Die Belgrader II. Bdkj-Konferenz
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WISSENSCHAFTLICHER DIENST SÜDOSTEUROPA XXI. Jahrgang März 1972 Heft 3 Straffere Führung und Rückbesinnung auf die „ Arbeiter-Basis" Die Belgrader II. BdKJ-Konferenz Die mit mehrmonatiger Verspätung abgehaltene vielen Rednern auch auf der II. BdKJ-Konferenz II. Konferenz des BdKJ (25.— 27. 1. 1972) hat in be betont worden ist — durch das im BdKJ herrschende, zug auf die programmatische Richtung nichts Neues die Aktionseinheit der Kommunisten beeinträchti gebracht, d. h. die Entwicklung der sozialistischen gende ideologisch-politische Durcheinander verhin Selbstverwaltungsdemokratie ist nicht in Frage ge dert worden ist. stellt worden. In dem von der Konferenz angenom Im Mittelpunkt des Meinungswirrwarrs steht der menen Aktionsprogramm werden die Beschlüsse des immer wieder zitierte Widerspruch zwischen soziali IX. BdKJ-Kongresses (März 1969) bekräftigt und — stischer Selbstverwaltung und Marktwirtschaft un statt wie bisher in Einzelresolutionen — in vier Ka ter den unzureichenden materiellen Bedingungen piteln behandelt: in Jugoslawien insgesamt und angesichts des unter I. Die Stärkung der Rolle der Arbeiterklasse in schiedlichen wirtschaftlichen und damit auch sozia den sozioökonomischen Selbstverwaltungsbeziehun len Entwicklungsniveaus seiner Republiken. Kiro gen. Gligorov, Mitglied des Exekutivbüros des BdKJ- II. Die wirtschaftliche Stabilisierung und die Ent Präsidiums und als Wegbereiter und Vorkämpfer wicklungspolitik. der Marktwirtschaft bekannt, erklärte in einem In III. Die aktuellen Fragen der Entwicklung des terview mit „Nedeljne Informativne Novine“ (NIN, politischen Systems und der unmittelbaren soziali 6. 2. 1972), „die große Furcht vor der Marktwirt stischen Demokratie. schaft“ sei eine Folge des Versäumnisses, bei ihrer IV. Die aktuellen Fragen der Entwicklung und der Einführung auch „ihre Grenzen festzulegen“. Des Tätigkeit des BdKJ. („Komunist“, 29. 1. 1972.) gleichen habe man es unterlassen, das für die Besei Es werden „alle Mitglieder des BdKJ verpflich tigung solcher Ängste notwendige Instrumentarium tet“, sich dafür einzusetzen, daß die „souveränen in das System einzubauen, und zwar eine die plan Produzenten zur dominierenden Entwicklungskraft mäßige Lenkung des Marktes ermöglichende Wirt der ganzen Gesellschaft und zu diesem Behufe be schaftspolitik sowie eine adäquate Steuer- und So fähigt werden, die Funktionen des Staates, des ent zialpolitik. Zu berücksichtigen sei ferner die Furcht wickelten und modernen Marktes, der Technologie vor einem freien Kapitalmarkt als möglichem Über und der gesamten Abläufe der gesellschaftlichen gang zu „kapitalistischen Verhältnissen“. Reproduktion planmäßig zu lenken und über die Im Hinblick auf die „gegenwärtige Situation“ Bedingungen, die Mittel und die Früchte ihrer Ar hatte Gligorov darum auf der II. BdKJ-Konferenz beit zu entscheiden“. („Komunist“, ebd.) die Einbringung „wesentlicher Beschlüsse auf Ma In diesem Zusammenhang wird den Kommuni kroebene, für die gesamte Gemeinschaft“, d. h. für sten „zur Pflicht gemacht“, sich, „ohne auf die zweite ganz Jugoslawien gefordert. Mit ihnen sollte „der Phase der Verfassungsänderungen zu warten“, für notwendige Rahmen für die selbständige Aktivität die Realisierung der am 30. Juni 1971 angenomme aller politischen und wirtschaftlichen Triebkräfte“ nen Abänderungsartikel 21, 22 und 23 zur Verfas geschaffen werden, ein Rahmen, der es erlaubt, „von sung von 1963 einzusetzen. Diese Artikel, auch „Ar jedem einzelnen zu verlangen, sich seinen Möglich beiteramendements“ genannt, behandelt die Rechte keiten, seinen Risiken und Verantwortlichkeiten zu und Pflichten der „assoziierten Produzenten“ bei der zuwenden“. „gesellschaftlichen Reproduktion“ und enthalten die Gligorov sprach die Überzeugung aus, daß wir Prinzipien für die Regelung der gegenseitigen Be „anderenfalls, wenn wir von der Basis fordern, ein ziehungen bei der Arbeitsteilung in der Produktion, jeder habe das Seine zu tun, von dieser nicht ver bei Investitionen und Geschäftsvereinigungen, bei standen würden und auch nicht inspirativ wirken der Einkommens- bzw. Ertragsverteilung, inbegrif könnten“. Bloße Vervollkommnung desSystems und fen das Recht auf „persönliches Einkommen auf einige praktische Maßnahmen genügten allerdings Grund der geronnenen Arbeit“ („minuli rad“) usw. nicht, um ein funktionierendes System zu schaffen; (vgl. „WD Südosteuropa“ Nr. 3/1971.) heute seien „grundlegende Eingriffe und tiefere Insgesamt betrachtet sind die Kapitel I und II des Veränderungen“ notwendig, und diese bedürften Aktionsprogramms eine Zusammenfassung bzw. der „ideologischen Einheit in den prinzipiellen Wiederholung der in den letzten Jahren in zahlrei Standpunkten“. („Komunist“, 29.1. 1972.) chen Partei- und Regierungsdokumenten enthalte Die ideologische Einheit und Prinzipientreue der nen Beschlüsse zur Gesellschafts- und Wirtschafts Kommunisten wird in den nächsten Monaten nicht politik, deren Realisierung bisher — wie dies von nur im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik Seite 26 Wissenschaftlicher Dienst Südosteuropa Heft 3 auf die Probe gestellt werden. Die in Vorbereitung Syndikat bzw. Syndikat und Arbeiterklasse neuen befindliche „zweite Phase der Verfassungsänderun Auftrieb geben. gen“, mit denen „der Klassen- und demokratische Der Vorsitzende des Bundes der Gewerkschaften Inhalt des politischen Systems weiterentwickelt und Jugoslawiens, Dusan Petrovic-Sane, forderte auf der gefestigt“ werden soll, wird ebenfalls erhebliche II. BdKJ-Konferenz „die energische Zurückweisung ideologische und prinzipielle Belastungen bringen, gewisser Simplifikationen und offensichtlich über da parallel zur Aufwertung der Kommune als „Ba lebter Deutungen, wonach die Schwäche der Ge sis der gesellschaftlichen Selbstverwaltung ... die werkschaften in ihrem oppositionellen Verhalten ge Funktionen der Republiken bzw. Provinzen präzise genüber dem Staat und in ihrer demagogischen Ein definiert“, das „Versammlungssystem“ von seinem stellung gegenüber der Arbeiterklasse liegt“. Eine jetzigen „politischen Repräsentationscharakter“ be solche Betrachtungsweise gehe den tatsächlichen Di freit werden und durch das „Delegiertenprinzip“ lemmata aus dem Wege. Gehe man davon aus, daß eine neue Grundlage erhalten soll. Dadurch werden, „die Gewerkschaften die wahren Organisationen der wie es in Kapitel II des Aktionsprogramms heißt, Arbeiter-Selbstverwalter“ seien, dann könne man „die realen Grundlagen für die Beseitigung des Mo sagen, daß sie „gegenüber dem in unserer Partei nopols der professionellen politischen Strukturen noch immer sehr ausgeprägten Etatismus noch zu bei der Kreierung und Einbringung politischer Ent wenig Opposition“ zeigten und „noch immer zu we scheidungen geschaffen und die entscheidende Rolle nig energisch“ seien, wenn es darum gehe, „die wah der Arbeiterklasse und der Produzentenassoziatio ren Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck zu nen bei allen politischen Entscheidungen auf allen bringen“. („Politika“, 27. 1. 1972.) Ebenen ermöglicht“. („Komunist“, ebd.) Den breitesten Raum in den Diskussionen nah Das Aktionsprogramm macht den Kommunisten men, wie dies auch im Aktionsprogramm der Fall ferner zur Auflage, sich „im Kampf um die Selbst ist, die eigenen Probleme des BdKJ ein, wobei die verwaltung an die Spitze der Arbeiterinitiativen soziale Struktur seiner Mitglieder, die ideologisch und der Gewerkschaftsaktionen“ zu stellen. Es wird politische Einigkeit und Einheit, inbegriffen das betont, daß „weitere Anstrengungen zur Realisie Prinzip des demokratischen Zentralismus bzw. das rung der gesellschaftlichen Rolle der Gewerkschaf gegenseitige Abhängigkeitsverhältnis von BdKJ und ten als Klassenorganisation der Arbeiterklasse“ er Republik-Parteiverbänden, die Anpassung der Par forderlich seien. Dieser Programmpunkt wird, im tei an die Erfordernisse der gesellschaftlichen Verein mit der im Rahmen der geplanten Verfas Selbstverwaltung und die Aktivität der Mitglieder sungsänderungen vorgesehenen Neubestimmung im Vordergrund standen. von der Rolle und Stellung der Gewerkschaften, der Die von Tito im vergangenen Jahr wiederholt ge Diskussion über das Verhältnis zwischen Partei und forderte Rekonstruktion der Partei-Grundorganisa- Tabeiie l Die soziale Struktur des BdKJ in den Jahren 1968 —1970 Schichten Mitgliederzahl 1968 °/o 1969 %> 1970 °/o Arbeiter 356 834 31,1 346 821 31,2 319 952 29,9 Private Handwerker 4 956 0,4 4 641 0,4 4 507 0,4 Individuelle landwirtschaftliche Produzenten (Bauern) 84 329 7,4 81 243 7,3 68 425 6,5 Technische Intelligenz 49 900 4,4 54 765 4,9 52 758 5,0 In Erziehung, Wissenschaft, Kultur, Gesundheitswesen und ähnlichen Tätigkeiten beschäftigte Intelligenz 128 763 11,3 132 853 11,9 134 342 12,9 V erwaltungspersonal 139 529 12,2 138 217 12,4 125 987 12,0 Leitendes Personal 82 941 7,2 67 250 6,1 74 070 7,1 Polizei und Armee 90 014 7,8 88 541 8,0 85 971 8,2 Rentner und Invaliden 90 238 7,9 91 364 8,2 91 067 8,7 Studenten 37 083 3,2 38 441 3,5 37 940 9,6 Schüler 32 250 2,8 21 756 2,0 13 391 1,3 Hausfrauen und Sonstige 33 526 2,9 31654 2,8 35 756 3,3 Arbeitslose 15 721 1,4 14136 1,3 11318 1,1 Insgesamt 1146 084 100 1 111 682 100 1 049 184 100 (Quelle: Vladimir Milic — Djoko Tozi „Umwandlung und soziale Struktur des BdKJ“ in „Socijalizam“, Nr. 7/8 1971, Seite 836.) H e f t 3 W issenschaftlicher D ie n s t Südosteuropa S e it e 2 7 tio n e n , d ie in ih re r je tz ig e n F o rm n a c h s e in e r M e i politischen B e w e g u n g in e tw a s v e rw a n d e lt (h a t), n u n g z u g ro ß u n d unbeweglich s in d , m u ß te , d a s ie w a s in d e r bürgerlichen politischen P ra x is a ls » K o e in e Satzungsänderung erforderlich g e m a c h t h ä tte , a litio n d e r Linksparteien' b e z e ic h n e t w ird “ , (V in k o d ie n u r v o m K o n g re ß vorgenommen w e rd e n k a n n , H a fn e r, M itg lie d d e s slowenischen Exekutivrates, unterbleiben. E in e Reorganisation e rfu h r d a g e g e n a u f d e r II. BdKJ-Konferenz, „ P o litik a “ , 2 7 . 1 . 1 9 7 2 ), d ie Parteispitze. d ie P a rte i je d o c h a n b e tra c h t d e r Souveränitätsaus Leitgedanke d ie s e r Reorganisation w a r, w ie w e itu n g d e r R e p u b lik e n a ls Integrationsfaktor w ir Veljko Vlahovic a u f d e r 2 3 .