„Obelix Im Zaubertrank“ Stefan Schumacher Galt Als Nachfolger Jan Ullrichs, Gewann Zwei Etappen Bei Der Tour De France
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SPIEGEL-GESPRÄCH „Obelix im Zaubertrank“ Stefan Schumacher galt als Nachfolger Jan Ullrichs, gewann zwei Etappen bei der Tour de France. Dann wurde er des Dopings überführt. Er stritt alles ab. Nun spricht der Radprofi erstmals über die Spritzen und sein Leben mit der Lüge. Athlet Schumacher während der Tour de France 2008 Sport Schumacher, 31, geht es nicht gut an die - Im Jahr 2000 unterschrieb Schumacher jetzt habe ich mir gedacht, du nimmst sem Tag. Er hat Fieber. Dennoch steht er seinen ersten Vertrag im Jan-Ullrich- das Zeug, und es geht wieder voll ab. in der Lobby des Hotels The Ziba in Pe - Nachwuchsteam beim Team Telekom. Er SPIEGEL: Wie war der Effekt? schiera am Gardasee. Er will reinen verdiente zwischen 1500 und 2000 Mark Schumacher: Ich habe eine Woche lang Tisch machen, öffentlich reden. Schu - im Monat. Gut ein Jahr später wurde das Wachstumshormon genommen. Im Trai - macher trägt den schwarzen Trainings - Nachwuchsteam wieder aufgelöst. Drei ning habe ich gedacht: Ich fliege, das ist anzug seines Radteams Christina Wat - Fahrer, unter ihnen Schumacher, wurden irre, jetzt bin ich Weltklasse. Aber im ches-Onfone, einer drittklassigen Mann - ins Team Telekom übernommen. Rennen war ich dann so schlecht wie vor - schaft aus Dänemark. Schumacher ge - her auch. Im Grunde haben mich die Hor - wann vor fünf Jahren zwei Etappen der SPIEGEL: Sie waren jetzt mit Erik Zabel mone noch weiter in den Keller gezogen. Tour de France und galt als Vertreter ei - und Jan Ullrich in einer Mannschaft – SPIEGEL: Gibt es eine Erklärung dafür? ner neuen, sauberen Profi-Generation. waren Sie am Ziel Ihrer Jugendträume Schumacher: Im Herbst 2003 hat mich ein Im Oktober 2008 kam dann heraus, dass angekommen? Arzt vom Team Telekom aufgeklärt. Die zwei Dopingkontrollen Schumachers von Schumacher: Anfangs war ich fasziniert. Szene war fast wie in einem Film. Ich der Tour de France positiv waren. „Ich Ron Sommer, der damalige Telekom-Chef, habe den Arzt offen auf Doping ange - habe nie gedopt“, beteuerte er damals. und Kanzler Gerhard Schröder haben mir sprochen. Er hat erst ein bisschen rum - Es war gelogen. in Berlin die Hand geschüttelt. Ich bekam gedruckst, doch dann hat er gesagt, er ein Auto gestellt, einen Audi A4 mit Voll - verstehe meine Situation, und hat erzählt SPIEGEL: Herr Schumacher, haben Sie ge - ausstattung, dazu vertraglich 30 000 Euro von Testosteron, Wachstumshormon, dopt? im Jahr. Für einen 20-Jährigen ist das gi - Epo, Kortikosteroiden, Bluttransfusionen. Schumacher: Ja. Ich habe Epo genommen, gantisch. Aber dann bekam ich den Druck Ich habe an diesem Tag meine Jungfräu - auch Wachstumshormon und Kortikoste - zu spüren. Selbst wenn ich gesundheitlich lichkeit verloren. Er hat mir dann auch roide. angeschlagen war, wurde ich angetrieben, erklärt, dass es völliger Quatsch war, was SPIEGEL: Im Februar 2009 sind Sie im ich gemacht habe. Es bringe gar nichts, ) „Sportstudio“ des ZDF aufgetreten. Sie . das Zeug zu nehmen, wenn man körper - R ( A sagten: „Ich habe noch nie in meinem Le - P lich am Ende sei. D / ben gedopt.“ Stattdessen haben Sie über SPIEGEL: Ihre Zeit bei Telekom war nicht K C I L Verfahrensfehler räsoniert. Warum haben K lang. Sie mussten nach zwei Jahren zu N E Sie damals nicht die Wahrheit gesagt? G einem drittklassigen Team wechseln. War U A / Schumacher: Für diesen Auftritt schäme das eine Demütigung? H T O R Schumacher: ich mich. Ich war psychisch so angeschla - Die Schmach und die Ernied - ; ) . L ( gen, dass ich keine klaren Gedanken fas - rigung, bei Telekom nicht ernst genom - A P D sen konnte. Ich war wie in einem Tunnel, men worden zu sein, waren groß. Ich galt / E lange Zeit nicht in der Lage, zu bedauern, C als eines der größten deutschen Talente, N A I L was ich getan habe. Stattdessen fühlte ich L als die Zukunft des Radsports, und gurkte A - E mich rausgekickt. Das Spiel wurde ein - R in einem drittklassigen Team rum. Und U T C I fach weitergespielt. Nur ohne mich. Ich P jetzt kam auch das Wissen dazu, was vie - / E dachte, ich könnte mich dagegen wehren. R le andere Fahrer machen. Irgendwann ist E G U Dass der Sport sauber werden könnte, A daraus die Motivation entstanden, es al - F . habe ich damals für Humbug gehalten. F len zeigen zu wollen. Ich habe trainiert SPIEGEL: Sie hatten gedopt und fühlten Manager Holczer, Fahrer Schumacher 2008 wie ein Verrückter und habe dann auch sich dennoch als Opfer? „Der hat mitbekommen, was passiert ist“ intensiver mit den Dopingsachen ange - Schumacher: Damals schon, ich hatte ja fangen. niemals den Wunsch zu dopen. Ich wollte vorn im Feld zu fahren oder Tempo zu SPIEGEL: Was genau? nur nicht gegenüber den anderen nach - machen. Schumacher: Vor allem Wachstumshor - stehen. Ich habe mich als 20-Jähriger in SPIEGEL: Haben Sie mit Kollegen über Do - mon. ein System eingefügt. Das macht mich ping geredet? SPIEGEL: Schon wieder? nicht stolz, aber es war eben so. Und nun Schumacher: Ich habe gedacht, dass mal Schumacher: Wenn ich das Zeug genom - stellten mich ausgerechnet diejenigen an ein Arzt kommt und mir dann sagt, was men hatte, entstand das Gefühl, dass ich den Pranger, die für dieses System mit - Sache ist. Aber niemand kam. Und von nicht kaputtgehe. Wenn man trainierte verantwortlich waren. Das hat mir ex - den Fahrern hat zu Beginn auch keiner oder ein Rennen zu viel fuhr, war die trem zu schaffen gemacht. etwas erzählt. Trotzdem habe ich einige Leistung trotzdem schnell wieder da. Auf SPIEGEL: In knapp zwei Wochen werden Dinge mitbekommen, auf die ich mir mei - Dauer hat das einen großen Effekt, gera - Sie vor Gericht stehen. Laut der Staats - nen Reim machen konnte. de bei extremen Belastungen wie bei anwaltschaft Stuttgart sollen Sie den da - SPIEGEL: Doping kam damals für Sie noch einer dreiwöchigen Rundfahrt. Die Hor - maligen Rennstallbesitzer des Teams Ge - nicht in Frage? mone verzeihen dir viel. Meist habe ich rolsteiner betrogen haben. Haben Sie Ih - Schumacher: Bis ich reif war zu dopen, Wachstumshormon und Kortikosteroide ren Arbeitgeber Hans-Michael Holczer dauerte es. Es hat Überwindung gekostet, kombiniert. über Ihr Doping belogen? obwohl die eigentliche Handlung ganz SPIEGEL: Haben Sie auch Epo genommen? Schumacher: Ich habe viele Fans betrogen, einfach ist: nur ein kleiner Piks in die Schumacher: Später schon, Epo ist im Aus - auch meine Familie, meine Frau, meine Bauchdecke. Ich hatte mir zwar irgend - dauersport das effektivste Mittel. Ich habe Freunde. Das tut mir wahnsinnig leid. wann Wachstumshormon besorgt, es aber jedoch von Natur aus einen hohen Hä - Aber in dem Prozess geht es um die Fra - zunächst wieder zurückgegeben. Dann matokritwert, ich konnte nur mit Mikro - ge, ob ich Holczer betrogen, angelogen habe ich im zweiten Jahr bei Telekom dosen arbeiten, um bei Kontrollen nicht und getäuscht habe – jemanden, der zu viel Gas gegeben. Aber es stellten sich aufzufallen. Vor allem darf man den Pla - dieser Zeit bei fast allen Rennen dabei keine Erfolge ein. Ich bin in ein Loch ge - cebo-Effekt nicht unterschätzen. Du hast war und auch mit den Ärzten gesprochen fallen und musste wegen Pfeifferschen das Gefühl, dass es jetzt richtig abgeht – hat. Der hat schon mitbekommen, was Drüsenfiebers monatelang pausieren. Ich ohne großartig in die Pedale zu treten. um ihn herum passiert ist. war stolz gewesen, sauber zu sein. Aber Du fühlst dich wie ein Kind, das wie Obe - # $" ! 14/2013 95 Sport lix in den Zaubertrank gefallen ist. trainiert bist, überstehst du die Ich habe dann auch prompt meine Strapazen der Tour nicht. erste Etappe eines Profi-Rennens SPIEGEL: Nach der Tour starteten gewonnen. Sie bei der WM in Stuttgart, Sie SPIEGEL: Wollen Sie behaupten, gewannen Bronze. Es gab Doping - dass die psychische Wirkung grö - verdächtigungen gegen Sie. Wie ßer ist als die physische? haben Sie reagiert? Schumacher: Die Rennen werden Schumacher: Heute ist klar, dass die A P am Ende im Kopf entschieden. D Anschuldigungen falsch waren. / E Die Schmerzen sind dann wahn - C Die Werte haben einfach nicht N A I L sinnig. Und wenn man im Finale L gestimmt, das war Schluderei. A - E geschlagen wird, ist das wie eine R Objektiv muss man aber sagen, U T C körperliche Erniedrigung. Wenn I dass die Fahnder nicht den Fal - P / ich das erlebe, bin ich eher bereit, Y schen getroffen haben. Subjektiv V U O alles zu nehmen, um das nächste B habe ich das damals dennoch als S A Mal ein bisschen weniger Schmer - L Rufmord betrachtet. Ich hatte bei O C I zen zu haben. Wenn ich Epo sprit - N der WM alles gegeben, was in mir ze, fangen die Beine etwas später Etappensieger Schumacher*: „Alle hatten Schiss“ steckte, wegen meiner Bronze - an zu brennen. Epo gab mir das medaille wurde ich als Held ge - Gefühl von Chancengleichheit. Dadurch SPIEGEL: Haben Sie bei Gerolsteiner Ihr feiert. Und dann war alles weg. Der entstand vor allem eine psychische Ab - Dopingkonzept geändert? Schmerz und die Verwirrung waren un - hängigkeit. Schumacher: Nein, ich habe zwar mal Epo endlich groß. SPIEGEL: Haben die Siege Sie verändert? anderer Hersteller ausprobiert, aber die SPIEGEL: Offenbar so groß, dass Sie nach Schumacher: Wenn man einmal das Ge - Dosierung blieb ziemlich konstant. einer durchzechten Nacht mit Ihrem fühl erlebt hat, will man es immer wieder SPIEGEL: Woher haben Sie die Präparate Auto in einen Gartenzaun gefahren sind. haben. Deshalb habe ich die Spielregeln bekommen? In Ihrer Blutprobe fand die Polizei Spu - akzeptiert. Siege wurden mein Maßstab. Schumacher: Zum Großteil von unseren ren von Ecstasy, einer beliebten Party - Anfangs habe ich wegen der Dopingmit - Teamärzten. droge. tel einen inneren Kampf geführt, aber Schumacher: Für mich war Alkohol eine dieses Zerrüttetsein ist irgendwann weg. 2007 gewann Schumacher seinen ersten Zeitlang ein Allheilmittel, um meine mie - Doping wird zum Alltag, wie der Teller Klassiker, das Amstel Gold Race in Hol - se Stimmung zu vergessen.