regel gestatten, be- fahrens ist formal nicht erforderlich. stimmt oder hinreichend bestimmbar vorgeben. Damit muss für jede Behörde, jede Privatperson Unabhängig davon erhalten die an der Planauf- und auch für die Gerichte eindeutig erkennbar stellung zu beteiligenden Kommunen, öffentlichen sein, unter welchen Voraussetzungen der Norm- Stellen und Verbände sowie die Öffentlichkeit Ge- geber eine Abweichung vom Regelfall zulassen legenheit, im Rahmen der im Mai stattfindenden wollte. Das Beteiligungsverfahren hat ergeben, Erörterungstermine zu dem geänderten Planent- dass die im Entwurf des LROP bisher vorgesehene wurf Stellung zu nehmen. Auch diese Stellung- Ausnahmeregelung diesen Anforderungen mögli- nahmen fließen in den weiteren Planungsprozess cherweise nicht genügen könnte. ein.

Die jetzige Regelung stützt sich auf Artikel 43 der Zu 3: Das Modellvorhaben zielt ganz überwiegend Niedersächsischen Verfassung in Verbindung mit nicht auf die Versorgung der örtlichen und regio- dem Niedersächsischen Gesetz über Raumord- nalen Bevölkerung. Die Einzelheiten des Modell- nung und Landesplanung (NROG), das zum Erlass versuchs wären in einem raumordnerischen Ver- eines Landes-Raumordnungsprogramms mit in- trag zwischen dem Land Niedersachsen, der haltlichen Festlegungen u. a. zu Zentralen Orten, Standortgemeinde und dem FOC-Betreiber ver- zur Versorgungsstruktur und zum großflächigen bindlich abzusichern. Die Vertragsinhalte sowie die Einzelhandel ermächtigt. Durch die standörtliche Anforderungen an die Evaluierung würden sich im Festlegung ist der Bestimmtheitsgrundsatz ge- Einzelnen aus der landesplanerischen Feststellung wahrt, und weitere Vorhaben im Land außerhalb des durch die oberste Landesplanungsbehörde einer LROP-Änderung sind ausgeschlossen. durchzuführenden Raumordnungsverfahrens er- geben. Zu 2: Änderungen im Planentwurf liegen im Wesen des Planungsprozesses und sind damit grundsätz- Nach derzeitiger Beurteilung ist davon auszuge- lich ohne Weiteres zulässig. Die Wiederholung hen, dass unter den für die Erprobung festzule- bzw. Ergänzung des Beteiligungsverfahrens ist genden Bedingungen wesentliche negative Beein- rechtlich nur dann vorgeschrieben, wenn der Ent- trächtigungen auf die Versorgungsfunktionen und

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-strukturen gewachsener Zentren in der Region cken sich diese Vorschläge mit den Plänen der verhindert werden könnten. Weitere Erkenntnisse Landesregierung? und Handlungserfordernisse könnten sich erst aus 3. Welche konkreten Veränderungen in der Ju- dem Raumordnungsverfahren und der Erprobung ristenausbildung beabsichtigt die Landesregie- selbst ergeben. Hierbei wären auch die Entwick- rung, und welchen Zeitplan hat sie hierfür vor- lung der Versorgungsstrukturen sowie die aktuel- gesehen? len Gegebenheiten in möglicherweise betroffenen Die Kleine Anfrage beantworte ich im Namen der Kommunen zu berücksichtigen. Landesregierung wie folgt:

Eine Haftung für ein Investitionsrisiko des Investors Zu 1: Die juristische Ausbildung ist, wie jede Be- besteht nicht, da das Modellvorhaben in seiner rufsausbildung, fortlaufend zu beobachten und durch das LROP vorgesehenen Größe von bis zu gegebenenfalls zu gestalten, wenn veränderte 2 10 000 m auch nach Ablauf der Erprobungszeit Bedingungen der Arbeitswelt Anpassungen ver- Bestandsschutz genießen würde. Das betriebliche langen. Gerade aus dem Bereich der Rechtsan- Risiko, keine Erweiterungen vornehmen zu kön- waltschaft werden immer wieder Forderungen z. B. nen, hat der Investor zu tragen. nach einer noch anwaltsorientierteren Ausbildung formuliert. Deswegen beobachtet und bewertet das Anlage 30 Niedersächsische Justizministerium einerseits die Antwort Wirkungen der letzten Reform der Juristenausbil- dung des Jahres 2003, die u. a. eine erhebliche des Justizministeriums auf die Frage 32 der Abg. Erweiterung der Anwaltsausbildung bewirkt hat. Heike Bockmann (SPD) Andererseits muss über Verbesserungsmöglich- keiten nachgedacht werden, um veränderten juris- Zurück zur einphasigen Juristenausbil- dung? tischen Berufsbildern unter Beibehaltung des ho- hen Ausbildungsniveaus gerecht werden zu kön- Unter der Überschrift „Abkehr von Staatsex- nen. Niedersachsen hat daher dafür gesorgt, dass amen und Referendariat“ berichtet die Süddeut- der länderübergreifende Koordinierungsausschuss sche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 3. April 2007 von Bestrebungen einiger Bundesländer, für Ausbildungsfragen der Justizministerkonferenz das Jurastudium zu verkürzen und stärker an einen Bericht zu den Möglichkeiten einer berufs- der Praxis auszurichten. Demnach wollen Ba- praktischen Juristenausbildung nach Berufsspar- den-Württemberg und Sachsen die Ausbildung ten erstellt. Der Bericht wird 2008 vorliegen. Zu- von Juristinnen und Juristen grundlegend re- formieren und sowohl das zweijährige Referen- gleich wird der Ausschuss eine Evaluation der dariat als auch das Staatsexamen abschaffen. letzten Ausbildungsreform vorlegen, sodass dann Das Studium der Rechtswissenschaft solle auf solider Tatsachengrundlage etwaige Entschei- künftig mit Master- oder Bachelorabschlüssen dungen getroffen werden können. beendet werden und stellt eine Abkehr vom Modell des Volljuristen dar. Für den Bereich der Anwaltschaft ist festzustellen, Gefordert seien Juristinnen und Juristen, die dass sich die Zahl der zugelassenen Rechtsanwäl- sich nach der Universitätsausbildung problem- tinnen und Rechtsanwälte in den letzten 13 Jahren los in jeden juristischen Beruf einarbeiten verdoppelt hat, auf jetzt rund 143 000 (siehe anlie- könnten, betonte etwa der sächsische Justizmi- nister Mackenroth (CDU). Die Ausbildung sei gende Statistik der BRAK). Die Rechtsanwaltschaft mit einer Dauer von sieben bis acht Jahren zu berichtet dementsprechend von einem zunehmend lang und führe zu oft am Berufsmarkt vorbei in schwierigen Berufsumfeld, das nicht mehr in allen ein „anwaltliches Proletariat“. Fällen ein regelmäßiges und ausreichendes Ein- Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- kommen gewährleiste. In diesem Zusammenhang regierung: weist die Bundesrechtsanwaltskammer auf eine hohe Zahl von jungen Berufsabbrechern in den 1. Teilt sie die Äußerungen bezüglich des „an- waltlichen Proletariats“, und ist sie auch der ersten Berufsjahren hin und sieht darin u. a. ein Auffassung, dass die derzeitige Juristenausbil- Zeichen für schwierige wirtschaftliche Bedingun- dung reformbedürftig ist? Wenn ja, in welchen gen der Berufsanfänger. Bereichen, wenn nein, warum nicht? Zu 2: Einzelheiten der von Baden-Württemberg 2. Wie bewertet die Landesregierung die ge- nannten Reformvorschläge der Länder Baden- und Sachsen angekündigten Reformüberlegungen Württemberg und Sachsen, und inwieweit de- sind bislang nicht bekannt. Eine Bewertung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Unabhängig

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davon existieren in Niedersachsen bislang keine Anlage 31 Pläne, das Referendariat abzuschaffen. Antwort Zu 3: Entfällt, vergleiche Antwort zu Frage 1. des Justizministeriums auf die Frage 33 der Abg. Entwicklung der Zahl zugelassener Rechts- Heike Bockmann (SPD) anwälte von 1950 bis 2007 Warum zwingt die Justizministerin die han- Jahr Rechts- Zuwachs gegenüber anwälte Vorjahr noverschen Fachgerichte ins Bredero-Hoch- absolut in % haus? 1950 12844 1951 14151 1307 10,18 Trotz teilweise sehr heftig vorgetragener Kritik 1952 14976 825 5,83 aus Reihen der Justiz und trotz erheblicher 1953 15756 780 5,21 Zweifeln daran, ob bei den vorangegangenen 1954 16301 545 3,46 Immobilientransaktionen alles mit rechten Din- 1955 16824 523 3,21 gen zugegangen ist, hält die Justizministerin an 1956 17149 325 1,93 ihrem Plan fest, die hannoverschen Fachge- 1957 17517 368 2,15 richte im sogenannten Bredero-Hochhaus in 1958 17895 378 2,16 Hannover unterzubringen. Am 16. April wurden 1959 18214 319 1,78 den fünf betroffenen Fachgerichten die Pläne 1960 18347 133 0,73 für ein durch die Firma MAXIME Investment 1961 18720 373 2,03 GmbH realisiertes Fachgerichtszentrum im 1962 19001 281 1,50 Bredero-Hochhaus vorgestellt. Ausweislich ei- 1963 19230 229 1,21 ner Pressemitteilung des Justizministeriums 1964 19453 223 1,16 vom selben Tage seien die Flächen des Hau- 1965 19796 343 1,76 ses geeignet und ausreichend, um die Büro- 1966 20088 292 1,48 räume und Verhandlungssäle der fünf Fachge- 1967 20543 455 2,27 richte dort unterzubringen. 1968 21197 654 3,18 1969 22108 911 4,30 Obwohl sie mehrfach dazu aufgefordert worden 1970 22882 774 3,50 ist, hat es die Landesregierung bislang unter- 1971 23599 717 3,13 lassen, alternative Standorte mit der gebotenen 1972 24322 723 3,06 Sorgfalt zu prüfen. 1973 25008 686 2,82 1974 25829 821 3,28 Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- 1975 26854 1025 3,97 regierung: 1976 28708 1854 6,90 1977 31196 2488 8,67 1. Warum hält die Landesregierung trotz des 1978 33517 2321 7,44 massiven Protests der betroffenen Gerichte an 1979 35108 1591 4,75 dem Vorhaben fest, ein Fachgerichtszentrum 1980 36077 969 2,76 ausgerechnet im hannoverschen Bredero- 1981 37314 1237 3,43 1982 39036 1722 4,61 Hochhaus einzurichten, und warum hat es die 1983 41489 2453 6,28 Landesregierung unterlassen, ergebnisoffen 1984 44526 3037 7,32 nach Alternativen für ein solches Fachgerichts- 1985 46933 2407 5,41 zentrum zu suchen? 1986 48658 1725 3,68 1987 50247 1589 3,27 2. Wer hat an der Präsentation des Investors 1988 51952 1705 3,39 teilgenommen, welche „kritischen Nachfragen“ 1989 54108 2156 4,15 wurden während der Präsentation gestellt, und 1990 56638 2530 4,68 wie wurden diese Fragen beantwortet? 1991 59455 2817 4,97 1992 64311 4856 8,17 3. Trifft es tatsächlich zu, dass sich alle Betei- 1993 67120 2809 4,37 ligten nach der Präsentation darüber einig wa- 1994 70438 3318 4,94 ren, das geplante Fachgerichtszentrum im Bre- 1995 74291 3853 5,47 dero-Hochhaus unterzubringen? Wenn nein, 1996 78810 4519 6,08 warum erweckt das Justizministerium diesen 1997 85105 6295 7,99 Eindruck? 1998 91517 6412 7,53 1999 97791 6274 6,86 Vorbemerkungen: 2000 104067 6276 6,42 2001 110367 6300 6,05 Die Erwerberin des Bredero-Hochhauses, die 2002 116305 5938 5,38 2003 121420 5115 4,40 MAXIME Investment GmbH, ist am 27. März 2007 2004 126793 5373 4,43 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wor- 2005 132569 5776 4,56 den. Die in der Anfrage geäußerten „erheblichen 2006 138104 5562 4,18 2007 142830 4726 3,42 Zweifel“ an dem ordnungsgemäßen Ablauf des Bundesrechtsanwaltskammer

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Immobilienverkaufs entbehren deshalb jeder Zu 3: Wie sich aus der mit den beteiligten Behör- Grundlage. denleitern abgestimmten Pressemitteilung vom 16. April 2007 ergibt, waren sich diese nach der Am 11. April 2007 hat die Landesregierung den Präsentation einig, an einem Fachgerichtszentrum Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen interessiert zu sein. Die Meinungsbildung über den umfassend über den aktuellen Sachstand, ein- Ort des Fachgerichtszentrums ist noch nicht abge- schließlich der angebotenen und geprüften Alter- schlossen. nativangebote, unterrichtet und sämtliche Fragen beantwortet. Anlage 32

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Antwort Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Zu 1: Die Bildung eines Fachgerichtszentrums im Frage 34 des Abg. Jacques Voigtländer (SPD) Bredero-Hochhaus würde eine optimale Erreich- Deckt das Innenministerium offensichtliche barkeit aller Justizeinrichtungen, kurze Wege zwi- Verstöße gegen das Beamtengesetz? schen den Gerichten, eine deutliche Präsenz der gesamten Justiz in der Stadt Hannover und eine In der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Justiz- „Weitere Fragen zum Wolfsburger Oberbür- germeister“ vom 10. November 2006 führt die behörden ermöglichen. Mit dem Fachgerichtszent- Landesregierung aus, dass Herr Schnellecke rum würde es in Hannover zu einem zentralen jeweils zwei VIP-Karten pro Saison nicht als Angebot der Rechtsprechung kommen. Oberbürgermeister, sondern als Mitglied des Aufsichtsrates der VfL Wolfsburg-Fußball In der Vorbemerkung wurde dargelegt, dass es die GmbH bekommen habe und auch seine zwei Flüge nach München und zurück in den Jahren Landesregierung nicht unterlassen hat, Alternativ- 2002 und 2004 völlig korrekt gewesen seien. angebote zu prüfen. Demnach sind Sachleistungen von über 40 000 Euro nicht zu beanstanden. Zu 2: Neben Vertretern des Justizministeriums haben die beteiligten Behördenleiter, die Präsiden- Am 8. März 2007 musste die Landesregierung tin des Landessozialgerichts, der Präsident des auf meine Kleine Anfrage einräumen, dass es sich bei der Tätigkeit im Aufsichtsrat der VfL Oberverwaltungsgerichts, die Mitglieder der Ar- Wolfsburg-Fußball GmbH um eine genehmi- beitsgruppe „Raumbedarf“ sowie Vertreter des gungspflichtige Nebentätigkeit handelt. Tatsa- Finanzministeriums und des Landesrechnungshofs che ist also, dass es sich bei diesen Vorgängen um genehmigungsbedürftige Nebentätigkeiten an der Präsentation teilgenommen. Die Fragen nach § 73 des Niedersächsisches Beamtenge- bezogen sich auf die Gerichtssäle und die Bera- setzes (NBG) handelt. Unter § 74 NBG wird bei tungszimmer, auf das Investitionsvolumen bei der genehmigungsfreien Nebentätigkeiten aus- Klimaanlage, die Schadstoffbelastung und den drücklich ausgeführt: Zeitplan. Anzahl, Größe und Zuordnung der Säle „Nicht genehmigungspflichtig ist und Beratungszimmer werden durch die Arbeits- gruppe „Raumbedarf“ festgelegt, die am 19. April 1. eine unentgeltliche Nebentätigkeit mit Aus- 2007 ihre Arbeit aufgenommen hat. nahme ... c.des Eintritts in ein Organ eines Unter- Das Investitionsvolumen bei der Klimaanlage be- nehmens mit Ausnahme einer Genos- läuft sich auf ca. 2,5 Millionen Euro. senschaft sowie der Übernahme einer Treuhändertätigkeit ...“ Der Investor hat ein Schadstoffkataster vorgelegt, das von den zuständigen Behörden ausgewertet Ich stelle also fest, dass mir die Landesregie- rung in ihrer Antwort vom 10. November 2006 wird. Die Schadstofffreiheit ist Voraussetzung für die Unwahrheit mitgeteilt hat. Erst auf meine den Abschluss des Mietvertrages; sie ist darüber Nachfrage kommt die Wahrheit ans Tageslicht! hinaus vor dem Einzug in das Gebäude durch eine Ich frage die Landesregierung: sogenannte Freimessung nachzuweisen. 1. Warum habe ich eine wahrheitswidrige Ant- Nach Fertigstellung der Planung würde sich nach wort in Bezug auf die Nebentätigkeit des Wolfs- Angaben des Investors eine sechs- bis neunmo- burger Oberbürgermeisters im Aufsichtsrat der natige Umbauphase anschließen. VfL Wolfsburg-Fußball GmbH erhalten?

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2. Aufgrund der vorhandenen Fakten hatte sich wärtsspielen zur Verfügung. Bis auf Ausnah- Herr Schnellecke weder als Oberstadtdirektor mefälle werden die Spiele per Bus, Bahn oder noch als Oberbürgermeister seine Nebentätig- keit beim VfL vom Rat der Stadt genehmigen Auto begleitet. Entschädigungen irgendwelcher lassen. Wie sind vor diesem Hintergrund die Art für die Aufsichtsratstätigkeit werden nicht geldwerten Vorteile von rund 40 000 Euro zu gezahlt.“ betrachten? Die eingangs aufgeführte Frage ist zutreffend und 3. Was gedenkt das Innenministerium als Kom- munalaufsicht zu tun, um diesen offensichtli- umfassend beantwortet worden. In der Frage wur- chen Missstand abzustellen, und welche Kon- de nach nebentätigkeitsrechtlichen Voraussetzun- sequenzen ergeben sich aus dem Verstoß ge- gen nicht gefragt. Aufgrund dessen sind in der gen das Beamtengesetz? Antwort hierzu keine Ausführungen gemacht wor- Der in der Anfrage erhobene Vorwurf, die Landes- den. Von einem nachträglichen Einräumen kann regierung habe in ihrer Antwort vom 10. November aufgrund dessen schon keine Rede sein. 2006 die Unwahrheit mitgeteilt, entbehrt jeglicher Die beamtenrechtlichen Entscheidungen für den Grundlage und wird zurückgewiesen. Der Antwort Oberbürgermeister werden grundsätzlich von sei- lag folgende Frage Nr. 3 aus der kleinen Anfrage nem Dienstvorgesetzten, dem Rat der Stadt „Weitere Fragen zum Wolfsburger Oberbürger- Wolfsburg, getroffen und überwacht. meister“ des Abg. Voigtländer zugrunde: Die im März-Plenum in den weiteren Nachfragen „Darf der Oberbürgermeister der Stadt des Abg. Voigtländer (Kleine Anfrage Nr. 37) unter Wolfsburg als stellvertretender Auf- Nr. 2 gestellte Frage, ob es für Amtsträger einer sichtsratsvorsitzender der VfL Wolfs- Genehmigung für die Übernahme von Aufsichts- burg-Fußball GmbH, aber auch als ratsfunktionen bedarf, hat die Landesregierung am Amtsträger zwei VIP-Karten für die 8. März 2007 wiederum wahrheitsgemäß bejaht. Volkswagen-Arena annehmen, bzw. Inzwischen hat der Oberbürgermeister an den Rat in welchen Fällen und bis zu welcher der Stadt Wolfsburg einen Antrag gerichtet, die Wertgrenze dürfen Amtsträger Einla- versehentlich nicht eingeholte Genehmigung zu dungen oder geldwerte Vorteile an- erteilen. Der Rat wird am 9. Mai über den Antrag nehmen?“ entscheiden. Am 10. November 2006 beantwortete die Landes- Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfra- regierung die Frage wie folgt: ge namens der Landesregierung wie folgt: „Herr Schnellecke hat die VIP-Karten nicht in Zu 1: Siehe Vorbemerkung. Bezug auf sein Amt als Oberbürgermeister er- halten, sondern als Mitglied des Aufsichtsrates Zu 2: Der VfL Wolfsburg ist 2001 von einem ein- der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH. Die Tätigkeit getragenen Verein in eine GmbH umgewandelt in dieser Gesellschaft ist nicht an die Funktion worden. Erst von diesem Zeitpunkt an war die des Oberbürgermeisters gebunden. Herr zuvor ehrenamtliche und unentgeltliche Mitwirkung Schnellecke, der früher Präsident des VfL im Aufsichtsrat des VfL Wolfsburg genehmigungs- Wolfsburg e. V. war, und seinerzeit stellvertre- pflichtig. Soweit Herr Schnellecke vom VfL Wolfs- tender Vorsitzender des sogenannten Fußball- burg Sachleistungen zur Ausübung dieses Man- aufsichtsrates, ist von der Firma Volkswagen in dats erhalten hat, unterliegen sie nicht der beam- den Aufsichtsrat der GmbH entsandt worden. tenrechtlichen Überprüfung, sondern sind Angele- Die Firma Volkswagen ist an der GmbH zu genheit der VfL Wolfsburg GmbH. Eine Prüfung 90 % beteiligt, der VfL Wolfsburg e. V. zu 10 %. der Ablieferung von Nebentätigkeitsvergütungen kommt nur bei Nebentätigkeiten im öffentlichen Von einem Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg- Dienst oder bei Nebentätigkeiten, die der Beamte Fußball GmbH wird erwartet, sich ein Bild über auf Verlangen, Vorschlag oder Veranlassung sei- die sportliche Leistung der Bundesligamann- nes Dienstvorgesetzten ausübt, in Betracht. schaft zu machen, um personelle und finan- zielle Entscheidungen treffen zu können. Des- Zu 3: Das Innenministerium wird sich von der Stadt halb steht jedem Aufsichtsratsmitglied persön- Wolfsburg über die Entscheidung des Rates über lich sowie einer Begleitung je eine VIP-Karte den Antrag auf Genehmigung der Nebentätigkeit und gegebenenfalls auch die Mitfahrt zu Aus- mit dem Ziel einer erst dann möglichen abschlie-

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ßenden dienstrechtlichen Prüfung berichten las- punkt noch keine konkrete Aussage gegeben wer- sen. den.

Anlage 33 Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass insbesondere abundante Gemeinden bei Antwort hohen Gewerbesteuerrückzahlungen nicht mehr der Abundanz unterfallen und auch wieder Schlüs- des Ministeriums für Inneres und Sport auf die selzuweisungen erhalten. Daneben treten Entlas- Frage 35 der Abg. Ingrid Eckel, Ingolf Viereck und tungen für zu viel gezahlte Gewerbesteuerumlage Klaus Schneck (SPD) ein. Diese genannten Wirkungen führen dazu, Wolfsburg drohen Steuerrückzahlungen an dass grundsätzlich ein deutlich überwiegender VW in einer Höhe von über 100 Millionen Eu- Anteil von hohen Gewerbesteuerrückzahlungen ro finanziell wieder ausgeglichen wird. Wenn die von Das von vielen Experten so erwartete „Cadbu- der Stadt Wolfsburg erwartete Rückzahlung in den ry-Schweppes-Urteil“ des Europäischen Ge- Bemessungszeitraum für den Finanzausgleich richtshofs vom 12. September 2006 hat gravie- 2008 fällt, wird sich die exakte Entlastung mit der rende Auswirkungen für die Stadt Wolfsburg. Nach der Ratssitzung am 28. Februar 2007 in- Berechnung des Finanzausgleichs im nächsten formierte der Oberbürgermeister die Fraktions- Jahr zeigen. vorsitzenden über voraussichtliche Rückzah- lungen an VW in dreistelliger Größenordnung. Zu 3: Die Stadt Wolfsburg hat dem zuständigen In den kommenden Monaten soll mit VW die Ministerium für Inneres und Sport noch keinen Abwicklung dieser zu viel gezahlten Steuern Haushalt für das Jahr 2007 zur Genehmigung vor- geklärt werden. gelegt. Aus diesem Grund kann die Landesregie- Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landes- rung als Kommunalaufsicht eine Risikovorsorge regierung: der Stadt derzeit nicht beurteilen. 1. Zu welchem Zeitpunkt hatte die Landesregie- rung Kenntnis über die Höhe der voraussichtli- Anlage 34 chen Steuerrückzahlungen? Antwort 2. Welche Auswirkungen hat die Steuerrück- zahlung von über 100 Millionen Euro auf den des Finanzministeriums auf die Frage 36 der Abg. kommunalen Finanzausgleich? Heinrich Aller, Dieter Möhrmann, Petra Emmerich- 3. Wie beurteilt die Landesregierung als Kom- Kopatsch, Renate Geuter, Uwe-Peter Lestin, munalaufsicht die Risikovorsorge der Stadt Hans-Werner Pickel, Sigrid Leuschner und Klaus- Wolfsburg? Peter Dehde (SPD)

Namens der Landesregierung beantworte ich die Steuerprüfungen bei Einkunftsmillionären Anfrage wie folgt: Der Bundesrechnungshof hat in seinen „Be- Zu 1: Unabhängig von den Berichterstattungen in merkungen 2006 zur Haushalts- und Wirt- schaftsführung des Bundes“ die zu geringe den Presseorganen ist das zuständige Ministerium Prüfungsintensität bei Einkunftsmillionären kriti- für Inneres und Sport durch ein Schreiben des siert: „Die Finanzämter haben jährlich nur bei Oberbürgermeisters der Stadt Wolfsburg am etwa 15 % der Fälle mit bedeutenden Einkünf- 2. April 2007 darüber unterrichtet worden, dass die ten von mehr als 0,5 Millionen Euro, den soge- nannten Einkunftsmillionären, Außenprüfungen Stadt derzeit mit einer Rückzahlungsforderung von durchgeführt. Diese niedrige Prüfungsquote rund 100 Millionen Euro konfrontiert werde. führt zu Steuerausfällen. Das Bundesministeri- um der Finanzen sollte auf eine deutlich höhere Zu 2: Eine Steuerrückzahlung würde sich über die und einheitliche Prüfungsdichte hinwirken. Um Berechnung der Steuerkraftmesszahl auf den Fi- die Außenprüfungen zu erleichtern, sollte die Begründungspflicht bei Prüfungsanordnungen nanzausgleich auswirken. Da diese Berechnung in diesen Fällen entfallen. Außerdem sollte eine jeweils auf die Beträge des Zeitraums vom 1. Ok- Aufbewahrungspflicht für Belege eingeführt tober des vorvergangenen Haushaltsjahres bis werden.“ zum 30. September des vergangenen Haushalts- Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre jahres Bezug nimmt, können sich Auswirkungen 2005 u. a. durch Erhebungen bei fünf Finanz- frühestens im kommunalen Finanzausgleich des ämtern verschiedener Länder, wie die Steuer- Jahres 2008 ergeben. Über finanzielle Auswirkun- verwaltung die bundeseinheitliche Regelung gen im Jahre 2008 kann daher zu diesem Zeit- umsetzte.

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Wir fragen die Landesregierung: der Prüfungen in Niedersachsen mehr als vervier- facht worden (2000 = 27 Prüfungen; 2006 = 110 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesre- gierung über die genannte Prüfung durch den Prüfungen). Bundesrechnungshof vor? Zu 3: Niedersachsen hat seit 2000 die Außenprü- 2. Wie bewertet die Landesregierung die Kritik fungen kontinuierlich erhöht, ohne dass ein ent- des Bundesrechnungshofes, bezogen auf die sprechender Hinweis des BRH erforderlich war. Situation in Niedersachsen, und wie häufig werden entsprechende Prüfungen in Nieder- Darüber hinaus wird durch die bereits genannte sachsen durchgeführt? gesonderte statistische Erfassung die Überwa- chung der Prüfungsintensität gewährleistet. Des 3. Welche Maßnahmen wird die Landesregie- rung ergreifen, um aus der Prüfung durch den Weiteren ist die Zuständigkeit für die Außenprü- Bundesrechnungshof die notwendigen Konse- fung bei diesen Fällen ab dem Kalenderjahr 2006 quenzen zu ziehen, damit u. a. durch eine Er- in Niedersachsen auf die Finanzämter für Großbe- höhung der Zahl der Außenprüfer in Nieder- triebsprüfung übertragen worden. Denn im Regel- sachsen und bundesweit mehr Steuergerech- tigkeit und höhere Steuereinnahmen erzielt fall stehen die Steuerpflichtigen mit bedeutenden werden? Einkünften in Verbindung mit einem gewerblichen Großbetrieb, sei es als Gesellschafter einer Perso- Die Fragen der Abgeordneten Heinrich Aller, Dieter nengesellschaft oder aber (Gesellschafter-) Ge- Möhrmann, Petra Emmerich-Kopatsch, Renate schäftsführer einer Kapitalgesellschaft. Die Zu- Geuter, Uwe-Peter Lestin, Hans-Werner Pickel, ständigkeit für die Prüfung von diesen Steuer- Sigrid Leuschner, Klaus-Peter Dehde (SPD) be- pflichtigen und „ihren“ Unternehmen liegt somit in antworte ich im Namen der Landesregierung wie einer Hand. Reibungsverluste, die bei der Zustän- folgt: digkeit zweier Finanzämter entstehen könnten, werden somit vermieden. Zu 1: Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in 2005 die Bearbeitung von Einkommensteuerfällen mit Anlage 35 bedeutenden Einkünften („bE-Fälle“) überprüft. Da- bei wurden in fünf Finanzämtern verschiedener Antwort Bundesländer insgesamt Steuerakten von 116 sogenannten Einkunftsmillionären eingesehen. Ein des Finanzministeriums auf die Frage 37 der Abg. niedersächsisches Finanzamt war nicht Gegen- Dieter Möhrmann, Heinrich Aller, Petra Emmerich- stand dieser Prüfung durch den Bundesrech- Kopatsch, Renate Geuter, Uwe-Peter Lestin, nungshof. Hans-Werner Pickel, Sigrid Leuschner und Klaus- Peter Dehde (SPD) Die Prüfungsergebnisse hat der Rechnungshof in Automatisiertes Haushaltsvollzugssystem seinen „Bemerkungen 2006 zur Haushalts- und noch immer mit Problemen Wirtschaftsführung des Bundes“ unter der Nr. 57 zusammengefasst. Insbesondere wird das Bun- Das als P 53 bekannt gewordene automatische desministerium der Finanzen (BMF) aufgefordert, Haushaltsvollzugssystem hatte bei seiner Ein- führung mit großen technischen Problemen zu auf eine deutlich höhere und einheitliche Prü- kämpfen. Die damalige Landtagsopposition hat fungsdichte bei den Fällen mit bedeutenden Ein- das Thema mehrfach zum Gegenstand parla- künften hinzuwirken. mentarischer Debatten gemacht und sogar den Rücktritt von Finanzminister Aller gefordert. Zu 2: Ein etwaiges Prüfgefälle zwischen den ein- Nachdem die gegenwärtige Landesregierung zelnen Bundesländern bei diesen Fällen kann die bereits vier Jahre im Amt ist, scheinen die tech- Niedersächsische Landesregierung mangels Ver- nischen Schwierigkeiten mit P 53 noch immer gleichszahlen nicht beurteilen. Ab dem Kalender- nicht ausgeräumt zu sein. In Drs. 15/3666 be- jahr 2006 werden die in diesem Zusammenhang richtet die amtierende Landesregierung über die aktuellen Schritte, das Programm revisions- durchgeführten Außenprüfungen nach einem bun- sicher zu machen. Hierzu wurde eine Innenre- deseinheitlichen Muster gesondert in der Statistik vision eingesetzt, die im Laufe des Haushalts- ausgewiesen, sodass ab diesem Zeitpunkt ver- jahres 2007 ihre personal- und stellenmäßige lässliche und vergleichbare Zahlen zur Verfügung Sollstärke erreichen wird. stehen werden. In Niedersachsen werden diese Wir fragen die Landesregierung: Außenprüfungen bereits seit dem Jahr 2000 ge- sondert erfasst. Bis zum Jahr 2006 ist die Anzahl 1. Warum reagiert die Landesregierung erst vier Jahre nach Amtsübernahme auf vorgebliche

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Schwächen im Bereich Revision des Systems Internen Kontrollsystems - also der Gesamtheit P 53? aller aufeinander abgestimmten und miteinander 2. Welche Aufgaben wird die einzusetzende In- verbundenen Kontrollen, Maßnahmen und Rege- nenrevision erhalten, und wie werden diese lungen. Sie ergänzt insbesondere die vorhandenen Aufgaben gegenwärtig erledigt? maschinellen Kontrollen und hinterfragt die Wirk- 3. Wann werden die Zweifel an der Revisions- samkeit eingerichteter bereits vorhandener Kon- sicherheit des automatischen Haushaltsvoll- trollen und Sicherungen. zugssystems nach Auffassung der Landesre- gierung endgültig ausgeräumt sein? Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt: Das Ziel des Projektes P 53, ein integriertes auto- matisiertes Haushaltswirtschaftssystem zu schaf- Zu 1: Wie den Vorbemerkungen zu entnehmen ist, fen, welches den gesamten Prozess der Haus- wurde in den vergangenen Jahren intensiv und haltswirtschaft von der Mittelfristigen Planung und erfolgreich an P 53 gearbeitet. der Haushaltsplanaufstellung über die Haushalts- führung und den Haushaltsvollzug bis hin zur Zu 2: Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Haushaltsrechnung abdeckt, wurde kürzlich mit der DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) zäh- Aufnahme des Echtbetriebes des Haushaltsrech- len zu den Aufgaben der Internen Revision die nungsmoduls abgeschlossen. Mit dem Haushalts- Unterstützung bei der Sicherstellung der Gesetz- wirtschaftssystem Niedersachsen - kurz: HWS- mäßigkeit der Buchführung und des Jahresab- Nds - wurde ein sehr komplexes, integratives und schlusses im Rahmen des im Vorspann genannten in der Form einzigartiges System geschaffen, wel- Internen Kontrollsystems. Auf der Basis von Risi- ches die Haushaltswirtschaft des Landes annä- koanalysen werden von ihr System-, Detail- und hernd vollständig automatisiert. projektbegleitende Prüfungen durchzuführen sein.

Neu und bisher ohne Vorbild ist die Frage der Re- Derzeit findet „Interne Finanzkontrolle“ durch Kas- visionssicherheit der in der niedersächsischen senrevision der Landeshauptkasse (Kassenrevisior Landesverwaltung eingesetzten Software. Auch im Referat 24 des MF) und durch Zahlstellenrevisi- hier wurde in rechtlicher, technischer und kontroll- on der jeweiligen Zahlstellen durch (von den jewei- technischer Hinsicht Neuland betreten. ligen Dienststellenleitern bestimmte) Zahlstellenre- visoren statt. Die Dienststellenrevision obliegt den Die Landesregierung hat in engem Kontakt mit Beauftragten für den Haushalt. dem Landesrechnungshof inzwischen alle inhaltli- chen und technischen Fragen geklärt und die für Zu 3: Ende 2006 hat das MF gemäß Nr. 6.5 der VV das Einwilligungsverfahren zum Betrieb des integ- zu §§ 70 ff. LHO das Einwilligungsverfahren zum rierten automatisierten Haushaltsvollzugssystems Betrieb des integrierten automatisierten Haushalts- (HVS) gemäß Nr. 6.5 der VV zu §§ 70 ff. LHO vollzugssystems eingeleitet. Hierzu ist es erforder- benötigten umfangreichen Unterlagen erarbeitet lich, die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit der und zur Prüfung vorgelegt. Zur Überprüfung der eingesetzten Software gemäß Nr. 6.1.1 der VV zu Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Si- §§ 70 ff. LHO festzustellen. Die Verdingungsun- cherheit des Verfahrens durch einen unabhängi- terlagen für die Ausschreibung dieser IT-Dienst- gen Sachverständigen werden gegenwärtig der leistung befinden sich in Vorbereitung. Die Auf- Leistungskatalog und die Ausschreibung vorbe- tragsvergabe und Durchführung der Softwareprü- reitet. fung sind für Mitte des Jahres geplant. Das Ergeb- nis dieser Ordnungsmäßigkeit- und Sicherheits- In Nr. 8 der VV-LHO zu §§ 70 ff. wurde ferner prüfung ist wesentliche Grundlage für die Erteilung erstmalig festgelegt, dass die Revision Bestandteil der Einwilligung zum Betrieb des HVS, die für En- des in den „Grundsätzen ordnungsmäßiger DV- de des Jahres erwartet werden kann. gestützter Buchungssysteme“ (GoBS) beschriebe- nen Internen Kontrollsystems (IKS) ist. Damit fin- Anlage 36 den bei der Beurteilung der Revisionssicherheit Antwort nunmehr die Bestimmungen der Privatwirtschaft entsprechende Anwendung. des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 38 der Abg. Ulrich Biel, Günter Lenz, Frauke Die Innenrevision (Interne Revision) ist danach Heiligenstadt, Swantje Hartmann, Gerd Will, Er- übergeordneter fester Bestandteil des vielfältigen

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hard Wolfkühler, Hans-Werner Pickel und Klaus Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung. Schneck (SPD) § 4 Abs. 2 der Niedersächsischen Gemeindeord- nung (NGO) bestimmt, dass in ihre Rechte nur Änderung der NGO zur Anwendbarkeit der VOB/A aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden kann. Das Land kann ihnen daher ein bestimmtes Mit der Änderung der NGO zum 1. Januar 2006 Vorgehen in eigenen Angelegenheiten nur auf- ist die Regelung des § 142 geändert worden. grund bestehender Rechtsnormen vorgeben. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Verordnungsermächtigung, mit der die Kom- Abgesehen von den allgemeinen Grundsätzen für munen zur Anwendung vom Vergaberecht ver- pflichtet werden können. die Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleis- tungen, wie sie in § 97 des Gesetzes gegen Wett- Entfallen ist jedoch der Passus, mit dem die bewerbsbeschränkungen (GWB) genannt worden Kommunen über das Haushaltsrecht zur An- wendung der VOB/A verpflichtet werden konn- sind, gelten darüber hinausgehende wettbewerbs- ten. Dementsprechend findet sich in der am rechtliche Vorschriften für Beschaffungsvorgänge 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Gemeinde- auf dem Bausektor für die niedersächsischen Kom- haushalts- und Kassenverordnung keine Vor- munen erst bei Erreichen bestimmter Schwellen- schrift mehr, die dem § 32 der Gemeindehaus- haltsverordnung entspricht, wonach bei der werte. Nach jetziger Rechtslage sind sie an die Vergabe von Aufträgen und dem Abschluss von Anwendung der in der Anfrage genannten VOB/A Verträgen die Vergabegrundsätze anzuwenden gebunden, sofern der Auftragswert für eine Bau- sind, die das Innenministerium bekannt gibt, al- maßnahme 5 278 000 Euro überschreitet. Liegt so die VOB/A. der Auftragswert in der Größenordnung zwischen Die Gemeindehaushaltsverordnung ist mit Wir- 30 000 und 5 277 999 Euro, so ist der 1. Abschnitt kung zum 1. Januar 2006 durch die Gemeinde- der VOB/A zu beachten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des haushalts- und Kassenverordnung ersetzt wor- Landesvergabegesetzes). Diese Vorgabe endet den. Gemäß § 62 der erstgenannten Verord- nung bleibt die Gemeindehaushaltsverordnung am 31. Dezember des kommenden Jahres. aber für die Kommunen in Kraft, die noch nicht die Doppik eingeführt haben. Es steht den Kommunen allerdings frei, auch im Weiteren die VOB/A anzuwenden. Dies ist ihnen Dies bedeutet im Ergebnis, dass für die Kom- für Vergabeverfahren unterhalb der genannten munen, die die Doppik eingeführt haben, keine haushaltsrechtliche Bindung an die VOB/A Schwellenwerte durch einen Erlass des MW vom mehr besteht. Spätestens zum Jahr 2011, dem 21. Juni 2006 (Nds. MBl. S. 640) empfohlen wor- letztmöglichen Einführungsjahr der Doppik, be- den. Weil die Ermächtigungsnorm für den Erlass steht somit keine haushaltsrechtliche Bindung zusätzlicher vergaberechtlicher Maßgaben auf an die VOB/A mehr. gemeindehaushaltsrechtlicher Grundlage zum Da das Vergabegesetz durch die letzte Geset- 1. Januar 2006 mit dem Gesetz zur Neuordnung zesänderung bis zum 31. Dezember 2008 be- des Gemeindehaushaltsrechts in Niedersachsen fristet wurde, wäre das Vergaberecht ab 2011 für die niedersächsischen Kommunen nicht und zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher mehr verbindlich vorgeschrieben. Vorschriften entfallen ist, sind rechtlich verbindliche Weisungen zu kommunalen Beschaffungsvorgän- Wir fragen die Landesregierung: gen ausgeschlossen. 1. Wie bewertet sie die geschilderten Auswir- kungen der genannten Gesetzesänderung in Die Übergangsvorschriften zur Einführung der Bezug auf die verpflichtende VOB/A-Anwen- Doppik enden am 31. Dezember 2011. Demzufol- dung durch die Kommunen? ge wirken die für die unterschwelligen Vergabe-

2. Wie wird die Landesregierung sicherstellen, verfahren eingetretenen gemeindehaushaltsrecht- dass die niedersächsischen Kommunen auch lichen Veränderungen in der Bindung an die über das Jahr 2011 hinaus an die VOB/A ge- VOB/A für alle niedersächsischen Kommunen bunden sind? durchgängig ab dem Jahr 2012. 3. Welche Auswirkungen hätte es insbesondere auf die heimische Bauwirtschaft, wenn die nie- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage dersächsischen Kommunen nicht mehr zur An- namens der Landesregierung wie folgt: wendung der VOB/A verpflichtet wären? Zu 1 und 3: Die Haushaltsführung der Kommunen Gemäß Artikel 57 Abs. 1 der Niedersächsischen ist auf die Einhaltung der Grundsätze einer wirt- Verfassung verwalten die Gemeinden und Land- schaftlichen und sparsamen Haushaltsführung kreise in Niedersachsen ihre Angelegenheiten im

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gemäß § 82 Abs. 2 NGO verpflichtet. Um diese bandsvertretern und wird in Kürze Gegenstand Voraussetzungen zu erfüllen, muss bei nennens- diesbezüglicher weiterer Gespräche und eines werten Beschaffungen zumindest über das Einho- Abstimmungsprozesses innerhalb der Landesre- len von Vergleichsangeboten eine Markterkundung gierung sein. durchgeführt werden. Unabhängig davon, ob in Bestimmungen der NGO oder aufgrund einer dem- Anlage 37 entsprechenden Verordnungsregelung Detailre- Antwort gelungen dazu bestehen, gelten auch für die kom- munalen Vergabestellen die vergaberechtlichen des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Grundsätze aus dem EG-Vertrag, vor allem die Frage 39 des Abg. Bernd Althusmann (CDU) Gebote der Nichtdiskriminierung und Gleichbe- handlung der Bieter und der Transparenz der Ver- Gebietsreform in Niedersachsen gabeverfahren. Zur Erfüllung dieser Voraussetzun- Nach einem Bericht im Delmenhorster Kurier gen ist entweder ein Fortfahren in der bisherigen vom 12. März 2007 kündigte der Landrat des Praxis, also auch weiterhin eine Anwendung der Kreises Oldenburg, Frank Eger (SPD), im VOB/A, oder ein Verfahrensablauf, der die ge- Rahmen der Jahreshauptversammlung des Orts- und Heimatvereins Elmeloh-Almsloh an, nannten Voraussetzungen ebenso erfüllt, durch die dass spätestens mit der kommenden Land- Gemeinden und Landkreise geboten. Die Landes- tagswahl in Niedersachsen eine Gebietsreform regierung geht davon aus, dass die Kommunen anstehe.

ihren Handlungsspielraum verantwortungsvoll Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- wahrnehmen. Allerdings können sich wegen der regierung: Übergangsfrist zur Anwendung der Doppik in der kommunalen Haushaltswirtschaft bei der Anwen- 1. Teilt sie die Einschätzung des Landrates Eger? dung von Vergaberegeln bei Bauaufträgen unter- schiedliche Handhabungen und Vorgehensweisen 2. Sind der Landesregierung Pläne bekannt, die in den Kommunen ergeben. Die VOB war bislang eine Gebietsreform in Niedersachsen vorse- hen? eine verbindende Klammer, die spätestens ab 2012 (und schon jetzt mit der fortschreitenden 3. Welche Maßnahmen sieht die Landesregie- Einführung der Doppik sukzessive) entfällt. rung als geeignete Alternative zu einer Gebiets- reform an? Zu 2: Seit dem 1. Januar 2006 gilt in Niedersach- Es war von Anfang an Politik dieser Landesregie- sen ein neues doppisches kommunales Haushalts- rung, Leistungsfähigkeit und Finanzkraft der Kom- recht. Die Übergangsvorschriften aus dem Gesetz zur Neuordnung des Gemeindehaushaltsrechts munen zu steigern und so verloren gegangene kommunale Handlungsfähigkeit zurückzugewin- und zur Änderung gemeindewirtschaftsrechtlicher nen. Ein Meilenstein auf diesem Weg, neben z. B. Vorschriften erlauben bis letztmals für das Haus- dem Bürokratieabbau durch das Modellkommu- haltsjahr 2011 die Fortführung der kommunalen nen-Gesetz, der Gemeindehaushaltsreform und Haushalte nach dem alten Recht. Voraussetzung ist, dass eine Beschlussfassung des Rates darüber der Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Niedersächsischen Verfassung, ist insbesondere vor dem 1. April 2006 erfolgt ist. Dies ist überwie- gend auch so geschehen. Damit unterliegen die die Förderung der interkommunalen Zusammenar- beit. Die - im Ergebnis beachtlichen - Möglichkei- meisten der niedersächsischen Kommunen auch ten einer Intensivierung interkommunaler Zusam- weiterhin den bindenden Ausschreibungsregelun- menarbeit sind in meinem Auftrag von dem re- gen. Nur eine ganz geringe Anzahl von Kommu- nommierten Verwaltungswissenschaftler Professor nen wendet bereits das neue kommunale Haus- haltsrecht an. Nur für diesen vergleichsweise ge- Dr. Hesse unter Beteiligung der kommunalen Spit- zenverbände untersucht worden. Die Vorschläge ringen Bereich gelten die genannten Ausschrei- des Gutachters liegen auf dem Tisch. Über ihre bungsregelungen nicht mehr verpflichtend. Mit einvernehmliche Bewertung und Umsetzung bin einer größeren Anzahl von Kommunen, die auf die ich mit den kommunalen Spitzenverbänden im Doppik umstellen, ist ab 2008 zu rechnen. Gespräch. Neun Pilotprojekte bei Gemeinden und Die Frage des notwendigen Umfangs einer zu- Landkreisen laufen bereits. Eine Kooperationsda- künftigen Bindung der niedersächsischen Kommu- tenbank ist eingerichtet. Für die kommenden drei nen an die Regelungen der VOB/A in der NGO war Jahre stehen insgesamt 900 000 Euro zur finan- bereits Gegenstand von Gesprächen mit Ver- ziellen Förderung von Maßnahmen bereit.

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Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- namens Landesregierung wie folgt: regierung: 1. Nach welchen Kriterien bewertet die Landes- Zu 1: Nein. regierung im Rahmen des Planfeststellungs- verfahrens für den Bau der Netzanbindung Zu 2: Nein. Ganderkesee - St. Hülfe den Stand der Tech- nik, und in welchem Umfang finden dabei die Zu 3: Siehe Vorbemerkung. Wünsche von Antragstellern Berücksichtigung?

Anlage 38 2. Inwieweit wird die Landesregierung in die- sem Verfahren neben der Bewertung der be- Antwort triebswirtschaftlichen Argumente des Antrag- stellers auch eine volkswirtschaftliche Gesamt- des Umweltministeriums auf die Frage 40 der Abg. betrachtung - wie u. a. vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund gefordert - vor- Renate Geuter (SPD) nehmen?

„Strom-Trasse wird zur Chefsache“ - Wel- 3. In welchem Umfang werden bei der Prüfung che Alternativen prüft die Landesregierung der Versorgungssicherheit auch die Erfahrun- im Planfeststellungsverfahren für die Lei- gen aus der Schneekatastrophe im Münster- tungstrasse Ganderkesee - St. Hülfe? land vom Dezember 2005 - die bei der Gu- tachtenerstellung noch nicht vorlagen - Berück- Die Firma E.ON Netz GmbH plant zur Ergän- sichtigung finden? zung des Höchstspannungsverbundnetzes den Neubau einer 380-KV-Leitung zwischen den Vorbemerkungen: Umspannwerken Ganderkesee und St. Hülfe bei Diepholz. Als Ergebnis des Raumordnungs- Das Raumordnungsverfahren zum geplanten Aus- verfahrens wurde im Oktober 2006 von der Landesregierung festgestellt, dass der Bau ei- bau eines Stromnetzlückenschlusses von Gander- ner Freileitung mit den Erfordernissen der kesee nach St Hülfe ist mit der landesplanerischen Raumordnung vereinbar sei und den Anforde- Feststellung vom 12. Oktober 2006 abgeschlossen rungen an die Umweltverträglichkeit entspre- worden. Der Netzbetreiber für das Hoch- und che. Höchstspannungsnetz, die Firma E.ON Netz, hat Vorausgegangen ist dieser Entscheidung eine angekündigt, nunmehr einen Planfeststellungsan- ergänzende Vergleichsstudie zu den Übertra- trag zu erstellen und diesen nach Fertigstellung bei gungsalternativen Freileitung, Erdkabel und gasisolierte Leitung. Nach Auffassung des Gut- der zuständigen Planfeststellungsbehörde des achters sprechen betriebswirtschaftliche Erwä- Landes, der Niedersächsischen Landesbehörde gungen des Antragstellers für den Bau einer für Straßenbau und Verkehr, einzureichen. Freileitung. Darüber hinaus geht der Gutachter davon aus, dass der Bau einer Freileitung eine Im Rahmen des Raumordnungsverfahrens wurde besonders hohe Versorgungssicherheit biete. eine Vergleichsstudie des Institutes ForWind unter Seit Beginn des Raumordnungsverfahrens ha- der Leitung von Professor Oswald erstellt. In dieser ben sich kommunale Spitzenverbände, betrof- Studie wurden die derzeit technisch verfügbaren fene Kommunen sowie die Bürgerinnen und Übertragungssysteme sowohl in ihren technischen Bürger nachhaltig gegen eine Freileitung aus- gesprochen und stattdessen eine unterirdische Eigenschaften als auch von der Kostenseite mit- Netzanbindung gefordert. Der Niedersächsi- einander verglichen. Dabei wurde deutlich, dass sche Ministerpräsident hat daraufhin Vertreter derzeit keine technischen Alternativen zu den dieser Gruppierungen im Januar 2007 zu einem Freileitungssystemen verfügbar sind, die mit einem Gespräch eingeladen und zugesagt, sich bei dem Antragsteller, der Firma E.ON Netz AG, für vergleichbar günstigen Kostenaufwand wie diese ein Pilotprojekt zur Erdverkabelung der Lei- errichtet werden könnten. Auch unter Berücksichti- tungstrasse Ganderkesee - St. Hülfe einzuset- gung langfristiger betriebswirtschaftlicher Effekte, zen. Wie der Presse zu entnehmen war, hat die wie Verlust- oder Unterhaltungskosten, blieben die Firma E.ON Netz AG diesen Vorschlag eines Pilotprojektes u. a. deshalb abgelehnt, weil es Kabelsysteme deutlich teurer. bereits Erdverkabelungen statt Freileitungen gebe und weil man befürchte, dass mit einem Neben den Vorgaben, die sich u. a. aus der lan- solchen Pilotprojekt Erdverkabelungen grund- desplanerischen Feststellungen ergeben, hat der sätzlich zum Stand der Technik würden. Netzbetreiber bei der Planung des Netzlücken- Der Bau einer Freileitung sei für den Netz- schlussprojektes Ganderkesee - St. Hülfe auch die betreiber zurzeit immer noch betriebswirtschaft- gesetzlichen Anforderungen zu beachten, die sich lich günstiger als eine unterirdische Netzanbin- aus dem bundesrechtlich geregelten Bestimmun- dung.

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gen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) er- nete System zu wählen. Planfeststellungsanträge geben. Das EnWG wurde zuletzt durch das Infra- nach § 43 EnWG können nur für Freileitungssys- strukturplanungsbeschleunigungsgesetz geändert, teme gestellt werden. Auch die bundesrechtlich das am 17. Dezember 2006 in Kraft getreten ist. geregelten Wirtschaftlichkeitsvoraussetzungen Diesem Gesetz haben nach der Beschlussfassung sind vom Antragsteller zu beachten. Dies ist die im Bundestag auch alle Länder im Bundesrat zu- Voraussetzung für die Anerkennung der Netzaus- gestimmt. baukosten durch die Bundesnetzagentur.

Bei der Beschlussfassung durch den Bundestag Zu 2: Das Planfeststellungsverfahren findet im wurde die in vorherigen Gesetzentwürfen enthalte- Rahmen der im EnWG bundesgesetzlich abschlie- ne Absicht aufgegeben, neben Planfeststellungs- ßend geregelten energierechtlichen Bestimmun- verfahren für Freileitungssysteme auch Planfest- gen statt. Die Planfeststellungsbehörde hat nicht stellungsverfahren für Verkabelungen oder Teilver- die Möglichkeit, Überlegungen oder Entschei- kabelungen zuzulassen. Der Bundesgesetzgeber dungsaspekte heranzuziehen, die nicht durch die- hat mit dieser Entscheidung seinen Willen bekräf- se gesetzlichen Vorgaben gedeckt sind. Für soge- tigt, alle vermeidbaren Mehrkosten beim ge- nannte volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtungen wünschten Netzausbau zu verhindern, um nicht ist auf der Basis der aktuellen Gesetzeslage keine einen weiteren Beitrag zur Erhöhung der Strom- rechtliche Grundlage zu erkennen. preise zu liefern. Zu 3: Das derzeitige Stromversorgungsnetz in Diese rechtliche Ausgangslage muss von allen Deutschland hat in Europa hinsichtlich der Versor- Beteiligten beachtet werden und führt u. a. dazu, gungssicherheit eine Spitzenstellung. Es ist erklär- dass der Netzbetreiber gemäß § 43 EnWG Plan- tes Ziel der Energiepolitik des Bundes und des feststellungsanträge zum Netzausbau auf der Landes, dieses hohe Maß an Versorgungssicher- 380-KV-Ebene nur für Freileitungssysteme bean- heit zu erhalten. Die im Raumordnungsverfahren tragen kann. vom Netzbetreiber vorgestellten technischen Sys- teme lassen die Erwartung zu, dass diese Aus- Die Bundesnetzagentur hat mehrfach auch gegen- bauplanung ein Höchstmaß an technischer Sicher- über den Netzbetreibern deutlich gemacht, dass heit gewährleisten wird. Da zu Kabel- und GIL-Sys- bei der Genehmigung von Netzentgelten nur sol- temen auf längeren Ausbaustrecken bisher keine che Aufwendungen anerkannt werden können, die Betriebserfahrungen vorliegen, ist hinsichtlich der auch unter energierechtlichen Voraussetzungen Betriebszuverlässigkeit und der Ausfallanfälligkeit wirtschaftlich erforderlich sind. und der Dauer der Ausfallzeiten im Reparaturfalle keine verlässliche Aussage möglich. Die Niedersächsische Staatskanzlei prüft nach Gesprächen des Ministerpräsidenten mit Bürger- Die in der Anfrage angesprochenen Münsterland- initiativen, Kommunalpolitikern und Verbandsver- Ereignisse lassen keinerlei Rückschlüsse auf die tretern, welche Möglichkeiten zur Erprobung neuer im Raumordnungsverfahren von E.ON Netz vorge- Stromübertragungstechnologien in Niedersachsen stellten Masten und Kabelsysteme zu, da sich in Zusammenarbeit mit Netzbetreibern und Kabel- diese bauartbedingt und materialtechnisch deutlich herstellern bestehen könnten. Diese Prüfung ist unterscheiden. noch nicht abgeschlossen. Anlage 39 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Antwort

Zu 1: Da der Planfeststellungsantrag der Landes- des Umweltministeriums auf die Frage 41 des Abg. regierung bisher noch nicht vorliegt, kann auch Hans-Dieter Haase (SPD) keine Aussage zur Bewertung der im Antrag ent- Knallapparate im EU-Vogelschutzgebiet - haltenen Technik vorgenommen werden. Wie sich Welche Interessen vertritt der Umweltminis- aus der in den Vorbemerkungen bereits genannten ter? ForWind-Studie ergibt, sind technisch auf der Höchstspannungsebene grundsätzlich Freilei- Die Berichterstattung in der Ostfriesen-Zeitung vom 8. März 2007 beschreibt einen Rechtsstreit tungssysteme, VPE-Kabel und GIL-Systeme nutz- zwischen dem Umweltministerium (MU) und bar. Es liegt im Verantwortungsbereich des Netz- den Landkreisen Leer, Aurich und Wittmund. Es betreibers das für diese Aufgabenstellung geeig- geht um das Vertreiben von Gänsen im EU-Vo-

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gelschutzgebiet auf landwirtschaftlichen Nutz- Das ist für die Bestandssituation der Wildgänse flächen. Die oberste Naturschutzbehörde des ohne Wirkung geblieben. Landes Niedersachsen, das Umweltministeri- um, erlaubt hier die Vergrämung mit Knallappa- raten. Die unteren Naturschutzbehörden der Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Landkreise haben hier eine andere Rechtsauf- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: fassung. Mit Schreiben vom 13. Februar 2007 erläutert das Umweltministerium den Landkrei- Zu 1: Der Umweltminister vertritt die Interessen sen, dass die Verwendung von Knallapparaten des Naturschutzes. In diesem Zusammenhang zulässig sei - auch im europäischen Vogel- werden vom Niedersächsischen Umweltministeri- schutzgebiet unter bestimmten Bedingungen. Ein maßgeblicher Bestandteil des Gebiets sind um Kooperationsprojekte zwischen dem Natur- Flächen, auf denen die Vögel rasten und sich schutz, der Landwirtschaft und anderen Interes- ernähren, wird hier geschrieben. Der Entzug sengruppen umgesetzt. Der Vertragsnaturschutz einzelner Flächen führe dabei nicht zu einer er- ist ein wichtiges Instrument für den Schutz europa- heblichen Beeinträchtigung. Ohne feste Zahlen vorgeben zu wollen, wird ausgeführt, dürfte ein rechtlich geschützter Vogelarten. Verlust von unter 10 % der Flächen, so die An- nahme des MU, nicht zu erheblichen Beein- Zu 2: Das Niedersächsische Umweltministerium trächtigungen führen. Inwieweit diese Größen- beurteilt mögliche Auswirkungen von Knallappa- ordnungen in den einzelnen Vogelschutzge- raten auf die Zugvogelarten anhand der im Rah- bieten erreicht würden, könne vom MU aus nicht beurteilt werden. Auch in den Vorjahren men des Vogelartenerfassungsprogramms der seien Knallapparate eingesetzt worden, ohne Fachbehörde für Naturschutz im Niedersächsi- dass die Population der Gänse darunter er- schen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- kennbar gelitten habe. und Naturschutz (NLWKN, hier: Staatliche Vogel- Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- schutzwarte) ermittelten Daten sowie der Zählun- regierung gen vonseiten der Biosphärenreservatsverwaltung Elbtalaue. Fachliches Kriterium sind die Individu- 1. Welche Interessen vertritt der Umweltminis- ter - insbesondere vor dem Hintergrund der Be- enzahlen. richterstattung in der Zevener Zeitung vom 14. April 2007 und der Rotenburger Rundschau Zu 3: Das Niedersächsische Umweltministerium vom 15. April 2007, wo er zitiert wird mit „Die kommt auf Grundlage der langjährigen Bestands- Landwirte sind die besten Umweltpolitiker“ und erfassungen und vorliegenden Individuenzahlen „Die Nutzer von Landschaft und Natur stehen von Graugans, Blässgans, Saatgans und Weiß- für die Umweltpolitik deutlich im Mittelpunkt“ in Verbindung mit den o. g. Aussagen, dass keine wangengans in den drei Hauptrastgebieten Nie- festen Zahlen vorliegen und vom MU aus der dersachsens und Vertragsnaturschutzgebieten des Sachverhalt nicht eingeschätzt werden könne -: Kooperationsprogramms Biologische Vielfalt (Nor- die der Landwirtschaft oder die des Naturschut- dische Gastvögel) Rheiderland/Emsmarsch, Un- zes, die in diesem Fall sogar durch EU-Recht abgesichert sind? terelbe und Elbtalaue zu dem Ergebnis, dass die Bestände durch den Einsatz von Knallapparaten 2. Aufgrund welcher Datenlage/Kartengrund- unbeeinflusst geblieben sind. Dies könnte gegebe- lage und nach welchen fachlichen Kriterien be- urteilt MU die Auswirkungen der Knallapparate nenfalls gegenüber der EU-Kommission anhand auf die Erheblichkeit/bzw. Unerheblichkeit der der oben genannten Daten dargelegt werden. Beeinträchtigungen im EU-Vogelschutzgebiet? Für die aufgrund ihrer Verwechslungsgefahr mit 3. Auf welche Erkennbarkeit gründet die anderen Arten schwerer erfassbaren, sehr selte- oberste Naturschutzbehörde ihre Annahme, dass die Population welcher Gänsearten nen und meist nur in Einzelexemplaren vorkom- (Grau-, Zwerg-, Saat-, Kurzschnabel-, Weiß- menden Arten Zwerggans und Kurzschnabelgans wangengänse) nicht gelitten habe, und wie liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse kann das gegebenenfalls gegenüber der EU- vor; die Landesregierung geht davon aus, dass Kommission glaubhaft mit verlässlichen Daten dargelegt werden? sich die Verhältnisse nicht von denen der anderen genannten Arten unterscheiden. Vorbemerkungen: Anlage 40 In Einzelfällen sind außerhalb der Vertragsnatur- schutzgebietskulisse von Landwirten Knallappa- Antwort rate zwecks Vertreibung von Wildgänsen einge- des Umweltministeriums auf die Frage 42 des Abg. setzt worden, um Ertragseinbußen zu vermeiden. Hans-Dieter Haase (SPD)

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Persönliche Betroffenheit des Umweltminis- des Landkreises Holzminden, und auf welche ters im Landkreis Holzminden - Wie bewer- Fälle nimmt er in der zitierten Aussage Bezug, tet die Landesregierung das Handeln und die zur obersten Naturschutzbehörde hochge- Entscheiden von Hans-Heinrich Sander? zogen werden müssten, da sie fachlich nicht mehr korrekt bei der UNB abgearbeitet werden Die Presse im Täglichen Anzeiger, Holzminden könnten? Stadt und Landkreis, berichtet am 23. Februar 2007 von einem Eklat um einen Sander-Brief 3. In Zusammenhang mit den Pressemitteilun- und sein persönliches Erscheinen im Kreistag. gen aus November 2006 wird deutlich, dass Anlass war die Diskussion in einer Kreisratsit- Hans-Heinrich Sander, der gelernter Landwirt zung am Rosenmontag. Es ging hierbei um die ist und einen Hof in Golmbach besitzt, von den Meldung des EU-Vogelschutzgebietes „Solling- EU-Vogelschutzgebietsausweisungen im Land- vorland V 68“. Die untere Naturschutzbehörde kreis Holzminden persönlich betroffen ist. Seine (UNB) hatte eine Stellungnahme erarbeitet, die Äußerungen in den Presseartikeln vom 14. und eine aus fachlichen Gründen erforderliche Aus- 15. April 2007 machen deutlich, dass er ganz weitung des Gebietes begründet. Die FDP- klar die Interessen der Landwirtschaft vor die Fraktion im Kreistag, der Hans-Heinrich Sander Interessen des Umwelt- und Naturschutzes seit der letzten Kommunalwahl nicht mehr an- stellt. Wie bewertet die Landesregierung die gehört, hatte einen Antrag vorgelegt, der hier- Entscheidungen und Handlungen ihres Um- gegen heftigen Widerstand äußert. Zu diesem weltministers, und kann sie gewährleisten, dass Tagesordnungspunkt erschien auf der Kreisrat- subjektive Einflüsse des Landwirts und von der sitzung dann Hans-Heinrich Sander persönlich EU-Vogelschutzgebietsausweisung betroffenen und unterstützte den Antrag der FDP mit aller Hans-Heinrich Sander ausgeschlossen werden Vehemenz. Laut Berichterstattung in der Zei- und die nachgeordneten Behörden, deren tung kritisierte der Umweltminister Sander dann oberster Dienstherr Sander ist, nach Sach- und die Stellungnahme des Landkreises heftig und Rechtslage ihre Dienstgeschäfte tätigen kön- erlaubte sich den Hinweis, dass die UNB fach- nen? lich nicht mehr optimal aufgestellt sei, immer mehr müsse er als obere Naturschutzbehörde Vorbemerkungen: sich Fälle heranziehen, weil sie fachlich nicht korrekt und nicht nachvollziehbar entschieden Die Landesregierung hat bisher 61 Vogelschutz- worden seien. Landrat Waske hat sich in einem gebiete im Sinne der EG-Vogelschutzrichtlinie mit Schreiben beim Ministerpräsidenten über die- ses Verhalten beschwert. In diesem Zusam- einer Fläche von 535 255 ha gemeldet. Noch in menhang ist die Pressemitteilung der Ostfrie- diesem Jahr ist geplant, weitere zehn Gebiete mit sen-Zeitung vom 1. November 2006 zu sehen. einer Fläche von ca. 58 000 ha zu melden. Eines Hier wird über eine Informationsveranstaltung dieser zehn geplanten Gebiete ist das Vogel- des Ministers über die Nachmeldung von EU- Vogelschutzgebieten berichtet, u. a.: „Sander schutzgebiet V 68 „Solling Vorland“. Nachdem im machte deutlich, dass er selbst betroffen sei, Dezember 2006 die Planung über die Abgrenzung weil sein Hof im Landkreis Holzminden in einem dieses Gebietes im Niedersächsischen Umweltmi- Schutzgebiet liege.“ Die Emder Zeitung vom nisterium abgeschlossen worden war, wird diese 7. November 2006 berichtet zu einer Folgever- anstaltung wie folgt: „Er muss! Denn eigentlich Frage mit den Beteiligten erörtert. Eine Entschei- will er gar nicht.“ Bezug genommen wird auf die dung ist noch nicht getroffen worden. erforderliche Nachmeldung von EU-Vogel- schutzgebieten. „Er muss die Vorgaben umset- Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der zen, sonst bekommt er mächtig Ärger mit der im Fragetext mehrfach erwähnten „Kreisratsitzung“ EU … also sagte Sander den Menschen, dass er eigentlich auf ihrer Seite steht, aber nicht an- bzw. „Kreisrat-Sitzung“ eine Kreistagssitzung ge- ders kann.“ meint ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landes- Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine regierung Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: 1. Das Erscheinen von Minister Sander hat auf der o. g. Sitzung den Berichten zufolge zu ei- Zu 1 bis 3: Eine Beantwortung der Fragen erübrigt nem Eklat und zu einer Beschwerde beim Mi- sich, weil Herr Minister Sander an der Kreistagssit- nisterpräsidenten geführt. Wie beurteilt der Mi- zung nicht teilgenommen hat. nisterpräsident diesen Vorgang, und wie hat er gegenüber dem Beschwerdeführer reagiert? Anlage 41

2. In welcher Funktion hat Minister Sander an Antwort der Kreisrat-Sitzung am besagten Tage teilge- nommen, und aufgrund welcher Datenlage/Kar- tengrundlage und nach welchen fachlichen Kri- des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr terien beurteilt Hans-Heinrich Sander die Stel- auf die Frage 43 der Abg. Ina Korter und Hans- lungnahme der unteren Naturschutzbehörde Joachim Janßen (GRÜNE)

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Versteckt sich Minister Hirche hinter dem ministeriums (Liegenschaftsfonds Niedersachsen, Landesrechnungshof? LFN). Es ist das Ziel der Landesregierung, für die Die Gemeinde Butjadingen müsse den Hafen nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften nach Fedderwardersiel übernehmen, teilte Wirt- der Privatisierung der Hafenverwaltung generell schaftsminister Hirche der am 13. März 2007 im eine neue Trägerschaft zu finden. Die Abgrenzung Butjadinger „Hof Iggewarden“ auf Einladung der zwischen betriebsnotwendigen und nicht betriebs- örtlichen CDU zum Labskaus-Essen versam- melten Runde mit. „Wir haben Auflagen des notwendigen Liegenschaften wurde eng mit dem Landesrechnungshofes, dass wir den Hafen Finanzministerium abgestimmt, die Übertragung veräußern müssen“, zitiert die Nordwest- der betriebsnotwendigen Liegenschaften auf Zeitung vom 15. März 2007 den Minister wört- NPorts ist mit Beschluss des Landtages erfolgt. lich.

Außerdem beteuerte Minister Hirche, die Zu- Nach Artikel 57 der Niedersächsischen Verfassung fahrt zum Hafen werde erhalten, wenn die Na- verwalten die Gemeinden und Landkreise ihre tur es zulasse, und sprach dabei von einem Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eige- vertretbaren Umfang. Auch beim Thema Ha- ner Verantwortung. Sie sind, soweit gesetzlich fenzufahrt verweist der Minister auf den Lan- desrechnungshof: „Wir haben den Landesrech- nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, in nungshof im Nacken“, zitiert ihn die Nordwest- ihrem Gebiet die ausschließlichen Träger der ge- Zeitung vom 15. März. samten öffentlichen Aufgaben. Der Landesrech- Nach den Einlassungen des CDU-Abgeord- nungshof (LRH) unterstützt das Vorgehen der neten Björn Thümler bei der Butjadinger Labs- Landesregierung und fordert eine stärkere Kon- kaus-Mahlzeit ist davon auszugehen, dass die zentration von Niedersachsen Ports auf seine Landesregierung in der Zwischenzeit - trotz Kernaufgaben. mehrfacher gegenteiliger Beteuerungen - auch die Finanzierbarkeit und die naturschutzrechtli- Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen che Umsetzbarkeit der sogenannten Wega- Rinne geprüft hat. Die Forderungen nach Was- namens der Landesregierung wie folgt: serbaumaßnahmen (Wega-Rinne: Herstellung und Stabilisierung durch beispielsweise sand- Zu 1: In der Prüfungsmitteilung des LRH vom gefüllte Textilschläuche) sei so nicht erfüllbar, 27. September 2006 (Az. 4.2-0830/3.1-05) führt weil sie nicht finanzierbar und aus Gründen des der Landesrechnungshof unter Tz. 19 aus (S. 1 Naturschutzes auch nicht umsetzbar seien, schreibt die Nordwest-Zeitung unter Berufung der Prüfungsmitteilung): auf Herrn Thümler in ihrem oben genannten Bericht. „Das MW sollte eine Hafenkonzeption erarbei- ten, die eine nach sachlichen Kriterien entwi- Wir fragen die Landesregierung: ckelte Aufteilung der Aufgaben und Standorte 1. Wann und mit welchem genauen Wortlaut auf das Land und Dritte enthält. Als Träger hat der Landesrechnungshof die Landesregie- kommunaler Häfen kommen auch Zweckver- rung aufgefordert, den Hafen Fedderwardersiel bände in Betracht (Tz 19). zu veräußern? Aufgaben in von der Niedersachsen Ports 2. Auf welche genaue Äußerung des Landes- rechnungshofes stützt Minister Hirche seine GmbH & Co. KG (NPorts) betriebenen Häfen Aussage, Maßnahmen zur vom Landtag 1997 mit ausschließlich touristischer und lokalge- einstimmig zugesicherten Freihaltung des Fed- schichtlicher Relevanz sollten auf kommunale derwarder Priels müssten sich in einem „ver- Träger übergehen oder zumindest von diesen tretbaren Rahmen“ halten, und wie hat der Landesrechnungshof dabei diesen Rahmen finanziert werden (Tz. 20).“ quantifiziert? Auf Seite 8 der Prüfungsmitteilung wird vom Lan- 3. Auf welche konkreten Untersuchungen, desrechnungshof ausgeführt: Kostenberechnungen oder fachgutachterlichen Einschätzungen stützt sich die Aussage, die „Wir bitten das MW, eine Hafenkonzeption zu sogenannte Wega-Rinne sei nicht finanzierbar und aus Gründen des Naturschutzes auch nicht erarbeiten und eine nach sachlichen Kriterien umsetzbar? entwickelte Aufteilung der Aufgaben und Standorte für kommunale Häfen und Landes- Der Hafen Fedderwardersiel gehört nach der Pri- häfen mit dem Ziel einer weiteren Kommunali- vatisierung der bisher staatlichen Hafenverwaltung sierung von Insel- und Versorgungshäfen vor- zu den nicht betriebsnotwendigen Liegenschaften zunehmen. und unterliegt damit der Zuständigkeit des Finanz-

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In diese Überlegungen sollten auch die Häfen durch großtechnische wasserbauliche Maßnahmen Fedderwardersiel und Hooksiel einbezogen zu beeinflussen sind. werden, die aufgrund ihrer Struktur künftig ebenfalls kommunal betrieben werden sollten.“ Trotz der eindeutigen Einschätzung der Fachgut- achter FSK und BAW ist - hypothetisch - der Bau Unter Tz. 20 wird weiter ausgeführt: eines Leitdammes kalkuliert worden. Im Ergebnis sind Kosten für den Bau eines Leitdammes und „… In diesem Zusammenhang ist die Unterhal- einer Initialbaggerung in der Wega-Rinne von über tung und Pflege von ausschließlich touristisch 11 Millionen Euro sowie Unterhaltungskosten von oder regional relevanten Einrichtungen zu nen- über 2,3 Millionen Euro p. a. zu erwarten. nen. Es entspricht u. E. nicht der verfassungs- und kommunalrechtlich vorgegebenen Aufga- Da sowohl aufgrund der morphologischen Ein- benteilung zwischen Land und Kommunen, schätzung der Fachgutachter als auch aufgrund wenn NPorts sich auch für die Einrichtung und der Vorkalkulation der Maßnahme die Umsetzung Pflege von ausschließlich touristischer oder lo- als unrealistisch erschien, wurde eine vertiefte kalgeschichtlicher Infrastruktur an dem Hafen naturschutzrechtliche Prüfung nicht durchgeführt. verantwortlich fühlt.“ Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Umsetzung dieser Maßnahme massive Eingriffe in Zu 2: Der „vertretbare Rahmen“ wird definiert den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer durch den § 7 der Landeshaushaltsordnung, der bedeuten würde. Es ist in diesem Zusammenhang bestimmt, dass bei Ausführung des Haushalts- nicht auszuschließen, dass zur Umsetzung ein plans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und öffentlich-rechtliches Genehmigungsverfahren mit Sparsamkeit zu beachten seien. Weiterhin sind für einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach europäi- Maßnahmen von finanzieller Bedeutung angemes- schem Naturschutzrecht erforderlich ist. sene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzu- führen. Aufgrund der gesetzlichen Regelung be- Anlage 42 darf es keiner Quantifizierung des Landesrech- nungshofes in diesem Punkt. Antwort

Zu 3: In der „Machbarkeitsstudie hinsichtlich groß- der Staatskanzlei auf die Frage 44 des Abg. Ralf räumiger morphologischer Untersuchungen von Briese (GRÜNE) Gestaltungsvorgängen im Bereich Langlütjensand“ Weitere Politisierung von Gremien der Me- (NLWKN - Forschungsstelle Küste, 05/2006) wird dienaufsicht - Ist die unabhängige und pro- auf Seite 5 und 6 ausgeführt: fessionelle Medienkonzentrationskontrolle in Gefahr? „... kann im Einklang mit den bisherigen Unter- Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung vom suchungen festgestellt werden, dass die For- 31. März 2007 planen die Staatskanzleien der men von Baggerungen keine nachhaltigen ne- Länder eine Reform der Kommission zur Er- gativen Auswirkungen auf die morphologische mittlung der Konzentration im Medienbereich Entwicklung hatten. Sie sind nur hinsichtlich der (KEK). Im privaten Rundfunk entscheiden die sechs weisungsfreien KEK-Sachverständigen Dauer einer - vorübergehenden - Besserung bislang über Zulassungen und Beteiligungen wirksam. Wie ebenfalls in den Untersuchungen auf dem demokratiesensiblen Sektor der soge- zur Optimierung der Baggerstrategie dargelegt, nannten vierten Gewalt. Eine professionelle ist das Baggern eines neuen Hafenzugangs im Medienkonzentrationskontrolle ist für eine funk- tionierende Demokratie essentiell. Die KEK hat Bereich der ‚Wega-Rinne‘ sowohl in morphody- erst kürzlich die hoch umstrittene Springer-Pro- namischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht Sieben-Fusion untersagt und damit ein großes keine Erfolg versprechende Lösung. Auf ab- Medienkartell unterbunden. Diese Entschei- sehbare Zeit stünde eine solche Rinne nicht in dung wurde für die Aufrecherhaltung einer aus- differenzierten Medienlandschaft in Deutsch- Einklang mit der Konfiguration und den mor- land in weiten Teilen begrüßt. Allerdings haben phologischen Trends im Umfeld.“ verschiedene Staatskanzleien während des Verfahrens versucht, Einfluss auf die KEK zu Mit diesen Aussagen, die beim Vortrag des FSK nehmen - vor allem aus regionalen Standortin- und der BAW im Hafenausschuss am 6. Februar teressen heraus. Die fachlich richtige Entschei- dung der KEK war nur möglich, weil die fachlich 2007 auch ausführlich erläutert wurden, ist festzu- versierten Mitglieder der KEK große Unabhän- halten, dass die morphologischen Veränderungen gigkeit bei gleichzeitiger fachlicher Kompetenz im Fedderwarder Priel langfristiger Natur und nicht besitzen.

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Geplant ist nun die Angliederung der KEK an Die Länder haben sich vorgenommen, Organisati- eine Landesmedienanstalt. Zudem sollen sechs on und Zusammenarbeit der Landesmedienan- der vierzehn Direktoren der Landesmedienan- stalten das Gremium verstärken. Dieses Vor- stalten insgesamt neu zu strukturieren mit dem haben irritiert Beobachter in höchstem Maße. Ziel, dass bundesweit zu treffende Entscheidungen Zum einen hat sich Ministerpräsident Christian insbesondere in Zulassungs-, Zuweisungs- und Wulff stets für kleine arbeitsfähige Aufsichts- Zugangsfragen für private Anbieter einheitlich und gremien ausgesprochen und seine Zweifel an aufgeblähten Gremien bekundet. Zum anderen verbindlich erfolgen. In diesem Zusammenhang wird nunmehr ein weiteres politisch unabhängi- stehen auch die geplanten Änderungen der Be- ges Aufsichtsgremium in der Medienlandschaft stimmungen des Rundfunkstaatsvertrages, die die im weiteren Sinne durch die Exekutive in ihrer KEK berühren. Unabhängigkeit eingeschränkt. Der Vorsitzende der KEK, Professor Dieter Dörr, ist über die Pläne verärgert und sieht sowohl die Arbeitsfä- Im Bereich der Kontrolle der Medienkonzentration higkeit als auch die Unabhängigkeit der KEK gibt es derzeit neben der KEK noch die KDLM gefährdet. (Konferenz der Direktoren der Landesmedienan- stalten). Beide Einrichtungen fungieren in abge- Die weitere Politisierung von unabhängigen staatsfernen Aufsichtsorganen hat in Nieder- stufter Weise als Organe der jeweils zuständigen sachsen, entgegen den öffentlichen Verlautba- Landesmedienanstalt bei deren medienkonzentra- rungen des Ministerpräsidenten, in dieser Le- tionsrechtlichen Entscheidungen. Dabei ist die gislatur laut Medienberichten eine fragwürdige KDLM der KEK übergeordnet: Ein Beschluss der Tradition. Die Ministerpräsidenten der Länder haben bereits in einer sehr umstrittenen Ent- aus sechs Sachverständigen bestehenden KEK ist scheidung die reputierliche und politisch unab- für die Landesmedienanstalt dann nicht bindend, hängige KEF desavouiert, indem der KEF-Vor- wenn die KDLM mit Dreiviertelmehrheit eine ande- schlag zur Gebührenanpassung im öffentlich- re Entscheidung trifft. rechtlichen Rundfunk übergangen wurde. Hier- gegen ist bereits Verfassungsklage durch die Sender erhoben worden. Die Länder haben sich darauf verständigt, die KDLM aufzulösen. Damit entfällt die Möglichkeit, Auch der Verwaltungsrat des NDR ist mit Ver- dass die KDLM ein Votum der KEK ändern /über- tretern der Staatskanzleien besetzt worden, stimmen kann. Der KEK sollen stattdessen zukünf- obwohl bis heute nicht klar ist, warum diese mit welcher Funktion dort eigentlich sitzen. Des tig neben den bisherigen sechs Sachverständigen Weiteren wurde die Landesmedienanstalt in sechs Direktoren der Landesmedienanstalten in Niedersachsen mit mehr Parteivertretern auf- angemessener Rotation unmittelbar angehören. gestockt. Somit drängt sich nach Meinung un- Den Vorsitz in der KEK soll ein Vertreter der beru- abhängiger Beobachter der Verdacht auf, dass Stück für Stück wichtige Aufsichtsorgane im fenen Sachverständigen übernehmen und bei Medienbereich politisiert werden. Die wichtige Stimmengleichheit soll seine Stimme den Aus- Staatsferne im Medienbereich wird damit unter- schlag geben. Im Ergebnis wird also die „Durch- graben. schlagskraft“ der Sachverständigen gesichert. Die Ich frage die Landesregierung: KEK handelt weiterhin als Organ der jeweils zu- ständigen Landesmedienanstalt; es gibt keine 1. Warum wird neben der KEF nun ein weiteres feste Angliederung an eine bestimmte Landesme- unabhängiges und fachlich versiertes Medien- aufsichtsorgan durch die Exekutive in seiner dienanstalt. Eine Geschäftsstelle soll der Kommis- Unabhängigkeit verletzt? sion nicht durch Staatsvertrag oder Beschluss der Ministerpräsidenten vorgegeben werden; die Ge- 2. Wer in der medienwissenschaftlichen Fach- schäftstellenfunktion soll vielmehr von der Landes- welt hat sich für das zukünftige Modell der Me- dienkonzentrationskontrolle ausgesprochen? medienanstalt eines in die KEK berufenen Direk- tors übernommen werden. Sie wird damit im Ver- 3. Sind mit der Neuausrichtung der KEK Stand- lauf der Jahre immer einmal wieder wechseln. ortinteressen der Länder verbunden? Mit diesen geplanten Veränderungen wird erkenn- Mit der Fragestellung wird der Eindruck zu erwe- bar gerade kein Einfluss von Staat und Politik auf cken versucht, die geplanten Veränderungen bei die KEK geschaffen oder verstärkt. Die KEK bleibt der Kommission zur Ermittlung der Konzentration wie bisher unabhängig. Ihre Stellung wird sogar im Medienbereich (KEK) hätten das Ziel, diese gestärkt; denn ohne eine KDLM sind die Entschei- Einrichtung in ihrer Unabhängigkeit einzuschrän- dungen der KEK unmittelbar verbindlich. Der Fort- ken. Das Gegenteil ist der Fall. fall der KDLM bedeutet außerdem eine deutliche Verfahrensvereinfachung.

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Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage Für Hilfebedürftige nach dem SGB II, die im Gebiet namens der Landesregierung wie folgt: des Landkreises Rotenburg/Wümme wohnen, ist der Landkreis als sogenannter zugelassener kom- Zu 1: Wie einleitend dargestellt, berühren die von munaler Träger (Optionskommune) zuständig. den Ländern geplanten Veränderungen nicht die Unabhängigkeit der KEK. Zugelassene kommunale Träger wenden, wie auch die Arbeitsgemeinschaften nach dem SGB II, glei- Zu 2: Das zukünftige Modell der Medienkonzentra- chermaßen die gesetzlichen Regelungen des tionskontrolle ist das Ergebnis intensiver Beratun- SGB II zur Einkommensanrechnung an. Die gen der Ländergemeinschaft. Rechtsfrage, wie mit Konfirmationsgeschenken zu verfahren ist, wurde bereits im November 2006 an Zu 3: Nein. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Anlage 43 (BMAS) herangetragen. Mit Schreiben des Parla- mentarischen Staatssekretärs hat das BMAS die Antwort Ansicht vertreten, dass Konfirmationsgeschenke, die während des Bedarfszeitraumes zufließen, des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen Gesundheit auf die Frage 45 der Abg. Stefan seien. Ausdrücklich unberücksichtigt bleiben nach Wenzel und Ursula Helmhold (GRÜNE) § 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung ein- Konfirmationsgeld als Einkommen? malige Einnahmen, die jährlich 50 Euro nicht über- steigen und in größeren als monatlichen Zeitab- Im Landkreis Rotenburg/Wümme hat die Frage ständen anfallen. Diese Ausführungen führten zu der Anrechnung von Konfirmationsgeschenken auf Leistungen des Sozialgesetzbuches II zu einer Rechtsunsicherheit, die auch eine Anfrage einer Auseinandersetzung um die geltende des Landkreises Rotenburg beim Niedersächsi- Rechtslage und deren Auslegung durch das schen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie örtliche Arbeitsmarktportal ArWOH sowie das und Gesundheit (MS) nach sich zog. MS teilt die zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales geführt. vorstehend dargestellte Rechtsauffassung des BMAS jedoch nicht. Zwar steht außer Zweifel, dass Wir fragen die Landesregierung: es sich bei der Entgegennahme von Geldgeschen- 1. Welches Ermessen lassen die Bestimmun- ken um die Erzielung von Einkommen im Sinne gen des SGB II und der dem SGB II nachge- des § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II handelt. Indessen ordneten Rechtsverordnungen den die Leistun- liegt hier eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne gen des Arbeitslosengeldes II (ALG II) bewilli- des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II vor, die einem ande- genden Stellen bei der Anrechnung von Kon- firmationsgeschenken und anderen Geschen- ren Zweck als die Leistungen nach dem SGB II ken zu? dient und, solange sie die übliche Höhen von Kon- firmationsgeschenken nicht überschreitet, nach 2. Welche Rechtsinterpretationen hat das zu- den Regelungen des SGB II nicht anzurechnen ist. ständige Sozialministerium im vorliegenden Fall vorgenommen, um eine Nichtanrechnung der Konfirmationsgeschenke zu erreichen? Erst nachdem die zutreffenden rechtlichen Ausfüh- rungen des MS in die Diskussion Eingang fanden, 3. Bedarf es zur Nichtberücksichtigung von erklärte die Bundesagentur für Arbeit, dass diese Geldgeschenken an Kinder und Jugendliche ei- Geldgeschenke nicht zu einer Leistungskürzung ner rechtssichereren Regelung im SGB II oder in entsprechenden Verordnungen und Verwal- führen dürfen. Dies hat inzwischen auch das tungsvorschriften des BMAS (z. B. mit individu- BMAS bestätigt. ellen und örtlichen Öffnungsmöglichkeiten), o- der reicht dazu ein entsprechender Erlass der Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Landesregierung an alle für das ALG II zustän- Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: digen Stellen? Zu 1: Bei der Entscheidung über die Anrechenbar- Ein Einzelfall aus dem Bereich des SGB II, bei keit von Einnahmen als Einkommen im Sinne des dem die Rechtsfrage zu entscheiden war, wie mit § 11 SGB II steht den Trägern der Grundsicherung Geldgeschenken aus Anlass einer Konfirmation für Arbeitsuchende kein Ermessensspielraum zu. umzugehen ist, hat zu bundesweiter Aufmerksam- Sie müssen in Fällen wie dem vorliegenden prüfen, keit in den Medien sowie zu einer Kleinen Anfrage ob die Einnahme einem anderen Zweck als die beim Deutschen Bundestag (BT-Drs. 16/4982) Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt geführt.

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ist und ob die Lage des Empfängers so begünstigt wird, dass daneben Leistungen des SGB II nicht gerechtfertigt wären (§ 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II). Rechtstechnisch handelt es sich hierbei nicht um die Ausübung von Ermessen, sondern um die An- wendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, des- sen Rechtmäßigkeit - anders als der Ermessens- gebrauch - von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen ist.

Zu 2: Das Sozialministerium hat als die gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 SGB II für die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger zuständige Landesbehörde folgenden Hinweis für die Rechts- anwendung gegeben:

„Hierbei kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Konfirmation nach wie vor ein bürgerli- ches Initiationsritual darstellt, das als wichtiger Meilenstein auf dem Weg ins Erwachsensein gilt. Dieser Bedeutung der Konfirmation tragen auch die Geschenke Rechnung, die den Start in ein selbständiges Leben ermöglichen sollen, wie z. B. eine Aussteuer. Wenn sie in Bargeld bestehen, gilt nichts anderes; dieses soll nicht der Deckung des aktuellen Lebensunterhaltes oder kurzfristigem Vergnügen dienen, sondern der Ausstattung mit einem kleinen Grundstock an Vermögen für das weitere Leben. Das kann in der Form der Überlassung eines Sparbu- ches, von Wertpapieren oder auch von Bargeld geschehen. Von dieser Zweckbestimmung her ist es gerechtfertigt, dieses Einkommen wie Vermögen zu behandeln, das bis zu der in § 12 Abs. 2 Nr. 1 a SGB II bestimmten Höhe an- rechnungsfrei bleibt.“

Zu 3: Ein Handlungsbedarf wird nicht gesehen.

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