Kiff Aarau We Keep You in the Loop
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SEP.19 2 Tone EINSCHLAUFEN Betrifft: Unangefochten nach Hause tanzen Impressum Nº 07.19 Die Telefone bleiben stumm, die hastig durch Wipkingen ebenso souverän besteigen wie das DER MUSIKZEITUNG LOOP 22. JAHRGANG den Raum gebrüllten Regieanweisungen sind Nachtboot nach Kairo. Und in lockerer Fuss- verklungen, es ist niemand mehr da. Wilson- bekleidung tanzt man auch unangefochten P.S./LOOP Verlag Pickett-Zeit, Schichtende. Der Kugelschrei- nach Hause, getragen von den Ska-Klängen Hohlstrasse 216, 8004 Zürich ber wird zurück in die Hemdtasche gesteckt, aus den ganz frühen Achtzigerjahren, die uns Tel. 044 240 44 25 der Rechner heruntergefahren, der Schreib- auf den folgenden Seiten begleiten. Eine mu- www.loopzeitung.ch tisch verlassen. Stummen Schrittes durchs sikalische Energiequelle, politisch ummantelt Treppenhaus, zwei Stockwerke, danach vor- und von nachwachsenden Generationen im- bei an der stillgelegten Stempeluhr und raus mer wieder befeuert. Und womöglich erneut Verlag, Layout: Thierry Frochaux in die Sommernacht. «Guido has left the aktuell, wenn Grossbritannien Ende Oktober [email protected] building.» Ein Satz, der jede Nacht kurz in den EU-Austritt umsetzen muss. Denn spä- meinem Kopf aufflackert, gefolgt von einem testens dann wird «You’re Wondering Now» Administration, Inserate: Manfred Müller Blick hoch zum Himmel. von The Specials eine neue Facette erhalten. [email protected] Um diese Uhrzeit ist der Verkehrslärm in un- Ganz zu schweigen von «Ghost Town». serer kleinen grossen Stadt bereits angenehm Noch bleiben also knapp zwei Monate bis Redaktion: Philippe Amrein (amp), gedrosselt, allerdings nicht so stark, dass man zur grossen Abrechnung respektive dem Ab- Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe sich bloss noch von atmender Stille umgeben schied von Grossbritannien, wie wir es ken- wähnen würde. Ein paar verpeilte Grölmen- nen. Der Weg zum Brexit scheint ein einziger Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden schen sind immer unterwegs, ihre unartiku- Blödmannbogen. Womöglich werden danach (ash), Thomas Bohnet (tb), Chrigel Fisch (fis), lierte Konversation hallt durch die Strassen, erneut ungeahnte kreative Kräfte freige- Marcel Gamma, Christian Gasser (cg), und seit ein paar Monaten wird man auch im- setzt, wie dies zu Zeiten der unbarmherzigen Michael Gasser (mig), Hanspeter Künzler, mer mal wieder von Verkehrslaien auf Elekt- Thatcher-Regierung der Fall war. Womöglich Tony Lauber (tl), Philipp Niederberger, rotrottinetten überholt. In der inneren Juke- muss man das Königreich aber nun auch ein- Albert Preisig (alp), Fabienne Schmuki, Miriam Suter box läuft sofort «Dead Man’s Curve», doch fach für eine Weile der eigenen Unzulänglich- die Idioten auf ihren Rollplanken scheitern keit überlassen, ein dunkles Bier irischer Pro- Titelbild: Pauline Black (The Selecter) bereits an der nächsten Biegung und krachen venienz bestellen und damit auf David Storey hin, ein iPhone-Screen zersplittert. «Blöd- anstossen. Er hat die Schachbrett-Schlips- Druck: Tagblatt Print, St. Gallen mannbogen», murmle ich vor mich hin, wäh- Sonnenbrille-Grafik des 2-Tone-Labels ge- rend ich auf Gummisohlen meiner Wege gehe. prägt. Und er kennt alle Geheimnisse. Das nächste LOOP erscheint am 27.9.2019 Der Schuh bleibt halt ein unschlagbar gutes Vehikel. Damit lässt sich der Nachtbus nach Guido Jabsco Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Hohlstrasse 216, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] SAY IT LOUD! the Nazis»: «Da wurde mir klar, dass dies meine Generation definierte – in Opposition zu Diskriminie- rungen aller Art.» DER TRAUM VON 1976 Für RAR waren zahlreiche Bands und Musiker wie As- wad, Au Pairs, Delta 5, Mi- sty in Roots, Elvis Costello, The Fall oder Buzzcocks aktiv. Sie sorgten mit ihren Gigs für diese verbindenden und identitätsstiftenden Momente. Mit Protesten, Aktionen und Demonstra- tionen in Zusammenarbeit mit lokalen Communitys, der ANL und anderen Or- ganisationen stoppte RAR aber auch den Vormarsch der National Front und de- ren Übergriffen. Damit war ein Ziel er- reicht, und mit Beginn der Achtzigerjahre ebbte die anti-national-front-demo in london (1977) Bewegung trotz der neuen syd shelton syd konservativen Regierung unter Margaret Thatcher de. Segs Jennings, Bassist bei den Ruts, sagte dazu: «Viele ab. Bei den Aktivistinnen Von 1976 bis 1982 setzte Rock Against meinten, man solle Politik und Musik nicht mischen. Doch und Aktivisten zeigten sich Clapton hat genau dies getan. Er hat den Fehdehandschuh aber auch Ermüdungser- Racism in Grossbritannien Zeichen hingeschmissen.» scheinungen. «RAR wurde Als Reaktion darauf fand im Herbst 1976 im Londoner immer mehr zu einer Art gegen rassistische Übergriffe und die East End das erste Konzert unter dem Label «Rock Against alternativem Musiklabel. Racism» mit Carol Grimes und Matumbi statt, welches die So viel Organisation woll- National Front. Und beeinflusste auch Blaupause für alle kommenden RAR-Events lieferte: Stets ten wir nie», sagt einer. traten weisse und schwarze Bands gemeinsam auf. Die Be- Für RAR-Mitbegründer die 2-Tone-Bewegung. wegung nahm rasch Fahrt auf, verband sich auch mit der Red Saunders war mit der aufkommenden Punk-Szene, und in allen grösseren und Ankunft von 2 Tone, «der Die Compilation «The 2 Tone Story» widmete das Label kleineren Städten Grossbritanniens gründeten sich lokale Job erledigt»: «Beim Fare- Blair Peach. Der 33-jährige Lehrer hatte am 23. April 1979 RAR-Gruppen – zeitweise waren es über 200. well Carneval (am 4. Juli an einer Demonstration in Southall teilgenommen, die ein Als Höhepunkt, der ein weit sichtbares öffentliches Zei- 1981 in Leeds mit Misty Treffen der rechtsextremen National Front (NF) verhin- chen setzte, gilt der «Carnival Against Racism» am 30. Ap- Aswad, Au Pairs und The dern wollte. Die Polizei setzte ein Grossaufgebot ein, wobei ril 1978 in London, an dem gegen 100 000 Teilnehmende Specials) blickte ich in die ein Teil der Beamten mit Knüppeln gegen Demonstrierende begleitet von Wagen mit Bands und Sound Systems vom Menge und dachte ‹Das vorging. So auch gegen Blair Peach, der am darauffolgen- Trafalgar Square zum Victoria Park in Hackney marschier- ist es. Davon hatten wir den Tag seinen Kopfverletzungen erlag. ten, wo Steel Pulse, X-Ray-Spex, The Clash, Tom Robin- 1976 geträumt.› Was dann Es war einer der traurigen Höhepunkte einer Auseinander- son und andere spielten. 2 Tone, ihre Musik, ihr Spi- setzung mit der NF und rassistischen Übergriffen, die sich rit und Jerry Dammers mit ab Mitte der Siebzigerjahre verstärkt gegen britische Bürge- «GLAD TO BE GAY» seinem Einsatz für Nelson rinnen und Bürger mit einer anderen Hautfarbe richteten. Mandela bewirkten – es Als Gegenbewegung entstand aus den Reihen der Socialist Für viele war dieser Tag ein einschneidendes Erlebnis. Die übertrumpfte den ganzen Worker Party einerseits die Anti-Nazi League (ANL), die Regisseurin Gurinder Chadha («Bend It Like Beckham», verdammten Teil von uns.» sich den Rechten zum Teil auch handgreiflich entgegenstell- «Blinded by the Light») schlich sich trotz elterlichen Ver- te. Andererseits bildete sich die Bewegung Rock Against bots an den Carnival und sagte später dem «Guardian»: Philipp Anz Racism (RAR), die vor allem auf das Mobilisierungsmittel «Victoria Park war ein unglaublich emotionaler Moment, Musik setzte. denn zum ersten Mal spürte ich, dass ich von Menschen Bücher zum Thema: umgeben war, die auf meiner Seite waren. Das war das ers- David Renton: «Never Again – ERIC CLAPTON ALS PROVOKATEUR te Mal, dass ich dachte, dass sich in Grossbritannien etwas Rock Against Racism and the Anti- für immer geändert hat.» Nazi League 1976-1982» (Rout- Auslöser für die Entstehung von RAR war ein Konzert von Die Teilnehmerin Hilary Cross erinnert sich: «Tom Robin- ledge, 2019) Eric Clapton im August 1976, an dem dieser auf der Bühne son war grossartig. Die ganze Menge – egal ob Hippies, Daniel Rachel: «Walls Come Tum- warnte, das Land werde «überfüllt» und man solle für den Punks, Teds, Kleinkinder, gay oder nicht – sang mit ihm bling Down: The Music and Politics Anti-Immigrationskurs des Konservativen Enoch Powell ‹Glad to be Gay›. Das war absolut bewegend.» Billy Bragg of Rock Against Racism, 2 Tone and stimmen, damit England nicht zur «black colony» wer- stand die ganze Zeit hinter einem Banner «Gays Against Red Wedge» (Picador, 2016) SZENE KULTUR STIMME FÜR ALLE Das Monatsmagazin mit Kulturkalender jetzt abonnieren. www.null41.ch Jetzt anmelden Kreativ moderieren mit Mike Fäh Hörgeschichten 14. Sept. 2019, Kanal K www.gschichtefritz.ch klippklang.ch [email protected] JahreS- Ab0 CHF 40 DAS COMIC für MAGAZIN 4 Hefte rfv.ch/ STRAPAZIN.CH/ABO Themen | Länder | Fiktion | Reportagen festival Essays | Kritiken | Ikonen | Nachwuchs Forum für veränderte Bewusstseinszustände lucys-magazin.com sommer DAS COMIC STRAPAZIN.CH/ABO September 2019 // Look Now! Bea Cuttat und ihr Filmverleih / Filmstill: Buffalo ’66(1998) DIE WELT, WIE SIE IST Zu runden Geburtstagen treten sie jeweils zum Comeback an, doch erst jetzt sind The Specials zurück. Und wie! Und warum? Brüssel, Ende März 2019, es ist offizieller Brexit-Tag. Etwa 2000 Fans warten auf The Specials – Normalos, Rastas, 2-Tone-Fans mit Porkpie-Hütchen, Hipster sowie einstige und junge Punks. Das Konzert ist längst ausverkauft wie fast alle weiteren, auch wenn eine extrem dröge Marke- ting-Idee die Tour begründet: der 40. Band-Geburtstag. Die Gigs waren voll, bevor das Album «Encore» heraus-