Prog 09 20/21OKT Umschlag 181011
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20./21. OKT 2018 Janowski mit Bruckner MUSIK UND LITERATUR © Karel Kühne © Karel 10. NOV 2018, SA, 19.30 Uhr KULTURPALAST Zwischen Krieg und Frieden 1618 – 1918 – 2018 Martina Gedeck | Sprecherin Norbert Schuster | Leitung Ensemble Amarcord und Gäste Philharmonischer Chor Dresden Cappella Sagittariana Dresden Tickets 39 | 34 | 29 | 23 | 18 Euro [email protected] Schüler, Studenten 9 Euro dresdnerphilharmonie.de PROGRAMM Joseph Haydn (1732 – 1809) Sinfonie Nr. 100 G-Dur „Militär“ Adagio — Allegro Allegretto Menuet. Moderato Finale. Presto PAUSE Anton Bruckner (1824 – 1896) Messe Nr. 3 f-Moll für Soli, Chor und Orchester Kyrie. Moderato Gloria. Allegro — Andante (mehr Adagio). Sehr langsam — Tempo I — Ziemlich langsam Credo. Allegro — Moderato misterioso — Allegro — Tempo I — Moderato — Allegro Sanctus. Moderato — Allegro Benedictus. Allegro moderato — Allegro Agnus Dei. Andante — Moderato Marek Janowski | Dirigent Camilla Nylund | Sopran Christa Meyer | Alt Bernhard Berchtold | Tenor Günter Groissböck | Bass MDR-Rundfunkchor Philipp Ahmann | Einstudierung Dresdner Philharmonie Das Konzert am 20. Oktober 2018 wird vom Deutschlandfunk aufgezeichnet und zu einem späteren Zeitpunkt gesendet. Wolfgang Stähr FRIEDLIEBENDE MILITÄRMUSIK JOSEPH HAYDNS 100. SINFONIE Im Jahr 1785 sollte Joseph Haydn entführt sensationslüsterne britische Presse freilich werden. Eine englische Tageszeitung rief nicht allzu genau, denn Haydn erhielt die Öffentlichkeit zu diesem kühnen, aber in Diensten des ungarischen Magnaten- notwendigen Vorhaben auf. „Haydns Ge- geschlechts der Esterházy ein Spitzengehalt, schick muss jedes freisinnige Gemüt zutiefst und der regierende Fürst Nikolaus Joseph, erschüttern. Dieser unvergleichliche Mann, genannt „der Prachtliebende“, wusste den der Shakespeare der Musik, der Triumph Ausnahmerang seines Kapellmeisters des Zeitalters, in dem wir leben, ist dazu unbedingt zu schätzen. Da der kunstsinnige verdammt, seine Tage am Hofe eines elenden Aristokrat jedoch eine recht einseitige deutschen Fürsten zu fristen, der ihm alles Vorliebe für seine abgeschiedene Residenz schuldig bleibt, Lohn und Ehre“, beklagte am Neusiedler See hegte, das ungarische das Blatt. Haydn müsse sich mit einer Unter- Schloss Eszterháza, spielte sich zwangsläufig kunft begnügen, die kaum besser sei als auch Haydns Leben fern der Metropolen ein Kerker, er werde von den Launen eines ab, ohne direkte Verbindung zur internatio- provinziellen Herrschers gedemütigt und nalen Musikszene. Andererseits kam ihm obendrein von seinem zänkischen Eheweib das ruhige und gleichmäßige Dasein eines tyrannisiert. „Wäre es da nicht eine hoch- privilegierten Kapellmeisters durchaus herzige Unternehmung, gleich einer Pilger- entgegen. Die alltägliche, gründliche Proben- fahrt“, fragte die Zeitung ihre Leser, „wenn arbeit mit der Hofkapelle erlaubte Haydn, ein aufstrebender Jüngling sich anschickte, der ein halber Autodidakt und ein Mann der Haydn von seinem Joch zu befreien und ihn Praxis war, seine sinfonischen Experimente nach Großbritannien zu verbringen, in das unbehelligt voranzutreiben, frei von den Land, für das seine Musik einzig geschaffen Zwängen des Marktes und der Mode. scheint?“ Mit der Wahrheit nahm es die 2 20./21.OKT 2018, Kulturpalast Joseph Haydn, Zeichnung von Georg Dance, 20. März 1794 Schließlich aber wurde Haydn doch nach England entführt, im schönsten Einvernehmen, ohne Gewalt und Intrige. Der geschäfts- tüchtige deutsche Geiger Johann Peter Salomon, der in London eine eigene Konzert- reihe veranstaltete, wollte im Wettstreit um die Gunst des Publikums mit einem veritablen Star vom Kontinent auftrumpfen. Und dank einer entschlossenen Überrumpelungstaktik gelang es ihm tatsächlich, den lange erwarteten Joseph Haydn für ein exklusives Gastspiel in Im einstmals berühmten Konzertsaal der der britischen Hauptstadt zu gewinnen. Zwar Hanover Square Rooms richtete Johann Peter stand Haydn nach wie vor bei den Esterházys Salomon seine Subskriptionskonzerte aus, unter Vertrag, aber sein prachtliebender die freitags um zwanzig Uhr begannen und Fürst war im Herbst 1790 gestorben, und der meist erst nach Mitternacht zu Ende gingen. amusische Amtsnachfolger hatte einstweilen Joseph Haydn stand unbestritten im Zentrum keine Verwendung für seinen prominenten des Geschehens oder, genauer gesagt, er Kapellmeister. Und so fuhr Haydn im – nach saß im Zentrum: am Fortepiano. Denn vom damaligen Begriffen – hohen Alter von 58 „Clavier“ aus, als eine Art idealisierter Jahren weit über Land und Meer bis ins ferne Continuospieler, leitete er das Orchester, London, um hier endlich, nach einem Vier- doch teilte er sich das Dirigat mit Salomon, teljahrhundert in der „traurigen Einsamkeit“ der als Konzertmeister neben ihm platziert von Eszterháza, den Ruhm eines gefeierten war und leicht erhöht auf einem Podest die Künstlers genießen zu können. übrigen Musiker überragte. Die Sinfonien, Janowski mit Bruckner 3 Hanover Sqare Rooms in London, Ort der Uraufführung von Haydns Sinfonie Nr. 100 und gewiss nicht zuletzt das Schlagwerk der „Tür- kischen Musik“, das einst mit den Janitscharen- kapellen nach Europa vor- gedrungen und längst in die westliche Militärmusik integriert war – alles die Haydn in „Mr. Salomon’s Concert“ auf- erinnerte die Hörer an den Krieg, den nahen, führte, avancierten rasch zum Tagesgespräch, realen Krieg gegen das revolutionäre Frank- ja zu einer in der Presse diskutierten Sensation. reich, das wenige Monate zuvor seinen König Haydns Londoner Sinfonie in G-Dur auf der Guillotine hingerichtet hatte. Hob. I:100 wurde von Anfang an „with the Und all das wurde damals, seit der Urauf- Militaire Movement“ oder „Great Militaire führung am 31. März 1794, vom Londoner Overture“ genannt. Und mit Recht. Die Publikum in einer Mischung aus Horror und stilbildenden Anklänge an Militärmärsche, Entzücken aufgenommen, als ein schaurig- martialisch, verspielt, elegant oder aggressiv schönes, hinreißend spektakuläres Erlebnis. (nicht von ungefähr ließ sich Johann Strauß Das Allegretto, den eigentlichen „Militaire Vater vom Seitenthema des Kopfsatzes zu Movement“, hatte Haydn ursprünglich seinem „Radetzky-Marsch“ anregen), die 1787 für ein Konzert mit zwei Orgelleiern theatralischen Schockeffekte, das Trompeten- (Hob. VIIh:3) komponiert, noch ohne die signal, die unheilverkündenden Crescendi Janitscharen, das Menuett bereits 1793 in und salvenartigen Forte-Attacken der Pauken Wien geschrieben und die Ecksätze 1794 in 4 20./21.OKT 2018, Kulturpalast Hanover Sqare Rooms England vollendet. Das ema des Presto- in London, Ort der Finales ging alsbald unter dem Namen „Lord Uraufführung von Haydns Cathcart“ in die populäre englische Tanz- Sinfonie Nr. 100 musik ein, wie ohnehin diese Sinfonie, trotz ihres kriegerischen Realismus, sich wie ein Lauffeuer in den Konzertsälen, Salons und musikalischen Zirkeln ausbreitete. Joseph Haydn schrieb über hundert Sinfonien, JOSEPH HAYDN in denen Witz und Esprit regieren, der * 31. März oder 1. April 1732 in Rohrau, Humor den Geist beflügelt und die Musik Niederösterreich den labyrinthischen Wegen und Umwegen † 31. Mai 1809 in Wien des Lebens nachspürt: eine menschen- freundliche Musik. „Ich spiele Haydn nach SINFONIE NR. 100 G-DUR einem schwarzen Tag“, mit dieser Zeile „MILITÄR“ beginnt ein Gedicht des Schweden Tomas Tranströmer. „Der Klang sagt, dass es die Entstehung Freiheit gibt / und dass jemand dem Kaiser 1793 — 1794 keine Steuer zahlt.“ Joseph Haydn war, als er Uraufführung seine hundertste Sinfonie erdachte, Anfang 31. März 1794 in den Hanover Square Rooms sechzig, nach zeitgenössischem Verständnis in London ein alter Herr, nach heutigen Begriffen ein Zuletzt in den Konzerten der „Best Ager“. Und der Kreis war längst nicht Dresdner Philharmonie ausgeschritten, es folgten noch die letzten 10. November 2002 unter Leitung Streichquartette und die letzten Klaviertrios, von Marek Janowski die späten Messen und die großen Oratorien. Besetzung „Ich hisse die Haydnflagge – das bedeutet: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, /‚Wir ergeben uns nicht. Sondern wollen 2 Trompeten, Pauken, Schlagzeug (Triangel, 1 Paar Frieden.‘“ Wären das nicht wunderbare türkische Becken, Große Trommel), Streicher Worte, Tranströmers Verse, zum Geleit einer Spieldauer „Militär-Sinfonie“? ca. 28 Minuten Janowski mit Bruckner 5 „IN EINER CHRISTLICHEN WOLFSSCHLUCHT“ ANTON BRUCKNERS GROSSE MESSE F-MOLL Der Sinfoniker Anton Bruckner war ein Orgelimprovisationen auffiel. Als Organist Spätentwickler: Als er seinen ersten vollgül- sollte er denn auch seine Musiklaufbahn tigen Gattungsbeitrag komponierte, die 1868 beginnen, zunächst in St. Florian und ab 1855 uraufgeführte c-Moll-Sinfonie, hatte er sein am Linzer Dom. Doch strebte Bruckner nach 40. Lebensjahr schon überschritten. Daraus mehr, nahm privaten Unterricht in Musik- zu schließen, dass er zu seiner Berufung erst theorie, Kontrapunkt und Komposition, spät gefunden habe, wäre jedoch grundfalsch. unterzog sich Prüfungen über Prüfungen und Im Gegenteil: Bruckner, der 1824 als erstes legte eine stattliche Reihe von Chorwerken von zwölf Kindern eines Dorfschullehrers im vor, a cappella oder mit Orgelbegleitung. oberösterreichischen Ansfelden bei Linz zur Den Abschluss dieser ausufernden Lehrzeit Welt gekommen war, wuchs mit der Musik aber bildeten seine drei großen Messen in auf. Zu den Dienstpflichten des Vaters d-Moll, e-Moll und f-Moll, die zwischen gehörte es, beim täglichen Gottesdienst die 1864 und 1868 entstanden. Orgel zu spielen, und so kam es, dass sich Sie markieren zugleich den Wendepunkt