„Was Wollt Ihr Eigentlich?“ Der Österreichische Slalom-Spezialist Marcel Hirscher Gilt Als Bester Skifahrer Der Welt
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Sport SKI ALPIN „Was wollt ihr eigentlich?“ Der österreichische Slalom-Spezialist Marcel Hirscher gilt als bester Skifahrer der Welt. Das ganze Land erwartet, dass er bei den Olympischen Spielen in Sotschi Gold gewinnt. Er selbst hat ein anderes Ziel. wei Stunden nachdem Marcel Hir - ein Glas Wasser trinken, „ich verdurste“. Wie letzte Woche in Adelboden. Ganz si - scher mit dem Privatjet in Bern ge - Aber so einfach geht das nicht. cher. Wer sonst? Und jetzt noch ein Foto! Zlandet ist, tritt er in die Lobby des Es ist der Tag vor dem Slalom in Wen - Na, kommi!“ Sie schmiegt sich an ihn, Hotels Silberhorn in Wengen, einem gen, die Abfahrt auf dem Lauberhorn ist und Hirscher guckt, als läge er mit Grippe Bergdorf in den Schweizer Alpen, am vorbei, und neben dem Hotel, im „Welt - im Bett. „Lächeln musst du aber schon“, Fuß der Jungfrau, unweit von Eiger und cup-Dörfli“, sind die Zuschauer inzwi - sagt die andere Frau, den Finger auf dem Mönch. Der wohl beste Skifahrer der schen auf Bier und Champagner umge - Auslöser. Welt steckt in einem dunklen Parka, die stiegen. Die Bässe wummern, „Viva Co - Er nimmt die Kapuze vom Kopf, strub - Kapuze hat er tief ins Gesicht gezogen, lonia“ tönt es aus den Boxen, als zwei belt die Haare in Form und knipst ein Marcel Hirscher guckt auf den Boden; ein Frauen in Moonboots ins Hotel kommen. Lächeln an, als würde sein Hochzeitsfoto Mann, der nicht angesprochen werden Ihre Wangen sind rosig, aber das liegt gemacht. „Danke“, sagt er, als die Bilder möchte. Er bewegt sich in Zeitlupe, als vielleicht nur an der Kälte draußen. fertig sind. Die Frauen kichern und sind wäre jede Bewegung eine Zumutung. Er „Da! Da ist er! Der Marcel Hirscher, auch schon wieder durch die Tür. sagt, er möchte sich irgendwo hinsetzen, na, der Marcel“, sagt die eine Frau und Marcel Hirscher ist nicht Sportler gewor - wo es ruhig ist, und dann erst einmal stellt sich neben ihn. „Du holst es morgen. den, weil er ein Star sein wollte, es wider - 96 & '% " 5/2014 Saison hat er wieder gute Chancen auf den Titel. Er wäre der erste Österreicher, der ihn dreimal in Serie holt, der erste Ski - fahrer seit 30 Jahren, dem dies gelänge . Hirschers Leistung ist erstaunlich, weil er, bis auf wenige Ausnahmen, nur Slalom und Riesenslalom fährt; die Tempo-Dis - ziplinen liegen ihm nicht. Im Slalom ist er Weltmeister, im Riesenslalom Vizewelt - meister; ein Technikspezialist, der sich wie ein Balletttänzer zwischen den Stangen bewegt. Und der meistens aufs Podest fährt, wenn er nur das Ziel erreicht. In der vergangenen Saison gelang ihm das bei jedem Slalom, das schafften bis - her nur der Italiener Alberto Tomba und der Schwede Ingemar Stenmark, aber das ist eine kleine Ewigkeit her. „Marcel ist ein Jahrhundert-Talent“, sagt Felix Neureuther, einer seiner ärgsten Rivalen, der aber gut mit ihm befreundet ist. „Er hat das Skifahren auf ein neues Level gehoben.“ Hirscher rückt in Wengen auf die Kan - te seines Stuhls: „Ich stelle mir häufig die Frage: Warum ich? Wieso habe ich dieses Talent? Warum hat mein Bruder ein Hüft - leiden und ich nicht? Ich weiß es nicht. Daher sehe ich es als meine Pflicht an, mein Talent zu nutzen, so gut es geht. Ich verbiete es mir, faul zu sein.“ Skirennfahrer sind Helden in Öster - reich, sie spiegeln den Stolz der Nation, die Gefühlslage des Landes hängt stark von ihnen ab. Hirscher sagt, bei der WM in Schladming habe er vor dem zweiten Durchgang im Slalom gedacht: Wenn ich nicht Gold gewinne, bringen die Zuschau - er mich um. So wie vor ihm Toni Sailer, Franz Klam - mer und Hermann Maier, so heizt Hirscher nun die Identitätsmaschine. Bei den Ren - nen auf dem Hahnenkamm in Kitzbühel muss er sich abseits der Piste mit Body - A guards bewegen, die ihn vor aufdring - P D / lichen Fans schützen. Am Dienstag, wenn E C N A er beim Nachtslalom auf der Planai in I L L A Schladming startet, ist es nicht anders. E R U T Wenn Hirscher fährt, schalten in Öster - C I P / reich mehr Zuschauer den Fernseher ein 4 2 S als beim „Tatort“, der ORF erreichte mit S E R P ihm schon einen Marktanteil von 71 Pro - Y T I C zent. Scheidet er bei einem Rennen aus, kippt die Stimmung Richtung Trübsal. strebt ihm, im Mittelpunkt zu stehen. „Am „Die Schulterklopfer von heute schla - Hirscher sind Überhöhungen fremd, Rennwochenende bin ich eher introvertiert, gen mir morgen die Axt in den Rücken. aber bei den Olympischen Spielen nächs - weil ich wichtige Dinge im Kopf habe“, Wenn du einmal mit dem Gewinnen an - ten Monat in Sotschi trägt er die Last auf sagt er. „Wenn ich mir aber für die zwei gefangen hast, erwarten alle, dass du im - den Schultern, der einzige Siegfahrer in Damen keine Zeit genommen hätte, hieße mer gewinnst. Das ist die grundsätzliche einer alpinen Disziplin zu sein, den der es sofort, ich wäre ein arrogantes Arsch - Einstellung zu meiner Person. Aber ich Österreichische Skiverband nach Russ - loch.“ Er fährt mit dem Aufzug in die erste beschuldige niemanden, der so denkt.“ land schickt. Etage und setzt sich an den Kamin. Er hat ja auch wenige Argumente da - Die Geschäftsstelle des ÖSV befindet Wengen ist eines der wenigen Rennen, gegen, die Zahlen sprechen für sich. Mar - sich in einem abgewohnten Zweckbau in die Hirscher noch nicht gewonnen hat; cel Hirscher aus Annaberg im Lammertal Innsbruck, in der Olympiastraße 10. Peter die Zeitungen in seiner Heimat, in Öster - ist erst 24 Jahre alt, hat aber bis zu diesem Schröcksnadel, der Präsident, empfängt reich, sind voller Geschichten, wann er Nachmittag Mitte Januar in Wengen be - in seinem Büro im ersten Stock. Seit an - den Fluch endlich breche. Eigentlich soll - reits 22 Weltcup-Rennen gewonnen. In derthalb Jahren ist er Hirschers Manager, te ihn das nicht weiter stören, aber es ist den vergangenen beiden Wintern sicherte Schröcksnadel kümmerte sich auch schon nicht leicht für ihn, der Beste zu sein. er sich den Gesamt-Weltcup, und in dieser um Hermann Maier und Stephan Eber - & '% " 5/2014 97 Sport harter. „Wenn du solche Typen hast, regle der Stuhlalm im Salzburger Land, 1467 „Die Erinnerung daran ist vakuumiert und ich die Dinge gern selbst“, sagt er. Meter hoch gelegen. Dort ist Marcel Hir - eingefroren. Es gab Widerstände gegen Schröcksnadel hat dafür gesorgt, dass scher groß geworden, dort hat er laufen meinen Vater, und ich stand zwischen den Hirscher vor einem Jahr einen persön - gelernt. Er sprang über Moos und Geröll, Fronten. Ich bin glücklich, dass ich ihm lichen Trainer bekam und einen eigenen spielte auf Felsenbrocken und Baumwur - vertraut habe und wir unseren Weg ge - Servicemann, der die Skier und Bindun - zeln, die Grundlage für seine motorischen gangen sind.“ gen präpariert. Ein Pressesprecher sor - Fähigkeiten heute. Bis heute ist sein Vater, den er Ferdl tiert die Medienanfragen, aktuell sind es Sein Vater, der mittlerweile eine Ski - nennt, sein wichtigster Vertrauter. Der rund 40 am Tag. Sein Fitnesstrainer hat schule leitet, ist früher im Salzburger Lan - Papa testet jeden Ski für ihn, etwa 40 Geräte entwickelt, die auf ihn zugeschnit - descup gegen Hermann Maier gefahren. Paar in einer Saison. Er fährt dann drei, ten sind, und Hirscher darf auch seine Als sein Sohn zwei Jahre alt war, stellte vier Tore in mittelsteilem Gelände, dabei Freundin mit ins Rennquartier bringen. er ihn zum ersten Mal auf die Bretter. ist er nicht viel langsamer als Marcel. Vor „Wenn sich einer bei mir darüber be - „Wir sind ganz leichte Pflugbögen gefah - einem Rennen besichtigen sie zusammen schwert, antworte ich dem: Fahr eine ren. Marcel ist nie gestürzt. Er hat einen den Kurs und messen Torabstände. Kurz Sekunde schneller, dann kriegst du die guten Gleichgewichtssinn“, sagt er. vor dem Start gibt er seinem Sohn dann Extrawürste auch“, sagt Schröcksnadel. Ferdinand Hirscher wärmt sich im Gast - Tipps, wie er welche Passage am besten Er meint, Hirscher entspreche genauso hof Postwirt in Annaberg an einer Tasse bewältigen kann. Dafür benutzt Ferdi - wenig der Norm wie Hermann Maier sei - Tee, er trägt einen Walrossschnauzer und nand Hirscher immer das Handy, weil er nerzeit. Dabei ist er dessen Gegenent - eine Pudelmütze. Er hat bei Marcel im - befürchtet, jemand höre mit, wenn er in wurf: nicht rustikal, sondern zielstrebig. mer darauf geachtet, dass er eine saubere ein Funkgerät spricht. „Hermann hat vor seiner Karriere als Technik fährt, „ich bin ein Verfechter der Wenn Marcel in Nordamerika, in Chile Maurer gearbeitet und war als Rennfah - alten alpinen Grundeinstellung“, keine oder Neuseeland ist, lässt der Vater sich rer temporär ausgelassen“, sagt Schröcks - Rotationsbewegung in der Hüfte, enge jeden Lauf, jedes Training als Video nach nadel. Er hat auch mal fünf Bier getrun - Skistellung. Hause mailen. Mit Superzeitlupe und ken. Das macht Marcel sicher nicht. Der Weil sein Sohn als Schüler wenig Kraft Split-Screen sucht er nach Fehlern, denn ist total fokussiert. Der lebt für den Sport. besaß, ließ er ihn bei den ersten Wettbe - es sind Nuancen, die ein Skirennen ent - Marcel ist nicht locker. Der ist freaky.“ scheiden. „Ich bin derjenige, der Marcel Freaky? die Wahrheit sagt“, erklärt er. „Wegen Facebook und Twitter und dem Marcel Hirscher fährt riskant, katzen - ganzen Internet. Dann die Fotoshootings: haft, dynamisch. Seine Ski verlieren nur schon cool. Der weiß genau, wie er ange - selten den Kontakt zum Boden. Egal wie zogen sein will, welche Farbe seine Mütze steil der Hang sein mag, er versucht im - haben soll. Solche Burschen gibt’s ja sonst mer, den Ski aufzukanten, um in der Kur - A nur bei den Snowboardern. Marcel ist P ve zu beschleunigen. D / New Generation.“ E In Wengen liegt Hirscher nach dem ers - C N A Was Schröcksnadel damit sagen will: I ten Durchgang in Führung, aber am Ende L L A Hirscher ist massentauglicher als andere E wird er auf einer ramponierten Piste we - R U Fahrer, weil er nicht wirkt, als komme er T gen eines Fehlers im Flachstück nur Drit - C I P / direkt aus dem Wald.