Regionale Selbstversorgung mit Erneuerbaren Energien in Deutschland im Lichte des Konzepts Ökologischer Modernisierung

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Brsg.

vorgelegt von

Järmo Stablo

Freiburg im Breisgau 2016

Dekan: Prof. Dr. Tim Freytag

Referent: Prof. Dr. Gerhard Oesten

Korreferent: Prof. Dr. Michael Pregernig

Betreuer/in: Prof. Dr. Gerhard Oesten, Prof. Dr. Peter Schmuck, Dr. Chantal Ruppert-Winkel

Disputationsdatum: 30.01.2017

Inhaltsverzeichnis

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN UND TABELLEN ...... I ABBILDUNGEN ...... I TABELLEN ...... I ABSTRACT ...... III ZUSAMMENFASSUNG ...... V 1 EINLEITUNG ...... 1 1.1 HINTERGRUND UND FRAGESTELLUNG ...... 1 1.2 VORGEHENSWEISE ...... 3 2 STAND DES WISSENS ...... 5 2.1 REGIONALE SELBSTVERSORGUNG MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN IN DEUTSCHLAND ...... 5 2.1.1 Definitionen von ‚EE-Regionen’ mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung...... 5 2.1.2 Entwicklung der Community der ‚EE-Regionen’ ...... 7 2.1.3 Erfolgsfaktoren und Hürden regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE- Selbstversorgung ...... 11 2.2 ÖKOLOGISCHE MODERNISIERUNG ALS BEZUGSRAHMEN FÜR DAS VERSTÄNDNIS REGIONALER ENERGIEWENDEPROZESSE ...... 17 2.2.1 Suche nach einem theoretischen Bezugsrahmen für das Verständnis regionaler EE- Selbstversorgungsprozesse ...... 17 2.2.2 Zentrale Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung ...... 19 2.2.3 Kritik am Konzept Ökologischer Modernisierung ...... 23 2.2.4 Berücksichtigung der Kritik im Konzept Ökologischer Modernisierung ...... 25 2.2.5 Ökologische Modernisierung und die (regionale) Energiewende ...... 32 3 THEORETISCHER BEZUGSRAHMEN ZUR ANALYSE VON REGIONALEN ENERGIEWENDEPROZESSEN ZU EINER EE-SELBSTVERSORGUNG ...... 35 4 FALLSTUDIE LANDKREIS SCHWÄBISCH HALL ...... 41 4.1 FORSCHUNGSDESIGN UND METHODEN ...... 41 4.2 CHARAKTERISIERUNG DES LANDKREISES SCHWÄBISCH HALL ...... 42 4.3 FALLGESCHICHTE DES ENERGIEWENDEPROZESSES IM LANDKREIS SCHWÄBISCH HALL ...... 47 4.3.1 Netzwerk von Umweltengagierten und Pionierunternehmen der Energiewende ...... 47 4.3.2 Politisch-administrativer Raum ...... 62 4.3.3 Energieversorger ...... 76 4.3.4 Unternehmen und deren Organisationseinheiten außerhalb des Energiesektors ...... 79 4.3.5 Thematisierung sozialer und ökologischer Folgen der Energiewende ...... 82 4.4 ANALYSE DER ENERGIEWENDE IM LANDKREIS SCHWÄBISCH HALL IM LICHTE ÖKOLOGISCHER MODERNISIERUNG ...... 90 5 VERGLEICHENDE ANALYSE REGIONALER ENERGIEWENDEPROZESSE IM LICHTE ÖKOLOGISCHER MODERNISIERUNG ...... 103 5.1 VORGEHEN ...... 103 5.2 ERFOLGSFAKTOREN UND FOLGEN DER REGIONALEN ENERGIEWENDE ...... 103 5.2.1 Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene ...... 103

5.2.2 Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Folgen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse ...... 113 5.3 BEWERTUNG DES THEORETISCHEN BEZUGSRAHMENS ANHAND DER UNTERSUCHUNGSLEITENDEN ANNAHMEN ...... 131 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN ...... 139 LITERATURVERZEICHNIS ...... 145 ANHANG ...... 159 ANHANG 1: VERÖFFENTLICHUNG ZUR FALLSTUDIE DER GEMEINDE MORBACH ANHANG 2: VERÖFFENTLICHUNG ZUR FALLSTUDIE DES LANDKREISES STEINFURT ANHANG 3: INTERVIEWPARTNER UND TEILNEHMENDE BEOBACHTUNGEN ZUR FALLSTUDIE DES LANDKREISES SCHWÄBISCH HALL

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

Abbildungen Abbildung 1: Entwicklung des bilanziellen EE-Anteils am Gesamtstromverbrauch im Landkreis Schwäbisch Hall (LKSH) ...... 45

Abbildung 2: Entwicklung des bilanziellen EE-Anteils im Stromsektor im Landkreis Schwäbisch Hall zwischen 2007 und 2015 nach EE-Arten ...... 45

Abbildung 3: Endenergieverbrauch des Landkreises Schwäbisch Hall nach Sektoren ...... 46

Abbildung 4: EE-Potenziale im Vergleich zum Energiebedarf im Landkreis Schwäbisch Hall (Stand 2010) ...... 46

Tabellen Tabelle 1: Fallstudie der Gemeinde Morbach (vgl. Anhang 1) ...... 14

Tabelle 2: Fallstudie des Landkreises Steinfurt (vgl. Anhang 2) ...... 16

Tabelle 3: Erfolgsfaktoren der Förderung von Umweltinnovationen in Prozessen Ökologischer Modernisierung allgemein und speziell im Rahmen der regionalen Energiewende .... 38

Tabelle 4: Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen von Prozessen Ökologischer Modernisierung allgemein und speziell im Hinblick auf die regionale Energiewende ...... 39

Tabelle 5: Allgemeine Charakteristika des Landkreises Schwäbisch Hall ...... 42

Tabelle 6: Wirtschafts- und umweltbezogene Kennzahlen zum Landkreis Schwäbisch Hall ...... 43

Tabelle 7: Energiebezogene Charakteristika des Landkreises Schwäbisch Hall ...... 44

Tabelle 8: Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung im Landkreis Schwäbisch Hall...... 95

Tabelle 9: Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall ...... 99

I

Abstract

A growing number of regions worldwide and especially in seek to achieve the goal of Renewable Energy Self-Sufficiency (RESS). The aim of this study is to investigate whether the concept of Ecological Modernization (EM) is suitable for the understanding of such processes in Germany.

Regional energy transitions to Renewable Energy (RE) can be viewed as complex processes of change that often involve a conflict of interests and values. Many obstacles and success factors for the progress and the stability of such processes have already been described in scientific publications. These findings were often gathered by studying pioneer regions with high proportions of RE in relation to regional energy demand. The success factors, for instance, depend on the constellation of actors, the framing of the issue, the participation of stakeholders, as well as financial conditions and the legal framework. However, attempts to correlate these factors in a theoretical framework in order to understand such processes in their entirety are largely pending.

In this context, the present study is based on the assumption that the concept of EM helps to structure known success factors, reflect on their interactions, generate additional knowledge and finally understand regional energy transitions. In particular, this concept aims at understanding how states take a pioneer role in applying environmental innovations such as RE and taking measures to reduce energy demand.

The concept was transferred to a theoretical framework related to regional energy transition. Seven research-guiding assumptions concerning success factors as well as expected political, economic and ecologic development concerning regional energy transitions were derived. Subsequently, the theoretical framework was applied in a pilot case study of the district of Schwäbisch Hall. The research was based on qualitative data and results from additional studies (e.g. a representative population survey). The first application of the theoretical framework proved to be fruitful.

To test the plausibility of these preliminary results, the investigation was then extended. Two other case studies – conducted by the author together with C. Ruppert-Winkel – were used for a comparative analysis. Additionally, further scientific findings concerning regional energy transition were considered.

It can be concluded that the concept of EM could to a large extent be used to understand RESS processes under investigation. New insights were generated with respect to political, economic and ecological expected development concerning regional energy transitions. For instance, policy instruments, which were developed by actors at regional level to promote the implementation of environmental innovations, were extrapolated to higher political levels. In turn, the extrapolated instruments have been found to reinforce the process at regional level.

Since the theoretical framework has proved suitable to understand energy transitions at regional level in Germany, a further assessment of (failing) regions would be interesting in order to verify these findings.

III

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit wird geprüft, inwiefern sich das Konzept Ökologischer Modernisierung für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE- Selbstversorgung in Deutschland eignet.

Das Ziel einer beschleunigten Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien (EE) ist in Deutschland seit 2011 offizielle Regierungsposition. Auf subnationaler Ebene in Gemeinden, Städten, Landkreisen oder regionalen Zusammenschlüssen existierten Vorhaben mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung – im Folgenden als ‚EE-Regionen’ bezeichnet – bereits deutlich früher. Zudem wird Kommunen in Wissenschaft und Praxis eine besondere Bedeutung für den Ausbau von EE beigemessen, da hier Gestaltungsspielräume in Form von EE-Potenzialen sowie kommunalpolitische Handlungsmöglichkeiten vorhanden seien und eine förderliche Verbundenheit der Akteure vor Ort mit ihrer Region – resultierend aus der Überschaubarkeit – existiere. Bisher gibt es keine eindeutige Definition von EE-Regionen, sie umfasst vielmehr verschiedene Dimensionen, die von der Berechnung der Energieströme und der Grenzziehung über die einbezogenen Energiesektoren und Handlungsfelder bis zu Aspekten wie der Berücksichtigung ökologischer Folgewirkungen eines umfassenden EE-Ausbaus oder Forderungen nach Teilhabe der Akteure vor Ort an Entscheidungsprozessen und Gewinnen der Energiewende reichen. Auch wenn verschiedene Konzeptionen von EE-Regionen in Wissenschaft und Praxis in Bezug auf diese Dimensionen variieren, ist ihnen in der Regel jedoch gemein, dass es sich bei EE-Regionen um Vorreiter handelt, die sich überdurchschnittlich stark für eine Umstellung des Energiesystems auf EE engagieren, entsprechende mittel- bis langfristige Ziele verfolgen und bereits einen hohen EE-Ausbau realisiert haben. Auch international sind EE-Regionen zunehmend in Praxis und Forschung verbreitet, wobei ein deutlicher Schwerpunkt in Europa und speziell in Deutschland liegt, weshalb die vorliegende Arbeit auf Deutschland fokussiert. Hier hat sich eine wachsende EE-Regionen-Community herausgebildet, die durch Förderung und Wettbewerbe sowie durch Forschungsprojekte von höheren Ebenen unterstützt und begleitet wird und in der Kommunikationsstrukturen und Austauschforen (z.B. Kongresse) entstanden sind.

Eine regionale Energiewende zu EE kann als komplexer, konflikthafter Veränderungsprozess angesehen werden. Für Fortgang und Stabilisierung werden in (zum Teil internationaler) Forschung und Praxis verschiedene Hürden und Erfolgsfaktoren wie auch verschiedene normative Empfehlungen genannt. Diese – so die vorläufige Annahme dieser Arbeit – lassen das Konzept ‚Ökologischer Modernisierung’ als einen vielversprechenden Ausgangspunkt für die Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens erscheinen, um diese Erfolgsfaktoren und Hürden zu strukturieren, ihr Zusammenwirken zu diskutieren, die Wirksamkeit bzw. Umsetzbarkeit von normativen Empfehlungen zu plausibilisieren und so weitere Erkenntnisse zu regionalen Energiewendeprozessen zu generiert, so dass letztlich ein vertieftes Verständnis solcher Prozesse erreicht werden kann.

Als förderlich wird in existierenden Studien ein wirtschaftliches Framing durch Betonung der Möglichkeiten zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung durch EE beschrieben. Da auch weitere Motive wie die Eindämmung des Klimawandels mit einer EE-Selbstversorgung verbunden werden, können sich Akteure mit sehr unterschiedlichen Motiven hinter der Zielsetzung versammeln. Für den Start solcher Prozesse wird in Vorreiterregionen eine Akteurskonstellation aus ökologisch-idealistisch motivierten und technisch interessierten Personen als wesentlich beschrieben, wobei im Verlauf die Thematik auch von etablierten

V Akteuren in Politik, Verwaltung und Wirtschaftsförderung aufgegriffen wird. Daneben werden Pionierunternehmen aus dem Energiesektor sowie zum Teil auch Einzelpersonen als bedeutsam beschrieben. Auch die europäische und nationale Förderkulisse wird als wesentlich genannt, in Verbindung mit der Fähigkeit, durch entsprechendes Know-how diese Möglichkeiten regional auch effektiv nutzen zu können. Neben diesen informationellen Rahmenbedingungen vor Ort, die auch im technischen und ökonomischen Bereich als wichtig beschrieben werden, wird häufig der Einfluss rechtlicher Instrumente – vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) – als förderlich genannt sowie eine günstige wirtschaftliche Situation der Kommune selbst, um Investitionen in energiewendebezogene Maßnahmen tätigen zu können. Im Kontext dieser ökonomischen Faktoren werden auch steigende Preise fossiler Energieträger als treibender Faktor eines EE-Ausbaus auf regionaler Ebene hervorgehoben. Der breite Einsatz von Politikinstrumenten, wie übergreifende politische Maßnahmen (u.a. politische Zielsetzungen), Ausrichtung des Beschaffungswesens und der Ausschreibungspraxis, Regulierung und Planung, wirtschaftliche Aktivitäten sowie die Unterstützung Dritter über finanzielle und informationelle Maßnahmen wird ebenfalls als zentral für einen ambitionierten EE-Ausbau angesehen. In diesem Kontext steht auch ein als erfolgsfördernd beschriebener territorial-administrativer Zuschnitt der betreffenden Region mit klarer Zuständigkeit in der Verwaltung. Lernprozesse auf horizontaler Ebene zwischen EE-Regionen sind nach der Literatur ebenfalls bedeutend.

Häufig wird eine Reduktion von Energieverbräuchen als wesentliche Voraussetzung für das Erreichen einer EE-Selbstversorgung genannt. Bezüglich dieser Thematik fand in den vergangenen Jahren in Deutschland in der wissenschaftlichen Community wie auch im politischen Bereich eine intensive Debatte darüber statt, wie eine absolute Reduktion von Energieverbräuchen bewerkstelligt werden könne. Hier sei auf den Zweiklang der Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz und Suffizienz und die Debatte über Rebound-Effekte verwiesen. Diese dienen als Ausgangpunkt der Kritik an einem Konzept ‚Ökologischer Modernisierung’, dem vorgeworfen wird, ausschließlich auf einen technischen Wandel statt Konsumeinschränkung, nachhaltige Lebensstile und deglobalisierte Wertschöpfungsprozesse in einer Postwachstumsökonomie zu setzten. Im Kontext einer angestrebten EE-Selbstversorgung gilt es demnach auch die Debatte über mögliche gesellschaftliche Wege zur Reduktion von Energieverbräuchen zu berücksichtigen. Hier existieren in der EE-Regionen-Community zwar Empfehlungen zur Integration einer Suffizienzstrategie, empirische Studien in EE-Regionen weisen allerdings darauf hin, dass in Diskussionen und politischen Maßnahmen die Steigerung der Energieeffizienz und hier vor allem die Fokussierung auf die energetische Gebäudemodernisierung die Thematisierung von Suffizienz deutlich überwiegt. Nur wenige – vor allem naturschutzorientierte – Akteure treten in solchen Prozessen zudem mit wachstumskritischen Positionen hervor.

Im Hinblick auf die Verstetigung regionaler Energiewendeprozesse wird in Forschung und Praxis angenommen, dass vor allem die Integration verschiedener Akteure zur Entwicklung von Projekten, Bearbeitung der vielfältigen Handlungsfelder sowie Konfliktlösung beitragen könne. Zur Organisation solcher Austauschprozesse und Kooperationen wird unter anderem die Gründung von Institutionen für ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement gefordert. Studien zeigen diesbezüglich, dass durch Schaffung themenspezifischer Netzwerke eine Mobilisierung von Akteuren und eine Dynamik in der Projektentwicklung ausgelöst werden kann, die der Stabilisierung regionaler Energiewendeprozesse dient. Es scheint jedoch auch erkennbar, dass konsensual getragene Lösungen bei Problemen mit hohem Kollektivgutcharakter wie im Bereich des Biodiversitäts- und Landschaftsschutzes auch über

VI solche Aushandlungsprozesse nicht einfach hergestellt werden können. Zwar scheinen durch das themenspezifische Zusammenbringen von Akteuren – beispielsweise im Konfliktfeld Biogaserzeugung und Biodiversität – in gewissen Rahmen Lernprozesse und das Erzielen von Übereinkünften möglich, allerdings mit geringer Bindungswirkung. Neben dieser Kollektivgutproblematik existiert als weitere Hürde für regionale Energiewendeprozesse, dass vor allem wirtschaftliche Verlierer – wie bestehende Energieversorger – Entwicklungen blockieren können.

Diese förderlichen Faktoren und Hürden wurden in einzelnen Studien mit bestimmten Schwerpunkten und unterschiedlichen Untersuchungsansätzen abgeleitet und zum Teil mit normativen Empfehlungen verbunden. Der Versuch einer konzeptionell fundierten Zusammenschau und Strukturierung dieser Faktoren und Plausibilisierung der Wirksamkeit bzw. Umsetzbarkeit bestimmter Empfehlungen, um regionale Energiewendeprozesse umfassend zu verstehen, steht dagegen noch weitgehend aus.

Die vorliegende Arbeit beruht – wie genannt – auf der Annahme, dass hierfür das Konzept Ökologischer Modernisierung einen vielversprechenden Ausgangpunkt liefert. Eine wichtige Annahme dieses Konzepts ist, dass unter Anwendung staatlicher Instrumente (so genannter ‚policy mix’) in Prozessen Ökologischer Modernisierung der Innovationszwang moderner Industriegesellschaften in Richtung eines umweltfreundlicheren technischen Fortschritts zu ökologisch besser angepassten (konsistenteren) und ressourcenschonenderen (effizienteren) Umweltinnovationen geleitet wird, was die Diffusion entsprechender Innovationen einschließt. Dies kann mit den in der EE-Regionen-Community verbreiteten Annahmen in Verbindung gebracht werden, dass Kommunen eine innovationssteuernde Wirkung im Sinne der Förderung des EE-Ausbaus entfalten können. Das Konzept Ökologischer Modernisierung zielt weiterhin auf das Verstehen des Zustandekommens einer Vorreiterrolle in der Implementierung von Umweltinnovationen ab. Damit erscheint es anschlussfähig für das Verständnis von EE- Selbstversorgungsprozessen, da in vielen Definitionen von ‚EE-Regionen’ als wesentliches Kennzeichen einer Vorreiterregion eine im Vergleich zum Bundesschnitt überdurchschnittlich hohe bilanzielle EE-Produktion identifiziert wird. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautet daher:

Inwiefern eignet sich ein Konzept Ökologischer Modernisierung für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE-Selbstversorgung?

Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein theoretischer Bezugsrahmen auf Basis des Konzepts Ökologischer Modernisierung entwickelt. Dieser basiert zu einem Teil auf der Übertragung zentraler Annahmen des Konzepts, wie es vornehmlich anhand von Untersuchungen auf nationaler Ebene entwickelt wurde, auf die regionale Ebene und die Energiewende. Weiterhin beruht er auf den Überlegungen von Martin Jänicke – einem Begründer des Konzepts Ökologischer Modernisierung – zur Rolle der subnationalen Ebene in der Diffusion von Politikinstrumenten zur Förderung von Umweltinnovationen. Nach diesem Modell können solche Innovationen in der Ebeneninteraktion sowohl vertikal (von unten nach oben durch Verallgemeinerung von regionalen Best-Practice-Lösungen und von oben nach unten durch Fördermittel) als auch horizontal (z.B. durch Lernprozesse zwischen Regionen) befördert werden.

Bei der Entwicklung des Bezugsrahmens wurde auch auf Kritik am Konzept reflektiert, die größtenteils bereits von Theoretikern Ökologischer Modernisierung in einer Weiterentwicklung

VII des Ansatzes berücksichtigt wurde. Hieraus konnten Annahmen zu erwartbaren politisch- ökonomischen wie umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse abgeleitet werden. In diesem Kontext steht die Möglichkeit, mit dem Konzept Ökologischer Modernisierung auch normative Empfehlungen und Aspekte von EE- Regionen-Definitionen – wie die Einbindung von Akteuren mit verschiedenen Interessen und Werthaltungen in Strategieentwicklungs- und Entscheidungsfindungsprozesse, die finanzielle Partizipation von Akteuren vor Ort, die Regionalisierung von Wertschöpfungskreisläufen und Energieströmen, die Integration der Thematik der Suffizienz oder Berücksichtigung ökologischer Nachhaltigkeitsziele – in ihrer Umsetzbarkeit in modernen Gesellschaften und konkret im Rahmen regionaler EE-Selbstversorgungsprozesse abschätzen zu können.

In Bezug auf regionale Energiewendeprozesse wurden aus dem entwickelten Bezugsrahmen sieben themenbezogene forschungsleitende Annahmen abgeleitet:

Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene

1. In Vorreiterregionen existiert ein geeigneter, breiter policy mix, der konsistenz- und effizienzsteigernde Umweltinnovationen befördert. 2. In Vorreiterregionen dienen die globalen, generellen Trends der verstärkten Wahrnehmung des Klimawandels und steigender fossiler Energiepreise als Motivation der Akteure zur Umsetzung der regionalen Energiewende. 3. Es ist zu erwarten, dass Vorreiterregionen eine hohe politische Kapazität aufweisen, womit günstige rechtliche, ökonomische und informationelle Rahmenbedingungen sowie eine breite unterstützende Akteurskonstellation gemeint sind. Gerade eine breite Bewegung umweltengagierter Akteure sollte in Vorreiterregionen eine wichtige Rolle spielen und Diskurse und etablierte Akteure beeinflussen sowie parallele alternative Strukturen zu bestehenden Strukturen aufbauen. Auch Einzelakteure und situationsspezifische oder strategische Einflussfaktoren können eine wichtige Rolle spielen.

Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse

4. In Vorreiterregionen ist zu erwarten, dass über die Ausbildung entsprechender Steuerungsstrukturen unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteursgruppen in Strategieerarbeitung und Projektrealisierung eine Akzeptanzsteigerung der regionalen Energiewende erreicht wird. Dabei behalten Kommunalparlamente allerdings eine wichtige Bedeutung, da ohne Unterstützung der Kommunalpolitik in Partizipationsprozessen erarbeitete Ergebnisse nur eine geringe Bindungswirkung für das Handeln von Akteuren haben. Zum Erhalt der Entscheidungsfähigkeit werden einzelne Bürger nur bedingt in Aushandlungsprozesse eingebunden. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass der Schutz von Umweltgütern mit hohen Kollektivgutanteilen (ohne win-win-Potenziale) sich auch im Rahmen der regionalen Steuerungsstrukturen in Bezug auf die Energiewende als schwierig erweist. 5. In Vorreiterregionen ist es wahrscheinlich, dass eine erwartbare Gegnerschaft von Akteuren, die auf konventionellen Energieträgern basierende Geschäftsmodelle verfolgen und Gewinne aus dem Verkauf fossiler Energie anstreben, innerhalb des Prozesses frühzeitig durch eine starke Koalition von Energiewendebefürwortern überwunden wurde oder Gewinner der Energiewende in ihrer Zahl wirtschaftliche Modernisierungsverlierer generell deutlich

VIII überwiegen. Außerdem finden erzielte Erfolge und Fortschritte im Bereich der Erneuerbaren Energien- und Effizienztechnologien in der Legitimation weiterer Entscheidungen gegen potenzielle Modernisierungsverlierer Verwendung. Aufgrund weitergehender Technisierung der Landschaft ist zudem mit Differenzen unter Umweltengagierten zu rechnen, die bei einem Teil zu einer verstärkten Forderung nach Berücksichtigung von Naturschutzaspekten und der Thematisierung einer Suffizienzstrategie führen, während eine Mehrheit dagegen eine Weiterführung des technischen Wandels befürwortet. Naturschutzbezogene Argumente gegen EE-Projekte können auch von weiteren wirtschaftlichen Argumenten wie dem Verlust von Immobilienwerten durch einen EE-Ausbau überlagert werden, so dass sich im Rahmen von Konflikten Koalitionen von potenziellen Modernisierungsverlierern mit unterschiedlichen Motivationen bilden können. Konflikte mit möglichen Modernisierungsverlierern können generell als Bestandteil weitergehender Ökologischer Modernisierung und damit auch in der regionalen Energiewende erwartet werden. 6. Es ist erwartbar, dass Regionen existieren, die von den Vorreiterregionen funktionsfähige Modelle übernehmen (wollen), und solche Austauschprozesse durch Best-Practice-Modelle und die Sichtbarkeit der Vorreiter in entsprechenden Foren begünstigt werden. Ebenso ist zu erwarten, dass die Vorreiter davon wirtschaftlich profitieren. Hier schließt auch das Mehrebenenmodell von Jänicke an, wonach zu erwarten ist, dass ein entsprechender Austausch zwischen den Regionen (subnationale Ebene) sowie auch der vertikale Austausch über Fördermittel nach unten und über Verallgemeinerung von Best-Practice-Lösungen nach oben die Diffusion von Umweltinnovationen befördert. Es ist zudem erwartbar, dass die Zielsetzung des wirtschaftlichen Erfolgs (Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit) in Vorreiterregionen eng mit dem Vorhaben der EE-Selbstversorgung und der Energieeinsparung verbunden wird. 7. In Bezug auf das Ziel der Energieeinsparung ist mit einer Fokussierung auf technische Lösungen zu rechnen. Das Verfolgen einer Suffizienzstrategie durch eine Vielzahl von Akteuren erscheint unrealistisch. Dies äußert sich wahrscheinlich einerseits in einer randständigen Thematisierung von individuellen Lebensstilaspekten zur Reduktion von Energie- und Ressourcenverbräuchen. Andererseits erscheint auch das über bereits bestehende gesetzliche Anforderungen hinausgehende kommunalpolitische Setzen von Energieverbräuche betreffenden Grenzen als unrealistisch, da dies über höhere Kosten den Bürgern an anderer Stelle indirekt Suffizienz auferlegen würde. Als ‚Normalfall’ ist im Rahmen der regionalen Energiewende generell mit Rebound- und Wachstumseffekten zu rechnen und die Akteure erwarten mehrheitlich einen ökonomischen Gewinn aus der Energiewende. Zudem ist zu erwarten, dass allenfalls eine Minderheit von Akteuren vor Ort einen Pfadwechsel dahingehend anstrebt, einen Beitrag zum Ausstieg aus einer Wachstumsgesellschaft zu leisten. Es ist zudem wahrscheinlich, dass hinter der politischen Zielsetzung der regionalen Energiewende eher ein wettbewerbs- und weltmarkorientiertes Verständnis von Regionalisierung steht (Energiewende als unterstützender Faktor für das Bestehen in einer zunehmend globalisierten Welt) und in deutlich geringerem Maße das Motiv einer tatsächlichen Regionalisierung von Produktions- und Konsumstrukturen in Verbindung mit Forderungen nach Suffizienz. Partielle Interessenüberschneidungen zwischen Vertretern dieser beiden Regionalisierungskonzepte, die die Handlungsfähigkeit unter den Akteuren erhöht, sind möglich.

Der Bezugsrahmen mit den untersuchungsleitenden Annahmen wurde zur Prüfung seiner Eignung zunächst exemplarisch in einer Fallstudie im Landkreises Schwäbisch Hall in Baden-

IX Württemberg zur Anwendung gebracht. Der dortige Kreistag hatte 2006 einstimmig den Beschluss gefasst, das Ziel einer EE-Selbstversorgung anzustreben. Die Fallstudie beruhte auf einer Dokumentenanalyse, teilnehmenden Beobachtungen sowie Interviews mit wichtigen Akteuren aus verschiedenen Stakeholder-Gruppen. Zudem konnte auf eine wiederholte, repräsentative Bevölkerungsbefragung, die Ergebnisse einer Wertschöpfungsanalyse und eine den Landkreis einschließende Akteurs- und Prozessanalyse zum Vorhaben der regionalen EE- Selbstversorgung und die entsprechenden Interviews für eine Zweitauswertung zurückgegriffen werden. Diese Studien – wie auch die vorliegende Arbeit – entstanden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von 2009 bis 2014 geförderten Projekts ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’.

Als Ergebnis der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass sich der theoretische Bezugsrahmen bei seiner ersten Anwendung auf eine EE-Region als fruchtbar erwies.

Um dieses vorläufige Ergebnis zu plausibilisieren, wurde anschließend die Untersuchungsbasis erweitert: Empirische Grundlage für eine vergleichende Analyse waren zwei weitere Fallstudien, erstellt vom Autor zusammen mit C. Ruppert-Winkel. In einer Fallstudie zur Gemeinde Morbach in Rheinland-Pfalz wurde nach der Integration der Thematik der Energieeinsparung in den EE- Selbstversorgungsprozess gefragt. Hierbei kam ein induktives Vorgehen zur Anwendung. In einer Fallstudie zum Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfalen und dem dort als zentrale Einrichtung agierenden Agenda 21-Büro standen generell Erfolgsbedingungen und insbesondere das partizipationsorientierte Prozessmanagement und die Verstetigung des Prozesses im Vordergrund der Untersuchung. Hierbei wurde ein theoretischer Bezugsrahmen aus einer Kombination von Stabilisierungsbedingungen lokaler Agenda 21-Prozesse und dem Ansatz der Regional Governance angewandt. Flankierend zu diesen beiden Fallstudien wurden Ergebnisse von Studien anderer Autoren berücksichtigt, in denen – in der Regel ebenfalls bezogen auf Vorreiterregionen – Erfolgsfaktoren und Hürden regionaler Energiewendeprozesse identifiziert wurden.

Der Vergleich anhand der sieben themenbezogenen untersuchungsleitenden Annahmen führte zu folgenden Befunden:

Zu der untersuchungsleitenden Annahme 1 (breiter policy mix): In den unterschiedlichen Bereichen (übergreifende Maßnahmen, Unterstützung Dritter etc.) wurden in den für den Vergleich herangezogenen Regionen mit hohen EE-Anteilen aus dem verfügbaren Instrumentarium des policy mix zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung der Implementierung von Umweltinnovationen ergriffen, so dass diese Annahme bestätigt werden konnte. Allerdings zeigte die Fallstudie des Landkreises Steinfurt, dass der dort angewandte theoretische Bezugsrahmen in Bezug auf den policy mix ein breiteres und tieferes Verständnis der Wirkung dessen einzelner Elemente ermöglichte.

Zu der untersuchungsleitenden Annahme 2 (globale, generelle Trends): Anhand der vergleichenden Untersuchung konnte davon ausgegangen werden, dass die Reduktion von Ausgaben für fossile Energieträger eine wesentliche Motivation für regionale Energiewendemaßnahmen darstellt, was in der Empirie auch zutraf. Zudem spielte die intensive Beschäftigung mit der Thematik des Klimaschutzes und das damit verbundene Wissen tatsächlich ebenfalls eine Rolle als Beweggrund für die Aktivitäten vieler Akteure in den Regionen, wobei dieser Faktor alleine zu einer Stabilisierung der Energiewende alleine nicht ausreichend erscheint.

X Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 3 (hohe politische Kapazität): Im Bereich der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen konnte das EEG in Verbindung mit der Strommarktliberalisierung als vorteilhaft für die Erweiterung der Geschäftsfelder von Stadtwerken auch in Bereichen der Energiewende identifiziert werden (beispielsweise Dienstleistungen im Bereich des gebündelten Stromeinkaufs aus EE). Auch das Kraft-Wärme- Kopplungs-Gesetz konnte in Bezug auf die Effizienzsteigerung in der Ausnutzung der Primärenergieträger durch Stadtwerke als wichtig identifiziert werden, wie auch im Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung die Energieeinsparverordnung. Bedeutsam waren weiterhin die in ihrer Zahl zunehmenden die EE-Regionen-Community betreffenden Förderprogramme und Wettbewerbe von der Landes- bis zur EU-Ebene. Wurde nicht nur der reine EE-Ausbau betrachtet, der in einigen Fällen beispielsweise im Bereich der Windkraft auch durch regionsexterne Investoren wesentlich vorangetrieben wurde, sondern sollten beispielsweise Maßnahmen die kommunalen Liegenschaften oder Förderprogramme für die Bevölkerung betreffend umgesetzt werden, erschienen die internen ökonomischen Rahmenbedingungen ohne Zweifel bedeutsam: Investive Maßnahmen auf kommunaler Ebene, beispielsweise im Bereich der energetischen Sanierung der Liegenschaften, bedingten einen gewissen Finanzspielraum. Im Hinblick auf die informationellen Rahmenbedingungen zeigte sich, dass durch Kombination von technischem Know-how, finanzierungsbezogenem und rechtlichem Know-how eine rasche Projektrealisierung möglich wurde. Zur kritischen Begleitung der Energiewende erwies sich auch direkt in der Region in entsprechenden Organisationen (z.B. Umweltzentrum) institutionalisiert vorliegendes naturschutzbezogenes Know-how als wichtig, um auch Grenzen des EE-Ausbaus in den Blick zu nehmen. Allerdings war aufgrund fehlender personeller und weiterer finanzieller Ressourcen diesen Akteuren keine entscheidende Beeinflussung der Debatten und Prozesse möglich.

In Bezug auf die Entwicklung der Akteurskonstellationen und der Motivlagen der Akteure über die Zeit, erschien der theoretische Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung für Vorreiter mit langjährigen Aktivitäten im EE-Bereich passend. Die dortigen Prozesse – soweit aus den herangezogenen Studien ersichtlich – wurden anfangs wesentlich von umweltengagierten Personen aus der Zivilgesellschaft geprägt, kamen aber zur vollen Entfaltung erst durch Beeinflussung von und Kontakt mit etablierten Akteuren aus Politik und Verwaltung, die zunehmend den Prozess gestalteten. Die Einbindung bzw. auch Gründung von Unternehmen in Verbindung mit der Motivation zur Schaffung von Arbeitsplätzen durch Pionierleistungen sowie möglichst breite Nutzung der Möglichkeiten des EEGs konnte hier ebenfalls als bedeutsam betrachtet werden. Ob die Akteurskonstellationen in Regionen, in denen erst in jüngerer Vergangenheit die regionale Energiewende in Angriff genommen wurde, ähnlich sind, ist eine offene Frage. Nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung könnte ein durch größere Investoren betriebener EE-Ausbau allerdings angenommen werden.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 4 (Steuerungsstrukturen): Generell schien eine Partizipation der Stakeholder förderlich für ein strukturiertes Vorgehen zur Erreichung der EE- Zielstellung und Stabilisierung des Prozesses. Gleichzeitig wurden jedoch wesentliche Entscheidungen durch die über Wahlen legitimierten politischen Einheiten (Kreistage, Gemeinderäte) getroffen bzw. partizipativ vorbereitete Entscheidungen an diese politische Sphäre rückgebunden, was in der Praxis auch als Voraussetzung für eine Akzeptanz von in Partizipationsprozessen erzielten Ergebnissen gesehen wurde. Deutlich wurde jedoch, wie auch erwartet, dass konsensuale Lösungen für Umweltprobleme mit hohem Kollektivgutcharakter im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse nur schwierig erzielbar waren. Allerdings – so zeigte

XI die Fallstudie des Landkreises Steinfurt – waren kollektive Lernprozesse und die Erweiterung von Handlungsspielräumen durch ein entsprechendes Prozessmanagement möglich, so dass beispielsweise eine Bioenergiestrategie unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes erarbeitet werden konnte. Dieser Strategie wurde allerdings von den Akteuren eine relativ geringe Bindungswirkung zugeschrieben und sie wurde auch nicht vom Kreistag verabschiedet. Wie ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement im Hinblick auf die Schaffung entsprechender Verhandlungsarenen und Einbindung von Akteuren konkret ausgestaltet werden könnte, dazu lieferte der im Falle des Landkreises Steinfurt verwendete theoretische Bezugsrahmen als Kombination des Regional Governance-Ansatzes mit Stabilisierungsbedingungen Lokaler Agenda 21-Prozesse detailliertere Erkenntnisse als das Konzept Ökologischer Modernisierung.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 5 (Konflikte durch Widerstände von Modernisierungsverlierern): Die Rolle von wirtschaftlichen Modernisierungsverlierern, deren Geschäftsfelder zerstört oder deren bereits getätigte Investitionen durch die Energiewende gefährdet wurden, konnten anhand des theoretischen Bezugsrahmens plausibel charakterisiert werden. Die Zahl der wirtschaftlichen Gewinner (u.a. im Bereich der lokalen Stadtwerke) überwog in den untersuchten Regionen die wirtschaftlichen Verlierer. Gleichzeitig zeigten die Ergebnisse auch auf, dass politische Entscheidungen für eine weitergehende Ökologische Modernisierung im Sinne eines fortschreitenden EE-Ausbaus durch Koalitionen von Pionieren und deren sichtbare (oder erwartbare) ökonomischen Erfolge gegen den Widerstand von wirtschaftlichen Modernisierungsverlierern getroffen werden konnten.

Eine Spaltung von Netzwerken umweltengagierter Personen in eine Minderheit von an einem konservierenden Naturschutz orientierten Akteuren und einer Mehrheit vorwiegend technologieorientierter Klimaschützer war in Ansätzen beobachtbar. Vorrangig aufgrund der positiven regionalökonomischen Aussichten des EE-Ausbaus schien sich hier eine Koalition der Klimaschützer mit hauptsächlich an wirtschaftlichen Fragen interessierten Kommunalpolitikern für den weiteren EE-Ausbau abzuzeichnen, die die Zahl der naturschutzorientierten Akteure überwog.

Nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung können allerdings weitere, ökonomisch bedingte, Widerstände gegen den EE-Ausbau – beispielsweise im Hinblick auf Tourismus oder Immobilienwerte – naturschutzorientierte Widerstände überlagern. Damit scheinen auch neue Koalitionen potenzieller Modernisierungsverlierer – unterstützt beispielsweise durch Organisationen auf nationaler Ebene – gegen energiewendebezogene Maßnahmen möglich.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 6 (Einnahme einer Vorreiterrolle): Eine mit der Zielstellung des ökonomischen Gewinns, einem industriepolitischen Framing und dem Ziel der Verbesserung von Standortfaktoren durch die Energiewende verbundene Argumentation vieler Akteure konnte in den untersuchten Vorreiterregionen nachgezeichnet werden. Ökonomische Gewinne wurden auch tatsächlich realisiert. Austausch-, Vernetzungs- und Lernprozesse auf horizontaler Ebene zwischen EE-Regionen konnten ebenfalls als Erfolgsfaktoren identifiziert werden. Außerdem wurden auf der regionalen Ebene in Ansätzen Instrumente identifiziert, die durch vertikalen Austausch auf höherer Ebene verallgemeinert wurden und daraufhin wiederum auf die regionale Ebene über Förderung zurückwirkten und auf diese Weise zur Diffusion von Umweltinnovationen beitrugen. Prominentes Beispiel war hier das Modell Hohenlohe e.V. in der Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall mit der Entwicklung des Konzepts der Energie-Effizienz-Tische als lernendes Netzwerk von Unternehmen zur Förderung

XII des betrieblichen Umweltschutzes und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Teilnehmer. Damit erschien das von Jänicke beschriebene Mehrebenenmodell zur Diffusion von Umweltinnovationen plausibel und es wurde deutlich, dass Prozesse Ökologischer Modernisierung auf der regionalen Ebene mit denen der höheren Ebene verknüpft sind und sich gegenseitig verstärken und stabilisieren können.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 7 (Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte, Regionalisierung): Auch in Bezug auf die normativen Fragestellungen der Integration der Thematik der Energieeinsparung (und der Reduktion von Umweltverbräuchen insgesamt) in Zusammenhang mit Fragen der Regionalisierung und des wirtschaftlichen Wachstums konnten mit dem theoretischen Bezugsrahmen empirische Befunde strukturiert und neue Aspekte beleuchtet werden, die bisher in der Literatur zu EE-Regionen kaum diskutiert wurden. Die nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung erwartbare weitgehende Ausklammerung ambitionierter Vorstöße in Richtung von Maßnahmen zur Förderung oder gar Durchsetzung von Suffizienz traf danach tendenziell zu. Gleiches galt für eine Beibehaltung einer an wirtschaftlichem Wachstum orientierten Kommunalpolitik, was sich vor allem bezüglich des Ausbaus der Straßeninfrastruktur und dem damit verbundenen weiteren Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche manifestierte. Auch die Dominanz eines wirtschaftlichen Framings der Energiewende – in Verbindung mit dem Anspruch der Akteure vor Ort, an den Gewinnen zu partizipieren – wurde bestätigt. Regionalisierungen von Energie- und Geldströmen waren entgegen der ursprünglichen Annahme jedoch zu beobachten. Dies kann wahrscheinlich mit der Ubiquität Erneuerbarer Energien erklärt werden: Mit der Nutzbarmachung regenerativer Energiequellen fand automatisch eine Regionalisierung durch Substitution global gehandelter und transportierter fossiler Energieträger statt (vor allem im Wärmebereich). Das EEG wiederum ermöglichte es im Stromsektor einer Vielzahl von auch kleinen Akteuren (z.B. Landwirte, Privatpersonen) zum Energieproduzenten zu werden, wobei dies zumindest den Stromsektor betreffend nicht zu einer lastgerechten EE-Selbstversorgung führte, bei der jederzeit regional so viel Energie aus EE erzeugt wie verbraucht wird. Überschneidungen eines nach innen – und damit auf eine tatsächliche Regionalisierung von Energie- und Geldströmen – gerichteten Regionalisierungsverständnisses und eines eher im Sinne einer Entwicklung der endogenen regionalen Potenziale zur besseren Positionierung der Kommunen auf dem Weltmarkt nach außen gerichteten Verständnisses von Regionalisierung (Energiewendeprozess als Alleinstellungsmerkmal im Standortwettbewerb) waren im Rahmen der beobachteten Prozesse ebenfalls erkennbar, überlagert allerdings durch Fragen im Zusammenhang mit der regionalen Identität, die mit dem Konzept der Ökologischen Modernisierung unzureichend fassbar gemacht werden konnten. Hier könnten weitere Studien anschließen, die versuchen, die sich vor allem in der wirtschaftsorientierten Argumentation zur regionalen Energiewende artikulierenden Beweggründe der involvierten Akteure im Hinblick auf Positionierungen (‚Wir’/’Die’) und regionale Identitäten zu hinterfragen. Dies könnte mit dem Versuch einhergehen, die unterschiedlichen Orientierungen der Akteure – territorial oder funktional – im Sinne der Regional Governance-Forschung zu berücksichtigen, sie mit technischen, ökonomischen und naturschutzfachlichen Aspekten der Energiewende zu verschneiden und so eventuell einem Verständnis näherzukommen, welches Verhältnis aus Zentralität und Dezentralität des zukünftigen Energiesystems in Bezug auf verschiedene Dimensionen (Eigentumsverhältnisse, EE-Standorte, Bereitstellung von Flexibilität) wahrscheinlich und ggf. auch normativ empfehlenswert ist, und auf welcher Ebene welche Akteure eingebunden werden können.

XIII Grundsätzlich ließ sich schlussfolgern, dass der auf Basis des Konzepts Ökologischer Modernisierung abgeleitete theoretische Bezugsrahmen sich dazu eignete, regionale Energiewendeprozesse zu einer EE-Selbstversorgung zu verstehen. Vor allem im Hinblick auf die Rolle von Modernisierungsverlierern sowie auf die Anschlussfähigkeit im Bereich der normativen Dimension einer EE-Selbstversorgung wurden interessante Einblicke in regionale Prozesse möglich. Auf diese Weise konnten Fortgang, Stabilisierung und zudem auch erwartbare Entwicklungen im Rahmen von Prozessen mit Ziel einer EE-Selbstversorgung mit dem theoretischen Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung reflektiert und verstanden werden. In diesem Zusammenhang wäre die Untersuchung weiterer, auch nicht erfolgreicher – Kommunen interessant, so dass bezüglich der genauen Ausgestaltung der einzelnen Erfolgsfaktoren, wie beispielsweise der einzelnen Elemente der politischen Kapazität oder des policy mix, im Hinblick auf die Einnahme einer Vorreiterrolle in der Implementierung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung konkretisierende Aussagen abgeleitet werden können. Eine internationale Anschlussfähigkeit des Konzepts schien zumindest für den deutschsprachigen Raum denkbar, wie der Fallstudienvergleich zeigte. Hier wären weitere vergleichende Studien ebenfalls wünschenswert.

XIV 1 Einleitung

1.1 Hintergrund und Fragestellung Das Ziel einer beschleunigten Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien (EE) ist in Deutschland seit 2011 offizielle Regierungsposition. Auf regionaler Ebene existieren Vorhaben mit dem Ziel einer vollständigen Versorgung mit EE deutlich länger (Tischer et al. 2006, Mautz et al. 2008, Aretz et al. 2011). Dieser Ebene wird in der Forschung eine wichtige Rolle für die Erreichung energie- und klimapolitischer Ziele beigemessen. So werden Gestaltungsspielräume in Form bestehender EE-Potenziale und politischer Handlungsmöglichkeiten gesehen sowie eine förderliche Verbundenheit der Akteure vor Ort mit ihrer Region erwartet (Keppler 2007, Aretz et al. 2009). Entsprechende territoriale Einheiten – im Weiteren als ‚EE-Regionen’ mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung bezeichnet – können Gemeinden, Städte, Landkreise oder auch weitergehende regionale Zusammenschlüsse wie Zweckverbände oder ursprünglich in anderen Kooperationsbereichen (beispielsweise Wirtschaftsförderung oder Tourismus) gegründete Verbünde sein.1 Es handelt es sich um – häufig ländlich geprägte – Regionen, die sich überdurchschnittlich stark für eine Umstellung des Energiesystems auf EE engagieren und entsprechende mittel- bis langfristige Ziele verfolgen, ohne dass sie bereits eine vollständige Versorgung mit EE erreicht haben müssen. Auch international ist die Thematik einer EE- Selbstversorgung auf subnationaler Ebene zunehmend in Praxis und Forschung verbreitet (Rae und Bradley 2012, Ruppert-Winkel und Hauber 2014, Ruppert-Winkel et al. 2016).2

Eine regionale Energiewende zu EE kann als komplexer, konflikthafter Veränderungsprozess betrachtet werden, innerhalb dessen viele Themen wie beispielsweise technische Energieversorgungskonzepte oder Landnutzungsveränderungen verhandelt werden (müssen). In diesem Kontext werden – in der Regel resultierend aus der Untersuchung von Vorreitern der regionalen Energiewende – in praxisorientierten Publikationen wie auch in wissenschaftlichen Veröffentlichungen verschiedene Erfolgsfaktoren für die Stabilisierung solcher Prozesse genannt, wie ein wirtschaftliches Framing des Themas.3 Häufig wird auch eine Reduktion von Energieverbräuchen als wesentliche Voraussetzung für das Erreichen einer regionalen EE- Selbstversorgung aufgeführt (Mautz et al. 2008, Laufer 2012).4

In Bezug auf letztgenannte Thematik fand in den vergangenen Jahren in Deutschland in Wissenschaft und Politik eine intensive Debatte darüber statt, wie eine absolute Reduktion von Energie- und Ressourcenverbräuchen sowie Senkenbelastungen bewerkstelligt werden könne.5 Hier sei auf den häufig erwähnten Zweiklang der Nachhaltigkeitsstrategien Effizienz und Suffizienz und die Debatte über Rebound-Effekte verwiesen. Diese Effekte kennzeichnen den Umstand, dass Energieeffizienzsteigerungen sich aufgrund von Wachstums- und Verlagerungseffekten häufig nicht in reale Energie- und Ressourcenverbrauchsreduktion niederschlagen (Santarius 2014). Sie dienen als Ausgangpunkt der Kritik an einer von einigen Akteuren kolportierten Strategie ‚Ökologischer Modernisierung’, deren Vertretern vorgeworfen wird, ausschließlich auf einen technischen Wandel zur Effizienzsteigerung statt auf notwendige Konsumeinschränkung, nachhaltige Lebensstile und deglobalisierte Wertschöpfungsprozesse zu

1 Vgl. Netzwerk der 100ee-Regionen (2016) 2 Vgl. zu ‚EE-Regionen’ und ‚EE-Selbstversorgung’ detailliert Kapitel 2.1 3 Vgl. exemplarisch Tischer et al. (2006), Ruppert-Winkel et al. (2013), Müller (2014) 4 Dies gilt auch für die Energiewende auf nationaler Ebene (vgl. Hennicke 2014). 5 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2013) 1 setzen.6 Im Kontext einer angestrebten EE-Selbstversorgung gilt es demnach auch diese Debatte über mögliche gesellschaftliche Wege zur Reduktion von Energieverbräuchen zu berücksichtigen, zumal in Begleitforschung und Beratung von EE-Regionen zum Teil Suffizienz als wichtiges und wünschenswertes Element von EE-Selbstversorgungsstrategien genannt wird.7

Für die Stabilisierung regionaler Energiewendeprozesse – im Sinne eines dauerhaft fortschreitenden EE-Ausbaus – wird in dieser Begleitforschung oft angenommen, dass vor allem die Integration verschiedener Akteure zur Vermeidung bzw. erfolgreichen Bearbeitung möglicher Konflikte beitragen könne (Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien 2010: 9, Deutsches Institut für Urbanistik 2011: 35 und 79). Zur Organisation solcher Austauschprozesse und Kooperationen wird unter anderem die Gründung von Institutionen für ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement empfohlen (Tischer et al. 2006: 81ff. und 113ff., Ruppert-Winkel et al. 2013: 12f.).

Die genannten Handlungsfelder und Erfolgsfaktoren in Verbindung mit normativen Empfehlungen einer nachhaltigen Ausgestaltung regionaler Energiewendeprozesse wurden in einzelnen Studien mit bestimmten Schwerpunkten und unterschiedlichen Untersuchungsansätzen abgeleitet. Der Versuch einer konzeptionell fundierten Zusammenschau und Strukturierung der förderlichen Faktoren und Hürden in Verbindung mit einer Prüfung der Wirksamkeit von Empfehlungen – beispielsweise der Konfliktlösungsmöglichkeiten durch eine Partizipationsorientierung – sowie der Umsetzbarkeit solcher normativen Empfehlungen – wie beispielsweise eine Integration der Thematik der Suffizienz –, um regionale Energiewendeprozesse und ihre Dynamik umfassender zu verstehen, steht dagegen noch weitgehend aus.

Das Konzept ‚Ökologischer Modernisierung’, so die grundlegende Annahme dieser Arbeit, bietet hierfür einen vielversprechenden Ausgangspunkt. Eine wichtige Annahme dieses Konzepts ist, dass unter Anwendung staatlicher Instrumente (so genannter ‚policy mix’) in Prozessen Ökologischer Modernisierung der Innovationszwang moderner Industriegesellschaften in Richtung eines umweltfreundlicheren technischen Fortschritts zu ökologisch besser angepassten (konsistenteren) und ressourcenschonenderen (effizienteren) Umweltinnovationen geleitet werden kann, was die Diffusion entsprechender Innovationen einschließt. Dies kann mit den in der EE-Regionen-Community verbreiteten Annahmen in Verbindung gebracht werden, dass Kommunen eine innovationssteuernde Wirkung im Sinne der Förderung des EE-Ausbaus entfalten können. Das Konzept Ökologischer Modernisierung zielt weiterhin auf das Verstehen des Zustandekommens einer Vorreiterrolle in der Implementierung von Umweltinnovationen ab. Damit erscheint es anschlussfähig für das Verständnis von EE- Selbstversorgungsprozessen, da in vielen Definitionen von EE-Regionen als wesentliches Kennzeichen einer Vorreiterregion eine im Vergleich zum Bundesschnitt überdurchschnittlich hohe bilanzielle EE-Produktion identifiziert wird. Die Fragestellung der vorliegenden Arbeit lautet daher:

Inwiefern eignet sich ein Konzept Ökologischer Modernisierung für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE-Selbstversorgung?

6 Vgl. zur Kritik an Ökologischer Modernisierung beispielsweise Paech 2012b. Die Thematik wird in Kapitel 2.2.3 detailliert aufgegriffen. 7 Vgl. beispielsweise Blum et al. (2013) 2 1.2 Vorgehensweise Bei der Beantwortung dieser Frage kommt folgendes Vorgehen zur Anwendung: Zunächst wird erörtert, was als ‚EE-Selbstversorgung’ bezeichnet werden kann und welche normativen Fragen mit den Definitionsversuchen verbunden sind. Daran anschließend wird die Community der EE- Regionen im Hinblick auf Pioniere, Einflüsse, Strukturen, Entwicklung und Stand charakterisiert. Weiterhin werden die in der Literatur beschriebenen Erfolgsfaktoren und Hürden für den Fortgang und die Stabilität regionaler Energiewendeprozesse referiert, wie auch normative Empfehlungen – beispielsweise aus der wissenschaftlichen Begleitforschung zu EE-Regionen (Kapitel 2.1). Es wird daraufhin anhand von drei Argumenten zunächst abgeleitet, dass für ein tieferes Verständnis solcher Prozesse ein theoretisches Konzept ‚Ökologischer Modernisierung’ geeignet scheint.

Grundannahmen des Konzepts werden daraufhin ausführlich referiert und in der Literatur zur Ökologischen Modernisierung bereits bestehende Bezüge zur Energiewende allgemein und konkret zur Community der EE-Regionen genannt. Dabei wird auch auf bestehende Kritik am Konzept Ökologischer Modernisierung und auf die Frage eingegangen, ob es sich eher um ein politisches Programm oder einen analytischen Ansatz handelt. Es wird zudem herausgearbeitet, dass die Kritik am Konzept Überschneidungen mit normativen, nachhaltigkeitsorientierten Empfehlungen aufweist, die im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse von Akteuren vor Ort sowie in der Begleitforschung artikuliert werden. Referiert wird weiterhin inwiefern Vertreter des Konzepts Ökologischer Modernisierung auf die Kritik antworten, wie sie diese in der Weiterentwicklung des Konzepts berücksichtigt haben und welche Erwartungen von Vertretern des Konzepts in Bezug auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit bestimmter normative Empfehlungen geäußert werden (Kapitel 2.2).

Auf dieser Basis wird in Kapitel 3 der theoretische Bezugsrahmen mit sieben forschungsleitenden Annahmen über Erfolgsfaktoren und Hürden sowie wahrscheinliche Entwicklungen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse abgeleitet.

In einer Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall, in welchem der Kreistag 2006 einstimmig das Ziel einer EE-Selbstversorgung beschlossen hat, wird daraufhin exemplarisch der regionale Energiewendeprozess mit Hilfe des theoretischen Bezugsrahmens untersucht. In einem Zwischenfazit wird abgeleitet, inwiefern der Bezugsrahmen sich für das Verständnis des Prozesses eignet (Kapitel 4).

Um die Untersuchung auf eine breitere Basis zu stellen, wird anschließend eine vergleichende Studie durchgeführt (Kapitel 5). Empirische Grundlage hierfür sind zwei weitere Fallstudien, erstellt vom Autor zusammen mit C. Ruppert-Winkel:8

8 Die drei eigenen Fallstudien entstanden im Rahmen des Projektes ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’. Übergeordnetes Ziel dieses von 2009 bis 2014 laufenden und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes war es, Konfliktlinien einer EE- Selbstversorgung in Kommunen zu erarbeiten sowie Lösungsansätze und Erfolgsbedingungen aufzuzeigen. Dabei stand die Frage im Vordergrund, wie eine EE-Selbstversorgung sozial gerecht und naturverträglich erfolgen kann. Hierzu griffen fünf Bausteine mit folgenden Themenschwerpunkten ineinander: I. EE-Schlüsselakteure und organisatorische Gestaltungsmodelle, II. technische Energieversorgungskonzepte und ökonomische Effekte, III. Landnutzungskonflikte und Biodiversität, IV. Akzeptanz und Bürgerpartizipation, V. Energieverbrauchsreduktion und neue Wohlstandsmodelle. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der integrierten Biomassenutzung. Das interdisziplinäre Projektteam arbeitete eng mit fünf Partnerkommunen zusammen (Landkreise Schwäbisch Hall, Lüchow-Dannenberg und 3  In der Fallstudie zur Gemeinde Morbach in Rheinland-Pfalz wurde nach der Integration der Thematik der Energieeinsparung in den EE-Selbstversorgungsprozess gefragt (Stablo und Ruppert-Winkel 2012, vgl. Kapitel 2.1.3, Tabelle 1 sowie Anhang 1)  In der Fallstudie zum Landkreis Steinfurt in Nordrhein-Westfahlen standen Erfolgsbedingungen und insbesondere das partizipationsorientierte Prozessmanagement und die Verstetigung des Prozesses im Vordergrund der Untersuchung (Stablo und Ruppert-Winkel 2017, vgl. Kapitel 2.1.3, Tabelle 2 sowie Anhang 2)

Flankierend dazu werden Erkenntnisse anderer Autoren zu regionalen Energiewendeprozessen sowie zu verwandten Themen wie dem kommunalen Klimaschutz berücksichtigt. In Bezug auf die übergeordnete Fragestellung der Arbeit, inwieweit sich ein Konzept Ökologischer Modernisierung für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE- Selbstversorgung eignet, werden anschließend Schlussfolgerungen gezogen (Kapitel 6).

Steinfurt sowie Gemeinden Morbach und ) (vgl. auch www.ee-regionen.de sowie Aretz et al. 2011). Dem Autor der vorliegenden Arbeit oblag dabei in erster Linie die Bearbeitung des Themenschwerpunktes V sowie die Spiegelung der Gesamtprojektergebnisse – insbesondere im Hinblick auf ein für notwendig befundenes partizipationsorientiertes Prozessmanagement – am Fallbeispiel des Landkreises Steinfurt. 4 2 Stand des Wissens

2.1 Regionale Selbstversorgung mit erneuerbaren Energien in Deutschland Studien einer wachsenden internationalen wissenschaftlichen Community berichten von einer global zunehmenden Anzahl von Regionen mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung (vgl. Ruppert-Winkel und Hauber 2014 und dort zitierte Literatur). Das internationale Politik- Netzwerk ‚REN21’, welches den Austausch von Wissen, Politikinstrumenten und die Herstellung von Kooperationen zwischen Akteuren zur Beschleunigung der globalen Energiewende zu EE unterstützt, beschreibt eine „quickly growing list of cities – primarily in Europe, North America, Australia and Japan – [...] targeting the complete transformation of their energy or power sector through on-site-generation or the purchase of renewable power.“ (REN21 2016: 118). Das ebenfalls mit der Zielsetzung der Unterstützung der globalen Energiewende zu EE angetretene ‚Renewables 100 Policy Institute’ mit seinem 2011 begonnen Projekt ‚Go 100% Renewable Energy’ identifiziert ebenfalls eine wachsende Zahl solcher regionalen Energiewendeprojekte mit einem deutlichen Schwerpunkt in Europa und hier speziell in Deutschland.9 Im Folgenden findet eine Fokussierung auf Deutschland als Vorreiter der Entwicklungen statt. Speziell bei der Erläuterung bisher bekannter Erfolgsfaktoren regionaler Energiewendeprozesse werden auch internationale Entwicklungen und wissenschaftliche Studien mit einbezogen werden.

2.1.1 Definitionen von ‚EE-Regionen’ mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung Nach Ruppert-Winkel und Hauber (2014: 2823) bedeutet EE-Selbstversorgung (von den Autoren als ‚RESS’ = ‚Renewable Energy Self-Sufficiency’ bezeichnet) vereinfacht, dass „the energy demand of a region is covered by the energy produced in the region based on renewable energies [...]. However, there is no common definition available for explaining RESS in more detail.“ Generell wird in der Literatur zwischen einer bilanziellen und einer lastgerechten EE- Selbstversorgung unterschieden (Deutschle et al. 2015). Bei der lastgerechten steht zu jeder Zeit so viel selbst erzeugte Energie zur Verfügung, wie von den Verbrauchern vor Ort benötigt wird. Bei einer bilanziellen reicht es aus, wenn über einen gewissen Zeitraum (beispielsweise ein Jahr) betrachtet so viel Energie erzeugt wie verbraucht wird.10 Sogenannte „Graue Energie“, die beispielsweise in der Herstellung von Produkten oder Konsumartikeln enthalten ist, die außerhalb der Region hergestellt, aber in der Region genutzt oder verbraucht werden, wird nach den Autoren in Wissenschaft und Praxis in der Regel nicht thematisiert. Eine lastgerechte Selbstversorgung ist technisch und ökonomisch wesentlich aufwändiger als eine bilanzielle, da hier Speicher- und Steuerungstechnologien eine viel bedeutendere Rolle zukommt, als bei einer bilanziellen EE-Selbstversorgung (ebd.).11

9 Vgl. Go 100% EE 10 Gerade im Bereich der Stromerzeugung aus EE haben nach eigenen Angaben mittlerweile Regionen bilanziell die 100 %-Versorgung bereits erreicht wie beispielsweise der Landkreis Lüchow-Dannenberg (Landkreis Lüchow-Dannenberg 2013) oder sind sogar bilanziell zum Stromexporteur geworden wie beispielsweise der Rhein-Hunsrück-Kreis (Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück-Kreis o.J.). Mit dem kleinen Ort Feldheim in Brandenburg mit etwas mehr als 100 Einwohnern existiert auch ein Beispiel für ein Projekt in dem eine lastgerechte EE-Selbstversorgung durch die Erstellung eines eigenen Stromnetzes in Verbindung mit der Nutzung von Windkraft und dem Einsatz von Speichern erreicht wurde (Süddeutsche Zeitung 2014). 11 Aufgrund der „Ubiquität erneuerbarer Energien stellt sich die Frage nach einer lokal autarken Energieversorgung als extremer Form der Dezentralisierung“ allerdings tatsächlich (Gailing und Röhring 2015: 37), vgl. hierzu auch Müller et al. (2011), Rae und Bradley (2012) sowie Funcke und Bauknecht (2016). 5 Während für Schönberger (2016: 105) der Erfolg kommunaler Energiepolitik bereits vorliegt, „wenn in mindestens einem Energiesektor (Strom, Wärme und/oder Kraftstoffe) ein hoher bilanzieller EE-Anteil erreicht worden ist“, und demgegenüber weitere Kriterien wie „Effizienz, Gerechtigkeit und Akzeptanz“ von Politikinstrumenten „nur nachgeordnete Kriterien darstellen [...]“ (ebd.: 101), werden von anderen Autoren gerade normative Aspekte als Bestandteile einer Erfolgsdefinition solcher Prozesse betont. So legt beispielsweise Kunze (2013: 34) dar, dass diese Energieproduktion im Sinne des Brundtland-Berichts der Vereinten Nationen erst als nachhaltig bezeichnet werden könne, „wenn sie keine signifikante Verdrängung der Nahrungsmittelproduktion durch Flächenkonkurrenz verursacht. Die Organisationsform gilt darüber hinaus in sozialer und juristischer Hinsicht in dem Maße als ‚partizipativ’, wie lokale Energiekonsumenten durch Besitz und Entscheidungsbefugnis an der technischen Produktions- und Distributionsinfrastruktur (Netze) beteiligt sind. Eine erneuerbare Energieregion kann als energieautonom gelten, wenn sie darüber hinaus mindestens ihren Eigenbedarf an Wärme- und Stromversorgung vollständig aus lokalen Quellen deckt. Eine erneuerbare Energieregion gemäß gilt dann als ökonomisch ‚nachhaltig’, wenn ein ausreichend großer Teil des erzeugten Mehrwerts den Bewohnern einer Region zugutekommt (durch Anteile, Pacht, Steuern, Stiftungen, Sonderverträge, lokale Wertschöpfung, Reinvestition und so weiter).“

In dem Projekt ‚100% Erneuerbare-Energie-Regionen’12, welches gefördert durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit eine Bestandsaufnahme regionaler Energiewendevorhaben in Deutschland leistete, werden entsprechende Regionen folgendermaßen definiert:

„100ee-Regionen sind Vorreiter der regionalen Energiewende. Sie bieten Raum für die Erprobung innovativer regenerativer Energietechnologien, schaffen neuartige Organisations- und Kooperationsformen und erweitern dadurch regionale Handlungsspielräume. Sie stützen sich auf einen breiten regionalen Konsens zur Energiewende. Darüber hinaus verfügen sie über ein umfassendes regionales Akteursnetzwerk, umfangreiche planerische und konzeptionelle Vorarbeiten sowie erprobte Instrumente zur Öffentlichkeitsarbeit. Die Energie wird bilanziell überdurchschnittlich aus erneuerbaren Energiequellen bezogen.“13

Unter anderem gehört zu den Kriterien, die durch das Projekt vor Vergabe des im Rahmen des Projektes entwickelten Labels ‚100ee-Region’ an eine Region geprüft werden, ob und in welcher Form die Zielsetzung in einem politischen Beschluss manifestiert ist. Positiv in die Bewertung gehen dabei „Beschlüsse von politisch legitimierten Gremien, die Einstimmigkeit von Beschlüssen sowie die Festlegung von Verantwortlichkeiten zur Beschlussumsetzung“ ein (Hoppenbrock und Fischer 2012: 13).

Die in den verschiedenen vorgenannten Definitionen enthaltenen Dimensionen lassen sich in einer von Ruppert-Winkel und Hauber (2014: 2823f.) vorgelegten kategorisierenden Zusammenstellung von in der Community verwendeten Konzeptionen wiederfinden. Die Autoren identifizieren folgende fünf Dimensionen und damit verbundene übergeordnete Fragen mit denen sich eine EE-Selbstversorgung charakterisieren lässt:

 „Calculation (How should the amount of energy and other flows connected to the energy system that is needed for RESS be calculated?)  Content (Which issues are addressed, like electricity/heat/fuel/energy saving?)

12 Vgl. http://100-ee.de/projekt/ (abgerufen 05.08.2016). 13 Vgl. Netzwerk der 100ee-Regionen (2016). 6  Scale and boundaries (What are the spatial boundaries?)  Normativity/value (What are the principles of measuring (territorial or causative)? What kind of values should accompany RESS and what principles, boundaries, and issues should be addressed?)  Decision making process (Who is setting the goal and defining RESS?)“

Da diese Fragen letztlich in Forschung und Praxis sehr unterschiedlich beantwortet werden, stellen die Autoren fest, es sei „challenging to define RESS, and even though more and more studies are conducted that focus on it [...], there is still a lack of understanding related to the processes, diverse impacts and normative assumptions associated with RESS.“ (ebd.).14

Vor diesem Hintergrund will die vorliegende Arbeit keine weitere Definition von EE-Regionen vorlegen, sondern vielmehr einen Beitrag zum vertieften Verständnis von EE- Selbstversorgungsprozessen leisten. Dazu wird die mit Abstand größte Gruppe unter den EE- Regionen, die Kommunen (vgl. Netzwerk der 100ee-Regionen 2016: 2ff.), die die unterste staatliche Ebene darstellen, fokussiert.15 Diese Grenzziehung anhand der empirisch vorgefundenen Situation eröffnet die Möglichkeit der Anwendung des Konzepts Ökologischer Modernisierung, welches staatlicher Steuerung eine wesentliche Rolle in der Implementierung von Umweltinnovationen beimisst (vgl. Kapitel 2.2.2). Die von Ruppert-Winkel und Hauber (2014) identifizierten normativen Aspekte der Versuche einer Definition von EE-Regionen werden zudem in den sieben untersuchungsleitenden Annahmen aufgegriffen.

2.1.2 Entwicklung der Community der ‚EE-Regionen’ Im Folgenden werden mit Fokus auf Deutschland die Entwicklungen im Bereich der ‚EE- Regionen’ nachgezeichnet und dabei auf Pioniere, Einflüsse, Strukturen und den aktuellen Stand eingegangen.

Die Anfänge der Debatten über veränderte Energieversorgungssysteme in Deutschland gehen nach Mautz et al. (2008: 33) bis in die Mitte der 1970er Jahre zurück und wurden von den der damaligen Umweltbewegung eigenen weltanschaulichen Prinzipien der „technischen und ökonomischen Dezentralisierung der Energieproduktion“, einer „(vor allem basisorientierten) Verbreiterung des dafür relevanten Akteursfeldes“ und „Ökologie als neue Leitnorm des

14 Auf die Bedeutung der Versuche zur Definition einer ‚EE-Selbstversorgung’ für die vorliegende Arbeit wird in Kapitel 2.1.1 eingegangen. 15 Städte, Gemeinden und Landkreise werden unter dem Begriff ‚Kommune’ zusammengefasst (Bogumil und Holtkamp 2006: 9). Kommunen gehören zu den öffentlichen Gebietskörperschaften und sind im Rahmen der föderalstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Träger der grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung nach Artikel 28, Absatz 2 (ebd.). Die unmittelbar durch die Bevölkerung gewählten kommunalen Vertretungskörperschaften (Gemeinde- und Stadträte, Kreistage) werden „eher als Parlamente denn als Verwaltungsorgane eingeordnet. Hierfür spricht, dass sich trotz aller interorganisatorischen institutionellen Begrenzungen kommunale Entscheidungsmöglichkeiten im Bereich der freiwilligen Aufgaben aber auch im Bereich der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben eröffnen.“ (ebd.: 79). Die Funktion von Landkreisen ist die Erfüllung von überörtlichen Aufgaben für die kreisangehörigen Kommunen (beispielsweise Abfallwirtschaft, Krankenhäuser, Kreissparkassen, zum Teil auch die Wirtschaftsförderung). Zugleich ist diese Ebene die untere staatliche Verwaltungsbehörde mit staatlicher Durchsetzungskraft. Damit unterscheiden sich im Bereich der Energiewende die Möglichkeiten und Schwerpunkte der Einflussnahme der Landkreise von der Ebene der Städte und Gemeinden oder kreisfreien Städten. Stadtwerke werden beispielsweise vorwiegend von den Städten und Gemeinden getragen, so dass hier die wirtschaftliche Tätigkeit der Landkreise im Bereich der Energiewende eine untergeordnete Rolle spielt. Ähnlich stellt sich dies im Bereich der Planung dar. Hier liegen beispielsweise Kompetenzen auf der Ebene der Gemeinden, den Ausbau von Windkraftanlagen über Flächennutzungspläne auf die dort ausgewiesenen Standorte zu beeinflussen. 7 Handelns im Energiesektor“ getragen. Entsprechende Ideen liefen auf eine „Abkopplung vom traditionellen Verbundnetz der großen Energieversorger und damit letztlich auf eine dezentrale Selbstversorgung“ hinaus (ebd.: 37). Hierfür bildeten die Idealisten der Umweltbewegung Koalitionen mit primär technisch oder wirtschaftlich interessierten Akteuren, wie Landwirten, die ihre Energiekosten senken wollten. So wurde zunächst mit EE-Technik experimentiert, die durch staatliche Unterstützungssysteme (z.B. Stromeinspeisegesetz 1990, Erneuerbare- Energien-Gesetz 2000) anschließend ihre Nische verlassen konnte (ebd.: 47ff.). Die Autoren gehen davon aus, dass die wachsende Community der EE-Regionen zum Teil an diese ursprünglichen Dezentralisierungsideen anknüpft und nennen hier insbesondere Pioniere16 wie die Landkreise Fürstenfeldbruck17 und Lüchow-Dannenberg18 (ebd.: 129f.). Diese beiden Landkreise waren bereits zwischen 1999 und 2003 Projektpartner in einem Projekt zur regionalen Energiewende der Europäischen Kommission, die damit u.a. das Ziel verfolgte, den Anteil von EE am Energieverbrauch in der EU bis 2010 auf 12 % zu steigern.19 Bis Mitte 2016 wurden in Deutschland innerhalb des Projekts ‚100% Erneuerbare-Energie-Regionen’ insgesamt 151 Regionen mit zusammen rund 24 Millionen Einwohnern erfasst, wobei es sich bei 90 Regionen um wirkliche ‚100ee-Regionen’ nach der in Kapitel 2.1.1 genannten Definition dieses Projekts handelte.20 Ausgehend von diesem Projekt wurde 2009 der Kongress ‚100% Erneuerbare Energien Regionen’ in Kassel als Informations- und Vernetzungsplattform sowie zur Preisvergabe für das entsprechende Label an Regionen ins Leben gerufen. Dieser Kongress findet seither in einem jährlichen Turnus statt. Kooperationspartner dabei ist die Agentur für Erneuerbare Energien. Diese wurde 2008 gegründet, um unter dem Slogan ‚Deutschland hat unendlich viel Energie’ den Umstieg auf EE zu unterstützen. Sie wird von Unternehmen und Verbänden aus der EE-Branche sowie aus Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finanziert. Zur Verfügung gestellt werden Expertisen zu unterschiedlichen Themen rund um die Energiewende und Online-Portale. Darunter befindet sich auch die in

16 Große Bekanntheit als Vorreiter in Europa hat die im österreichischen Burgenland gelegene Stadt Güssing mit heute rund 3.800 Einwohnern. In diesem peripher gelegenen Ort an der ungarischen Grenze wurde bereits 1990 vom Gemeinderat ein Grundsatzbeschluss gefasst, eine Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern anzustreben und energieautark zu werden (Horak et al. 2007: 8ff.). Auch andere Gemeinden in Österreich verfolgten bereits in den 1990er Jahren Ziele zur EE-Nutzung und zur Erreichung einer Energieautarkie, darunter auch Gemeinden, die zu den Pionieren des so genannten e5- Programms gehörten (Horak et al. 2007). Durch das Energieinstitut Vorarlberg wurde Ende der 1990er Jahre dieses e5-Programm und ein damit verbundenes Zertifizierungssystem entwickelt und Gemeinden angeboten, um sie längerfristig im Bereich des Klimaschutzes und der Energiewende zu begleiten und die Fortschritte mit anderen Gemeinden vergleichen zu können. Das Programm wurde 2002 „mit Partnern aus Deutschland, der Schweiz und Polen zu einem gemeinsamen europäischen Qualifizierungsprogramm für Gemeinden, dem European Energy Award, weiterentwickelt.“ (vgl. e5 Programm für energieeffiziente Gemeinden o.J.). Auf den European Energy Award wird im Kontext der Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall und des Landkreis Steinfurt noch näher eingegangen. 17 Die Entwicklungen im Landkreis Fürstenfeldbruck wurden im Rahmen einer Veranstaltung auch im Landkreis Schwäbisch Hall Bürgern und Politikern vorgestellt und dienten damit als Bezugspunkt für den Prozess in Schwäbisch Hall (vgl. Kapitel 4.3.1). 18 Der Landkreis Lüchow-Dannenberg wurde auch im Rahmen des Projekts ‚EE-Regionen’ untersucht und die Ergebnisse gingen in ein von Hauber und Ruppert-Winkel (2012) entwickeltes Modell zum Ablauf von EE-Selbstversorgungsprozessen und den entsprechenden Akteurskonstellationen und Motivlagen ein. 19 Vgl. European Commission (1997) 20 Auf die beiden weiteren Kategorien ‚100ee-Starterregionen’ und 100ee urban’, verteilen sich die übrigen 61 gelisteten Regionen. Bis zum Jahr 2011 wurde durch das Projekt eine reine Erfassung der Regionen vorgenommen. Seit 2011 erfolgt eine Aufnahme in den Kreis der Regionen, die sich mit einem entsprechenden Label präsentieren können, auf Basis von Bewerbungen und Prüfung bestimmter Kriterien (vgl. Netzwerk der 100ee-Regionen (2016)). 8 Kooperation mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund betriebene Plattform ‚Kommunal-Erneuerbar – Starke Kommunen mit Erneuerbaren Energien’, auf der Informationen für Regionen bereitgestellt werden.21 Seit 2008 werden dort auch so genannte ‚Energie-Kommunen des Monats’ präsentiert, die sich durch ein besonderes Engagement in der kommunalen und interkommunalen Energiewende hervorgetan haben. Unter dem Label ‚Energieautonome Kommunen’ existiert seit 2011 in Freiburg im Breisgau – organisiert vom Förderverein Energie- und Solar-Agentur Regio Freiburg e.V. (fesa e.V.) und enerchange – Agentur für Erneuerbare Energien – ein weiterer jährlicher Kongress zum Thema der regionalen Energiewende. Es haben sich damit in Deutschland mehrere regelmäßige Events etabliert, in denen die Thematiken der regionalen Energiewende behandelt werden und die der Vernetzung von Akteuren und Präsentation von Best-Practice- Beispielen dienen.

Dabei zeigen sich in dieser Community Überschneidungen zwischen den Themen ‚100 % Erneuerbare Energien’, ‚Energieautarkie’ oder ‚EE-Selbstversorgung’ zu ‚Lokale Agenda21’, ‚Bioenergiedörfern’ und ‚Bioenergieregionen’ sowie insbesondere zur Thematik ‚Kommunaler Klimaschutz’. Vor allem im letztgenannten Bereich spielen Förderprogramme und Wettbewerbe eine wichtige Rolle: So wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ab 2008 im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative die Erstellung von Klimaschutzkonzepten und die Installierung kommunaler Klimaschutzmanager zu deren

Umsetzung sowie weitere Modellprojekte mit dem ‚Leitbild der CO2-Neutralität’ gefördert.22 Außerdem wurde 2009 durch das Ministerium und das Service- und Kompetenzzentrum: Kommunaler Klimaschutz (SK:KK) sowie mit den Kooperationspartnern Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag und Deutscher Städte- und Gemeindebund der seitdem jährlich ausgetragene Wettbewerb ‚Kommunaler Klimaschutz’ initiiert, in dem Städte, Gemeinden und Landkreise für ihre Klimaschutzaktivitäten ausgezeichnet werden. Jährlich findet eine Konferenz zur Auszeichnung der Preisträger und deren Vernetzung statt. Unter den Preisträgern befanden sich auch Gemeinden oder Gemeindeverbünde, die das Ziel einer EE-Selbstversorgung anstrebten. So wurde beispielsweise 2009 die Gemeinde Morbach für den eingeschlagenen ‚Weg zur energieautarken Kommune’ ausgezeichnet sowie 2012 neun Gemeinden im Achental in Bayern, die sich 1999 zu dem Verein ‚Ökomodell Achental’ zusammengetan hatten und vor allem auf Basis von Biomasse bis 2020 eine Energieautarkie anstreben.23 Neben dem Wettbewerb ‚Kommunaler Klimaschutz’, in welchem kommunale Einheiten ausgewählt und prämiert werden, setzt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auch Impulse durch gezielte Förderung von Klimaschutzaktivitäten auf kommunaler Ebene. So wurde 2011 das Programm ‚Masterplan 100% Klimaschutz’ eingerichtet. Die 2012 ausgewählten 19 Gemeinden, Städte, Landkreise und Kommunalverbünde „haben sich eine Treibhausgas- Reduzierung von 95 Prozent und eine Senkung des Endenergiebedarfs bis 2050 um 50 Prozent verordnet. […] Damit die Masterplan-Kommunen bis 2050 ihre Ziele erreichen können, müssen die Bereiche Strom, Wärme und Mobilität zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt werden.“24

Auch Lokale Agenda21-Prozesse in Kommunen haben in Deutschland häufig EE als einen Themenschwerpunkt und weisen deutliche Schnittmengen mit der Community der EE-Regionen

21 Vgl. http://www.kommunal-erneuerbar.de (abgerufen 10.03.2016) 22 Vgl. Deutschen Instituts für Urbanistik (2008) 23 Vgl. Bundesministerium für Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2012a) 24 Vgl. Bundesministerium für Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2012b) 9 auf, wie beispielsweise in der bayerischen ‚Energiewenderegion Oberland’ (Müller 2014) oder im Landkreis Steinfurt (Stablo und Ruppert-Winkel 2017, vgl. Tabelle 2).25 Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – welches entsprechende Projekte förderte – existierten Anfang 2014 in Deutschland zudem 140 Bioenergiedörfer26, die sich wie das „Bioenergiedorf Jühnde […] auf einen ähnlichen Weg der Energieautarkie gemacht haben […].“27 Das ‚Bioenergiedorf Jühnde’ ist eines der ersten Projekte in Deutschland, in dem eine vollständige Umstellung der Energieversorgung auf EE angestrebt wurde (Schmuck et al. 2006).

Auch andere Bundesministerien haben in den vergangenen Jahren die Thematik der regionalen Energiewende und des Klimaschutzes in ihre Forschungs- und Förderstrategien integriert. Innerhalb des Forschungsprogramms ‚Modellvorhaben der Raumordnung (MORO)’ des Bundesministeriums für Bauwesen und Raumordnung wurde die regionale Energiewende aus einem raumplanerischen Blickwinkel betrachtete.28 Seit Ende 2012 lief ein Projekt, in dem das Ziel verfolgt wurde „die Unterstützung des Ausbaus erneuerbarer Energien durch die Regionalplanung auf Basis des informellen Planungsinstruments Regionales Energiekonzept zu untersuchen.“29 Auch von Seiten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wurde seit 2008 innerhalb des Förderschwerpunkts ‚Sozialökologische Forschung’ in einer Nachwuchsgruppe innerhalb des Projekts ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’ die Thematik der kommunalen und regionalen Energiewende aufgegriffen (vgl. Kapitel 1.2, Fußnote 8). In einer weiteren Ausschreibung im Rahmenprogramm ‚Forschung für Nachhaltigkeit’ zur Thematik ‚Umwelt- und gesellschaftsverträgliche Transformation des Energiesystems’ aus dem Jahr 2012 wurden ab 2013 weitere Verbundvorhaben gefördert, die sich zum Teil mit den Optionen dezentraler und regionaler EE-Selbstversorgung beschäftigten.30 Nicht zuletzt befasste sich auch das mit Energiefragen betraute Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Kooperation mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit mit regionalen Energiewendevorhaben. Im Rahmen der High-Tech- Strategie und des Programms ‚Informationsgesellschaft Deutschland 2010’ wurden sechs Modellregionen gefördert, um die Praktikabilität „von Smart Grid-Technologien sowie den Aufbau von virtuellen Marktplätzen auf Verteilnetzebene“ und „deren Beiträge zu den Herausforderungen der Energiewende (Dezentralisierung, fluktuierende Erzeugung, Versorgungssicherheit)“ erforschen und demonstrieren zu können.31

Zusammenfassend kann von einer wachsenden EE-Regionen-Community gesprochen werden, die durch Förderung und Wettbewerbe32 sowie durch Forschungsprojekte von höheren Ebenen unterstützt und begleitet wird, und in der Kommunikationsstrukturen und Austauschforen entstanden sind, über die beispielsweise Best-Practice-Lösungen möglichen Nachahmern

25 Vgl. hierzu weiterhin die vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (2012a und 2012b) beschriebenen Beispiele für Lokale Agenda 21-Prozesse in deutschen Kommunen 26 Vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (o.J.a). Es bestehen einige Überschneidungen mit der Liste der ‚100ee-Regionen’. 27 Vgl. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (o.J.b) 28 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (o.J.a) 29 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (o.J.b) 30 Vgl. http://www.fona.de/de/15980 (abgerufen 07.03.2014). 31 Vgl. B.A.U.M. Consult GmbH (2013) 32 Es existieren auch prestigeträchtige nicht öffentlich organisierte Wettbewerbe für Kommunen im Bereich der Erneuerbaren Energien, so die Solarbundesliga zur Prämierung der Leistungen im Ausbau von Photovoltaik und Solarthermie, organisiert von der Redaktion der ‚Solarthemen’ und der Deutschen Umwelthilfe oder seit 1994 der von Eurosolar verliehene deutsche und europäische Solarpreis. 10 zugänglich gemacht werden, und Überschneidungen mit weiteren Communities (Lokale Agenda21, Bioenergiedörfer und –regionen, Kommunaler Klimaschutz) existieren.33

2.1.3 Erfolgsfaktoren und Hürden regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE- Selbstversorgung Wie gezeigt, existiert eine Vielzahl von Definitionsversuchen und Begrifflichkeiten, die in den Kontext einer ‚EE-Selbstversorgung’ gestellt werden können. Den unterschiedlichen Konzeptionen ist allerdings gemein, dass ein bilanziell hoher EE-Anteil im Vergleich zum Energiebedarf ein wesentliches Kriterium ist, um die Regionen als erfolgreich und als Vorreiter zu charakterisieren. Entsprechend werden in zahlreichen Studien darauf bezogen in unterschiedlichen Handlungsfeldern Erfolgsfaktoren und Hürden genannt. Mautz et al. (2008) haben für den Start des Energiewendeprozesses in Deutschland – den sie bereits Jahrzehnte vor den Ereignissen in Fukushima datieren – beobachtet, dass hierfür eine Akteurskonstellation aus ökologisch-idealistisch motivierten und technisch interessierten Personen verantwortlich zeichnete und mit beginnendem Aufgreifen der Thematik durch etablierte Akteure in der Politik eine dynamische Entwicklung stattfand. Müller (2014) und Hauber und Ruppert-Winkel (2012) bestätigen dies für regionale Energiewendeprozesse.34 Letztgenannte Autoren entwickeln hierzu anhand mehrerer Fallstudien ein dreiphasiges Transformations-Modell.35 Vor allem Widerstand von Verlierern dieser Veränderungen, wie bisherige Energieversorger (Ruppert-Winkel et al. 2016) oder „local fossil oil supplier[s]“ (Wüste und Schmuck 2012: 251), können solche Prozesse behindern. Umgekehrt scheinen sie leichter abzulaufen, wenn keine entsprechenden Gegeninteressen bestehen. So war beispielsweise in einer Gemeinde in Österreich, wo regionale Energiewendeprozesse ebenfalls weit verbreitet sind36 – „the broad consensus for the energy vision including its biomass-orientation [...] only possible because no vested interests were pushing for a gas-based energy strategy due to this particularity of the remote and sparsely populated district.“ (Späth 2012: 1264).

33 Den Ergebnissen der Analyse vorausgreifend, kann diese Entwicklung nach Jänicke (2013) als Mehrebeneninteraktion zur Diffusion von Politiken der Förderung von Umweltinnovationen und damit als Bestandteil eines Prozesses Ökologischer Modernisierung angesehen werden. 34 Vgl. ähnlich auch Walker (2008: 4403) für den britischen Raum. Er stellt die (beinahe rhetorische) Frage, ob der Erfolg von Vorreitern „can be replicated in other locations and contexts without the initial dynamics of innovation or involvement of key enthusiasts and social entrepreneurs.“ Für die Entwicklung in den neuen Bundesländern weist Kunze (2013: 37) darauf hin, dass im Kontext des schnellen wirtschaftlichen Abschwungs nach der Wiedervereinigung und den fehlenden (und möglicherweise bremsenden) Verwaltungsstrukturen „entschlossene Bürgermeister“ als „’politische Unternehmer’“ eine „notwendige Bedingung für jede lokale Entwicklung in Richtung Energieautonomie“ gewesen seien. 35 Die ‚Pioneer phase’ wird ‚bottom-up’ von Akteuren bestimmt, welche Innovationen (technisch wie auch politisch) im Bereich EE anstoßen wollen, nicht Teil des politischen oder wirtschaftlichen Establishments in der Region sind und von vielen Akteuren als ‚Ökospinner’ bezeichnet werden. Die ‚pivotal netwok phase’ wird durch eine verbesserte Organisation der Pioniere gekennzeichnet, die andere Akteursgruppen von ihren Ideen überzeugen wollen. Gleichzeitig können sich die technischen Pioniere (‚Entrepreneurs’) in dieser Phase mit ihren Produkten – gestützt durch das EEG – zunehmend am Markt behaupten. In der Phase übernehmen auch Akteure aus dem Establishment (Politik, Verwaltung, Wirtschaftsförderung) die Thematik der Energiewende und stellen sie in den Kontext der ökonomischen Entwicklung der Region. Auch persönliche Motive des politischen Status spielen eine Rolle. Der Prozess wird stärker ‚top-down’ organisiert. In der ‚extended network and growing market phase’ wird die Idee der regionalen Energiewende stärker institutionalisiert und verbreitet und wird zu einem konsensualen Ziel im regionalen politischen Diskurs, gestützt durch den Kontext des EEG und die zunehmende Wahrnehmung der Vorreiter-Entwicklung der Region in der Betrachtung durch externe Akteure. In dieser Phase ziehen sich einige Pioniere zurück, da sie ihr Vorhaben als erfüllt ansehen, andere, weil ihnen die Dominanz der ökonomischen Aspekte der Energiewende missfällt. 36 Vgl. Go 100% EE 11 Neben den Motivationen und Interessen der Akteure sind bedeutende Erfolgsfaktoren für regionale Energiewendeprozesse nach Müller (2014) die europäische und nationale Förderkulisse, verbunden mit der Fähigkeit, diese Möglichkeiten auf regionaler Ebene durch entsprechendes Know-how auch effektiv nutzen zu können.37 Wichtig seien außerdem eine politische Zielsetzung als Referenz für Akteure, ein territorial-administrativer Zuschnitt mit klarer Zuständigkeit in der Verwaltung und ein Klimaschutzkonzept zur Bestandsaufnahme und strukturierten Maßnahmenformulierung. Schönberger (2016) nennt als wichtige Faktoren für den EE-Ausbau auf regionaler Ebene politisch-institutionelle Faktoren wie die gleichzeitige Anwendung verschiedener Politikinstrumente, förderliche Rahmenbedingungen, ökonomische Faktoren wie die Schaffung von Arbeitsplätzen durch den EE-Ausbau, informationell-kognitive Faktoren, wie das Wissen der Akteure bezüglich des eigenen Handlungsspielraums, akteursbezogene Faktoren, wie engagierte Einzelpersonen, sowie problembezogene Faktoren, wie ein ausreichendes lokales EE-Potenzial.38

Das EE-Ziel kann dabei als ein Leitbild dienen, hinter dem sich unterschiedliche Akteursgruppen – von primär ökologisch bis zu eher wirtschaftlich geleiteten – versammeln (Hauber und Ruppert-Winkel 2012). Dies bestätigt auch Späth (2012: 1268), der die Verbindung von drei Diskursen in erfolgreichen Regionen nachzeichnet: „that on a transition of the (local) energy system towards sustainability; that on local contributions to the mitigation of climate change; and, very importantly, that on the economic development in the rural district.“ Letztgenanntes Ziel – häufig mit ‚Steigerung der regionalen Wertschöpfung’ betitelt – beschreiben Schlüsselakteure als zentral: Für ländliche Räume eröffneten sich durch Energieproduktion und Reduktion von Geldabflüssen für in Teuerung begriffene fossile Energieträger neue Entwicklungsperspektiven (vgl. Keppler 2007, Abegg 2010, Hauber und Ruppert-Winkel 2012, Gailing et al. 2013: 30). Umgekehrt wird von Wüste und Schmuck (2012: 251) ein sinkender Ölpreis als hinderlich für Investitionen in Biogasanlagen beschrieben. Um die Akzeptanz für die Energiewende in der Bevölkerung zu steigern, weisen die Autoren in dieser Untersuchung von Bioenergiedörfern und Bioenergieregionen außerdem darauf hin, es sei „important to emphasize the harmony between environmental protection and the creation of economic value.“ (ebd.: 253).

Auch Lernprozesse zwischen den Regionen werden als bedeutsam eingeschätzt (Kunze 2013: 38f.). So seien beispielsweise Bewohner von Bioenergiedörfern durch Exkursionen zu Pionierdörfern wie Jühnde in Deutschland oder Güssing in Österreich positiv beeinflusst worden und „carried these ideas into their own village.“ (Wüste und Schmuck 2012: 249). Mit der Zeit hätte dann eine Professionalisierung stattgefunden, so dass einige der Initiatoren „are now frequently consulted as experts in the development of communal renewable energy projects. (ebd.: 252).

Energieeinsparung als notwendiger Bestandteil des Weges zu einer EE-Selbstversorgung

Mautz et al. (2008: 129f.) identifizieren EE-Prozesse in Pionierregionen (wie z.B. im Landkreis Fürstenfeldbruck) als solche, die an die ursprünglichen Vorhaben der 1970er anschließen und im Hinblick auf Steuerung, Bereitstellung von Flexibilität (Speicherung, Lastmanagement) und Eigentumsstrukturen eine möglichst weitgehende Dezentralisierung anstreben. Solche

37 Vgl. auch Walker (2008: 4402), der dies auch im britischen Raum bestätigt. 38 Da die natürlichen Ausgangsbedingungen in jeder Region zentrale Grundlage für die Möglichkeit der Erreichung einer EE-Selbstversorgung darstellen, wird dieser Erfolgsfaktor nicht weiter vertieft. Im Zentrum stehen Faktoren, die zur Ausschöpfung dieser Potenziale beitragen. 12 anspruchsvollen Ziele könnten – so die Autoren – nicht auf dem heutigen hohen Energieverbrauchsniveau erreicht werden, weshalb „als flankierendes Ziel eine massive Reduktion des Energiekonsums“ hinzukommen müsse. Auch nach Laufer (2012: 7) ist eine EE- Selbstversorgung aufgrund begrenzter Ressourcen „ohne Energieeffizienz nicht denkbar.“39 Diese Annahme liegt beispielsweise auch dem Wettbewerb ‚Masterplan 100% Kommunaler Klimaschutz’ zugrunde (vgl. Kapitel 2.1.2).

Neben der Steigerung der Energieeffizienz zur Erreichung des Ziels der Energieeinsparung wurde in den vergangenen Jahren auch über die Rolle der Suffizienzstrategie diskutiert (Stablo 2011, Hanke und Best 2013). Begründung für Forderungen nach individueller Konsumeinschränkung (Paech 2012a) wie auch einer unterstützenden (Schneidewind und Zahrnt 2013) oder begrenzenden (Linz 2012 und 2015) Politik der Suffizienz sind Rebound- und Verlagerungseffekte, die Vertretern dieser Forderungen nach dazu führen, dass durch Effizienzsteigerungen theoretisch erreichbare Energieeinsparungen nicht realisiert werden. Die Größenordnung dieser Effekte lege den Schluss nahe, „dass eine hinreichende absolute Reduktion des Energieverbrauchs moderner Gesellschaften nicht mit einer Effizienzstrategie allein erreicht werden kann.“ (Santarius 2014: 116). In diesem Zusammenhang werden neben individuellen Konsumreduktionen auch regionalere, weniger technikintensive Formen des Wirtschaftens als Alternative zu einer Globalisierung von (transportintensiven) Wertschöpfungsketten gefordert (Paech 2012a, Hanke 2014).

Eine Fallstudie mit transdisziplinärem Ansatz in einer schweizerischen Gemeinde zeigte, dass in dem partizipativen Prozess einer Szenarienerstellung für die Fortentwicklung des Energiewendeprozesses in der Gemeinde „no one from the practitioners or from the academic team referred to radical behavioral change and, thus, none of these types of measures were included in the scenarios, but rather only energy savings through technical measures, such as refurbishment of buildings or energy-efficient lightning, were considered (Trutnevyte et al. 2012: 106). Auch Ergebnisse von Schmitt et al. (2015) sprechen dafür, dass Suffizienz in kommunalen Leitbildern und Maßnahmen im Rahmen von Energiewende- und Klimaschutzprozesse lediglich eine randständige Rolle spielen.40 Gleichwohl wird in der Begleitforschung und Beratung solcher Kommunen teils eine Notwendigkeit zur Berücksichtigung der Thematik der Suffizienz betont, so dass die Frage, welche Strategien bei der Reduktion von Energieverbräuchen in regionalen Energiewendeprozessen verfolgt werden, durchaus von Interesse ist.41

Eine eigene Fallstudie (Stablo und Ruppert-Winkel 2012, vgl. Tabelle 1 und Anhang 1) in der Gemeinde Morbach, ging unter anderem der Frage nach, warum und wie das Ziel der Energieeinsparung in die Energiewendestrategie der Kommune integriert wurde.

39 Vgl. auch Paar et al. (2007), die auf die Notwendigkeit einer integrierten Betrachtung des EE-Ausbaus und der Energieeinsparung auf kommunaler Ebene und eine entsprechende Leitbildgestaltung hinweisen. 40 Auf diese Studie wird in Kapitel 5.2 näher eingegangen. 41 Vgl. beispielsweise Ziesing (2010: 4). Auch in Vernetzungsforen der EE-Regionen-Community wurde die Thematik diskutiert. So beispielsweise in einem Forum auf dem ‚100ee-Regionen-Kongress’ in Kassel Ende 2012, an dem der Autor der vorliegenden Arbeit gemeinsam mit Niko Paech und einem Akteur aus dem Landkreis Lüchow-Dannenberg teilnahm (vgl. http://www.100-ee- kongress.de/rueckblick/rueckblick-4-kongress/forum-3/ (abgerufen am 23.09.2016)) sowie auch 2015 in einem Forum zu der Frage, welche Wachstumszwänge existierten und wie sie überwunden werden könnten (vgl. http://www.100-ee-kongress.de/programm/f11/ (abgerufen 23.09.2016)). 13 Tabelle 1: Fallstudie der Gemeinde Morbach (vgl. Anhang 1)

Forschungsfragen  Warum wurde das Ziel der Energieeinsparung in die Energiewendestrategie integriert?  Wie wird von den involvierten Akteuren „Energieeinsparung“ konzeptualisiert? Warum tun die Akteure dies auf diese Weise? Welche Ziele werden in der Gemeinde mit dem Ziel der Energieeinsparung verbunden und welche Ansätze gibt es, diese Ziele zu erreichen?  Wie entsteht zwischen den Akteuren Handlungsfähigkeit in Bezug auf den Veränderungsprozess? Forschungsansatz Induktive longitudinale Analyse einer Gemeinde, die in der EE-Regionen- Community als Vorreiter bereits sehr bekannt war (auf Basis einer Dokumentenanalyse und Interviews) Charakter der Studie Einerseits ist die Studie speziell auf den Gegenstand ‚Integration der Thematik der Energieeinsparung in das EE-Selbstversorgungsvorhaben’ gerichtet, andererseits liefern die Ergebnisse ein Verständnis eines komplexen Prozesses, welches auch den EE-Ausbau miteinschließt, die wirtschaftliche Strategie der Kommune abbildet und dies mit der Akteurskonstellation und den Rahmenbedingungen verknüpft. Zudem werden einleitend die, auf unterschiedlichen Annahmen beruhenden, propagierten normativen Wege aus einer Krise hohen Energie- und Ressourcenverbrauchs erläutert und in der Diskussion anhand der in der Fallstudie beobachteten Entwicklungen darauf reflektiert.

Die Studie ergab, dass sich umweltengagierte Bürger seit den frühen 1990er Jahren für den Ausbau von EE einsetzten und zugleich die Thematik der Energieeinsparung – konkret bezogen auf die energetische Sanierung der Liegenschaften – in die Kommunalpolitik einbrachten. Doch erst als die Preise für fossile Energieträger nach der Jahrhundertwende anstiegen, auf nationaler Ebene entsprechende Regelungen und Förderprogramme entwickelt wurden und von vielen Akteuren in der Gemeinde die Thematik als notwendiger Bestandteil der EE- Selbstversorgungsstrategie, auf deren Erfolg das Regionalmarketing ausgerichtet wurde, angesehen wurde, erhielt die Thematik der Energieeinsparung einen bedeutenderen Stellenwert in Debatten und Politikinstrumenten in der Gemeinde. Eine herausragende Stellung in der EE- Regionen-Community erhielt die Gemeinde durch die Einrichtung der ‚Morbacher Energielandschaft’ auf einem militärischen Konversionsgelände, in der Strom aus Windkraft, Photovoltaik und Biogas erzeugt und mit der Abwärme der Biogasanlage ein Pelletwerk beliefert wurde. Die wenige Jahre nach der Einrichtung des Energieparks entwickelte EE- Marketingstrategie zielte darauf ab, der wahrgenommenen allgemein drohenden Finanznot der Kommunen und dem Abwandern der Bevölkerung aus dem ländlichen Raum wie auch dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zentrales verbindendes Motiv zwischen unterschiedlichen Akteuren in der Gemeinde Morbach war hier die Steigerung der regionalen Wertschöpfung. Die Thematik der Energieeinsparung wurde im weiteren Verlauf vor allem auf den Gebäudebereich bezogen. Hier wurde auch ein kommunales Förderprogramm zur energetischen Gebäudemodernisierung für die Bevölkerung aufgelegt. Suffizienz spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle und wurde lediglich von sehr umweltorientierten Akteuren beispielsweise in Bezug auf eine nachhaltige Landwirtschaft thematisiert. Insgesamt zeigte sich in der Fallstudie, dass sich durch umweltpolitische Konflikte (beispielsweise im Hinblick auf Straßen- und Flughafenausbau) in der Region umweltbewusste Akteure kommunalpolitisch engagierten und so die Akteursbasis der Kommunalpolitik um ökologisch motivierte Akteure verbreiterte. Diese, wie vor allem auch der seit Ende der 1990er Jahre amtierende Bürgermeister, der die Thematik der Energiewende als zentrales Element der Kommunalentwicklung identifizierte,

14 beeinflussten die Ausrichtung der Politik in der Gemeinde dahingehend, dass sich neben einem klassischen – beispielsweise auf den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur gerichteten – wachstumsorientierten Entwicklungsschema ein weiterer Entwicklungsstrang in der Gemeinde manifestierte. Dieser umfasste den Bau neuer Liegenschaften zunehmend mit heimischem Holz, den Aufbau einer Regionalmarke sowie auch und gerade die Thematik der regionalen Energiewende.

Stabilisierung des EE-Selbstversorgungsprozesses durch Institutionalisierung eines partizipationsorientierten Prozessmanagements

Mit den Bestrebungen zu EE-Selbstversorgung geht ein langfristiger und komplexer Transformationsprozess einher. Unterschiedliche Themenfelder – wie technische Energieversorgungskonzepte, Landnutzungsveränderungen, Bürgerpartizipation, veränderte Ansprüche an Siedlungs- und Mobilitätsstrukturen sowie Maßnahmen zur Energieeinsparung – sind dabei zu betrachten (Tischer et al. 2006, Ruppert-Winkel et al. 2013). Ein umfangreicher Ausbau von EE kann auch mit vielfältigen Konflikten verbunden sein. Im Bereich der Biogasnutzung können beispielsweise Landnutzungsänderungen in Form verstärkten Maisanbaus negative ökologische Folgen haben (Schlager et al. 2012) und zu einem Akzeptanzverlust von Biogasanlagen in der Bevölkerung führen (Kress und Jakob 2013a). Ein weiteres Beispiel ist die Ausweisung von Windkraftstandorten. Aufgrund von Artenschutzaspekten und der weiten Sichtbarkeit der Windkraftanlagen können erhebliche Interessenskonflikte zwischen benachbarten Gemeinden sowie zwischen Gemeinden, Naturschutzverbänden und Bürgerinitiativen beobachtet werden (Otto und Leibenath 2013). Diese Konflikte zeigen, dass Ziele wie die Erhaltung von Biodiversität oder bestimmter Landschaftsbilder nicht ohne weiteres mit dem Ziel des Ausbaus von EE in Übereinstimmung gebracht werden können.

Um den regionalen Energiewendeprozess zu stabilisieren, ist daher die Bearbeitung von Konflikten essentiell. In der Literatur werden als wesentliche Instrumente dazu die Schaffung von Kooperationen, die Beteiligung betroffener Akteursgruppen an der politischen Entscheidungsfindung und auch finanzielle Beteiligungsformen benannt (Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien 2010: 9, Deutsches Institut für Urbanistik 2011: 35 und 79). Der Einbindung von Bürgern (Zoellner et al. 2011), Energiegenossenschaften (Kaphengst und Velten 2014) und allgemein der Herausbildung partizipativer Governance-Arrangements (Mautz et al. 2008: 132, Gailing et al. 2013: 30ff.) wird daher eine große Bedeutung zugesprochen. Zur Organisation solcher Kooperationen wird unter anderem die Gründung von Institutionen für ein Prozessmanagement gefordert (Tischer et al. 2006: 81ff. und 113ff., Ruppert-Winkel et al. 2013: 12f.). Auch Müller (2014) leitet für die Verstetigung von Energiewendeprozessen aus der Analyse mehrerer Regionen ab, dass es günstig sei, wenn die Prozesse über die Jahre von einer breiten Partizipation unterschiedlicher Akteursgruppen getragen und weiterentwickelt werden. Gerade der gemeinsamen Erarbeitung von Klimaschutzkonzepten wird hier eine wichtige Rolle bei der Einbeziehung der Akteure und der Akzeptanzsteigerung zugeschrieben. Hierbei zeige sich, dass „institutionalisierte Foren auf regionaler Ebene“ wichtig seien, um die Energiewende „konstant und verlässlich umzusetzen.“ (ebd.: 244f.). Angemerkt wird allerdings auch, dass bei einer sehr starken Stakeholderbeteiligung an Entscheidungsprozessen „die repräsentative Demokratie vor Ort entwertet“ würde (Moser 2013: 145). Zum Teil könne eine umfassende Bürgerbeteiligung einen schnellen EE-Ausbau zudem verzögern, „wenn nicht sogar verhindern“ (ebd.).

15 Eine eigene Fallstudie im Landkreis Steinfurt wurde mit Fokus auf den vorgenannten Aspekt der Institutionalisierung des regionalen Austauschs zwischen Akteuren (Stablo und Ruppert-Winkel 2017, vgl. Tabelle 2 und Anhang 2) durchgeführt.

Tabelle 2: Fallstudie des Landkreises Steinfurt (vgl. Anhang 2)

Forschungsfrage Welche Erfolgsfaktoren sind im Kreis Steinfurt für die Umsetzung einer nachhaltigen Energiewende bedeutend – insbesondere in Bezug auf ein kooperationsorientiertes Prozessmanagement sowie auf eine Verstetigung des Prozesses – und welche Rolle spielt das Agenda 21-Büro dabei? Forschungsansatz Analyse der Stabilisierungsbedingungen für Lokale Agenda21-Prozesse mit besonderem Fokus auf das Prozessmanagement in Verbindung mit dem Ansatz der Regional Governance zur Rekonstruktion des Regelsystems im Landkreis Steinfurt auf abstrakterer Ebene (auf Basis einer Dokumentenanalyse und Interviews) Charakter der Studie Die Studie gibt Auskunft über den politischen Stellenwert und die Sichtbarkeit des Lokale-Agenda21-Prozesses – der sehr schnell auf die Thematik EE fokussierte – die Integration von Themen und Akteuren in den Prozess (Partizipationsorientierung), das Nachhaltigkeits-Controlling sowie die Effizienz des Prozessmanagements und fasst auf abstrahierter Ebene die Regelstrukturen (Hierarchie, Wettbewerb/Anreiz, Netzwerke) im Landkreis in Bezug auf die Energiewende zusammen. Die Erfolgsfaktoren für die Stabilisierung des Prozesses werden auf diese Weise beschrieben. Das Agenda21-Büro wird dabei dahingehend untersucht, ob und wie es die wichtigen Bedingungen zur Stabilisierung des regionalen Energiewendeprozesses beeinflusst. Es wird dabei auch auf die Themen der Energieeinsparung (inklusive der Thematik der Suffizienz) und Konflikte in Bezug auf Umweltprobleme mit hohem Kollektivgutcharakter eingegangen (Beispiel Bioenergiestrategie).

Die Studie zeigte, dass einer zentralen Prozessmanagementeinrichtung insbesondere durch ein aktives Einbeziehen unterschiedlicher Themen und Akteursgruppen und durch die Initiierung und Koordination von Projekten, Netzwerken und Gremien eine wichtige Rolle zur Verstetigung des Energiewendeprozesses zukommen kann. Diese Stabilisierung manifestierte sich im konkreten Fall besonders in (1) der Institutionalisierung eines Agenda21-Büros und seiner Umwandlung in ein Amt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit innerhalb der Kreisverwaltung – womit Klimaschutz als Daueraufgabe anerkannt wurde – mit einem stetig wachsenden Team, (2) den vielfältigen Netzwerken, welche sich vor allem auch um wirtschaftliche Interessen an der Energiewende gruppierten, sowie (3) der Implementierung eines Beirats für Klimaschutz und Nachhaltigkeit und eines Unternehmensnetzwerks zur Anbindung zivilgesellschaftlicher Akteure an die politische Sphäre. Dabei kam der Thematik der regionalen Wertschöpfung eine wichtige Rolle zu. Insgesamt konnten Strukturen geschaffen werden, die auch bei sich ändernden Rahmenbedingungen (beispielsweise des EEGs) nicht ohne weiteres auflösbar sind und die Transformation des regionalen Energiesystems unterstützen. Zudem wurden durch das Agenda21-Büro auch regionale Debatten befördert, welche soziale und ökologische Problemlagen – auch im Rahmen der Energiewende – in den Blick nahmen. Hier wurde beispielsweise explizit die Thematik der Suffizienz aufgegriffen und so zur Bewusstseinsbildung beigetragen. In der Fallstudie zeigte sich anhand der Bioenergienutzung allerdings auch, dass eine Lösung von Umweltproblemen mit hohem Kollektivgutanteil ohne die Aussicht auf monetäre Win-win-Lösungen schwierig zu finden ist: Die unter Integration von Verbänden auf Kreisebene erarbeitete Bioenergiestrategie wurde als wenig verbindlich angesehen, das Gefälle in der Ressourcenausstattung zwischen Bauernverband und Naturschutzakteuren konnte in diesen partizipativen Verhandlungsstrukturen zudem nicht ausgeglichen werden.

16 2.2 Ökologische Modernisierung als Bezugsrahmen für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse

2.2.1 Suche nach einem theoretischen Bezugsrahmen für das Verständnis regionaler EE- Selbstversorgungsprozesse Die im Kapitel 2.1.3 genannten Studien behandeln bezogen auf verschiedene Handlungsfelder vielfältige Erfolgsfaktoren und Hürden zur Umsetzung und Stabilisierung regionaler Prozesse mit dem Ziel einer EE-Selbstversorgung und es werden zum Teil normative Empfehlungen gegeben. Der Versuch einer konzeptionell fundierten und strukturierten Zusammenschau dieser Faktoren und die Entwicklung eines vertieften Verständnisses der regionalen Energiewendeprozesse und ihrer Stabilität unter Integration der Frage danach, inwiefern diese Empfehlungen auch umgesetzt werden können, steht dagegen noch weitgehend aus.42 Auch wenn das Konzept Ökologischer Modernisierung auf nationaler Ebene entwickelt wurde und dieser eine wichtige Bedeutung beimisst (Huber 2008), bietet das Konzept hierfür vielversprechende Ansatzpunkte. Dies soll im Folgenden in Form dreier Argumente begründet werden.

Das Konzept – so das erste Argument – bietet die Möglichkeit, Erfolgsfaktoren und Hürden im Hinblick auf Pionierleistungen im Rahmen der regionalen Energiewende zu strukturieren und deren Zusammenwirken zu verstehen. Hierbei ist als ein Ausgangspunkt bedeutend, dass das Konzept Ökologischer Modernisierung explizit darauf abzielt, nachzuvollziehen, welche Faktoren dazu beitragen, dass Staaten in der Implementierung von Umweltinnovationen – darunter EE-Technologien – eine Vorreiterrolle einnehmen. Damit bietet das Konzept auch Anschlussfähigkeiten für die Untersuchung von Vorreitern der regionalen Energiewende. Denn hier wird in der Community der EE-Regionen, trotz der Unterschiedlichkeit der vorliegenden Definitionen, übereinstimmend ein im Vergleich zum Bundesschnitt überdurchschnittlich hoher bilanzieller EE-Anteil am Energieverbrauch als wesentliches Kennzeichen einer Vorreiterrolle identifiziert. Auch entspricht das Herausheben des Vorhandenseins einer politischen Zielsetzung – wie sie im Kriterienkatalog der EE-Regionen-Definition des Projekts ‚100% Erneuerbare- Energie-Regionen’ zur Vergabe des entsprechenden Labels enthalten ist und als erfolgsfördernd beschrieben wird43 – einer zentralen Annahme des Konzepts Ökologischer Modernisierung. Denn hier wird davon ausgegangen, dass das Festlegen ambitionierter Zielsetzungen durch die Politik – neben weiteren Maßnahmen eines so genannten staatlichen policy mix – einen wesentlichen Erfolgsfaktor für die Diffusion von Umweltinnovationen darstellt. Dies wiederum steht mit der in der Community der EE-Regionen aus Wissenschaft und Praxis verbreiteten Annahme in Verbindung, dass Kommunen in der Energiewende eine besondere Verantwortung zukommt, da sie „an der Schnittstelle zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern agieren“ (Institut für angewandtes Stoffstrommanagement und Deutsche Umwelthilfe 2015: 5) und so über einen policy mix auf der untersten staatlichen Ebene eine innovationssteuernde Wirkung im Sinne der Förderung des EE-Ausbaus und zum Einsatz von Technologien zur Energieeinsparung entfalten können. In Kapitel 2.1.1 wurde bereits dargelegt, dass in der EE- Regionen-Community am häufigsten Städte, Gemeinden und Landkreise das Ziel einer EE- Selbstversorgung verfolgen und hier eine Überschneidung zum kommunalen Klimaschutz und kommunalen Agenda21-Prozessen auftritt. In dieser Arbeit steht daher diese zahlenmäßig am

42 Studien, in denen hierzu Ansätze vorliegen, werden in Kapitel 5 bei der vergleichenden Analyse aufgegriffen. 43 Dies war auch eine Grundlage der Auswahl der Partnerkommunen im Projekt ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’, in dessen Rahmen die vorliegende Arbeit entstand. 17 stärksten vertretene administrative Ebene der Kommunen im Zentrum. Sie sind diejenigen, die einen policy mix aus harten (z.B. Regulierung und Planung) und weichen, informelle (z.B. Unterstützung Dritter durch Information) Instrumenten zur Anwendung bringen können.

Zum Teil werden aus Studien zu EE-Regionen auch Empfehlungen und normative Setzungen in Bezug auf die Dimensionen der Definition einer EE-Selbstversorgung abgeleitet (vgl. Kapitel 2.1.1). Beispielsweise wird die Integration einer Suffizienzstrategie in den regionalen Energiewendeprozess oder die Berücksichtigung ökologischer Belange beim EE-Ausbau durch Integration regionaler Naturschutzvertreter in Aushandlungsprozesse vor Ort empfohlen. In Bezug auf erstgenanntes Handlungsfeld lässt sich auf Basis empirischer Ergebnisse – u.a. der Fallstudie in der Gemeinde Morbach (Tabelle 1) – die Anschlussfähigkeit einer Suffizienzstrategie im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse eher zurückhaltend bewerten, während nach der dargestellten Studie im Kreis Steinfurt (Tabelle 2) in Bezug auf zweitgenanntes Handlungsfeld die Wirksamkeit einer solchen Akteursintegration zur Berücksichtigung von Naturschutzbelangen begrenzt war. Es stellt sich daher generell die Frage nach der erwartbaren Wirksamkeit und Umsetzbarkeit verschiedener normativer Empfehlungen in Bezug auf verschiedene Dimensionen regionaler Energiewendeprozesse, die auch im allgemeinen Diskurs über Nachhaltigkeit häufig erhobenen werden. Hier – so das zweite Argument – bietet das Konzept Ökologischer Modernisierung die Möglichkeit, solche Empfehlungen in ihrer Anschlussfähigkeit an Entwicklungsdynamiken moderner Gesellschaften abschätzen zu können, so dass diesbezüglich die Grenzen des Erwartbaren und Machbaren deutlicher herausgestellt werden können.44

Außerdem – so das dritte Argument – steht mit einem Mehrebenenmodell, entwickelt von Jänicke (2013), einem der Begründer des Konzepts Ökologischer Modernisierung, ein Erklärungsansatz zur Diffusion von Politikinnovationen zur Förderung von Umweltinnovationen im Mehrebenensystem (EU- bis subnationale Eben) zur Verfügung, der für regionale Energiewendeprozesse fruchtbar gemacht werden kann.45

Die Zusammenschau der drei vorgenannten Potenziale der Anwendung des Konzepts Ökologischer Modernisierung spricht dafür, dass auf diese Weise regionale Energiewendeprozesse und ihre Stabilität und Ausgestaltung umfassender verstanden werden können, als es bisher der Fall war.

Folgend werden zentrale Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung erläutert, die der Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens dienen. Die Verbindungen der einzelnen Annahmen des Konzepts zu den entwickelten untersuchungsleitenden Annahmen (vgl. detailliert in Kapitel 3) werden dabei mit den zugehörigen Schlagworten und Verweisen auf Tabelle 3 und Tabelle 4 (vgl. ebenfalls detailliert Kapitel 3) gekennzeichnet. Die Nennung der

44 Diese Möglichkeiten beruhen vor allem darauf, dass die Begründer des Ansatzes anhaltende Kritik an dem Konzept Ökologischer Modernisierung berücksichtigt haben (vgl. Kapitel 2.2.4). Es wurden Kritikpunkte aufgeworfen, die deutliche Überschneidungen mit im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse artikulierten normativen Empfehlungen aufweisen. Die Beziehungen zwischen diesen Forderungen oder Empfehlungen zum Konzept Ökologischer Modernisierung werden in Kapitel 2.2.3 jeweils in Fußnoten genannt. Die Erwartungshaltungen nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung in Bezug auf diese Kritiken und damit verbundenen normativen Empfehlungen, werden in Kapitel 3 in untersuchungsleitenden Annahmen aufgegriffen. 45 Diese Analyse Jänickes mit explorativem Charakter kann zum einen den Blick auf die konkreten regionalen Energiewendeprozesse schärfen, und es besteht umgekehrt die Möglichkeit anhand der Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall (vgl. Kapitel 4) und in der Zusammenschau weiterer empirischer Studien (vgl. Kapitel 5) eine Plausibilisierung dieses Modells vorzunehmen. 18 untersuchungsleitenden Annahmen erfolgt dabei nicht in aufsteigender Nummerierung, sondern entspricht der Struktur des theoretischen Bezugsrahmens aus Kapitel 3.

2.2.2 Zentrale Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung Was als Ökologische Modernisierung bezeichnet werden kann, ist nach wie vor Gegenstand der wissenschaftlichen Debatte.46 Nach Huber – einem Begründer des Konzepts – ist Ökologische Modernisierung ein „Leitbild des Umwelthandelns und ein systemisch-evolutiver Ansatz der Umweltforschung“ (Huber, 2011a: 279). Ökologische Modernisierung besitzt demnach als politisches Programm und analytischer Ansatz einen Doppelcharakter, der in der historischen Entstehung des Konzepts gründet. Seit Ende der 1970er Jahre wurden in Deutschland zur Überwindung der damaligen Konfrontation zwischen Umweltbewegung und Industrie zunehmend Schnittmengen zwischen Ökonomie und Ökologie gesucht (Adler und Schachtschneider 2010: 116). Hieraus entwickelten einige Sozialwissenschaftler eine modernisierungstheoretisch unterlegte „Entwicklungslehre“ (Huber 2011a: 279), die davon ausgeht, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze sein müssen (Huber 2011b: 143).

Auf der politischen Ebene mündete das Leitbild Ökologischer Modernisierung 1998 auf Bundesebene unter anderem in der Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis90/Die Grünen: Ökologische Modernisierung sei „die große Chance, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und mehr Arbeit zu schaffen.“ (Sozialdemokratische Partei Deutschlands und Bündnis90/Die Grünen 1998).47 Die ökologische Steuerreform – vor allem mit den implementierten Steuern auf fossile Energieträger – wie auch die Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) waren in den Folgejahren zentrale Elemente entsprechender Politik.

Nach dem systemisch-evolutiven, analytischen Ansatz Ökologischer Modernisierung können Umweltprobleme als „Störungen im industriell vermittelten Stoffwechsel zwischen Mensch/Gesellschaft und Natur/Umwelt“ aufgefasst werden (Adler und Schachtschneider 2010: 119), die im weitergehenden Prozess Ökologischer Modernisierung gesellschaftlich bearbeitet werden.48 Dabei steht Ökologische Modernisierung nach Huber „im Kontext soziologischer Entwicklungs- und Modernisierungstheorie“ (Huber 2011a: 280)49, wobei Modernisierung den „transsäkularen Übergang aus traditionalen in moderne Gesellschaften“ bezeichnet (ebd.).50 Gesellschaft wird hierbei als System im biokybernetischen Sinne begriffen, wonach diese Systeme ihren Bestand in der Umwelt sichern müssen. Die Entwicklung von Gesellschaften wird mit Hilfe der Erklärung der ihrer Struktur geschuldeten Funktionen

46 Vgl. Mol et al. (2009) und Bemmann et al. (2014) 47 Ökologische Modernisierung sollte zu einem „Schwerpunkt einer neuen Technologie- und Industriepolitik“ gemacht werden (Sozialdemokratische Partei Deutschlands und Bündnis90/Die Grünen 1998: 13) 48 Vgl. auch Huber 2011b: 37ff. 49 Vgl. Huber 2001: Buch I, Schachtschneider 2005, Adler und Schachtschneider 2010: 127 50 Huber verweist diesbezüglich auf Parsons (1972). Als wesentliche Trends, die sich im Zuge der Modernisierung entfalten, werden von Huber (2001: 129ff.) beispielsweise genannt: Ablösung des theologischen Weltbildes des Mittelalters unter Herausbildung weltlich rationalistischen Denkens sowie Entfaltung einer wissenschaftlichen Weltanschauung und Rationalisierung; fortschreitende Monetarisierung und Vermarktlichung; Entfaltung überregionaler und weltweiter Verkehrs- und Handelswege und Wachstum einer erst handwerklichen, später industriellen und dann technologischen Produktion bei immer höherem Maß an überregionaler und weltweiter Spezialisierung und Leistungsverflechtung im Rahmen urbanisierender Stadt-Land-Verhältnisse, heute allgemeiner Zentrum- Peripherie-Verhältnisse usw. Die Entwicklungstendenzen moderner Gesellschaften werden in den untersuchungsleitenden Annahmen aufgegriffen. 19 abgeleitet. Diese Differenzierung von Funktionen, die durch gesellschaftliche Subsysteme erfüllt werden (so genannter Strukturfunktionalismus)51, ist notwendige Bedingung zur Höherentwicklung und dem Übergang aus traditionalen in moderne Gesellschaften (Schachtschneider 2005). Da das Entwicklungsniveau von Kulturen hierbei nach Huber abhängig von dem „Entwicklungsstand ihrer Produktivkräfte (soziale Organisation von Arbeit und Technik)“ ist, hätten Völker oder Nationen mit höherer Produktivkraft Wettbewerbsvorteile (Huber 2011a: 282). Allerdings tendierten sie auch dazu „ihre ökologische Nische, das heißt den Stoffwechsel in ihrem Umweltraum, bis an die Grenzen der Tragekapazität auszuschöpfen und womöglich durch Raubbau zu überschreiten“, weshalb die betreffende Kultur entweder einen Niedergang erführe oder „sie entwickelt sich weiter durch erfindungsreiche Aufstufung ihrer Produktivkräfte und Fortentwicklung der Produktionsverhältnisse“ (ebd.). In entsprechenden Entwicklungsprozessen gestalteten betreffende Nationen ihre natürliche Umwelt aktiv um, mit dem Ziel, der Gesellschaft „mehr Ressourcen und Senken auf dauerhaft tragbare Weise verfügbar zu machen und damit eine höhere ökologische Tragekapazität, mehr Wohlstand und mehr kulturelle Freiheitsgrade zu erlangen.“ So erkläre sich auch der Prozess Ökologischer Modernisierung in industriell weiter fortgeschrittenen Industrienationen (ebd.).

Nach Huber ist Ökologische Modernisierung dabei als „multifunktionaler Entwicklungsprozess“ zu verstehen, der „das Zusammenwirken von Faktoren aus praktisch allen gesellschaftlichen Subsystemen“ beinhalte (Huber 2011a: 283) und „if only one is missing, the process of ecological modernization will be more or less blocked.” (Huber 2009: 48). Jänicke stellt konkretisierend als Ergebnis vielfältiger politikwissenschaftlicher Analysen fest, dass für dynamische Prozesse Ökologischer Modernisierung in den Vorreiterländern viele Faktoren zusammenspielen. Dort sei eine hohe politische Kapazität vorhanden, die die institutionellen, ökonomischen und informationellen Rahmenbedingungen und die Stärke der Promotoren für entsprechende Politiken umfasse (Jänicke 2012a: 26). Zusätzlich seien auch situationsbezogene52 und strategische Einflussfaktoren53 sowie Akteurskonstellationen54 zum Verständnis von Prozessen Ökologischer Modernisierung zu berücksichtigen, da diese Faktoren oft erklärbar machten, warum eine Vorreiterrolle aufgegeben oder wieder aufgenommen würde (ebd.). Hierbei wird auch betont, dass Wille und Geschick und die „subjektive Entschlossenheit und Fähigkeit“ von

51 So ist die Funktion des Subsystems der Wirtschaft die Anpassung und damit Vergrößerung des Spektrums von Hilfsmitteln der Gesellschaft im Zuge der Standardhebung (Schachtschneider 2005: 70). Beispielsweise ist es für die operationale Umsetzung der Herauslösung der Arbeit aus familiärem Kontext und den Übergang zu industrieller Produktion notwendig. Das Subsystem des Politischen Gemeinwesens ist notwendig zur Zielverwirklichung im Prozess der Differenzierung und Spezialisierung (ebd.), beispielsweise bei der gesetzlichen Rahmung der Ausgliederung der Berufsarbeit aus dem familiären Haushalt. Da Standardhebung durch Anpassung und Differenzierung zu gesellschaftlichen Integrationsproblemen führt, ist das Subsystem der gesellschaftlichen Gemeinschaft für den Prozess des Einbeziehens notwendig (ebd.). So wird die Generierung von Solidarität, die in kleineren Selbstversorgungseinheiten gemeinschaftlich organisiert ist, in komplexeren Gesellschaften auf abstraktere Strukturen wie Versicherungssysteme in einem Sozialstaat übertragen. Das Sozio-kulturelle System wiederum sorgt dafür, dass mit steigernder Komplexität auch der Grad der Allgemeinheit von Werten erhöht wird (Normerhaltung) (ebd.), beispielsweise im Zusammenhang mit der Entwicklung des modernen Arbeitsmarktes durch Etablierung eines allgemeinen Erwerbs- und Leistungsprinzips. 52 Jänicke et al. (2003: 80) sprechen hier von der „Summe der kurzfristig veränderlichen Chancen und Hemmnisse für die [...] Akteure, die sich durch wechselnde politische, ökonomische oder informationelle Situationen und Ereignisse ergeben.“ 53 Nach Jänicke et al. (2003: 96) sind Strategien „planmäßiges Handeln im Sinne einer langfristigen Zweck- Mittel-Orientierung, was Modifikationen als Folge von Lernprozessen einschließt.“ 54 Nach Jänicke et al. (2003: 85) wächst die umweltpolitische Kapazität „mit der Bündnisfähigkeit ökologischer Interessen und mit der Fähigkeit zum Dialog mit ihren Kontrahenten (sofern dies nicht ihre Konfliktfähigkeit mindert).“ 20 einzelnen Akteuren (in Verbindung mit situativen Möglichkeiten) sehr bedeutsam für umweltpolitische Erfolge sein können (Jänicke, Kunig und Stitzel 2003: 85).

 untersuchungsleitende Annahmen 3 (‚hohe politische Kapazität’, Tabelle 3/3)

Weitere grundlegende theoretische und normative Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung können wie folgt zusammengefasst werden:

Staatlich forcierte Umweltinnovationen zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch

Jänicke charakterisiert eine systematische Verbesserung von Verfahren und Produkten auf der Basis neuester wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse als zentrales aus dem Innovationswettbewerb kapitalistischer Industriegesellschaften resultierendes Element von Modernisierung (Jänicke 2000: 27).

Unter Anwendung staatlicher Instrumente werde in Prozessen Ökologischer Modernisierung die Verantwortung für ökologische Wirkungen des Handelns so in die Verantwortungsbereiche der jeweiligen Akteure internalisiert, dass der Innovationszwang in Richtung eines umweltfreundlicheren technischen Fortschritts zu ökologisch besser angepassten (konsistenteren) und ressourcenschonenderen (effizienteren) Umweltinnovationen geleitet werde (Jänicke 2012a: 27). Dies wird begründet mit den Erwartungen nach der strukturfunktionalistischen Modernisierungstheorie, wonach bei „gelungener Durchdringung der Systeme“55 zum einen die „politische Rahmung des Marktes“ möglich sei und zum anderen eine „normative Beeinflussung von Politik durch Austausch mit dem sozio-kulturellen System“ (Schachtschneider 2005: 283).

Auf diese Weise werde ein wesentlicher Beitrag zur „Entkopplung ökologischer Belastungen vom Wirtschaftswachstum“ erreicht (Jänicke 2012a: 18). Der Entwicklung und Verbreitung von

EE-Technologien wird aufgrund ihrer konsistenzsteigernden Wirkung (geringer CO2-Ausstoß) daher eine wesentliche Rolle zugeschrieben (Huber 2011a: 279, Jänicke 2012a: 22) genauso wie auch Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz (Jänicke 2012b: 53).

Sei nach der strukturfunktionalistischen Modernisierungstheorie grundsätzlich von einer Steuerbarkeit des technischen Fortschritts und Implementierung von Technologien auszugehen, so könne die Frage danach, welche konkreten umweltpolitischen Steuerungsinstrumente dafür am besten geeignet seien, nach diesem Ansatz nur „inkrementell-evolutionär“ zu beantworten sein (Schachtschneider 2005: 283). Nach Jänicke umfasst diese Innovationssteuerung Aktivitäten der öffentlichen Hand in unterschiedlichen Rollen, die über vielfältige Instrumente in einem policy mix wirken (Jänicke 2012a: 10). Anhand beobachteter Prozesse könne angenommen werden, dass eine „[a]nspruchsvolle Zielvorgabe plus monetäre Tendenzsteuerung plus regulative Detailsteuerung plus unterstützende Instrumente“ – wie beispielsweise eine entsprechende Beschaffungspolitik – und damit ein breiter policy mix Umweltinnovationen zum Erfolg führten (Jänicke 2012a: 19, kursiv im Original). Auch in deutschen Kommunen als

55 Die Durchdringung meint, dass ein Austausch zwischen den Systemen in ihren „Interpenetrationszonen“ (Schachtschneider 2005: 89) stattfinden kann. Beispielsweise entsteht aus „im Gemeinschaftssystem als berechtigt akzeptierten Interessenansprüchen“ ein an das „politische System herangetragener Faktor, der dort in politische Entscheidungen transformiert wird. Umgekehrt entsteht im politischen System der Faktor politische Entscheidung, der durch das Medium politischer Macht auf das Gemeinschaftssystem wirkt, indem er dessen rechtlichen Rahmen bildet.“ (ebd.). 21 unterste Ebene im staatlich-administrativen System kann eine entsprechende innovationssteuernde Wirkung ausgeübt werden. Instrumente sind übergreifende politische Maßnahmen56, das Beschaffungswesen und die Ausschreibungspraxis, Regulierung und Planung, wirtschaftliche Aktivitäten sowie die Unterstützung Dritter über finanzielle und informationelle Maßnahmen (Schönberger 2013: 256ff.).

 untersuchungsleitende Annahme 1 (‚breiter policy mix’, Tabelle 3/1)

Mit dem entsprechenden policy mix könne ein ohnehin bereits bestehender Trend in Richtung von Umweltinnovationen selektiv verstärkt werden (Jänicke 2012a: 16). Dieser Trend speise sich aus den globalen Bestrebungen, die immer deutlicher wahrgenommenen Schadenseffekte des industriellen Wachstums in „ökonomisch wie gesellschaftlich akzeptablen Grenzen“ zu halten sowie aus der Notwendigkeit „massiver Steigerung der Ressourcenproduktivität“ angesichts des „Endes der Ära billiger Rohstoffe“ auf den Weltmärkten (ebd.: 17).

 untersuchungsleitende Annahme 2 (‚globale, generelle Trends’, Tabelle 3/2)

‚Grünes Wachstum’ für die Vorreiter Ökologischer Modernisierung

Jänicke geht von einem globalen Trend des technischen Fortschritts hin zu Umweltinnovationen aus (Jänicke 2012a: 20). Den Vorreiterländern böten sich aufgrund niedrigerer Ressourcenkosten und einer Technologieführerschaft Wettbewerbsvorteile, so dass sie für ihre Volkswirtschaften ein „moderates“ grünes Wachstum („Green Growth“) erreichen könnten (ebd.: 22). Erfolgsfördernd sei dabei, dass andere Länder vor dem Hintergrund von Unsicherheiten und Komplexitätssteigerungen in Lernprozessen häufig technische Umweltinnovationen und entsprechende Politiken von den Vorreitern übernähmen (ebd.: 26). Um ins Blickfeld dieser Länder zu kommen und die eigene Vorreiterrolle in Wettbewerbsvorteile (beispielsweise Exporte für Technologien) zu übersetzen, sei es für die Vorreiter wichtig, mit innovativen Lösungen von Umweltproblemen durch neue Technologien und Verfahren in internationalen Politikarenen sichtbar zu sein (ebd.).

 untersuchungsleitende Annahmen 6 (‚Einnahme einer Vorreiterrolle’, Tabelle 3/6)

Forschung und Wirtschaft als Schlüsselakteure Ökologischer Modernisierung

Neben der Politik – die „allgemein gleiche Bedingungen und Planungssicherheit“ herzustellen habe (Huber 2011b: 145) – seien Akteure aus Forschung und Entwicklung sowie der Wirtschaft zentral für Prozesse Ökologischer Modernisierung (Adler und Schachtschneider 2010: 134): Erstens sei mit dem Design im Wesentlichen bereits der mit Produktion und Nutzung verbundene Energie- und Ressourcenverbrauch von Produkten festgeschrieben (Huber 2008). Zweitens könne eine „Ökologisierung“ der Gesellschaft nur mit dem ökonomischen und technischen Wissen der Industrie, ihrer Fähigkeit zur Kapitalmobilisierung und ihrer internationalen Marktpräsenz erfolgen (Huber 2011b: 145).

 untersuchungsleitende Annahmen 3 (‚hohe politische Kapazität’, Tabelle 3/3)

56 Zu nennen sind hier beispielsweise politische Zielsetzungen, Tätigkeiten, die der Vernetzung mit Kommunen mit ähnlichen Zielsetzungen dienen sowie des Weiteren die Verankerung der Thematik in der Verwaltung durch entsprechende Institutionalisierungen und Ressourcenzuweisungen (vgl. Tabelle 3/1). 22 2.2.3 Kritik am Konzept Ökologischer Modernisierung Das Konzept Ökologischer Modernisierung wurde in den vergangenen Jahrzehnten vielfach kritisiert. Im Wesentlichen sind drei Stoßrichtungen der Kritik auszumachen, die sich zum Teil überschneiden: Eine neo-marxistische, eine demodernistisch-radikalökologisch- wachstumskritische sowie eine konstruktivistisch-postmoderne.57

Aus neo-marxistischer Perspektive – teils unter Bezugnahme auf die so genannte Regulationstheorie58 – wird kritisiert, das Konzept Ökologischer Modernisierung vertraue fälschlicherweise auf die „Einsicht der herrschenden AkteurInnen, die Adaptionsfähigkeiten der bestehenden politischen und wirtschaftlichen Institutionen sowie die Innovationskraft der kapitalistischen Ökonomie“ (Brand und Wissen 2014: 136). Eine Steuerung der technologischen Entwicklungsrichtung zu mehr Effizienz und Konsistenz sei im so genannten Postfordismus oder Neoliberalismus jedoch nicht zu erwarten. Denn erstens werde diese Phase des Kapitalismus durch einen „eingegrenzten“59 Staat gekennzeichnet (Schachtschneider 2005: 283), weshalb eine Rahmung des Marktes unwahrscheinlich sei. Zweitens ließe „die Zunahme sozialer Ungleichverteilung […] die Chance auf Akzeptanz ökonomischer Instrumente zur Richtungsbeeinflussung technologischer Entwicklungen sinken.“ (ebd.). Widerstand sei damit insbesondere von Geringerverdienern zu erwarten, die überproportional von entsprechenden Maßnahmen wie beispielsweise Ökosteuern betroffen wären. Das Konzept Ökologischer Modernisierung tendiert laut Kritikern zudem zur „Ausblendung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen“ (Brand und Wissen 2014: 136). Es werde der Eindruck erweckt,

57 Vgl. hierzu auch Mol und Spargaaren (2000) sowie Mol, Spaargaren und Sonnenfeld (2014: 49), die die demodernistisch-radikalökolgisch-wachstumskritische Perspektive nochmals differenzieren in eine „radical or deep ecology and structural human ecology/ neo-Malthusianism.“ 58 Die regulationstheoretische Perspektive versucht zu erklären, wie konstatierte innere Widersprüche des Kapitalismus gesellschaftlich immer wieder so bearbeitet werden können, dass in historischer Sicht eine zeitweise Stabilisierung unterschiedlicher Kapitalismusformationen möglich wird. Die Regulationstheorie geht von einer spezifischen Abfolge von Kapitalismusformationen aus. Dabei wird die Phase von nach dem zweiten Weltkrieg bis zum Beginn der 1970er Jahre als ‚Fordismus‘ beschrieben (Schachtschneider 2005). Ihre Stabilität erlange diese Phase durch „die Spirale von Effizienzsteigerung in der industriellen Massenproduktion, höherem Gewinn, steigenden Löhnen, mehr Massenkonsum, mehr Massenproduktion etc.. Die Beschäftigten konnten sich (wie die Arbeiter beim historischen Vorläufer Ford in den 1910er Jahren) erstmals ihre selber produzierten Waren kaufen.“ (ebd. S. 224f.). Seit etwa 30 Jahren entwickelt sich die auf den ‚Fordismus‘ folgende Regulationsweise, die entweder als ‚Neoliberalismus‘, als ‚Finanzmarktkapitalismus‘ oder „aufgrund mangelnder Stabilität einfach als postfordistisch bezeichnet wird.“ (Adler und Schachtschneider 2010: 225). 59 Unterschieden werden aus regulationstheoretischer Perspektive zwei ökonomische Rollen des Staates im Kapitalismus. Zum einen der ‚eingegrenzte Staat‘, zum anderen der ‚entwicklungsorientierte Staat‘. „Der eingegrenzte Staat als das Ziel bürgerlicher Revolutionen beschränkt sich auf Kernaufgaben der Bereitstellung von Infrastruktur, die Sicherung der Öffentlichen Ordnung und die Garantie einer stabilen Währung. Seine (erste) historische Ausprägung hatte er im Präfordismus, etwa während der britischen Hegemonie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die durch eine konkurrentielle Regulation charakterisiert war. Aus der Krise dieses Modells […] sprossen mehrere Gegenmodelle eines stärker eingreifenden entwicklungsorientierten Staates. Diese Entwicklungsorientierung drückt sich aus in bestimmten ökonomischen und sozialen Zielvorstellungen, die dann etwa zu Industriepolitik oder staatlich geförderten ‚sozialen Kompromissen‘ führen.“ (Schachtschneider 2005: 252, kursiv im Original). Die Krise des Fordismus – so Schachtschneider weiter – ist auch „als eine Krise des eingegliederten, entwicklungsorientierten Staates“ zu verstehen. „Eine Rückkehr zur Hegemonie des eingegrenzten Staates steht auf der Tagesordnung“ (ebd.). In Bezug auf die forcierte, gerichtete Technologieentwicklung und – Implementation bedeutet dies, dass dieser „bürgerlich-liberaler Staat, der sich wieder auf seine vorfordistischen Kernfunktionen beschränkt und sich aus Entwicklungsorientierungen […] zurückzieht, […] die Mittel, mit denen er die Richtung des technologischen Fortschritts beeinflussen könnte, eher verkleinern als ausnutzen wird. Dazu gehören auch marktbasierte Instrumente, wie etwa Ökosteuern.“ (ebd.: 253). 23 niemand habe etwas zu verlieren (Sommer und Welzer 2014: 75). Allerdings bildeten gerade die „Spannungen und Konflikte zwischen Gruppen, deren Positionen sich entfunktionalisieren (wie beispielsweise bei Mineralölkonzernen), und anderen, die Positionen mit neuen Funktionen besetzen (wie Bürgerenergiegenossenschaften)“ das „Kernstück“ von Transformationen (ebd.: 109 wie auch 221). Das alte Energiesystem könne nur „gegen die vorherrschenden kapitalistischen Verwertungsinteressen“ beseitigt werden (Rest 2011: 199, kursiv im Original).60 Nicht einmal ein primär auf technologische Innovationen setzendes ökologisches Umsteuern sei „[o]hne Druck aus der Zivilgesellschaft, ohne die Intervention sozialer Bewegungen und ohne ökologisch inspirierte Wachstumskritik“ realisierbar (Doerre 2014: 562f.). In diesem Gegenkontext wird als eine Alternative zu expertokratischen Entscheidungsstrukturen, die als kennzeichnend für bisherige Prozesse (Ökologischer) Modernisierung ausgemacht werden, die stärkere Integration von Bürgern in Verhandlungs- und Entscheidungssysteme gefordert (vgl. Sommer und Welzer 2014: 134ff.).61

Konzepte Ökologischer Modernisierung blendeten zudem soziale Ungleichheiten allgemein und speziell in Bezug auf Ressourcennutzungsanrechte und die Verteilung ökologischer Schäden aus (Paech 2012a; Sommer und Welzer 2014: 216f.). Im Hinblick auf den Klimawandel wird eine globale Angleichung der individuellen CO2-Ausstoßrechte gefordert, während die „groß angelegte ökologische Modernisierung“ in westlichen Nationen lediglich dem Erhalt des

ökologisch ungerechten Status Quo der CO2-Ausstoßrechte diene (Paech 2011: 288). Angesichts der historischen Ressourcenverbräuche der frühindustrialisierten Staaten und den auch derzeit nicht verallgemeinerbaren ökologischen Kosten ihrer „imperialer Lebensweise“ sei ein Ausstieg aus der Wachstumswirtschaft in den westlichen Nationen unausweichlich (Brand und Wissen 2011).

Stattdessen würden Veränderungen im Hinblick auf Umwelt- und Naturschutz im Konzept Ökologischer Modernisierung nur im technischen Fortschritt der Effizienz- und Konsistenzsteigerung innerhalb eines Wettbewerbs-, Wachstums- und Industrialisierungsparadigmas gesucht. Die Propagierung einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch – die Kritikern unmöglich erscheint62 – , verstelle den Blick auf soziokulturelle Veränderungen, damit verbundene suffizientere Lebensstile und kleinräumigere, gemeinschaftlichere Versorgungsstrukturen in einer ‚Postwachstumsökonomie’. Diese sei aufgrund von Rebound-Effekten, Verlagerungen von ökologischen Schäden zwischen verschiedenen Umweltdimensionen sowie räumlichen Verlagerungen umweltschädlicher Produktionsweisen in die so genannte Dritte Welt zwingend.63 Im Rahmen der Energiewende in Deutschland würden sich die „Fallstricke Ökologischer Modernisierung“ beispielsweise in einer

60 Diese Kritik schließt an das Themenfeld der Widerstände von Akteuren, die durch die Transformation des Energiesystems ihre Geschäftsmodelle und Machtpositionen gefährdet sehen, an. Dieses wird – zusammen mit möglichen Widerständen enttäuschter Naturschützer – in der untersuchungsleitenden Annahme 5 berücksichtigt. 61 Diese Kritik schließt an das Themenfeld der im Rahmen von regionalen EE-Selbstversorgungsprozessen eingeforderten verstärkten Partizipation von Stakeholdern und Bürgern an. Dieses Themenfeld wird in der untersuchungsleitenden Annahme 4 berücksichtigt. 62 Vgl. beispielsweise Jackson (2013: 59ff.) 63 Vgl. für die genannten Kritiken beispielsweise Paech (2012a: Kapitel 4), BUND/Brot für die Welt/EED (2008: 16f.), Rätz et al. (2011: 9f.), Hanke und Best (2013) 24 weiteren Verbauung von Landschaften mit EE-Infrastrukturen bei gleichzeitig fehlender Substitution von Kohlekraftwerken zeigen (Paech 2012b: 13).64

Nach Partzsch (2015: 48, kursiv im Original), die ‚Macht’ in der Nachhaltigkeitsforschung „entlang der idealtypischen Konzeptionen von power with (Überzeugung und Lernen), power to (Widerstand und Empowerment) und power over (Zwang und Manipulation)“ konzeptualisiert, lenken vorgenannte Ansätze, die vor allem nach ‚power over’ fragen und Ökologischer Modernisierung kritisch gegenüber stehen, „den Blick weg von den Gewinnen (win-win) hin zu den unberücksichtigten Alternativen und benachteiligten Akteuren im Umgang mit Natur und Umwelt.“ (ebd.: 53). Diesen Ansätzen erscheinen Konzeptionen „konsensueller Machtausübung (power with)“ – wie die Autorin sie für das Konzept Ökologischer Modernisierung als charakteristisch beschreibt – „oft als (zu) idealistisch. Oder sie unterstellen denjenigen, die nach einvernehmlichen Lösungen (win-win) suchen, eine Blindheit oder gar Naivität gegenüber bestehenden Asymmetrien.“ (ebd.: 54).

Die konstruktivistische Kritik identifiziert Ökologische Modernisierung als Sprachspiel: Aus diskurstheoretischer Sicht liege die „gesellschaftliche Bedeutung des ökomodernen Diskurses in der Erzeugung einer Anzahl von story lines, die neue gesellschaftliche Koalitionen ermöglichen und tatsächlich zur Folge gehabt haben.“ (Hajer 1997, kursiv im Original). Solche Sprachspiele erzeugten „bestimmte Verbände, Verhältnisse und Grenzen innerhalb des (Umwelt)Diskurses: manche Akteure und auch Probleme erscheinen als zentral bzw. relevant, andere als eher peripher bzw. irrelevant usw.“ Daher solle man Ökologische Modernisierung als Diskurs betrachten und davon ausgehen, dass Ökologische Modernisierung „nicht die ökologische Krise zu überwinden versucht, sondern die Krise wie sie diese selbst definiert hat.“ (ebd.)

2.2.4 Berücksichtigung der Kritik im Konzept Ökologischer Modernisierung Auf die letztgenannte konstruktivistisch-postmoderne Kritik wird von Vertreter des Konzepts Ökologischer Modernisierung auf zwei Ebenen reagiert.

(1) Auf Basis der Feststellung, dass sich Umweltdiskurse seit den beginnenden 1970er Jahren bis hin zu den späten 1990er Jahren im Hinblick auf Prioritätensetzung, Definitionen und Ansätze gewandelt haben, hätten Konstruktivismus-Vertreter abgeleitet, “that environmental problems do not have a ‘real’, ‘objective’ existence but are instead the result of a process of framing certain social problems by certain social actors in a very specific, sometimes arbitrary way.” (Mol und Spargaaren 2000: 30). Dadurch würde allerdings die Tatsache verneint, “that environmental problems do have a ‚real‘ existence. They belong to the type of problem which needs to be analysed and understood not only as social constructs but also in terms of the language of the natural and biological sciences.” (ebd.: 31). Dem fruchtbaren Dialog zwischen einer konstruktivistisch-postmodernen Perspektive und dem Konzept Ökologischer Modernisierung fehlt somit die Grundlage.

(2) Nach Huber vollziehen Diskurse die „gesellschaftliche Bewusstseinsbildung, die Wissens-, Werte- und Willensbildung“, aus der gesellschaftliche Strukturen „originär erschaffen oder fortgebildet oder forterhalten werden. Die Träger gesellschaftlicher Diskurse sind die in verschiedenster Weise gruppierten gesellschaftlichen Akteure“ (Huber 2001: 274f.). Huber

64 Dieses Themenfeld der Kritik schließt an die im Rahmen von EE-Prozessen geforderte Integration einer Suffizienzstrategie und Regionalisierung von Wertschöpfungskreisläufen an und bezieht sich auch auf Konflikte, die im Kontext des EE-Ausbaus zwischen Natur- und Klimaschützern auftreten können. Das Themenfeld wird in den untersuchungsleitenden Annahme 6 und 7 berücksichtigt. 25 identifiziert den ökomodernen Diskurs als denjenigen, der seit Anfang der 1980 Jahre bis in die 2000er Jahre hinein dazu geführt habe, die Blockade zwischen dem demodernistisch- radikalökologisch geprägten Umweltbewusstsein der Umweltbewegung und der Verweigerung jeglichen Umweltbewusstseins der Industrie aufzubrechen durch Einführung eines „utilitär- anthropozentrischen Umweltbewusstseins“ (Huber (2011b: 148).65 Der ökomoderne Diskurs ist demnach als Bestandteil und Ausdruck einer gesellschaftlichen ‚Ökologisierung‘ im Sinne eines übergeordneten alle gesellschaftlichen Subsysteme umfassenden Prozesses Ökologischer Modernisierung zu verstehen.

Die folgenden Ausführungen im Hinblick auf Reaktionen und Antworten auf Kritiken am Konzept Ökologischer Modernisierung konzentrieren sich auf die neomarxistischen und demodernistisch-radikalökologisch-wachstumskritischen Einwürfe. In den Ausführungen wird deutlich werden, dass die anhaltende Kritik am Konzept Ökologischer Modernisierung insofern ins Leere laufen, als dass zum einen die ausgemachten Leerstellen des Konzepts so nicht existieren oder aber zum anderen die Differenzen „tend to go back to fundamental assumptions – on science, its role in society, the relationship between theoretical and empirical work, and the present state of the world“ (Mol, Spaargaren und Sonnenfeld 2014: 52). Mol, Spaargaren und Sonnenfeld erwarten daher „such controversies to be long lasting.“ (ebd).

Erwartbare Rebound-Effekte und geringe Chancen für eine ‚Postwachstumsökonomie’

Für Vertreter des Konzepts Ökologischer Modernisierung sind von Wachstumskritikern angeführte Rebound-Effekte Bestandteil gesellschaftlicher Modernisierung. In Rückgriff auf Konzepte und entsprechende Untersuchungen beschreibt Huber (2011b: 56ff.), dass biologische, wie auch ökonomische Systeme mehrere Entwicklungsstadien durchlaufen. Durch Lernprozesse senkten sie zwar fortlaufend den spezifischen Stoffverbrauch pro Leistungseinheit, die Effizienzgewinne würden zunächst aber in Wachstumseffekte reinvestiert, womit Rebound- Effekte programmiert seien. Auch Suffizienz bei steigender Weltbevölkerung schiebe den ökologischen Kollaps lediglich hinaus, könne ihn aber nicht verhindern. Daher könne letztlich nur eine konsistente Gestaltung von (weiter steigenden) Stoffströmen ökologische Probleme lösen (Huber 1996: 233ff.).66 Die von einigen Kritikern des Konzepts Ökologischer Modernisierung geforderte Option ‚Nicht mehr wachsen in den frühindustrialisierten Ländern’ und des ‚Weiter Wachsens in Ländern des globalen Südens’ stünden in einem „interdependenten Weltsystem“, welches auf absehbare Zeit einem langfristigen Trend des Wirtschaftswachstums folge, nicht zur Verfügung. Am ehesten erfolgversprechend sei ein „von den Nationen zusammen absolvierter Entwicklungs- und Aufstufungsprozess“ im Sinne einer Ökologischer Modernisierung (Huber 2011b: 141).67 Dies sei ein wesentlicher Beitrag „zur Entschärfung der Wachstumsproblematik unter Umweltaspekten.“68 (Huber 2012). Allerdings – so wird

65 Die Rolle, die Huber selbst sowie auch Jänicke, Mol und Spargaaren darin zugeschrieben werden kann, wird ebenfalls thematisiert (Huber 2011b: 142f.) 66 Zum damit in Verbindung stehenden „Cradle-to-Cradle-Prinzip“ vergleiche Braungart und McDonough (2014) sowie zur Idee der konsistenten „solaren Chemie“ Fischer (2012) 67 Vgl. diesbezüglich auch Hubers Ausführungen das ‚moderne Weltsystem’ betreffend (Huber 2001: 135 ff.). 68 In ähnlicher Weise argumentiert auch Fücks (2013): Vor dem Hintergrund, dass gegenwärtig die „wirtschaftliche und soziale Tendenz für Milliarden von Menschen aufsteigend“ sei, sei es wichtig, dass das „gewaltige Wachstum von Gütern und Dienstleistungen, das in den kommenden Jahrzehnten stattfinden wird, in nachhaltige Bahnen gelenkt“ werde (ebd.: 65f.). Fücks sieht die westlichen Industrienationen in der Lage, den technologischen Wandel zur ökologischen Entschärfung dieses prognostizierten Wachstums weltweit voranzutreiben. Dass diese Vorreiter-Nationen davon selbst auch wirtschaftlich profitieren und 26 eingeräumt – seien vor allem auf Kollektivgüter gerichtete umweltpolitische Ziele – wie beispielsweise der Schutz der Biodiversität –, für die keine „marktfähigen technischen Lösungen“ vorlägen, nur schwer zu verwirklichen (Adler und Schachtschneider 2010: 131).

 untersuchungsleitende Annahmen 7 (‚Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte und Regionalisierung’, Tabelle 4/7)

Geringe Chance von Suffizienz

Die Chancen von Suffizienz sind aus Perspektive des Konzepts Ökologischer Modernisierung gering. So existiere ein „Kult des Massenkonsums“ (Schachtschneider 2005: 100), der auf dem Anspruch der Bürger auf Teilhabe am wachsenden Wohlstand zurückgehe (Münch 2009: 150). Die Einflussnahme partikular orientierter Interessengruppen ließe einer Politik zur Förderung von Suffizienz keine Chance (Schachtschneider 2005: 101f.). Auch die globale ökonomische Konkurrenz führe zur Förderung von Massenkonsum, denn Umweltpolitik würde nur so weit betrieben, wie die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie nicht gefährdet werde. Da somit Ansprüche der Bevölkerung (Kult des Massenkonsums) auf Möglichkeiten (Konsumförderung) träfen, würde der Konsum tatsächlich auch realisiert (ebd.) Dies fällt nach Huber zusammen mit einer „utilitaristischen69 Assimilation des Umweltbewusstseins“ der Bevölkerungen westlicher Staaten (Huber 2011b: 255). Die Bürger nähmen ökologische Probleme zwar wahr, wollten sie mehrheitlich aber primär durch Nutzung besserer Technologien statt über Konsumeinschränkungen lösen (ebd.: 85ff.).70 Eine Suffizienzstrategie sei „unrealistisch, so lange nicht extreme äußere Bedingungen Suffizienz erzwingen.“ (Huber 1996: 235).

 untersuchungsleitende Annahmen 7 (‚Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte und Regionalisierung’, Tabelle 4/7)

Geringe Chance von Regionalisierung

Für Kritiker Ökologischer Modernisierung ist die Regionalisierung von Versorgungsstrukturen und Wertschöpfungsprozessen eine wichtige Alternative zur fortwährenden Globalisierung von Wirtschaftsbeziehungen und Stoffströmen. Bei den regionalen Energiewendezielen handelt es sich zumindest verbal teils um sehr regionalorientierte Vorhaben (‚Energieautarkie‘) und damit in erster Betrachtung um Ziele, die den Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung widersprechen. Denn nach der Modernisierungstheorie ist von weitergehender ökonomischer Globalisierung als Folge der „evolutionär universalen Herausbildung einer Geld- und Marktorganisation“ auszugehen (Schachtschneider 2005: 103), die wiederum Voraussetzung für die Durchsetzung der Modernisierungsprozesse kennzeichnenden „ökonomische[n] Produktivitätssteigerungen“ sei (ebd.: 93). Regionalisierte Wirtschaftskreisläufe beherbergten dagegen „Widerstandspotentiale“ gegen Produktivitätssteigerungen (ebd.), weshalb Regionalisierung nur in dem Sinne betrieben werden könne, dass „ein lokaler Standort […] sich

„mit grünen Produkten schwarze Zahlen schreiben“ (ebd.: 43), ist für ihn wichtiges Ko-Produkt dieser Strategie. 69 Darunter versteht Huber ein „individualistisches Eigennutzstreben“ (Huber 2011a: 184). 70 Vgl. hierzu auch Kleinhückelkotten (2005), die Anschlussfähigkeiten für Wertorientierungen wie ‚Genügsamkeit’ und ‚Selbstbeschränkung’ bei einer Untersuchung von Sinus-Milieus in Deutschland nur in sehr geringem Ausmaß identifizieren konnte. Weitaus anschlussfähiger zeigte sich dagegen das Orientierungsmuster der ‚Effizienz’, verbunden mit der Tendenz, technische Innovationen für die Lösung ökologischer Probleme die entscheidende Rolle zuzuschreiben. 27 mit sorgfältig spezialisierten Angeboten seinen Platz in den überregionalen Arbeitsverkettungen sichert […]“ (Huber 1996: 242). Diese weltmarktorientierten Regionalisierungskonzepte erwarten einen zunehmenden Wettbewerb von Regionen untereinander (Kröcher 2008: 210). Hierbei versuche jede Region mit Hilfe einer zwischen ihren Akteursgruppen abgestimmten Strategie eine hohe Sichtbarkeit und bessere Konkurrenzpositionen auf dem Weltmarkt zu erreichen (Schachtschneider 2005: 102). Solchen Vorstellungen stünden die ökologisch motivierten Regionalisierungskonzepte klar entgegen, auch wenn es zum Teil Interessenübereinstimmungen gebe (ebd.).

Nach der Modernisierungstheorie ist zu erwarten, dass der Anteil von regionalwirtschaftlichen Strukturen an der gesamten Wirtschaftstätigkeit unbedeutend bleibt. Darüber hinaus wäre gar mit einer schleichenden Zerstörung regionaler Gemeinschaftsstrukturen (z.B. Genossenschaften) aufgrund von gesellschaftlichen Differenzierungsprozessen und der damit verbundenen Herausbildung von Funktionssystemen zu rechnen (ebd.). Damit spezielle funktionelle Fähigkeiten, die moderne Gesellschaften zu ihrer Stabilisierung benötigen, zur Verfügung stehen, würden sie im weitergehenden Modernisierungsprozess von unspezialisierten Gemeinschaften auf spezialisierte Einheiten übertragen (ebd.: 93). Das bedeutet am Beispiel der ökonomisch effizienten Produktion von Gütern und Dienstleistungen (zu denen auch die Energieversorgung gezählt werden kann), dass diese Fähigkeiten aus ihrer „Gebundenheit zu einer Gemeinschaft, die nicht ausschließlich auf Produktion spezialisiert ist, herausgelöst“ werden (ebd.). Damit würden sie auch aus regionalen Zusammenhängen und Organisationsstrukturen herausgelöst, da diese durch die Rückführung des Spezialisierungsgrades zumindest eine partielle Rücknahme ökonomischer Effizienz bedeuten würden (ebd.: 94).

Weiterhin wird die Rolle einer raschen Entwicklung von Produktionsmaschinen und Transporttechniken für die weitergehende Globalisierung von Wertschöpfungsprozessen hervorgehoben. Diese durch die technische Entwicklung ermöglichte „Verringerung von Raumwiderständen“ stehe Versuchen zur Regionalisierung der Wirtschaft entgegen und erscheine aus diesem Grund ebenfalls unwahrscheinlich (ebd.: 105f.). 71

 untersuchungsleitende Annahmen 7 (‚Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte und Regionalisierung’, Tabelle 4/7)

Erwartbare weitergehende Technisierung sowie Fraktionierung der Umweltbewegung

Zur Kritik der Technologiefokussierung benennt Jänicke (2000: 27f.) für das Konzept Ökologischer Modernisierung tatsächlich einen „ökonomisch-technischen Kern“, der die

71 Auch normativ wird gegen eine Überbetonung regionalwirtschaftlicher Strukturen argumentiert. So hätten „im Fahrwasser des Rio-Prozesses gewisse dunkelbunte Ideologien Urstände“ gefeiert, für deren Protagonisten „‘Regionale Nachhaltigkeit‘ […] überwiegend eine Camouflage für ‚regionale Suffizienz‘“ sei. Ihre Anhänger zielten auf eine rationalisierte Wirtschaft, in der die „Binnenverflechtungen maximiert, die Außenverflechtungen minimiert werden“ sollten. Diesbezüglich solle man sich allerdings vergegenwärtigen, dass „Bestrebungen der politischen Rechten und Linken, sich vom Weltmarkt abzukoppeln, regelmäßig gescheitert“ seien. In den Fällen, in denen sie nicht bald im Sande verliefen, hätte der „Wegfall transregionaler Märkte und ihres Produktivitätstransfers zuerst zu Mangel und Not, danach zu politischer Unterdrückung“ geführt (Huber 1996: 240f.). Dagegen wird von Kritikern einer analytischen wie normativen Konzeption Ökologischer Modernisierung argumentiert, dass Regionalisierungsprozesse automatisch dann eintreten würden, wenn natürliche Ressourcen, die ein sich weiter globalisierendes Wirtschaftssystem benötigten, aufgrund zunehmender Knappheiten (beispielsweise durch Paek Oil) immer teurer würden (vgl. Hanke 2014). 28 „Möglichkeit von ökologisch-ökonomischen Win-win-Lösungen“ betone und damit Kostensenkung und Erfolge im Innovationswettbewerb fokussiere. Die Grenzen Ökologischer Modernisierung in einem „engen“ Verständnis würden damit durch die „Grenzen der Technik“ bestimmt. Allerdings wiesen ungelöste Umweltprobleme wie Flächenverbrauch, Arten- oder Bodenschutz „bisher“ eben auch Grenzen Ökologischer Modernisierung auf. Zudem würden durch Wachstumsprozesse Öko-Effizienzsteigerungen wieder zu Nichte gemacht. Daher sei zum einen der Übergang zu „radikalen“ und damit konsistenzsteigernden Innovationen notwendig, „bei dem ökologisch problematische Verfahren und Produkte durch unproblematische substituiert werden.“ Zum anderen ginge es um „nicht-technische“ Lösungen in den schwierig zu steuernden Bereichen einer veränderten Nachfragestruktur und industriellen Strukturwandels, bei denen in etablierte Interessen- und Verhaltensstrukturen eingegriffen würde (ebd.).72

Der Kritik wird zudem entgegnet, es könne scheinen, als sei Suffizienz „ein Konzept sozio- kulturellen Wandels […] im Unterschied zu einem Konzept technischen Wandels“ der Ökologischen Modernisierung. Diese Gegenüberstellung sei allerdings irreführend, denn der ökologisch problematische Stoffwechsel des Menschen in der Natur erfolge „durch Technik und Tätigkeit verschiedenster Form und Funktion“. Die Stoffwechselprozesse seien „naturwissenschaftlich-technisch“ zu beschreiben, während ihr Zustandekommen „gesellschafts- und geisteswissenschaftlich“ zu verstehen sei (Huber 1996: 234f.). Technologische Innovationen als „Dreh- und Angelpunkt ökologischer Modernisierung“ entsprängen damit der „geo- und biosphärischen Realität des gesellschaftlichen Metabolismus“ (Huber 2011a: 283), machten aber gleichzeitig „umweltorientiertes Wirtschaften, Umweltrecht, Umweltpolitik und Umweltbewusstsein“ keineswegs entbehrlich (Huber 2011b: 178).

Vertreter des Konzepts legen etwa anhand der flächendeckenden Ausbreitung von Wind- und Solarstromanlagen dar, dass – wie von Kritikern vorgebracht – durch Prozesse Ökologische Modernisierung die „ökologische Transformation der Umwelt durch weitere Technisierung“ tatsächlich voranschreite. Dies ist aus der Perspektive des Konzepts Ökologischer Modernisierung dem bereits dargelegten Umstand geschuldet, dass mit der Produktivkraftentwicklung von Gesellschaften eine „ökologische Transformation des betreffenden geo- und biosphärischen Umweltraumes“ verbunden ist (Huber 2011a: 282). Daher bestehe eine „charakteristische Spannung“ zwischen „modernisierendem Umweltschutz“ und „konservierendem Naturschutz“, wobei letztgenannter dazu tendiere, „einen bestimmten Naturzustand zum ökologischen Maßstab zu erklären“ (ebd.). Das Beispiel der Windkraft könne in diesem Kontext zeigen, dass Ökologische Modernisieriung zu Fraktionierungen in der Naturschutzbewegung führte: Auf der einen Seite Akteure mit vorgenannten „konservativen Naturschutzideen“ oder sich „suffizienzmissionarisch“ betätigenden Personen (Huber 2011b: 179), und auf der anderen Seite eine Mehrheit von umweltengagierten Menschen, die den „Schutz und die Nutzung der Natur auf geeignete Weise miteinander […] verbinden“ wollten (ebd.). Im Falle der Ausbreitung von Windkraftanlagen in der Landschaft könnten solche innerökologischen Fraktionierungen auch durch Konflikte, die aus den ästhetischen Landschaftsveränderungen resultieren, überlagert werden (ebd.: 179) oder von Konflikten, die aus der Kollision verschiedener Arten von wirtschaftlichem Interesse entstünden (ebd.: 139) wie beispielsweise eine touristische Nutzung der Landschaft gegen eine Nutzung zur Energiegewinnung. Insofern sind sowohl Konflikte über die Bewertung dessen, was zum Gemeinwohl beiträgt (Klimaschutz, Artenschutz, Landschaftsschutz, wirtschaftliche Situation),

72 Vgl. auch Jänicke (2006) 29 als auch Verlierer dieser Konflikte nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung Modernisierungsprozessen inhärent.

 untersuchungsleitende Annahmen 5 (‚Konflikte durch Widerstände von Modernisierungsverlieren’, Tabelle 4/5)

‚Schöpferische Zerstörung‘ und Widerstand wirtschaftlicher Modernisierungsverlierer

Entgegen der Kritik werden Machtbeziehungen von Vertretern des Konzepts Ökologischer Modernisierung – gerade auch speziell in Bezug auf die Energiewende – durchaus thematisiert: Weil ihre Verbreitung alte fossil-atomare Technologien verdrängen und Investitionen und Geschäftsmodelle entwerten könnten, wird für ein auf EE basierendes Energiesystem ein Potential der „schöpferischen Zerstörung‘“ konstatiert (Huber 2011b: 172). Bei der Entwicklung und Diffusion von EE-Technologien sei vor allem aufgrund von „Machtpositionen“ mit einem „strukturellen Konservatismus von etablierten Technologiezweigen und Produktlinien“ zu rechnen (Huber 1996: 239). Damit solche Technologien nicht scheiterten oder in Nischenmärkten verblieben, seien wiederkehrend „Konfliktstrategien“ notwendig (Jänicke 2012a: 20). Als Beispiel für einen gesellschaftlich umkämpften, aber logischen Schritt weitergehender Ökologischer Modernisierung im Sinne einer Ausrichtung des technologischen Wandels wird die Einführung des EEGs und die damit ausgelösten Veränderungsprozesse im Stromsektor und der rasche Ausbau von EE identifiziert (Huber 2011b: 223). Der aus solchen politischen Interventionen resultierende gesellschaftliche Strukturwandel erzeuge Gewinner und Verlierer (Huber 2011a: 280), weshalb der Widerstand der Modernisierungsverlierer „fester Bestandteil des Innovationsgeschehens“ sei (Jänicke 2012a: 16). Ein wachsender Umweltsektor mit entsprechendem Arbeitsplatzangebot und Best-Practice-Beispiele der neuen Technologien in den Vorreiterländern könnten aber von der Politik zur Legitimation von Entscheidungen im Sinne weitergehender Ökologischer Modernisierung auch gegen den Widerstand der Modernisierungsverlierer genutzt werden (ebd.: 18).73

 untersuchungsleitende Annahmen 5 (‚Konflikte durch Widerstände von Modernisierungsverlieren’, Tabelle 4/5)

Wirkung sozialer Bewegungen

Zudem werden von Vertretern des Konzepts Ökologischer Modernisierung auch Aktivitäten ‚von unten‘ und der Zivilgesellschaft eine sehr bedeutende Rolle zugeschrieben: Dies auf gesellschaftlicher Ebene in Form ‚sozialer Bewegungen‘, die als kritische Impulsgeber für den weitergehenden Prozess Ökologischer Modernisierung dienen (Huber, 2011b: Kapitel 6) sowie in Bezug auf ihre Integration in konkrete neue partizipative Governance-Arrangements74 (siehe

73 Im Sinne der Fragestellung von Partzsch (2015, kursiv im Original), wie die idealtypischen Machtkonzepte von power with, power to und power over in Verbindung stehen, und der Aussagen der Autorin, dass „die Ausübung von power with nicht ohne Wirkung auf bestehende power-over-Verhältnisse bleibt“ (ebd.: 54), könnte hier davon gesprochen werden, dass ein solches Verständnis an dieser Stelle auch dem Konzept Ökologischer Modernisierung zu Grunde liegt: Es wird innerhalb des Konzepts angenommen, dass power over- (Vertreter des ‚alten’ Energiesystems) durch power with-Verhältnisse (wachsende Koalition aus politischen und unternehmerischen EE-Vertretern, die ökonomisch und technisch positive Folgen der Energiewende glaubhaft vermitteln kann) abgeschwächt werden können. 74 Der Begriff der ‚Governance’ bezeichnet nach Benz und Fürst (2003: 25) „die Regeln, d.h. Organisationsstrukturen, Verfahrensnormen und Entscheidungsprinzipien, nach denen Handlungen von Akteuren im Hinblick auf bestimmte Funktionen koordiniert werden.“ Im engeren Sinne werden unter „Governance“ netzwerkartige Strukturen verstanden, in denen unterschiedliche Akteure aus dem 30 unten) in zunehmend differenzierten modernen Gesellschaften (Adler und Schachtschneider 2010: 131, Jänicke 2012a: 26ff.).

Die von Kritikern des Konzepts Ökologischer Modernisierung vorgebrachte These, ohne soziale Bewegungen und wachstumskritische Positionen könne nicht einmal ein technisch orientiertes Umsteuern in Umweltfragen erreicht werden, wird aus Perspektive des Konzepts bestätigt. Soziale Bewegungen seien „Reaktionen auf Probleme des sozialen Strukturwandels, insbesondere Transformationsprobleme der fortschreitenden Modernisierung und Industrialisierung“ (Huber 2011b: 113). Diese Bewegungen seien erfolgreich, soweit sie „gesellschaftliche Wirksamkeit“ entfalteten (ebd.: 118f.), das heißt dauerhafte Veränderungen von kulturellen und politischen Prozessen und Strukturen, des Ordnungssystems (Verwaltungs- bzw. Managementsysteme beruhend auf Recht, Handlungs- und Weisungsbefugnis), des Wirtschaftssystems (die finanz- und realwirtschaftliche Organisation), des Produktions- und Verbrauchssystems (Tätigkeiten der Produktion und des konsumtiven Gebrauchs von Gütern und Diensten, beruhend auf Methoden, Arbeitsorganisation und Technologie) sowie der Akteursstruktur bewirkten.

Für Prozesse Ökologischer Modernisierung bedeutsam sei die Ausbreitung und Entwicklung des Umweltbewusstseins der Mitglieder moderner Gesellschaften gewesen. Angestoßen worden seien die dafür notwendigen neueren ökologischen Diskurse durch die ‚Umweltbewegung‘, die Huber als eine solche soziale Bewegung beschreibt. Das Umweltbewusstsein sei in den 1970er Jahren zunächst in Form „fundamentalökologischer Industrie- und Kapitalismuskritik“ aufgetreten (ebd.: 100), hätte seine mehrheitliche Verbreitung in der Bevölkerung allerdings als „ökologisch aufgeklärtes Eigennutzdenken“ erlangt, welches gegenwärtig das Bild des Umweltbewusstseins präge (ebd.: 98). Diese Assimilierung des Umweltbewusstseins und die zunächst auf Ebene der Diskurse auftretende und zunehmend auch die weiteren gesellschaftlichen Systeme betreffende „Ökologisierung der Gesellschaft“ habe eine „Anpassung und Einbindung“ des ökologischen Anliegens in die vorwiegenden technisch-marktlich orientierten Kontexte der Gesellschaft bedeutet (ebd.: 131f.). Daher besäßen besonders antimodernistische, kapitalismus- und industrialisierungskritische Bewegungen die immanente Ambivalenz, dass ihre Erfolge „weitergehende Entwicklungsprozesse des ungeliebten 'Systems' in Gang [...] halten.“ (ebd.: 120).75

 untersuchungsleitende Annahmen 3 (‚politische Kapazität’, Tabelle 3/3)

öffentlichen und privaten Bereich zusammenwirken. Unterschiedliche Typen derartiger Steuerungsstrukturen (Arrangements) sind durch den Kreis der beteiligten Akteure, durch Regelsysteme (mit unterschiedlichen Anteilen der Koordinationsmechanismen Verhandlungen/Netzwerke, hierarchische Einflüsse, Wettbewerb) und durch die Stabilität der Beziehungen der Akteure untereinander gekennzeichnet. 75 Auch Kritiker Ökologischer Modernisierung, die für eine ‚Reduktive Moderne’ eintreten, identifizieren im Grunde diese Wirkweise: „Wenn man sich ansieht, wie sehr sich die Ökologiebewegung und ihre Institutionen – von Forschungsinstituten über Nichtregierungsorganisationen bis zu Parteien – nach und nach der expansiven Mainstreamkultur angepasst haben und fast noch begeisterter von Ressourceneffizienz und (grünem) Wachstum sprechen als Wirtschaftsliberale, wird offenkundig, dass der ökonomischen Geschmeidigkeit des Kapitalismus durchaus auch eine politische entspricht: Wie dieses Wirtschaftssystem jede Gegenbewegung von der erneuerbaren Energieerzeugung bis zu share-economy inkorporieren kann, so adoptiert es das gedankliche Inventar grüner Strategien zur Verbesserung der Welt und verwandelt es in Modernisierungsinfusionen.“ (Sommer und Welzer 2014: 23) 31 Partizipative Governance-Arrangements

Bereits in den 1980er und 1990er Jahren haben sich Vertreter des Konzepts Ökologischer Modernisierung mit der Frage nach der Steuerbarkeit des Prozesses gesellschaftlicher Ökologisierung beschäftigt und gingen dabei auch auf neue Governance-Arrangements ein. Unter den Komplexitätsbedingungen moderner Gesellschaften seien Probleme der Unregierbarkeit und des Staatsversagens für eine etatistische Politik und Demokratie unausweichlich. Auswege könnten nur darin liegen, die „etatistische Demokratie zivilgesellschaftlich zu erweitern“ (Huber 1997: 151). Ein solch funktionales Politikverständnis gehe davon aus, dass Politik gleichbedeutend sei mit der „Funktion der Willensbildung und Entscheidungsfindung, die grundsätzlich in allen gesellschaftlichen Institutionen bzw. von allen gesellschaftlichen Akteuren ausgeübt wird.“ (ebd., kursiv im Original). Dieses neue bürgerschaftliche Demokratieverständnis, welches Huber auch für die Umweltpolitik zur Geltung bringt, sei kein „rein normatives“ Szenario, sondern eine „Beschreibung einer systemisch-evolutionären Realität“ angesichts der Notwendigkeit zur Erhaltung von Handlungsfähigkeit unter den Bedingungen der Komplexität sich weiter ausdifferenzierender, moderner Gesellschaften (ebd.: 153). Auch Jänicke konstatiert, dass nicht nur Staat und Unternehmen, sondern auch „zivilgesellschaftliche Akteure in ihrer ganzen Vielfalt und Vernetzung […]“ für Prozesse Ökologischer Modernisierung bedeutsam seien (Jänicke 2013: 17). Sie bildeten „den vermutlich unerlässlichen, wenngleich schwer zu fassenden Kontext der [...] Lernprozesse.“ (ebd.).

Allerdings werden sehr weitgehende Partizipationsprozesse (einzelner Bürger) als nicht anschlussfähig an Tendenzen und Strukturen moderner Gesellschaften charakterisiert. Sie würden die Entscheidungskapazität des politischen Systems durch eine Überfrachtung mit unterschiedlichen Interessen überbeanspruchen und so die Funktionsfähigkeit dieses für moderne Gesellschaften essentiellen Systems beeinträchtigen. Zudem existieren innerhalb des Repräsentationssystem über Wahlen legitimierte Vertreter, die ihre Entscheidungskompetenzen wahren. Nach der Modernisierungstheorie gewinnt demnach das politische System seine „maximale Leistungsfähigkeit“ bei einem „optimalen Verhältnis von Dezentralität und Zentralität, nicht bei einem Maximum an partizipativer Dezentralität.“ (Schachtschneider 2005: 76). Jänicke et al. (2003: 91) weisen in diesem Kontext darauf hin, dass die Kompetenz der beteiligten Akteure und das zielorientierte Management der Beteiligung „nach allen Erfahrungen eine wichtige Voraussetzung von Beteiligungsprozessen [sind]. Erst dann wird die Beteiligung zusätzlicher Akteure und Interessen eine Ressource der Umweltpolitik.“

 untersuchungsleitende Annahmen 4 (‚Steuerungsstrukturen’, Tabelle 4/4)

2.2.5 Ökologische Modernisierung und die (regionale) Energiewende Bisherige Aussagen zur Veränderung des Energiesystems hin zu EE unter Rückgriff auf das Konzept Ökologischer Modernisierung bestätigten für die Entwicklung von EE-Technologien und Politikinstrumenten – speziell in Bezug auf den Windsektor und die Einspeisevergütung –, dass soziale Bewegungen einen wesentlichen Einfluss auf diese Innovationen hatten (Toke 2011). Hillebrand (2013) leitet wiederum ab, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in Prozessen Ökologischer Modernisierung im Bereich des Klimaschutzes einnimmt – auch bedingt durch hohe und volatile Energiepreise –, gleichzeitig aber auch Hürden für die Diffusion von Umweltinnovationen, vor allem im Widerstand von Modernisierungsverlierern, bestehen. Auch wird an empirischem Material die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch als Herausforderung ausgemacht.

32 Einzig Jänicke (2012a: 24f.) geht bereits explizit auf die subnationale Ebene und speziell auf die Community der EE-Regionen ein. Er stellt die These auf, dass es sich hierbei um eine „soziale Innovation“ in Folge der Einführung des EEGs handelt, die zu einer Beschleunigung Ökologischer Modernisierung geführt habe. Wie dargelegt, versteht Jänicke Ökologische Modernisierung im engeren Sinne als Entwicklung und Diffusion von Umweltinnovationen und beschreibt mit seinem Konzept das dafür notwendige Zusammenwirken verschiedener Ebenen. Die kommunale Ebene sieht Jänicke als eine solche, die in der Klimapolitik als „late mover“ angesehen werden könne. Insbesondere ab 2008 weise diese Ebene dann eine wesentliche Dynamik auch und vor allem durch entsprechende EU-seitige Unterstützung auf (Jänicke 2013: 13). Gleichzeitig legt er dar, dass die Klimapolitik in Europa „Vorläuferinnovationen in einzelnen Städten oder Provinzen“ gehabt habe und dass offenbar „eine Verallgemeinerung nach oben hin“ stattfände, „die wiederum verstärkend nach unten hin“ wirke. Letztgenanntes aus dem Grund, dass nationale und europäische Klimapolitik „horizontale Diffusionsprozesse auf den subnationalen Ebenen“ verstärke (ebd.: 11). Weiterhin argumentiert Jänicke, dass die bereits in den 1990er Jahren entstandenen Klimabündnisse und lokalen Agenda-21-Prozesse, die, „stärker angetrieben von ideellen Motiven als von materiellen Interessen“ waren, wenig wirksam gewesen seien. Erst die „Mobilisierung wirtschaftlicher Interessen“ durch eine „industriepolitisch akzentuierte Klimapolitik“ habe dieser Mehrebenensteuerung Wirksamkeit verliehen (ebd.: 13). Denn mobilisierte wirtschaftliche Interessen seien „vergleichsweise stabil“ (ebd.: 19). Gleichzeitig scheine diese Mobilisierung wirtschaftlicher Interessen auch Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Akteure (wie Genossenschaften) zu befördern (ebd.: 13). Pioniere, Vorreiter und Trendsetter auf der subnationalen Ebene würden durch nationale Förderpolitiken zudem als Vorbild, Wettbewerber oder Kooperationspartner für Nachahmer interessant (ebd.: 13).76

 untersuchungsleitende Annahmen 6 (‚Einnahme einer Vorreiterrolle’, Tabelle 4/6)

76 Nicht auf die vorgenannten Arbeiten zur Ökologischen Modernisierung und Diffusion von Umweltinnovationen, jedoch auf weitere Arbeiten von Jänicke bezieht sich Schönberger (2016) bei der Ableitung von Erfolgsbedingungen für den EE-Ausbau in Kleinstädten, die vor allem den policy mix und die politische Kapazität betreffen. Auf diese Arbeit wird in Kapitel 5.2 detailliert eingegangen. 33

3 Theoretischer Bezugsrahmen zur Analyse von regionalen Energiewendeprozessen zu einer EE-Selbstversorgung

Die Grundlagen des theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit basieren zu einem Teil auf der Übertragung zentraler Annahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung, wie es vornehmlich anhand von Untersuchungen auf nationaler Ebene entwickelt wurde, auf die regionale Ebene und die dort stattfindende Energiewende. Bei der Entwicklung des Bezugsrahmens wurde zudem auf Kritik am Konzept reflektiert, die größtenteils bereits von Theoretikern Ökologischer Modernisierung beantwortet oder in einer Weiterentwicklung des Ansatzes berücksichtigt wurde. Hierauf beruhte die Möglichkeit, mit dem Konzept Ökologischer Modernisierung auch normative Empfehlungen an Kommunen zur Förderung des regionalen Energiewendeprozesses – wie die Einbindung von Akteuren mit verschiedenen Interessen und Werthaltungen in Strategieentwicklungs- und Entscheidungsfindungsprozesse, die finanzielle Partizipation von Akteuren vor Ort, die Regionalisierung von Wertschöpfungskreisläufen und Energieströmen, die Integration der Thematik der Suffizienz oder Berücksichtigung ökologischer Nachhaltigkeitsziele – in ihrer Umsetzbarkeit in modernen Gesellschaften und konkret im Rahmen regionaler EE-Selbstversorgungsprozesse abschätzen zu können. Weiterhin beruht der Bezugsrahmen auf den expliziten Überlegungen Jänickes zur Rolle der subnationalen Ebene in der Diffusion von Umweltinnovationen und zwar sowohl horizontal als auch vertikal im Hinblick auf die Ebeneninteraktion (vgl. Kapitel 2.2.5). Das Konzept wurde in sieben thematische untersuchungsleitende Annahmen gegliedert, deren Grundlage die in Kapitel 2.2 erörterten Inhalte darstellen. Dabei wurde eine Trennung zwischen Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene (abgeleitet aus allgemeinen ‚Erfolgsfaktoren der Förderung von Umweltinnovationen in Prozessen Ökologischer Modernisierung’) und erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse (abgeleitet aus ‚allgemeinen erwartbaren politisch-ökonomischen und umweltbezogenen Entwicklungen im Rahmen von Prozessen Ökologischer Modernisierung’) vorgenommen (vgl. auch Tabelle 3 und Tabelle 4). Die untersuchungsleitenden Annahmen im Einzelnen:

Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene

1. In Vorreiterregionen existiert ein geeigneter, breiter policy mix, der konsistenz- und effizienzsteigernde Umweltinnovationen befördert. (vgl. Tabelle 3/1) 2. In Vorreiterregionen dienen die globalen, generellen Trends der verstärkten Wahrnehmung des Klimawandels und steigender fossiler Energiepreise als Motivation der Akteure zur Umsetzung der regionalen Energiewende. (vgl. Tabelle 3/2) 3. Es ist zu erwarten, dass Vorreiterregionen eine hohe politische Kapazität aufweisen, womit günstige rechtliche, ökonomische und informationelle Rahmenbedingungen sowie eine breite unterstützende Akteurskonstellation gemeint sind. Gerade eine breite Bewegung umweltengagierter Akteure sollte in Vorreiterregionen eine wichtige Rolle spielen und Diskurse und etablierte Akteure beeinflussen sowie parallele alternative Strukturen zu bestehenden Strukturen aufbauen. Auch Einzelakteure und situationsspezifische oder strategische Einflussfaktoren können eine wichtige Rolle spielen. (vgl. Tabelle 3/3)

35 Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse

4. In Vorreiterregionen ist zu erwarten, dass über die Ausbildung entsprechender Steuerungsstrukturen unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteursgruppen in Strategieerarbeitung und Projektrealisierung eine Akzeptanzsteigerung der regionalen Energiewende erreicht wird. Dabei behalten Kommunalparlamente allerdings eine wichtige Bedeutung, da ohne Unterstützung der Kommunalpolitik in Partizipationsprozessen erarbeitete Ergebnisse nur eine geringe Bindungswirkung für das Handeln von Akteuren haben. Zum Erhalt der Entscheidungsfähigkeit werden einzelne Bürger nur bedingt in Aushandlungsprozesse eingebunden. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass der Schutz von Umweltgütern mit hohen Kollektivgutanteilen (ohne Win-win-Potenziale) sich auch im Rahmen der regionalen Steuerungsstrukturen in Bezug auf die Energiewende als schwierig erweist. (vgl. Tabelle 4/4) 5. In Vorreiterregionen ist es wahrscheinlich, dass eine erwartbare Gegnerschaft von Akteuren, die auf konventionellen Energieträgern basierende Geschäftsmodelle verfolgen und Gewinne aus dem Verkauf fossiler Energie anstreben, innerhalb des Prozesses frühzeitig durch eine starke Koalition von Energiewendebefürwortern überwunden wurde oder Gewinner der Energiewende in ihrer Zahl wirtschaftliche Modernisierungsverlierer generell deutlich überwiegen. Außerdem finden erzielte Erfolge und Fortschritte im Bereich der Erneuerbaren Energien- und Effizienztechnologien in der Legitimation weiterer Entscheidungen gegen potenzielle Modernisierungsverlierer Verwendung. Aufgrund weitergehender Technisierung der Landschaft ist zudem mit Differenzen unter Umweltengagierten zu rechnen, die bei einem Teil zu einer verstärkten Forderung nach Berücksichtigung von Naturschutzaspekten und der Thematisierung einer Suffizienzstrategie führen, während eine Mehrheit dagegen eine Weiterführung des technischen Wandels befürwortet. Naturschutzbezogene Argumente gegen EE-Projekte können auch von weiteren wirtschaftlichen Argumenten wie dem Verlust von Immobilienwerten durch einen EE-Ausbau überlagert werden, so dass sich im Rahmen von Konflikten Koalitionen von potenziellen Modernisierungsverlierern mit unterschiedlichen Motivationen bilden können. Konflikte mit möglichen Modernisierungsverlierern können generell als Bestandteil weitergehender Ökologischer Modernisierung und damit auch in der regionalen Energiewende erwartet werden. (vgl. Tabelle 4/5) 6. Es ist erwartbar, dass Regionen existieren, die von den Vorreiterregionen funktionsfähige Modelle übernehmen (wollen), und solche Austauschprozesse durch Best-Practice-Modelle und die Sichtbarkeit der Vorreiter in entsprechenden Foren begünstigt werden. Ebenso ist zu erwarten, dass die Vorreiter davon wirtschaftlich profitieren. Hier schließt auch das Mehrebenenmodell von Jänicke an, wonach zu erwarten ist, dass ein entsprechender Austausch zwischen den Regionen (subnationale Ebene) sowie auch der vertikale Austausch über Fördermittel nach unten und über Verallgemeinerung von Best-Practice-Lösungen nach oben die Diffusion von Umweltinnovationen befördert. Es ist zudem erwartbar, dass die Zielsetzung des wirtschaftlichen Erfolgs (Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit) in Vorreiterregionen eng mit dem Vorhaben der EE-Selbstversorgung und der Energieeinsparung verbunden wird. (vgl. Tabelle 4/6) 7. In Bezug auf das Ziel der Energieeinsparung ist mit einer Fokussierung auf technische Lösungen zu rechnen. Das Verfolgen einer Suffizienzstrategie durch eine Vielzahl von Akteuren erscheint unrealistisch. Dies äußert sich wahrscheinlich einerseits in einer randständigen Thematisierung von individuellen Lebensstilaspekten zur Reduktion von

36 Energie- und Ressourcenverbräuchen. Andererseits erscheint auch das über bereits bestehende gesetzliche Anforderungen hinausgehende kommunalpolitische Setzen von Energieverbräuche betreffenden Grenzen als unrealistisch, da dies über höhere Kosten den Bürgern an anderer Stelle indirekt Suffizienz auferlegen würde. Als ‚Normalfall’ ist im Rahmen der regionalen Energiewende generell mit Rebound- und Wachstumseffekten zu rechnen und die Akteure erwarten mehrheitlich einen ökonomischen Gewinn aus der Energiewende. Zudem ist zu erwarten, dass allenfalls eine Minderheit von Akteuren vor Ort einen Pfadwechsel dahingehend anstrebt, einen Beitrag zum Ausstieg aus einer Wachstumsgesellschaft zu leisten. Es ist zudem wahrscheinlich, dass hinter der politischen Zielsetzung der regionalen Energiewende eher ein wettbewerbs- und weltmarkorientiertes Verständnis von Regionalisierung steht (Energiewende als unterstützender Faktor für das Bestehen in einer zunehmend globalisierten Welt) und in deutlich geringerem Maße das Motiv einer tatsächlichen Regionalisierung von Produktions- und Konsumstrukturen in Verbindung mit Forderungen nach Suffizienz. Partielle Interessenüberschneidungen zwischen Vertretern dieser beiden Regionalisierungskonzepte, die die Handlungsfähigkeit unter den Akteuren erhöht, sind möglich. (vgl. Tabelle 4/7)

37 Tabelle 3: Erfolgsfaktoren der Förderung von Umweltinnovationen in Prozessen Ökologischer Modernisierung allgemein und speziell im Rahmen der regionalen Energiewende

Erfolgsfaktoren der Förderung von Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen Umweltinnovationen in Prozessen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene Ökologischer Modernisierung 1 breiter policy mix übergreifende Maßnahmen (Ziele, z.B. politische EE- und Effizienzzielsetzung; Energiekonzept; Strategien, Institutionalisierungen, Energieagentur; Austausch/Vernetzung mit anderen EE- Austausch) Regionen Beschaffungswesen und z.B. Berücksichtigung Energieeffizienzklassen; energetische Ausschreibungspraxis (Umweltlabel Modernisierung von Liegenschaften; Berücksichtigung etc.), Energieverbrauch grauer Energie beispielsweise im Catering etc. Liegenschaften Regulierung und Planung z.B. Schaffung von Windkraftvorranggebieten; Entwicklung von Radwegekonzepten (inklusive Alltagsmobilität) wirtschaftliche Aktivitäten z.B. Energieversorger; Anlagenbetreiber Unterstützung Dritter (z. B. z.B. Energieberatung; Öffentlichkeitsarbeit; Bildungsarbeit, Förderung) Förderprogramme für EE- und Energieeffizienzmaßnahmen 2 globale, generelle Trends Sichtbarkeit ökologischer Klimawandel Schadenseffekte Ressourcenverknappung und - Verteuerung fossiler Rohstoffe verteuerung 3 hohe politische Kapazität rechtliche Rahmenbedingungen z.B. Einführung Einspeisevergütung und –vorrang; Erleichterung Ausweisungspraxis für Windkraftstandorte; steigernde Anforderungen an die Effizienz von Geräten, Maschinen oder Bauteilen ökonomische Rahmenbedingungen Förderprogramme höherer Ebenen z.B. für Energieeffizienzmaßnahmen Aufbringen des Eigenanteils an Förderprogrammen abhängig von wirtschaftlicher Situation der Region informationelle technisches, naturschutzfachliches, ökonomisches und Rahmenbedingungen (Know-how) akquise-spezifisches Know-how in der Region

situationsbezogene und strategische z.B. Förderung des EE-Prozesses als Alleinstellungsmerkmal Einflussfaktoren der Region unterstützende Akteurskonstellation in Pionierregionen Beeinflussung von Diskursen und (Umweltbewegung, etablierten Akteuren sowie Aufbau alternativer Strukturen Politik/Verwaltung, Unternehmen, und Entwicklung der Idee zur EE-Zielsetzung durch Wissenschaft, Bevölkerung) und umweltengagierte Akteure Bedeutung von einzelnen Akteuren Legitimierung und Verstetigung des Prozesses durch Aufgreifen der Thematik durch etablierte Akteure und Gestaltung eines entsprechenden policy mix dynamischer technologischer Wandlungsprozess durch Integration der Wirtschaft – auch in Form der Gründung neuer Unternehmen – und dem damit verbundenen industriepolitisch-ökonomischen Framing sowie Integration wissenschaftlicher Expertisen im Hinblick auf Technologieentwicklung und Umsetzungsberatung Akzeptanz regionaler Energiewende in der Bevölkerung, wenn für diese wirtschaftliche Zugewinne erwartbar entscheidender Einfluss von einzelnen Akteuren möglich

38 Tabelle 4: Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen von Prozessen Ökologischer Modernisierung allgemein und speziell im Hinblick auf die regionale Energiewende

Erwartbare politisch-ökonomische Erwartbare politisch-ökonomische und und umweltbezogene Entwicklungen umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen regionaler im Rahmen von Prozessen Energiewendeprozesse Ökologischer Modernisierung 4 Steuerungsstrukturen verstärkte Stakeholder-Beteiligung – Akzeptanzsteigerung durch Einbeziehung unterschiedlicher unter sehr bedingter Einbindung Akteursgruppen in Strategieerarbeitung und Realisierung einzelner Bürger – unter Verbleib von Projekten der Letztentscheidungsgewalt im Bindungswirkung von Entscheidungen erst über Kommunalparlament Einbeziehung von gewählten Akteuren, die zudem ihre Kompetenzen wahren wollen, wahrscheinlich Schwierigkeit der Lösung von Konsensuale Entscheidungen in Bezug auf Themenfelder Umweltproblemen mit hohem mit hohen Kollektivgutanteilen (z.B. Schutz von Kollektivgutanteil Biodiversität oder bestimmter Landschaftsbilder) unwahrscheinlich. 5 Konflikte durch Widerstände von Modernisierungsverlierern innerökologische Konflikte aufgrund Differenzen unter Umweltengagierten in der Region technischer Überformung der aufgrund des Zubaus an Windkraft-, Biogas-, PV-Anlagen, Umwelt und Widerstand eines Teils der umweltengagierten Akteure gegen EE-Projekte wahrscheinlich Widerstand wirtschaftlich Konflikt aus Kollision wirtschaftlicher Interessen (z.B. betroffener Akteure Tourismus vs. Energieproduktion aus EE) Blockadeversuche größerer Energieversorger so lange keine eigenen EE-Geschäftsmodelle existieren 6 Einnahme einer Vorreiterrolle Wettbewerbsvorteile und Wahrnehmung der Energiewende als Mittel zur Stärkung Wirtschaftswachstum von Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum vor dem Hintergrund steigender fossiler Energiepreise Sichtbarkeit und Übernahme von Sichtbarkeit der Regionen in Foren der EE-Regionen- Lösungsstrategien durch andere Community Länder sowie Unterstützung der Adaption von Technologien und Politikinstrumenten durch Diffusion von Umweltinnovationen Nachahmer in der EE-Regionen-Community oder von durch Merhebeneninteraktion höheren Ebenen sowie Förderung von EE- und Energieeffizienztechnologien durch höhere Ebenen 7 Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte und Regionalisierung Suffizienz als Forderung Fokussierung der Kommunikation zum Thema naturschutzorientierter Minderheit Energieeinsparung auf technische Maßnahmen Verweis auf Suffizienz von wenigen, vorwiegend naturschutzorientierten Akteuren Rebound-Effekte durch Förderung wirtschaftliches Wachstum als mehrheitlich geteilte wirtschaftlichen Wachstums Zielsetzung Umwandlung erzielter Einsparungen an Input-Faktoren in wirtschaftliches Wachstum Forderungen nach Teilhabe am Forderung nach Teilhabe an den Gewinnen der wachsenden Wohlstand Energiewende durch regionale Akteursgruppen Steigerung der ökonomischen Produktivitätssteigerung im Rahmen des Aufbaus einer EE- Produktivität basierten Energieversorgung und damit langfristig Verkleinerung der über die Mechanismen des EEGs verbreiterten Akteursbasis lastgerechte EE-Selbstversorgung unwahrscheinlich

39 Fortsetzung Tabelle 4 Überschneidung ökologischer und Versuch einer Akteurskoalition, über Thematik der weltmarktorientierter Energiewende bessere Positionierung und Sichtbarkeit der Regionalisierungskonzepte Region auf dem Weltmarkt zu erreichen, möglich Gleichzeitiges Vorhandensein von Akteuren mit aus umweltorientierten Überlegungen heraus angestrebter Zielsetzung der Schaffung einer EE-Selbstversorgung möglich

40 4 Fallstudie Landkreis Schwäbisch Hall

4.1 Forschungsdesign und Methoden Der Landkreis Schwäbisch Hall wurde als Vorreiter der Energiewende als Partnerregion des Projekts ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’ ausgewählt. Es handelte sich um eine Region mit überdurchschnittlich hoher Aktivität von Politik, Verwaltung und weiteren Akteuren im Bereich des EE-Ausbaus (vor allem Photovoltaik), der Berücksichtigung energetischer Belange in den Liegenschaften (Energiecontrolling, energetische Gebäudemodernisierung etc.) und einem bereits erreichten überdurchschnittlich hohen EE- Anteil im Strom- und Wärmebereich (vgl. Tabelle 7 und Kapitel 4.3).77

Die Fallstudie beruhte auf einer Dokumentenanalyse78, mehreren teilnehmenden Beobachtungen (vgl. Auflistung Anhang 3) sowie 15 Interviews (vgl. ebenfalls Auflistung Anhang 3) mit wichtigen Akteuren aus Politik, Verwaltung, Unternehmerschaft, Energieversorger, Handwerk und zivilgesellschaftlichen Initiativen im Bereich EE und Naturschutz. Auch konnte auf eine wiederholte, repräsentative Bevölkerungsbefragung79, die Ergebnisse einer bisher unveröffentlichten Wertschöpfungsanalyse80 und eine den Landkreis einschließende Akteurs- und Prozessanalyse zum Vorhaben regionaler EE-Selbstversorgung81 und die entsprechenden Interviews (16) für eine Zweitauswertung zurückgegriffen werden. Da die eigene Interviewstudie 2012 abgeschlossen wurde, beruhen die Aussagen für den darauffolgenden Zeitraum bis 2016, in dem die weitere Entwicklung wesentlicher bis 2012 angestoßener Projekte nachgezeichnet wurde, auf der Auswertung von öffentlich zugänglichen Dokumenten (Webseiten, Zeitungsartikel etc.). Bei der Datenaufnahme wurden zu jeder der im theoretischen Bezugsrahmen enthaltenen untersuchungsleitenden Annahmen Textmaterial generiert. Die Auswertung der Daten erfolgte nach der Technik der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010).

Die Grundlage für die Analyse des Prozesses im Landkreis Schwäbisch Hall mit Hilfe des theoretischen Bezugsrahmens lieferte eine auf diese Weise entwickelte umfangreiche Fallgeschichte (vgl. Kapitel 4.3). Diese diente dazu eine kohärent und intersubjektiv nachvollziehbare Prozessbeschreibung zu generieren und dabei Verbindungen zwischen Rahmenbedingungen, Akteuren, Politikformulierungen und auch Konflikten nachzuzeichnen.

Dazu wurden in der Fallgeschichte ‚Faktenwissen’ (beispielsweise über die Höhe von Investitionskosten oder Fördermitteln für bestimmte Projekte oder Daten zur Energieeinsparung) mit weiteren Aspekten (wie beispielsweise dem Zustandekommen von politischen Entscheidungen) zu einem Narrativ verwoben. Die Fallgeschichte wurde aufgrund

77 Der Landkreis wurde durch das oben genannte Projekt ‚100%-Erneuerbare-Energien-Regionen’ auch als ‚100ee-Region’ und damit als Vorreiterregion gelistet. 78 163 Dokumente (Geschäftsberichte, Pressemitteilungen, Beschlüsse, Infobroschüren, Präsentationen etc.) von Organisationen (Landkreis, Verbände, Parteien, Firmen etc.) sowie deren Webseiten; 50 Zeitungsartikel; 23 Dokumente mit Statistiken und wissenschaftlichen Analysen zum Landkreis; 8 Kreistagssachverhalte (z.B. Beschluss EE-Ziel, Gebäudemodernisierungsprogramm, Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept) 79 Vgl. Kress und Jakob (2013a) 80 Erarbeitet innerhalb des Projekts „EE-Regionen“ durch das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung, basierend auf der Methodik nach Hirschl et al. (2010) 81 Vgl. Hauber und. Ruppert-Winkel (2012)

41 des großen Materialumfangs und der Komplexität des Prozesses thematisch strukturiert und mit zeitlichen Elementen verbunden.

Charakteristische Aussagen wurden mit Zitaten aus Interviews oder Publikationen illustriert. Die im Projekt ‚EE-Regionen‘ durchgeführte Bevölkerungsbefragung und die Wertschöpfungsanalyse lieferten quantitative Daten, die zur Charakterisierung der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall als Prozess Ökologischer Modernisierung und zur Prüfung der Eignung des Konzepts für das Verständnis des Prozesses verwendet werden konnten. Die wesentlichen Ergebnisse wurden in die Fallgeschichte eingearbeitet.

4.2 Charakterisierung des Landkreises Schwäbisch Hall In Tabelle 5 finden sich allgemeine Charakteristika des Landkreises, Tabelle 6 enthält Informationen über die zeitliche Entwicklung von wirtschafts- und umweltbezogen Kennzahlen der jüngeren Vergangenheit. Energiebezogene Informationen liefert Tabelle 7, die auch thematische Verweise auf die Abbildung 1 bis Abbildung 4 enthalten.

Tabelle 5: Allgemeine Charakteristika des Landkreises Schwäbisch Hall

Einwohner ca. 188.000 (stabil im vergangenen Jahrzehnt) Fläche ca. 1.500 km² Mittelständische Industrie mit hoher Exportquote und vergleichsweise hohe Wirtschaftsstruktur Bedeutung der Landwirtschaft Kommunalpolitik langfristig von CDU und Freien Wählern geprägt Bei der Kreisreform 1973 wurde der Landkreis Schwäbisch Hall um fast alle Gemeinden des aufgelösten Landkreises sowie um das Gebiet Administrative , das bis dato dem Landkreis Backnang angehört hatte, erweitert. Neben Historie dem Autokennzeichen ‚SHA’ kann seit 2014 auch wieder das alte Kennzeichen des Landkreises Crailsheim ‚CR’ verwendet werden.82

82 Im Vorfeld der Widereinfügung des Kennzeichens gab es im Landkreis einen Kontroverse, die darauf hindeutet, dass trotz der lange bestehenden Zusammenlegung die Landkreisebene für die Bewohner der ehemaligen kleinräumigeren Bestandteile keine zentrale Identifikationsebene darzustellen scheint: Innerhalb des Projekts ‚Heilbronner Initiative Kennzeichenliberalisierung’ der Hochschule Heilbronn – in der Nähe zum Landkreis Schwäbisch Hall gelegen – wurden in Deutschland ab 2010 in fast 300 Städten Bürger darauf hin befragt, ob sie eine Wiedereinführung alter Kennzeichen wünschten. Insgesamt 72 % der Befragten befürworteten dies, so mit einer deutlichen Mehrheit auch in Crailsheim (vgl. Hochschule Heilbronn o.J. sowie Haller Tagblatt 2016). Zunächst wurde Ende 2012 vom Kreistag Schwäbisch Hall gegen die Befürwortung einiger Kreisräte aus Crailsheim die Unterstützung der Wiedereinführung des Crailsheimer Kennzeichens abgelehnt. Alte Gräben wolle man nicht wieder aufbrechen lassen, so ein Argument in der Debatte. Nach der Sammlung von rund 9.000 Unterschriften durch Bürger im Kreis wurde in einem Kreistagsbeschluss Ende 2013 die Wiedereinführung dann mehrheitlich unterstützt (vgl. Hohenloher Tagblatt 2013). 42 Tabelle 6: Wirtschafts- und umweltbezogene Kennzahlen zum Landkreis Schwäbisch Hall83

Verän- Jahr 2007 2008 2009 2010 2011 2012 derung (%) BIP (Mill. €) 5.799 6.027 5.949 6.219 6.386 6.631 +14,3 BIP/ Einwohner 30.636 31.862 31.527 33.006 34.255 35.474 +15,8 (€) PKW 103.925 104.850 106.502 108.321 110.549 +6,4

PKW/ 1000 549 556 565 581 591 +7,6 Einwohner Siedlungs- und Verkehrsfläche 16.545 16.619 16.689 16.895 17.005 17.193 +3,9 (ha) Anteil Siedlungs- und Verkehrsfläche 11,1 11,2 11,2 11,4 11,5 11,6 +3,9 (%) Siedlungs- und Verkehrsfläche 0,087 0,088 0,088 0,090 0,091 0,092 +5,2 (ha)/ Einwohner Wohnungen 82.124 82.460 82.838 84.608 85.103 85.629 +4,3 Einwohner/ 2,3 2,3 2,3 2,2 2,2 2,2 -4,3 Wohnung

83 Datenquelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 43 Tabelle 7: Energiebezogene Charakteristika des Landkreises Schwäbisch Hall

Der EE-Anteil am Wärmeverbrauch im Landkreis lag laut energieZentrum – der EE-Anteil Energieagentur im Landkreis – 2010 bei etwa 10 %.84 Wärmesektor Nach dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2016 lag er im Jahr 2014 bereits bei 31 % und damit deutlich über dem Bundesschnitt von etwa 10 % im Jahr 2014.85 Der bilanzielle EE-Anteil am Stromverbrauch stieg von 2007 (19 %) bis 2015 EE-Anteil auf 63 % an (vgl. Abbildung 1) und lag damit deutlich über dem Bundesschnitt Stromsektor86 (32,5 % im Jahr 2015).87 Photovoltaik und Biomasse hatten die größten Anteile an der gesamten Stromerzeugung aus EE (vgl. Abbildung 2). 2015 waren im Landkreis laut Landratsamt 86 reine Elektrofahrzeuge zugelassen, was 0,46 E-Autos pro 1.000 Einwohner ausmacht. Zur gleichen Zeit waren laut dem Statistik-Portal statista.com in Deutschland 18.948 reine E- Autos zugelassen, was bei einer Bevölkerung von 81,8 Mio. einer Zahl von 0,23 Elektromobilität E-Autos pro 1.000 Einwohner ausmacht, so dass der Landkreis Schwäbisch Hall hier einen deutlich höheren Wert aufweist als der Bundesschnitt. Gemessen an der Gesamtzahl von etwa 600 PKW/1.000 Einwohner ist die Zahl von 0,46 E- Autos/1.000 Einwohner allerdings sehr gering. Laut dem Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2016 Höhe und stagnierten in den vergangenen Jahren die Energieverbräuche weitgehend. Entwicklung Einen sehr hohen Anteil am Gesamtverbrauch hat der Verkehrssektor. Deutlich Energieverbrauch sinkende Verbräuche wiesen die kreiseigenen Liegenschaften auf (vgl. Abbildung 3).88 Für die im Landkreis installierten EEG-Anlagen verdoppelte sich zwischen 2007 Regionale und 2009 die Vergütungssumme annähernd auf fast 70 Mio. €.89 Wertschöpfung aus Die Wertschöpfungsanalyse, die innerhalb des Projekts ‚EE-Regionen’ EE durchgeführt wurde, ergab für das Jahr 2011 eine im Landkreis verbleibende Wertschöpfung von rund 30 Mio. € aus EE. Aufgrund dünner Besiedlung und da Bereiche des Landkreises, die die Hohenloher Ebene umfassen, zu den windhöffigsten in Baden-Württemberg zählen, sind insgesamt hohe natürliche Potenziale vorhanden. Diese stellen daher keine generelle Restriktion für die EE-Selbstversorgungszielsetzung. Als Voraussetzung für eine Vollversorgung im Wärmebereich wird allerdings die Einsparung von Energie genannt (vgl. Abbildung 4). Für den Verkehrsbereich wurden innerhalb des Beobachtungszeitraums von den Akteuren im Landkreis keine Potenziale erhoben. Die Potenziale im Bereich Holz, Photovoltaik und Pflanzenenergieträger wurden EE-Potenziale und innerhalb des Prozesses von Akteuren vor Ort als bereits weitgehend Ausschöpfung ausgeschöpft klassifiziert. Im Jahr 2012 waren 43 Biogasanlagen installiert. Der (Stand 2010)90 Maisanteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche (inklusive Grünland) lag 2010 in weiten Teilen des Landkreises zwischen 30 und 50 % womit der Anteil am Ackerland noch höher liegt (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2014). Damit ist eine von Experten aus ökologischen Gründen geforderte dreigliedrige Fruchtfolge in Teilbereichen nicht möglich und das Potenzial könnte bereits als überbeansprucht angesehen werden.91 Andere Potenziale, wie beispielsweise die Windkraft waren 2010 noch kaum ausgeschöpft (20 Anlagen), wobei Natur- und Landschaftsschutzbereiche aus der Potenzialabschätzung bereits ausgeschlossen wurden.

84 Vgl. energieZentrum (2012) 85 Vgl. Landkreis Schwäbisch Hall (2016: 55) 86 Datenquelle der Diagramme zum Stromsektor: energieZentrum (eZ) 87 Vgl. Agora Energiewende (2016) 88 Landkreises Schwäbisch Hall (2016: 44) 89 Vgl. energieZentrum (2010) 90 energieZentrum (2012: 27f.) 91 Kommission Landwirtschaft beim Umweltbundesamt (2013)

44

Abbildung 1: Entwicklung des bilanziellen EE-Anteils am Gesamtstromverbrauch im Landkreis Schwäbisch Hall (LKSH)

Abbildung 2: Entwicklung des bilanziellen EE-Anteils im Stromsektor im Landkreis Schwäbisch Hall zwischen 2007 und 2015 nach EE-Arten

45

Abbildung 3: Endenergieverbrauch des Landkreises Schwäbisch Hall nach Sektoren

Abbildung 4: EE-Potenziale im Vergleich zum Energiebedarf im Landkreis Schwäbisch Hall (Stand 2010)

46 4.3 Fallgeschichte des Energiewendeprozesses im Landkreis Schwäbisch Hall92

4.3.1 Netzwerk von Umweltengagierten und Pionierunternehmen der Energiewende Als wesentlich für den Prozess der lokalen Energiewende zu EE kann im Landkreis Schwäbisch Hall ein Netzwerk aus umweltengagierten Personen und Gruppierungen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten ausgemacht werden, welches sich Ende der 1980er und verstärkt in den 1990er Jahren formierte. Die Akteure aus dieser Bewegung wiesen Berührungspunkte und Kooperationen untereinander sowie mit weiteren Akteuren – wie etwa Energieversorgungsunternehmen – und auch zu Akteuren aus dem politisch-administrativen Bereich auf.

Die Energie-Initiative Kirchberg

Wesentlich für den Ausbau der EE im Landkreis Schwäbisch Hall insgesamt sowie zur Beschlussfassung der EE-Zielsetzung inklusive des Ziels der Energieverbrauchsreduktion im Kreistag war die Energie-Initiative Kirchberg, die auf Betreiben des späteren Vorsitzenden am 09.01.1994 als Verein gegründet wurde. Als Zweck des Vereins wurde in der Satzung die Förderung von Maßnahmen zur Nutzung regenerativer Energiequellen und zur Einsparung von Energie festgeschrieben. Dabei lag der Fokus der Initiative auf dem EE-Ausbau, durch Mitglieder damit begründet, dass die bis dahin erfolgten Bemühungen zur Energieverbrauchsreduktion in Deutschland kaum gefruchtet hätten und man sich daher auf den Bereich der regenerativen Energien konzentriere, um Veränderungen im Energiesystem zu erreichen (Zitat 1).

92 Die Fallgeschichte ist in den Unterkapiteln 4.3.1 bis 4.3.4 nach wichtigen Akteuren und deren Aktivitäten im regionalen Energiewendeprozess gegliedert. Da für die vorliegende Arbeit auch Konflikte im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse eine wichtige Rolle spielen sowie die Frage danach, inwiefern diese durch Akteurseinbindung gelöst oder vermieden werden können, weicht das Kapitel 4.3.5 von dieser Logik ab. Es beschäftigt sich explizit mit der Thematisierung sozialer und ökologischer Folgen der Energiewende und damit verbundenen Konflikten. 47 Zitat 1: Einsatz der Energie-Initiative Kirchberg vorwiegend für den EE-Ausbau

„Unsere Aktivitäten liegen nicht schwerpunktmäßig auf der Energieeinsparung. Wir haben am Anfang schon den Vorwurf zu hören bekommen: ‚Ja man muss ja erst mal sparen.‘ Aber wir haben gesagt, man muss das gleichzeitig machen. Die ganzen Sparer und die Verbände und die Ökoinstitute, die auf diese Spartechnologien gegangen sind, haben bis jetzt nicht erreicht, dass der Energieverbrauch wesentlich runtergegangen ist. Das heißt, wenn wir nur diese Schiene gegangen wären, dann wären wir in der Effizienz nicht arg viel weitergekommen und bei den Erneuerbaren gar nicht. Das heißt, diese Parallelität der beiden Strategien, die muss unbedingt gewahrt sein.“ Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg (Interview 2009)

„Das war ja auch früher immer in den 1990er Jahren ein Kampf innerhalb der Bewegung ökologisch interessierter Leute. Da gab es die Energiesparer-Fraktion, die haben gesagt, nur Energie sparen ist interessant. Und das ganze Mehrgeld für Erneuerbare ist ja Blödsinn, das steckt man lieber in Energiesparmaßnahmen, das bringt mehr. Und da gab es die Erneuerbare Energie-Fraktion, die gesagt hat: „Das Energiesparen bringt ja nichts, weil man ja trotzdem noch Energie braucht.“ Und deswegen braucht man die Erneuerbaren Energien. Aber eigentlich braucht man einen Mix aus beidem.“ Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg und EE-Pionierunternehmer (Interview 2010)

Früher Einsatz der Energie-Initiative Kirchberg für den EE-Ausbau und Klimaschutz im Landkreis Schwäbisch Hall

Bereits im Jahr 1993, vor der eigentlichen Vereinsgründung, hatten einige spätere Mitglieder der Energie-Initiative Kirchberg eine Sammelbestellung von Photovoltaikanlagen initiiert, woraufhin etwa 30 kW Leistung im Landkreis installiert wurden. Im selben Jahr wurde auf Betreiben des damaligen Kassenwarts und zwei weiterer Gesellschafter die erste Windkraftanlage im Landkreis westlich von errichtet.

In Zusammenarbeit mit dem Stadtrat von Schwäbisch Hall und der kommunalen Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH wurde 1994 ein Modell zur kostendeckenden Einspeisevergütung für Strom aus regenerativen Quellen entwickelt. Die Energie-Initiative Kirchberg, die ‚Greenpeace- Regionalgruppe Crailsheim’, das ‚Bürgerforum Klimabündnis Schwäbisch Hall’ und das ‚Umweltzentrum Schwäbisch Hall e.V.’ hatten mit einer Reihe von Info-Veranstaltungen und einer Unterschriftensammlung auf die Initiierung des Modells hingewirkt, welches in Baden- Württemberg das erste seiner Art war. Unterstützt wurde das Modell und die entsprechende Unterschriftenaktion ebenfalls durch die evangelische Kirchengemeinde Kreuzäcker in der Stadt Schwäbisch Hall. Durch einen Preisaufschlag von 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde für alle Kunden wurde von den Stadtwerken Schwäbisch Hall ein Fond gebildet. Aus diesem wurde Besitzern von Produktionsanlagen von Strom aus erneuerbaren Energieträgern im Netzgebiet der Stadtwerke eine kostendeckende Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien ermöglicht. Der notwendige Preisaufschlag von 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde wurde von Seiten der Befürworter des Modells im Landkreis Schwäbisch Hall mit der Argumentation vertreten, dass die Umstellung des Energiesystems auf EE zwar zunächst etwas koste, andererseits die aktuellen Energiepreise des fossil-atomaren Energiesystems die eigentlichen Kosten nicht widerspiegelten. Diese würden externalisiert, sodass die Energiepreise in Wirklichkeit viel höher ausfallen müssten.

48 Ende 1999 gründete die Energie-Initiative Kirchberg gemeinsam mit dem Modell Hohenlohe e.V. (siehe unten detailliert) die Stromeinkaufsgemeinschaft ‚Stromkauf Hohenlohe’. Diese Gemeinschaft ermöglichte den Bezug von Strom aus regenerativen Quellen quer durch die Netze verschiedener Anbieter. Vorbild für das Modell der Gemeinschaft war eine Anfang 1999 von 30 Stadtwerken gegründete Stromhandels GmbH, darunter auch die Stadtwerke Schwäbisch Hall, die in der so entstandenen Position als Großabnehmer eine verbesserte Verhandlungsposition gegenüber Großerzeugern einnehmen konnten und den Stromeinkaufspreis nach unten drückten. Auch die Stromeinkaufsgemeinschaft ‚Stromkauf Hohenlohe’ konnte auf diese Weise geringere Einkaufspreise erreichen. Sie schloss mit dem Unternehmen ecoSWITCH AG, das 1999 kurz vor der Liberalisierung des Strommarktes von den Stadtwerken Crailsheim GmbH und der Aare-Tessin-Stromhandelsgesellschaft als Energiehandelstochter gegründet worden war, einen Vertrag über die Belieferung von Privathaushalten, gewerblicher Wirtschaft, Handwerksbetrieben, Landwirten und kommunalen Liegenschaften – beispielsweise der Gemeinde im Landkreis – mit Strom aus EE. Die realisierten Kosteneinsparungen in der Strombeschaffung aus dem gebündelten Stromeinkauf wurden allerdings nicht vollständig an die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft weitergegeben, sondern zur Hälfte in einen Fonds zur Förderung von EE-Anlagen geleitet.

Als weiteres Projekt im Bereich des EE-Ausbaus wurde von der Energie-Initiative Kirchberg im Jahr 2000 eine Windkraftanlage auf der Gemarkung der Stadt Kirchberg errichtet. Dazu wurde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet, an der sich Bürger ab 2.500 DM beteiligen konnten. Diese Gesellschaft schloss Ende 1999 einen Vertrag über die Abnahme des erzeugten Windstroms mit der gerade gegründeten Naturstrom AG, dem ersten unabhängigen Händler für Strom aus EE in Deutschland.

Im Juli 1998 wurde von der Energie-Initiative Kirchberg der Versuch unternommen, das Thema ‚Klimaschutz’ in den Kreistag einzubringen. Ein entsprechender Antrag wurde über die Verwaltung auf die Tagesordnung des Kreistages gesetzt. In dem Antrag wurde von der Energie- Initiative Kirchberg argumentiert, der Landkreis als Aktionär der Energieversorgung Baden- Württemberg AG (EnBW) solle darauf hinwirken, dass der Energieversorger den Klimaschutz stärker in seiner Ausrichtung berücksichtige. Eine Möglichkeit sei es, ein 60 Millionen Euro umfassendes landesweites Förderprogramm für EE aufzulegen. Vor allem ein Mitglied – auch in anderen Kontexten relevant für den Prozess im Landkreis (siehe unten) – der Fraktion der Grünen befürwortete eine entsprechende Debatte. Dagegen wurde von der Mehrzahl der Kreistagsmitglieder aus CDU und Freien Wählern mit Unterstützung des damaligen Landrats entschieden, einen entsprechenden Punkt ‚Klimaschutz’ nicht auf die Tagesordnung aufzunehmen, da man auf Kreisebene für das Thema nicht zuständig sei. Dieses Vorgehen wurde von der Energie-Initiative Kirchberg in einer Pressemitteilung als skandalös beurteilt. Eine große Chance auf einen Beitrag zum Klimaschutz wie auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region sei vertan worden.

49 Einsatz der Energie-Initiative Kirchberg für die Zielsetzung: 100% Erneuerbare Energien im Landkreis Schwäbisch Hall

Ein neuer Anlauf, die Thematik des Klimaschutzes und der Energiewende in die politische Diskussion auf Kreisebene einzubringen, wurde von der Energie-Initiative Kirchberg ab 2004 unternommen. Dabei wurde systematisch das Ziel ‚100% Erneuerbare Energien im Kreis Schwäbisch Hall’ mit der Thematik der Regionalentwicklung durch Nutzung von Erneuerbare Energien und der Einsparung von Energie verbunden und auf Veranstaltungen kommuniziert.

Die erste von drei öffentlichen Veranstaltungen, in denen Vertreter anderer Regionen mit ähnlicher Zielsetzung ihre Erfahrungen erläuterten, fand am 04.03.2004 in Crailsheim statt. Es berichtete ein Vertreter aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. Bevor im November 2004 die zweite Veranstaltung dieser Reihe stattfand, wurde am 07.07.2004 im Bürgersaal der kreisangehörigen Gemeinde Wolpertshausen das 10-jährige Jubiläum der Energie-Initiative Kirchberg gefeiert. Grußworte sprachen sowohl der damalige Leiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft als auch ein Ministerialdirektor aus dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, welcher seit 1998 Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg war. Auch Hans-Joseph Fell, der damalige Forschungspolitische Sprecher der Grünen auf Bundesebene, hielt einen Vortrag; ebenso der Vorsitzende der Energie-Initiative Kirchberg zum Thema ‚100% Erneuerbare Energien im Landkreis Schwäbisch Hall bis 2030’. Er erhielt für seine Verdienste im Bereich EE im Landkreis Schwäbisch Hall zudem den so genannten Ehrenbecher des Landkreises und der Leiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft zeigte sich beeindruckt von den wirtschaftlichen Impulsen, die von der Arbeit der Energie-Initiative Kirchberg in der Region ausgegangen seien.

Unter dem Titel ‚100% Erneuerbare Energien – Klimaschutz und Arbeitsplätze’ fand am 05.11.2004 in Schwäbisch Hall die zweite Veranstaltung mit einem Bericht aus dem Landkreis Konstanz statt. Der Vertreter der dort aktiven Solarcomplex GmbH beschrieb, wie bis zum Jahr 2030 der Landkreis Konstanz durch den EE-Ausbau und das Einsparen von Energie eine vollständige EE-Versorgung erreichen wolle. Dabei hob der Vertreter die wirtschaftlichen Potenziale eines solchen Prozesses hervor, da Altbausanierungen zur Reduktion des Energieverbrauchs sowie die Installation von EE-Anlagen größtenteils von lokaler Handwerkerschaft durchgeführt würden und so Arbeitsplätze geschaffen und der Geldabfluss für fossile Energieträger durch Einsparung und EE-Nutzung verringert werden könnten. Anwesend bei dieser Veranstaltung waren auch drei Kreisräte, darunter das erwähnte Mitglied der Grünen, sowie der damalige und langjährige Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall und der bereits erwähnte damalige Leiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises. Bei diesem fanden insbesondere die Möglichkeiten zur Generierung regionaler Wertschöpfung durch die regionale Energiewende Anklang (siehe unten). In Übertragung der für den Landkreis Konstanz genannten Zahlen auf den Landkreis Schwäbisch Hall wurde von der Energie-Initiative Kirchberg die Größenordnung von 90 Millionen € pro Jahr an regionaler Wertschöpfung sowie die Schaffung von in der Summe 2000 bis 3000 Arbeitsplätzen genannt.

Die letzte der drei Veranstaltungen fand am 07.04.2006 statt. Vorgestellt wurde das Projekt ‚Energie-Wende Oberland’ der Kreise Bad Tölz und Wolfratshausen in Bayern und die positiven Auswirkungen der Aktivitäten auf den dortigen Arbeitsmarkt.

50 Der Kreistagsbeschluss zum ‚Energiekonzept für den Landkreis Schwäbisch Hall’ und die Steigerung der regionalen Wertschöpfung

Parallel zu den genannten öffentlichen Veranstaltungen wurde von der Energie-Initiative Kirchberg auch auf anderen Ebenen auf das Ziel hingewirkt, den Kreistag zur Verabschiedung eines politischen Beschlusses mit dem Titel ‚100% Erneuerbare Energien im Landkreis Schwäbisch Hall bis 2030’ zu bewegen. Nach Beratungen mit der Fraktionsgemeinschaft von ÖDP/Grüne, die guten Kontakt zur Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises pflegte und der von dort eine Unterstützung für das Vorhaben zusagte wurde, führte der Vorsitzende der Energie-Initiative Kirchberg mit den Kreistagsfraktionen sowie mit dem seit 2004 amtierenden parteilosen Landrat – dem von den Akteuren vor Ort ein größeres Interesse an der Energiewende als seinem Vorgänger zugesprochen wurde – Einzelgespräche über die Zielsetzung ‚100% Erneuerbare Energien’ für den Landkreis Schwäbisch Hall. Der Landrat stimmte zu, die Thematik im Ausschuss für Umwelt und Technik beraten zu lassen. Der Ausschuss empfahl in der Sitzung vom 23.10.2006 dem Kreistag einen entsprechenden Beschluss, der daraufhin gefasst wurde (Zitat 2). In der Sitzungsvorlage wurde explizit die Energie-Initiative Kirchberg als Ideengeber für das Vorhaben genannt. Den Beschlusstext hatte der Leiter der Energie-Initiative Kirchberg formuliert. Dabei wurde allerdings entgegen der Wünsche der Energie-Initiative und der Kreistagsfraktion ÖDP/Grüne die Zielmarke 2030 für die Vollversorgung nicht in den Beschlusstext aufgenommen.

Zitat 2: Leitbild ‚100% Erneuerbare Energien im Landkreis Schwäbisch Hall‘

„Leitbild und Energiebericht für den Landkreis Schwäbisch Hall Der Landkreis Schwäbisch Hall kann schon heute auf viele erfolgreiche Energieprojekte zurückblicken. Für die Zukunft setzt sich der Landkreis das Ziel, diesen erfolgreichen Weg weiterzugehen. Der Landkreis will seine energiepolitische Arbeit auch zukünftig an den Prinzipien der Nachhaltigkeit, den Zielvorstellungen eines wirksamen Klima- und Umweltschutzes sowie einer umweltverträglichen Wirtschaftsentwicklung orientieren. Erreicht werden soll dies durch qualitative Ziele für den Landkreis. Diese sind die schrittweise Reduktion des Energieverbrauchs, der Einsatz innovativer Technologien, der Einsatz regenerativer Energie und die verstärkte Nutzung regional vorhandener Ressourcen. Der Landkreis wird die sinnvolle Erzeugung von Energie aus regenerativen Quellen nach seinen Möglichkeiten fördern und die vom Landkreis unterhaltenen Gebäude entsprechend den zur Verfügung stehenden Mitteln energetisch optimieren. Die Möglichkeiten des Energiesparens und des Umweltschutzes sollen durch das Landratsamt und das energieZentrum gegenüber der Bevölkerung kommuniziert werden um so eine breite Öffentlichkeit über diese Themen zu informieren. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landreises soll mit dem energieZentrum weitere Initiativen im Sinne dieses Leitbilds entwickeln und dabei mit Partnern, die die gleichen Ziele verfolgen zusammenarbeiten. Langfristig soll 100 % der Energie, die im Landkreis Schwäbisch Hall benötigt wird, aus regenerativen Quellen kommen. Die Erreichung dieses Zieles soll künftig im Jahresbericht des energieZentrums dokumentiert und in den Gremien des Kreistags vorgestellt werden.“ Beschluss des Kreistags vom 23.10.2006

Die Thematiken der ‚regionalen Wertschöpfung’, der Schaffung von Arbeitsplätzen und die Reduzierung des Geldabflusses für in Teuerung befindliche fossile Energieträger aus der Region, die von der Energie-Initiative Kirchberg beim Werben um einen entsprechenden Kreistags- Beschluss in den Vordergrund gestellt wurden, trugen letztlich wesentlich zum Erfolg der Initiative bei und die Sichtweisen wurden von vielen Akteuren geteilt (Zitat 3).

51 Zitat 3: Steigerung der regionalen Wertschöpfung und (in Teuerung befindliche) fossile Energieträger

„‘Nachhaltige Entwicklung‘ ist heute ein Leitwort für jedes Regionalmanagement. Der Klimaschutz rückt immer mehr in das öffentliche Bewusstsein und durch die permanent steigenden Energiepreise, die zunehmende Verknappung von fossilen Energieträgern und neue staatliche Rahmenbedingungen entstehen neue Märkte für innovative Energietechnik und für erneuerbare Energien. Dadurch ergeben sich Chancen für lokale Wertschöpfung. Das beginnt beim Handwerker, der neue Heizungen einbaut, setzt sich fort beim Bauern, der als Energiewirt ein Zusatzeinkommen verdient und kann auch die Standortbedingungen für eine Kommune verbessern. Energie wird immer mehr zum Kostenfaktor. Eine Kommune, die günstige und nachhaltige Energie selbst erzeugt, ist im Vorteil.“ Geschäftsbericht der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises (2006: 21)

„Wir haben einen Landkreis mit etwa 190.000 Bürgerinnen und Bürger. Machen wir mal eine Überschlagsrechnung. Es wären 200.000 Bürgerinnen und Bürger und die geben im Schnitt von mir aus 1500 € insgesamt für Energie aus für alle Energiearten. Wenn wir das fertigbrächten, das um ein Drittel zu reduzieren und zwar reduzieren dadurch, dass man weniger Energie braucht und dadurch, dass man Geld für Energie nicht nach Saudi-Arabien oder […] nach Russland transferiert, sondern, dass wir diese Energie, die wir unbedingt brauchen, dass wir die hier erzeugen und diese Wertschöpfung vor Ort lassen, das wäre was. Das bedeutet 500 € im Jahr mal 200.000 Leute sind 100 Mio. € Wertschöpfung, die in der Region bleiben. Das muss man sich mal vorstellen, was das für eine Summe ist. Wenn man bloß die Hälfte nimmt, kann man damit sehr viel machen in Bildung, in Infrastruktur und Sonstiges. Das, was sonst an Primärenergiekosten nach Saudi-Arabien oder Russland transferiert wird. Und das war dann, glaube ich, ein Grund, dass die Kreisräte auch gesagt haben, eigentlich sollte man dieses Ziel anstreben.“ Kreistagsmitglied der FDP (Interview 2012)

„Es ist viel lukrativer, hier Energie zu erzeugen, als wenn das in Heilbronn geschieht. Die Energie, die in Heilbronn im Kohle-Kraftwerk entsteht, wird an uns verkauft. Die Wertschöpfung ist aber in Heilbronn, d.h. die Steuer und die Löhne werden in Heilbronn bezahlt, und zwar von uns. Wir schicken unser Geld nach Heilbronn, damit es dort letztendlich ausgegeben werden kann. In unserer Region passiert nichts. Das Geld fließt alles ab. Wenn ich es jetzt schaffe, hier selber Energie zu erzeugen, bleibt das Geld, das sonst abfließen würde, innerhalb der Region. Und das ist das, was für die Wirtschaftsförderung so interessant ist […]: Dadurch kann ich letztendlich das, was im Landkreis produziert wird, also das Bruttosozialprodukt, in der Region mit regenerativen Energien erhöhen. Das Geld bleibt da, wird hier ausgegeben. Davon können Handwerker, der Bäcker, der Metzger usw. leben. Das sind so kleine Kreisläufe, die natürlich dann auch innerhalb des großen eine Rolle spielen. Und wenn der Araber etwas verliert. Ja und? [...] Man kann auch sagen: Heilbronn oder wir. Das kann man schon innerhalb relativ kleiner Regionen in Deutschland sehen. [...] Und nur um die Rädchen zu verstehen, die ineinander greifen: Natürlich ist es so, dass, wenn in Heilbronn etwas läuft, wir auch etwas davon haben, weil es innerhalb von Baden-Württemberg einen Finanzausgleich gibt. Starke Regionen müssen schwache unterstützen. Aber bevor ich auf Unterstützung angewiesen bin, bin ich doch lieber eine starke Region.“ Ehemaliger Mitarbeiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (Interview 2012)

„Es glaubt doch heute keiner mehr, dass Öl nochmal billig wird, im Gegenteil, es wird teurer.“ Kreistagsmitglied der Freien Wähler (Interview 2012)

52 Eine entsprechende Wertschöpfung im Landkreis konnte auch tatsächlich realisiert werden (vgl. Tabelle 7).

Dem erfolgreichen Einsatz der Energie-Initiative Kirchberg für die Verabschiedung des Ziels der 100%igen Versorgung des Landkreises Schwäbisch Hall mit EE folgten in diesem Kontext weitere Initiativen. So wurden beispielsweise Vorträge und Veranstaltungen – seit 2007 auch im Rahmen der durch den Bundesverband Solarwirtschaft e.V. initiierten deutschlandweiten ‚Woche der Sonne’ – durchgeführt. Dabei war Tenor der Aussagen der Akteure aus der Energie- Initiative Kirchberg, die auch weiterhin lautstark das konsequente Beschreiten des Weges zu einer EE-Selbstversorgung forderte, dass vorwiegend Energie dort erzeugt werden solle, wo sie verbraucht wird, aber grundsätzlich eine bilanzielle und keine lastgerechte Selbstversorgung anzustreben sei (Zitat 4).

Zitat 4: Bilanzielle regionale EE-Selbstversorgung

„Regionale Selbstversorgung wäre bilanzmäßig, dass man sagt, man hat jetzt das 100%-Ziel im Strom. Und das nächste wäre natürlich 100% in der Wärme. Und zwar immer bilanzmäßig. Also natürlich nicht in der Realität, weil es fließen immer nur Energieströme hin und her. [...] Deswegen sind ja diese überregionalen Netze so wichtig, dass man da hin und her schieben kann.“ Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg und EE-Pionierunternehmer (Interview 2010)

Entsprechend forderte die Energie-Initiative Kirchberg, teils gemeinsam mit der Kreistagsfraktion ÖDP/Grüne, den Ausbau des Stromnetzes in der Region, um den in immer größeren Mengen produzierten EE-Strom abtransportieren zu können (vgl. auch Kapitel 4.3.3 zum Netzausbau durch die Energie Baden-Württemberg).

Das Filmprojekt ‚Power to Change. Die EnergieRebellion’

Ein weiteres Projekt nahmen einige Mitglieder der Energie-Initiative Kirchberg Anfang 2012 in Angriff. Als Nachfolge des Films ‚Die 4. Revolution – Energy Autonomy’ des Regisseurs Carl A. Fechner sollte in der Region Hohenlohe, darunter auch im Landkreis Schwäbisch Hall der Dokumentarfilm ‚Change! Ein deutsches Energiemärchen’ (damaliger Arbeitstitel) entstehen. In dem 2012 veröffentlichten Trailer zum Film wurden Akteure und ihre Statements zur regionalen Energiewende portraitiert. Unter diesen befand sich der Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall. Er betonte, dass 100% EE in der Region bereits in den nächsten 10 Jahren erreicht werden könnten und damit die Abhängigkeiten von teurem Öl und Gas reduziert würden (zur Rolle der Stadtwerke im Prozess zur Erreichung des 100%-Ziels und der Energieverbrauchsreduktion im Landkreis Schwäbisch Hall siehe unten). Eine Veränderung der Landwirtschaft zur Erhaltung der Biodiversität und Treibhausgasreduktion wurde ebenfalls in den Kontext einer regionalen Energiewende gestellt und durch den Geschäftsführer der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall in Wolpertshausen, die sich stark in der Regionalvermarktung engagierte und einen Regionalmarkt mit vielen Produkten aus dem näheren Umkreis betrieb, thematisiert (die Erzeugergemeinschaft organisierte 2008 in Wolpertshausen auch den ersten ‚Rock for Nature’, der seit 2012 im Rahmen der ‚Wir haben Agrarindustrie satt’-Demonstration eines breiten Bündnisses in Berlin stattfindet). Eine Unternehmerin, von 2002 bis 2005 Vorsitzende des Modell Hohenlohe (siehe unten detailliert), stellte die Bedeutung der Steigerung der Energieeffizienz sowie der Einsparung von Ressourcen

53 durch die Herstellung reparaturfreundlicher Produkte als Baustein der Energiewende heraus. Die Idee zu dem Filmprojekt entstand auf einer Veranstaltung der Energie-Initiative Kirchberg und ging auf einen Akteur aus zurück, Gründer mehrerer Unternehmen im Landkreis Schwäbisch Hall, die sich mit dem Ausbau von EE und der Steigerung der Energieeffizienz beschäftigen. Dieser wurde auch Vorsitzender des für die Realisierung des Filmprojektes 2012 gegründeten Vereins ‚Energiewende Hohenlohe e.V.’. Finanziell und ideell unterstützt wurde das Projekt von unterschiedlichen Akteuren aus der Region, darunter die Stadtwerke Schwäbisch Hall, die Stadtwerke Crailsheim, die Stadt Schwäbisch Hall, die Gemeinden Wolpertshausen und Kirchberg an der Jagst, die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises sowie die Öko-Projekte Gronbach GmbH (siehe unten) des bereits erwähnten EE-Pionierunternehmers. Das Filmprojekt zur regionalen Energiewende bündelt damit Akteure, die für den Prozess zur 100% Erneuerbare Energien- Versorgung und der Energieverbrauchsreduktion im Landkreis Schwäbisch Hall zentral waren und sind, wie im Folgenden noch weiter verdeutlicht wird. Der Film ‚Power to Change – Die EnergieRebellion’ lief im März 2016 im Kino an.

Weitere Aktivitäten der Energie-Initiative Kirchberg und ihrer Mitglieder

Auch die Thematik der Rekommunalisierung der Stromnetze wurde 2010 und 2011 Gegenstand der Arbeit der Energie-Initiative Kirchberg, da im Landkreis in einigen Gemeinden die Konzessionsverträge ausliefen. Allerdings war der Einsatz hier nicht erfolgreich. So wurden im Juli 2011 in der Gemeinde Kirchberg an der Jagst die Verträge mit den bisherigen Konzessionären – zwei Töchtern der EnBW – verlängert, obwohl der Vorsitzende der Energie- Initiative Kirchberg vor dem Gemeinderat für die Rekommunalisierung der Stromnetze warb. Auch in Bezug auf weitere gesellschafts- und umweltpolitische Themen äußerten sich Mitglieder der Energie-Initiative Kirchberg. So beispielsweise in einem offenen Brief an die Bürgermeister des Landkreises Schwäbisch Hall im Rahmen eines größeren ‚Aktionsbündnisses im Landkreis Schwäbisch Hall gegen 21’. Zu den Hauptvertretern des Bündnisses gehörte auch das Umweltzentrum Schwäbisch Hall (siehe unten detailliert). Es wurde unter anderem befürchtet, dass durch die hohen Kosten des Bahnhofprojektes Finanzmittel für den flächigen Ausbau oder zumindest Erhalt des als umweltfreundlich beschriebenen Schienenverkehrs im ländlichen Raum fehlen würden. Unterstützung fand diese Kritik von politischer Seite durch den genannten Vertreter der Fraktion ÖDP/Grüne, der dem Landrat zudem vorwarf, sich ohne politische Legitimation öffentlich im Namen des Kreises Ende 2010 im Rahmen der ‚Stuttgarter Erklärung’ aller 35 baden-württembergischen Landräte für das Projekt Stuttgart 21 ausgesprochen zu haben. Bei der Volksabstimmung am 27.11.2011 stimmte im Landkreis Schwäbisch Hall allerdings eine Mehrheit von 56,9 % der Wähler gegen die Rücknahme der Landesbeteiligung an der Projektfinanzierung und damit faktisch für den Weiterbau des Bahnhofs. Nach dem Atomunglück in Fukushima wiesen die Mitglieder der Energie-Initiative Kirchberg in zahlreichen Veranstaltungen zudem verstärkt auf die Gefahren der Atomenergie hin.

Überschneidungen in der Mitgliedschaft mit der Energie-Initiative Kirchberg wies auch der Verein ‚Hohenloher Franken’ auf, welcher zwischenzeitlich im Nachgang der globalen Finanzkrise im Landkreis eine Regionalwährung betrieb und entsprechende Veranstaltungen für die Bürgerschaft zu Geldpolitik durchführte. Dieser Verein kritisierte die Vorstellung immerwährenden wirtschaftlichen Wachstums. Das Regionalgeld war allerdings nur in wenigen Folgejahren der Finanzkrise im Umlauf und der Verein stellte seine Aktivitäten ein.

54 Pionierunternehmen und Pionierorganisationen im Bereich der Energiewende (Schwerpunkt Biogas)

Zu dem Netzwerk von Umweltengagierten im Landkreis Schwäbisch Hall können auch einige Akteure gezählt werden, aus deren Aktivitäten Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Installation von EE-Anlagen und Energieeffizienz hervorgingen und die unter anderem mit der Energie-Initiative Kirchberg in Verbindung stehen. Genannt wurde bereits im Zusammenhang mit dem Filmprojekt ein Akteur, der schon Mitte der 1990er Jahre an einer Biogasanlage in der Gemeinde Wolpertshausen beteiligt war und mit dem Unternehmen ‚S+K GmbH Haus- und Energietechnik’ mit Sitz in der kreisangehörigen Gemeinde Dienstleistungen im Bereich der Installation von PV-, Solarthermie-, Heizungs-, effizienten Beleuchtungs- und elektronischen Steuerungsanlagen anbot. Ebenfalls zu den Pionieren in diesem Bereich gehörte ein bereits mehrfach genannter aus Wolpertshausen stammende Unternehmer – Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg –, der 1985 in die Novatech GmbH gründete, die mittlerweile weit über die Gemeinde und den Landkreis hinaus aktiv ist und sich nach eigenen Angaben für den Einsatz umweltfreundlicher Technologien in umfassenderem Sinne einsetzt (Zitat 5).

Zitat 5: Philosophie eines wichtigen Pionierunternehmens der regionalen Energiewende

„‘Höhere Energiepreise in einem einzelnen Land können dessen Wettbewerbsfähigkeit sogar steigern, weil sie einen Anreiz zur Modernisierung der Wirtschaft darstellen.‘ Dennis L. Meadows (*1942), amerikanischer Chemiker, Politik- und Sozialwissenschaftler, Mitverfasser Club-of- Rome-Studie ‚Die Grenzen des Wachstums‘ Unser Ziel ist es, Menschen vom Einsatz alternativer Energien und deren Vorteile zu begeistern. Wir entwickeln, schaffen und vertreiben umweltfreundliche, innovative und effiziente Technologie und beraten bei deren Anwendung. Mit „umweltfreundlich“ bezeichnen wir Technologie die im Vergleich zur herkömmlichen Energieerzeugung Rohstoffe spart, den Schadstoffausstoß mindert, sozialverträglich und volkswirtschaftlich wertvoll ist.“ Homepage der Novatech GmbH (https://www.novatechgmbh.com (abgerufen 15.02.2012)) Dieses Unternehmen installierte 1992 die erste Photovoltaik-Anlage im Landkreis Schwäbisch Hall bei einem Bewohner der Stadt Schwäbisch Hall – ebenfalls Mitglied der kurz darauf gegründeten Energie-Initiative Kirchberg – sowie im Folgenden auch bei weiteren im Umweltbereich aktiven Akteuren wie 1995 bei dem genannten Kreistagsmitglied der FDP und Ende der 1990er Jahre bei dem genannten Kreistagsmitglied für die Fraktion ÖDP/Grüne. In den Jahren 1994/95 wurde von der Novatech GmbH zudem in Wolpertshausen eine Gemeinschaftsbiogasanlage errichtet, an der sich etwa 60 Bürger beteiligten. Eine anstehende Betriebserweiterung des Unternehmens wurde zudem genutzt, um das Unternehmen von Vellberg nach Wolpertshausen zu verlegen. Während die Novatech GmbH vor allem auf die Bereiche Bio- und Solarenergie konzentriert war, beschäftigte sich ein weiteres durch den EE- Pionier 1995 gegründetes Unternehmen – die Ökoprojekte Gronbach – auch mit Aspekten der effizienten Energieverwendung. Dieses Unternehmen erschloss ab 1997 unter Begleitung durch die Gemeindeverwaltung in Wolpertshausen den so genannten ‚Ökopark’. Dieser bestand aus einem Wohngebäude- und einem Gewerbeteil, um eine verkehrssparende Nutzungsmischung zwischen Wohnen und Arbeiten erreichen zu können. Durch die Ökoprojekte Gronbach als Entwickler der Flächen wurde für die Bebauung ein zur damaligen Zeit sehr ambitionierter Energiestandard festgelegt. Es durften außerdem nur auf wissenschaftlicher Grundlage baubiologisch volldeklarierte Baumaterialien, vor allem Holz, verwendet werden.

55 Regenwassernutzung und möglichst geringe Flächenversiegelung gehörten ebenfalls zu den Bauvorschriften. Da von der Ökoprojekte Gronbach gleichzeitig ein von der Gemeinschaftsbiogasanlage ausgehendes Nahwärmenetz entwickelt wurde, bestand für Gebäude im ‚Ökopark’ außerdem ein Anschlusszwang an dieses Netz. In verschiedenen Abschnitten wurden auch kommunale Liegenschaften an das Nahwärmenetz angeschlossen. Im Jahr 2009 wurde die Biogasanlage, die sich seit 2009 im alleinigen Eigentum der Novatech GmbH befand, stillgelegt und durch eine Holzhackschnitzelanlage der Ökoprojekte Gronbach ersetzt. Von der Ökoprojekte Gronbach wurde in Kooperation mit der Gemeinde Wolpertshausen und der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall zwischen 2012 und 2015 außerdem das Projekt „e-mobility Wolpertshausen“ durchgeführt. Dieses umfasste mehrere E-Mobilitätstage sowie –Kongresse und auch investive Maßnahmen wie die Einrichtung einer solargesteuerten Ladestation für Elektroautos am Firmenstandort der Ökoprojekte Gronbach. Gefördert wurde das Projekt vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg im Rahmen des Ideenwettbewerbs ‚Elektromobilität im Ländlichen Raum’. Die Bauernschule Hohenlohe als weiterer wichtiger Akteur im Unternehmensbereich in Bezug auf die Energiewende im Landkreis Schwäbisch, gelegen in Weckelweiler einem Teilort der kreisangehörigen Gemeinde Kirchberg an der Jagst, hatte bereits jahrzehntelange Erfahrung im Bereich biologisch-dynamischer Landwirtschaft und beschäftigte sich bereits in den 1980er Jahren mit dem Thema Biogas. Zusammen mit der Bundschuh-Biogas-Gruppe e.V. wurde eine Initiative gegründet, um Bauern darin zu unterstützen, eigene Biogasanlagen zu bauen. Diese Biogas-Gruppe entstand Anfang der 1980er Jahre. Zu dieser Zeit plante Daimler-Benz bei Boxberg (Main-Tauber-Kreis, der nördlich an den Landkreis Schwäbisch Hall anschließt) den Bau einer Teststrecke. Dazu sollte das Land von einigen Bauern enteignet werden. Die Landwirte schlossen sich zusammen und nannten sich in Erinnerung an aufständische Bauern des 16. Jahrhunderts ‚Bundschuh’, klagten vor dem Bundesverfassungsgericht gegen ihre Enteignung und siegten 1987. Da die Befürworter der Teststrecke Arbeitsplätze als Pro-Argument anführten, überlegten die Bauern, welche positiven wirtschaftlichen Impulse sie entwickeln könnten. So wurde als eine Alternative auch die Biogasproduktion ins Auge gefasst und eine entsprechende Gruppe gegründet, die die genannte Kooperation mit der Bauernschule Hohenlohe einging. In Weckelweiler wurde 1992 anschließend der Fachverband Biogas e.V. mit dem Ziel gegründet, die Biogasnutzung voranzubringen (Zitat 6). Aus dem Gründerkreis des Fachverbands ging auch die Idee der Biogas-Gemeinschaftsanlage mit Bürgerbeteiligung in Wolpertshausen hervor (siehe oben), die erste ihrer Art in Deutschland.

56 Zitat 6: Akteure im Landkreis als Vorreiter der Entwicklung und Nutzung der Biogastechnologie

„Das war dann so eine Initiative, die bundesweit einmalig war, und sozusagen die Bauernschule hier dem Staat Nachhilfe in Biogas gegeben hat. Und das hat sich dann eben konsolidiert mit der Gründung des Fachverbandes Biogas in Weckelweiler.“ „Die Biogasanlage in Wolpertshausen war dann über lange Jahre ein Vorzeigeprojekt für andere Anlagen. Also wir haben das jahrelang besucht mit Gruppen, auch international immer wieder.“ „Heute ist es halt so, dass Deutschland in dem Bereich Biogas führend ist und das Ausland schaut auf uns, wie weit wir sind, und kommt zu uns, und will die Anlagen anschauen, und das machen wir uns auch zu Nutze und machen auch internationale Kurse, internationale Studienreisen und gehen selbst auch ins Ausland und machen da Beratung.“ Ehemaliger Mitarbeiter des Fachverbands Biogas e.V. und Mitarbeiter des Internationale Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrums (Interview 2009)

Der Standort des Fachverbands Biogas wurde 2000 nach Freising in Bayern verlagert, woraufhin am Standort in Weckelweiler die Fördergesellschaft für nachhaltige Biogas- und Bioenergienutzung und die Fachgruppe Biogas GmbH (Internationales Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum) gegründet wurden. Die Fördergesellschaft für nachhaltige Biogas- und Bioenergienutzung als gemeinnütziger Verein engagierte sich in firmenunabhängiger Bildung und Beratung im Bereich Bioenergie mit dem Ziel die Kreislaufwirtschaft in landwirtschaftlichen Betrieben zu fördern. Das Internationale Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum als Beratungsunternehmen wurde aus dem Verein ausgelagert und deckte den kommerziellen regionalen, nationalen und internationalen Beratungs- und Planungsanteil der Tätigkeit ab.

Im Landkreis selbst kooperierte die Energie-Initiative Kirchberg und das Internationale Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum beispielsweise 2007 bei der Organisation von Fachvorträgen in der ‚Woche der Sonne‘ in Kirchberg an der Jagst. Mit dem energieZentrum – der Energieagentur des Landkreises (siehe unten) – erfolgte innerhalb des vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts ‚proBIOGAS – Qualifizierung für Anlagenbetreiber’ nach Einführung des verbesserten EEG-Förderung für Biogasanlagen ab 2005 eine Kooperation. Auch der genannte EE-Pionierunternehmer und Gründer der Ökoprojekte Gronbach führte für die Fördergesellschaft für nachhaltige Biogas- und Bioenergienutzung in diesem Projekt verschiedene Teile der Schulungen durch. Mit der verbesserten Förderung durch das EEG zeigte sich auch der im Kreis aktive Bauernverband zunehmend an der Biogastechnologie interessiert und auch insgesamt wurde von Seiten des Internationalen Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrums mit der EEG-Einführung eine Kommerzialisierung des Energiewendeprozesses ausgemacht (Zitat 7).

57 Zitat 7: Kommerzialisierung als Treiber des EE-Ausbaus

„Erst als es dann 2004 mit dem Biogas-Boom so richtig losging, dann sind die vom örtlichen Bauernverband auch wach geworden.“ „Die große Arbeit der gemeinnützigen Vereine ist jetzt erst mal vorbei, die gibt es zwar noch, aber die Projekte, die sind angestoßen. Und nun beteiligen sich dann halt die Bürger kommerziell an der Sache in irgendwelchen Verbünden über die Stadtwerke oder die Firma Novatech gründet GbRs um Solaranlagen zu betreiben, und da sind Bürger beteiligt.“ Ehemaliger Mitarbeiter des Fachverbands Biogas e.V. und Mitarbeiter des Internationale Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrums (Interview 2009)

Das Umweltzentrum Schwäbisch Hall e.V.

Auch das im Jahr 1992 als gemeinnütziger Trägerverein gegründete ‚Umweltzentrum Kreis Schwäbisch Hall e.V.’ setzte sich während seines Bestehens für den Ausbau von EE und das Einsparen von Energie ein. Unter dem Dach dieses Trägervereins schlossen sich viele Umwelt- und Naturschutzgruppen im Landkreis auf Initiative des Gründers des schwäbisch-hällischen Arbeitskreises des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg zusammen. Im Jahr 2012 waren rund 50 Organisationen mit über 5.000 Mitgliedern dem Verein angeschlossen. Ziel der Gründung des Umweltzentrums war es, eine hauptamtliche Geschäftsstelle einzurichten, die die Belange des privaten Naturschutzes vertreten sollte. Denn zu dieser Zeit wurde eine steigende Anzahl an Eingriffen in die Natur wahrgenommen, die Umweltbewegung der 1980er Jahre war am Auslaufen und im Zentrum der Politik stand nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Finanzierung der halben Stelle des eingestellten Geschäftsstellenleiters beruhte auf Mitgliedsbeiträgen der angeschlossenen Gruppierungen, Spenden und der Bearbeitung von Umweltgutachten, blieb aber dauerhaft prekär, was die Arbeitsbedingungen erschwerte. Dennoch wurde nach Aussage des Geschäftsstellenleiters durch die Professionalisierung und Institutionalisierung im Landkreis Schwäbisch Hall eine sehr viel bessere Situation für den privaten Naturschutz geschaffen, als in vielen anderen Landkreisen Baden-Württembergs. Mitglieder des Vereins wurden unter anderem mehrere Ortsverbände des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. und des Naturschutzbundes Deutschland e.V. sowie die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft und die Umweltstiftung BI Westernach (siehe unten).

Eine der ersten Maßnahmen war 1994 die bereits erwähnte Zusammenarbeit mit der dem Verein ebenfalls angeschlossenen Energie-Initiative Kirchberg bei der Vorbereitung der kostendeckenden Einspeisevergütung für Strom aus EE, die schließlich durch die Stadtwerke Schwäbisch Hall realisiert wurde. Ebenfalls zu den frühen Projekten des Umweltzentrums gehörte 1995 die Erstellung eines Branchenführers für ökologische Produkte und Dienstleistungen im Landkreis. Damit sollten die Verbraucher bei der Suche nach entsprechenden Anbietern unterstützt werden, um umweltfreundlicher und regionaler einkaufen zu können. Rund 300 Anbieter aus unterschiedlichen Sektoren wurden identifiziert. Ökologische Einkaufstipps, ein Saisonführer für Obst und Gemüse sowie Informationen über die Nutzung von EE waren ebenfalls in der Broschüre enthalten. Das Umweltzentrum deckte somit von Beginn an nicht nur ‚klassische’ Naturschutzthemen, zum Beispiel Gutachten zu lokalen Vorhaben wie Straßenbau oder die Einrichtung von Neubau- oder Gewerbegebieten im Landkreis ab, sondern brachte sich auch regelmäßig in andere umweltpolitische Debatten ein. Beispielsweise wurde 2003 die Zerstörung kleinbäuerlicher Landwirtschaft in den Ländern des

58 Südens durch europäische Exportsubventionen im Agrarbereich kritisiert sowie der Kreisverband des Naturschutz Bundes Deutschland im selben Jahr bei der Ausstellung ‚Wie viel Fläche braucht der Mensch?’ unterstützt. Ein ständig wiederkehrendes Thema in Stellungnahmen und Publikationen des Umweltzentrums stellte die Thematik der Flächenverwendung und des Flächenverbrauchs dar (vgl. Tabelle 6 zur Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche). Kritik wurde beispielweise 2006 daran geübt, dass es durch die Öko-Konto-Regelung möglich sei, sich an weit entfernten Orten Ausgleichsmaßnahmen einzukaufen, statt vor Ort flächensparend zu wirtschaften. Auch eine Orientierung der Wirtschaft auf stetiges Wachstum wurde kritisiert. Wirtschaftsförderung, Landrat, Kämmerer und andere Akteure, wie beispielsweise der aus Schwäbisch Hall stammende ehemalige baden- württembergische Wirtschaftsminister der FDP Walter Döring, welcher seit einigen Jahren jährlich in Schwäbisch Hall den ‚Kongress der Weltmarktführer’ veranstaltete, traten dagegen für weiteres wirtschaftliches Wachstum im Landkreis ein und lobten die rasante wirtschaftliche Entwicklung der Region in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Entsprechend wurden Vorhaben wie der Ausbau der A6 zwischen Heilbronn und Nürnberg, der Bau der Westumgehung Schwäbisch Hall oder der Bau des Bahnhofs Stuttgart 21, von dem sich auch eine verbesserte Anschlusssituation für den Landkreis erhofft wurde, von diesen Akteuren unterstützt, während sich das Umweltzentrum deutlich gegen die genannten Projekte aussprach.

2007 und 2008 wurden mehrere Gemeinden und insbesondere die Stadt Schwäbisch Hall vom Umweltzentrum für die als exzessiv bewertete Entwicklung von Neubaugebieten kritisiert. Dabei wurde betont, dass die Maßnahmen nicht nur ökologisch, sondern auch im Hinblick auf die demografische Entwicklungsprognose des Landkreises kontraproduktiv seien. Langfristig drohe eine Unterbelegung der Wohngebäude und dadurch enorme Belastungen in der Infrastrukturerhaltung, die von nachfolgenden Generationen zu tragen wären. Ab 2007 engagierte sich das Umweltzentrum sehr stark als Kritiker in der Diskussion um die Verbrennung von Palmöl zum Zwecke der Energiegewinnung in einem Kraftwerk der Stadtwerke Schwäbisch Hall (siehe detaillierter unten). Die Notwendigkeit eines Umstiegs auf EE wurde dabei allerdings nicht in Frage gestellt. Generell vertrat das Umweltzentrum den Standpunkt, dass zuerst Energiesparpotenziale gehoben werden müssten und der Restbedarf aus EE gedeckt werden sollte (Zitat 8).

Zitat 8: Energiebezogene Anschauung des Umweltzentrums Schwäbisch Hall

„Eigentlich soll es so sein: Zuerst gucken wir mal, dass wir sparen. […]. Dann schauen wir, dass wir es möglichst effizient machen, und wenn wir dann noch was dazu brauchen, dann gucken wir, dass wir noch neue EE-Anlagen bauen.“ Mitarbeiter des Umweltzentrums Schwäbisch Hall (Interview 2012)

Kampf der Bürgerinitiative Westernach gegen eine Sondermüllverbrennungsanlage und die Folgen

Ebenfalls bedeutend im Netzwerk der Umweltengagierten und damit prägend für die Art und Weise, wie im Landkreis Schwäbisch Hall die Thematik der Nutzung Erneuerbarer Energien sowie der Energieverbrauchsreduktion bearbeitet und diskutiert wurde, war der Protest von Bevölkerung, Unternehmen und Kommunen in der Region Hohenlohe gegen eine rund 10 Kilometer nördlich der Stadt Schwäbisch Hall im Ort Westernach geplante Müllverbrennungsanlage.

59 Anfang 1990 wurde bekannt, dass der Ort von der Landesregierung als möglicher Standort für eine zweite baden-württembergische Sondermüllverbrennungsanlage in die engere Wahl genommen wurde. Der Sondermüll aus großen Teilen des Landesgebietes sollte hier verbrannt werden. Daraufhin protestierten in Westernach im März 1990 rund 20.000 Menschen gegen das Projekt. Es wurde eine Bürgerinitiative gegründet, die in sehr kurzer Zeit fast 5.000 Mitglieder hatte, darunter auch Gemeinden. Es wurden etwa 50.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. Viele Hohenloher befürchteten, dass die Hohenloher Agrarlandschaft durch Emissionen der Anlage gefährdet würde. Anfang 1994 schied der Standort Westernach aus dem Suchverfahren des Landes aus, 1995 wurde entschieden, in Baden-Württemberg gar keine neue Anlage zu bauen. Die Bürgerinitiative löste sich daraufhin Ende 1995 auf. Aus der Protestbewegung heraus entstanden jedoch auch zwei dauerhaft aktive Organisationen mit dem Ziel, nicht nur gegen, sondern auch für etwas einzutreten: Die ‚Umweltstiftung BI Westernach’ sowie der Verein ‚Modell Hohenlohe e.V.’.

Umweltstiftung BI Westernach

Die Bürgerinitiative (BI) Westernach hatte von ihren Mitgliedern Kapital eingesammelt, um eine mögliche Klage gegen die Müllverbrennungsanlage anstrengen zu können. Nach der Auflösung der BI wurde 1995 die ‚Umweltstiftung BI Westernach’ gegründet. Das Kapital von umgerechnet rund 110.000 € wurde in diese Stiftung transferiert. Stiftungszweck war es, das Thema des Umweltschutzes im öffentlichen Bewusstsein der regionalen Bevölkerung zu halten. Dafür wurden aus den Kapitalzinsen seit 1997 regionale Projekte zum Wohle von Natur und Umwelt – u.a. in den Bereichen Energieeinsparung, Abfallvermeidung, Regenwassernutzung und Renaturierung – mit dem so genannten ‚Umweltpreis’ ausgezeichnet und mit Beträgen zwischen rund 150 € (bzw. damals noch 300 DM) und 4000 € gefördert.

Bereits in den ersten Jahren der Verleihung des Umweltpreises gehörten einige Akteure aus dem Bereich ‚Energie’ zu den Preisträgern, die teils selbst in die Bürgerinitative Westernach und den lokalen Protest gegen die Sondermüllverbrennungsanlage involviert waren. Die Ökoprojekte Gronbach und die Gemeinde Wolpertshausen wurden 1997 für die Einrichtung des ökologischen Baugebietes geehrt, die Energie-Initiative Kirchberg 1998 für ihre Aktivitäten zur Förderung von EE in der Region und im gleichen Jahr ein Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg und der BI Westernach für die Installation einer Photovoltaik-Anlage. 1999 wurde die Familie des genannten Photovoltaik-Pioniers aus Schwäbisch Hall für ihre umwelt- und energiebewusste Lebensweise ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehörte auch 2000 ein Akteur aus Niedernhall, Gründer des Unternehmens ‚Bürgerwindpark Hohenlohe GmbH und Co.KG’, der wie erwähnt, bei Gerabronn – unterstützt von rund 100 Bürgern – die Aufstellung der ersten Windräder in der Region initiiert hatte. Und auch ein weiterer Pionier der Umweltbewegung im Landkreis – der genannte Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, der dort jahrzehntelang für die Nutzung von EE und effiziente Energienutzung eintrat – wurde 2003 mit einem Sonderpreis für eine zu dieser Zeit sehr ambitionierte energetische Altbausanierung ausgezeichnet. Zum zweiten Mal wurde Wolpertshausen im Jahre 2008 für die Erweiterung des dort eingerichteten Energielehrpfades mit dem Umweltpreis geehrt. Mit einem Preisgeld von 4.000 € für die Beschilderung des Lehrpfades war dies der höchste jemals ausgeschüttete Betrag der Umweltstiftung.

60 Modell Hohenlohe e.V.

Die Bürgerinitiative Westernach hatte mehrere Fachgruppen gegründet, darunter auch die Gruppe ‚Technik’, in der von lokalen Akteuren zunächst Maßnahmen diskutiert wurden, wie in ortsansässigen Betrieben anfallender Sondermüll reduziert werden könne. Unter der Federführung eines Mitgliedes wurde Anfang 1991 von 27 Unternehmen aus der Region Hohenlohe der Verein ‚Modell Hohenlohe – Netzwerk betrieblicher Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften e.V.’ als deutschlandweit einmaliges Projekt gegründet. Ziel der Vereinsmitglieder war es, durch gemeinsame Anstrengungen in einem lernenden Netzwerk von Unternehmen die Reduktion des Sondermüllaufkommens zu erreichen, um zu beweisen, dass eine Müllverbrennungsanlage bei entsprechender umweltschonender Produktionsweise nicht benötigt würde. In kurzer Zeit wurden im gemeinsamen Austausch erhebliche Verringerungen der anfallenden Sondermüllmengen erreicht. Bis 2011 stieg die Zahl der Vereinsmitglieder in der Region Heilbronn-Franken bis auf 180 Unternehmen an. Beim 20-jährigen Jubiläum des Unternehmensnetzwerkes beschrieb der amtierende Vorstandsvorsitzende dessen Zweck: Es gehe darum, mit wirtschaftlichen Methoden über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Anstrengungen zum Umwelt- und Klimaschutz zu unternehmen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern. Im Landkreis Schwäbisch Hall trat der Verein im Prozess der Umstellung des Energiesystems 1999 nach der Liberalisierung des Strommarktes gemeinsam mit der Energie-Initiative Kirchberg und ecoSWITCH in dem erwähnten Projekt ‚Stromkauf Hohenlohe’ in Erscheinung. Auch bei der Bewerbung des Landkreises Schwäbisch Hall mit unterschiedlichen Partnern im Rahmen des vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft initiierten Programms ‚Regionen aktiv’ war das ‚Modell Hohenlohe‘ eingebunden. Im Antragstext des antragstellenden Konsortiums wurde das ‚Modell Hohenlohe‘ neben weiteren Pionieren im Bereich der umweltfreundlichen Erzeugung und Nutzung von Energie als wichtiger Akteur in der Region hervorgehoben, mit dem die Projektziele verwirklicht werden könnten. Bei der Veranstaltungsreihe ‚Nachhaltige Energieausnutzung’ in den Jahren 2002 und 2003 trat der Verein ebenfalls als Mitorganisator auf. Im Jahre 2002 initiierte er zudem in der Region den ersten ‚Energie-Effizienz-Tisch’ Deutschlands mit 17 Unternehmen. Der Aufbau der als lernendes Netzwerk beschriebenen Kooperation wurde vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg mit rund 200.000 € gefördert. Die beteiligten Unternehmen – zum Teil auch ansässig im Landkreis Schwäbisch Hall – steigerten ihre Energieeffizienz im Zeitraum von 2002 bis 2005 um den Faktor 2 bis 3,5 schneller als der Durchschnitt der Industrie. Zudem wurde durch die Effizienzmaßnahmen der teilnehmenden

Unternehmen pro theoretisch vermiedener Tonne CO2-Ausstoß ein Gewinn von 10 bis 20 € erzielt. Diese betriebswirtschaftlichen Vorteile wurden entsprechend auch in der Außendarstellung des Vereins herausgestellt (Zitat 9).

61 Zitat 9: Energiebezogene Anschauung hinter dem ‚Modell Hohenlohe‘

„Kosten runter, Wettbewerbsfähigkeit rauf. Der gemeinnützige Verein ‚Modell Hohenlohe’ verbindet mit seinem anerkannten Umweltmanagementsystem in vorbildlicher Weise Klima- und Umweltschutz mit betriebswirtschaftlichem Gewinn. Die Erfolge sprechen für sich. Beispiel Energieeffizienzprojekte: Weniger CO2, 20 % niedrigere Energiekosten.“ Startsequenz des Imagefilms des ‚Modell Hohenlohe‘ (https://www.modell- hohenlohe.de/videos/index.php (abgerufen 15.10.2012)

Absolut konnte in dem genannten Pilot-Projekt der Energie-Effizienz-Tische allerdings nur eine

Stabilisierung der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs erreicht werden, da die Produktion der Unternehmen im gleichen Zeitraum um insgesamt 22 % stieg. Nach Auslauf der geförderten Periode entschlossen sich neun Unternehmen in der Region Hohenlohe, das Projekt eigenfinanziert in der Projektträgerschaft des ‚Modell Hohenlohe‘ fortzusetzen, darunter auch Procter und Gamble mit Sitz in Crailsheim im Landkreis Schwäbisch Hall.

In den Folgejahren wurden deutschlandweit weitere Energieeffizienz-Netzwerk-Projekte in Projektträgerschaft des ‚Modell Hohenlohe‘ mit Hauptförderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und Zusatzförderung durch das Umweltministerium Baden- Württemberg und das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung durchgeführt. Kooperationspartner waren hierbei das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung, die IREES GmbH, EnBW Baden-Württemberg und die Siemens AG. Zwischen 2009 und 2012 wurde in Kooperation mit der auch für den Landkreis Schwäbisch Hall zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) Heilbronn-Franken und der Förderung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – das in diesem Zeitraum 30 Pilot-Energieeffizienz-Netzwerke förderte –, der Energieeffizienz-Tisch Heilbronn- Franken durchgeführt. Daran nahmen 12 Unternehmen teil, darunter Recardo Aircraft Seating GmbH Co.KG aus Schwäbisch Hall und die Vion Crailsheim GmbH.

Der Amtsleiter des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg äußerte bei dem 20-jährigen Jubiläum des Vereins Anfang 2011, diese Unternehmensinitiative sei über Baden-Württemberg hinaus ein Synonym für die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie geworden. Das Modell belege, dass sich Energieeffizienz für Unternehmen und Umwelt rechneten. Im Jahr 2008 führte das ‚Modell Hohenlohe‘ in Kooperation mit der IHK Heilbronn–Franken den ersten Süddeutschen Energieeffizienztag zur Vernetzung von Unternehmen und Informationsbereitstellung durch. Diese Veranstaltung wurde in den Folgejahren fortgesetzt und umfasste Themen wie Energiecontrolling, elektrische Antriebe, energieeffiziente Beleuchtung sowie auch betriebliche Energieerzeugung. In letztgenanntem Themenfeld referierte auf dem zweiten Kongress Ende 2009 in Waldenburg bei Schwäbisch Hall auch ein Mitarbeiter der Firma Novatech über Möglichkeiten zur Energieerzeugung aus Photovoltaik und Solarthermie in Unternehmen.

4.3.2 Politisch-administrativer Raum Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Zusammenspiel mit Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft

Eine wichtige Einrichtung, die die Thematik der Nutzung von EE, der Einsparung von Energie und die 100%-EE-Zielsetzung aufgriff und zu dieser Zielerreichung Schritte unternahm, war das energieZentrum in Wolpertshausen als Energieagentur des Landkreises. Dieses wurde am

62 05.05.2003 unter der Trägerschaft der ‚Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Schwäbisch Hall GmbH’ eröffnet. Für die eigentliche Gründung sowie die Entwicklung eines Finanzierungskonzepts für diese Energieagentur war die Wirtschaftsförderungsgesellschaft mit ihrem damaligen Leiter und das Zusammenspiel aus Kreispolitik, Verwaltung und Zivilgesellschaft von zentraler Bedeutung.

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft wurde am 08.10.1996 als GmbH mit dem Landkreis als einzigem Gesellschafter gegründet. Maßgeblich beteiligt an der Gründung dieser GmbH war der ab dem Gründungsjahr bis Juli 2007 tätige Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, der gleichzeitig Leiter des Amts für Wirtschafts- und Regionalmanagement im Landratsamt Schwäbisch Hall war. Im Jahr 2007 übernahm dieser dann das Dezernat für Verwaltungs- und Infrastruktur und damit auch die Kreiskämmerei. Dieser Akteur befasste sich seit Anfang der 1980er Jahre als Referent des damaligen Landrates mit der Wirtschaftsförderung im Landkreis, der zu dieser Zeit als strukturschwach galt und mit der Abwanderung von Firmen in das angrenzende Bayern zu kämpfen hatte. Eine Strukturuntersuchung der Region Hohenlohe-Ost im Auftrag des Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus dem Jahre 1988 bestätigte diese Situation auch offiziell. Lösungsmöglichkeiten für die Krise boten sich ab dem Jahr 1994. Zu diesem Zeitpunkt wurde das ‚Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum’ (ELR) des Landes Baden- Württemberg aufgelegt. Durch die Deklarierung des Landkreises Schwäbisch Hall zum Fördergebiet der Europäischen Union im Strukturfonds nach Ziel 5b öffneten sich der Region zur selben Zeit bis zum Jahr 2000 weitere Fördertöpfe. Insgesamt wurden durch die beiden Programme im Landkreis Schwäbisch Hall Projekte mit knapp 80 Millionen € bezuschusst. Um diese Summen handhaben zu können, wurde 1996 die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Schwäbisch Hall als GmbH gegründet. Mit dieser von dem Geschäftsführer entwickelten Konstruktion war es möglich, dass die Kreisparkasse die Gründung finanziell unterstützen konnte, ohne eine verdeckte Gewinnausschüttung für den Landkreis zu betreiben. Fünf Jahre später stießen auch die Volks- und Raiffeisenbanken im Landkreis hinzu und trugen zur dauerhaften Grundfinanzierung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft von jährlich 100.000 € bei. Als Hauptaufgaben der Wirtschaftsförderungsgesellschaft wurde das Ausfindigmachen von Förderprogrammen für Unternehmen sowie das Organisieren von Weiterbildungsprogrammen beispielweise im Bereich der Existenzgründung definiert. Diese Basisaufgaben wurden später auch auf das energieZentrum übertragen. Hier gab es Fortbildungsprogramme für Handwerker im Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung sowie Schulungen für Betreiber von Biogasanlagen in Kooperation mit dem Internationalen Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum (siehe oben) und Technologieberatung im Bereich EE und Energieeffizienz für Bürger und Unternehmen. Ein Schwerpunkt stellte zudem Beratung hinsichtlich der Fördermittelakquise im Energiebereich dar.

Seit 1998 wurde in 5-jährigem Rhythmus die von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft organisierte Wirtschaftsmesse des Landkreises in der kreisangehörigen Gemeinde durchgeführt, in der sich Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Unternehmen aus der Region präsentierten. Im Jahr 2003 wurde auf der Wirtschaftsmesse der zu dieser Zeit amtierende Landrat für das große Engagement im Bereich der Wirtschaftsförderung von dem damaligen baden-württembergischen Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP) mit der ansonsten ausschließlich Unternehmern vorbehaltenen Wirtschaftsmedaille des Landes ausgezeichnet. Bei der Feier zum 10-jährigen Bestehen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Jahre 2006 waren sich der seit 2004 amtierende Landrat sowie die Träger der Grundfinanzierung einig darüber,

63 dass die Gründung einer kommunalen GmbH der richtige Ansatz gewesen sei, da durch dieses Konstrukt auch Risiken eingegangen werden könnten und unternehmerische Arbeit möglich sei.

Diese zeigte sich auch darin, dass die Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Beginn an zusätzlich zu der Unternehmensbetreuung auch Akquise von Fördermitteln für verschiedene eigene Projekte betrieb. Zum Ende der 1990er und Beginn der 2000er Jahre standen entsprechende Programme zur Verfügung, aus denen sowohl der Gebäudekomplex in Wolpertshausen als auch die dort ansässige Energieagentur des Landkreises entstanden. energieZentrum

Von 1999 bis 2001 arbeitete eine Arbeitsgruppe bestehend aus der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Vertretern der EnBW, der Bausparkasse Schwäbisch Hall, der Fachhochschule Heilbronn/Künzelsau und der Gemeinde Wolpertshausen ein Konzept für das Projekt ‚Minimalenergiehäuser und Informationszentrum Energie’ in Wolpertshausen aus. Zu den Projektpartnern zählten weiterhin die Kreishandwerkerschaft Schwäbisch Hall, der Landkreis Schwäbisch Hall, die Volks- und Raiffeisenbanken im Landkreis Schwäbisch Hall, die Sparkasse Schwäbisch Hall Crailsheim, die Architektenkammer (Kammergruppe Schwäbisch Hall), das Landesgewerbeamt Baden-Württemberg und die Stiftung Energieforschung Baden- Württemberg. In dem Projekt sollte ein Bürgerhaus mit Energieinformationszentrum entstehen. In diesem sollten Informationsveranstaltungen und Ausstellungen stattfinden, die sich mit energieeffizienten Technologien und Bauweisen – organisiert von lokaler Handwerkerschaft und Innungen – sowie konkret auch mit mehreren Minimalenergiehäusern beschäftigen sollten, welche in Wolpertshausen ebenfalls errichtet werden sollten. Über das ELR-Programm und den baden-württembergischen Ausgleichsstock wurde für die nötigen Investitionen von etwa 2 Mio. € etwa 1 Mio. € bezuschusst. Das Projekt wurde durch die Fachhochschule Heilbronn mit der Außenstelle Künzelsau wissenschaftlich betreut. Es sollte ein Monitoring und eine Optimierung der Energieverbräuche zweier Minimalenergiehäuser stattfinden, diese sollten dann an das Informationszentrum weitergeleitet und für interessierte Bürger verständlich aufbereitet werden. Das so genannte energieZentrum wurde am 05.05.2003 eröffnet.

Parallel zu dem Projekt ‚Minimalenergiehäuser und Informationszentrum Energie’ entspann sich auch eine Diskussion um die Einrichtung einer landkreiseigenen Energieagentur. Die Idee und ein entsprechender Prüfantrag wurden aus dem Kreistag an die Verwaltung gestellt. Dafür sprach sich ein breites Spektrum von Parteien aus, so Bündnis90/Die Grünen, in Absprache mit der Energie-Initiative Kirchberg wie auch die CDU mit dem damaligen Fraktionsvorsitzenden, der zu jener Zeit auch Kreishandwerksmeister im Landkreis Schwäbisch Hall war und auch das Projekt zu den Minimalenergiehäusern, dem Informationszentrum und den Ausstellungen der Handwerkerschaft stark unterstützte. Eine Finanzierungsmöglichkeit ergab sich unter anderem aus dem ELR-Programm über das Ministerium für Ländlichen Raum des Landes Baden- Württemberg, welches über einen Zweitraum von drei Jahren die Gründung von Energieagenturen mit 100.000 € förderte. Nachdem ein Austausch mit der Energieagentur im Landkreis Ravensburg über den Prozess der Einrichtung einer solchen Agentur stattgefunden hatte, genehmigte der Kreisausschuss für Umwelt und Technik für den Haushalt 2003 einen Eigenanteil des Landkreises Schwäbisch Hall für die Einrichtung einer Energieagentur von 30.000 €. Der Antrag beim Ministerium für Umwelt und Verkehr über 100.000 € für die drei ersten Betriebsjahre der Agentur war im April 2003 erfolgreich. Die Agentur wurde am 01.07.2003 gegründet und bezog im Wolpertshausener energieZentrum ihre Räumlichkeiten.

64 Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft erstellte 2002 außerdem ein Konzept für eine Energieberatung in landwirtschaftlichen Betrieben. Der Auftrag dazu kam von einem regionalen Konsortium im Rahmen des Projektes ‚Hohenlohe aktiv’ (siehe detailliert unten). Zur Ausarbeitung dieses landwirtschaftlichen Energieberatungskonzeptes wurde befristet ein Absolvent des Studiengangs ‚Gebäudesystemtechnik’ an der Fachhochschule Heilbronn/Künzelsau eingestellt, welcher seine Abschlussarbeit im Rahmen des Projektes ‚Minimalenergiehäuser Wolpertshausen’ über die ‚Dezentrale Messdatenerfassung an Minimalenergiehäusern mit datenbankbasierter Datenspeicherung, Auswertung und Visualisierung’ verfasst – und diese explizit in den Kontext nachhaltiger Entwicklung gestellt – hatte.

Der Absolvent wurde nach Gründung der Energieagentur deren Leiter und prägte die Arbeit wesentlich. Die Situation des energieZentrums war zunächst prekär, da die Förderung aus dem Ministerium für Ländlichen Raum auf drei Jahre begrenzt war. Auch der Kreistag hatte einem jährlichen Zuschuss des Landkreises von 30.000 € nur unter der Bedingung zugestimmt, dass sich die Einrichtung nach Ablauf der Landesförderung selber tragen könne. Daher war es notwendig, ein Finanzierungskonzept zu entwickeln. Damit beauftragt wurden der Leiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Leiter des energieZentrums. Entscheidend für die erfolgreiche Ausarbeitung und vor allem für die praktische Umsetzung eines entsprechenden Modells war ein weiteres Förderprogramm: ‚Regionen Aktiv – Land gestaltet Zukunft’ (bereits oben im Kontext der Kooperationen des energieZentrums mit Akteuren aus dem Netzwerk der Umweltengagierten erwähnt): Zusammen mit drei Bauernverbänden, der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und der Wirtschaftsförderungsgesellschaften im Hohenlohekreis bewarb sich die Wirtschaftsförderungsgesellschaft 2001 für dieses Programm, das nach dem Regierungswechsel zu Rot-Grün vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ausgeschrieben worden war. Unter mehr als 200 Bewerbern wurde die Region ‚Hohenlohe’ als eine unter 18 geförderten Regionen ausgewählt. Im Zeitraum von 2002 bis 2007 wurden durch das ‚Regionen aktiv’-Programm viele landwirtschaftliche Projekte im Rahmen des ‚Hohenlohe aktiv’ getauften Gemeinschaftsvorhabens gefördert. Ziel des Bundesprogramms war die Neuausrichtung der Förderung des ländlichen Raums. Vorsorgender Verbraucherschutz, Qualitätsverbesserung landwirtschaftlicher Produkte, Steigerung regionaler Wertschöpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Natur-, Landschafts- und Artenschutz waren die Eckpunkte. Konkreter wurden Projekte im Bereich regionaler, umweltgerechter und ökologischer Erzeugnisse (sog. Produktmarkt), regenerative Energien (sog. Energiemarkt), Freizeit- und Landschaftstourismus (sog. Freizeitmarkt), umweltgerechte, multifunktionale Landnutzung sowie kontrolliert ökologischer Anbau gefördert. Bei der Antragsstellung durch das hohenlohische Konsortium wurden für diese fünf Bereiche Stärken sowie Schwächen aufgezeigt, die durch Projekte im Rahmen von ‚Regionen Aktiv’ beseitigt werden könnten. In dem Feld ‚Energiemarkt’ wurden als Stärken die hohe Dichte an Pionieren und Pionierleistungen erwähnt: Das Internationale Biogas und Bioenergie Kompetenzzentrum in Weckelweiler (siehe oben), das ‚Modell Hohenlohe‘, die Energie-Initiative Kirchberg sowie die Biogas- Gemeinschaftsanlage in Wolpertshausen.

Nach erfolgreicher Bewerbung wurde bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft ein Regionalmanagement zur Identifikation möglicher Projekte und Vernetzung von Kooperationspartnern sowie zur Unterstützung bei der Entwicklung von Projekten eingerichtet. In der ersten Förderperiode von 2002 bis 2005 wurden 48 Projekte mit etwa 3,2 Mio. € gefördert. In der zweiten Periode von 2006 bis 2007 wurden 400.000 € Fördergelder auf

65 weitere 18 Projekte vor allem im Bereich Agrartourismus im Zusammenhang mit der Vermarktung regionaler Produkte investiert. Im Sektor der Regionalvermarktung wurden über die Gesamtlaufzeit von ‚Hohenlohe aktiv’ insgesamt rund 9,5 Mio. € investiert, davon 6,6 Mio. € aus privaten Mitteln – vor allem von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft. Im Sektor ‚Energie’ wurden über 200.000 € investiert. Das Thema ‚Energie’ wurde damit deutlich weniger stark bearbeitet als die Vermarktung regionaler landwirtschaftlicher Produkte, welche zum Alleinstellungsmerkmal der Region aufgebaut werden sollten. Entsprechend waren es auch vor allem Landwirte und Endverbraucher, die in geförderten Projekten involviert waren. Die Summe der insgesamt in den Projekten getätigten Investitionen belief sich auf 11,2 Mio. €. Über die Verteilung der Fördergelder auf bestimmte Projekte entschied die Vollversammlung ‚Hohenlohe aktiv’. In diesem Gremium saßen Vertreter der Landwirtschaft, von Natur- und Umweltschutz (u.a. das Umweltzentrum und das ‚Model Hohenlohe‘), die Energie-Initiative Kirchberg, Tourismusorganisationen und Behördenvertreter.

Ansprechpartner für Projekte im Bereich ‚Energie’ war während der Projektlaufzeit das energieZentrum in Wolpertshausen. Eine der ersten geförderten Maßnahmen war die Veranstaltungsreihe ‚Nachhaltige Energieausnutzung’. Im November 2002 erfolgte der Auftakt unter dem Titel ‚Vom Landwirt zum Energiewirt’ in Ilshofen. Organisation und Moderation der Tagung lagen bei der Fachhochschule in Künzelsau. Unter den Referenten war auch der Gründer der Novatech GmbH, der die Möglichkeit hervorhob, dass Landwirte sich durch den Betrieb einer Biogasanlage ein Zusatzeinkommen verdienen könnten. Ein Vertreter des Modell Hohenlohe legte dar, wie die Nutzung von Klärschlamm in Biogasanlagen erfolgen könne und ein Landwirt referierte, wie er mit seiner Biogasanlage Abfallstoffe aus der Landwirtschaft ökologisch wie ökonomisch vorteilhaft nutze. Die zweite Veranstaltung im Rahmen der Reihe fand unter dem Namen ‚Biogas und Bioenergie’ im Dezember 2002 in der kreisangehörigen Gemeinde Rot am See statt, die dritte ‚Pflanzenöl – Treibstoff aus der Region’ wurde als Kooperation zwischen mehreren Partnern, darunter die Energie-Initiative Kirchberg, im Juli 2003 im gerade eingeweihten energieZentrum in Wolpertshausen durchgeführt.

Mit Mitteln des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wurde weiterhin die Erstellung eines Energiekonzeptes sowie eines Energiemanagements für den bäuerlichen Erzeugerschlachthof in Schwäbisch Hall bezuschusst. Unter Federführung des energieZentrums wurden 2004 in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Heilbronn/Künzelsau verschiedene Möglichkeiten auf technische und wirtschaftliche Machbarkeit hin überprüft, um den hohen Energieverbrauch des Schlachthofs zu reduzieren und auf EE umzustellen. Gefördert wurden außerdem vom energieZentrum Wolpertshausen vermittelte Energieberatungen für Landwirte zur Steigerung der Energieeffizienz ihrer Betriebe, unter ihnen auch ein Biogaspionier aus Wolpertshausen. Diese Initiative wurde im April 2004 als Projekt des Monats im Wettbewerb ‚Regionen aktiv’ ausgezeichnet.

Obwohl der Bereich ‚Energie’ nicht der Hauptschwerpunkt der Förderung im Rahmen des Programms ‚Hohenlohe aktiv’ war, war die Förderung des Projekts ‚Pro Bio- und Solarenergie’ mit 55.000 € im Zeitraum von Ende 2004 bis Ende 2005 die entscheidende für die Entwicklung eines Modells zur langfristigen Finanzierung des energieZentrums in Wolpertshausen und damit auch der hier angesiedelten in den Folgejahren durchgeführten Beratungen im Energiebereich und der weiteren Projektmittelakquise. Nachdem mit der EEG-Novelle von 2004 die Einspeisevergütung erhöht worden war, verringerten sich die Amortisationszeiten für Photovoltaikanlagen deutlich. Diesen Umstand wollten Landkreis und energieZentrum nutzen. Ziel des Projektes ‚Pro Bio- und Solarenergie’ war es, Photovoltaikanlagen zu installieren und

66 durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft zu betreiben, um aus den Erträgen das energieZentrum dauerhaft finanzieren und weitere Beratungen im Energiebereich anbieten zu können. Mit der Novatech GmbH wurde 2005 ein Rahmenvertrag zur Abnahme und Montage von Photovoltaikmodulen von insgesamt 1 MWp geschlossen. Ein Mitarbeiter des Landratsamtes Schwäbisch Hall konnte über die 55.000 € Förderung durch ‚Regionen aktiv’ fast ein Jahr lang als Solarbeauftragter abgestellt werden. In dieser Funktion beriet er zum einen Privatkunden bei der Installation von Photovoltaikanlagen, zum anderen akquirierte er rund 12.500 Quadratmeter öffentliche wie auch private Dachflächen zur Installation der Photovoltaik- Module der Firma Novatech. Rund 4,5 Mio. € wurden von der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in den Bau von 28 Photovoltaik-Anlagen auf diesen Dächern investiert. Kredite konnten sehr günstig in Form von Kommunaldarlehen aufgenommen werden, da der Landkreis Schwäbisch Hall auf Betreiben des Landrates als Bürge auftrat. Der Mietzins für die kreisweit angemieteten Dächer betrug für die zu diesem Zeitpunkt installierten Module jährlich 15.000 € für 20 Jahre. Danach sollten die Anlagen an die Eigentümer der Gebäude übergehen. Die Inbetriebnahme der ersten Photovoltaik-Anlage zur Finanzierung des energieZentrums erfolgte am 19.05.2005. Das Modell wurde in den Folgejahren ausgebaut, im Jahre 2012 betrieb die Wirtschaftsförderungsgesellschaft 61 Photovoltaikanlagen mit 2.04 MWp. Aus den Erträgen der Photovoltaik-Anlagen wurde eine mindesten 20jährige Absicherung des energieZentrums und damit auch der Energieberatung und Öffentlichkeitsarbeit erreicht. Außerdem konnte im Juni 2006 die bisher befristete Stelle des Leiters entfristet werden.

In dem entsprechenden Projektbericht konstatierte der Projektbearbeiter, die Ziele von ‚Regionen aktiv’, zur Stärkung ländlicher Räume zusätzliche Einnahmequellen zu schaffen und die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen mit Natur- und Umweltschutz zu verknüpfen, seien durch das Projekt idealtypisch realisiert. Lokale Handwerksbetriebe wie die Novatech GmbH profitierten durch Installation und Wartung der Anlagen. Die Sicherstellung der Finanzierung für weitere Beratung durch das energieZentrum führe außerdem zu einem Arbeitsplatzgewinn und die Beratung und Installation weiterer Anlagen auch zur Generierung von Einkommen in der Region durch die Nutzung der Einspeisevergütung. Der Aspekt des

Umweltschutzes würde dadurch erreicht, dass eine erhebliche Reduktion von CO2-Emissionen durch die Nutzung von EE erreicht werden könne.

Das energieZentrum führte seit Gründung und seiner finanziellen Stabilisierung eine Vielzahl von weiteren Projekten unterschiedlicher Art durch, darunter durchgängig kostenlose Energieerstberatungen für Eigenheimbesitzer sowie zahlreiche Informationsveranstaltungen zu EE-Arten und Möglichkeiten der technischen Energieeinsparung für unterschiedliche Akteursgruppen. So wurden mit Mitteln des europäischen Sozialfonds, welcher u.a. der Entwicklung der Humanressourcen zur Unterstützung der europäischen Beschäftigungsstrategie dient, Beratungsangebote für Handwerker im Bereich der energetischen Optimierung ihrer Unternehmen und im Marketing sowie Biogasschulungen organisiert. Die entsprechenden Fördermittel zur Finanzierung der Beratung wurden vom Landesgewerbeamt Baden-Württemberg bewilligt. Eine Delegation aus dem Landkreis Schwäbisch Hall, bestehend aus dem damaligen Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, dem Leiter des energieZentrums und dem Gründer der Unternehmen Novatech GmbH und Ökoprojekte Gronbach, reiste außerdem in den Stadtbezirk Taizhou in der chinesischen Provinz Jiangsu. Seit 2004 bestanden ein Austausch zwischen dem Stadtbezirk und Schwäbisch Hall zum Aufbau einer regionalen Partnerschaft. Da die chinesischen Vertreter großes Interesse an der Arbeit des

67 energieZentrums und EE allgemein zeigten, fand im September 2006 die Reise der Delegation aus Schwäbisch Hall statt.

Im gleichen Jahr wurde im Mai der in Kooperation zwischen energieZentrum, der Gemeinde Wolpertshausen sowie ortsansässigen Akteuren entwickelte so genannte ‚energieLEHRPFAD’ mit 10 Stationen zum Thema ‚Energie’ eröffnet. Dort wurde auf Tafeln über verschiedene EE- Arten, die in der Gemeinde genutzt werden, informiert. Am Tag der Einweihung des Lehrpfades endete auch die Startfinanzierung des energieZentrums und ging in die Finanzierung aus den Photovoltaik-Anlagen über. Der Energielehrpfad wurde in den Folgejahren unter Förderung durch Bundesmittel um 12 Stationen erweitert. Im Rahmen der baden-württembergischen Energietage im September 2009 wurde die Erweiterung eingeweiht. In den Stationen enthalten sind auch ein Passivhaus sowie ein Gebäude in weitgehender Holzkonstruktion.

Im Oktober 2006 wurde außerdem das Projekt ‚Come and SeE – Schüler erleben Energie’ des energieZentrum eingeweiht, welches Schüler für das Thema Energie sensibilisieren soll. Betreuer des Projektes wurde der Verwaltungsmitarbeiter, der als Vertreter des Landkreises bereits für die Akquise der Flächen zur Installation der Photovoltaik-Anlagen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft zuständig war. An verschiedenen Stationen konnten die Schüler innerhalb des Projektes unterschiedliche EE-Arten erleben und beispielsweise den Unterschied zwischen Glühlampen und Energiesparlampen erlernen. Mit Hilfe eines modifizierten Heimtrainers konnte mit Muskelkraft außerdem eine Glühlampe zum Brennen oder ein Radio zum Laufen gebracht werden. Mit Hilfe einer Förderung über 15.000 € durch das Umweltministerium Baden-Württemberg konnte das Equipment für ‚Come and SeE’ transportfähig aufbereitet werden, so dass seit 2009 Schulbesuche möglich wurden und den Schulgruppen die zum Teil langwierige und teure Anreise zum energieZentrum erspart werden konnte.

Ebenfalls im Oktober 2006 organisierte die Wirtschaftsförderungsgesellschaft unter Leitung des damaligen Wirtschaftsförderers für Kreisräte, Bürgermeister und Unternehmer eine Fachexkursion nach Güssing in Österreich, um sich über Möglichkeiten der EE-Nutzung im ländlichen Raum zu informieren. Hierbei stand die Rolle einer regionalen Energiewende zu EE im Kontext der Regionalentwicklung im Fokus (Zitat 10).

68 Zitat 10: Regionalentwicklung als wichtiges mit der Energiewende verbundenes Ziel

„‚Nachhaltige Entwicklung‘ ist heute ein Leitwort für jedes Regionalmanagement. Der Klimaschutz rückt immer mehr in das öffentliche Bewusstsein und durch die permanent steigenden Energiepreise, die zunehmende Verknappung von fossilen Energieträgern und neue staatliche Rahmenbedingungen entstehen neue Märkte für innovative Energietechnik und für erneuerbare Energien. Dadurch ergeben sich Chancen für lokale Wertschöpfung. Das beginnt beim Handwerker, der neue Heizungen einbaut, setzt sich fort beim Bauern, der als Energiewirt ein Zusatzeinkommen verdient und kann auch die Standortbedingungen für eine Kommune verbessern. Energie wird immer mehr zum Kostenfaktor. Eine Kommune, die günstige und nachhaltige Energie selbst erzeugt, ist im Vorteil. Das zeigt die österreichische Modellgemeinde Güssing. Davon konnten sich Bürgermeister, Kreisräte, Vertreter aus Gewerbe und Landwirtschaft bei einer Informationsfahrt der WFG im Oktober 2006 überzeugen.“ Geschäftsbericht der Wirtschaftsförderungsgesellschaft 2006

„Einen großen politischen Erfolg konnte die Energie-Initiative Kirchberg am 23. Oktober 2006 feiern: Der Kreistag fasste einstimmig den historischen Beschluss, die Energieversorgung langfristig auf Erneuerbare Energien aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie umzustellen. Mehrere Veranstaltungen mit Vertretern aus den Regionen Hegau-Bodensee, Fürstenfeldbruck und Wolfratshausen, wo ähnliche Prozesse angestoßen wurden, waren der Eingabe vorausgegangen und schließlich überzeugte die Fahrt ins österreichische Güssing etliche Kreisräte von der Tatsache, dass Wachstum und Wertschöpfung mit Erneuerbaren Energien auch im Landkreis Hall eine hervorragende Perspektive haben.“ Leserbrief eines Mitglieds der Energie-Initiative Kirchberg im Haller Tagblatt vom 11.11.2006

In der einige Tage später folgenden Kreistagssitzung am 23.10.2006, in der das Leitbild der 100%-EE-Versorgung beschlossen wurde, wurde an das energieZentrum auch der Auftrag gegeben, den aktuellen Stand der Aktivitäten im Bereich ‚Energie’ im Landkreis zu erheben und in einem ‚Energieatlas’ zu dokumentieren. Ein erster Entwurf wurde dem Kreistag Ende 2007 vorgestellt, im Frühjahr 2009 wurde die erste Version veröffentlicht. Fortschreibungen erfolgten in den Jahren 2010 und 2012. In dem Energieatlas – und anderen Publikationen – wurde die regionale Energiewende stark in Bezug zur Vermeidung des Klimawandels gestellt aber auch mit der Möglichkeit der Generierung von Wertschöpfung verbunden (Zitat 11).

69 Zitat 11: Klimaschutz und Wertschöpfung als wichtiger Bezugspunkt für den Energiewendeprozess

„Klimaschutz im Landkreis Schwäbisch Hall: Erneuerbare Energien, der Einsatz innovativer Technologien und deutliche Steigerung bei der Energieeffizienz sind die Grundlagen für einen wirksamen Klimaschutz. Der Landkreis Schwäbisch Hall stellt sich der Herausforderung, den Energieverbrauch langfristig und nachhaltig zu reduzieren.“ Vorwort des Landrates im Energieatlas 2009

„Der Klimawandel betrifft uns alle und fordert Änderungen, aber mit Erneuerbaren Energien gehen auch enorme Wertschöpfungspotentiale für die Region und den Landkreis einher. Beispielsweise hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises mit dem energieZentrum den Fotovoltaiktrend gezielt genutzt.“ Beitrag des ehemaligen Leiters des energieZentrums im Energieatlas 2009

„Der demographische Wandel mit dem Facharbeiter- und Fachkräftemangel sind alltägliche Themen und erfordern persönlichen Einsatz sowie weitsichtige und vorausschauende Lösungen. Bildung und Qualifizierung von Arbeitskräften, die Nutzung neuester Technik und Technologien sind zu Schlüsselfunktionen der Wirtschaft geworden. Energieeffizienz und der Ausbau von regenerativen Energien sind für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort mit Lebensqualität unabdingbar.“ Vorwort des Landrats im Bericht der Wirtschaftsförderungsgesellschaft 2010

Die repräsentative Bevölkerungsbefragung im Landkreis Schwäbisch Hall im Rahmen des Projekts EE-Regionen93 zeigte diesbezüglich, dass etwa 60 % der 2012 Befragten positive Auswirkungen des regionalen EE-Ausbaus auf die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis erwarteten. Auf das Arbeitsplatzangebot erwarteten dies 51 % und für sie als Bewohner 40 %. Während an Windkraft- oder Biomasseanlagen fast keiner der Befragten nach eigenen Angaben finanziell beteiligt war, zeigte sich in Bezug auf Solaranlagen ein anderes Bild: Fast 40 % besaßen nach eigenen Angaben eine Photovoltaik- und/oder Solarthermieanlage. Insgesamt befürworteten 77 % der Befragten das Ziel des Landkreises zur EE-Selbstversorgung, genauso wie den damit verbundenen Ausbau von EE-Anlagen im Landkreis (76 %). Sich selbst sahen 90 % der Befragten mitverantwortlich zur Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung. Während nur etwa die Hälfte der Befragten (51 %) ihre Möglichkeiten zur Förderung des Ausbaus von EE als groß eingeschätzten, sahen deutlich mehr Befragte über die Reduzierung des eigenen Energieverbrauchs große Einflussmöglichkeiten (68 %) im Hinblick auf eine nachhaltige Energieversorgung,

Dieses letztgenannte Handlungsfeld des privaten Energieverbrauchs wurde auch durch das energieZentrum bearbeitet. Im August 2010 wurde auf der Homepage des energieZentrums ein

CO2-Rechner der gemeinnützigen Gesellschaft ‚KlimaAktiv’ freigeschaltet, mit dem Bürger ihre individuellen CO2-Emissionen in unterschiedlichen Handlungs- und Konsumfeldern berechnen und Energieeinsparratschläge einsehen können (Zitat 12).

93 Vgl. Kress und Jacob (2013a) 70 Zitat 12: Bedeutung des Einzelnen im Klimaschutz

„Der Klimawandel stellt eine der größten Bedrohungen der Erde dar. In den letzten 100 Jahren stieg die Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre um ca. 0,8°C an. Vieles deutet darauf hin, dass dafür auch der vom Menschen verursachte anthropogene Treibhauseffekt verantwortlich ist. „Deshalb müssen wir darüber nachdenken, was wir im täglichen Leben verbessern können“, betont Landrat Gerhard Bauer. […] Mit wenigen Schritten kann die jährliche CO2-Emissionen individuell berechnet werden. Des Weiteren gibt es wichtige Ratschläge, wie man durch einfache Maßnahmen die CO2-Emissionen mindern kann.“ Landkreisnachrichten Dezember 2010

Die Energieberatungen für Bürger durch das energieZentrum wiederum fokussierten nach Aussage des dort ab 2010 tätigen Leiters ausschließlich technische oder finanzielle/fördermittelbezogene Fragen, während verhaltensbezogene Aspekte nicht thematisiert wurden.

In Bezug auf die Umsetzung der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall wiederum sprach der erste Leiter des energieZentrums davon, dass dem energieZentrum theoretisch auch die Rolle einer zentralen Koordinations- und Prozessmanagementorganisation für die Energiewende zukommen könnte. Primär fungiere es allerdings als Anlaufstelle für Hilfesuchende. Mit nur einem Mitarbeiter sei es nicht möglich, die Aufgabe des zentralen Koordinators zu übernehmen und den Prozess zu strukturieren, was auch von der Idee gebenden Energie-Initiative Kirchberg bedauert wurde (Zitat 13).

Zitat 13: Fehlende personelle Ausstattung des energieZentrums zur Koordination des Energiewendeprozesses

„Man hatte zu Beginn des 100%-Prozesses angeregt, Arbeitskreise für verschiedene Bereiche zu gründen, also Solarenergie, Windkraft, vor allen Dingen Biomasse und Verkehr, aber die Vorschläge sind noch nicht so aufgegriffen worden. Es hat sich im Nachhinein so ein bisschen als fatal erwiesen, dass so keine richtige Struktur zustande gekommen ist. [...| Die Hauptkrux ist die, dass die Menschen, die im energieZentrum arbeiten, schon so ausgelastet sind mit der täglichen Arbeit und dann noch diesen 100%-Prozess dazu schultern sollen, was eigentlich nicht ganz kompatibel ist. Das heißt, wir hatten uns eigentlich vorgestellt, dass zumindest eine halbe Stelle extra für diesen Bereich geschaffen wird.“ Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg (Interview 2009)

Auch die Bevölkerungsbefragung zeigt, dass nur 33 % der Befragten der Meinung waren, der Landkreis informiere ausreichend über den Ausbau von EE, während dies 88 % der Befragten wichtig wäre. Auch bei der Einbeziehung der Bürger zeigte sich ein wahrgenommenes Defizit: Während 84 % meinten, dass die Bürger bei der Planung des EE-Ausbaus mitentscheiden sollten, sahen dies nur 21 % verwirklicht.

Seit dem Jahr 2009 erfolgten im energieZentrum zudem einige personelle Veränderungen, die zu Diskontinuitäten führten. Nach dem Weggang des zweiten Leiters, der vom 19.01.2009 bis Ende 2009 im energieZentrum arbeitete, übernahm ein Mitarbeiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft – vorher bereits im Bildungsbereich aktiv – die Leitung des energieZentrums und unterstützte die Weiterentwicklung des Prozesses. So wurde auf Initiative des energieZentrums und der Verwaltung Ende 2012 vom Landrat den Kreisräten im Ausschuss für Technik und Umwelt vorgeschlagen, sich als Landkreis nach dem European Energy Award

71 zertifizieren zu lassen. Dies wurde mit den Worten begründet, dass der Landkreis in energetischen Fragen überall führend sei, dies aber nicht öffentlichkeitswirksam darstelle. Eine Teilnahme wurde aber mehrheitlich abgelehnt, da von CDU und Freien Wählern die Kosten als zu hoch eingeschätzt wurden und behauptet wurde, dass die Auszeichnung lediglich der Eitelkeit wegen angestrebt würde. Allerdings beauftragte der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Kreistags kurze Zeit später die Verwaltung und das energieZentrum damit, die Kosten und die Fördermöglichkeit für die Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts für den Landkreis Schwäbisch Hall zu prüfen. Ein auf dieser Prüfung beruhender, konkretisierter Vorschlag zur Entwicklung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts vom 30.09.2014 an den Ausschuss für Technik und Umwelt wurde von Seiten der Verwaltung explizit damit begründet, dass es im Landkreis bisher an einer strukturierten Herangehensweise bei der Zielerreichung des 100%-Ziels mangele. Geplant wurde zudem zur Umsetzung des Konzepts einen Klimaschutzmanager/eine Klimaschutzmanagerin einzustellen. Der erste Workshop zur partizipativen Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts fand im Sommer 2015 statt. Der Prozess wurde vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) mit 65 % der Gesamtkosten gefördert. Im Konzept, welches am 26.07.2016 vom Kreistag beschlossen wurde, war die Zielsetzung enthalten, als Landkreis bis 2015 bilanzieller Stromexporteur zu werden (Deckung des Strombedarfs zu 200%). Zur Umsetzung des Konzepts wurde die Stelle eines Klimaschutzmanagers ausgeschrieben.

Im Jahr 2012 unternahm eine Kreistagsdelegation auf Betreiben der Kreistagsfraktion ÖPD/Grüne hin eine Informationsfahrt in den Rhein-Hunsrück-Kreis, da dieser für sein Engagement im Bereich der Energiewende deutschlandweit bekannt war. Der Landrat sah die Reise als sehr informativ und gleichzeitig als Bestätigung an, dass auch im Landkreis Schwäbisch Hall vieles schon umgesetzt sei. Man habe die eigenen Aktivitäten allerdings in deutlich geringerem Maße in der Öffentlichkeit dargestellt. Dennoch war der Landkreis mit seinen Aktivitäten präsent in der Community der EE-Regionen: Der Leiter des energieZentrums präsentierte auf dem ‚3. Kongress Energieautonome Kommunen’ im Frühjahr 2013 – einem seit 2011 stattfindenden Wissens- und Vernetzungsforum der Community – die Aktivitäten des Landkreises. Seit vielen Jahren befanden sich zudem einige kreisangehörige Kleinstädte und Gemeinden (Wolpertshausen, , Bühlerzell, , Rot am See, , Schrotzberg, Ilshofen etc.) neben den bayerischen Gebietskörperschaften auf den vorderen Plätzen der Solarbundesliga. Der Landkreis selbst war zudem für mehrere Jahre ab 2010 Sieger in der Wertung der deutschen Landkreise.

Energiemanagement des Landkreises

Neben der Öffentlichkeitsarbeit und der Beratungstätigkeit, die das energieZentrum im Prozess der Energiewende leistete, kam auch der Entwicklung des Umgangs mit der Thematik ‚Energie’ in den Liegenschaften des Landkreises eine besondere Bedeutung zu, vor allem aufgrund ihrer Vorbildfunktion in dem Prozess der Zielsetzung des Landkreises Schwäbisch Hall zur Erreichung einer EE-Selbstversorgung und Reduktion von Energieverbräuchen (Zitat 14).

72 Zitat 14: Vorbildrolle der Landkreisverwaltung in Energiewende und Klimaschutz

„Klimaschutz geht uns alle an. Als Landkreisverwaltung stehen wir in der Pflicht, unserer Vorbildfunktion gerecht zu werden. Die kreiseigenen Gebäude wurden auf ihre energetische Effizienz überprüft und Handlungsvorschläge wurden erarbeitet.“ Aus dem Vorwort des Landrates im Energieatlas (2009)

Die Anfänge des Energiemanagements und Energiecontrollings sowie die rationelle Erzeugung und Verwendung von Energie durch die Kreisverwaltung Schwäbisch Hall reichen bis in die frühen 1990er Jahre zurück. Im Jahre 1993 ersetzte ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk mit einem Nahwärmenetz die Öl- und Nachtspeicher-Anlagen einiger landkreiseigener Gebäude in Crailsheim. Dies wurde über einen Contracting-Vertrag mit den Stadtwerken Crailsheim organisiert. Der Vorschlag wurde aus der Kreistagsfraktion der Grünen vorgebracht. Die Maßnahme konnte wirtschaftlich dargestellt werden, weil ein angeschlossenes Hallenbad die Wärme im Sommer abnahm. Auch mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall wurden 1998 entsprechende Contracting-Verträge abgeschlossen und das Berufsschulzentrum des Landkreises an das Fernwärmenetz angeschlossen. Die dortige Heizzentrale wurde von den Stadtwerken übernommen und 2001 ein Blockheizkraftwerk mit 220 Kilowatt elektrischer und 360 Kilowatt thermischer Leistung installiert.

2002 wurde eine Gebäudeleitzentrale eingerichtet, mit der die Zentralsteuerung und Überwachung aller landkreiseigenen Gebäude möglich wurde. Ab demselben Jahr wurde das Berufsschulzentrum Schwäbisch Hall – 1998 von den Stadtwerken an ein Nahwärmenetz angeschlossen – um mehrere Gebäude erweitert. Als erste Schule in Baden-Württemberg verfügte dieses Zentrum über ein Energiekonzept, das die Bauausführung mit Passivhausstandard umfasste, also einen Energieverbrauch von 15 kWh/Jahr und m². Von der Architektenkammer Baden-Württemberg wurde es im Wettbewerb ‚Beispielhaftes Bauen’ ausgezeichnet und von der Klimaagentur Baden-Württemberg mit 40.000 € bezuschusst. Initiator der Ausführung im Passivhausstandard war – mit großer Unterstützung der Kreistagsfraktion der Grünen – ein Mitarbeiter des Landratsamts. Im Jahr 1990 wurde dieser als Architekt im Bauamt des Landkreises angestellt und wurde später Fachbereichsleiter für Hochbau/Gebäudemanagement. Er zeichnete auch für die Einführung der Erfassung und das Monitoring der Energieverbräuche in den landkreiseigenen Gebäuden seit 1996 und die darauf basierenden jährlich erstellten und seit 2006 veröffentlichten Energieberichte des Landkreises verantwortlich. Aufgrund der Übernahme eines Anteils der Mehrkosten für den Passivhausstandard durch die Architektenkammer konnte das Projekt in dem Berufsschulzentrum Crailsheim finanziert werden. Für weitere Neubauten ab 2003 wurde dann vom Kreistag ein Niedrigenergiestandard festgelegt, in dem alle Gebäude mit kontrollierter Lüftung und Wärmerückgewinnung gebaut wurden. Für eine Erhöhung der Standards sowohl im Neubau als auch in der energetischen Sanierung sprachen sich in der Folge die Fraktion der Grünen mehrfach aus und versuchten im Kontakt mit Hochbauamt und Kämmerei die Chancen für einen entsprechenden Grundsatzbeschluss auszuloten (Zitat 15).

73 Zitat 15: Politische Einflussnahme zur Steigerung der Energieeffizienz durch Fraktion ÖDP/Grüne

„Und aus der Fraktion der Grünen wurden wir sehr gedrängt, dass wir diesen Passivhausstandard umsetzen bei uns. Von dort wurde das sehr betrieben und wir da eigentlich auch unterstützt, manchmal sogar fast unter Druck gesetzt.“ Mitarbeiter im Fachbereich Hochbau/Gebäudemanagement im Landratsamt (Interview 2012)

Erreicht wurde dabei, dass bei Sanierungen Passivhaus-Komponenten für die Gebäudehülle (Wände, Fenster, Dach) verwendet wurden, kostenintensivere Wärme-Rückgewinnung mit kontrollierter Be- und Entlüftung jedoch nur in bestimmten Fällen.

Der Vorschlag des erwähnten Architekten, auf dem Dach der Kaufmännischen Schule in Schwäbisch Hall im Jahre 2004 eine Photovoltaikanlage zu installieren, wurde vom gerade neu gewählten Landrat ebenfalls unterstützt, da sich diese Investition beim ohnehin dringend sanierungsbedürftigen Flachdach der Schule anböte. Diese erste Photovoltaik-Anlage auf einem landkreiseigenen Gebäude wurde als Gemeinschaftsanlage konzipiert, an der sich Privatpersonen, u.a. viele Lehrer der Schule, beteiligten. Installiert wurden die Module von der Novatech GmbH. Die Anlage ging am 30.12.2004 ans Netz. Vom Hochbauamt wurde die Maßnahme zum einen mit dem Umwelteffekt kommuniziert, da mit der Anlage pro Jahr 30

Tonnen CO2 eingespart werden könnten, andererseits mit dem Hinweis, dass es sich um eine lohnende Investition handele, da die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Strom am 01.01.2004 deutlich erhöht worden sei. Weiterhin wurde bei der Einweihung der Anlage der Aspekt der Umweltbildung genannt, da sie im Physikunterricht als Anschauungsobjekt dienen könne. Diese erste Anlage auf einem landkreiseigenen Gebäude diente auch als Vorbild für die 28 Anlagen, die zum Projekt ‚Pro Bio- und Solarenergie’ gehörten und zur dauerhaften Finanzierung des energieZentrums im darauffolgenden Jahr installiert wurden.

Ebenfalls unter der Federführung des Architekten im Landratsamts wurde 2007 ein Investitionsprogramm zur energetischen Modernisierung der landkreiseigenen Gebäude mit einem Volumen von ca. 18 Mio. € erarbeitet (siehe unten). Im Jahr 2008 wurden die Aufgabenbereiche der Gebäudeplanung, die Bauunterhaltung sowie der Betrieb, die Bewirtschaftung und der Rückbau von landkreiseigenen Gebäuden im Fachbereich Hochbau/Gebäudemanagement gebündelt, um eine ganzheitliche Betrachtung der die Gebäude betreffenden Fragen zu ermöglichen. Durch die ersten energetischen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in den 44 landkreiseigenen Gebäuden wurden laut Landkreisverwaltung im Jahr 2010 im Vergleich zu 2009 witterungsbereinigt eine absolute Senkung des Stromverbrauchs um 4,8 % und des Wärmeenergieverbrauchs um 11,3 % erreicht.

Energiespar- und Gebäudemodernisierungsprogramm

Dieser ganzheitliche Blick sowie das bereits 2007 vorbereitete Investitionsprogramm waren für den Fachbereich Hochbauamt/Gebäudemanagement der Hintergrund, um 2008 durch den Architekten ein Konzept für ein Energie- und Gebäudesanierungsprogramm ausarbeiten zu lassen. Dieses Konzept sah eine umfassende energetische Sanierung der älteren landkreiseigenen Gebäude bis einschließlich Baujahr 1970 vor, die die höchsten Einsparpotenziale boten. Das Programm umfasste für den Zeitraum 2009 bis 2014 insgesamt 30 Mio. €, davon ca. 18 Mio. € für energetische Zwecke. Es wurde am 16.12.2008 vom Kreistag beschlossen. Konnten im Zeitraum davor nur Teilsanierungen realisiert werden, so ermöglichte

74 das Programm in den Folgejahren die Durchführung mehrerer Wärmeschutzsanierungen als Komplettmaßnahmen. Diese waren vor allem ein Anliegen des genannten Architekten, da er bei den angestrebten hohen Wärmestandards Teilsanierungen bauphysikalisch als nicht mehr praktikabel ansah und auf die Gefahr von Stockfleckenbildung hinwies.

Im Kreistag plädierte vor allem ein Vertreter der CDU-Fraktion und Vizepräsident der Handwerkskammer Heilbronn für Investitionen in die Gebäudeerhaltung und energetische Modernisierung, der auch maßgeblich in Gründung des energieZentrums involviert war. Es wurden mehrere Gründe zur Einrichtung des Sanierungsprogramms genannt. Das Einsparen von Energie und die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand seien bedeutend, ebenso auch der Aspekt der Schaffung von Aufträgen für das lokale Handwerk (Zitat 16).

Zitat 16: Stärkung der regionalen Handwerkerschaft durch öffentliches Investitionsprogramm zur energetischen Gebäudemodernisierung

„Wenn man so ein Programm auflegt, deckt man zwei Sachen ab. Erstens einmal will man ja irgendwo was verschönern oder in Ordnung bringen oder energetisch sanieren und andererseits muss man ja Aufträge schaffen für die Handwerker vor Ort. Das ist ja eigentlich logisch. Vertreter des organisierten Handwerks aus dem Landkreis (Interview 2012)

Auch die Fraktion der ÖDP/Grüne unterstützte die Initiierung des Programmes. Hier wurde hervorgehoben, dass eine Vollversorgung des Landkreises im Strombereich in relativ kurzer Zeit durch den starken Ausbau von EE als machbar einzuschätzen sei, der Wärmebereich jedoch eine sehr große Herausforderung darstelle, die angegangen werden müsse.

Im Jahre 2009 wurden vorgesehene Maßnahmen planmäßig durchgeführt, im Jahr 2010 konnten wegen zusätzlich durch das Konjunkturprogramm II der Bundesregierung zur Verfügung stehender Mittel Maßnahmen über den Plan hinaus abgearbeitet werden. Aufgrund des durch die Wirtschaftskrise bedingten Rückgangs der Finanzmittel des Kreises wurden im Jahr 2011 auch die Mittel für das Programm stark eingeschränkt, denn viele Kreisräte argumentierten, eine Neuverschuldung sowie eine Erhöhung der Kreisumlage für die Gemeinden solle vermieden werden – bei den Kommunalwahlen 2009 wurden 21 Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Gemeindekämmerer in den Kreistag gewählt und besetzten damit deutlich mehr als ein Drittel der insgesamt 58 Sitze. Im Folgejahr nach Besserung der Haushaltslage wurden die Maßnahmen wieder nach Plan fortgeführt.

Für viele der getätigten Investitionen gab der Kämmerer Amortisationszeiten von deutlich über fünf bis hin zu über 20 Jahren bei aktuellen Energiepreisen an. Diesbezüglich wurde im Energiebericht 2008/2009 von Verwaltungsseite betont, dass die Erreichung der Einspar- und Klimaschutzziele zwar Kosten verursache, dass Nichtstun langfristig jedoch viel mehr kosten würde und Anstrengungen zur Energieeinsparung daher eine Investition in die Zukunft seien.

Weitere Aktivitäten mit Beteiligung des Landkreises Schwäbisch Hall

Ab dem Jahr 2010 thematisierte die Fraktion ÖDP/Grüne regelmäßig eine aus ihrer Sicht notwendige Erstellung eines Kreisradwegekonzepts, primär fokussiert auf den Alltagsverkehr, was dazu führte, dass am 04.12.2012 der Verwaltungs- und Finanzausschuss die Landkreisverwaltung damit beauftragte, für ein professionelles Radwegekonzept für den Landkreis Schwäbisch Hall unverbindliche Angebote einzuholen und im Ausschuss für Umwelt und Technik zu berichten (zum Stand siehe unten). Von der Ausarbeitung eines professionellen

75 Radwegekonzepts, wie von der Fraktion ÖPD/Grüne vorgeschlagen, wurde letztlich zwar mehrheitlich abgesehen, auf Bestreben der CDU beschloss der Kreistag allerdings im Mai 2015 der ‚Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen in Baden-Württemberg e.V.’ (AGFK BW) beizutreten, die die Erfahrungen anderer Landkreise, Städte und Gemeinden im Bereich der Radverkehrsförderung für alle Mitglieder nutzbar macht. Abgelehnt wurde – bis auf die Fraktion ÖDP/Grüne – der Vorschlag der Verwaltung und des Landrats, für die mit der Mitgliedschaft verbundenen Aufgaben eine halbe Personalstelle zu schaffen.

Der Landkreis war zudem regelmäßiger Mitveranstalter der ‚Gaildorfer Energietage’. In Gaildorf, einer südlich von Schwäbisch Hall in einem waldreichen Gebiet gelegenen kreisangehörigen Stadt mit rund 12.000 Einwohnern, fand seit 2000 jährlich die genannte Veranstaltung statt. Diese gingen auf eine Initiative von Prof. Dr. Siegfried Rapp, Experte für Biomasse- Konversionssysteme und Umweltpolitiker der FDP, zurück, der bereits auf der ersten Veranstaltung den Klimawandel als drängendes Problem identifizierte, welchem durch Nutzung alternativer Energien begegnet werden müsse. Die Energietage werden in Zusammenarbeit der Stadt Gaildorf mit dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg, dem energieZentrum, der Schornsteinfegerinnung Stuttgart, der Innung Sanitär-Heizung-Klima Schwäbisch Hall und, wie genannt, dem Landkreis Schwäbisch Hall veranstaltet. Ziel der Energietage ist es, durch Vorträge, Beratung und Ausstellungen die Themen Erneuerbare Energie – mit dem Schwerpunkt Holz – sowie Energieeinsparung und energetische Gebäudemodernisierung einem breiten Publikum wie auch Fachleuten zu präsentieren und den entsprechenden Firmen eine Plattform zu bieten. Zum 10jährigen Jubiläum 2009 referierte Franz Alt – ein in der EE-Regionen- Community und darüber hinaus bekannter Promotor der Energiewende – unter dem Titel ‚Sonnige Aussichten’ darüber, wie dem Klimawandel mit Hilfe Erneuerbarer Energien wirtschaftlich erfolgreich begegnet werden könne.

4.3.3 Energieversorger Stadtwerke Crailsheim

Auf die Aktivitäten der Stadtwerke Crailsheim GmbH wurde in der Beschreibung der Aktivitäten der Energie-Initiative Kirchberg im Kontext der ‚Stromkauf Hohenlohe’ und in Bezug auf den Einsatz von KWK-Technologie in Kooperation mit der Kreisverwaltung bereits eingegangen. Ein zentrales Projekt, welches auch in den Kontext der regionalen 100%-EE-Versorgung des Landkreises gestellt wurde, bildete die Errichtung des Neubaugebiets ‚Hirtenwiese II’ zwischen 2003 und 2012. Initiatoren waren die Stadt Crailsheim sowie die Stadtwerke Crailsheim, die die Finanzierung und den Betrieb übernahmen. Von Beginn der Planungen im Jahr 2000 an war es das Ziel einen Großteil der Wärme mittels solarthermischer Anlagen über Nahwärmenetze bereitzustellen und eine saisonale Energiespeicherung zu integrieren. Projektpartner waren ‚Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme’ und das ‚Institut für Thermodynamik und Wärmetechnik der Universität Stuttgart’. Über das Förderprogramm ‚Solarthermie 2000plus’ des Bundesumweltministeriums und aus Mitteln des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg wurden ca. 3 Mio. € der insgesamt 8 Mio. € Gesamtkosten finanziert.

Seit 2011 lief im Landkreis im Rahmen des Programms Central Europe und kofinanziert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) über Wirtschaftsförderungsgesellschaft und energieZentrum das Projekt ‚Vis Nova’. Ziel des Projekts, in welchem der Wissensaustausch zwischen mehreren europäischen Regionen organisiert wurde, war es, Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz in der Energienutzung, der

76 Einsparung von Energie und Nutzung Erneuerbarer Energien zu eruieren. Im Rahmen des Projektes wurde 2012 von den Stadtwerken Crailsheim eine entsprechende SWOT-Analyse erstellt. Die Studie ergab, dass Potenziale im Bereich der Windenergie kaum genutzt würden, die Potenziale für Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen nahezu erschöpft seien, aber im Bereich der Solarthermie noch erhebliche Potenziale bestünden (vgl. auch Tabelle 7 und siehe unten). Hier wurde von Seiten des energieZentrums explizit darauf hingewiesen, dass mit dem Wohngebiet ‚Hirtenwiese’ II in Crailsheim in diesem Bereich ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung des 100%-Ziels geleistet würde.

Stadtwerke Schwäbisch Hall

Wie bereits erwähnt war die Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH als Tochter der Stadt Schwäbisch Hall für die energetische Modernisierung der landkreiseigenen Liegenschaften durch verschiedene Contracting-Modelle bedeutsam. Auch durch ihre systematisch betriebene rationelle Energieerzeugung durch Blockheizkraftwerke sowie als Förderer von EE und der Einsparung von Energie in der Region traten die Stadtwerke Schwäbisch Hall als wichtiger Initiator für Innovationen sowie als Partner und Begleiter des Landkreises auf dem Weg der regionalen Energiewende auf.

Die Stadtwerke Schwäbisch Hall wurden Ende 1970 per Gemeinderatsbeschluss gegründet. Bereits kurz danach trat die Thematik der Einsparung von Energie in den Vordergrund des Betriebsalltags. In der Ölpreiskrise der 1970er stiegen im Versorgungsgebiet der Stadtwerke die Öl-, Strom- und Butanpreise erheblich an. Die Stadtwerke riefen zum Stromsparen auf, die Straßenbeleuchtung und die Anstrahlung von Bauwerken wurde verringert. Die hohen Preise waren zu dieser Zeit der wesentliche Faktor für diese Maßnahmen. Nach Beruhigung der Ölpreiskrise Anfang der 1980er Jahre wurde der Aspekt einer umweltfreundlichen, effizienten Energieversorgung deutlich zentraler und mit dem Thema Kraft-Wärme-Kopplung verbunden. 1983 wurde das erste Blockheizkraftwerk (BHKW) auf Erdgasbasis in einem Schwimmbad installiert und erregte überregionales Aufsehen, seit 1984 beheizte das zweite BHKW ein Wohngebiet mit Fernwärme. Vor allem Vertreter der 1984 in den Haller Gemeinderat gewählten Grünen Liste plädierten anhaltend dafür, den deutschen Stadtwerken im Allgemeinen und den Stadtwerken Schwäbisch Hall im Besonderen noch mehr Selbstverwaltung und Unabhängigkeit von großen Stromversorgern zu ermöglichen, im Falle der Stadtwerke von der Energie- Versorgung Schwaben AG (EVS, später EnBW). Vor der Kommunalwahl 1984 forderten sie in diesem Kontext die Errichtung einer Wasserturbine, deren Planungsentwürfe 1986 vorgestellt wurden und die Anfang der 1990er Jahre in Betrieb ging. In einem Antrag aus dem Jahr 1987 forderte ein Gemeinderat der Grünen Liste, man solle sich über den Städtetag bemühen, den Kommunen die ihnen verfassungsmäßig zustehende örtliche Regelung der Energieversorgung zu ermöglichen. Dazu solle man lokal BHKW installieren und – unter Einbindung von Biogasanlagen – eine dezentrale Energieerzeugung und -versorgung unter Beteiligung der Kommunen an der Energieaufsicht einrichten. Im Jahr 1987 wurde der von den Stadtwerken verkaufte Strom noch zu 90 % von der EVS geliefert. Das Anliegen, unabhängiger von der EVS zu werden, wurde auch von den anderen Gemeinderatsfraktionen geteilt und mit der Strategie der Erhöhung der Strom-Eigenproduktion durch KWK und EE weiterverfolgt. Der seit 1991 amtierende Geschäftsführer zeichnete wesentlich für eine Intensivierung dieser Strategien verantwortlich – zwischen 2001 und 2007 warb er als Vorsitzender des Bundesverbandes Kraft- Wärme-Kopplung auch bundesweit für die Verbreitung von KWK-Anlagen. Durch die Inbetriebnahme eines großen BHKWs auf Erdgasbasis 1993 stieg die Eigenstromquote der Stadtwerke auf 42 %, was die Unabhängigkeit von der EVS deutlich erhöhte.

77 Auch das Thema der Einsparung von Energie rückte Anfang der 1990er Jahre wieder stärker in den Mittelpunkt. Beim Landeswirtschaftsministerium wurde die Genehmigung eines so genannten ‚Stromspartarifs’ beantragt und 1991 wurde dieser als erster seiner Art in Baden- Württemberg eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde bei höherem Verbrauch der kWh-Preis für Kunden günstiger, Vielverbraucher wurden finanziell belohnt. In dem neuen linearen Tarif wurde die Grundgebühr gesenkt und der kWh-Arbeitspreis blieb auch bei höherem Verbrauch gleich. Kunden mit geringerem Verbrauch wurden so finanziell bessergestellt und Stromsparen lohnte sich nun finanziell. Von dem neuen Tarif ausgespart blieben 180 Großunternehmen als Vielverbraucher, mit denen weiterhin individuelle Stromlieferverträge abgeschlossen wurden. Im Rahmen der ‚Haller Stromtage’ 1991 wurde der Tarif von Stadt und Stadtwerken als Mittel zur Förderung des Stromsparens und damit auch zur Vermeidung des Klimawandels vorgestellt.

Auch der Ausbau von EE-Anlagen und die Bemühungen um die Entwicklung und Etablierung eines entsprechenden Finanzierungsinstruments wurden seit Beginn der 1990er Jahre intensiviert. Auf Betreiben der Energie-Initiative Kirchberg und des Umweltzentrums Schwäbisch Hall und weiteren Kooperationspartnern wurde von den Stadtwerken in ihrem Netzgebiet die bereits erwähnte kostendeckende Einspeisevergütung für Strom aus EE eingeführt. Diese wurde aus einem Fonds gezahlt, der über einen Aufschlag von 0,5 Pfennig pro verkaufter kWh gespeist wurde. Im Jahr 1996 wurden mit Hilfe dieses Fonds unter Einbindung von mehreren Kommanditisten und eines Schwäbisch Haller SPD-Landtagsabgeordneten als Geschäftsführer der Haller Windkraftanlagen GmbH zwei Bürgerwindkraftanlagen mit jeweils 500 kW Leistung installiert. Durch die Nutzung von BHKWs, Wasser- und Windkraft war bis Ende 1998 der Anteil der Eigenproduktion an der Verkaufsmenge von Strom in den Stadtwerken Schwäbisch Hall auf rund 60 % gestiegen.

Im Jahre 1998 wurde die EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt mit dem novellierten Energiewirtschaftsgesetz in deutsches Recht umgesetzt und der deutsche Strommarkt liberalisiert. Dies bedeutete für die Stadtwerke einen großen Einschnitt. Viele Handwerksunternehmen im Versorgungsgebiet schlossen sich zusammen, um in dieser Bündelung günstigen Strom von der Berliner Ampere AG abzunehmen. Das Angebot war mit diesem Unternehmen vom baden-württembergischen Handwerkstag ausgehandelt und empfohlen worden. Diese Entwicklungen nahm der seit 1997 amtierende Oberbürgermeister und damit Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke zum Anlass, Handwerker, Einzelhandel, Landwirtschaft, Industrie und Haushaltskunden zum Verbleib bei den Stadtwerken aufzurufen. Dabei betonte er die umweltfreundliche Eigenproduktion der Stadtwerke, die im Gegensatz zu Strom aus nuklearen und fossilen Brennstoffen die Kosten nicht in die Zukunft verschieben würde. Trotz der ungleichen Bedingungen würden die Stadtwerke ihren umweltfreundlichen Kurs weiterführen. Dennoch waren die Stadtwerke gezwungen, auch an der Strombörse Strom einzukaufen, der deutlich günstiger als die Eigenproduktion aus KWK war. Dadurch sank die Eigenstromversorgung auf rund 50 %, die Preise konnten aber gesenkt und die Handwerkskunden gehalten werden. Die angespannte Situation für die Stadtwerke wurde durch die Einführung des EEGs im Jahre 2000 und das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz 2002 entspannt, da durch die Vergütung der Strom aus der Eigenproduktion günstiger angeboten werden konnte.

Im Jahr 1999 erhielten die Stadtwerke den Zuschlag zur Belieferung der Kunden der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy eG mit ‚Ökostrom’. Der zusätzlich benötigte Strom wurde von den Stadtwerken zugekauft. Auch für die Elektrizitätswerke Schönau ab dem Jahr 2000 sowie für die Naturstrom AG ab 2003 und für das Unternehmen Unit aus Bad Homburg

78 traten die Stadtwerke als Stromhändler und -Versorger auf. Vor allem die Kooperation mit Greenpeace Energy hatte auf die Firmenpolitik der Stadtwerke erheblichen Einfluss, was sich in der Zukunft zeigen sollte. Um den Forderungen des Unternehmens nach ökologisch produziertem Strom nachkommen zu können, wurden nach dem Jahrhundertwechsel zwei große Photovoltaikanlagen zur jährlichen Produktion von rund 170.000 kWh installiert. Im Jahr 2004 wurde außerdem ein Fonds mit vier Millionen Euro eingerichtet, aus dem weitere Photovoltaik- und KWK-Anlagen projektiert wurden. Diese Investitionen waren ein weiterer Schritt, um den Energiemix der Stadtwerke langfristig vollständig auf EE umzustellen. Im Jahr 2012 erhielt der Geschäftsführer von einer Fachjury den von der Kanzlei Becker Büttner Held nach der Liberalisierung des Energiemarktes und damit einhergehenden gesteigerten Wettbewerbs in der Energiebranche 2001 ins Leben gerufenen Titel ‚Energiemanager des Jahres’, da er es im Rahmen seiner Tätigkeit für die Stadtwerke geschafft habe ökologische Zielsetzungen mit ökonomischem Erfolg zu verknüpfen.

Die Stadtwerke Schwäbisch Hall installierten Ende 2015 zudem insgesamt vier Stromtankstellen in zwei Parkhäusern in Schwäbisch Hall zur Förderung der Elektromobilität.

Energie Baden-Württemberg

Im Landkreis existierten zwei Töchter der Energie Baden-Württemberg (EnBW) als Netzbetreiber und Energieversorger, die jedoch nicht in entscheidender Weise oder als Vorreiter am Prozess beteiligt waren. Gleichzeitig traten sie beim Netzanschluss von EE-Anlagen und Netzausbau kooperativ auf. Ab 2014 wurden zudem durch EnBW und Akteure aus der Region Vorschläge für die Trassenführung einer aufgrund des EE-Ausbaus notwendigen neuen Hochspannungsleitung erarbeitet. Ebenfalls im Hinblick auf den Abtransport des Stroms aus mehreren geplanten Windparks wurde in Ilshofen-Steinach 2015 ein neues Einspeise- Umspannwerk errichtet.

Auf die Auseinandersetzungen der Stadtwerke Schwäbisch Hall mit der EVS bzw. später dann EnBW, die zu einer immer weitergehenden Autonomie der Stadtwerke führte, wurde bereits eingegangen.

4.3.4 Unternehmen und deren Organisationseinheiten außerhalb des Energiesektors Kooperation des ‚Modell Hohenlohe e.V.‘ und der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken

Im Bereich der Unternehmen und deren Organisationseinheiten außerhalb des Energiesektors nahm die Beschäftigung mit der Thematik ‚Energie’ über den Beobachtungszeitraum zu. Hier entwickelte sich eine intensive Kooperation zwischen dem ‚Modell Hohenlohe‘ und der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken, die auch Ansprechpartner für die Unternehmen im Landkreis Schwäbisch Hall ist. Seit Mitte der 2000er Jahre berichtete die Industrie- und Handelskammer in ihren Publikationen wiederkehrend über Aktivitäten des ‚Modell Hohenlohe‘ für die Unternehmen in der Region. So rief sie 2006 beispielsweise zur Teilnahme am Abschluss-Symposium des Modellvorhabens ‚Energie-Effizienz-Tisch Hohenlohe’ auf und hob dabei die erzielten monetären Einsparungen von rund 10 % der Energiekosten als wichtigen Erfolg des Projekts und Anreiz für Unternehmen hervor. Weiterhin wurde die im gleichen Jahr ebenfalls vom ‚Modell Hohenlohe‘ durchgeführte Tagung ‚Energie- und Materialeinsatz optimieren – Kosten senken’ beworben, in der über betriebliches Energie- und Stoffstrommanagement informiert wurde. Ein entsprechendes Management wurde als

79 wirkungsvolles und zukunftsweisendes Instrument zur Kostenreduktion dargestellt. Auch wurde seit dieser Zeit der Themenbereich ‚Energie, Unternehmen und Märkte’ an der Industrie- und Handelskammer personell ausgebaut und es wurden verstärkt Veranstaltungen zur Thematik ‚Energie’ in der Industrie- und Handelskammer selbst durchgeführt. So wurde beispielsweise im Herbst 2006 vor dem Hintergrund steigender Energiekosten für Unternehmen ein ‚Energiesprechtag’ veranstaltet, an dem neben Optimierungsansätzen beim Strom- und Erdgaseinkauf und der allgemeinen Entwicklung des Strommarktes auch das Konzept des Energie-Effizienz-Tisches des ‚Modell Hohenlohe‘ vorgestellt wurde. Weiterhin unterstützte die Industrie- und Handelskammer Unternehmen durch Beratung systematisch darin, die vermehrt aufgelegten Förderprogramme auf Bundesebene nutzen zu können, um möglichst viel Energie zu sparen, was als anzustrebendes Ziel mit den daraus resultierenden Wettbewerbsvorteilen begründet wurde. Auch wurde seit dieser Zeit ein umfangreiches Programm zur Unterstützung der Unternehmen in Energiefragen umgesetzt. So findet seit 2008 jährlich in Heilbronn der ‚Süddeutsche Energieeffizienztag’ als Kooperation zwischen dem ‚Modell Hohenlohe‘ und der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken statt. Dort können sich die Teilnehmer über betriebliche Energieerzeugung, Energiecontrolling, elektrische Antriebe etc. informieren. Die Teilnehmerzahl pendelte um die 80 Betriebe. Weiterhin wurden Beratungen zur Energieeffizienz, ein Webportal zu diesem Thema und ebenfalls eine europaweit standardisierte Weiterbildung zum Energiemanager (‚EnergieManager IHK’) eingerichtet.

Vor dem Hintergrund einer festgestellten ‚Energiepreisexplosion’ wurde im Herbst 2008 eine große Podiumsdiskussion durchgeführt. Hier wurde einerseits über die Angebote der Industrie- und Handelskammer zur Steigerung der Energieeffizienz informiert, wesentlicher Kernpunkt der Veranstaltung war andererseits, dass der von der rot-grünen Bundesregierung zur Jahrhundertwende beschlossene Atomausstieg im Wesentlichen zu einer Steigerung der Strompreise (‚Stromlücke’) beitrüge und es für die Unternehmen besser wäre, die Kernkraftwerke in der Region blieben am Netz. Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland dürfe nicht durch eine ideologiegesteuerte Energiepolitik aufs Spiel gesetzt werden, so die IHK-Hauptgeschäftsführung zum Abschluss der Veranstaltung.

Eine abwehrende Haltung gegenüber Regulierungen der öffentlichen Hand wurde in den folgenden Jahren auch im Kontext der von Seiten der EU vorangetriebenen Energie-Effizienz- Richtlinie zur Reduktion des Energieverbrauchs von Seiten der Industrie- und Handelskammer geäußert. Bindende pauschale Reduktionsziele (gefordert: 1,5 % pro Jahr) trüge nicht den unterschiedlichen Ausganglagen und wirtschaftlichen Strukturen der EU-Länder Rechnung und könnten individuellen Lösungen im Weg stehen. Auch die Fokussierung von Unternehmen von Seiten der EU im Hinblick auf die verpflichtende Einführung von Energiemanagementsystemen wurde sehr kritisch betrachtet, da dies individuelle Entscheidungen der Unternehmen seien. Statt Eingriffen durch die öffentliche Hand wurden unterstützende Maßnahmen gefordert, wie beispielsweise Fortbildungen.

Orientiert am ersten ‚Energie-Effizienz-Tisch Hohenlohe‘ wurden ab 2009 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) deutschlandweit 30 Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke gefördert. Hier schlossen sich je 10 bis 15 Unternehmen als lernendes Netzwerk zusammen, um gemeinsam ihre Energieeffizienz zu steigern. Als erstes dieser geförderten Netzwerke startete 2009 der ‚Energie-Effizienz-Tisch Heilbronn-Franken’ auch unter Beteiligung von Unternehmen aus dem Landkreis Schwäbisch Hall (siehe oben). Mit einer Effizienzsteigerung von 6,9 % zum Basisjahr wurde das Ziel des Netzwerks (5 %) übertroffen. Die 12 teilnehmenden Unternehmen aus der Region, die Industrie-

80 und Handelskammer, das ‚Modell Hohenlohe‘ und der energietechnische Berater erhielten 2012 vom Bundesumweltministerium eine Ehrung für Ihre Aktivitäten als Anerkennung ihrer Vorreiterfunktion.

Im Jahr 2012 gründete die Industrie- und Handelskammer mit dem ‚Modell Hohenlohe‘ und neun bereits lange mit Effizienzsteigerungen beschäftigten Unternehmen – darunter auch mehrere aus dem Landkreis Schwäbisch Hall – das bundesweit erste Energie-Exzellenz- Netzwerk als Weiterentwicklung des Konzepts der ‚Energie-Effizienz-Tische’. Ziel dieses Projekts war es aufzuzeigen, welche energetischen Verbesserungspotenziale durch Analyse einzelner Produktionsprozesse bei bereits energieoptimierten Unternehmen noch zu heben seien.

Neben der Thematik der Steigerung der Energieeffizienz in Betrieben, richtete die Industrie- und Handelskammer das Augenmerk auch vermehrt auf so genannte ‚Green Technology’, mit der sich ‚Nachhaltige Geschäfte’ betreiben ließen, so ein Dossier im Wirtschaftsmagazin der Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken im Oktober 2010. Hier wurden unter dem Motto ‚Energiesparend und ressourcenschonend – grüne Produkte und Dienstleistungen sind im Kommen’ verschiedene Unternehmen der Region und ihre Produkte präsentiert (elektrischer PKW-Antrieb, Rohrbefestigungssysteme von Solarthermie- und Photovoltaikanlagen, Heizsysteme zur gleichzeitigen abgestimmten Nutzung von EE, Sensorik zur Ausrichtung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen etc.).

Lebensmittelcluster im Landkreis Schwäbisch Hall

Ein sehr ähnliches Prinzip des lernenden Unternehmensnetzwerks wie bei den Energie- Effizienz-Tischen wurde ab 2011 im Landkreis Schwäbisch Hall angewandt. Auf Betreiben der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Crailsheim wurde in Kooperation mit der Stadt Crailsheim, dem Landkreis und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft das so genannte Lebensmittelcluster gegründet. Es stelle einen Zusammenschluss von Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft, der Gastronomie und der Landwirtschaft dar und wurde über das Landeswirtschaftsministerium in einem Wettbewerb zur Stärkung regionaler Cluster gefördert. Es zielte auf eine intensivere Zusammenarbeit der genannten Unternehmen im Landkreis, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Als ein Arbeitsschwerpunkt der Kooperation wurde das Thema ‚Energie’ ausgewählt und ein entsprechender Arbeitskreis gegründet. Ziel dieses Arbeitskreises sollte es sein, die Energieeffizienz zu steigern und Energiesparpotenziale zu heben und an Best-Practice-Fällen zu lernen. Das erste Treffen des Arbeitskreises fand im energieZentrum in Wolpertshausen statt. Thematisiert wurden Fördermöglichkeiten sowie Beratungsleistungen der Stadtwerke Schwäbisch Hall und Crailsheim. Wie auch in Bezug auf die Energie-Effizienz-Tische standen hier im Kontext der Energiewende weniger Erneuerbare Energien, sondern vielmehr die Steigerung der Energieeffizienz und damit verbundene Kostenreduktionen im Vordergrund.

81 4.3.5 Thematisierung sozialer und ökologischer Folgen der Energiewende Windkraft nach der Liberalisierung der Ausweisungspraxis für Windkraftstandorte

Im Zuge der Dezentralisierung der Planungsverfahren für Windkraftanlagen durch die Novellierung des Landesplanungsgesetzes und einer weitgehenden Flächenfreigabe nach dem Wechsel zur Grün-Roten Landesregierung 2011 und der Veröffentlichung des Windatlasses, welcher in Baden-Württemberg die Eignung für Windkraft abbildete, setzte im windhöffigen Landkreis Schwäbisch Hall (vgl. auch Tabelle 7) ein zunehmendes Interesse potenzieller Windkraftanlagenbetreiber an der Flächensicherung von Windkraftstandorten ein, was von Presse und energieZentrum als ‚Goldrausch’ und ‚Goldgräberstimmung’ beschrieben wurde. Die kreisangehörigen Gemeinden und Landeigentümer wurden daher in öffentlichen Veranstaltungen davor gewarnt, Vorverträge über potentielle Windkraftstandorte mit möglichen Investoren abzuschließen, sondern nach Möglichkeiten einer maximalen finanziellen Beteiligung an den Anlagen zu suchen. Eine ähnliche Argumentation wurde nach einer im Jahr 2012 auf Betreiben der Kreistagsfraktion von ÖDP/Grünen unternommenen Informationsfahrt einer Kreistagsdelegation in den Rhein-Hunsrück-Kreis, geäußert. Hier zeigten sich die Teilnehmer zwar beeindruckt von dem rasanten Ausbau der Windkraft im Rhein-Hunsrück- Kreis, kritisch wurde allerdings zum einen die hohe Dichte an Windkraftanalagen gesehen, vor allem aber, dass an den dortigen Windrädern die Bürger und der Kreis nur in sehr geringem Umfang finanziell über Beteiligung profitieren, sondern die Betreiber außerhalb der Region säßen. Diese Sichtweise spiegelte sich auch in der Bevölkerungsbefragung wieder: Bei der Ausgestaltung des Energiewendeprozesses schätzten nur 9 % der Befragten Investoren von außerhalb des Landkreises als vertrauenswürdig ein, genauso wie Energiekonzerne (9 %). Eher vertrauen die Bewohner Investoren aus dem Landkreis (31 %), der Verwaltung (33 %) und Kommunalpolitik (41 %). In Bezug auf den Ausbau von Windkraftanlagen befürchteten 25 % der Befragten eine Bedrohung des Vogelflugs, insgesamt befürworteten aber fast 70 % der Befragten diese Technologie.

Im Jahr 2012 gründeten Bürger und Bürgerinnen aus der Region die HohenloheWind eG, mit den Zielen, die Onshore-Potenziale der Windkraft für die Energiewende zu nutzen und die Wertschöpfung über Bürgerbeteiligungsprojekte in der Region zu halten. Mit Stand Oktober 2015 hatte diese Genossenschaft nach eigenen Angaben 185 Mitglieder mit Geschäftsanteilen von fast 2,2 Mio €. Dieses Kapital wurde in den Bürgerwindpark Kirchberg investiert, der mit acht Windkraftanlagen im Frühjahr 2016 vollständig im neuen EnBW-Einspeise-Umspannwerk Obersteinach am Netz war.

In Bezug auf die kreisweiten Planungen zu Windkraft (Versuch der Schaffung von Konzentrationsflächen im Dialog mit den Kommunen) und die immissionsschutzrechtlichen Untersuchungen wurden in der Kreisverwaltung zusätzliche Personalstellen geschaffen. Zu den verstärkten Bestrebungen zum Ausbau der Windkraft äußerte das Umweltzentrum, dass hier ein Zielkonflikt zwischen Natur- und Landschaftsschutz auf der einen Seite und Umwelt- und Klimaschutz auf der anderen Seite vorläge (Zitat 17).

82 Zitat 17: Durch das Umweltzentrum Schwäbisch Hall identifizierter Zielkonflikt der regionalen Energiewende

„Zum dominierenden Thema hat sich in den letzten Monaten die Energiewende entwickelt – für Hohenlohe ist insbesondere die Windkraftnutzung relevant, weil wir hinsichtlich des nutzbaren Potentials das ‚Eldorado’ in Baden-Württemberg sind – über 1000 Investoren sollen die letzte Zeit bei unseren Kommunen an die Tür geklopft haben. Somit sind wir bereits mittendrin in einem klassischen Zielkonflikt zwischen Natur/Landschaftsschutz und dem Umwelt/Klimaschutz.“ Aus der Infozeitschrift des Umweltzentrums 1/11 vom 15.12.2011

Das Umweltzentrum sprach sich dabei eindeutig für die angestrebte Energiewende aus und betonte, dass der Windkraft hierbei die entscheidende Rolle zukäme, da die anderen EE- Technologien begrenzte Potenziale aufwiesen. Allerdings wurde kritisiert, dass den Kommunen bei der Ausweisung von Gebieten zur Errichtung von Windkraftanlagen relativ viel Freiraum zugebilligt werde. Das Umweltzentrum dagegen forderte statt dem isolierten Vorgehen einzelner Gemeinden eine kreis- oder regionsweite Abstimmung der Ausweisungspraxis und eine Konzeption von Vorrang-, Vorbehalts- und Ausschlussgebieten, da Kommunen mit der Planung überfordert seien und die Auswirkung von Windkraftanlagen in den räumlichen Zusammenhängen kaum überblicken könnten. In diesen Prozess werde man sich konstruktiv einbringen. Um die unvermeidbare Raumwirkung der Energiewende in erträglichem Rahmen zu halten, sei jedoch der zentrale Punkt die Reduktion des Energieverbrauchs.

Im Zuge des vermehrten Interesses am Ausbau der Windkraft entstanden gegen Planungen konkreter Windkraftstandorte auch zwei Bürgerinitiativen im Bereich der Limpurger Berge südliche der Stadt Schwäbisch Hall, die miteinander kooperierten: Die ‚Bürgerinitative für Gaildorf’ und die ‚Bürgerinitiative Pro Limpurger Berge’ in Michelbach an der Bilz. Erstgenannte wandte sich seit 2012 gegen den so genannten Naturstromspeicher in der Nähe von Gaildorf. Hier plante das Unternehmen MBS Naturstromspeicher GmbH vier 5,5 MW Windkraftanlagen. Die Besonderheit an dem Konzept war die Möglichkeit der Speicherung von Energie durch ein integriertes Pumpspeicherwerk. In die Türme und in Becken direkt am Fuße der Türme kann mit Hilfe überschüssigen Stroms Wasser aus einem Talbecken gepumpt werden. Bei erhöhtem Strombedarf kann durch Ablassen des Wassers zusätzlicher Strom erzeugt werden. Als Ziel des Projekts nannte das Unternehmen, einen Beitrag zur Flexibilisierung des Stromsystems leisten zu wollen. Die Pilotanlagen in der Gemeinde würden so intentional zum innovativen Vorzeigeprojekt werden. Bereits 2011 sprach sich der Gemeinderat für ein Planungsverfahren aus, gleichzeitig wurde ein Bürgerentscheid beschlossen, um das Meinungsbild der Bevölkerung schon vor Beginn der baurechtlichen Prüfung einzuholen. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 45 % sprachen sich 56,4 % der Bürger ebenfalls grundsätzlich für einen Beginn des Planungsprozesses aus. Der Widerstand gegen das Projekt wurde in der vor dem Entscheid gegründeten Bürgerinitiative gebündelt und auch nach der Zustimmung einer Mehrheit der Abstimmenden im Bürgerentscheid fortgesetzt. Es wurde eine Vielzahl von Gegenargumenten vorgebracht, die sich von Natur- und Landschaftsschutz, Infragestellung der CO2- Reduktionswirkung von Windkraftanlagen über die Wertminderung von Immobilien bis hin zur Gefahr durch Infraschall erstreckten. Gefordert wurde auf Bürgerveranstaltungen wie auch der Website unter anderem die Prüfung alternativer Standorte, größere Abstände zum Siedlungsbereich, ein durchdachter Masterplan für die Energiewende in Deutschland und das Einsparen von Strom als Alternative für den Windkraftausbau (Zitat 18).

83 Zitat 18: Aufruf der Bürgerinitiative für Gaildorf zum Energiesparen

„Jeder kann ab sofort etwas zum Energiesparen beitragen. Im Haushalt werden häufig durch Unkenntnis oder mangelndes Bewusstsein unnötig Energien verschwendet. Die am umwelt- und menschenschonendste Energieherstellung ist die Energie, die erst gar nicht verbraucht wird. Wenn alle Bürger ihr Verhalten bewusst verändern, wäre sehr viel und vor allem sofort erreicht. Dazu möchte die Bürgerinitiative „FÜR GAILDORF“ aufrufen.“ Homepage Bürgerinitiative ‚Für Gaildorf’ (http://www.bi-fuer-gaildorf.de (abgerufen 30.10.2012))

Auch das Umweltzentrum sprach sich aufgrund artenschutzbezogener Aspekte gegen das Projekt aus. Gleiches galt für ein weiteres geplantes Windkraftprojekt der Stadtwerke Schwäbisch Hall, ebenfalls gelegen in den Limpurger Bergen südöstlich von Michelbach an der Bilz. Zunächst hatte hier neben den Stadtwerken auch das Unternehmen ‚Zeag Energie’ aus Heilbronn – seit 2002 im mehrheitlichen Eigentum von EnBW – Interesse am Bau von bis zu 40 Windkraftanlagen angemeldet, die Pläne kurze Zeit später aber verworfen. In Michelbach gründete sich in diesem Kontext Ende 2012 die genannte Bürgerinitiative ‚Pro Limpurger Berge’. Sie unterstütze den Atomausstieg und grundsätzlich eine Energiewende zu EE, aber die Platzierung von Windkraftanlagen im Wald und die damit verbundenen Landschaftsveränderungen lehnte sie ab und rief ebenfalls zum Energiesparen auf (Zitat 19). Kahlschläge seien nötig, für die Schwertransporte müssten die Straßen verbreitert werden, wodurch die Region ihren Charakter als Wanderstrecke verlöre. Spaziergänger würden durch Eisschlag gefährdet und Infraschall bedrohe die Gesundheit.

Zitat 19: Kritik der Bürgerinitaitve Pro Limpurger Berge am Windkraftausbau

„Wir sind eine Gruppe von Michelbacher Bürgerinnen und Bürgern, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, unseren Wald und unser Erholungsgebiet vor der Zerstörung durch Windkraftwerke zu schützen. Deshalb kämpfen wir gegen den Wind’park’ Kohlenstraße mit den sieben 200 Meter hohen Windkraftwerken und gegen die aktuelle Planung der Verwaltungsgemeinschaft Schwäbisch Hall, unser Naherholungsgebiet Kohlwald in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung in eine riesige Konzentrationszone mit Platz für ca. 30 weitere Anlagen gleicher Bauart und damit in eine Industriezone umzuwidmen. Wir stehen für  eine Energiepolitik, die sich tatsächlich am Schutz unserer Lebensgrundlagen orientiert.  den Erhalt unserer Heimat mit seiner Artenvielfalt.  einen bewussten Umgang mit Ressourcen im Privaten und Öffentlichen.  eine Politik, die sich am Wohl der Allgemeinheit orientiert und nicht als verlängerter Arm isolierter Wirtschaftsinteressen und Lobbyismus regiert.  eine Politik, die gezielte Energieverschwendung im großen Stil unterbindet und der Energieeinsparung eine wesentlich höhere Bedeutung in unserem Lebensstil beimisst.  eine Wirtschaftspolitik, die Lebensqualität nicht mit Wachstum verwechselt. Wir setzen uns deshalb für eine für Mensch, Natur und Umwelt nachhaltige Energiepolitik ein.“ Homepage der Bürgerinitiative ‚Pro Limpurger Berge’ (http://www.pro-limpurger- berge.de (abgerufen 30.10.2012))

Ebenfalls gründete sich in Michelbach an der Bilz 2012 die Bürgerinitiative ‚Windkraft für Michelbach’. Initiator war unter anderem ein langjähriges Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg aus Michelbach. Diese Bürgerinitiative setzte sich für den Bau von Windrädern im

84 Wald um Michelbach ein, allerdings unter bestmöglicher Beachtung naturschutzfachlicher Aspekte.

Die beiden Windparks, gegen die sich die Bürgerinitiativen gründeten, waren mit Stand Mitte 2016 entweder in Betrieb (Windpark Kohlestraße der Stadtwerke Schwäbisch Hall seit Anfang 2016) oder im Bau (Naturstromspeicher Gaildorf seit Ende 2015). Während die beiden Bürgerinitiativen am 14.09.2013 gemeinsam dem bundesweiten Aufruf der bundesweit agierenden windkraftkritischen Initiative ‚Vernunftkraft’ folgten und auf dem Marktplatz in Schwäbisch Hall eine naturverträgliche Energiewende einforderten, begrüßte der Bund für Umwelt und Naturschutz Baden-Württemberg die Anlagengenehmigung für den Naturstromspeicher durch das Landratsamt 2014 als Förderung eines innovativen Pilotprojekts zur Systemintegration durch die Ausgleichmöglichkeit der fluktuierenden Windenergieerzeugung und der Stromnachfrage und generell als Impuls für den weiteren Ausbau der Windkraft in Baden-Württemberg. Unabhängig von den Bürgerinitiativen lehnte das Umweltzentrum Schwäbisch Hall das Projekt des Naturstromspeichers ab.

Konflikte zur Biomassenutzung

Im Jahre 2005 begann der Bau eines Pflanzenölkraftwerks der Stadtwerke Schwäbisch Hall, um dem Ziel der Erhöhung der Eigenerzeugung näher zu kommen und den EE-Anteil an der abgesetzten Strommenge auf 25 % zu steigern. Der Bau der Anlage auf Basis eines umgearbeiteten Schiffsdieselmotors kostete 7,5 Mio. €. Anfang 2007 begann der Probebetrieb des BHKWs mit rund 5 MW, das pro Jahr 7.500 Tonnen Pflanzenöl verbrauchen sollte. Es war geplant 10 % heimisches Rapsöl und 90 % asiatisches Palmöl einzusetzen und durch die Einspeisung der Wärme in das Fernwärmenetz einen Wirkungsgrad von 80 bis 85 % zu erreichen. In der Kommunikation der Maßnahme wurde auf die CO2-Neutralität des Brennstoffs hingewiesen. Außerdem wurde hervorgehoben, dass durch einen zusätzlichen Dampfturbinenprozess der elektrische Wirkungsgrad der Anlage sehr hoch liege, was in Deutschland so zum ersten Mal realisiert worden sei. Die Anlage wurde entsprechend auch von vielen Delegationen besucht.

Ende 2006 wurde schon vor Inbetriebnahme des BHKWs von der Umweltorganisation ‚Rettet den Regenwald’ der geplante Einsatz von Pflanzenöl kritisiert. Die Regenwälder in Südostasien seien die Heimat von Orang-Utans und die Wälder würden zur Gewinnung von Tropenholz und für Palmölplantagen abgeholzt. Zu dem schon bestehenden Bedarf der stofflichen Nutzung käme nun die energetische Nutzung hinzu, was den Druck auf die Wälder erhöhe. Die Stadtwerke machten sich so mit schuldig an der Vernichtung von Regenwäldern, so die Kritiker. Es entwickelte sich ein reger Austausch von Argumenten, für bzw. gegen die Nutzung von Palmöl. Die Argumentation der Stadtwerke lautete: Der vollständige Rückgriff auf heimisches Rapsöl sei vollkommen unwirtschaftlich. Man handele aber schließlich doch als Wirtschaftsunternehmen und befinde sich außerdem rechtlich auf sicherem Boden, da der 2004 ins EEG eingeführte NaWaRo-Bonus nicht regele, woher die eingesetzte Biomasse stammen solle. Die Kritiker entgegnen dieser Argumentation, bei Verabschiedung des EEG sei nicht bedacht worden, dass für den Biomasseanbau Plantagen angelegt und Regenwälder vernichtet werden würden. Außerdem sei der niedrige Preis für das Palmöl – im Gegensatz zu heimischem Rapsöl – logische Folge von sozialer Ausbeutung, Kinderarbeit, Regenwaldvernichtung und Verlust an Artenvielfalt – hervorgehoben wurde der Orang-Utan. Rechne man die negativen Aspekte ein, werde auch der Einsatz von Palmöl unwirtschaftlich. Die Stadtwerke versicherten, man verwende nur Palmöl aus ökologisch nachhaltigen Altplantagen, für die kein Primärregenwald

85 gerodet würde. Man habe einen Besuch einer Plantage unternommen und dort keine negativen ökologischen und sozialen Aspekte – vor allem Kinderarbeit – feststellen können. Außerdem wolle man wegen der Entwicklung eines Zertifizierungssystems mit dem Umweltbundesamt zusammenarbeiten und dann nur zertifiziertes Palmöl aus Malaysia einkaufen. Dem hielt ‚Rettet den Regenwald’ entgegen, dass Zertifizierungen aus Ländern wie Malaysia in der Regel unglaubwürdig seien. Es könne zudem letztlich nicht garantiert werden, ob das in Schwäbisch Hall verwendete Öl tatsächlich aus malaysischen Plantagen stamme, da malaysische Palmöl- Broker die Ware durchaus in Indonesien gekauft haben könnten, wo aktuell durch Brandrodung viele Primärwälder zur Anlage von Palmölplantagen vernichtet würden. Die Stadtwerke argumentierten, dass die Verstromung von Palmöl in jedem Fall auch trotz der langen

Transportwege zu erheblichen CO2-Reduktionen im Vergleich zu den Emissionen in alternativen Ketten wie Gas oder Kohle führen würden, wo ebenfalls Schiffstransporte oder Leckagen zu zusätzlichen CO2-Emissionen führten. Die Kritiker führten dagegen an, dass zum einen die

Verbrennung der Regenwälder für das Anlegen von Plantagen zu erheblichen CO2-Emissionen führe und es dabei zum anderen häufig zu erheblichen Torfbränden käme, so dass über Jahrtausende gebundener Kohlenstoff in die Atmosphäre emittiert werde. Der Geschäftsführer der Stadtwerke argumentierte, man wolle eigene Plantagen erwerben und bewirtschaften, um die vollständige Kontrolle über die Produktionsbedingungen zu erlangen – Ende 2007 wurde unter Federführung der Stadtwerke die ‚German Bio-Energy GmbH’ mit Sitz in Schwäbisch Hall von rund 70 Unternehmen, die Blockheizkraftwerke auf Pflanzenölbasis betrieben, mit dem Ziel der nachhaltigen Produktion und des Handels mit Pflanzenölen gegründet. Die Umweltorganisation äußerte, auf diese Weise würden die Stadtwerke zum Multiplikator für Regenwaldzerstörung.

Ursächlich für die deutschlandweit zunehmenden Vorhaben der Palmölverstromung war laut den Kritikern die Verschwendung von Energie in Deutschland in Verbindung mit steigenden Ölpreisen und der EEG-Vergütung. Daraus wurden die Kernforderungen abgeleitet, den öffentlichen Personenverkehr zu Lasten des PKW- und Flugverkehrs zu fördern, konsequent Energie einzusparen – auch mit strengen Auflagen beispielsweise im Bereich des Treibstoffverbrauchs von PKW – sowie der Ausbau von EE auf Basis von Windkraft und direkter Sonneneinstrahlung.

Die Problematik der Palmölproduktion wurde auch von der Bundespolitik aufgegriffen. Im Juni 2008 teilte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel in seiner Rede im Zusammenhang mit der EEG-Novelle im deutschen Bundestag mit, dass bis auf absehbare Zeit ab dem 01.01.2009 der Einsatz von Palm- und Sojaöl nicht mehr gefördert und damit verhindert werde, dass Regenwälder zum Zwecke des Pflanzenölanbaus gerodet würden. Dies wurde in dieser Form nicht umgesetzt, jedoch der NaWaRo-Bonus ab 2009 für Pflanzenöl auf Anlagen mit maximal 150 kWel beschränkt sowie für Palm- und Sojaöl eine nachhaltige Produktion vorgeschrieben. Mit der EEG-Novelle vom 01.01.2012 wurde die Förderung neuer Pflanzenöl-BHKW abgeschafft.

In Schwäbisch Hall führte die Auseinandersetzung mit ‚Rettet den Regenwald’ dazu, dass die Stadtwerke rund 5.000 Protestemails aus der ganzen Bundesrepublik erhielten. Als ‚Greenpeace Energy eG’ aufgrund des Projektes den Stadtwerken drohte, mit seinen 80.000 Kunden den seit 1999 bestehenden Belieferungsvertrag zu kündigen, gaben die Stadtwerke 2008 den Ausstieg aus der Verbrennung von Palmöl bekannt. 2009 wurde die Anlage auf Rapsöl umgestellt, kurz danach wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt. Stattdessen wurde versucht, den EE-Anteil im Energiemix der Stadtwerke mit der Kooperation ‚Land versorgt Stadt’ aus heimischen Potenzialen zu erhöhen. In diesem zwischen 2009 und 2010 realisierten Projekt arbeiteten die

86 Novatech GmbH, ein Landwirt und die Stadtwerke zusammen. Gemeinsam errichteten die Partner in Gailenkirchen eine Biogasanlage. Durch ein bereits existierendes Gasnetz wurde das erzeugte Gas zu einem BHKW der Stadtwerke im Stadtteil Teurershof geliefert.

Wurde das vorhergehende Palmölprojekt von Akteuren außerhalb der Region – darunter Greenpeace – sehr stark kritisiert, so wurde die Thematik im Landkreis dagegen weitgehend im Sinne der Stadtwerke diskutiert. Viele Leserbriefschreiber, darunter auch aus der Energie- Initiative Kirchberg, verbaten sich die Interventionen von außerhalb, lobten den Mut der Stadtwerke zum Einsatz innovativer Technologien, aus dem man für die Zukunft lernen könne und argumentierte, dass man nachhaltig produziertes Palmöl im Vergleich zu konventionellen Energieträgern durchaus verwenden könne (Zitat 20).

Zitat 20: Verteidigung der Initiative der Stadtwerke Schwäbisch Hall zur Verstromung von Palmöl

„Also da wundert man sich wirklich. Die Leute fragen sich nicht, wo das Erdöl herkommt. Oder wo jetzt die Ölschiefer abgebaut werden oder Braunkohle. Was da passiert, welche Verwüstungen dort angerichtet werden, das lässt die Leute kalt. Aber beim Palmöl wird gleich gefragt, und es wird gleich in Bausch und Bogen verurteilt. Also wenn das Wort Palmöl fällt, dann fallen sofort die Rollladen runter. Also die nehmen da auch nicht wahr, dass man sich jetzt sehr große Mühe gibt, mit Zertifizierungssystemen aus nachhaltigen Anbau. Also das Problem haben wir ja auch im Biogasbereich, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, und etwas von vorne herein verteufelt wird, was aber als gleiche Sache in anderen Bereichen überhaupt nicht diskutiert wird. Palmöl, wie gesagt über 95 % geht ja in die Nahrungsmittelproduktion. Also wenn einer Pommes-Frites isst, hat er Palmöl. Und da kommt eigentlich das Hauptwachstum des Bedarfs her, nicht von der Bioenergie, und da kommen auch die meisten Brandrodungen her. Aber da wird bisher nichts unternommen, da wird auch nicht diskutiert.“ Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg (Interview 2009)

„Und dass das politisch dann so hineinging und dass die Haller plötzlich dann zwanzigtausend E- Mails am Tag gekriegt haben, weil nun Protest dagegen war, weil es dann plötzlich geheißen hat, wegen dem Palmöl-BHKW wird Urwald gerodet. Und da muss ich sagen, das ist auch von Greenpeace eine total falsche Politik. Wenn man nämlich genau nachschaut: Der Energieanteil, was an Palmöl eingesetzt wird, ist ein Bereich, der unter 10 % liegt. Weil der größte Palmölimporteur in Deutschland ist eine Firma, die braucht Palmöl, um Waschmittel herzustellen. […] Weil wir wollen, dass die Waschmittel biologisch abbaubar sind. Und das geht nur über Naturprodukte […]. Und dass Urwälder gerodet werden, ist die Schuld von jedem von uns, weil wir Waschmittel brauchen, und Seife und so. Nur, das wird in der Öffentlichkeit überhaupt nicht dargestellt. Und das ist so eine Verzerrung. […] Und da wird dann plötzlich mit einem Wisch die Energieversorgung in eine Ecke gestellt, was überhaupt nicht richtig ist.“ Mitarbeiter der Stadtwerke Crailsheim (Interview 2012)

„Man hat gesagt, der Chef der Stadtwerke hat einen Knall, dem tut vollständig was weh so ein Megawatt Ding. […] Aber auf der anderen Seite: Sie haben bewiesen, dass es geht, das ist mal der andere Punkt. Na bloß, weil hier gesagt wird, es geht nicht, da würde jegliche Evolution irgendwann mal aufhören. Dann würden wir immer noch auf dem Bäumen sitzen, weil jeder sagt, es geht nicht, dass man irgendwie aufrecht geht und auf dem Boden rumläuft. Man muss es auch einmal probiert haben, man lernt aus Fehlern, das ist das Thema.“ Ehemaliger Mitarbeiter des energieZentrums (Interview 2012)

Ein Akteur, der sich bereits seit Beginn der 1990er Jahre für die Nutzung und Förderung von EE einsetzte, stach in der lokalen Debatte allerdings als Kritiker des Projektes hervor: Das

87 Umweltzentrum. Anfang des Jahres 2007 druckte es in seiner Informationszeitschrift einen Artikel aus dem ‚Regenwaldreport’ ab, in dem das Projekt verurteilt und zu Protestaktionen gegen die Stadtwerke aufgerufen wurde. Ende des gleichen Jahres rief das Umweltzentrum dazu auf, in einer Briefaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel und den damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel den Stopp des ‚Agrar-Energie-Wahnsinns’ zu fordern. Zur gleichen Zeit organisierten das Umweltzentrum und weitere Veranstalter eine Podiumsdiskussion in Gaildorf mit dem Titel „Volle Tanks – leere Teller – geht der Agrarenergie- Boom zulasten der Armen, Umwelt und Natur?“

Die Diskussionen und Veranstaltungen rund um die Palmölanlage der Stadtwerke waren der Auftakt zu regelmäßigen Äußerungen des Umweltzentrums im Hinblick auf Klimapolitik im Allgemeinen und beobachtete und erwartete Folgen eines starken EE-Ausbaus in der Region wie auch auf höheren Ebenen im Besonderen (vgl. auch oben Ablehnung der beiden Windparks). Abgelehnt wurde beispielweise Ende 2008 eine Freiflächen-Photovoltaikanlage auf einer Erddeponie bei Ilshofen-Obersteinach, da man die Untersuchung der ökologischen Wertigkeit der Fläche für unzureichend hielt und durch eine geplante Schweinehaltung unter der Anlage die Zerstörung der Biotopstrukturen auf der Erddeponie erwartete. Man schlug vor, die Anlage stattdessen auf benachbarten Äckern zu errichten, auf denen Mais angebaut wurde. Anfang 2009 wurde in der Informationszeitschrift des Umweltzentrums die Energiegewinnung auf Ackerflächen grundsätzlicher kritisiert. Der Verlust an Flächen für die Nahrungsmittelproduktion durch Freiflächen-Photovoltaikanlagen und Maisanbau für Biogasanlagen führe auf der verbleibenden Fläche zu Intensivierungen. Grünland würde umgebrochen, Bäume, Gehölze und Feldraine beseitigt und mehr Kunstdünger verwendet (Zitat 21).

Zitat 21: Umweltzentrum sieht die Natur in dreifachem Zangengriff

„Es gibt so diesen dreifachen Zangenangriff: Siedlungserweiterung und dadurch Verlust landwirtschaftlicher Fläche, Ausbau Erneuerbarer Energien auf der Fläche und Intensivierung auf der geringer werdenden landwirtschaftlichen Fläche. In diesem Würgegriff befindet sich dann unsere Natur“ Mitarbeiter des Umweltzentrums Schwäbisch Hall (Interview 2012)

Zudem müssten immer mehr Futtermittel beispielsweise aus Südamerika importiert werden. Dadurch könne die Energiebilanz solcher Nutzungsänderungen in der Summe negativ ausfallen. Negative Auswirkungen seien auch auf den Naturhaushalt zu erwarten. Erinnert wurde in diesem Zusammenhang an die Diskussionen um das Palmölprojekt der Stadtwerke. Als Schlussfolgerung aus diesem zunehmenden Druck auf landwirtschaftliche Flächen wurde abgeleitet, den hohen Fleischkonsum in Deutschland zu hinterfragen und die Fleischproduktion so weit zu reduzieren, dass eine artgerechte Tierhaltung, angemessene, für Landwirte auskömmliche Preise und die Freisetzung von Flächen erreicht werden könne. Ende 2009 nach dem Klimagipfel in Kopenhagen wurde vom Umweltzentrum das Argument der individuellen Verantwortung der Bürger für ihre Konsumentscheidungen und ihren Lebensstil in Veröffentlichungen nochmals verstärkt. Die Klimabelastungen seien untrennbar mit dem Konsumverhalten verbunden. Deutschland habe in der Welt eine Vorbildfunktion, aus der für jeden Bürger die Verantwortung entspringe, sein Verhalten zu überprüfen und beispielsweise beim Kauf von Lebensmitteln den CO2-Rucksack der Produkte mitzudenken.

88 Trotz der immer wieder auch an lokalen EE-Projekten im Allgemeinen und dem Pflanzenöl- Projekt der Stadtwerke im Besonderen geäußerten Kritik durch das Umweltzentrum wurde dessen Arbeit von anderen Akteuren im Landkreis als wertvoll eingeschätzt. Im Geschäftsbericht der Stadtwerke Schwäbisch Hall des Jahres 2011 wurde die gute Zusammenarbeit mit dem Umweltzentrum besonders bei der Erschließung von EE-Standorten sowie dessen Expertise und die ergebnisorientierte Lösung in Konfliktfällen hervorgehoben. Seit dem Umzug der Geschäftsstelle des Umweltzentrums innerhalb der Stadt Schwäbisch Hall im Jahre 2012 übernahmen die Stadtwerke zur Förderung des Vereins einen Teil der Miete der neuen größeren und zentral gelegenen Räumlichkeiten. Der Abteilungsleiter für Marketing bei den Stadtwerken betonte bei der Einweihung der Geschäftsstelle, wer den Geschäftsstellenleiter des Umweltzentrums kenne, dem würde schnell bewusst, dass die Stadtwerke trotz dieser Unterstützung für das Umweltzentrum von diesem beim EE-Ausbau keine Gefälligkeitsgutachten zu erwarten hätten. Bei der gleichen Gelegenheit hob der Landrat hervor, dass es für Genehmigungsverfahren von erheblicher Bedeutung sei, dass durch das Umweltzentrum der private Naturschutz gebündelt auftrete und so die Verfahren erleichtere.

War das Umweltzentrum einer der ersten und lautstärksten Akteure im Landkreis, der auch die Grenzen der EE-Nutzung und die daraus abgeleitete Notwendigkeit der Einsparung von Energie artikulierte, so war es doch nicht ganz alleine. Anfang 2008 fasste der Kreisverband von Bündnis90/Die Grünen einen Beschluss, in dem er sich zur Nutzung von Bioenergie positionierte. Darin wurde darauf hingewiesen, dass die energetische Biomassenutzung grundsätzlich eine Möglichkeit sei, den CO2-Ausstoß zu verringern, die Umwelt zu schonen, die regionale Wertschöpfung zu steigern und dadurch Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Möglichkeiten könnten jedoch nur unter bestimmten Bedingungen realisiert werden. Als erste Bedingung wurde die Forderung gestellt, Energie zu sparen, wobei auch das private Konsumverhalten eine wichtige Rolle spiele (Zitat 22).

Zitat 22: Kreisverband von Bündnis90/Die Grünen ruft zum Energiesparen und geringerem Fleischverbrauch auf

„Bisher leben wir über unsere Verhältnisse. Wir müssen energieeffizienter werden und Energie einsparen: im Verkehr (z.B. durch elektrische Fahrzeugantriebe), beim Wohnen (z.B. durch bessere Dämmung und Nutzung solarer Wärme), in der Produktion (das gleiche Ergebnis bei weniger Ressourceneinsatz) und beim privaten Konsum (Stichwort: mehr Qualität, statt Quantität).“ Aus einem Beschluss und öffentlicher Positionierung des Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen Schwäbisch Hall (2008)

Weiterhin wurde die vorrangige Nutzung von biogenen Reststoffen vor Neuanbau betont. Außerdem dürften durch den Anbau von Biomasse keine Urwälder gerodet, Menschenrechte, internationale Umweltabkommen und soziale Standards verletzt werden.

Grenzen des Ausbaus der Bioenergienutzung wurden auch von Seiten des Landkreises aus einer Potenzialstudie für EE – erstellt durch die Stadtwerke Crailsheim (siehe oben und Tabelle 7) abgeleitet. Ein Ergebnis war, dass aufgrund der hohen Dichte an landwirtschaftlichen Veredelungsbetrieben im Landkreis – laut des Berichts wurden zu diesem Zeitpunkt 57 % der Puten und 22 % der Schweine in Baden-Württemberg im Landkreis gehalten, der allerdings nur 4,2 % der Landesfläche umfasst – theoretisch so viel Land zur Futtermittelproduktion benötigt würde, dass die aktuell für den Anbau von Biomasse zur Biogasherstellung im Landkreis

89 verwendete Ackerfläche die Potenziale bereits weitgehend ausschöpfe. Lediglich in der Abwärmenutzung bestehender Anlagen lägen noch Möglichkeiten, Bioenergie besser zu verwenden.

In der Bevölkerung ließ sich eine zunehmend ablehnende Haltung gegenüber Biogas ausmachen. So sank im Zeitraum der ersten repräsentativen Bevölkerungsbefragung von 2010 bis zur zweiten Befragung 2012 die Befürwortung von 34 % auf 27 %, während die Ablehnung von 23 % auf 34 % zunahm. Die Bedenken waren vor allem ökologisch begründet. So befürchteten 2012 etwa 70 % der Befragten die Zunahme von Monokulturen durch den Anbau von Energiepflanzen und etwa 60 % schätzten einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt als bedenklich ein. Auch den Verlust von Anbauflächen für Nahrungsmittel sahen etwa 70 % der Befragten kritisch.

Seit 2009 wurde der Landkreis von einem Team des Projekts ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’ begleitet. Hier wurde 2012 ein Workshop im Landkreis mit Stakeholdern – darunter viele der bereits erwähnten zentralen Akteure – durchgeführt, in dem unter anderem sowohl die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung – die eine wesentliche Abnahme der Akzeptanz für Biogasanlagen zwischen der ersten Befragung 2010 und der zweiten Befragung 2012 zeigte – als auch die Ergebnisse einer bisher unveröffentlichten Analyse des Ist-Zustandes der Flächennutzung für Mais erörtert wurden. In diesem Zusammenhang wurde von Seiten des Projekts aber auch von Akteuren vor Ort (wie beispielsweise einem Demeter-Bauern aus Wolpertshausen) darauf hingewiesen, dass die ökologisch nachhaltig verfügbare Fläche für den Maisanbau bereits überschritten sei und auch die Pachtpreise eine solche Höhe erreicht hätten, dass kaum mehr Flächen für Bauern ohne Biogasanlagen verfügbar seien.

4.4 Analyse der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall im Lichte Ökologischer Modernisierung Im Folgenden wird die Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall mit Hilfe des theoretischen Bezugsrahmens strukturiert und analysiert (detailliert vgl. Tabelle 8 und Tabelle 9). Die Ergebnisse in Bezug auf die einzelnen Kategorien des Bezugsrahmens und die damit verbundenen untersuchungsleitenden Annahmen stellen sich dabei wie folgt dar:

1. Zur Umsetzung der Energiewende wurde ein breiter policy mix angewandt. Die grundsätzliche Zielstellung zur Ausrichtung der Entwicklung auf Ziele Ökologischer Modernisierung (EE-Ausbau und Energieeinsparung) erfolgte mit einem einstimmigen Kreistagsbeschluss, auf den sich in der Folgezeit verschiedene Akteure in der Forderung weiterer Maßnahmen bezogen (beispielsweise Vorschlag zur Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts durch Verwaltung und Landrat). Auch wenn keine eigenen konkreten Zielsetzungen im administrativen Bereich – wie beispielsweise eine klimaneutrale Verwaltung – bestanden, setzte die Verwaltung im eigenen Einflussbereich Akzente zu EE-Ausbau und Steigerung der Energieeffizienz und nahm eine Vorbildrolle ein (Photovoltaikanlagen, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, energetische Gebäudemodernisierung). Auch im Bereich der Windkraft war das Kreisplanungsamt unter personeller Aufstockung seit 2011 durch die Liberalisierung der Errichtung von Windkraftanlagen von Landesseite stark in den Prozess eingebunden und wirkte mit dem energieZentrum und dem Umweltzentrum Schwäbisch Hall auf eine kreisweite Abstimmung der Aktivitäten der Gemeinden hin. In Bezug auf den Ausbau der zwischenörtlichen Radwegeinfrastruktur wurde auf Drängen der Fraktion ÖDP/Grüne in jüngerer

90 Vergangenheit erste Maßnahmen geplant. In der Energieberatung, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit waren Kreisverwaltung und energieZentrum durchgehend aktiv. Der Landkreis ist zwar ein per se ein Wirtschaftsakteur von geringer Bedeutung, konnte aber durch den Betrieb von Photovoltaikanlagen über die Wirtschaftsförderungsgesellschaft die langfristige Finanzierung des energieZentrums sichern. 2. Die Energiewende wurde als zukunftsorientierte regionale Strategie interpretiert und kommuniziert, indem die Möglichkeiten zur Generierung von Wertschöpfung und Kostenreduktion vor dem Hintergrund des Geldabflusses für fossile Brennstoffe hervorgehoben wurden. Diese Argumentationsstrategie wurde auch von den ökologisch- technologisch motivierten Pionieren in die politischen Debatten eingebracht – vor allem als diese Strategie aufgrund global steigender fossile Energiepreise und hoher Renditemöglichkeiten von EE durch das EEG auf belastbare Grundlagen gestellt werden konnte. Als ebenfalls bedeutsame und dauerhafte Zielgröße ließ sich auch die Abmilderung des erwarteten globalen Klimawandels rekonstruieren. Diese eher ökologisch gefärbte Perspektive in Kombination mit Möglichkeiten lokaler Firmen wirtschaftlich an der Energiewende zu partizipieren, half der Verwaltung in den entsprechenden politischen Gremien auch bei der Rechtfertigung und Umsetzung von Maßnahmen mit langen Amortisationszeiten (beispielsweise bei der energetischen Modernisierung der Liegenschaften). 3. Im Bereich der politischen Kapazität wurde die Bedeutung externer Rahmenbedingung in Form der Strommarkliberalisierung, des EEGs, der Energieeinsparverordnung und von Förderprogrammen deutlich. Diese Rahmenbedingungen konnten im Landkreis Schwäbisch Hall eine breite Wirkung zeigen, da in der Region das entsprechende Know-how zu Finanzierungsinstrumenten und Technologien durch verschiedene Akteure bereits aufgebaut worden war (Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Pionierunternehmen, Stadtwerke), die auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und Fördermittel akquirieren konnten oder aber sogar zur Veränderung der Rahmenbedingungen selbst beitrugen, die sie dann wiederum nutzen konnten (Modell Hohenlohe e.V.). Da die Region in den vergangenen 20 Jahren zudem insgesamt sehr wachstumsstark war und die Haushaltssituation sich nach der Finanzkrise schnell besserte, konnten auch erhebliche Investitionen (Beisteuerung des Eigenanteils zu geförderten Maßnahmen) getätigt werden. Insgesamt war eine Verankerung des Energiewendeprozesses in der regionalen Akteursstruktur und eine wachsende Stärke der Koalition der Unterstützer der Energiewende festzustellen. Die im Energiesektor tätigen Unternehmen – darunter auch Pioniere im Bereich der Biogastechnologieentwicklung –, stammten zum Großteil aus der Region (Novatech GmbH, Ökoprojekte Gronbach, Stadtwerke Schwäbisch Hall und Crailsheim, Landwirte) und von Seiten des Landkreises wurde versucht, diese an den eigenen Energieaktivitäten auch finanziell partizipieren zu lassen. Zudem ließ sich feststellen, dass wichtige Stellen in Politik und Verwaltung mit Akteuren von starker ökologisch-technischer Motivation besetzt waren, die auch ambitionierte Zielsetzungen unterstützten. Auch die Bevölkerung stand nach der Bevölkerungsumfrage mehrheitlich hinter dem Prozess. Als wesentlich kann ein Netzwerk von Umweltengagierten im Landkreis ausgemacht werden. Dieses bestand aus verschiedenen Akteursgruppen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und Vernetzungen untereinander, formierte sich Ende der 1980er und verstärkt in den 1990er Jahren und wies auch Berührungspunkte mit weiteren Akteuren – wie etwa Energieversorgungsunternehmen – auf, sowie auch zu Akteuren aus dem politisch-administrativen Bereich. Hinzu kam, dass informelle Verbindungen zwischen außerparlamentarischer Zivilgesellschaft, Parteien und

91 von dort wiederum in die Verwaltung und damit auch die Verwaltungsspitze bestanden, die es jenem Akteursnetzwerk ermöglichten, die Chancen politischer Energiewende-Initiativen auszuloten und zu nutzen. Einzelne Akteure aus diesem Netzwerk waren entscheidend als Ideengeber oder auch als wirtschaftliche Entrepreneurs. Wissenschaftliche Expertise floss in den Prozess vor allem durch die Beratung der in Künzelsau ansässigen Außenstelle der Hochschule Heilbronn ein. Im Bereich der Wirtschaftskateure außerhalb des Energiesektors (beispielsweise innerhalb des ‚Lebensmittel-Clusters’) erhielt die Thematik ‚Energie’ vor allem aus Kostengründen im Beobachtungszeitraum eine bedeutendere Rolle. Durch die Steigerung der Energieeffizienz wurde hier versucht, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. 4. Bedeutsam war zudem die Institutionalisierung des Energiewendeprozesses durch das landkreisweit tätige energieZentrum, wobei dieses aufgrund begrenzter Ressourcen die regionale Steuerungsstruktur noch nicht dahingehend beeinflussen konnte, dass Aushandlungsarenen und Vernetzungen zur Bearbeitung bestimmter Themen (Bioenergiestrategie, Windenergiestrategie etc.) zwischen Landkreis, Kommunen und anderen Akteuren geschaffen oder eine strukturierte Strategieerstellung und Maßnahmenplanung zur Erreichung des 100%-EE-Ziels erzeugt werden konnte. Dieses Defizit wurde erkannt und für 2013 diesbezüglich von Seiten der Kreispolitik das energieZentrum mit der Prüfung der Voraussetzungen für die partizipative Erstellung eines kreisweiten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts beauftragt, welches ausgearbeitet und im Juli 2016 im Kreistag beschlossen wurde. Dass keine entsprechenden Aushandlungsarenen existierten, bedeutete zudem nicht, dass nicht trotzdem eine Beeinflussung der Kreispolitik durch außerparlamentarische Akteure im Energiebereich stattgefunden hätte. So waren dem Beschluss ‚100% EE im Landkreis Schwäbisch Hall’ Gespräche des Landrats und der Fraktionen mit der Energie-Initiative Kirchberg vorausgegangen. Die Letztentscheidungsgewalt lag bei energiepolitischen Entscheidungen – wie auch in Bezug auf weitere durch Akteure im zivilgesellschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Bereich geforderte oder unterstützte Maßnahmen wie dem Gebäudemodernisierungsprogramm – bei den gewählten Kreistagsmitgliedern. Vielfach wurde zwischen unterschiedlichen Akteuren im Landkreis projektbezogen kooperiert und dabei zum Teil auch Bürger in Entscheidungsprozesse und finanzielle Fragen eingebunden. Energiewendebezogene Konflikte mit hohem Kollektivgutanteil primär zwischen Vertretern eines weiteren Windkraft- und Bioenergieausbaus und Vertretern des Naturschutzes waren beobachtbar und wurden im Rahmen der vorhandenen regionalen Steuerungsstruktur nicht einvernehmlich gelöst. Letztlich wurden Projekte häufig entgegen der Stellungnahmen des Naturschutzes realisiert. Im Widerstand gegen bestimmte Projekte wurden auch weitere Argumente eingebracht, wie beispielsweise Gesundheitsgefährdungen (Infraschall), der drohende Attraktivitätsverlust der Landschaft als Wanderregion oder sinkende Immobilienwerte, so dass naturschutzbezogene Argumentationen gegen einen Windkraftausbau auch durch weitere – u.a. wirtschaftliche Argumentationen – überlagert wurden. 5. Dabei wurde auch deutlich, dass hier die ursprünglichen Verfechter von EE (Teile der Energie-Initiative Kirchberg) für die Implementierung von Technologien eintrat (beispielsweise bei der Installation des Palmölkraftwerks der Stadtwerke Schwäbisch Hall) und damit gegen das Umweltzentrum Schwäbisch Hall stand. Letztgenannter war auch der Akteur, der in öffentlichen Stellungnahmen am prominentesten allgemeine Anschlüsse an die Thematik ‚Wachstumskritik’ und ‚Suffizienz’ herstellte. Ansonsten wurde die Thematik nur im Nachgang der Finanzkrise von der Initiative ‚Hohenloher Franken’ aufgebracht, die

92 für einige Jahre versuchte eine Regionalwährung aufzubauen, damit allerdings scheiterte. Während die für die Belange des Naturschutzes und wachstumskritische Positionen eintretende Minderheit demnach tendenziell überstimmt wurde oder randständig bliebt, überwogen auf der wirtschaftlichen Seite die Gewinner die Modernisierungsverlierer der Energiewende: Dadurch, dass EnBW nur in einem Teil des Landkreises aktiv war, konnten sich die Stadtwerke Schwäbisch Hall und die Stadtwerke Crailsheim neue Geschäftsfelder (Kraft-Wärme-Kopplung, Dienstleistungen im Stromeinkauf und der Versorgung etc.) aufbauen. Viele innovative Projekte wurden umgesetzt, viele kleinere Betriebe profitierten und die Bürger konnten stärker auch finanziell an Energieprojekten partizipieren (vor allem im Bereich der Photovoltaik). 6. Eine auf die wirtschaftlichen Vorteile für den Landkreis fokussierte Argumentation und die Forderung nach finanzieller Beteiligung an den Gewinnen der Energiewende durch Akteure vor Ort zeichnete die Diskussionen aus und Wertschöpfungseffekte – resultierend aus der vor allem durch die Mechanismen des EEGs erzeugt dezentralen Eigentumsstruktur – wurden im Landkreis Schwäbisch Hall tatsächlich realisiert. Die Rolle als Vorreiterregion wurde bisher allerdings wenig offensiv in das Marketing des Landkreises eingebunden. Hier spielte von Seiten der Wirtschaftsförderungsgesellschaft die Überlegung eine Rolle, dass ländliche Räume im Grunde alle EE-Regionen werden könnten und dies kein Alleinstellungsmerkmal darstelle. Vielmehr wurde die Landwirtschaft und speziell die hohenlohische Regionalmarke und das Schwäbisch Hällische Landschwein ins Zentrum der Außendarstellung gestellt, da diese landwirtschaftsbezogenen Merkmale die Region unverkennbar machen würden. Erst die Beschäftigung mit weiteren Regionen im Zuge des fortschreitenden Energiewendeprozesses führte dazu, dass die eigenen Aktivitäten als mindestens gleichwertig erlebt wurden und Verwaltung und Landrat das Erreichte stärker ins öffentliche Licht rücken wollten. Dieser auch mit dem Vorschlag zur Teilnahme am European Energy Award verbundene Gedanke wurde allerdings nicht von den Fraktionen der CDU und Freien Wähler mitgetragen („zu hohe Kosten“, „nur der Eitelkeit wegen“), diese verschlossen sich dann aber nicht der Prüfung zur Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes für den Landkreis. Die Kooperation vieler Partner in der Region, die schon lange in der Energiewende aktiv waren, im Kontext der Entstehung des Films ‚Change. Die EnergieRebellion’, in dem die ursprüngliche Idee war, ganz konkret die regionale Energiewende in Hohenlohe als Best-Practice zu zeigen, zeugt auch davon, dass man das Erreichte stärker nach außen kommunizieren wollte. Bekanntheit erreicht hatten bereits einzelne Projekte, wie die Gemeinschaftsbiogasanlage in Wolpertshausen oder das ‚Modell Hohenlohe‘, welches nachweislich (auf nationaler Ebene) Nachahmung in den geförderten Energie-Effizienz-Tischen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen fand. 7. Die regionale Energiewende führte insgesamt nicht zur Abkehr etablierter Akteure im politisch-administrativen Bereich oder der Unternehmerschaft von einer Wettbewerbs-, Wachstums- und Exportorientierung. Umweltverbrauch – beispielsweise durch Erweiterung der Siedlungsfläche wie auch durch die Energiewende selbst im Bereich der Veränderungen in der Landschaft im Allgemeinen und der Landwirtschaft im Besonderen (vgl. Tabelle 6 und Tabelle 7) – fand weiterhin statt. Dies wurde vor allem von naturschutzorientierten Akteure, welche bereits noch vor Einführung des EEGs den Energiewendeprozess im Landkreis mit initiiert hatten, kritisiert und zu Suffizienz aufgerufen. Auch im Bereich des Verkehrs bestand von der Mehrheit der Akteure kein Interesse an einer Rücknahme der verringerten Raumwiderstände, sondern es wurde im Gegenteil versucht, einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur umzusetzen. Die Akteure, die sich in der Politik und Zivilgesellschaft lange für die Energiewende einsetzten, wendeten sich teils gegen die Projekte

93 (Westumgehung Schwäbisch Hall, Ausbau A6, Stuttgart21), wurden aber von einer Mehrzahl von Akteuren aus dem politisch-administrativen Raum überstimmt. Somit wurde die Thematik der Energieeinsparung vor allem mit der energetischen Gebäudemodernisierung und insgesamt mit einer technischen Verbesserung der Energieeffizienz verbunden und auch in diesem Kontext in das Energieleitbild integriert. Legitimiert wurden die konkreten

Maßnahmen im politisch-administrativen Bereich mit dem Ziel der CO2-Reduktion im Hinblick auf Klimaschutz, vor allem aber mit Verweis auf steigende Preise fossiler Energieträger. Die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Energiekosten war auch in der exportorientierten Wirtschaft die entscheidende Thematik für energiewendebezogene Maßnahmen. Andererseits existiert mit der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall allgemein (durch Debattenbeiträge) und in Bezug auf die in ihrem Regionalmarkt angebotene Ware im Besonderen (auf der physischen Ebene) ein stark regionalorientierter Akteur. Hier zeigt sich eine mit ökologischen (kurze Wege) und ökonomischen (Selbstvermarktung, Marketing) Argumenten unterlegte Entwicklung, die sich auch im Energiewendeprozess zunehmend widerspiegelte: Im Kontext des Windkraftausbaus wurde von Seiten des energieZentrums öffentlichkeitswirksam empfohlen, nicht vorzeitig Pachtverträge mit externen Investoren abzuschließen, sondern auf eine maximale finanzielle Beteiligung aus den Betreibergewinnen zu drängen. Auch wurde mit der Hohenlohe Wind eG eine Organisation gegründet, die explizit das Geld der Bürger in der Region halten will. Dies spiegelt sich auch in den Ansichten der Bürger wieder, die sich nach der Bevölkerungsbefragung selbst prinzipiell stärker finanziell an EE-Anlagen beteiligen würden und gleichzeitig regionalen Investoren das stärkste Vertrauen entgegenbringen. Gleichzeitig wird in jüngerer Vergangenheit versucht, das Thema auch stärker in der Außendarstellung zu nutzen. Hier findet sich im Energiebereich – wie in der Landwirtschaft – eine partielle Überschneidung zwischen einem auf die Außerdarstellung und den ökonomischen Gewinn orientierten und einem ökologisch motivierten Regionalisierungskonzept und es findet sich weitgehende Einigkeit zwischen vielen umweltengagierten und etablierten Akteuren im politisch-administrativen Raum sowie Akteuren aus der Wirtschaft.

Es zeigte sich damit, dass der regionale Energiewendeprozess zu einer EE-Selbstversorgung im Landkreis Schwäbisch Hall als stabiler und voranschreitender Prozess Ökologischer Modernisierung charakterisiert werden kann. Zu dieser Fallstudie kann damit festgehalten werden, dass sich der theoretische Bezugsrahmen bei seiner ersten Anwendung in weiten Teilen als fruchtbar für das Verständnis dieses konkreten regionalen Energiewendeprozesses erwies.94

94 Um Doppelungen zu vermeiden werde erst im folgenden Kapitel 5 in Verbindung mit weiteren empirischen Studien sowie in Kapitel 6 auch Lücken des theoretischen Bezugsrahmens Ökologischer Modernisierung in Bezug auf den Energiewendeprozess in Schwäbisch Hall und insgesamt in Bezug auf regionale Energiewendeprozesse zu einer EE-Selbstversorgung diskutiert. 94 Tabelle 8: Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung im Landkreis Schwäbisch Hall

Erfolgsfaktoren der Erfolgsfaktoren der Förderung von EE Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung Förderung von und Maßnahmen zur im Landkreis Schwäbisch Hall Umweltinnovationen in Energieeinsparung auf regionaler Prozessen Ökologischer Ebene Modernisierung 1 breiter policy mix übergreifende Maßnahmen z.B. politische EE- und 2003 Gründung kreisweit zuständiger Energieagentur ‚energieZentrum’ als Tochter (Ziele, Strategien, Effizienzzielsetzung; Energiekonzept; der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises mit Aufgabe der Förderung der Institutionalisierungen, Energieagentur; Austausch/Vernetzung Energiewende Austausch) mit anderen EE-Regionen 2006 einstimmiger Kreistagsbeschluss ‚100 Prozent EE’ im Landkreis (inklusive des Ziels zur Senkung des Energieverbrauchs), auf den Akteure regelmäßig Bezug nehmen, um Forderungen und Maßnahmen zu legitimieren seit 2006 Energieberichte zu den Liegenschaften, die deutliche Energieeinsparungen dokumentieren 2012 Erhebung der EE-Potenziale im Landkreis

95 ab 2012 Prüfung von Fördermöglichkeiten zur Erstellung eines Integrierten Energie-

und Klimaschutzkonzepts durch das energieZentrum (Fertigestellung Sommer 2016) beginnend in den 1990er Jahren im Bereich Biogas und verstärkt seit Mitte der 2000er Jahre in Bezug auf die Energiewende allgemein zunehmender Austausch mit anderen Regionen durch Exkursionen und Einbindung des energieZentrums in Projekte Beschaffungswesen und z.B. Berücksichtigung Umsetzung von vielen Effizienzmaßnahmen im Bereich Strom seit den 1990er Jahren Ausschreibungspraxis Energieeffizienzklassen; energetische seit Anfang der 1990er Jahre Umstieg von Öl auf effizientere Kraft-Wärme- (Umweltlabel etc.), Modernisierung von Liegenschaften; Kopplungssysteme in Kooperation mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall und Energieverbrauch Berücksichtigung grauer Energie Crailsheim Liegenschaften beispielsweise im Catering etc. seit 2003 Niedrigenergiestandard für landkreiseigene Neubauten seit 2008 Investitionsprogramm von ca. 18 Mio. € zur energetischen Modernisierung der Liegenschaften Beachtung von Umweltlabeln und Energieeffizienz von Geräten in der Beschaffung

95 Fortsetzung Tabelle 8 Regulierung und Planung z.B. Schaffung von nach Liberalisierung des Ausbaus von Windenergieanlagen in Baden-Württemberg ab Windkraftvorranggebieten; Entwicklung 2011 (Aufhebung von Ausschlussgebieten) Versuch zur effizienten Gestaltung der von Radwegekonzepten (inklusive Genehmigungsverfahren durch Personalaufstockung im Landratsamt Alltagsmobilität) 2012 Anstoßen einer Diskussion über ein Radwegekonzept im Landkreis unter Einbindung des Alltagsverkehrs durch Kreistagsfraktion ÖDP/Grüne wirtschaftliche Aktivitäten z.B. Energieversorger; Anlagenbetreiber Wirtschaftsförderungsgesellschaft seit 2005 Betreiber von Photovoltaik-Anlagen zur Finanzierung des energieZentrums Unterstützung Dritter (z. B. z.B. Energieberatung; Energieberatung und stetige Erweiterung des Informationsangebots durch Bildungsarbeit, Förderung) Öffentlichkeitsarbeit; Förderprogramme energieZentrum für EE- und Energieeffizienzmaßnahmen Informationsveranstaltungen (Biogasanlagenbetreiberschulung, Ausstellung zu Gebäudemodernisierung etc.) im energieZentrum 2006 Einrichtung Energielehrpfad ab 2009 Vorstellung des Themas Energie in Schulen anhand von Experimenten 2009 Einrichtung einer Klimaschutz-Infothek im Landratsamt 2 globale, generelle Trends Sichtbarkeit ökologischer Klimawandel Verbinden oben genannter Aktivitäten mit Thema Klimaschutz durch Landrat,

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6 Schadenseffekte Verwaltung, Politik, EE-Pionieren, Umweltengagierte

Ressourcenverknappung Verteuerung fossiler Rohstoffe Stoppen des Geldabflusses für in Teuerung befindliche fossile Energieträger (v.a. Öl) und -verteuerung zentrales Argument für EE-Beschluss 3 hohe politische Kapazität rechtliche z.B. Einführung Einspeisevergütung und – EEG Treiber des EE-Ausbaus für unterschiedliche Akteure Rahmenbedingungen vorrang; Erleichterung Stärkung der Handlungsmöglichkeiten der Stadtwerke Schwäbisch Hall und Crailsheim Ausweisungspraxis für (z.B. Dienstleistungen im gebündelten EE-Stromeinkauf) nach Windkraftstandorte; Steigernde Strommarkliberalisierung und Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (2002) Anforderungen an die Effizienz von Marktanreizprogramm und Energieeinsparverordnung (2002) bedeutsam Geräten, Maschinen oder Bauteilen erhöhte Aktivitäten von Investoren nach Windkraft-Liberalisierung in Baden- Württemberg ab 2011 (siehe unten) ökonomische Förderprogramme höherer Ebenen z.B. hohe Bedeutung von Förderprogrammen (z.B. Konjunkturprogramm 2009 zur Rahmenbedingungen für Energieeffizienzmaßnahmen Gebäudemodernisierung) und Wettbewerben (z.B. ‚Regionen aktiv’ ab 2002 zur Aufbringen des Eigenanteils an Energieberatung von Landwirten) Förderprogrammen abhängig von Investitionsmöglichkeiten in energiebezogene Vorhaben aufgrund guter finanzieller wirtschaftlicher Situation der Region Situation des Landkreises gegeben

96 Fortsetzung Tabelle 8 informationelle technisches, naturschutzfachliches, Entstehen breiten Know-hows durch die seit Jahrzehnten im Landkreis ansässigen Rahmenbedingungen ökonomisches und Akquise-spezifisches Unternehmen im Energiebereich sowie durch Wissen zivilgesellschaftlicher Initiativen (Know-how) Know-how in der Region Erfahrungen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Fördermittelakquise seit 1990er Jahren Technisches Know-how in Bezug auf die Liegenschaften durch Personalkontinuität im Hochbauamt situationsbezogene und z.B. Förderung des EE-Prozesses als Kein Regionalmarketing mit EE-Prozess, da aus Sicht der Verwaltung nicht mit strategische Alleinstellungsmerkmal der Region Alleinstellungsmerkmal des ‚Schwäbisch Hällischen Landschweins’ vergleichbar Einflussfaktoren unterstützende in Pionierregionen Beeinflussung von hohe Bedeutung eines Netzwerks von Umweltengagierten gespeist aus dem ‚Modell Akteurskonstellation Diskursen und etablierten Akteuren Hohenlohe‘ (siehe unten), der seit 1994 aktiven Energie-Initiative Kirchberg und dem (Umweltbewegung, sowie Aufbau alternativer Strukturen und Anfang der 1990er gegründeten Umweltzentrum Schwäbisch Hall als Politik/Verwaltung, Entwicklung der Idee zur EE-Zielsetzung Organisationseinheit der Naturschutzverbände im Landkreis: Pioniere der Unternehmen, Wissenschaft, durch umweltengagierte Akteure Solarenergie-Nutzung, Gründung EE-Unternehmen, Einfluss auf Politik (EE-Beschluss Bevölkerung) und Legitimierung und Verstetigung des Idee der Energie-Initiative Kirchberg) Bedeutung von einzelnen Prozesses durch Aufgreifen der Thematik Installation erster Solar-, Biogas- und Windkraftanlagen in 1990er Jahren durch im Akteuren durch etablierte Akteure und Gestaltung Landkreis angesiedelte – und heute teils international in EE-Projektierung tätige – 97 eines entsprechenden policy mix Unternehmen, darunter Stadtwerke Schwäbisch Hall und Crailsheim

dynamischer technologischer ab 2002 erster Energieeffizienztisch mit Unternehmen der Region über das ‚Modell Wandlungsprozess durch Integration der Hohenlohe‘ (in den 1990er Jahren aus dem Widerstand gegen eine geplante Wirtschaft – auch in Form der Gründung Sondermüllverbrennungsanlage bei Schwäbisch Hall hervorgegangen, um neuer Unternehmen – und dem damit betrieblichen Umweltschutz zu fördern) verbundenen industriepolitisch- von 2009 bis 2012 zweiter Energieeffizienztisch in Kooperation des ‚Modell ökonomischen Framing sowie Integration Hohenlohe‘ mit der Industrie- und Handelskammer wissenschaftlicher Expertisen im Hinblick seit 2012 bundesweit Mitarbeit des ‚Modell Hohenlohe‘ und Unternehmen der Region auf Technologieentwicklung und im ersten Energie-Exzellenz-Netzwerk, mit dem Ziel, Effizienzpotenziale zur Umsetzungsberatung Energiekosteneinsparung bei bereits energieoptimierten Unternehmen zu heben Akzeptanz regionaler Energiewende in seit 2010 Austausch zu Energieeffizienzfragen in neu gegründetem Cluster zur der Bevölkerung, wenn für diese Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelbranche unter Moderation des wirtschaftliche Zugewinne erwartbar energieZentrums unter Integration von Kow-how der beiden Stadtwerke entscheidender Einfluss von einzelnen nach EEG-Einführung Wahrnehmung von EE als zweites Standbein durch Landwirte Akteuren möglich und Unterstützung durch Maschinenringe (Sammeleinkäufe Photovoltaik-Anlagen)

97 Fortsetzung Tabelle 8

Beteiligung der Fachhochschule Heilbronn seit Jahrhundertwende bei Planung und Monitoring zweier Passivhäuser, wie auch bei der damit verbundenen Errichtung des energieZentrums und nachfolgend beratend im Prozess ‚Hohenlohe aktiv’ beispielsweise bei der energetischen Sanierung des Erzeugerschlachthofs der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall Akquise von Fördergeldern (z.B. für Potenzialanalyse) oder Leistungen Dritter (z.B. Bevölkerungsbefragung) durch Teilnahme des energieZentrums an Forschungsprojekten Befürwortung des Umstiegs auf EE im Landkreis in der Bevölkerung hoch (77 %); angegebener Besitz von Solaranlagen der Befragten hoch (ca. 40 %); Glaube an positiven wirtschaftlichen Einfluss des EE-Ausbaus im Landkreis unter Befragten verbreitet (ca. 60 %) ein zentraler Akteur Gründer der Energie-Initiative Kirchberg mit seinen vielfältigen Initiativen und der Idee zu ‚100% EE’ im Landkreis

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98 Tabelle 9: Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall

Erwartbare politisch- Erwartbare politisch-ökonomische und Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im ökonomische und umweltbezogene Entwicklungen im Rahmen der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall umweltbezogene Rahmen regionaler Entwicklungen im Rahmen Energiewendeprozesse von Prozessen Ökologischer Modernisierung 4 Steuerungsstruktur verstärkte Stakeholder- Akzeptanzsteigerung durch Einbeziehung mit EE-Beschluss Gründung eines Arbeitskreises (Energieversorger, Maschinenringe, Beteiligung – unter sehr unterschiedlicher Akteursgruppen in Energie-Initiative Kirchberg etc.) zur Entwicklung von Projekten (z.B. Erstellung eines bedingter Einbindung Strategieerarbeitung und Realisierung fortzuschreibenden ‚Energieatlasses’ über die Fortschritte der Energiewende) einzelner Bürger – unter von Projekten aufgrund fehlender Ressourcen des energieZentrums keine Einrichtung dauerhafter Verbleib der Bindungswirkung von Entscheidungen landkreisbezogener Strukturen zur moderierten Bearbeitung und Letztentscheidungsgewalt erst über Einbeziehung von gewählten Entscheidungsvorbereitung bestimmter Themen (z.B. Bioenergiestrategie) im Kommunalparlament Akteuren, die zudem ihre Kompetenzen einzelne Initiativen, die von zivilgesellschaftlichen Akteuren an die Politik wahren wollen, wahrscheinlich herangetragen werden, möglich (Initiierung des EE-Beschlusses durch Energie- Initiative Kirchberg, Unterstützung des Gebäudemodernisierungsprogramms durch Handwerkerschaft); Entscheidungen letztlich durch Kreistag

99 vielfach Kooperation zwischen Akteuren im Landkreis im Rahmen konkreter Projekte,

zum Teil unter finanzieller und entscheidungsbezogener Beteiligung von Bürgern (z.B. erste Gemeinschafts-Photovoltaikanlage auf einer Schule erstellt durch Novatech, Gemeinschaftsbiogasanlage und Nahwärmenetz der Gemeinde Wolpertshausen) Schwierigkeit der Lösung Konsensuale Entscheidungen in Bezug auf aufgrund potenzieller Induzierung von Regenwaldrodung Ablehnung des Baus eines von Umweltproblemen mit Themenfelder mit hohen Kraftwerks der Stadtwerke Schwäbisch Hall (ab 2005), für das Palmöl importiert hohem Kollektivgutanteil Kollektivgutanteilen (z.B. Schutz von wurde, durch das Umweltzentrum Schwäbisch Hall Biodiversität oder bestimmter ab 2011 durch Umweltzentrum Schwäbisch Hall und zwei Bürgerinitiativen Ablehnung Landschaftsbilder) unwahrscheinlich. zweier geplanter Windparks, die letztlich genehmigt wurden 5 Konflikte durch Widerstände von Modernisierungsverlierern innerökologische Konflikte Differenzen unter Umweltengagierten in Befürwortung des aus ihrer Sicht innovativen Palmölkraftwerks der Stadtwerke aufgrund technischer der Region aufgrund des Zubaus an Schwäbisch Hall und Eintreten für einen umfassen Windkraft-Ausbau von einigen Überformung der Umwelt Windkraft-, Biogas-, PV-Anlagen, und Akteuren der Energie-Initiative Kirchberg bei gleichzeitiger Ablehnung vorgenannter Widerstand eines Teils der EE-Ausbaupläne durch das Umweltzentrum Schwäbisch Hall (siehe oben) umweltengagierten Akteure gegen EE- Projekte wahrscheinlich

99 Fortsetzung Tabelle 9 Widerstand wirtschaftlich Konflikt aus Kollision wirtschaftlicher Verlust von Immobilienwerten sowie Gefahr durch Infraschall als Argument gegen betroffener Akteure Interessen (z.B. Tourismus vs. Windkraftanlagen durch Bürgerschaft in von Windkraftausbau betroffenen Ortschaften Energieproduktion aus EE) Modernisierungsgewinner (z.B. Stadtwerke Schwäbisch Hall, EE-Pionierunternehmen, Blockadeversuche größerer Landwirte, Eigentümer von Solaranlagen in der Bürgerschaft) überwiegen im Energieversorger so lange keine eigenen Landkreis die ökonomischen Verlierer EE-Geschäftsmodelle existieren Hoffnung der Akteure im Landkreis auf Forcierung der Ertüchtigung der Stromnetze für die Energiewende nach Übernahme der EnBW durch das Land Baden-Württemberg im Jahr 2011 6 Einnahme einer Vorreiterrolle Wettbewerbsvorteile und Wahrnehmung der Energiewende als Wertschöpfung durch EE als zentrales Argument der Energie-Initiative Kirchberg, der Wirtschaftswachstum Mittel zur Stärkung von Kreistagsfraktionen, der Verwaltung und des Landrats für die EE-Zielsetzung im Wettbewerbsfähigkeit und Landkreis und entsprechende Maßnahmen. Wertschöpfungseffekte konnten realisiert Wirtschaftswachstum vor dem werden (vgl. Tabelle 7) Hintergrund steigender fossiler Energiepreise Sichtbarkeit und Übernahme Sichtbarkeit der Regionen in Foren der Vorstellung der Aktivitäten des Landkreises in der Energiewende vor großem von Lösungsstrategien EE-Regionen-Community Fachpublikum der EE-Regionen-Community auf ‚3. Kongress Energieautonome

100 durch andere Länder sowie Adaption von Technologien und Kommunen’ im Jahr 2013

Unterstützung der Diffusion Politikinstrumenten durch Nachahmer in Konzept der Energie-Effizienztische des ‚Modell Hohenlohe‘ für Bundesministerium für von Umweltinnovationen der EE-Regionen-Community oder von Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Vorbild zur Förderung von 30 durch höheren Ebenen sowie Förderung von EE- Energie-Effizienztischen ab 2009 Merhebeneninteraktion und Energieeffizienztechnologien durch Austausch mit dem Stadtbezirk Taizhou in der chinesischen Provinz Jiangsu seit 2006 höhere Ebenen zu Fragen des EE-Ausbaus (u.a. Delegationsreise) Eigene Exkursionen zu Energiepionieren nach Güssing und in den Rhein-Hunsrück- Kreis 7 Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound-Effekte und Regionalisierung Suffizienz als Forderung Fokussierung der Kommunikation zum Fokussierung der politischen Diskussion zum Thema Energieeinsparung auf naturschutzorientierter Thema Energieeinsparung auf technische Maßnahmen im Gebäudebereich Minderheit Maßnahmen bei Energieberatung durch energieZentrum ausschließlich technische und Verweis auf Suffizienz von wenigen, fördermittelbezogene Themen besprochen vorwiegend naturschutzorientierten Adressierung von Suffizienz (z.B. Forderung nach Konsumeinschränkung und Akteuren Fleischverzicht) primär durch Umweltzentrum Schwäbisch Hall im Kontext geschilderter Konflikte zu EE-Ausbau

100 Fortsetzung Tabelle 9 Rebound-Effekte durch wirtschaftliches Wachstum als sinkender Stromverbrauch bei gleichzeitigem Anstieg anderer umweltrelevanter Förderung wirtschaftlichen mehrheitlich geteilte Zielsetzung Indikatoren mit steigender Wirtschaftsleistung (vgl. Tabelle 6 und Tabelle 7) Wachstums Umwandlung erzielter Einsparungen an Kritik an wirtschaftlichem Wachstum durch Umweltzentrum Schwäbisch Hall und Input-Faktoren in wirtschaftliches Verein ‚Hohenloher Franken’, der zeitweise eine Regionalwährung im Landkreis Wachstum betrieb Eintreten für weiteres wirtschaftliches Wachstum durch Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Landrat, Kämmerer und andere Akteure, z.B. rund um den jährlich in Schwäbisch Hall stattfindenden ‚Kongress der Weltmarktführer’ mehrheitliche Unterstützung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur gegen naturschutzorientierte Akteure (z.B. A6) Forderungen nach Teilhabe Forderung nach Teilhabe an den nach Windkraftliberalisierung Rat an Kommunen durch energieZentrum, auf Abschluss am wachsenden Wohlstand Gewinnen der Energiewende durch von Vorverträgen zu Windkraftstandorten mit regionsexternen Investoren zu regionale Akteursgruppen verzichten nach Bevölkerungsbefragung höchstes Vertrauen der Bevölkerung für regionale Investoren in EE-Ausbau 2012 Gründung Hohenlohe Wind eG zur Beteiligung an einem Windpark (Inbetriebnahme 2016) und Generierung von Wertschöpfung vor Ort aus EE-Ausbau

101 Steigerung der Produktivitätssteigerung im Rahmen des räumliche und Eigentumsstrukturen betreffende Dezentralisierung der ökonomischen Produktivität Aufbaus einer EE-basierten Energieerzeugung aufgrund wachsender Zahl an über das EEG geförderter Anlagen Energieversorgung und damit langfristig und EE-Anlagen in der Wärmeerzeugung Verkleinerung der über die Mechanismen Anstreben einer bilanziellen (keiner lastgerechten) EE-Selbstversorgung der Akteure des EEGs verbreiterten Akteursbasis vor Ort lastgerechte EE-Selbstversorgung unwahrscheinlich Überschneidung Versuch einer Akteurskoalition über Unterstützung des Projekts ‚Power to Change. Die EnergieRebellion’ als Nachfolge des ökologischer und Thematik der Energiewende bessere Films ‚Energy Autonomy’ durch Stadtwerke Schwäbisch Hall und Crailsheim, mehreren weltmarktorientierter Positionierung und Sichtbarkeit der Gemeinden und Firmen im Landkreis und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, um Regionalisierungskonzepte Region auf dem Weltmarkt zu erreichen die Erfolge der Energiewende in der Region präsentieren zu können (Filmidee durch möglich Energie-Initiative Kirchberg) Gleichzeitiges Vorhandensein von Labeling der geleisteten Arbeit im Energiebereich als Argument des Landrats für Akteuren mit aus umweltorientierten Anstreben des European Energy Awards Überlegungen heraus angestrebter Zielsetzung der Schaffung einer EE- Selbstversorgung möglich

101

5 Vergleichende Analyse regionaler Energiewendeprozesse im Lichte Ökologischer Modernisierung

5.1 Vorgehen Folgend werden die Ergebnisse der Fallstudie zum Landkreis Schwäbisch Hall (Kapitel 4) mit Erkenntnissen aus weiteren Studien verglichen und diskutiert. Empirische Grundlage hierfür sind neben der Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall die bereits genannten beiden weiteren Fallstudien des Autors zusammen mit C. Ruppert-Winkel (vgl. Kapitel 2.1.3) sowie empirische Ergebnisse aus Studien weiterer Autoren zu Erfolgsfaktoren, Hürden und teilweise auch Misserfolgen regionaler Energiewendeprozesse.

Außerdem werden Studien hinzugezogen, deren Ergebnisse zur Prüfung einzelner untersuchungsleitender Annahmen – wie beispielsweise zu Rebound-Effekten oder dem Stand der Integration einer Suffizienzstrategie in regionale Energiewendeprozesse – beitragen können.95 Bei häufig herangezogenen, für den Vergleich aussagekräftigen Studien, werden jeweils auch die Hintergründe in Fußnoten genauer dargestellt.

Die drei eigenen Fälle eignen sich in besonderem Maße für die beabsichtigte Diskussion: In allen Fällen wurde jeweils eine longitudinale Analyse des Prozesses vorgenommen, so dass auf der empirischen Basis Aussagen über zeitliche Entwicklungen und die im Rahmen des Konzepts Ökologischer Modernisierung relevanten Faktoren zur Stabilisierung des EE- Selbstversorgungsprozesses getroffen werden können.

Der Vergleich in Kapitel 5.2 folgt der Struktur des theoretischen Bezugsrahmens und den entsprechenden sieben untersuchungsleitenden Annahmen zu Erfolgsfaktoren, Hürden und erwartbaren Entwicklungen im Rahmen von regionalen Energiewendeprozessen (vgl. Kapitel 3).

5.2 Erfolgsfaktoren und Folgen der regionalen Energiewende

5.2.1 Erfolgsfaktoren der Förderung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung auf regionaler Ebene Zu der untersuchungsleitenden Annahme 1: In Vorreiterregionen existiert ein geeigneter, breiter policy mix, der konsistenz- und effizienzsteigernde Umweltinnovationen befördert. (vgl. auch Tabelle 3/1)

Die drei eigenen Fallstudien zeigten, dass in den unterschiedlichen Bereichen (übergreifende Maßnahmen, Unterstützung Dritter etc.) aus dem verfügbaren Instrumentarium des policy mixes zahlreiche Maßnahmen ergriffen wurden: Hervorzuheben ist im Landkreis Schwäbisch Hall vor allem das Programm zur energetischen Gebäudemodernisierung, das eingeführte Energiecontrolling und die Energieberichte sowie in Bezug auf die Unterstützung Dritter die durch den Betrieb von Photovoltaik-Anlagen (wirtschaftliche Aktivität) ermöglichte Arbeit des energieZentrums (Öffentlichkeitsarbeit, Beratung etc.). Auch die Durchführung von Projekten unter Akquise von Drittmitteln war von Bedeutung, um neue Impulse in den Prozess einzubringen (Erarbeitung eines geförderten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts).

95 In Einzelfällen werden neben Erkenntnissen, die sich auf Gemeinden und Landkreise beziehen auch Erkenntnisse berücksichtigt, die in Bezug auf kleinere Einheiten – wie Bioenergiedörfer – oder größere Einheiten – wie Kooperationen mehrerer Landkreise – gewonnen wurden. Insgesamt werden 34 Studien für die vergleichende Analyse verwendet. 103

Im Fall des Landkreises Steinfurt war diese Akquise-Tätigkeit im Energiebereich noch erfolgreicher und führte mit der Unterstützung des Landrats zu einem großen Personalstamm in der Kreisverwaltung für die Bereiche Klimaschutz und Energiewende. Durch die Initiierung verschiedener Netzwerke, u.a. ein Unternehmensnetzwerk und die Schaffung entsprechender Gremien (Fachkommission Klimaschutz) sowie des Klimaschutzbeirats wurden zudem Strukturen etabliert, die die effiziente Bearbeitung einer Vielzahl von Themen ermöglichte. Dazu zählt auch das Thema der energetischen Gebäudesanierung durch den Verein ‚Haus im Glück’ unter Beteiligung des Landkreises, aber auch das Thema ‚Suffizienz’ in Form eines Projektes, welches ‚Klimaschutzbürger’ zur Erprobung eines klimafreundlichen Handelns im Alltag unterstützte. Eine Vorbildrolle nahm die Kreisverwaltung explizit mit dem Vorhaben ‚Klimaneutrale Verwaltung 2030’ ein, in dessen Rahmen beispielsweise Energieeffizienzmaßnahmen im Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung durchgeführt und auch nach außen kommuniziert wurden (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 173). Ebenfalls konnten bereits zu Beginn durch die Organisation eines partizipativen Projektentwicklungsprozesses durch das Agenda 21-Büro Projekte im Bereich der Energiewende angestoßen werden, beispielsweise die Entwicklung einer Gemeinschaftsbiogasanlage oder des Projekts der ‚Ökoprofit-Runden’96 (ebd.). In der Gemeinde Morbach war die Schaffung eines entsprechenden Arbeitsbereichs ‚Energie’ in der Gemeindeverwaltung und die Besetzung mit einer Arbeitskraft bedeutsam für den Prozess. Hierüber wurden vor allem das große Interesse von ‚Energietouristen’ an der eingerichteten Energielandschaft abgewickelt (in der seit 2000 Windkraft, Photovoltaik-Anlagen und eine Biogasanlage, deren Abwärme für ein Pelletwerk dient, installiert wurden) und zugleich in Kooperation mit einem externen wissenschaftlichen Berater weitere Projektakquise betrieben. Auch ein kommunales Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung und Nutzung Erneuerbarer Energien für die Bevölkerung war eine Maßnahme, mit der die Gemeinde erhebliche Investitionen der Bürgerschaft in energiewendebezogene Maßnahmen ausgelöste (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 897). Die Zielsetzung zur EE-Selbstversorgung war in allen untersuchten Fällen ein wichtiges Element des policy mix, da damit für Akteure aus der Verwaltung, aber auch aus dem politischen Bereich ein Ansatzpunkt für die Forderung weiterer Maßnahmen vorlag. So wurde beispielsweise im Landkreis Schwäbisch Hall der Vorschlag der Verwaltung zur Ausarbeitung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts mit dem 100%-EE-Ziel begründet. In der Gemeinde Morbach und im Landkreis Steinfurt wurden Energiewendeprozess und der entsprechende Beschluss – in Morbach 2008, in Steinfurt 2010 getroffen – gar als Leitbild der kommunalen Entwicklung in den Fokus der Außendarstellung gerückt (‚Mit Energie Zukunft gestalten’ in der Gemeinde Morbach97, ‚energieland2050’ im Landkreis Steinfurt98). Lediglich im wirtschaftlichen Bereich waren die Maßnahmen in den drei Fallstudien weniger stark ausgeprägt. Dies liegt bei den Landkreisen daran, dass hier traditionell die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Tätigkeit begrenzt sind und auf dieser Ebene beispielsweise keine Stadtwerke zur Strom- und Wärmeversorgung oder dem Netzbetrieb existieren. In der relativ kleinen Gemeinde Morbach wiederum existierte kein eigener Energieversorger.

96 Ziel der Ökoprofit-Runden ist die Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes, damit verbunden die Einsparung von Kosten. Hierfür werden Beratungen und gemeinsame Workshops der Unternehmen durchgeführt, um voneinander zu lernen. 97 Vgl. Stablo und Ruppert-Winkel (2012: 899) 98 Vgl. Stablo und Ruppert-Winkel (2017: 173) 104

Auch die Untersuchung von Schönberger (2016: 210f.)99 zeigte, dass ein möglichst breiter policy mix unter anderem mit kommunalen Förderprogrammen ergänzend zum nationalen Rahmen und dem Annehmen einer Vorbildrolle durch Beachtung energetischer Aspekte in der Kommunalverwaltung Umweltinnovationen befördert und als wichtige Erfolgsbedingung angesehen werden konnte.

Ähnlich stellt Müller (2014)100 anhand konkreter einzelner regionaler Politiken fest, dass diese förderlich auf den Energiewendeprozess wirkten. Konkret werden genannt: ein politischer Beschluss, ein Klimaschutzkonzept als übergreifende Maßnahme und ein administrativ klar abgegrenztes Territorium die angestrebte Energiewende betreffend. So seien die Zuständigkeiten klar bestimmt „und die Verantwortung der Verwaltung für das Gebiet verspricht in der Regel personelle und finanzielle Kontinuität. Auch in der Außendarstellung ist die Definition der Region anhand von administrativen Grenzen leichter, wodurch Fördergelder schneller beantragt werden können.“ (ebd. 226). Letztgenannter Befund der administrativen Zuständigkeit wird im Bezugsrahmen der Ökologischen Modernisierung durch die Betonung des policy mix abgebildet. Dass eine Steuerung regionaler Energiewendeprozesse in Governance- Arrangements, die auf gleicher Ebene grenzübergreifend sind, deutlich herausfordernder ist, ist damit sehr wahrscheinlich und auch im Rahmen von Stadt-Umland-Kooperationen in der Energiewende bereits beobachtet worden (Lentzen et al. 2016 sowie Müller 2014: 226), da jede Kommune tendenziell auf das eigene Territorium fokussiert ist.

Während in den drei beobachteten Fällen sowie von Müller (2014) auch konkret die Institutionalisierung von Zuständigkeiten bezüglich des betreffenden Territoriums – beispielsweise einer Energieagentur – als Erfolgsfaktor identifiziert wird, ist dies nach Schönberger (2016) keine Erfolgsbedingung für den regionalen EE-Ausbau. Dies wird von ihm vor allem an einem Fall festgemacht, in dem ein erheblicher Windkraftausbau in einer Gemeinde stattfand. Dieser Erfolg kam vor allem durch externe Investoren auch ohne feste Zuständigkeiten und ein institutionalisiertes Prozessmanagement von öffentlicher Seite zu Stande. Hier spiegelte sich die Erfolgsdefinition Schönbergers wider, in der ein hoher EE-Anteil in nur einem Energiesektor als Erfolg definiert wurde. Soll dagegen in unterschiedlichen Sektoren unter Beteiligung verschiedener Akteursgruppen eine EE-Selbstversorgung unter Integration der Thematiken der Energieeinsparung erreicht werden, scheint eine entsprechende Institutionalisierung in der Verwaltung bzw. eines Prozessmanagements mit Schnittstelle zur Verwaltung als Bestandteil des policy mix erfolgsversprechend. Darüber hinausgehend zeigten die Ergebnisse der Fallstudie des Landkreises Steinfurt, dass diese Institutionalisierung in der Verwaltung ähnlich wie eine Stabstelle direkt an der Verwaltungsspitze mit kurzen Entscheidungswegen große Potenziale bietet (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 173).

Zu der untersuchungsleitenden Annahme 2: In Vorreiterregionen dienen die globalen, generellen Trends der verstärkten Wahrnehmung des Klimawandels und steigender fossiler

99 Schönberger (2016) ging anhand der Untersuchung von drei Städten, die er als Vorreiter der Energiewende bezeichnete (Kommunen bis 50.000 Einwohner: Stadt Emden, Stadt Prenzlau und Verbandgemeinde Alzey-Land), der Frage nach, welche politischen und sonstigen Bedingungen für einen erfolgreichen EE-Ausbau auf kommunaler Ebene erfüllt sein müssen. 100 Müller (2014) ging anhand von vier Fallstudien in ‚100ee-Regionen’ (Landkreise Hameln-Pyrmot, Marburg-Biedenkopf sowie Regionen Oberland als Zusammenschluss mehrerer Landkreise und Lübow- Krassow mit unklarer Regionsabgrenzung) der Frage nach, welche Faktoren den regionalen EE-Ausbau fördern. Die Autorin startete dabei mit der Prämisse, dass die Beteiligung der regionalen Akteure ursächlich für die Entwicklungen war. 105

Energiepreise als Motivation der Akteure zur Umsetzung der regionalen Energiewende. (vgl. auch Tabelle 3/2)

Im Landkreis Schwäbisch Hall wurde von den beteiligten Akteuren aus allen gesellschaftlichen Gruppen ein Bezug zur Thematik des Klimawandels und seiner Eingrenzung hergestellt (vgl. Zitat 11 und Tabelle 8/2). Auch in Morbach (vgl. Modell in Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 905) war die Thematik eine ganz wesentliche in der Argumentation der Befürworter vor Ort sowie auch in der Begründung des entsprechenden Förderprogramms zur finanziellen Unterstützung der Bevölkerung bei der Durchführung von energiebezogenen Maßnahmen. Im Landkreis Steinfurt spielte die Thematik die Meilensteine des Prozesses betreffend ebenfalls eine zentrale Rolle und es bildete sich ein umfangreiches Akteursnetzwerk um die Thematik der Energiewende und des Klimaschutzes (vgl. Schaubild in Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 172).

Gleichzeitig konnte die Thematik steigender fossiler Energiepreise und insbesondere des Erdöls im Landkreis Schwäbisch Hall (Zitat 3, Tabelle 8/2) und in der Gemeinde Morbach eindeutig als treibender Faktor für die Themen der Nutzung von EE und der Energieeinsparung ausgemacht werden. Die Visualisierung der Geld- und Energieströme in und aus der Region spielte eine wichtige Rolle, aus der die Vorteile einer weitgehenden Energieerzeugung vor Ort und eine Reduzierung der Energieverbräuche abgeleitet werden konnten (vgl. Modell in Stablo und Ruppert-Winkel 2012:905).

Diese Ergebnisse werden auch in anderen Studien bestätigt. In den von (Schönberger 2016: 225) untersuchten Kleinstädten wurden Bürgermeister, Stadtwerke und lokale EE-Unternehmen als treibende Kräfte, politische Parteien und die Verwaltung als unterstützende Kräfte der Energiewende identifiziert. Sie bildeten gemeinsam eine „breite Pro-EE-Koalition“ und teilten tiefe Kernüberzeugungen – insbesondere die Überzeugung, dass „der Klimawandel eine Bedrohung, der EE-Ausbau hingegen eine Chance zur Abwendung dieser Bedrohung darstellt“ und weiterhin, dass der „Förderung der lokalen Wirtschaft und Schaffung von Arbeitsplätzen eine hohe Wertigkeit zugemessen wird“, die über den EE-Ausbau erreicht werden könne. Auch Gailing et al. (2013: 29)101 stellten fest, dass die „ökologischen Gemeinwohlziele des Klimaschutzes (Ressourcenschonung, Emissionsminderung etc.)“ in der Regel in kleinen Kommunen mit dem Ziel der EE-Selbstversorgung „stillschweigend vorausgesetzt oder eher plakativ aufgeführt“ werden.102 In den Debatten und Entscheidungsprozessen werden die „Wiederherstellung und Sicherung der Wertschöpfung und Beschäftigung“ als ökonomische Gemeinwohlziele aufgeführt (ebd.). Kern et al. (2005: 78)103 stellten fest, dass Energiewende- und Klimaschutz-Vorreiter unter deutschen Großstädten „vor dem Hintergrund steigender

Energiepreise und –steuern“ ebenfalls CO2-Reduzierungmaßnahmen mit Ausgabenreduktionen verknüpfen. Es scheint, als könne insgesamt auf kommunaler Ebene davon ausgegangen werden,

101 Gailing et al. (2013) referieren räumliche Entwicklungen im Kontext der Energiewende in Deutschland und gehen dabei in einem Überblick auch auf bestehende Studien und eigene Befunde in Bezug auf regionale EE-Selbstversorgungsprozesse auf verschiedenen Ebenen (Dorf bis größere Region) ein. 102 Vgl. hierzu beispielhaft bestätigend auch eine Untersuchung in der Gemeinde Freiamt in Baden- Württemberg (Wen Li et al. 2013) 103 In der Studie von Kern et al. (2005) werden die Handlungsoptionen deutscher Kommunen als Akteure im Klimaschutz untersucht. Mittels quantitativer Befragung in deutschen Großstädten wird geprüft, wie die Kommunen diese Handlungsoptionen nutzen, und welche Rolle eine transnationale Vernetzung dabei spielt. Drei von den Autoren als Vorreiter identifizierte Städte (Heidelberg, Frankfurt am Main, Mü nchen) werden als qualitative Fallstudien untersucht. Durch die anschließende vergleichende Analyse werden zum einen generelle Erfolgsbedingungen fü r lokalen Klimaschutz, zum anderen spezifische Strategien herausgearbeitet, mit denen die Kommunen auf lokale Problemlagen reagieren. 106

dass die Reduktion von Ausgaben für fossile Energieträger eine wesentliche Motivation für Energiewendemaßnahmen darstellt. Zudem spielt die intensive Beschäftigung mit der Thematik des Klimaschutzes und das damit verbundene Wissen, mit welchem die Akteure in der Community in Kontakt kommen, tatsächlich eine Rolle als Beweggrund für die Aktivitäten der Akteure. Im Konfliktfall in Bezug auf konkrete EE-Projekte scheint es allerdings bedeutsam, die ökonomische Tragfähigkeit und Gewinnmöglichkeiten unter Beweis stellen zu können. So ergab eine mikrosoziologische Untersuchung in der Gemeinde Engelsbrand in Baden-Württemberg, dass in einer besonders wichtigen Sitzung eines runden Tisches zur Thematik des (letztlich gescheiterten) Windkraftausbaus ein Vertreter der Befürworter des Projekts den Kritikern des EE-Ausbaus, die den ökonomischen Nutzen für die Gemeinde in Zweifel zogen und auf Landschaftsveränderung und mögliche Gesundheitsfolgen hinwiesen, entgegnete: „‚Money is not the first issue for me. Our cooperative also wants to do something good for Engelsbrand. And when it comes to renewable energy, the ultimate goal is climate protection. I think this is an ethically valid goal, and we must not dwarf it by such calculations.’” (zitiert nach Reusswig et al. 2016b: 11104). Die Autoren folgerten: „By that move, the pro side had given away a core issue, and a claim that they had made for months: that the wind project would be profitable, and that it could combine individual with public benefits. Instead, it was now framed as a mere contribution in order to mitigate against climate change.“ (ebd.). Damit stünde hier „’a thick conception of the common good (health, landscape, local economy) versus an economically shaky propagation of a thin concept of the common good (climate protection).’“ (ebd.: 12).

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 3: Es ist zu erwarten, dass Vorreiterregionen eine hohe politische Kapazität aufweisen, womit günstige rechtliche, ökonomische und informationelle Rahmenbedingungen sowie eine breite unterstützende Akteurskonstellation gemeint sind. Gerade eine breite Bewegung umweltengagierter Akteure sollte in Vorreiterregionen eine wichtige Rolle spielen und Diskurse und etablierte Akteure beeinflussen sowie parallele alternative Strukturen zu bestehenden Strukturen aufbauen. Auch Einzelakteure und situationsspezifische oder strategische Einflussfaktoren können eine wichtige Rolle spielen. (vgl. Tabelle 3/3)

Rechtliche, externe und interne ökonomische Rahmenbedingungen sowie informationelle Rahmenbedingungen

In allen drei eigenen Fallstudien kann das EEG im Bereich der rechtlichen Rahmenbedingungen als zentrales Instrument zum EE-Ausbau im Stromsektor identifiziert werden. Dies wurde bereits vielfach beschrieben (Hauber und Ruppert-Winkel 2012) und nochmals in neueren Studien bestätigt (Müller 2014, Schönberger 2016).105 In Verbindung mit dem EEG und dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz kann die Strommarktliberalisierung in diesem Sektor gerade in Bezug auf den Prozess im Landkreis Schwäbisch und die dort aktiven Stadtwerke als vorteilhaft

104 Die Studie wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts ‚Energiekonflikte – Akzeptanzkriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Energiewende’ durchgeführt und befasste sich mit dem Fall einer Gemeinde in Baden-Württemberg. Es wurde untersucht, wie eine bezüglich des Windkraftausbau positive Stimmung in eine ablehnende Stimmung umschlagen konnte. 105 Schönberger (2016: 218) folgert daher, dass nicht „jede Ebene zwangsläufig ein eigenes ökonomisches Anreizinstrument benötigt, um umweltpolitischen Erfolg zu erzielen.“ Allerdings können entsprechend unspezifische Maßnahmen auch zu unerwünschten Folgen auf der beregelten Ebene führen, wie im Fall des Landkreises Steinfurt deutlich wurde, wo eine erhebliche Steigerung des Maisanbaus u.a. für die Energieproduktion in Biogasanlagen Naturschutzziele gefährdend stattfand (vgl. Stablo und Ruppert- Winkel 2017: 178 sowie Schlager et al. 2012 für den Landkreis Lüchow-Dannenberg). 107

für die Erweiterung deren Geschäftsfelder genannt werden (z.B. Dienstleistungen im Bereich gebündelter Stromeinkauf und Stromversorgung).

Bedeutsam waren weiterhin in den drei eigenen Fällen die in ihrer Zahl zunehmenden die EE- Regionen-Community betreffenden Förderprogramme und Wettbewerbe bis hin zur EU- Ebene.106 Diese verstärkte Förderung wird auch von Müller (2014: 241f.) als zentrale Erfolgsbedingung genannt.

Generell hatte Klimaschutz in Deutschland im Beobachtungszeitraum keine gesetzliche Grundlage und war für die kommunale Ebene freiwillige Aufgabe. Diese Rahmenbedingung hat für die Prozesse auf regionaler Ebene Folgen: Nach dem in der Analyse des Landkreises Steinfurt verwendeten Bezugsrahmen ist damit die Wahrscheinlichkeit für eine übergeordnete hierarchische Steuerung der Handlungen von Akteuren in diesem Politikfeld eher gering (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 163ff.). Zur Realisierung freiwilliger kommunaler Zielsetzungen zu Klimaschutz und Energiewende wäre daher theoretisch primär eine kooperationsorientierte Steuerung zu erwarten. Dies trifft im Fall des Landkreises Steinfurt zu: Netzwerke und Kooperationen konnten aufgrund der erfolgreichen Teilnahme an zahlreichen Wettbewerben und Förderprogrammen über eine Vielzahl von Projekten initiiert werden. Damit bestätigte sich hier auch die auf dem Bezugsrahmen basierende Annahme, dass Wettbewerbsanreize innerhalb regionaler Steuerungsstrukturen in der Regel eine geringe Rolle spielen, während sie von höheren Ebenen häufig zur Ausrichtung der Handlungen regionaler Akteure verwendet werden. Insofern bot der Bezugsrahmen aus Stabilisierungsbedingungen Lokaler Agenda 21-Prozesse in Kombination mit dem Ansatz der Regional Governance die Möglichkeit, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Steuerungsmodi auch im Hinblick auf die externen Rahmenbedingungen beschreiben zu können und eine Detailtiefe zu erreichen, die mit dem abstrakteren Ansatz Ökologischer Modernisierung nicht erreicht wurde (vgl. auch die untersuchungsleitenden Annahmen 4 zur Steuerungsstruktur).

Die internen ökonomischen Rahmenbedingungen waren ohne Zweifel förderlich sowohl im Landkreis Schwäbisch Hall wie auch in der Gemeinde Morbach und im Landkreis Steinfurt. Alle wiesen im Vergleich mit dem jeweiligen Bundesland unterdurchschnittliche Arbeitslosenzahlen und Pro-Kopf-Verschuldungsstände auf. Diese wirtschaftlich positiven Situationen spielten eine wichtige Rolle, vor allem im Hinblick auf den Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung mit relativ langen Amortisationszeiten für entsprechende Investitionen der Kommunen. Im Falle der Gemeinde Morbach ist in diesem Zusammenhang wiederum das Förderprogramm als freiwillige Aufgabe zur Unterstützung des EE-Ausbaus und von Effizienzmaßnahmen zu erwähnen. Im Landkreis Schwäbisch Hall wurden sehr ambitionierte Maßnahmen, wie die Konstruktion von kommunalen Liegenschaften in Passivhausbauweise – stattdessen wurde jedoch zumindest ein Niedrigenergiestandard festgelegt –, die als zu kostspielig angesehene Teilnahme am European Energy Award und die Besetzung einer halben Stelle im Bereich der Förderung des Fahrradverkehrs vom Kreistag zwar abgelehnt. Andererseits wurden ein Investitionsprogramm von 18. Mio € zur energetischen Sanierung der Liegenschaften aufgelegt und über viele Jahre hinweg erhebliche Investitionen in die Photovoltaik-Anlagen zur Finanzierung des energieZentrums getätigt, die über eine Bürgschaft des Landkreises ermöglicht

106 Erstellung einer EE-Potenzialstudie im Rahmen des VisNova-Projekts gefördert über den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung im Landkreis Schwäbisch Hall; Bewerbung im Rahmen des EU-Concerto- Programms als Möglichkeit zur stärkeren Integration der Bevölkerung in den Energiewendeprozess in der Gemeinde Morbach (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 897); LEADER-Förderung bei der Umsetzung von Klimaschutzprojekten im ländlichen Raum im Landkreis Steinfurt (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 179) 108

werden konnten. In der Startphase sicherte der Landkreis die Finanzierung mit einem Eigenanteil von 30.000 € pro Jahr zusätzlich zu dem baden-württembergischen Förderprogramm. Auch die Erstellung eines Klimaschutzkonzepts wurde im Landkreis mit einem Eigenanteil von 35 % im Rahmen des entsprechenden Bundesförderprogramms vom Kreistag bewilligt.

Auch Müller (2014: 234) weist auf die Bedeutung einer ausreichenden finanziellen Ausstattung der Kommunen hin, vor allem, um bei Förderungen durch nationale Programme den erforderlichen Eigenanteil zu erbringen. Zudem erfordere die Erstellung von Antragsunterlagen personelle Kapazitäten. Parallelen zeigen sich hier auch zu Erkenntnissen von Kern et al. (2005: 88), die in Bezug auf Großstädte davon ausgehen, dass die Wahrnehmung der freiwilligen Aufgabe Klimaschutz „offenbar einen entsprechenden finanziellen Rahmen“ voraussetze, denn unter den Bedingungen eines häufig bereits bestehenden Haushaltssicherungskonzepts könnten die Kommunen nicht mehr selbst entscheiden, „ob bestimmte freiwillige Aufgaben weiterhin durchgeführt werden sollen.“

Dagegen stellt Schönberger (2016: 222) fest, dass eine positive kommunale Haushaltslage „keine Voraussetzung für eine engagierte EE-Ausbaupolitik zu sein“ scheine. Grundlage für diese Feststellung sind zwei der von ihm untersuchten Städte, die im Vergleich zum Bundesschnitt höhere Arbeitslosenquoten bei gleichzeitigen EE-Aktivitäten aufwiesen. Dort wurde der EE- Ausbau „in Verbindung mit der Ansiedelung von EE-Unternehmen vor Ort als wichtiges lokalökonomisches Standbein und als Mittel zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit gesehen.“ (ebd.). Gleichzeitig betont er allerdings, dass die Haushaltslage ein „punktuelles Hindernis für bestimmte Klimaschutz- und Energiewendeprojekte“ sei und die jeweilige Kommune bei besserer finanzieller Ausstattung „noch mehr zu Energiewende und Klimaschutz beitragen würde, etwa durch die Errichtung städtischer Gebäude im Passivhausstandard, vermehrte energetische Sanierung im Wohnungsbau sowie ÖPNV-Ausbau.“ (ebd.).

Damit scheinen die Ergebnisse durchaus im Einklang mit den vorgenannten Erkenntnissen, die Restriktionen durch den Finanzspielraum der Kommunen gerade im investiven Bereich (z.B. energetische Gebäudemodernisierung der Liegenschaften) und im Hinblick auf über den von Privatinvestoren getragenen EE-Ausbau hinausgehende Aktivitäten sehen. Insofern bildet der Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung prinzipiell korrekt den Umstand ab, dass eine interne positive wirtschaftliche Situation der Kommune förderlich für energiewendebezogene Maßnahmen ist.

Im Hinblick auf die informationellen Rahmenbedingungen (Know-how in unterschiedlichen Bereichen) zeigte sich, dass im Landkreis Schwäbisch Hall sowohl in der Verwaltung selbst als auch im Bereich der weiteren involvierten Akteure hohe Wissenskapazitäten vorlagen. Dies betraf in der Verwaltung bzw. der zum Landkreis gehörigen Wirtschaftsförderungsgesellschaft das Know-how im Bereich der Drittmittelakquise und Erstellung von Finanzierungskonzepten (siehe Wettbewerb ‚Regionen aktiv’ sowie die Langfristfinanzierung des energieZentrums).107 Im technischen Bereich lagen über das Hochbauamt und der dortigen personellen Kontinuität maßgebliche Expertisen zur systematischen Bearbeitung des Themas ‚Energie’ die Liegenschaften betreffend vor. Im Bereich der im Energiesektor tätigen Unternehmen existierte

107 Ein gewisser Bruch in der kontinuierlichen Fortentwicklung nach dem Weggang des ersten Leiters des energieZentrums und einer Interimsbesetzung der Stelle konnte mit dem aktuellen Bearbeiter ausgeglichen werden, der weitere Projekte, wie die Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzeptes vorantrieb. 109

durch die Pioniere inklusive der Stadtwerke Schwäbisch Hall ebenfalls ein hohes Niveau an technischem und die Projektierung von EE-Vorhaben betreffendem Know-how. Auch in den von Schönberger (2016) analysierten Fällen sind es vor allem die Stadtwerke, die den Prozess vorantreiben.

In Morbach war das Wissen um die eigenen Handlungsmöglichkeiten als Kommunalverwaltung und –parlament zwar gegeben, es fehlte allerdings weitgehend die entsprechende Unternehmerschaft vor Ort, um Projekte realisieren zu können. Daher wurde auf externes Wissen eines EE-Pionierunternehmens und einer wissenschaftlichen Beratungseinrichtung zurückgegriffen, was zu einer gewissen Abhängigkeit beim Fortgang des Prozesses führte. Durch die gemeinsame Akquisetätigkeit konnten allerdings bereits einige Projekte umgesetzt werden und auch der EE-Beschluss wurde federführend durch das Institut ausgearbeitet (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 899).

Auf die Bedeutung die Antragsstellung betreffender Expertisen weist auch Müller (2014: 234) hin. In einer der von Schönberger (2016: 225) beobachteten Kommunen fokussierten sich die Aktivitäten lediglich auf Prozesse zur Errichtung weiterer Windkraftanlagen, woraus er schließt, dass die „Bekanntheit und die kognitive Wahrnehmung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten notwendige Voraussetzungen für die Ausschöpfung des bestehenden Spielraums zum EE-Ausbau auf kommunaler Ebene sind.“ Dieser Spielraum wurde im Landkreis Steinfurt in hohem Maße ausgenutzt, da über das Agenda21-Büro so viele Ressourcen akquiriert werden konnten, dass die Thematiken der Energiewende und des Kommunalen Klimaschutzes in verschiedenen Netzwerken und der Verwaltung verankert wurde (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 170ff.).

In Bezug auf zivilgesellschaftliches Know-how wurde im Landkreis Schwäbisch Hall die Energie- Initiative Kirchberg als zentrale Wissensressource für den Energiewendeprozess identifiziert. Das Umweltzentrum Schwäbisch Hall wiederum wies auf Basis seiner naturschutzfachlichen Expertisen auf die Grenzen des EE-Ausbaus hin, wie dies auch im Fall des Landkreises Steinfurt in Bezug auf die Bioenergienutzung von Seiten des Naturschutzes geschah. In beiden Fällen war allerdings festzustellen, dass diesen Akteuren für eine entscheidende Beeinflussung der Debatten und Prozesse entsprechende Ressourcen fehlten.108

Unterstützerkoalition, umweltengagierte Akteure, Einzelakteure und situationsspezifische bzw. strategische Einflussfaktoren

Im Landkreis Schwäbisch Hall kann von einer günstigen Akteurskonstellation für regionale Energiewende und Klimaschutz gesprochen werden. Zur der Koalition der Unterstützer, die auch den seit 2004 amtierenden Landrat zunehmend miteinschloss, können parteiübergreifend die Fraktionen im Kreistag gezählt werden. Zur Koalition gehörten weiterhin die Pionierunternehmen im EE-Bereich unter Einschluss der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und das mit den Unternehmen in Verbindung stehende ökologisch- technologisch ausgerichtete und seit den 1980er Jahren gewachsene zivilgesellschaftliche Netzwerk aus Umweltengagierten, das den Prozess entscheidend beeinflusste. Hier war zudem die Technologieentwicklung im Bereich Biogas bedeutsam. Auch in Morbach zeigte sich diese Konstellation, wobei wesentliche Impulse hier nicht nur von den Umweltengagierten vor Ort ausgingen, sondern auch durch externe teils wissenschaftliche Experten und Unternehmen sowie vom Bürgermeister, der das EE-Thema zunehmend als zentral für die

108 Vgl. für den Landkreis Steinfurt Stablo und Ruppert-Winkel (2017: 178) 110

Kommunalentwicklung identifizierte (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 899 und 908). Ähnlich stellt Schönberger (2016: 226) fest, dass in zwei der beobachteten Fälle die jeweiligen Bürgermeister wesentliche Unterstützer der Energiewende waren und in Koalition mit den Stadtwerken und lokalen EE-Unternehmen die Energiewende vorantrieben, wobei Politik und Verwaltung überwiegend unterstützend wirkten. Im Fall des Landkreises Steinfurt war diese Koalition aus Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft ebenfalls deutlich, manifestiert in einem Unternehmensnetzwerk – welches auch maßgeblich für den 100%-EE- Beschluss des Kreistags verantwortlich zeichnete – sowie auch im Klimaschutzbeirat, der zivilgesellschaftliche Akteure direkt an die Kreispolitik anbindet (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 176 und 181). Weniger deutlich wurde im Landkreis Steinfurt – wie auch bei den von Schönberger (2016) untersuchten Fällen –, inwiefern zivilgesellschaftliche, umweltengagierte Akteure zur Entstehung des Prozesses beigetragen haben. Allerdings ist bekannt, dass der Agenda21-Prozess in Steinfurt durch eine Kooperation aus lokaler Gruppierung des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Brot für die Welt angeregt und letztlich vom Kreistag beschlossen wurde. Auch in einem der vier von Müller (2014) betrachteten Fälle waren Vertreter der regionalen Einheiten dieses Umweltverbandes Initiatoren des Energiewendeprozesses, in zwei weiteren Fällen Agenda 21-Prozesse. Bei Schönberger (2016) traf dies in einem von drei Fällen zu, während die Initiierung bei den beiden weiteren nicht detailliert ausgeführt wurde. In einer Interviewstudie mit den Initiatoren von Bioenergiedörfern stellten Wüste und Schmuck (2012: 249)109 fest, dass die „majority of the interviewed persons mentioned ecological motives […], such as a ‚sensible use of the natural resources of the planet’ or a ‚contribution to climate protection’. Some of the interviewees characterized themselves as a ‚passionate nature lover’ or were engaged in the ‚anti-nuclear movement’.”

Während Müller (2014: 246) konstatiert, dass in den von ihr untersuchten Regionen Akteure aus der Forschung nur „partiell” eingebunden waren und „daher kein wichtiger Aspekt für die erfolgreiche Entwicklung des regionalen Prozesses zu sein” scheine, waren wissenschaftliche Einrichtungen in den drei eigenen Fallstudien bedeutsam. Im Landkreis Schwäbisch Hall war die Hochschule Künzelsau mehrmaliger Kooperationspartner, unter anderem bei der Konzeption des energieZentrums und im Prozess zu ‚Hohenlohe aktiv’. Im Landkreis Steinfurt erstellte die

Hochschule Münster beispielsweise CO2-Bilanzen für den Landkreis, auf deren Basis die politische Zielsetzung, bis 2050 bilanziell energieautark zu werden, abgeleitet wurde (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 170). In der Gemeinde Morbach wiederum zeichnete eine wissenschaftliche Beratungseinrichtung aus einer Nachbargemeinde für die Erstellung des Konzepts der ‚Morbacher Energielandschaft’ verantwortlich, ohne die die Gemeinde nicht den Status einer Vorreiterregion erreicht hätte (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 896). Auch wenn das Ergebnis nicht eindeutig ist, erscheinen wissenschaftliche Einrichtungen durchaus eine Rolle in regionalen Energiewendeprozessen zu spielen.110

In Bezug auf Unternehmen außerhalb des Energiesektors existierte mit dem Lebensmittelcluster und dessen vom energieZentrum moderierten Arbeitskreis ‚Energie’ im Landkreis Schwäbisch Hall ein Modell des lernenden Netzwerks wie auch mit den durch das ‚Modell Hohenlohe‘ entwickelten und später in Kooperation mit der IHK Heilbronn-Franken durchgeführten

109 Wüste und Schmuck führten Interviews mit 25 Initiatoren von Bioenergiedörfern durch und leiteten induktiv Erfolgsfaktoren einer Umstellung des Energiesystems in solchen Dörfern ab. 110 Auch das Institut für angewandtes Stoffstrommanagement und die Deutsche Umwelthilfe weisen auf Basis einer Analyse kommunaler Energiewendeprozesse darauf hin, dass gerade regional ansässige Hochschulen vor allem im Bereich der Evaluation von Erfolgen wichtige Beiträge leisten können (Institut für angewandtes Stoffstrommanagement und die Deutsche Umwelthilfe 2015: 24) 111

Energie-Effizienz-Tischen wichtige Institutionalisierungen zur systematischen Bearbeitung von Energiefragen. Deutlich wurde dabei, wie von Hillebrand (2013: 667) auch insgesamt für Deutschland nachgezeichnet, dass „higher, more volatile energy prices increase business risks for polluting industries, thus providing an additional incentive to engage in E[cological] M[odranisation].“ Auch im Landkreis Steinfurt wurden außerhalb des Energiesektors Unternehmen durch die seit 2003 durchgeführten und vom Land Nordrhein-Westfalen teilfinanzierten Ökoprofit-Runden in den Prozess eingebunden (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 173).

Bezüglich der Kommunalpolitik weist Schönberger (2016: 219) darauf hin, dass eine transparente Information und Offenheit bedeutsam für den Erfolg der Prozesse sei, so dass auch „andere Meinungen als die der Mehrheitskoalition Gehör finden.“111 Seine Fallstudien lieferten im Übrigen keine Anhaltpunkte dafür, dass „parteipolitischen Besetzung von Gemeindevertretung und Bürgermeisteramt eine entscheidende Erklärungskraft bezüglich des Erfolgs der örtlichen EE-Politik zukommt“ (ebd.: 217). Dies kann auch in Bezug auf die drei eigenen Fälle bestätigt werden, in denen zwar die Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen bezüglich der Energiewende lautstark Maßnahmen forderten, aber auch aus den anderen Parteien entsprechende Forderungen erhoben und von teils parteiloser oder CDU-angehöriger Verwaltungsspitze unterstützt oder sogar maßgeblich initiiert wurden. Gerade im Fall der Gemeinde Morbach zeigte sich, dass eine offene Atmosphäre mit dem neuen Bürgermeister geschaffen wurde, die sich auf das kommunalpolitische Klima und den Energiewendeprozess, hinter dem er alle Fraktionen versammeln konnte, positiv auswirkte (Stablo und Ruppert Winkel 2012: 912). Damit wird auch die Bedeutung einzelner Akteure deutlich. Diese zeigte sich im Fall des Landkreises Steinfurt im Leiter des Agenda21-Büros. Bei diesen Akteuren handelt es sich um die von Tischer et al. (2006: 118ff.) genannten und auch von Müller (2014) als bedeutsam bestätigten ‚Kümmerer’, von denen derartige komplexe Prozesse wesentlich abhängen, da sie wichtige Funktionen wie die Koordination oder Motorfunktion ausüben. Im Fall des Landkreises Steinfurt kam neben der gegenseitigen Ergänzung des Leiters des Agenda 21- Büros und der ebenfalls wichtigen Person des Landrats ein situationsspezifischer förderlicher Faktor hinzu: Der Landrat war vor Aufnahme seiner Tätigkeit im Landkreis Steinfurt bereits für den Aufbau eines Agenda21-Büros an anderer Stelle verantwortlich und musste daher Wissen um und Überzeugung für entsprechende Prozesse nicht neu erwerben (Stablo und Ruppert- Winkel 2017: 181). In der Gemeinde Morbach kam als situationsspezifischer Faktor der nach Auflösung eines US-amerikanischen Munitionsdepots Mitte der 1990er Jahre frei gewordenen Konversionsfläche und die gleichzeitige Suche von Investoren nach windhöffigen Standorten für die Einrichtung der ‚Morbacher Energielandschaft’ eine wichtige Rolle zu (Stablo und Ruppert- Winkel 2012: 896).

Als strategischer Faktor kann im Landkreis Steinfurt das Vorgehen des Landrats in Zusammenarbeit mit dem Agenda21-Büro ausgemacht werden, mit der Zielsetzung, die Energiewende vor Ort mit den Akteuren aus dem Landkreis umzusetzen und dafür systematisch Netzwerke aufzubauen (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 175). Im Falle der Gemeinde Morbach ist hier zu nennen, dass der EE-Beschluss explizit im Hinblick auf die dadurch erwarteten verbesserten Fördermöglichkeiten gefasst und die Energiewende als zentrales Thema für das Standortmarketing verwendet wurde (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 899), während im Landkreis Schwäbisch Hall genau umgekehrt, das Thema der regionalen Energiewende nicht als

111 Vgl. für Bioenergiedörfer auch die Untersuchung von Wüste und Schmuck (2012: 250), die die Unterstützung für EE-Projekte durch Gemeinderat und Bürgermeister als wesentlich hervorheben. 112

Alleinstellungmerkmal im Vergleich zu der hohenlohischen Landwirtschaft wahrgenommen und damit auch nicht offensiv vermarktet wurde.

Wie eine Bevölkerungsbefragung zeigte (Kress und Jakob 2013a), waren trotz dieser Zurückhaltung in der Öffentlichkeitsarbeit einem Großteil der Bevölkerung das Ziel und die Thematik der Energiewende im Landkreis Schwäbisch Hall bekannt und wurden unterstützt.112 Auch in der Gemeinde Morbach wurde der Prozess von der Bevölkerung im Beobachtungszeitraum bis 2012 positiv begleitet113, wovon tendenziell auch im Landkreis Steinfurt ausgegangen werden kann, in dem beispielsweise keine Bürgerinitiativen gegen den EE-Ausbau bekannt waren.114

5.2.2 Erwartbare politisch-ökonomische und umweltbezogene Folgen im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 4: In Vorreiterregionen ist zu erwarten, dass über die Ausbildung entsprechender Steuerungsstrukturen unter Einbeziehung unterschiedlicher Akteursgruppen in Strategieerarbeitung und Projektrealisierung eine Akzeptanzsteigerung der regionalen Energiewende erreicht wird. Dabei behalten Kommunalparlamente allerdings eine wichtige Bedeutung, da ohne Unterstützung der Kommunalpolitik in Partizipationsprozessen erarbeitete Ergebnisse nur eine geringe Bindungswirkung für das Handeln von Akteuren haben. Zum Erhalt der Entscheidungsfähigkeit werden einzelne Bürger nur bedingt in Aushandlungsprozesse eingebunden. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass der Schutz von Umweltgütern mit hohen Kollektivgutanteilen (ohne Win-win-Potenziale) sich auch im Rahmen der regionalen Steuerungsstrukturen in Bezug auf die Energiewende als schwierig erweist. (vgl. Tabelle 3/4)

Im Landkreis Schwäbisch Hall wurden im Beobachtungszeitraum bis 2012 keine Aushandlungsarenen oder Netzwerke für die Energiewende betreffende spezifische Themen im Gegensatz zum Landkreis Steinfurt eingerichtet, wo eine partizipative Erstellung eines Klimaschutzkonzepts, die Erarbeitung einer Bioenergiestrategie, die Erarbeitung von kreisweit geltenden Richtlinien für den Windkraftausbau unter Integration der Kommunen und der Aufbau eines Netzwerks inklusive der Kommunen zur Förderung der energetischen Gebäudemodernisierung erfolgte (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 171, 176 und 180). Im Zuge der Verabschiedung der EE-Zielsetzung wurde im Landkreis Schwäbisch Hall zwar auch ein entsprechender Arbeitskreis eingesetzt, dessen wesentliches Projekt, der ‚Energieatlas’, aber wiederum nur auf die Aktivitäten der einzelnen Akteure für eine regionale Energiewende einging, ohne partizipativ eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Dass keine entsprechenden Aushandlungsarenen existieren, bedeutet wie bereits dargelegt allerdings nicht, dass eine Beeinflussung der Kreispolitik durch Akteure außerhalb des Kreistages im Energiebereich nicht stattgefunden hätte oder zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Landkreis nicht am EE-Ausbau

112 Wobei in Bezug auf konkrete Projekte durchaus Widerstand in der Bevölkerung entstand, der sich in Form von zwei Bürgerinitiativen manifestierte (vgl. auch die untersuchungsleitenden Annahmen 4 und 5 weiter unten). 113 Vgl. Kress und Jakob (2013b) 114 Eine Studie zur Akzeptanz von EE in drei kreisangehörigen Gemeinden, zeigte, dass die „befragten Personen erneuerbare Energien allgemein und im Speziellen auch Biogasanlagen und Windkraftanlagen insgesamt positiv bewerten. Ein wesentlicher Punkt scheint dabei die Überzeugung zu sein, dass die Nutzung erneuerbarer Energien zur regionalen Wertschöpfung beitragen kann. Bezogen auf die Frage nach Anlagen vor Ort, also im direkten Lebensumfeld der Befragten, fällt die Befürwortung zwar geringer aus als die allgemeine Zustimmung, liegt aber immer noch bei 50,8 % für Biogasanlagen und bei 66 % für Windkraftanlagen.“ (Schweizer-Ries et al. 2010: 90) 113

und der Zielsetzung beteiligt wären. Auch wurde projektspezifisch zwischen verschiedenen dieser Akteure kooperiert (Stadtwerke, Landratsamt, Novatech, Ökoprojekte Gronbach, Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, Fachhochschule Künzelsau, einzelne kreisangehörige Gemeinden).

Die Einstellung der Bevölkerung gegenüber EE-Projekten und der Energiewende vor Ort war zudem auch ohne systematische Einbeziehung positiv, wie u.a. die Bevölkerungsbefragung und die Aktivitäten in einzelnen Kommunen, wie beispielsweise in Wolpertshausen, aber auch in der Stadt Schwäbisch Hall mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall als wichtigem Akteur zeigten. Auch erkannten energieZentrum, Verwaltung und Landrat das Defizit eines noch nicht ausreichend strukturierten Vorgehens zur gemeinsamen Erreichung der EE-Zielsetzung im Landkreis und regten die Teilnahme am European Energy Award und nach dessen Ablehnung durch CDU und Freie Wähler die partizipative Erstellung eines Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts an. Der Versuch zur Einbindung von einzelnen Bürgern in die Erstellung einer Energiestrategie für den Landkreis konnte nicht beobachtet werden, was eventuell auch die Haltung der Teilnehmer der Bevölkerungsumfrage erklären könnte: Während 84 % meinten, dass die Bürger bei der Planung des EE-Ausbaus mitentscheiden sollten, sahen dies nur 21 % verwirklicht. Auch im Landkreis Steinfurt, in dem die Verwaltung mit dem Agenda21-Büro stark auf ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement orientiert ist, lässt sich in der Regel keine Einbeziehung einzelner Bürger nachzeichnen. Hier fand die Erarbeitung von Strategien seit Beginn des Prozesses an als ‚Top-down’-Steuerung durch Agenda 21-Büro und Landrat statt. So standen die auf Landkreisebene bestehenden Organisationen bei der Integration im Fokus (Landwirtschaftsverband, Naturschutzverbände, Banken etc.). Durch diese Arrangements konnten letztlich wesentliche die Kreisebene betreffende Ergebnisse erzielt werden, wie beispielsweise die Erarbeitung von Richtlinien zum Windkraftausbau (weitere siehe oben). Als hilfreich wurde es im Landkreis Steinfurt von Seiten der Verwaltung betont, dass projektbezogene Kooperationen verschiedener Akteure mit einem Nutzen für alle Beteiligten wichtig für die Integration von Akteuren in den Prozess waren (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 175f.). Auch in der Gemeinde Morbach lief ein so genannter Standortmarketingprozess, in dem das Thema Energie letztlich als Aufhänger für die Außendarstellung fungierte, unter ‚Top- down’-Steuerung und mit dem Ziel konkreter Projektentwicklung ab. Die Verwaltung berief dazu Fachpersonen aus der Bevölkerung in die Arbeitskreise (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 898). Letztlich wurden in den drei Fällen die wesentlichen Entscheidungen, die in partizipativen Prozessen vorbereitet wurden und die zum Teil finanzieller Beteiligungen der administrativen Einheiten bedurften, durch Kreistage bzw. durch die Gemeinderäte getroffen (z.B. zu einem im Rahmen des Standortmarketingprozesses entwickelten Förderprogramm für EE und Energieeffizienzmaßnahmen in Morbach) und erhielten dadurch Bindungswirkung oder eben auch nicht (siehe unten Bioenergiestrategie im Kreis Steinfurt, die nicht im Kreistag beschlossen wurde). Die Legitimität von Partizipationsprozessen durch die politischen Gremien wurde auch im Landkreis Steinfurt als eine wesentliche Voraussetzung dafür gesehen, dass in solchen Aushandlungsstrukturen erzielte Ergebnisse insgesamt auf Akzeptanz stoßen (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 180).

Generell kann demnach die Partizipation der Stakeholder als förderlich für ein strukturiertes Verfolgen der Zielsetzung einer EE-Selbstversorgung unter Bearbeitung verschiedener Handlungsfelder angesehen werden, die letztlich zur Stabilisierung des Prozesses beiträgt. Dies wird von Müller (2014: 245) bestätigt. Sie weist zudem darauf hin, dass für die Organisation derartiger netzwerkartiger Austauschprozesse und daraus entstehender Projekte ein

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institutionalisierter Ansprechpartner bedeutsam sei. Ein solcher wurde mit dem Agenda 21- Büro im Landkreis Steinfurt und im Landkreis Schwäbisch Hall mit dem energieZentrum als Energieagentur geschaffen. Das Agenda 21-Büro konnte mit der hohen Ressourcenausstattung (18 Personalstellen) jedoch eine viel größere Wirkung erzielen als das energieZentrum im Landkreis Schwäbisch Hall.

Wie in Kapitel 2.1.3 dargestellt, wird in Empfehlungen häufig der Integration von Akteuren in Strategie- und konkrete Projektentwicklung ein Konfliktlösungspotenzial zugesprochen. Mehrere konfliktträchtige Situationen (Palmölkraftwerk, Windkraftprojekte) konnten in Bezug auf den EE-Ausbau im Landkreis Schwäbisch Hall beobachtet werden. In Bezug auf die Windkraft bildeten sich auch die beiden in Kapitel 4.3.5 genannten Bürgerinitiativen, deren Proteste letztlich scheiterten. Die Frage, ob eine bessere Vernetzung und Organisation von Partizipationsprozessen durch eine Prozessmanagementeinrichtung die Konflikte hätte verhindern können, kann nicht beantwortet werden und bleibt für die Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall offen. Konsensuale Lösungen in partizipationsorientierten Prozessen mit Einbezug beispielsweise von lokalen Naturschutzverbänden scheinen aber in Problemlagen mit hohen Kollektivgutanteilen, wie etwa in Auseinandersetzungen um den Ausbau der Windkraft mit Folgen für Artenschutz und Landschaftsbild, nur schwer erreichbar. Auch die partizipativ und konsensual erarbeitete Bioenergiestrategie im Landkreis Steinfurt, in der u.a. niedergelegt wurde, dass ein Ausbau der Flächen für den Energiepflanzenanbau nur bei Nutzungsänderung (Aufgabe Veredelungsbetrieb und anstelle dessen Energiepflanzenanbau) erfolgen solle, steht nicht im Widerspruch zu obiger These. Denn ihr wurde von den Akteuren vor Ort nur eine geringe Bindungswirkung zugeschrieben (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 177f.).

Gailing et al. (2013: 30) stellten fest, dass in Dörfern über das Werben lokaler Eliten unter hohem Zeit- und Ressourcenaufwand die Herstellung von Konsensen zwischen kommunalen Interessengruppen bzw. die Erzeugung eines „Konformitätszwanges“ zu bestimmten EE- Projekten noch denkbar sei. In vielen Bioenergiedörfern konnte ein durch die gemeinsamen Anstrengungen der Akteure vor Ort „improved sense of togetherness, well-being and identification with the village“ beobachtet werden (Wüst und Schmuck 2012: 254). In größeren Kommunen seien relevante Gemeinwohlziele bezüglich des dezentralen Ausbaus von EE wie Landschafts- oder Naturschutz dagegen „hoch umstritten“ und führten häufig zu zivilgesellschaftlichen Protestbewegungen (Gailing et al. 2013: 30).

In zwei seiner Fallstudien beobachtete Schönberger (2016) keine Probleme beim Ausbau der Windkraft. Der Argumentation des Autors folgend, könne dies damit zusammenhängen, dass Gegnern des Windkraftausbaus bei einzelnen Projekten durch die Einhaltung eines Mindestabstands von 1.000 Metern von Wohnbebauung Angriffsfläche genommen wurde. In der dritten Fallstudie existiert eine Anti-Windkraft-Bewegung, die aber von einer Pro-Windkraft- Koalition dominiert wurde. Schönberger konstatiert, dass die örtlichen Gruppen der Umweltverbände konkreten EE-Projekten vor Ort oftmals skeptischer gegenüberträten, als es „das proaktive EE-politische Verhalten derselben Verbände auf Bundesebene vermuten lassen würde. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich damit erklären, dass es vor Ort um die Frage konkreter Standorte geht, bei denen beispielsweise der Vogelschutz der Windkraftnutzung entgegenstehen kann.“ (ebd.: 226). Ähnliches stellte Müller (2014: 234) in Bezug auf Bioenergie und vor allem die Windkraft fest. Vor Ort stellten sich oftmals „Naturschutzverbände gegen Unterstützer des Ausbaus der erneuerbaren Energien“.

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Es gibt in diesem Kontext über bestimmte Modelle durch eine Kombination aus Integration von Akteuren in der Region in Entscheidungsprozesse, Konzentration von Windkraftanlagen bzw. Festlegung von Ausschlussgebieten im Sinne des Landschafts- und Naturschutzes sowie ökonomische Ausgleichsmaßnahmen zwischen Kommunen mit und ohne Windkraftstandorten wohl Möglichkeiten, von unterschiedlichen Interessengruppen getragene Lösungen zu erreichen, wobei die wirtschaftlichen Abwägungen wiederum die Klammer darzustellen scheinen (vgl. Arifi et al. im Druck).115

Gailing und Röhring (2016) stellen allerdings in Frage, ob Partizipation und Kooperation (in der Studie als ‚collaborative governance’ bezeichnet) tatsächlich entscheidend sind, damit Regionen eine Vorreiterrolle im EE-Ausbau einnehmen. Die Energiewendeprozesse im Landkreis Lüchow- Dannenberg in Niedersachsen und dem benachbarten, durch die Elbe von Niedersachsen getrennten Landkreis Prignitz in Brandenburg wurden verglichen. Der Fall des Landkreises Lüchow-Dannenberg wurde als Beispiel einer ausgeprägten ‚collaborative governance’ identifiziert, da Akteure aus einem regionalen Netzwerk den Prozess initiierten und trugen, lokale Entrepreneurs in den EE-Ausbau einbezogen wurden, erhebliche Fördermittel zur Regionalentwicklung eingeworben und einer tiefe Verankerung der Energiewende in der Region und der Bevölkerung erreicht wurde.116 In Prignitz war dies alles nicht der Fall. Viele Konflikte vor allem in Bezug auf den Windkraftausbau waren zu verzeichnen, die Akteure vor Ort legten gegenüber Förderprogrammen eher ein passives Verhalten an den Tag, Planungen liefen eher hierarchisch nach formalen Planungsinstrumenten und weniger über Beteiligung der Akteure vor Ort ab, als im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Allerdings war in Prignitz der bilanzielle EE- Versorgungsgrad im Stromsektor mit 270 % wesentlich höher als in Lüchow-Dannenberg, vor allem bedingt durch erhebliche Investitionen regionsexterner Investoren in große Biogas- vor allem aber Windkraftanlagen, weitgehend ohne finanzielle Beteiligung der Akteure vor Ort. Bezogen auf die hohen EE-Ausbauzahlen, so die Autoren, könnte der Landkreis Prignitz eigentlich als Vorreiter und Erfolgsbeispiel für die Energiewende gelten. Zwar herrsche in der Region eine erhebliche Unzufriedenheit in der Bevölkerung und es entstanden erheblich Widerstände dagegen von Investoren als reine „‚installation site’ for the production of renewable energy [...]“ zu dienen (ebd.: 6), aber ein erheblicher EE-Ausbau sei ohne ‚collaborative governance’ und auch ohne Akzeptanz der Bevölkerung offenbar erreichbar. Als These formulieren die Autoren, dass dafür (1) die verfügbaren EE-Potenziale in Verbindung mit den aus der DDR-Zeit resultierenden landwirtschaftlichen Großflächen (Biogas) verantwortlich zeichnen, (2) Machtverhältnisse (inklusive des Planungsrechts als hierarchisches Steuerungsinstrument) eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des Baus von EE-Anlagen spielten und (3) ‚Key actors’ bedeutsam seien, die im Falle von Lüchow-Dannenberg in der Region verankert seien, im Falle des Landkreises Prignitz dagegen eher außerhalb (Investoren).

Aus der Perspektive des theoretischen Bezugsrahmens Ökologischer Modernisierung wie auch des im Falle des Landkreises Steinfurt verwendeten Bezugsrahmens aus einer Kombination der Stabilisierungsbedingungen von Agenda 21-Prozessen und dem Ansatz der Regional Governance

115 Arifi et al. (im Druck) beschreiben den so genannten ‚Solidarpakt’ im Bereich der Windkraft in der Verbandgemeinde Simmern in der Pionierregion Rhein-Hunsrück-Kreis: Um einen Teil des Waldes mit hoher naturschutzfachlicher und landschaftsästhetischer Bedeutung in der Verbandsgemeinde frei von Windkraftanlagen zu halten, wurde ein Mechanismus entwickelt, nach dem die der Verbandsgemeinde angehörigen Gemeinden mit Windkraftanlagen einen Teil ihrer Gewinne an die Gemeinden, die keine Windkraftanlagen auf ihrem Gebiet errichten lassen können, abgeben. 116 Vgl. auch das Drei-Phasen-Modell von Hauber und Ruppert-Winkel (2012), welches unter anderem auf Basis der Analyse des Landkreises Lüchow-Dannenberg entwickelt wurde. 116

sind in Bezug auf die Entwicklungen im Landkreis Prignitz Anmerkungen möglich. Eher abstrakt bleibt der Ansatz Ökologischer Modernisierung, nach dem die moderne westliche Gesellschaft „von Anfang an auf die Verwirklichung eines Inklusionsprogramms ausgerichtet [ist], das auf die möglichst weitgehende Teilhabe der Bürger an der Gesellschaft zielt“, darunter auch das Programm, das auf „die Teilhabe der Bürger am wachsenden Wohlstand“ zielt (Münch 2009: 152). Dies gilt auch für eine EE-Selbstversorgung in dem Sinne, dass ökonomische Vorteile für die Akteure vor Ort glaubhaft dargestellt sein müssen und eine Beeinflussung von Entscheidungen die Energiewende betreffend möglich sein muss. Werden diese Versprechen nicht eingelöst, so verlieren das Programm der modernen Gesellschaft und speziell auch das einer Ökologischen Modernisierung an Bindungswirkung. Da nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung Akteure aus der Wirtschaft allerdings zentral für die Diffusion von Umweltinnovationen sind, ist es – wenn über die gegebenen Rahmenbedingungen entsprechende Renditen in Aussicht stehen – wahrscheinlich, dass Prozesse auch von Investoren maßgeblich beeinflusst sein können (Mol 2012).

Der im Falle des Landkreises Steinfurt verwendete theoretische Bezugsrahmen als Kombination von Stabilisierungsbedingungen Lokaler Agenda 21-Prozesse und dem Ansatz der Regional Governance ließ die Schlussfolgerung zu, dass die Verstetigung und Stabilisierung des Prozesses sich besonders in der Institutionalisierung einer zentralen Prozessmanagementstelle mit hoher Personalausstattung, vielfältigen Netzwerken und Anbindung zivilgesellschaftlicher Akteure an die politische Sphäre manifestiert. Dadurch seien Strukturen geschaffen worden, „die auch bei sich ändernden Rahmenbedingungen (beispielsweise des EEGs) nicht ohne weiteres auflösbar sind und die Transformation des regionalen Energiesystems unterstützen.“ (Stablo und Ruppert- Winkel 2017: 184). Dieses scheint der entscheidende Vorteil von ‚collaborative governance’ zu sein. Insofern ist es zum einen fraglich, ob im Landkreis Prignitz bei wesentlich geringerer EEG- Förderung auch weiterhin die regionale Energiewende im Stromsektor fortschreiten wird, zum anderen erscheint es unwahrscheinlich, dass Potenziale, die sich im Hinblick auf die Energiewende in der Kooperation von Akteuren in der Region heben lassen (z.B. Thermografie- Aktionen und vor Ort-Beratungen im Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung in den kreisangehörigen Kommunen des Landkreises Steinfurt, organisiert über den Verein ‚Haus im Glück’, in dem die Kommunen Mitglied sind (vgl. ebd.: 176)), auch in Prignitz realisiert werden können.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 5: In Vorreiterregionen ist es wahrscheinlich, dass eine erwartbare Gegnerschaft von Akteuren, die auf konventionellen Energieträgern basierende Geschäftsmodelle verfolgen und Gewinne aus dem Verkauf fossiler Energie anstreben, innerhalb des Prozesses frühzeitig durch eine starke Koalition von Energiewendebefürwortern überwunden wurde oder Gewinner der Energiewende in ihrer Zahl wirtschaftliche Modernisierungsverlierer generell deutlich überwiegen. Außerdem finden erzielte Erfolge und Fortschritte im Bereich der Erneuerbaren Energien- und Effizienztechnologien in der Legitimation weiterer Entscheidungen gegen potenzielle Modernisierungsverlierer Verwendung. Aufgrund weitergehender Technisierung der Landschaft ist zudem mit Differenzen unter Umweltengagierten zu rechnen, die bei einem Teil zu einer verstärkten Forderung nach Berücksichtigung von Naturschutzaspekten und der Thematisierung einer Suffizienzstrategie führen, während eine Mehrheit dagegen eine Weiterführung des technischen Wandels befürwortet. Naturschutzbezogene Argumente gegen EE- Projekte können auch von weiteren wirtschaftlichen Argumenten wie dem Verlust von Immobilienwerten durch einen EE-Ausbau überlagert werden, so dass sich im Rahmen von Konflikten Koalitionen von potenziellen Modernisierungsverlierern mit unterschiedlichen

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Motivationen bilden können. Konflikte mit möglichen Modernisierungsverlierern können generell als Bestandteil weitergehender Ökologischer Modernisierung und damit auch in der regionalen Energiewende erwartet werden. (vgl. Tabelle 4/1)

Für den Fall des Landkreises Schwäbisch Hall wurde dargelegt, dass die wirtschaftlichen Gewinner der Energiewende die Verlierer überwogen, was sich auch in der entsprechenden Wertschöpfungsanalyse widerspiegelt. Auch die Bevölkerung ging mehrheitlich von einem ökonomischen Gewinn für den Landkreis und eine verbesserte Arbeitsplatzsituation aus.

Ähnlich stellte sich dies im Fall der Gemeinde Morbach dar, wo erhebliche Pachteinnahmen aus der Energielandschaft erzielt wurden und über Förderprogramme Mittel in die Gemeinde flossen. Bei der Einrichtung der Energielandschaft wurden durch eine externe wissenschaftliche Beratungseinrichtung – heute in der EE-Regionen-Community sehr bekannt im Bereich der Stoffstromanalyse und des Stoffstrommanagements auf kommunaler Ebene – ein Konzept entwickelt, welches unterschiedliche EE-Arten kombinierte. Diese Beratungseinrichtung und eine Wählerinitiative aus umweltengagierten Personen, welche bereits in den 1990ern im Widerstand gegen ein geplantes Feriendorf in der Gemeinde den Vorschlag zur Einrichtung eines solchen EE-Parks gemacht hatte, traten nachdrücklich dafür ein, dass nicht der große Flächenversorger den Park einrichten sollte, sondern kleinere Unternehmen hinzugezogen werden sollten. Man könne auf diese Weise zu einer Pionierregion in Europa in Sachen Nutzung von EE werden und über dieses Leuchtturmprojekt Lernprozesse bei anderen Akteuren in Gang setzen. Diese Idee stieß auch bei dem einige Jahre zuvor ins Amt gewählten neuen Bürgermeister auf Interesse und wurde auch von dem zuständigen Verwaltungsmitarbeiter sehr positiv bewertet. Zusammen mit lokalen Unternehmen und einem EE-Pionierunternehmen aus dem regionalen Umfeld wurde das Projekt letztlich realisiert. Der Flächenversorger, der auch Interesse an der Erstellung eines Windparks an dem Standort bekundet hatte, blieb außen vor (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 896).117

Wie die Gemeinde Morbach profitierte auch der Landkreis Steinfurt durch die Installation zahlreicher EEG-Anlagen sowie die Akquise von Fördermitteln. Dadurch, dass in einigen Städten Stadtwerke existierten, die auch bei der Entwicklung einer regionalen Strommarke kooperierten, waren diese Energieunternehmen ohne Einbindung der großen Versorger aktiv in der Gestaltung der Energiewende (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 180).

In den drei Fallstudien von Schönberger (2016: 215f.) wird dieses Bild bestätigt, wenn er feststellt, dass die „Gewinner-Verlierer-Bilanz beim lokalen EE-Ausbau eindeutig positiv ausfällt und es sich daher um eine vergleichsweise einfache umweltpolitische Problemstellung handelt. Es profitiert eine große Bandbreite an Akteuren von einer ambitionierten kommunalen EE- Ausbaupolitik.“118

Anders stellte sich die Situation im Bereich des Naturschutzes dar. Im Landkreis Schwäbisch Hall betraf dies zum einen die Anbaufläche für Energiepflanzen – speziell Mais, bei dem die Flächenanteile am Ackerland eine dreigliedrige Fruchtfolge teils nicht zulassen (vgl. Tabelle 6). Diese aus Sicht des Naturschutzes problematischen Entwicklungen wurde durch das Umweltzentrum Schwäbisch Hall thematisiert. Auch in Bezug auf die Windenergie zeigten sich

117 Diese Entwicklung spricht in Bezug auf Machtverhältnisse dafür, dass ein Zusammenwirken von power to (der emanzipatorischen Wählerinitiative) in Verbindung mit einem power with (der wissenschaftlichen Beratungseinrichtung, dem EE-Pionierunternehmen sowie dem aufgeschlossenen Bürgermeister) bestehende power over-Verhältnisse (dominanter Flächenversorger in der Region) überwunden haben. 118 Vgl. bestätigend wie einleitend genannt auch Keppler (2007), Abegg (2011), Gailing et al. (2013: 30) 118

Konfliktlinien zwischen Naturschützern und den Protagonisten des EE-Ausbaus auf Seiten der beteiligten Unternehmen und der Politik und auch zwischen Naturschützern und Umweltschützern, die in der Vergangenheit gemeinsam für die Energiewende eingetreten waren. Dabei lehnte das Umweltzentrum Schwäbisch Hall EE nicht komplett, sondern nur bestimmte Projekte ab, konnte sich mit seinen naturschutzorientierten Argumenten aber häufig nicht durchsetzen. Das Umweltzentrum Schwäbisch Hall war außerdem der zentrale Akteur, der Suffizienz als Alternative zu einem starken EE-Ausbau thematisierte.

Auch Schönberger konnte beobachten, dass Kritiker und Gegner von EE-Projekten sich auf die Aspekte Artenschutz und Erhalt des Landschaftsbildes stützten. „Sie konnten sich hiermit im politischen Prozess jedoch in aller Regel nicht gegen die starken regionalökonomischen Argumente durchsetzen.“ (Schönberger 2016: 216). Unbekannt bleibt in diesen Fällen, ob diese umweltengagierten Akteure ebenfalls Suffizienz als Alternative vorschlugen.

Im Landkreis Steinfurt ließ sich lediglich indirekt auf potenzielle Differenzen zwischen natur- und klimaschutzorientierten umweltengagierten Akteuren schließen. Beim Problemfeld Biogasausbau fanden sich die klimaschutzorientierten Umweltschützer in der Verwaltung und dem Agenda 21-Büro, die Gegner in den lokalen Naturschutzverbänden. Während diese die Biogasnutzung als zentrale Ursache für zunehmenden Maisanbau sahen, wertete das Agenda 21- Büro den Futtermittelanbau für die im Landkreis in großem Umfang stattfindende Schweinemast als wesentlich für die hohen Maisanteile an der Ackerfläche. Die Thematik der Suffizienz wurde vom Agenda 21-Büro selbst in Form eines Projektes ‚Klimaschutzbürger’ platziert, in dem klimabewusstes Alltagshandeln inklusive einer nachhaltigen Ernährungsweise erprobt werden sollte (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 176).

Im Fall der Gemeinde Morbach konnten EE-bezogene Differenzen unter den Umweltengagierten nicht ausgemacht werden, die Installation des Windparks auf der freien Konversionsfläche seit 2000 bot wenig Konfliktpotenzial. Dass im Hunsrück, in der die Gemeinde liegt, Differenzen nicht zu verzeichnen waren, ist eventuell auch dem Beobachtungszeitraum bis Ende 2011 geschuldet. Denn erst mit der Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung 2013 wurden die Regelungen im Bereich der Windkraft so verändert, dass die einzelnen Gemeinden mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Festlegung von Konzentrationsflächen erlangten und vermehrt Windkraftanlagen geplant wurden. Eine Folge des erheblichen Windkraftausbaus im Hunsrück war ein interner Machtkampf und letztlich der Austritt zahlreicher Personen aus dem Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, die eine zu große Nähe des Verbandes zu den von den Grünen geführten Umwelt- und Wirtschaftsministerien und regionalen EE-Unternehmen kritisierten, ihre windkraftkritische Position verbandsintern aber nicht durchsetzen konnten.119 Gleichzeitig kam es zur Neugründung der so genannten ‚Naturschutz Initiative’. Diese wurde, als zentrale Person, auch von Enoch zu Guttenberg, Mitte der 1970er Jahre ein Mitbegründer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, unterstützt. Die Initiative wandte sich – wie auch die 2015 in der Gemeinde Morbach gegründete Bürgerinitiative ‚Wald in Not e.V.’ – gegen einen neugeplanten Windpark, der zum Teil auf der Gemarkung der Gemeinde liegen sollte.120

In dieser sich andeutenden und nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung erwartbaren Fraktionierung der Umweltbewegung, zeigt sich letztlich auch, dass in emanzipatorischen

119 Vgl. Rhein-Zeitung (2014) 120 Vgl. Naturschutz Initiative (2016) sowie http://www.waldinnot.de (abgerufen 05.09.2016) 119

Bewegungen und ihren Verbänden, die nach der von Partzsch (2015: 48) dargelegten Machtkonzeption vor allem die „Gestaltungsfähigkeit im Sinne von ‚grünem’ Widerstand und Empowerment“ (power to) ausmacht, durchaus auch mit power over gerechnet werden kann. Das heißt, „aufgrund unterschiedlicher Fähigkeiten sind einige Akteure stärker und andere können durch direkte und indirekte power over in Ermächtigungsprozessen an den Rand gedrängt werden. So lässt sich zum Beispiel die Marginalisierung schwächerer Gruppen innerhalb der Umweltbewegung beobachten.“ (ebd.: 54, kursiv im Original). Dies scheint im Kontext des Windkraftausbaus im Hunsrück der Fall zu sein.

In allen drei Fallstudien wurde von Initiativen gegen EE-Projekte und spezifisch gegen den Windkraftausbau (vgl. die beiden Bürgerinitiativen im Landkreis Schwäbisch Hall) auch befürchtete negative wirtschaftliche Effekte zur Geltung gebracht – ebenfalls nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung erwartbar – wie sinkende Immobilienwerte oder generell der Sinn der Subventionierung von EE über das EEG. Ebenfalls bedeutsam scheinen gesundheitsbezogene Faktoren zu sein. So zeigte sich in einer Bevölkerungsbefragung von Reusswig et al. (2016a: 15)121 in Baden-Württemberg, Brandenburg und Schleswig-Holstein, dass „das Schutzgut Mensch bzw. die Vermeidung gesundheitlicher Risiken in allen drei Bundesländern die bedeutendste Rolle einnehmen. Dabei gilt zu bedenken, dass seitens der Kritiker auch immer wieder der Vorwurf laut wird (v.a. in der Debatte um die Auswirkungen von Infraschall), im Vergleich zu gefährdeten Tierarten zähle der Mensch als Schutzgut kaum, sodass man notwendigerweise auf den Tierschutz ‚ausweichen’ müsse, um damit schließlich auch sich selbst zu schützen.“122

Solche Konflikte scheinen jedoch nicht vorwiegend zwischen gemeinwohlorientierten Befürwortern des EE-Ausbaus (Klimaschutz) und von einem EE-Ausbau negativ betroffenen Gegnern (Not In My Back Yard-Effekt) zu entstehen. Vielmehr würden in regionalen Konflikten zum EE-Ausbau verschiedene Perspektiven auf Kollektivgüter verhandelt (beispielsweise Gesundheits- und Landschaftsschutz versus Klimaschutz), so Reusswig et al. (2016b: 12). Insofern könnten Konflikte auch als Anzeichen des Erfordernisses zur besseren Anpassung „unserer Institutionen und Abläufe an die sinnvollen Ziele der Energiewende“ gewertet werden und der Bürgerprotest gegen die Energiewende trüge damit zu „ihrer Verbesserung bei.“ (Reusswig et al. 2016a: 25). Lokale Konflikte im Rahmen der regionalen Energiewende wären damit zu verstehen als „a rule in a complex modern society [...]“ (Reusswig et al. 2016b: 13), eine Annahme, die letztlich auch dem Konzept Ökologischer Modernisierung zu Grunde liegt. Reusswig et al. (ebd.) stellen in Bezug auf die ‚verbessernde’ Wirkung von Konflikten im Rahmen der Energiewende die These auf, dass sich hieraus Potenziale für eine Weiterentwicklung dahingehend eröffneten, dass sich der Stellenwert der Thematik der Energieeinsparung erhöhen könnte: In ihren Fallstudien „the point was often made that new wind power plants or power lines could be saved if ‘we’ would use less energy or energy more efficiently.“ Auch in der Fallstudie zum Landkreis Schwäbisch Hall wurde diese Sichtweise in den EE-kritischen Kreisen der Bürgerinitiativen und durch das Umweltzentrum kolportiert. Aus der Perspektive des Konzepts Ökologischer Modernisierung kann diesbezüglich Folgendes abgeleitet werden: Im Rahmen des Konzepts wird grundsätzlich angenommen, dass Lösungen für Umweltprobleme

121 Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt ‚Energiekonflikte – Akzeptanzkriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen in der Energiewende’, in dessen Rahmen die Studie entstand, befasste sich mit Konflikten – u.a. zum Windkraftausbau – im Rahmen der Energiewende (vgl. http://www.energiekonflikte.de/ (abgerufen 26.09.2016)). 122 Natur-/Tierschutz wurde in der Studie ebenfalls als wichtiges Argument gegen Windkraftanlagen identifiziert. 120

schwieriger geworden sind, da „Ursache und Wirkung oft zeitlich und räumlich auseinanderfallen“ und „die unmittelbare Betroffenheit sich verringert hat“ (Adler und Schachtschneider 2010: 121). Insofern erwächst aus den Veränderungen in der Landschaft durch die Energiewende, welche Ursache und Wirkung von ‚Energieverbrauch’ wieder zusammenfallen lassen und die die Bewohner vor Ort wieder unmittelbar betreffen, der Druck, sich mit seinem Energieverbrauchsverhalten auseinanderzusetzen.123

Daneben scheinen sich in Bezug auf den Widerstand gegen den On-Shore-Windkraftausbau weitere Entwicklungen abzuzeichnen: Bundesweit vernetzt beispielsweise die Initiative ‚Vernunftkraft’ viele in einzelnen Kommunen verankerte Bürgerinitiativen gegen Windkraft und liefert Argumentationshilfen gegen den EE-Ausbau. (vgl. auch die Teilnahme der Bürgerinitiativen im Landkreis Schwäbisch Hall am Aktionstag der Initiative im September 2013). Prozesse mit Ziel einer EE-Selbstversorgung, lehnt diese übergeordnete Initiative kategorisch ab, da sie die ökonomische, ökologische und soziale Wirkung der Energiewende mit starker kommunaler Beteiligung negativ bewertet.124 Unterstützt wird diese Initiative unter anderem wiederum von dem bereits im Kontext der Konflikte zur Windkraft im Hunsrück und der neu gegründeten Naturschutz-Initiative als Abspaltung des Bundes Umwelt- und Naturschutz erwähnten Enoch zu Guttenberg. Dieser stützte sich dabei vor allem auf die Argumentation, Natur und Landschaft müssten vor den Windkraftanlagen als „Fetische des Wachstumsglaubens“ geschützt werden.125 Hier scheint sich einerseits – wie erwähnt – die Annahme zur Fraktionierung der Umweltbewegung (Natur- vs. Klimaschützer) des Konzepts Ökologischer Modernisierung im Kontext des Windkraftausbaus zu bestätigen. Andererseits werden diese Konflikte von ökonomischen Überlegungen überlagert, wie solchen im Hinblick auf die rationellen Möglichkeiten zur EE-Nutzung (europäische Integration, Off-Shore etc.), die von Akteuren wie der Initiative ‚Vernunftkraft’ vorgebracht werden. Diese Argumentationen werden auch durch die lokalen Bürgerinitiativen transportiert. So hingen Argumentationsmuster der Gegner des Windkraftausbaus „immer weniger an der lokalen Situation, sondern fokussieren, munitioniert durch eine bundesweite ‚Gegner-Community’, die Grundsatzkritik an der Energiewende.“ (Fahrenkrug et al. 2016: 20). Im Bild des Modells von Jänicke (2013) zur Diffusion von Umweltinnovationen könnte in Übertragung auf die Zivilgesellschaft auch von einer verlangsamenden Einwirkung der höheren Ebene auf die regionale Ebene im Rahmen der Ebeneninteraktion gesprochen werden.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 6: Es ist erwartbar, dass Regionen existieren, die von den Vorreiterregionen funktionsfähige Modelle übernehmen (wollen), und solche Austauschprozesse durch Best-Practice-Modelle und die Sichtbarkeit der Vorreiter in

123 Ähnlich wie heute Gegner von Windkraftprojekten die Windkraftanlagen ‚wegsparen’ wollen, so wollten die ‚Schönauer Stromrebellen’ nach dem Atomunglück in Tschernobyl 1986 – noch einige Jahre vor der Gründung des eigenen Elektrizitätswerks – die „Atomkraft einfach wegsparen“ (vgl. https://www.ews-schoenau.de/ews/geschichte/ (abgerufen 22.09.2016)). 124 Die Argumentation stellt sich wie folgt dar: „Autarkiebestreben ist das historisch erfolgreichste Verarmungsprogramm – man blicke nach Nordkorea. In der Energieproduktion autark werden zu wollen, ist schlicht absurd. Umweltfreundliche Energieerzeugungsstrukturen lassen sich nur im europäischen Verbund erreichen: Erneuerbare Energien müssen dort genutzt werden, wo sie relativ reichlich vorhanden sind – und mit den Technologien, die dafür am besten geeignet sind. Das kann nur der Wettbewerb sicherstellen. Deswegen brauchen wir endlich einen wirklichen europäischen Binnenmarkt für Energie. Denn das Grundprinzip wirtschaftlichen Wohlstands heißt ‚Handel und Spezialisierung’. Es sollte nicht abgeschafft, sondern stärker genutzt werden. Im Übrigen haben Stadtwerke und Kommunen in der Energieproduktion gegenüber privaten Unternehmen a priori keine Kompetenzvorsprünge.“ (vgl. www.vernunftkraft.de/mythos-5/ (abgerufen 29.07.2016)). 125 Aus der Austrittserklärung von Enoch zu Guttenberg (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung 2012) 121

entsprechenden Foren begünstigt werden. Ebenso ist zu erwarten, dass die Vorreiter davon wirtschaftlich profitieren. Hier schließt auch das Mehrebenenmodell von Jänicke an, wonach zu erwarten ist, dass ein entsprechender Austausch zwischen den Regionen (subnationale Ebene) sowie auch der vertikale Austausch über Fördermittel nach unten und über Verallgemeinerung von Best-Practice-Lösungen nach oben die Diffusion von Umweltinnovationen befördert. Es ist zudem erwartbar, dass die Zielsetzung des wirtschaftlichen Erfolgs (Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit) in Vorreiterregionen eng mit dem Vorhaben der EE-Selbstversorgung und der Energieeinsparung verbunden wird. (vgl. Tabelle 4/2)

Die Fallstudien zeigten, dass ein reger Austausch in der Community der EE-Regionen stattfand, so beispielsweise im Landkreis Schwäbisch Hall die von der Energie-Initiative Kirchberg organisierte Veranstaltungsreihe mit drei Vorreitern im Vorfeld des politischen EE-Beschlusses. Zudem fand 2006 die Exkursion nach Güssing, dem Pionier der ersten Stunde in der Community, statt und später ein Fachbesuch im Rhein-Hunsrück-Kreis, der ebenfalls als Pionier der regionalen Energiewende gilt. Umgekehrt waren das enegieZentrum, der Energielehrpfad und die Biogasanlagen in Wolpertshausen und weitere Projekte im Landkreis Schwäbisch Hall von Fachpublikum vielfach aufgesuchte Einrichtungen. Auch eine Delegation aus der Gemeinde Morbach bereiste Güssing und andere Energiepionierregionen in Österreich und entwickelte daraufhin die Idee eines (letztlich gescheiterten) Nahwärmenetzes und die Idee zur Entwicklung einer Regionalmarke (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 898). Umgekehrt war die Gemeinde Morbach mit der ‚Morbacher Energielandschaft’ das Ziel vieler internationaler Delegationen (ebd.: 911). Der Landkreis Steinfurt wiederum wurde als Vorreiter in verschiedensten Zusammenhängen genannt (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 162) und war in unterschiedliche wissenschaftliche Projekte eingebunden, beispielsweise mit der Fachhochschule Münster oder der Universität Freiburg.

In der Gemeinde Morbach wurde die Thematik der EE-Selbstversorgung mit den Themen des Standortmarketings, der Standortvorteile sowie dem Energietourismus verknüpft und die Vorreiterrolle stets betont (siehe oben). Gleiches galt für den Landkreis Steinfurt. Hier wurde allerdings viel intensiver nach weiteren Möglichkeiten gesucht, den Prozess zu stabilisieren und fortzusetzen. Wie der Landkreis Schwäbisch Hall waren auch die Gemeinde Morbach und der Landkreis Steinfurt auf der ‚100ee-Regionen-Karte’ des ‚100% Erneuerbare-Energien-Projekts’ verzeichnet und gewannen einige Preise (Gemeinde Morbach: deutscher und europäischer Solarpreis, Landkreis Schwäbisch Hall: Mehrmaliger Sieger der Solarbundesliga, Steinfurt: Bester Landkreis im European Energy Award 2012 und 2015). Die Vorreiterrolle, die der Landkreis Schwäbisch Hall faktisch durch eine Vielzahl von Maßnahmen schon hatte und die den Akteuren in Politik und Verwaltung durch Vergleiche mit anderen Landkreisen zunehmend bewusster wurde, sollte mit der Teilnahme am European Energy Award noch besser nach außen dokumentiert werden. Die Teilnahme daran scheiterte allerdings am Widerstand von CDU und Freien Wählern. Durch Präsentationen auf Veranstaltungen wie dem Kongress der ‚Energieautonomen Kommune’ in Freiburg war der Landkreis dennoch in der Community sichtbar.

Auch bei Schönberger (2016: 219) klingt die Thematik der Stabilisierung der Prozesse durch die Positionierung in der Community an, wenn er eine politische Dimension von Pfadabhängigkeiten solcher Prozesse beschreibt: „Die politischen Akteure gewöhnen sich [...] an die einmal erprobten Prozesse und Instrumente wie etwa die Flächenausweisung für Windkraftanlagen oder die Etablierung eines lokalen Förderprogramms. Hinzu kommt, dass sich die gestiegene gesellschaftliche Akzeptanz für den EE-Ausbau auch in den lokalen Politiken widerspiegelt, bis

122

hin zum Streben nach einem positiven Image als Vorreiterkommune in Sachen Energiewende.“ Wüste und Schmuck (2012: 252) stellten in ihren Untersuchungen zu Bioenergiedörfern fest, dass fast alle interviewten Initiatoren „a higher nationwide publicity for their village“ feststellten. „Their villages were visited by ‚(foreign) tourists’, ‚students’, ‚local politicians’ and other groups more than they had been previously. In their own region, the bioenergy villages became known as ‚flagship projects’.“ (ebd.).

Auch die Gemeinde Güssing, der wohl bekannteste Pionier in der Community, hatte sich bereits Anfang der 1990er Jahre zum Ziel gesetzt, den Geldabfluss für fossile Energieträger aus der Region zu reduzieren und „ein europäisches Vorzeigemodell zu sein.“ (Horak et al. 2007: 15). Technologieentwicklung spielte eine wichtige Rolle und viele nationale und internationale Forschungsvorhaben wurden dort umgesetzt, so dass Güssing „zu einem Zentrum für erneuerbare Energien geworden ist, das von ganz Europa bestaunt wird.“ (ebd.: 34).

Auch Kunze (2013: 39)126 weist für die von ihm untersuchten Dörfer auf diese „horizontalen Lernprozesse“ hin. So würden die „jeweils fortschrittlichsten Orte als Referenz und Vorbilder“ gelten und „Verträge und Finanzierungsmodelle müssen so nicht mehr in jedem Fall neu ausgehandelt, sondern können übernommen werden.“

Auf die Zielsetzung des ökonomischen Gewinns und des industriepolitischen Framings der Energiewende wurde bereits mehrfach hingewiesen und diese zeigte sich auch im Unternehmensnetzwerk im Landkreis Steinfurt, dessen Mitgliedsunternehmen sich von der Umsetzung der Energiewende im Kreis wichtige wirtschaftliche Impulse erhofften (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 182). Auch im Landkreis Schwäbisch Hall war dies ein wichtiges Argument, beispielsweise in Bezug auf die Umsetzung des Programms zur energetischen Modernisierung der Liegenschaften.

Ökonomische Zugewinne in den Kommunen können dabei auch über die Akquise von Drittmitteln realisiert werden. Dies zeigt sich in den drei eigenen Fallstudien.127 Insgesamt kam den zahlreichen Förderprogrammen und Wettbewerben für die Community der EE-Regionen und den Kommunalen Klimaschutz eine sehr bedeutsame Rolle für den Fortgang der Prozesse zu (vgl. Kapitel 2.1.2 und siehe oben untersuchungsleitende Annahme 3). Wie dargestellt, waren die erzielbaren und auch realisierten Wertschöpfungseffekte128 wesentlich für die Stabilität der Prozesse in den drei untersuchten Kommunen. Im Kontext steigender Energiepreise wurde dabei auch immer wieder darauf hingewiesen, dass sich durch EE-Ausbau und

126 Kunze untersuchte mehrere Dörfer in Ostdeutschland, die er selbst als Vorreiter der Energiewende bezeichnete, und identifizierte Hindernisse, Entwicklungsstufen und typische Probleme sowie Faktoren, welche ihre Bewältigung ermöglichen. Dabei kam er zu dem Schluss, dass aufgrund gegenseitiger Abhängigkeit sozialer und technischer Komplexitätsniveaus die Energiewende für ländliche Regionen vor allem eine soziale und organisatorische Herausforderung darstellt. Die Diffusion weitere EE-Regionen würde durch das vorhandene Sozialkapital bedingt und die technische und ökonomische Infrastruktur passe sich langfristig der vorhandenen Sozialstruktur an (vgl. auch Kunze 2012). 127 Beispiele im Landkreis Schwäbisch Hall: EU-Ebene: INTERREG/ VisNova, Bundesebene: Regionen Aktiv/ Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept/ Einstellung Klimaschutzmanager*in, Land: Startfinanzierung energieZentrum; Beispiele in der Gemeinde Morbach: EU-Ebene: Bewerbung Concerto II-Programm, Bund: Konjunkturprogramm II, Landesebene: Finanzierung Standortmarketingprozess mit ‚Energie’ als Aufhänger; Beispiele im Landkreis Steinfurt: EU-Ebene: LEADER, Bundesebene: Erstellung Klimaschutzkonzept/ Einstellung Klimaschutzmanager*in/ Masterplan 100% Kommunaler Klimaschutz, Landesebene: Projekt ‚Zukunftskreis Steinfurt – energieautark 2050’ 128 Vgl. für den Landkreis Schwäbisch Hall die Wertschöpfungsanalyse Tabelle 7 sowie für den Landkreis Steinfurt eine Wertschöpfungsanalyse des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung (2012: 54), welche für 2011 eine Wertschöpfung aus EE im Landkreis von etwa 46,2 Mio. € zeigte. 123

Energieeinsparung die Wettbewerbsfähigkeit (v.a. bezogen auf Unternehmen) und Standortfaktoren (v.a. bezogen auf Kommunen) verbessern würden (vgl. auch untersuchungsleitende Annahme 2 zum steigenden Ölpreis).

Im Falle des Landkreises Schwäbisch Hall war über das Modell Hohenlohe nachweislich auch ein Effekt des Vorreitermodells der Energie-Effizienz-Tische auf die nationale Ebene rekonstruierbar. Von der Förderung von weiteren Effizienz-Tischen über das Bundeswirtschaftsministerium profitierten wiederum Firmen vor Ort. Diese Übertragung von funktionsfähigen Vorreitermodellen auf höhere Ebenen wurde bei den anderen beiden Kommunen nicht explizit untersucht, eine entsprechende Wirkung auf übergeordnete Ebenen ist aufgrund des Pioniercharakters der Gemeinde Morbach129 und des Landkreises Steinfurt130 allerdings nicht unwahrscheinlich, auch wenn Kunze (2013: 39) feststellt, dass in den von ihm untersuchten Fällen vertikale Informationsflüsse, „zum Beispiel von regionalen Initiativen in wissenschaftliche Diskurse und in verwandelter Form zurück auf die Regionalebene [...] bisher eher selten und wenig bedeutsam gewesen“ seien. Wüste und Schmuck (2012: 246) dagegen nennen als Folge des Erfolgs des Bioenergiedorfs Jühnde im Landkreis Göttingen, dass der Landkreis auf dieser Basis 2006 ein Projekt initiierte, “to establish more bioenergy villages in the region. Initially, 34 villages within the district expressed interest in a power and heat supply based on biomass. After a selection process and a moderated social implementation in the best- suited villages, another four bioenergy villages in the Goettingen district were realized in 2010 […].” Diesen über die Vorreiterrolle im Mehrebenensystem erzielten Effekten wurde vor allem in Bezug auf größere Städte im Bereich des Klimaschutzes eine wichtige Rolle für Lernprozesse beigemessen (Kern et al. 2005). In der EE-Regionen-Community wurden sie dagegen bislang nicht systematisch thematisiert. Die Effekte scheinen für die Entwicklung der EE-Regionen- Community und die Diffusion von Umwelt- und Politikinnovationen aber sehr bedeutsam zu sein, wie die eigenen Fallstudien im Besonderen und die Ausführungen in Kapitel 2.1.2 zur Entwicklung der EE-Regionen-Community im Allgemeinen zeigen, so dass Jänickes Modell (2013) an diesem Untersuchungsgegenstand Bestätigung findet.

Weiter oben wurde bereits dargelegt, dass Schönberger (2016) u. a. den Versuch, eine Vorreiterrolle in der Energiewende zu übernehmen oder zu halten, als stabilisierenden Faktor im Sinne einer Pfadabhängigkeit (politische Dimension) identifizierte. Der Autor nennt zwei weitere Dimensionen dieser Pfadabhängigkeiten: eine ‚technisch-wirtschaftliche Dimension’ der Beharrungskräfte der geschaffenen Infrastrukturen131 und eine ‚soziale Dimension’ der

129 So wird der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums bei den Feierlichkeiten zum 10jährigen Bestehen der ‚Morbacher Energielandschaft’ im Jahr 2012 mit den Worten zitiert: „Die Energielandschaft Morbach ist für die Landesregierung eine Art Labor, in dem die Grundzüge unserer Umweltpolitik auf ihre Praxistauglichkeit überprüft werden können.“ (vgl. Windkraft-Journal 2012) 130 So war der Leiter des Agenda 21-Büros Mitglied in einem Gremium, welches in Nordrhein-Westfalen die Ausarbeitung einer Bioenergiestrategie des Landes begleitet. In diesem Gremium argumentierte er, eine solche Strategie könne nur oberflächlich sein und die Akteure auf der lokalen Ebene könnten besser Potenziale bestimmen und Wege zu deren Hebung finden. Daher schlug er vor, ländliche Räume darin zu unterstützen, Bioenergiestrategien zu erarbeiten. Dieser Vorschlag – so die Angabe des Leiters des Agenda 21-Büros in einem Interview (2013) – wurde umgesetzt und der Landkreis Steinfurt war wiederum eine der ersten Regionen, die eine finanzielle Förderung für die Erstellung einer Integrierten Bioenergiestrategie erhielt (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 177). 131 „Die Errichtung von Anlagen sowie der dazugehörigen Netz- und Betriebsinfrastruktur schafft Fakten, die den einmal eingeschlagenen Pfad auch Phasen geringeren politischen Willens zum EE-Ausbau überdauern lassen.“ (Schönberger 2016: 219) 124

Gewöhnung an EE-Anlagen.132 Diese wurden mit dem theoretischen Bezugsrahmen nicht abgedeckt. Grundsätzlich spielen Pfadabhängigkeiten im systemorientierten Denken Ökologischer Modernisierung jedoch eine zentrale Rolle (Huber 2001: 108ff.), so dass auf Basis dieser Überlegungen auch Annahmen zu Pfadabhängigkeiten der kommunalen Energiewende abgeleitet werden könnten, die den von Schönberger erkannten ähnelten.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 7: In Bezug auf das Ziel der Energieeinsparung ist mit einer Fokussierung auf technische Lösungen zu rechnen. Das Verfolgen einer Suffizienzstrategie durch eine Vielzahl von Akteuren erscheint unrealistisch. Dies äußert sich wahrscheinlich einerseits in einer randständigen Thematisierung von individuellen Lebensstilaspekten zur Reduktion von Energie- und Ressourcenverbräuchen. Andererseits erscheint auch das über bereits bestehende gesetzliche Anforderungen hinausgehende kommunalpolitische Setzen von Energieverbräuche betreffenden Grenzen als unrealistisch, da dies über höhere Kosten den Bürgern an anderer Stelle indirekt Suffizienz auferlegen würde. Als ‚Normalfall’ ist im Rahmen der regionalen Energiewende generell mit Rebound- und Wachstumseffekten zu rechnen und die Akteure erwarten mehrheitlich einen ökonomischen Gewinn aus der Energiewende. Zudem ist zu erwarten, dass allenfalls eine Minderheit von Akteuren vor Ort einen Pfadwechsel dahingehend anstrebt, einen Beitrag zum Ausstieg aus einer Wachstumsgesellschaft zu leisten. Es ist zudem wahrscheinlich, dass hinter der politischen Zielsetzung der regionalen Energiewende eher ein wettbewerbs- und weltmarkorientiertes Verständnis von Regionalisierung steht (Energiewende als unterstützender Faktor für das Bestehen in einer zunehmend globalisierten Welt) und in deutlich geringerem Maße das Motiv einer tatsächlichen Regionalisierung von Produktions- und Konsumstrukturen in Verbindung mit Forderungen nach Suffizienz. Partielle Interessenüberschneidungen zwischen Vertretern dieser beiden Regionalisierungskonzepte, die die Handlungsfähigkeit unter den Akteuren erhöht, sind möglich. (vgl. Tabelle 4/3)

Im Landkreis Schwäbisch Hall belegen Diskussionen und die Umsetzung von Maßnahmen in Bezug auf die Thematik der Energieeinsparung eine Fokussierung auf technische Möglichkeiten und finanzierungsbezogene Fragestellungen. Ein Schwerpunkt lag auf dem Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung. Dies kann auch für den Fall der Gemeinde Morbach festgestellt werden, die in diesem Bereich im Rahmen eines Förderprogramms auch Mittel zur Unterstützung der Bevölkerung zur Verfügung stellte. Über gesetzliche Regelungen der Energieeinsparverordnung hinausgehende Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden – die den Bürgern aufgrund zusätzlicher Kosten indirekte Einschränkungen an anderer Stelle auferlegen würden – wurden entgegen der Möglichkeit, dies beispielsweise über städtebauliche Verträge zu regeln, nicht festgesetzt (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 897). Dies fand dagegen im Landkreis Schwäbisch Hall in Wolpertshausen in einem Wohn- und Gewerbegebiet statt, allerdings nicht vorgeschrieben durch die Gemeinde, sondern durch die Ökoprojekte Gronbach als privater Entwickler des Neubaugebiets. Damit trug dieser das Risiko, dass Bauplätze aufgrund der höheren energetischen Standards keine Abnehmer finden könnten.

Weder im Landkreis Schwäbisch Hall noch in der Gemeinde Morbach wurde der Begriff ‚Suffizienz’ verwendet. Es wurden damit in Verbindung stehende Argumentationen beispielsweise zum Verzicht auf Fleischprodukte im Landkreis Schwäbisch Hall allerdings am Rande vor allem durch das Umweltzentraum Schwäbisch Hall, teilweise auch durch die Fraktion ÖDP/Grüne und insgesamt das Ziel einer nachhaltigeren Landwirtschaft durch die Bäuerliche

132 „Die Bevölkerung gewöhnt sich der Erfahrung aller drei Fallkommunen zufolge an den Anblick von EE- Anlagen, auch von großen Windkraftanlagen.“ (Schönberger 2016: 219) 125

Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall thematisiert. Von Seiten des Landkreises wurde allenfalls punktuell und allgemein auf die Bedeutung des Handelns Einzelner im Bereich der Energiewende und dem Klimaschutz hingewiesen (vgl. Zitat 12). Mit den beginnenden Aktivitäten im Bereich der Förderung des Alltagsradverkehrs schien hier ebenfalls eine Entwicklung im Bereich einer suffizienteren Mobilität in Gang zu kommen.

Im Falle des Landkreises Steinfurt wurde das Thema Suffizienz tatsächlich auch wörtlich aufgegriffen und in einem einjährigen Projekt ‚Klimaschutzbürger’ im Rahmen des Masterplans an die Bevölkerung im Landkreis herangetragen und verschiedene Personen in der Erprobung eines klimafreundlicheren Alltagsverhaltens durch Energiesparberatungen etc. unterstützt.

Insgesamt scheint eine sanfte Belebung der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, die mit ‚Suffizienz’ verknüpft werden können, in den letzten Jahren gegeben. Ebensolche sind in Klimaschutzkonzepten und speziell in Masterplänen von Kommunen im Rahmen des Bundesförderprojekts zunehmend enthalten oder werden sogar vom Fördermittelgeber explizit gefordert (Schmitt et al. 2015). In den von Schmitt et al. (2015: 45)133 untersuchten Masterplänen seien „teils innovative Ansätze zu finden“, allerdings „beschreibt Suffizienz hier zumeist eine Strategie, die in einzelnen Maßnahmen ihren Ausdruck findet, jedoch nicht in allen Bereichen mitgedacht wird.“ Maßnahmen, die in Klimaschutzkonzepten und Stadtentwicklungsplänen identifiziert wurden, wie eine Stadt der kurzen Wege, von der häufig ein Stopp von Abwanderung und Attraktivitätsverlust bestimmter Gegenden erhofft wird, „mögen zwar als suffizienzfördernd einzuordnen sein, doch deren Ursprung ist zumeist auf mögliche Co-Benefits zurückzuführen oder wie insbesondere im Mobilitätsbereich auf eine intensive, langjährige Diskussion von Ansätzen [...].“ In den untersuchten Masterplänen zeige sich, dass verschärfende Maßnahmen, „wie eine City‐Maut oder Tempo 30 erst für einen späteren Zeitpunkt geplant sind“ und ein „kultureller Wandel nur sehr zögerlich vorankommt [...].“ (ebd.). In dem mit einem generellen Tempo 30 angesprochenen Bereich der Regulierung zeigten auch die Untersuchungen von Bielitza-Mimjähner (2008: 343)134, dass Kommunen unter den Bedingungen von Globalisierung und Liberalisierung darauf bedacht sind, „günstige Rahmenbedingungen für Gewerbe und Industrie, aber auch für einfache Bürger zu schaffen [...]. Hierzu gehören sicherlich auch günstige Gebühren [...]. Damit treten aber die Möglichkeiten, die eine Kommune in der Rolle als Planer und Regulierer (Verkehr, Energie, Abfallwirtschaft) entfalten kann, generell in den Hintergrund bzw. in eine Konditionalität.“ Auch Kern et al. (2005: 12) stellten fest, dass Klimaschutz es bisher „kaum in den ‚harten Kern’ kommunaler Politik geschafft“ habe. Diese etwas älteren Untersuchungen scheinen noch immer aktuell. Denn Schmitt et al. (2015: 45) kommen auch im Jahr 2015 zu dem Schluss, dass suffizienzfördernde Maßnahmen in den von ihnen beschriebenen Bereichen ‚Klimafreundliche Ernährung’135,

133 Im Rahmen des Projekts ‚Strategien und Instrumente für eine technische, systemische und kulturelle Transformation zur nachhaltigen Begrenzung des Energiebedarfs im Konsumfeld Bauen/Wohnen’, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, wurden für diese Studie Klimaschutzkonzepte von 32 Kommunen und Regionen sowie die Masterpläne 100% Klimaschutz von 19 Kommunen und Regionen im Hinblick auf die Integration von Maßnahmen zur Ermöglichung, Erleichterung und Bestärkung von Suffizienz untersucht. 134 Bielietza-Mimjähner ging anhand von verschiedenen quantitativen Erhebungen (auf Basis von Daten der Solarbundesliga, Daten zu kommunalen Förderprogrammen etc.) und Literaturauswertungen der Frage nach, wie sich Globalisierung und Liberalisierung in verschiedenen Handlungsfeldern auf kommunale Klimaschutzmaßnahmen auswirken und ob unter diesen Bedingungen das Instrument des kommunalen Klimaschutzes zu einer nachhaltigeren Energieversorgung beitragen kann. 135 Genannt werden z.B. öffentliche Bewerbung regional-saisonale und/oder fleischarme/fleischfreie Ernährung, Veggie-Days in öffentlichen Kantinen 126

‚Suffizientes Bauen’136 und ‚Flexibles Wohnen’137 noch „kaum erschlossen“ seien. Aktivitäten im Bereich ‚Suffizienter Konsum’138 stammten „hauptsächlich aus dem privaten Bereich“ und gingen damit nicht von den Kommunen aus.

Rebound-Effekte wurden in der Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall nicht explizit mit einer entsprechenden Methodik untersucht, die in Kapitel 4.4 getätigten Aussagen, dass Rebound-Effekte vorzuliegen scheinen, beruhten auf zugänglichem Material über die Entwicklung von Energieverbräuchen und anderen umweltrelevanten Indikatoren: Nach Angaben des energieZentrums sank in der Territorialbilanz der Stromverbrauch in den vergangenen Jahren zwar tatsächlich (vgl. Tabelle 7), das 2016 fertiggestellte Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept wies in der Summe über alle Sektoren hinweg aber insgesamt eine stagnierende Endenergieverbrauchsentwicklung auf (vgl. Abbildung 3). Gleichzeitig stieg die Wirtschaftsleistung wesentlich an (vgl. Tabelle 6), so dass Rebound-Effekte wahrscheinlich sind. Eine relative Entkopplung hinsichtlich Endenergieverbrauch und Wirtschaftsleistung scheint allerdings vorzuliegen. Weitere Indikatoren des Umweltverbrauchs (v.a. Flächenverbrauch) zeigten dagegen in den vergangenen Jahren eine steigende Tendenz. Dies galt auch für die Anzahl der zugelassenen PKW. Insgesamt ist der Verkehrssektor derjenige mit den höchsten – und wachsenden Energieverbräuchen und CO2-Emissionen, die dem motorisierten Individualverkehr als primäre Art der Fortbewegung im Landkreis Schwäbisch Hall geschuldet sind (vgl. Abbildung 3). Ob hier die Maßnahmen zur Radinfrastruktur und die

Unterstützung der E-Mobilität im Hinblick auf Energieeinsparung bzw. CO2-Reduktion greifen werden, ist eine interessante Frage der zukünftigen Entwicklung. Für die Gemeinde Morbach konnten im Verkehrsbereich ähnliche Herausforderungen beobachtet werden. Dieser Bereich wurde aufgrund der kaum gesehenen Ansatzpunkte auch wenig thematisiert, da die individuelle PKW-Mobilität von einer großen Mehrheit von Akteuren als alternativlos wahrgenommen wurde. Gleiches galt für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, um den Anschluss der Gemeinde an den Weltmarkt sicherzustellen (Stablo und Ruppert-Winkel 2012: 902).

Dass bei EE-Selbstversorgungsprozessen mit Rebound-Effekten zu rechnen ist, zeigen auch zwei Studien aus Österreich. In einer Analyse der Energieströme für die Region ‚ökoEnergieland’, die u.a. die Pionierstadt Güssing umfasst, stellten Hecher et al. (2016: 44) fest, dass zwischen 1990 und 2010 ”the total energy demand in the energy region rose by 33%. The largest increases in energy demand were observed in industry (+118%) and in the service sector (+78%).“ Hatzel et al. (2014: 429) wiederum stellten in einem Vergleich zweier Gemeinden, eine mit und eine ohne energiewendebezogene kommunale Informationskampagne (e5-Gemeinden)139 fest, dass “program implementation is not necessarily accompanied by large-scale change in underlying attitudes. In fact, one continuing area of concern is the possibility that implementation of such programs may backfire in that it generates a false sense of security among participants. For example, it was interesting to find that respondents from the e5 town were willing to place more trust in technical solutions, and saw less need for behavior changes. [...] Thus, energy efficiency initiatives might unintentionally communicate that as a lot is already being done, there is no further need for individual effort with respect to energy saving. This appears to be a problematic

136 Genannt werden z.B. Entwicklung eines Leitfadens für suffizientes Bauen im Sinne kompakter Bauformen und Nutzungsmischung von Quartieren unter Hinweis auf energiesparende und umweltfreundliche Errichtung und einen entsprechenden Betrieb der Gebäude. 137 Genannt werden z.B. Einrichtung einer Wohntauschbörse durch Kommune, um den Wohnraum der Familiensituation anpassen zu können. 138 Genannt werden z.B. öffentliche Unterstützung von Repair-Cafés. 139 Vgl. www.e5-gemeinden.at (abgerufen 10.03.2016) sowie Fußnote 16. 127

side effect of programs that promote technological progress, even if they do not explicitly communicate technology-only solutions.“

Deutlich geworden ist bereits, dass in den beobachteten Fällen ein stark wirtschaftlich getriebenes und auf die Wettbewerbsfähigkeit der Kommunen ausgerichtetes Interesse an der Energiewende und hier speziell am EE-Ausbau besteht und dabei auch versucht wurde, darauf hinzuwirken, dass die Akteure vor Ort an den Gewinnen partizipieren können (vgl. auch Müller 2014: 234 sowie Wüste und Schmuck 2012: 253).140 Da der lokale EE-Ausbau „mit erheblichen regionalökonomischen Vorteilen einhergeht“ und „die betroffenen Akteure ihren potenziellen Profit auch realisieren wollen und diesem Willen Ausdruck verleihen, ist ein intensiver Handlungsdruck für die lokalen Entscheidungsträger entstanden.“ (Schönberger: 216f.).

Dabei zeigten sich zum Teil auch Überschneidungen zwischen einem Regionalisierungsverständnis, welches auf die tatsächliche Deglobalisierung von Energieströmen und Geldkreisläufen ausgerichtet war und einem Verständnis, das durch Bündelung der Akteure und deren Kompetenzen vor Ort – wie beispielsweise durch die unterschiedlichen Netzwerke im Landkreis Steinfurt – auch die Region in einer Weise zu konstituieren versucht, dass sie in dem kompetitiven Umfeld der Kommunalentwicklung mit einem Alleinstellungsmerkmal auftreten kann (Stablo und Ruppert-Winkel 2017) Dies galt auch für die Gemeinde Morbach (Stablo und Ruppert-Winkel 2012). Dadurch konnten viele Akteure hinter der Zielsetzung versammelt werden und zudem schienen die dadurch erzielbaren Außenwirkungen auch relevant für die Diffusion von Best-Practice-Lösungen und Umweltpolitiken horizontal bzw. vertikal im Mehrebenensystem (vgl. forschungsleitende Annahmen 6).

In Zusammenhang mit dem Verständnis und der Konstitution von ‚Region’ steht auch der in der Studie zu Bioenergiedörfern von Wüste und Schmuck (2012) angesprochene Aspekt der Identifizierung der Bevölkerung mit dem EE-Selbstversorgungsprozess und ihrer regionalen Identität. Dieser wird auch von Späth (2012: 1265f.)141 aufgegriffen, der in Bezug auf den lokalen Diskurs zur Energiewende in einer österreichischen Gemeinde die Story-Lines untersuchte und eine Positionierung der Akteure in ‚wir’ in der Gemeinde und ‚die’ außerhalb der Gemeinde feststellte. So sei die Story-Line “We should not send so much money to the sheiks – But rather use our own resources” zwar oberflächlich eine ökonomische, bei genauerer Betrachtung bezöge sie sich aber auch auf die Außenbeziehungen der Gemeinde – die Scheiche stünden darin für “undemocratic, unstable regimes“ und einen “‘clash of cultures’ (the sheiks probably also being Muslim)“ – und auf “local patriotism.“ (ebd.: 1265). Auch die zweite zentrale Story-Line ”There is no need to despair: The biomass we have in abundance will allow us to finally improve our remote district’s economy” beziehe sich unter der Oberfläche des ökonomischen Aspekts ”to a social norm about how you should relate to ‘your’ region.“ (ebd.: 1266). Diese beiden Story-Lines konnten zum Teil auch im Landkreis Schwäbisch Hall – zusammengefasst in der Argumentation des ehemaligen Mitarbeiters der Wirtschaftsförderungsgesellschaft und des Kreistagsmitglieds der FDP in Bezug auf die Entstehung der politischen EE-Zielsetzung (vgl. Zitat 3) – beobachtet werden. Hier wurde neben der Stärkung der Wirtschaftskraft des Landkreises ebenfalls eine Abgrenzung nach außen hin zu den ‚Arabern’ und ‚Russen’ unternommen, gleichzeitig auch gegenüber der nahegelegenen Stadt Heilbronn mit dem dortigen Kohlekraftwerk, wobei diese

140 Beispielsweise wurde in Bezug auf den Windkraftanlagenausbau im Landkreis Schwäbisch Hall vor dem Hintergrund der Versuche externer Investoren sich Standorte durch Vorverträge mit den Gemeinden zu sichern, den Gemeinden durch das energieZentrum geraten, auf eine weitgehende finanzielle Beteiligung hinzuwirken. 141 Vgl. auch Späth und Rohracher (2010) 128

Abgrenzung wiederum dadurch eingeschränkt wurde, dass in Baden-Württemberg ein Finanzausgleich zur Einebnung zu großer ökonomischen Disparitäten zwischen den Kommunen existiert. Die Kreisebene als Ebene der ‚Wir/Ihr-Abgrenzung’ zu wählen, erscheint aus der Perspektive der Wirtschaftsförderungsgesellschaft als Institution des Landkreises sowie auch aus der Perspektive des auf das Territorium des Landkreises orientierten Kreistagsmitglieds nachvollziehbar. Ob die Ebene des Landkreises auch für die Bevölkerung diejenige ist, auf der eine solche Positionierung und Mobilisierung von endogenen Potenzialen zum Tragen kommen kann, scheint unsicher. Denn die Teilräume des Landkreises scheinen trotz des über 40 Jahre lang zurückliegenden Zusammenschlusses noch immer nicht gänzlich zusammengewachsen.142 Ob sich für weitere Akteure – vor allem Unternehmen – die Landkreisebene als eine entscheidende für ihre Aktivitäten (in Bezug auf die Thematik ‚Energie’ und darüber hinaus) darstellt, blieb in der vorliegenden Untersuchung für den Landkreis Schwäbisch Hall weitgehend offen, schien aber zumindest in der Handwerkerschaft eine Rolle zu spielen (vgl. Zitat 16). Dagegen waren es im Landkreis Steinfurt explizit die Unternehmen, die sich – zusammengeschlossen im ‚Unternehmernetzwerk energieland2050’ – dafür einsetzten, dass der Kreistag das Ziel ‚energieautarkie2050’ beschließe, weil sie sich hiervon wirtschaftliche Erfolge versprachen (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 176).

Die Regionalisierung von Energie- und Geldströmen wurde im Fall des Landkreises Schwäbisch Hall zwar nicht explizit untersucht. Gleichwohl erscheint im Wärmebereich beides sehr wahrscheinlich: Holz, weitere Biomasse, Solarthermie und Umweltwärme hatten im Jahr 2014 einen Anteil von 31 % an der Wärmeerzeugung (vgl. Tabelle 7) – Energieträger also, die eine deutlich geringere Transportintensität im Vergleich zu dem über lange Zeit vielfach zum Einsatz gekommene Heizöl aufweisen und weitgehend von Akteuren vor Ort bereitgestellt werden können. Diese grundsätzlich denkbare Möglichkeit zur Regionalisierung von Stoffströmen wurde tatsächliche empirisch auch in der Energieflussanalyse für die ‚ökoEnergieregion’ in Österreich nachgewiesen, in der für 2010 im Vergleich zu 1990 physisch eine deutliche Substitution von importierten fossilen Energieträgern durch regionale EE festgestellt wurde (Hecher et al. 2016).

Dadurch, dass im Landkreis Schwäbisch Hall viele Akteure Photovoltaikanlagen besitzen, an Windkraftanlagen beteiligt sind und Landwirte und die Stadtwerke zunehmend EE-Anlagen betreiben, ist im Stromsektor eine Dezentralisierung von Geldflüssen im Vergleich zum Zustand vor dem starken EE-Ausbau sehr wahrscheinlich (vgl. auch Daten zur Wertschöpfung in Tabelle 7). Dies ist allerdings im Stromsektor nicht zwangsläufig mit einer Regionalisierung der Energieströme verbunden, denn im Landkreis Schwäbisch Hall wurde der EE-Strom ins Stromnetz eingespeist und in der Regel nach dem EEG vergütet. Größere Speichertechnologien wurden nicht realisiert – der Naturstromspeicher Gaildorf, der hier grundsätzliche, aber auch begrenzte Potenziale aufweist – befand sich Mitte 2016 noch im Bau. Eine starke Dezentralisierung des Stromsystems war von den Akteuren vor Ort – auch im Bereich der EE- Pionierunternehmen – keine bevorzugte Option (vgl. Zitat 4). In der Gemeinde Morbach wurde der Strom aus der ‚Morbacher Energielandschaft’ ebenfalls ins Netz eingespeist und nach dem EEG vergütet. Auch der Landkreis Steinfurt strebt keine lastgerechte EE-Selbstversorgung, sondern lediglich an, „im Jahr 2050 bilanziell energieautark zu sein.“143 Insofern erscheint eine Regionalisierung der Energieströme im Stromsektor zwar für ganz Deutschland vorzuliegen, da sich hier der EE-Anteil an den eingesetzten Energieträgern in der Stromerzeugung zwischen

142 Vgl. die Entwicklungen im Bereich der Autokennzeichen (Fußnote 82 in Kapitel 4.2). 143 Vgl. Kreis Steinfurt (2014: 43). Gleichwohl werden die Möglichkeiten der Stromspeicherung seit 2015 im Landkreis über Projektbeteiligungen ausgelotet (vgl. Kreis Steinfurt 2015). 129

Anfang der 1990er Jahre und heute im Vergleich zur fossil-atomaren Erzeugung erhöht hat144, geht aber nicht zwangsläufig mit einer lastgerechten Versorgung von EE-Regionen einher.

Dass jedoch zumindest im Grundsatz entgegen der untersuchungsleitenden Annahme 7 gewisse Regionalisierungen von Energieströmen denkbar und partiell realisiert sind, kann wahrscheinlich damit erklärt werden, dass „die regenerativen Primärenergiequellen (z. B. Sonneneinstrahlung und Wind) bei räumlich differenziertem Aufkommen prinzipiell ubiquitär sind“ (Gailing und Röhring 2015: 33): Mit der Nutzbarmachung über entsprechende Technologien fand damit automatisch – vor allem im Wärmebereich145 – eine Regionalisierung durch Substitution global gehandelter und transportierter fossiler Energieträger statt, was allerdings wie gezeigt, nicht mit einer erzielten lastgerechten EE-Selbstversorgung im Stromsektor verwechselt werden darf. Eine für das Umweltbundesamt erstellte Simulation im Hinblick auf die Umsetzbarkeit einer dezentralen, autarken Energieversorgung bis 2050 kam – anhand der Strukturdaten realer ländlicher Gemeinden – zu dem Schluss, dass eine lokale Autarkie „in Einzelfällen umsetzbar“ sein könne, ein „Ansatz für eine tragfähige regenerative Energieversorgung ganz Deutschlands ist sie nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen dieser Studie jedoch nicht.“ (Peter 2013: 99). Als weiteres Ergebnis wurde abgeleitet, dass das Transportnetz für Strom ein „wesentlicher Bestandteil zum Erreichen einer vollständig regenerativen Energieversorgung“ für Deutschland sei (ebd.: 98). Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen sah in einem Sondergutachten zu Wegen einer 100% erneuerbaren Stromversorgung in Deutschland Länder, Regionen und Kommunen zwar als „maßgebliche Akteure einer Transformation, nicht aber im Sinne einer regionalen Autarkie oder Selbstversorgung, sondern als Teil eines Mehrebenensystems von dezentraler und zentraler Produktion, Verteilung und Regulierung.“ (Sachverständigenrat für Umweltfragen 2011: 227). In Bezug auf regionale ‚Energie-Autarkie-Projekte’ liegt nach Deutschle et al. (2015: 157) vielen Machbarkeitsstudien und Projekten letztlich auch eine bilanzielle Definition einer EE- Selbstversorgung zu Grunde, bei der in der Praxis der Tenor sei, „möglichst lastgerechte Energie-Autarkie anzustreben, um dadurch einen Kristallisationspunkt der Anstrengungen zu haben, dabei aber gleichzeitig das Augenmaß nicht dafür zu verlieren, dass die bilanzgerechte Autarkie die pragmatischere und sinnvollere Option ist.“ Demnach wären Beispiele wie der kleine Ort Feldheim (vgl. Fußnote 10) mit einer lastgerechten EE-Selbstversorgung als Sonderfälle zu betrachten.

Nach der Modernisierungstheorie ist neben einer Unwahrscheinlichkeit einer Regionalisierung von Energie- und Stoffströmen außerdem zu erwarten, dass der Anteil von regionalwirtschaftlichen Strukturen an der gesamten Wirtschaftstätigkeit sich nicht erhöht, da im weitergehenden Modernisierungsprozess mit einer zunehmenden Effizienz in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen – zu denen auch die Energieversorgung gezählt werden kann – gerechnet wird. Die Fähigkeiten zu einer solchen effizienten Produktion würden aus ihrer „Gebundenheit zu einer Gemeinschaft, die nicht ausschließlich auf Produktion spezialisiert ist, herausgelöst“ werden (Schachtschneider 2005: 94) und damit prinzipiell auch aus regionalen Zusammenhängen und Organisationsstrukturen, die geringe Spezialisierungsgrade aufweisen (ebd.). Dieser Annahme widerspricht die zunehmende Zahl an Energieproduzenten unter Beteiligung von Bürgern in regionalen Kontexten (Energiegenossenschaften, Stadtwerke,

144 Vgl. Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (o.J.). 145 Dies ist – wiederum verbunden mit dem Argument der Steigerung der regionalen Wertschöpfung durch Substitution fossiler Energieträger – auch zu einem Schwerpunkt in der Beratungstätigkeit beispielsweise der Agentur für Erneuerbare Energien geworden (vgl. Agentur für Erneuerbare Energien 2016). 130

Landwirte etc.), die den großen Energieversorgern Marktanteile abgenommen haben (vgl. Kungl 2015)146 und auch im Bereich der Wärmeversorgung in zunehmender Zahl aktiv sind.147 Fraglich scheint vor dem Hintergrund der modernisierungstheoretisch generell zu erwartenden Spezialisierung zur Steigerung ökonomischer Effizienz, ob dies von Dauer sein kann.148 Mit den festen Obergrenzen und verpflichtenden Ausschreibungsmodellen nach dem EEG 2017 – von der Bundesregierung begründet mit der Möglichkeit, durch mehr Wettbewerb einen günstigeren EE-Ausbau zu realisieren – und dem Einstieg der großen Energiekonzerne in Deutschland in den EE-Ausbau, könnte sich eine Re-Spezialisierung in den Produktionsstrukturen und eine erfolgreiche Konfliktstrategie der ‚alten’ Akteure des Energiesystems zur Verteidigung ihrer Position andeuten. Andererseits ist aus der Perspektive des Konzepts Ökologischer Modernisierung die Energiewende als ein Vorhaben zu sehen, welches Ursache und Wirkung von Umweltfolgen (Landschaftsveränderung), die auf Akzeptanz stoßen müssen, wieder ins unmittelbare Sichtfeld der Bürger rückt. Die Akzeptanz für den EE-Ausbau wurde bisher zu einem Großteil über die ökonomischen Vorteile in den Kommunen und eine breite Akteursbasis hergestellt, eine Option, die durch die kommende EEG-Änderung möglicherweise eingeschränkt wird. Die ‚Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften’ sah in diesem Kontext allerdings die Möglichkeiten der Genossenschaften gewahrt, auch weiterhin an der Energiewende partizipieren zu können.149 Dies ist nach der Modernisierungstheorie auch insofern zu erwarten, als dass in Prozessen Ökologischer Modernisierung die Akzeptanz der Bevölkerung durch mögliche finanzielle Zugewinne gesichert wird, demnach also realisiert werden muss.

5.3 Bewertung des theoretischen Bezugsrahmens anhand der untersuchungsleitenden Annahmen Im Folgenden wird zusammenfassend eruiert, ob die aus dem Konzept Ökologischer Modernisierung in Übertragung auf die regionale Energiewende abgeleiteten untersuchungsleitenden Annahmen zutrafen. Es werden dabei auch Zusammenhänge zwischen den untersuchungsleitenden Annahmen offengelegt.

Zu der untersuchungsleitenden Annahme 1 (breiter policy mix): In den unterschiedlichen Bereichen (übergreifende Maßnahmen, Unterstützung Dritter etc.) wurden in den für den

146 Vgl. Agentur für Erneuerbare Energie (2014) sowie Kungl (2015) 147 So stieg die Anzahl der Wärmegenossenschaften von 2006 (1) kontinuierlich bis 2015 (145) an, mit überwiegender Nutzung von Hackschnitzeln und Biogasabwärme (Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband 2016). Damit sind diese Projekte auch auf eine Anschlussförderung (nach Ablauf der ersten 20 Jahre garantierter Einspeisevergütung) der Biogasanlagen angewiesen. Dies könnte eine Pfadabhängigkeit im Sinne von Schönberger (2016) begründen, könnte die Gemeinschaftsprojekte aber auch gefährden und ggf. wieder zu einer Re-Spezialisierung in der Energieversorgung führen. 148 Gleiches gilt in Bezug auf den Trend zur Rekommunalisierung von Strom- und Gasnetzen. So hatte die Stadt Titisee Neustadt im Schwarzwald 2011 die Konzession an die im gleichen Jahr gegründete Energieversorgung Titisee-Neustadt GmbH vergeben, an der die Stadt die Mehrheit hielt. Positiv bewertet wurden für die Vergabe beispielsweise Kriterien wie eine ökologische örtliche Energieversorgung, Bürgerbeteiligung und Verbesserung der kommunalen Haushaltssituation. Daraufhin wurde vom Bundeskartellamt eine Untersagungsverfügung erteilt, da Mitbewerber diskriminiert worden seien. Vor dem Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidung des Bundeskartellamts Bestand. Eine Kommunalbeschwerde der Stadt wurde 2016 vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen (vgl. Zeitschrift für kommunale Wirtschaft 2016). Das Bundeskartellamt hatte die Stadt Anfang 2015 bereits zur Neuvergabe der Stromkonzession aufgefordert und festgestellt, dass bei Neuvergaben in einzelnen Fällen Gemeinden versuchten „kommunale Eigenbetriebe bei der Vergabeentscheidung zu bevorzugen. Die gesetzlichen Kriterien, die bei einer Neuvergabe beachtet werden müssen, schließen eine solche Privilegierung jedoch aus.“ (vgl. Bundeskartellamt 2015). 149 Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften (2016), vgl. auch pv magazine (2016) 131

Vergleich herangezogenen Studien zu Vorreitern der regionalen Energiewende aus dem verfügbaren Instrumentarium des policy mixes zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung der Implementierung von Umweltinnovationen (EE- und Energieeffizienztechnologien) ergriffen. Die Erfolge sind hierbei zum Teil messbar, beispielsweise im Bereich der Durchführung energiebezogener Maßnahmen in den Liegenschaften (beispielsweise mit Dokumentation der Wirkungen über Energieberichte), beim Betrieb eigener EE-Anlagen (siehe beispielsweise Photovoltaikanlagen der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Schwäbisch Hall) oder bei der Erteilung von Zuschlägen von kommunalen Fördermitteln für EE-Anlagen oder mit bestimmten Auflagen im Hinblick auf die Mindeststeigerung der Energieeffizienz (beispielsweise Förderprogramm der Gemeinde Morbach zur EE-Nutzung und der Energieeinsparung). Zum Teil sind die Erfolge weniger klar zu messen, beispielsweise, wenn über eine kommunale Prozessmanagementeinrichtung die partizipative Projektentwicklung von EE-Projekten initiiert oder koordiniert wird (siehe beispielsweise vom Agenda 21-Büro des Landkreises koordinierter Lokaler Agenda 21-Prozess in Steinfurt mit der Entwicklung einer Gemeinschaftsbiogasanlage und den Ökoprofit-Runden). Letztlich kann demnach angenommen werden, dass ein möglichst breiter policy mix zur Erreichung ambitionierter Energiewendeziele förderlich ist – wie anhand des Konzepts Ökologischer Modernisierung zu erwarten war. Dabei wurde auch deutlich, dass die territoriale Zuständigkeit (Kommune) für die Effizienz von Abläufen förderlich ist. Die Fallstudie des Landkreises Steinfurt zeigt jedoch (Stablo und Ruppert-Winkel 2017), dass der dort angewandte theoretische Bezugsrahmen – Stabilisierungsbedingungen von Lokalen Agenda 21-Prozessen in Kombination mit dem Ansatz der Regional Governance – letztlich ein breiteres und tieferes Verständnis der Wirkung des policy mix ermöglichte.

Zu der untersuchungsleitenden Annahme 2 (globale, generelle Trends): Anhand der vergleichenden Untersuchung kann – wie auf Basis des Konzepts Ökologischer Modernisierung erwartet – davon ausgegangen werden, dass die Reduktion von Ausgaben für fossile Energieträger eine wesentliche Motivation für das Ziel einer regionalen EE-Selbstversorgung und konkrete Maßnahmen zum EE-Ausbau und der Energieeinsparung darstellt. Auch spielt die intensive Beschäftigung mit der Thematik des Klimaschutzes und das damit verbundene Wissen tatsächlich eine Rolle als Beweggrund für die Aktivitäten vieler Akteure in den Regionen – allerdings vor allem in Verbindung mit ökonomischen Zielsetzungen wie der Förderung regional ansässiger Unternehmen, beispielsweise der Handwerkerschaft im Bereich der energetischen Gebäudesanierung. Wird der ökonomische Nutzen eines Projektes für die Region nicht deutlich, so wird es schwierig, alleine mit dem Verweis auf die Eindämmung des Klimawandels den Prozess weiter voran zu treiben (vgl. Beispiel Windpark Engelsbrand Kapitel 5.2.1), was auch aus dem theoretischen Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung plausibel abgeleitet werden kann, da die Aussicht auf ökonomische Zugewinne als zentrale treibende Kräfte hinter ambitionierten Energiewendevorhaben angesehen werden können (vgl. untersuchungsleitende Annahmen 6 und 7). Entsprechend könnte sich als bremsend für kommunale Energiewendeprozesse erweisen, dass der Trend des steigenden Ölpreises seit dem Preisverfall im Jahr 2014 gegenwärtig nicht mehr existiert. Ob die Klimakonferenz von Ende 2015 in Paris und die Unterstützung des Abkommens durch die von Präsident Obama geführte Regierung der USA sowie durch China hier ausgleichend wirken können, ist offen. In Deutschland erscheint vor dem Hintergrund der aktuellen Ausgestaltung des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung

132

und der damit erzielbare Wirkung auf die kommunale Ebene allerdings fraglich, ob Klimaschutz ein zentrales Argument für ambitionierte CO2-Reduktionsmaßnahmen darstellen könnte. .150

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 3 (politische Kapazität): Im Bereich der rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen konnten neben dem EEG die Strommarktliberalisierung für die Erweiterung der Geschäftsfelder von Stadtwerken auch in Bereichen der Energiewende als bedeutsam identifiziert werden (neue Dienstleistungen). Auch das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz konnte für die Effizienzsteigerung in der Ausnutzung der Primärenergieträger als zentral angesehen werden, wie auch im Bereich der energetischen Gebäudemodernisierung die Energieeinsparverordnung. Bedeutsam waren weiterhin die in ihrer Zahl zunehmenden die EE-Regionen-Community betreffenden Förderprogramme und Wettbewerbe von der Landes- bis zur EU-Ebene. Wurde nicht nur der reine EE-Ausbau betrachtet, der in einigen Fällen, beispielsweise im Bereich der Windkraft, auch durch regionsexterne Investoren wesentlich vorangetrieben wurde, sondern sollten beispielsweise Maßnahmen die kommunalen Liegenschaften oder Förderprogramme für die Bevölkerung betreffend umgesetzt werden, erschienen die internen ökonomischen Rahmenbedingungen ohne Zweifel bedeutsam: Investive Maßnahmen auf kommunaler Ebene, beispielsweise im Bereich der energetischen Sanierung der Liegenschaften, bedingten einen gewissen Finanzspielraum. Im Hinblick auf die informationellen Rahmenbedingungen zeigte sich, dass durch Kombination von technischem, finanzierungsbezogenem und rechtlichem Know-how eine rasche Projektrealisierung möglich wurde. Zur kritischen Begleitung der Energiewende erwies sich auch direkt in der Region in entsprechenden Organisationen (z.B. Umweltzentrum) institutionalisiert vorliegendes, naturschutzbezogenes Know-how, als bedeutsam zur Begleitung der Energiewende. Dass dennoch in Konflikten um den EE-Ausbau häufig keine einvernehmlichen Lösungen zu finden waren, erscheint auch nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung plausibel, da in Bereichen wie dem Artenschutz in der Regel keine Win-win- Situationen hergestellt werden können (vgl. auch untersuchungsleitende Annahme 5). Hier war außerdem festzustellen, dass aufgrund fehlender personeller und weiterer finanzieller Ressourcen naturschutzorientierte Akteure kaum eine entscheidende Beeinflussung der Debatten und Prozesse möglich war. Gegen die regionalökonomischen Argumente für einen weiteren EE-Ausbau waren sie weitgehend chancenlos, ein aus der Perspektive Ökologischer Modernisierung ebenfalls erwartbarer Umstand.

Die Akteurskonstellationen betreffend zeigte sich, dass sich – vor allem durch das Framing der Energiewende als Möglichkeit zur Generierung regionaler Wertschöpfung – eine breite Unterstützerkoalition, auch unabhängig von parteipolitischen Konstellationen, entwickelte, und so zahlreiche mit der Energiewende verbundene Handlungsfelder bearbeitet werden können. Hierbei erscheint ein entsprechendes Prozessmanagement notwendig (vgl.

150 Im zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Arbeit vorliegenden Hausentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 06.09.2016 war dazu unter dem Kapitel ‚Kommunaler Klimaschutz’ folgende unspezifische Aussage zu lesen: „Klimaschutz gilt bisher nicht als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Deshalb ist es für Kommunen nicht selbstverständlich, dem Klimaschutz im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsaufgaben (z.B. der Bauleitplanung oder der Bewirtschaftung der Liegenschaften) gezielt Rechnung zu tragen. Dies wird dem Stellenwert, den Klimaschutz in unserer Gesellschaft einnehmen sollte, nicht gerecht, zumal für viele Klimaschutzmaßnahmen ein aktives Handeln auf regionaler und lokaler Ebene wichtig ist. Die Bundesregierung wird deshalb prüfen, auf welche Weise es gelingen kann, dem Klimaschutz auch auf regionaler und lokaler Ebene verbindlich ein höheres Gewicht zukommen zu lassen, die Kommunen bei eigenen Klimaschutzaktivitäten zu stärken und zu größerer Eigenverantwortung für den Klimaschutz zu bewegen.“ (Bundesregierung 2016) 133

untersuchungsleitende Annahme 4 zur Steuerungsstruktur). Bei der Betrachtung der Entwicklung dieser Koalition und deren Motivlagen über die Zeit erscheint der theoretische Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung für Vorreiter passend. Sie wurden – soweit in den Fallstudien bekannt – wesentlich von umweltengagierten Personen geprägt, kamen aber zur vollen Entfaltung erst durch Beeinflussung und Kontakt mit etablierten Akteuren aus Politik und Verwaltung. Auch die hohe Bedeutung von Pionierunternehmen im Bereich der Energiewende, darunter auch Stadtwerke, wurde als bedeutsam identifiziert. Die Akteurskonstellationen betreffend entsprechen sich damit der theoretische Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung und das von Hauber und Ruppert-Winkel (2012) induktiv entwickelte Modell weitgehend. Beide bilden auch die stabilisierenden Rahmenbedingungen – vor allem das EEG – gleichermaßen ab. Da nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung Akteure aus der Wirtschaft zentral für die Diffusion von Umweltinnovationen sind, ist bei entsprechenden Renditemöglichkeiten auch mit einer verstärkten Aktivität professioneller Investoren zu rechnen. Während deutlich wurde, dass auch einzelne Akteure sehr bedeutsam für die Prozesse sein können, wie beispielsweise der Bürgermeister in der Gemeinde Morbach, so kann mit dem Bezugsrahmen die Frage nicht beantwortet werden, wie solche Einzelakteure – Bürgermeister, Amtsleiter, Unternehmer etc. – in das soziale Gefüge der Kommunen eingebettet sind. Hier können Ansätze, die sich mit ‚Leadership’ beschäftigen, vielversprechend für ein tieferes Verständnis sein (vgl. beispielsweise Ruppert-Winkel 2014).

Situative Faktoren – wie beispielsweise die Möglichkeit zur Nutzung einer geeigneten Freifläche zur EE-Produktion in Kombination mit dem Umstand, dass gleichzeitig Investoren auf der Suche nach geeigneten Windkraftstandorten waren (Gemeinde Morbach) – können bedeutsam für die Einnahme einer Vorreiterrolle sein, wie auch strategische Faktoren, wie beispielsweise der Versuch, über das Beibehalten einer Vorreiterrolle in der Community der EE-Regionen eine Bekanntheit für die Region herzustellen. Hierzu können allerdings keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden, da diese Faktoren regionsspezifisch sein können.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 4 (Steuerungsstrukturen): Aus dem Konzept Ökologischer Modernisierung kann abgeleitet werden, dass sich in modernen Gesellschaften Steuerungsstrukturen herausbilden, die von einer verstärkten Stakeholderpartizipation in Entscheidungsprozessen geprägt sind, so dass vor dem Hintergrund zunehmender Komplexität und damit einhergehenden Interessenlagen Handlungsfähigkeit und Akzeptanz von Entscheidungen erhalten bzw. erzeugt werden können. Dies konnte prinzipiell in dem Fallvergleich auch für die regionale Energiewende bestätigt werden. Gleichzeitig wurde jedoch auch deutlich, dass die über Wahlen legitimierten Kommunalparlamente (Kreistage, Gemeinderäte) ihre Entscheidungsbefugnisse wahrten bzw. Partizipationsprozesse an diese politische Sphäre rückgebunden wurden.

Die anhand des theoretischen Bezugsrahmens abgeleitete Annahme, dass in regionalen Energiewendeprozessen allenfalls eine dosierte Partizipation erwartet werden kann, wurde bestätigt: Die Integration von Akteuren zeigte sich in der Gemeinde Morbach im Rahmen eines Standortmarketingprozesses als eine funktionale Einbindung von Bürgern anhand ihrer (zugeschriebenen) Kompetenzen und stand explizit im Kontext der konkreten Projektentwicklung. Auch im Landkreis Steinfurt erfolgte die Integration funktional über das Agenda 21-Büro und den Landrat und schien bereits auf dieser Ebene auch nur noch im Modus des Entsendens aus einer Gruppe, der gleiche Interessen unterstellt werden (alle Bauer haben die gleichen Interessen, alle Naturschützer haben die gleichen Interessen) praktikabel, um die Effizienz der Verhandlungsprozesse zu erhalten.

134

Eine größere Erklärungskraft bezüglich der Frage, wie genau ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement ausgestaltet werden sollte, um energiewendebezogene Thematiken und Akteure in den regionalen Energiewendeprozess zu integrieren, bot im Vergleich zu dem Konzept Ökologischer Modernisierung der in der Fallstudie des Landkreises Steinfurt angewandte theoretische Bezugsrahmen einer Kombination aus dem Regional Governance- Ansatz und Stabilisierungsbedingungen Lokaler Agenda21-Prozesse. Beide Ansätze zeigten jedoch gleichermaßen, dass konsensuale Lösungen für Umweltprobleme mit hohem Kollektivgutcharakter im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse nur schwierig erzielbar sind, wobei – so zeigte der in Steinfurt verwendete Ansatz – kollektive Lernprozesse beispielsweise im Hinblick auf die Problematik der Biogasnutzung denkbar sind. Aufgrund der Rahmenbedingungen – wie dem EEG im konkreten Fall der Biogasnutzung – wurde diesen Lernprozessen allerdings nur eine sehr begrenzte handlungspraktische Wirkung zugeschrieben (Stablo und Ruppert-Winkel 2017: 178).

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 5 (Konflikte durch Widerstand von Modernisierungsverlierern): Detailliert konnte mit dem aus dem Konzept Ökologischer Modernisierung abgeleiteten theoretischen Bezugsrahmen auf Modernisierungsverlierer eingegangen werden. In den Vorreiterregionen wurde der Widerstand von Akteuren, deren Geschäftsmodellen durch die regionale Energiewende eine Entwertung drohte, bereits früh überwunden (vgl. das Beispiel der Stadtwerke Schwäbisch Hall) bzw. solche Akteure waren weitgehend abwesend.

Gleichzeitig zeigte der theoretische Bezugsrahmen auf, dass durch Koalitionen von Energiewendepionieren und deren (erwarteten) ökonomischen Erfolgen Entscheidungen für eine weitergehende Ökologische Modernisierung gegen Widerstände getroffen werden können. Das Beispiel des Beschlusses, die ‚Morbacher Energielandschaft’ unter Ausschluss des Flächenversorgers einzurichten (vgl. Kapitel 5.2.2, Fußnote 117) bietet in diesem Kontext auch die Möglichkeit der Aufforderung Partzschs (2015: 55) nachzukommen und auf Kritik an dem Konzept Ökologischer Modernisierung einzugehen, indem aufgezeigt wird, „wie Machtasymmetrien durch konsensuelle Formen der Machtausübung (power with) sowie Widerstand und Emanzipation (power to) nicht nur reproduziert, sondern auch überwunden werden.“ Hier war es eine Koalition aus zivilgesellschaftlichem Engagement einer Gruppierung von Umweltbewegten, wissenschaftlicher Unterstützung und einem aufgeschlossenen Bürgermeister und seiner Verwaltung, die durch Kombination von power to und power with den Energiepark ohne den Flächenversorger realisierten und das Projekt so zu einem Leuchtturm für das internationale Lernen in Sachen Energiewende machten.

Eine im Rahmen des Konzepts erwartete Fraktionierung der Umweltbewegung in konservierende Naturschützer und vorwiegend technologieorientierte Klimaschützer zeichnete sich beginnend ab. Aufgrund der bisher positiven regionalökonomischen Effekte des EE-Ausbaus kann zudem davon ausgegangen werden, dass häufig eine Koalition aus der Fraktion der klimaschutzorientierten Umweltbewegten mit hauptsächlich an wirtschaftlichen Fragen interessierten Kommunalpolitikern stattfindet, die die Minderheit der naturschutzorientierten Akteure dominiert.

Nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung können allerdings weitere ökonomisch bedingte Widerstände gegen den EE-Ausbau – beispielsweise im Hinblick auf Tourismus oder

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Immobilienwerte – naturschutzorientierte Widerstände überlagern.151 Damit scheinen auch neue Koalitionen potenzieller Modernisierungsverlierer – unterstützt beispielsweise durch Organisationen auf nationaler Ebene wie die Initiative ‚Vernunftkraft’ – gegen energiewendebezogene Maßnahmen möglich.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 6 (Einnehmen einer Vorreiterrolle): In den selbst untersuchten Vorreiterregionen und dem Abgleich der Ergebnisse mit weiterer Literatur wurde deutlich, dass im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse die Zielstellungen einer Verbesserung von Standortfaktoren und des ökonomischen Gewinns verfolgt und auch tatsächlich realisiert wurden. Austausch-, Vernetzungs- und Lernprozesse auf horizontaler Ebene zwischen EE-Regionen konnten ebenfalls als bedeutsam identifiziert werden. Es haben sich entsprechende Instrumente (Exkursionen, Kongresse etc.) herausgebildet und die Erfolge werden in Wettbewerben abgebildet (Klimaschutzpreise, Solarpreise etc.). Außerdem wurden auf der regionalen Ebene in Ansätzen Instrumente identifiziert, die durch vertikalen Austausch auf höherer Ebene verallgemeinert wurden und daraufhin wiederum auf die regionale Ebene über Förderung zurückwirkten und auf diese Weise zur Diffusion von Umweltinnovationen beitrugen. Damit erschien das von Jänicke (2013) beschriebene Mehrebenenmodell zur Diffusion von Umweltinnovationen plausibel und es wurde deutlich, dass Prozesse Ökologischer Modernisierung auf der regionalen Ebene mit denen der höheren Ebene verknüpft sind und sich gegenseitig verstärken und stabilisieren können.

Zu den untersuchungsleitenden Annahmen 7 (Energieeinsparung, Suffizienz, Rebound- Effekte, Regionalisierung): Mit einer Ausnahme zeigten sich in der Zusammenschau für die aus dem theoretischen Bezugsrahmen Ökologischer Modernisierung abgeleiteten Annahmen weitgehend bestätigende Befunde: Bezüglich der Thematik der Energieeinsparung fand eine Fokussierung auf technische Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung und Finanzierungsfragen statt. Die erwartete weitgehende Ausklammerung ambitionierter Vorstöße in Richtung von Maßnahmen zur Förderung oder gar Durchsetzung von Suffizienz traf ebenfalls zu. Suffizienz wurde randständig und von ausgewählten, häufig naturschutzorientierten Akteuren thematisiert. Gleiches galt für eine Kritik an der nach wie vor klaren Orientierung einer Mehrzahl an Akteuren aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft an wirtschaftlichem Wachstum und einer entsprechenden auf die Verbesserung von Standortfaktoren ausgerichteten Kommunalpolitik. Vor allem bezüglich des Ausbaus der Straßeninfrastruktur und dem damit verbundenen weiteren Wachstum der Siedlungs- und Verkehrsfläche manifestierte sich diese im Landkreis Schwäbisch Hall auch in Umweltindikatoren. Auch die Dominanz eines wirtschaftlichen Framings der Energiewende – in Verbindung mit dem Anspruch der Akteure vor Ort, an den Gewinnen zu partizipieren – wurde weitgehend bestätigt.

Überschneidungen eines nach innen – und damit auf eine tatsächliche Regionalisierung von Energie- und Geldströmen – gerichteten Regionalisierungsverständnisses und eines eher im Sinne einer Entwicklung der endogenen regionalen Potenziale zur besseren Positionierung der Kommunen auf dem Weltmarkt nach außen gerichteten Verständnisses von Regionalisierung

151 Hinzukommen – wie der Vergleich in Kapitel 5.2.2 zeigte – auch noch gesundheitsbezogene Argumente (z.B. in Bezug auf die Wirkung von Infraschall) gegen EE-Projekte, die zwar in dem theoretischen Bezugsrahmen fehlten, letztlich allerdings zentraler Bestandteil des Konzeptes Ökologischer Modernisierung sind: Denn es wird vor allem nach der Konsistenz von Stoffströmen im weitesten Sinne gefragt und damit auch nach schädigenden Auswirkungen der Nutzung von Technologien auf Organismen. Hier wäre im Kontext der Energiewende die Frage anzuschließen, auf welche Organismen diese Konsistenz abzielt (Menschen, Fledermäuse, Vögel). 136

(Energiewendeprozess als Alleinstellungsmerkmal im Standortwettbewerb) waren im Rahmen der beobachteten Prozesse ebenfalls erkennbar, überlagert allerdings durch Fragen im Zusammenhang mit der regionalen Identität, die mit dem Konzept der Ökologischen Modernisierung unzureichend fassbar gemacht werden konnten.

Regionalisierungen von Energie- und Geldströmen und eine Entspezialisierung in der Struktur der Stromproduzenten durch zunehmende Aktivitäten von Energiegenossenschaften, Landwirten, Einzelbürgern, Stadtwerken usw. waren entgegen der ursprünglichen Annahme zu beobachten. Hier wurde zunächst davon ausgegangen, dass zur Steigerung der ökonomischen Effizienz und Produktivität der Spezialisierungsgrad in jeglichen Produktionsprozessen und damit auch im Energiesektor steigt. Hier spielt die Ubiquität von EE eine entscheidende Rolle für die vorgefundene Dezentralisierung und Regionalisierung. Ob dieser Trend anhält, erscheint allerdings fraglich: Gegenwärtig suchen die Energiekonzerne als lange Zeit dominante Akteure des Energiesystems nach Geschäftsmodellen in der Energiewende, so dass in Kombination mit den Regelungen des EEG 2017 eine Re-Spezialisierung in der Energieversorgungsstruktur stattfinden könnte. Unwahrscheinlich erscheint nach dem Konzept der Ökologischen Modernisierung allerdings ein vollständiges Zurückdrängen kleinerer Akteure aus den Energiemärkten, da die Akzeptanz für Prozesse Ökologischer Modernisierung nur über ökonomische Zugewinne und Partizipation an Entscheidungen dauerhaft hergestellt wird.152

152 Dies mag in anderen kulturellen Kontexten anders sein. 137

6 Schlussfolgerungen

Im Folgenden soll diskutiert werden, inwieweit zur Forschungsfrage vorliegender Arbeit „Inwiefern eignet sich ein Konzept Ökologischer Modernisierung für das Verständnis regionaler Energiewendeprozesse zu einer EE-Selbstversorgung?“ Antworten gefunden wurden. Können demnach Erfolgsfaktoren und Hürden im Hinblick auf Fortgang und Stabilisierung solcher Prozesse strukturiert und ihr Zusammenwirken aufgezeigt werden? Können normative Empfehlungen auf ihre Wirkung und Umsetzbarkeit hin geprüft werden? Liefert Jänickes Modell zur Diffusion von Umweltinnovationen im Mehrebensystem eine Basis, um regionale Energiewendeprozesse umfassender als bisher verstehen zu können? Die Antworten auf diese Fragen sind dann Grundlage für eine kritische Diskussion des konzeptionellen Ansatzes der vorliegenden Arbeit. Abschließend werden Vorschläge für weiterführende Forschungen zur Diskussion gestellt.

Mit Hilfe des theoretischen Bezugsrahmens ließen sich die vielfältigen Erfolgsfaktoren und Hürden in den komplexen Veränderungsprozessen zu einer regionalen EE-Selbstversorgung identifizieren und strukturieren. Dazu lieferten die sieben untersuchungsleitenden Annahmen ein thematisches Gerüst. Für Vorreiter der regionalen Energiewende konnten mit dem Konzept Ökologischer Modernisierung Verbindungen zwischen der Entwicklung des kommunalen breiten policy mix (untersuchungsleitende Annahme 1) mit den Akteurskonstellationen zur Förderung von energiewendebezogenen Maßnahmen sowie den Rahmenbedingungen aufgezeigt werden (untersuchungsleitende Annahmen 3 und untersuchungsleitende Annahme 2). Auch die Rolle von Modernisierungsverlierern in regionalen Energiewendeprozessen (im ökonomischen Bereich wie auch in weiteren Bereichen wie dem Natur- und Landschaftsschutz) konnte anhand der empirischen Ergebnisse aufgezeigt (untersuchungsleitende Annahmen 5) und mit den Steuerungsstrukturen in Verbindung gebracht werden (untersuchungsleitende Annahmen 4). Mit Hilfe des Bezugsrahmens konnten so Erkenntnisse abgeleitet und empirisch an den Vorreiterkommunen plausibilisiert und konkretisiert werden, die handlungsleitend für andere Kommunen sein können.

Die Annahme, dass normative Forderungen nach Suffizienz, nach der Regionalisierung von Energie- und Stoffströmen (untersuchungsleitende Annahmen 7) sowie der Konfliktvermeidung durch ein partizipationsorientiertes Prozessmanagement (untersuchungsleitende Annahmen 4) kaum praktische Anschlussfähigkeiten an moderne Gesellschaften bieten, wurde in den empirischen Untersuchungen weitgehend bestätigt. Hervorzuheben ist allerdings der Effekt, dass durch die Energiewende Ursache und Wirkung des Umwelthandelns wieder erfahrbar werden und so eine direkte Betroffenheit der Menschen erzeugt wird. Aufgrund des EE-Ausbaus und die Eruierung von EE-Potenzialen rückt auch die Einsparung von Energie in den Fokus und wird in den Regionen zum Teil auch mit Lebensstil- und Konsumaspekten verknüpft, wobei dies sich, wie zu erwarten, primär auf eine naturschutzorientierte Minderheit beschränkt.

Aufgrund von Widerständen bestimmter (neuer) Akteurskonstellationen ist mit einer bremsenden Wirkung auf den EE-Ausbau zu rechnen. So geraten EE-Selbstversorgungsprozesse ‚von unten’ (durch Überlagerung von wirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Widerständen vor Ort) und ‚von oben’ (EEG-Veränderungen aufgrund von Versuchen der ökonomischen Effizienzsteigerung des EE-Ausbaus) unter Druck. Die Untersuchung stützt allerdings die Annahme, dass unter diesen Bedingungen eine Teilhabe der Akteure vor Ort – auch die ökonomische, die mit dem Anspruch in Verbindung steht, Konsumhandlungen realisieren zu können (untersuchungsleitende Annahmen 7) – für die Stabilisierung des Prozesses der

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regionalen Energiewende bedeutsam ist. Bestätigt wurde auch, dass Konflikte mit hohem Kollektivgutanteil (z.B. Biodiversitäts- und Landschaftsschutz), schwierig zu lösen und Konsense unwahrscheinlich sind (untersuchungsleitende Annahmen 4). Die Annahme, dass im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse zwei Verständnisse von Regionalisierung (ein eher ökologisch orientiertes zur Verkleinerung von Stoff- und Geldkreisläufen und ein nach außen orientiertes zur Stärkung der Region im Standortwettbewerb) nebeneinanderstehen und sich teilweise überschneiden, wurde durch die empirischen Untersuchungen ebenfalls gestützt (untersuchungsleitende Annahmen 7). Jänickes (2013) Modell zur Interaktion verschiedener Ebenen im politischen System – integriert in die untersuchungsleitenden Annahmen 6 zur Einnahme einer Vorreiterrolle in der regionalen Energiewende – lieferte einen hilfreichen Ansatz, um die Interaktion horizontal (zwischen Regionen) und vertikal (zwischen der regionalen und höheren Ebenen) in den Blick nehmen zu können. Deutlich wurde einerseits die fördernde (und im Hinblick auf die Weiterentwicklung des EEGs möglicherweise auch bremsende) Wirkung der höheren Ebene auf die regionalen Prozesse. Auch regelmäßige horizontale Austausche zwischen EE-Regionen und die entsprechenden Foren (Kongresse, Exkursionen, Präsentation von Best-Practice-Lösungen) konnten mit Hilfe des Konzepts Ökologischer Modernisierung identifiziert werden. Diesen Lernprozessen kommt eine hohe Bedeutung zur Stabilisierung von EE-Selbstversorgungsprozessen zu. Auch für die bisher in der Community wenig thematisierten vertikalen Austauschprozesse nach oben wurde mit dem Konzept der Blick geschärft. Sie erscheinen für Innovationen im Bereich der Politikinstrumente auf höherer Ebene sehr wichtig. Umgekehrt profitieren die Prozesse auf regionaler Ebene wiederum von diesen Verallgemeinerungen von Instrumenten. Das heißt, Energiewendeprozesse auf regionaler Ebene sind sehr eng mit Prozessen Ökologischer Modernisierung auf höheren Ebenen verknüpft, und diese können sich gegenseitig stärken. Diese Komponente des theoretischen Bezugsrahmens war sehr bedeutend, um eine Übertragung des Konzepts Ökologischer Modernisierung auf die regionale Ebene realisieren zu können. Deutlich wurde dabei, dass die nationale Ebene – trotz Selbstverwaltungskompetenzen auf kommunaler Ebene und Abgabe von Kompetenzen im Bereich der Energiepolitik an die EU- Ebene – noch immer ganz wesentlich zur Setzung förderlicher Rahmenbedingungen in der Lage ist, wie auch von Huber (2008) und Jänicke (2012: 24f.) betont wird.

Dem Konzept Ökologischer Modernisierung wurde verschiedentlich vorgeworfen eine „modernisierungstheoretische Schließung des Zukunftshorizonts“ (Adler 2014: 161) durch „dessen – mehr oder weniger expliziten – ‚absoluten’, tendenziell Alternativlosigkeit suggerierenden Anspruch hinsichtlich praktikabler Auswege aus der ökologischen Krise“ (ebd.: 176) vorzunehmen.. Wird dieser normative Aspekt des Konzepts fokussiert und kritisiert, gerät jedoch das analytische Potenzial dieses systemisch-evolutiven Ansatzes der Umweltforschung, auf dessen Basis Vertreter des Konzepts ihre normativen Schlüsse ziehen, aus dem Blick.153 In der vorliegenden Studie erwies sich das analytische Konzept Ökologischer Modernisierung – trotz einiger Lücken –als fruchtbar, das Geschehen in den Regionen zu strukturieren und Verbindungen zwischen Erfolgsfaktoren der regionalen Energiewende aufzuzeigen. Insbesondere die Untersuchung von Realisierbarkeit und Wirksamkeit bestimmter normativer Empfehlungen und Forderungen in modernen bzw. sich modernisierenden Gesellschaften kann zudem als wesentlicher Beitrag zur Forschung an diesem Gegenstand gesehen werden. Dabei wurde der Blick für die Grenzen von umweltbezogenen Aushandlungsprozessen geschärft. Lassen sich hier keine Win-win-Lösungen finden und

153 Vgl. für die Dualität des Konzepts Kapitel 2.2.2 140

existiert nicht die Aussicht darauf, dass gesetzliche Regelungen an Stelle freiwilliger Übereinkünfte der Akteure treten, so werden ökologische Problemstellungen weiterbestehen oder zunehmen. Diese Problematik wird von den Begründern des Konzepts Ökologischer Modernisierung entgegen der Vorhaltungen ihrer Kritiker durchaus auch thematisiert. So etwa, wenn Huber (2011a: 296) feststellt, dass Ökologische Modernisierung als systemische Innovation „vielleicht mehr Zeit [benötigt], als angesichts des sich weiter aufbauenden Problemdrucks in Form von Klimawandel, Biodiversitätsverlusten, Frischwasserverknappung, Bodendegradation und Wüstenbildung einräumbar erscheint.“ Auch Jänicke (2006: 27) befürchtet „that we content ourselves with the ‚low hanging fruits’ of marketable ‚win-win solutions’. […] As the crucial task remains the prevention of long-term environmental disruptions of all kinds, industrial transformation will inevitably clash with vested interests. Governance for sustainable development must therefore mobilise the will and capacity to win this struggle.“ Wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt wurde, bestehen Potenziale dazu im Rahmen der regionalen Energiewende durch die Verbindung aus power to und power with (Partzsch 2015). Insofern soll hier – normativ – die Wichtigkeit einer Vorreiterrolle betont werden, wobei nach den Erkenntnissen dieser Arbeit hierfür dem umweltengagierten zivilgesellschaftlichen Engagement eine entscheidende Rolle zukommt. Ein Umstand, den auch Toke (2011) in einer Studie – unter Anwendung einer Kombination aus dem Konzept Ökologischer Modernisierung und einem Forschungsansatz zu Sozialen Bewegungen – in verschiedenen Kontexten (beispielsweise Dänemark und Spanien) zur Entwicklung von EE- Technologien und Diffusion von EE-bezogenen Politikinstrumenten feststellte.154 Wie die vorliegende Arbeit zeigt, müssen solche Bewegungen im weiteren Verlauf der (regionalen) Energiewende allerdings mit Zielkonflikten (Klimaschutz vs. Naturschutz) umgehen, da die Wirkung des Umwelthandelns unmittelbar in der Landschaft sichtbar wird. Diese Entwicklungen bieten, wie ebenfalls beobachtet, jedoch auch die Möglichkeiten für Lerneffekte. Reusswig et al. (2016b: 13) sprechen davon, dass „the German E[nergie]W[ende] can – as a silent side-effect if one wishes – be interpreted as a giant educational programme in the field of energy technology and policy, including climate science.“

In diesem Kontext kann gefolgert werden, dass das Konzept Ökologischer Modernisierung zwar starke gesellschaftliche Trends des Massenkonsums, einer erwarteten weitergehenden Globalisierung usw. formuliert, die eher hinderlich für die Verwirklichung von bestimmten nichttechnologiefokussierten Ansätzen – wie Suffizienz oder einer Verkürzung von Wertschöpfungsketten durch Regionalisierung – zur Lösung ökologischer Probleme sind. Diese Modernisierungstrends sind allerding nicht zwangsläufig zu verteidigen oder per se zu rechtfertigen. Der „ubiquitäre“ (Gailing und Röhring 2015: 32) Charakter der EE, der die unmittelbare Betroffenheit der Akteure hervorruft, bedingt offenbar erhebliche gesellschaftliche Reflexionen und könnte möglicherweise auch Steuerungsprozesse auslösen, die zur teilweisen Überwindung dieser gesellschaftlichen Trends führen.

Hieran könnten zukünftige Untersuchungen anschließen, die die in dieser Arbeit begonnene vergleichende Analyse von Fällen und weitere Studien zu unterschiedlichen Themenfeldern der (regionalen) Energiewende vertiefen. Fragestellungen könnten sein: Wie entwickelt sich die Zahl an kommunalpolitisch ergriffenen Maßnahmen zur Förderung oder Durchsetzung von Suffizienz und wie steht dies im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Ausbaus von EE und den vorhandenen EE-Potenzialen? Verändern Bürger in EE-Regionen im Vergleich zu anderen Regionen (schneller) ihre Lebensstile hin zu einer energie- und ressourcensparsameren

154 Vgl. ähnlich auch van der Schoor et al. (2016) in Bezug auf das niederländische Energiesystem. 141

Lebensweise? Wie entwickeln sich die Energieströme im Rahmen regionaler Energiewendeprozesse und findet tatsächlich in großem Umfang eine physikalische Regionalisierung von Energie- und Stoffströmen statt? Sollten solche Regionalisierungen empirisch großflächig nachweisbar sein, ist zu fragen, ob es sich um ein Anzeichen einer umfassenden Demodernisierungstendenz im Sinne einer Verkleinerung von Energie-, Stoffstrom- und Wertschöpfungskreisläufen handelt oder ob die übergeordnete Tendenz der Globalisierung und der Exportorientierung von Regionen lediglich durch ein auf EE basierendes, möglicherweise ökonomisch effizienteres Energieversorgungssystem gestützt wird? Ebenfalls von Interesse ist die Frage, wie sich die Umweltbewegung in Bezug auf die (regionale) Energiewende weiterentwickelt (Spaltung, neue Akteurskonstellationen gegen EE) und mit welcher Schlagkraft und Stoßrichtung sie sich zukünftig in gesellschaftliche Transformationsprozesse mit Energiewende- und Klimaschutzbezug einbringen wird.

Für weitere Untersuchungen wären zudem Aspekte von Interesse, die in der vorliegenden Arbeit unberücksichtigt blieben oder bezüglich derer das Konzept Ökologischer Modernisierung Lücken aufwies. Die eigenen Fallstudien wie auch die weiteren hinzugezogenen Studien bezogen sich in der Regel auf Vorreiter. Die Durchführung vergleichender Analysen in Fallstudienregionen mit weniger erfolgreichen oder gescheiterten Prozessen wäre eine interessante Möglichkeit zur Kontrastierung der Ergebnisse. So könnten bezüglich der genauen Ausgestaltung der Erfolgsfaktoren, wie beispielsweise der einzelnen Elemente der politischen Kapazität oder des policy mix, im Hinblick auf die Einnahme einer Vorreiterrolle in der Implementierung von EE und Maßnahmen zur Energieeinsparung konkretisierende Aussagen abgeleitet werden. Bezüglich des Widerstands von Modernisierungsverlierern wäre es hier interessant zu prüfen, ob in weniger erfolgreichen EE-Selbstversorgungsprozessen eine Mehrheit potenzieller Verlierer den Prozess ausbremste oder gar nicht erst aufkommen ließ. Genauer könnte auch nochmals die Rolle der internen ökonomischen Rahmenbedingungen von Kommunen in den Blick genommen werden und zwar dahingehend, ob diese tatsächlich die entscheidenden Bedingungen sind, um über den EEG-getriebenen EE-Ausbau im Stromsektor hinausgehend aus eigener Kraft unterschiedliche Handlungsfelder der regionalen Energiewende bearbeiten zu können und beispielsweise eine Vorbildrolle in der energetischen Modernisierung der Liegenschaften einzunehmen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch, ob die grundsätzliche und in den Fallstudienregionen weit verbreitete Annahme, dass die Preise für fossile Energieträger (vor allem Öl) langfristig ansteigen, von den Akteuren immer noch geteilt wird und bei der Umsetzung von Maßnahmen, vor allem im Wärmesektor, auch weiterhin darauf referiert wird, so dass damit auch gegebenenfalls lange Amortisationszeiten legitimiert werden können.

Im Hinblick auf das Verständnis der Interaktion verschiedener politischer Ebenen zur Förderung der Diffusion von Politikinstrumenten für den EE-Ausbau wäre zudem auch die Verwendung des Transition-Ansatzes denkbar, wie beispielsweise von Dóci et al. (2015) für lokale EE-Projekte in den Niederlanden angewandt, um die Möglichkeiten dieser Nische zur Veränderung des dortigen Energiesystems eruieren zu können. Damit könnte der Fokus auf die generelle Veränderungswirkung kommunaler EE-Selbstversorgungsprozesse für das deutsche Energiesystem gelegt werden.

Das Konzept Ökologischer Modernisierung scheint international zumindest für den deutschsprachigen Raum fruchtbar, wie die in Kapitel 5.2 vergleichend hinzugezogenen Fallstudien zeigten. Die Studie von Ruppert-Winkel et al. (2016) zum Energiewendeprozess in einer Region in Kalifornien, in der die Autoren das von Hauber und Ruppert-Winkel (2012)

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entwickelte Modell – welches wesentliche Überschneidungen mit dem Konzept Ökologischer Modernisierung aufweist – testeten, spricht zudem für eine Übertragbarkeit des Konzepts Ökologischer Modernisierung in diesen räumlichen Kontext. Denn die wesentliche Modifikation des ursprünglichen Modells stellte die Integration von Konflikten mit Modernisierungsverlierern durch die Autoren dar, denen auch nach dem Konzept Ökologischer Modernisierung eine wesentliche Rolle für Fortgang und Stabilität von regionalen Energiewendeprozessen zukommt. Hier könnten weitere vergleichende Studien detailliertere Erkenntnisse zur internationalen Übertragbarkeit des Ansatzes bieten.

Dargelegt wurde in Kapitel 5.2, dass in Bezug auf regionale Identitäten der auf Basis des Konzepts Ökologischer Modernisierung entwickelte theoretische Bezugsrahmen Lücken aufwies. Hier könnten weitere Studien anschließen, die versuchen, die vor allem in der wirtschaftsorientierten Argumentation artikulierten Beweggründe der involvierten Akteure im Hinblick auf Positionierungen (‚Wir’/’Die’) zu hinterfragen. Dies könnte mit dem Versuch einhergehen, mit dem Ansatz der Regional Governance die unterschiedlichen Orientierungen der Akteure – territorial oder funktional – zu berücksichtigen, sie mit technischen, ökonomischen und naturschutzfachlichen Aspekten der Energiewende zu verschneiden und so eventuell einem Verständnis näherzukommen, welches Verhältnis aus Zentralität und Dezentralität bzw. Regionalität des zukünftigen Energiesystems in Bezug auf verschiedene Dimensionen (Eigentumsverhältnisse, EE-Standorte, Bereitstellung von Flexibilität) wahrscheinlich und ggf. auch normativ empfehlenswert ist und auf welcher Ebene welche Akteure eingebunden werden können.

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Süddeutsche Zeitung 2014. Autarkes Dorf Feldheim. Mit eigener Energie. Zeitungsbericht vom 04.07.2014 http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/autarkes-dorf-feldheim-mit-eigener- energie-1.2017641 (abgerufen 23.09.2016).

Tischer, M., M. Stöhr, M. Lurz. 2006. Auf dem Weg zur 100% Region: Handbuch für eine nachhaltige Energieversorgung von Regionen. München: B.A.U.M. Consult GmbH.

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Trutnevyte, E., M. Stauffacher. 2012. Opening up to a critical review of ambitious energy goals: Perspectives of academics and practitioners in a rural Swiss community. Environmental Development 2: 101–116. van der Schoor, T, H. van Lente, B. Scholtes, A. Peine. 2016. Challenging obduracy: How local communities transform the energy system. Energy Research & Social Science. 13: 94-105.

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Zoellner, J., I. Rau, P. Schweizer-Ries. 2011. Zur Akzeptanz von Erneuerbaren Energien. Beteiligungsprozesse und Entwicklungschancen für Kommunen und Regionen. Ökologisches Wirtschaften 3: 25‐27.

157

Anhang

Anhang 1: Veröffentlichung zur Fallstudie der Gemeinde Morbach

Anhang 2: Veröffentlichung zur Fallstudie des Landkreises Steinfurt

Anhang 3: Interviewpartner und teilnehmende Beobachtungen zur Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall

159

Anhang 1: Veröffentlichung zur Fallstudie der Gemeinde Morbach

Stablo, J., C. Ruppert-Winkel. 2012. The Integration of Energy Conservation into the Political Goal of Renewable Energy Self-Sufficiency – A German Case Study Based on a Longitudinal Reconstruction. Sustainability 4: 888–916.

Online verfügbar unter: http://www.mdpi.com/2071-1050/4/5/888

160

Anhang 2: Veröffentlichung zur Fallstudie des Landkreises Steinfurt

Stablo, J., C. Ruppert-Winkel. 2017. Mit Good Regional Governance zur nachhaltigen Energiewende? Das Beispiel des Kreises Steinfurt in Deutschland. In: Governance für eine Gesellschaftstransformation. Herausforderungen des Wandels in Richtung Nachhaltigkeit. Herausgegeben von Rücker-John, J., M. Schäfer. Wiesbaden: Springer VS. 161-188.

Online verfügbar unter: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-16560-4_7

161

Anhang 3: Interviews und teilnehmende Beobachtungen zur Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall

Eigene Interviews zur Fallstudie des Landkreises Schwäbisch Hall

1. Kreistagsmitglied der FDP (07.02.2012) 2. Kreistagsmitglied für Bündnis90/Die Grünen und Fraktionsvorsitzender ÖDP/Grüne (08.02.2012) 3. Kreistagsmitglied der Freien Wähler (telefonisch 06.07.2012) 4. Ehemaliger Mitarbeiter der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (06.02.2012) 5. Ansprechpartner im Bereich Energie des Landratsamts (20.12.2011) 6. Mitarbeiter im Fachbereich Hochbau/Gebäudemanagement im Landratsamt (07.02.2012) 7. Leiter des energieZentrums (07.02.2012) 8. Ehemaliger Mitarbeiter des energieZentrums (telefonisch 30.01.2012) 9. Vertreter des organisierten Handwerks aus dem Landkreis (07.02.2012) 10. Mitarbeiter der Stadtwerke Schwäbisch Hall (07.02.2012) 11. Mitarbeiter der Stadtwerke Crailsheim (08.02.2012) 12. Mitarbeiter des Umweltzentrums Schwäbisch Hall (09.02.2012) 13. Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg (telefonisch 09.12.2011 sowie 10.02.2012) 14. Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg und ehemaliger Kassenwart Modell Hohenlohe e.V. (08.02.2012) 15. Mitglied der Energie-Initiative Kirchberg und Besitzer der ersten Photovoltaik-Anlage im Landkreis Schwäbisch Hall (08.02.2012)

Teilnehmende Beobachtungen im Landkreis Schwäbisch Hall

1. World-Café im Rahmen des Projekts ‚EE-Regionen’ in Wolpertshausen u.a. auch mit Teilnehmenden aus den anderen Partnerkommunen des Projekts ‚EE-Regionen’ (24/25.03.2010)155 2. Veranstaltung des evangelischen Kreisbildungswerks Schwäbisch Hall und des Vereins ‚Hohenloher Franken’ zur Finanzkrise und regionalen Lösungsmöglichkeiten (08.10.2010) 3. Treffen der Energie-Initiative Kirchberg in Schwäbisch Hall u.a. zum Filmprojekt ‚Change! Ein deutsches Energiemärchen’ (11.02.2012) 4. Workshop des Projekts ‚EE-Regionen’ mit Stakeholdern aus dem Landkreis zur Besprechung von Projektergebnissen (01.10.2012)

155 Vgl. Ruppert-Winkel et al. (2014) 162

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich Menschen, die am Entstehungsprozess dieser Arbeit beteiligt waren, danken. Zunächst geht dieser Dank an meine beiden Betreuer Prof. Dr. Gerhard Oesten und Prof. Dr. Peter Schmuck. Ihr Wissen und ihre Hinweise waren für mich sehr hilfreich, um meine Studien Schritt für Schritt vorantreiben und vollenden zu können. Prof. Dr. Michael Pregernig danke ich für die Übernahme des Korreferats zu dieser Arbeit. Mein besonders großer Dank geht an Dr. Chantal Ruppert-Winkel, Leiterin des Projekts ‚EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung’, die mir als Betreuerin im Arbeitsprozess stets mit Rat, Tat und Zeit zur Seite stand. Ohne sie läge diese Arbeit nicht vor. Dem Projektteam möchte ich für den vielfältigen und inspirierenden Austausch zu Themen rund um die (regionale) Energiewende und darüber hinaus danken und hier insbesondere Dr. Jürgen Hauber für die intensiven und gewinnbringenden Diskussionen. Auch geht mein Dank an die weiteren Mitarbeitenden des Zentrums für Erneuerbare Energien und des Instituts für Forstökonomie an der Universität Freiburg.

Die vorliegende Untersuchung wäre ohne die Bereitschaft der Akteure vor Ort, sich im Kontext des Projektes ‚EE-Regionen’ zu engagieren und für Interviews zur Verfügung zu stehen, nicht möglich gewesen. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Meiner Familie gilt ein großer Dank für die stetige Unterstützung in einem lange währenden Prozess. Insbesondere meiner wunderbaren Frau möchte ich für das große Verständnis danken und unseren drei Kindern dafür, dass sie da sind.

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