Paula Modersohn-Becker in Die Worpswede Wird Das Malende Paar in Szene Gegenwart

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Paula Modersohn-Becker in Die Worpswede Wird Das Malende Paar in Szene Gegenwart Action! Painting! Sie war international und modern wie keine andere deutsche Malerin um 1900. Nun holt Am Originalschauplatz ein Kinofilm Paula Modersohn-Becker in die Worpswede wird das malende Paar in Szene Gegenwart. ART besuchte die Dreharbeiten gesetzt: Otto Moder- sohn (Albrecht Schuch) und Paula Modersohn- Becker (Carla Juri) TEXT: MICHAEL KOHLER, FOTOS: JÖRG BRÜGGEMANN arbeiten in freier Natur an ihren Bildern 86 87 Die Künstlerkolonie ist Paula Modersohn-Becker (Carla Juri) zu eng – sie verabschiedet sich an ihrem Geburtstag von Ehemann Otto in Richtung Paris Junge Kunstszene um 1900: Otto Modersohn (mit Brille, gespielt von Albrecht Schuch) und sein Malerkollege Fritz Mackensen Schauplatz Worpswede: Die norddeutsche Kolonie war ein Sehnsuchtsort Die anderen Worps- weder Maler rechnen für stadtflüchtige nicht mit Paulas Abreise – sie wollen sie Künstler zu ihrem Geburtstag mit einem Kuchen überraschen Malen in der freien norddeutschen Landschaft: Worpswede liegt im Teufelsmoor, nordöstlich von Bremen Die Geburtstagsszene wurde in Dülmen, Nordrhein-Westfalen, gedreht – aller- dings musste die mit Kunstschnee aus Zellulose winterlich hergerichtet werden 88 89 Eine Drehpause nutzen die Darsteller für ein Selfie Verschüchtert in der großen Stadt: Paulas nachgereister Ehe- mann Otto Modersohn (Albrecht Schuch) Paulas Ankunft im Pariser Künstlerviertel Montparnasse: endlich die Paula Modersohn- große Welt! Becker (Carla Juri) fragt am Boulevard Raspail eine Prostitu- ierte nach dem Weg Das Kamerateam am Set von »Paula« Der Pariser Boulevard wurde in Leip- zig nachgestellt 90 91 Otto Modersohn »Sie hat sich nicht und Paula Moder- sohn-Becker darum gekümmert, im Worspweder Garten, 1904 richtig oder schön zu malen«, sagt die »Paula«-Darstellerin Die Abkehr vom Eines von zahlreichen Realismus ist schon Landschaftsbildern erkennbar KAHLER BAUM KNABE AM WEG UNTER VOR LANDSCHAFT, BIRKEN, 1900, 36 X 50 CM 1900, 70 X 45 CM aula ist sauer. Wütend knallt dem Worpswede von 1906 ähnlicher ist als EIN SCHNELLES LEBEN: Worpsweder Moorlandschaft auf wechseln- sie das gerupfte Suppenhuhn der reale Ort. Allerdings nur im jeweiligen PAULA MODERSOHN-BECKER des Wetter gewartet, um die Naturstimmun- auf den Küchentisch. Otto hat Blickfeld der Kamera: Jede Ecke, in der gerade Paula Modersohn-Becker wurde 1876 gen einzufangen, die Mackensen, Modersohn sie aus dem Atelier geholt, um nicht gespielt wird, ist mit moderner Film- als Paula Becker in Dresden geboren. und später auch Paula Becker in das bei Bre- ihn und zwei nach Worpswe- technik vollgestopft. Freigeräumt könnte Früh zeigte sie eine leidenschaftliche men gelegene Dorf lockten. Wenn sich diese de angereiste Sammler zu be- man sich Modersohns Atelier tatsächlich so Neigung zur Malerei, nahm Unterricht Atmosphäre dann mit Pinsel und Farbe auf Pkochen. Schürze statt Palette: Hatten ihre El- vorstellen, wie es hier als Kulisse aufgebaut in London und Berlin und besuchte den Bildern der Maler niederschlägt, wird der tern also doch recht, als sie ihr vor der Hoch- wurde. An den Wänden und in den Regalen als 21-Jährige erstmals die Künstler- Film beinahe meditativ – während Paulas kolonie Worpswede. Hier lernte sie den zeit mit Otto Modersohn einen Kochkurs ausgestopfte Tiere, afrikanische Masken, Hände über die Leinwand streichen, scheint Dichter Rainer Maria Rilke und ihren in Berlin aufnötigten? Paula konnte damals Zeichnungen von Urnensternen und ande- die Geschichte auf ebenso paradoxe wie poe- späteren Ehemann, den Maler Otto schlecht Nein sagen, nachdem die Eltern ren Pflanzen, Insektenkästen – ein wenig Modersohn, kennen, doch ihr großes tische Weise stillzustehen. Um Paulas Malges­ für ihre Mal- und Zeichenstudien aufgekom- wirkt der Raum wie eine Wunderkammer. Ziel war Paris, damals die Hauptstadt Die Malerin tus zu rekonstruieren, haben die Produzen- men waren. Und jetzt steht sie hier über ei- Auf einer Staffelei und an der Wand lehnen der modernen Kunst. Im Gegensatz huldigte ten eine Expertin hinzugezogen: Am Anfang der Einfachheit nen dampfenden Topf gebeugt, weit weg von Bilder. Keine Originale, aber immerhin origi- zu den Worpsweder Malern ließ sie den der Dreharbeiten sieht man noch den Hän- BIRKENSTÄMME allem, und spielt für ihren Mann, den er- nal gefälscht von professionellen Malern. Realismus entschlossen hinter sich VOR LAND- den eines professionellen Handdoubles beim folgreichen Maler, die brave Hausfrau. Das Auch die übrigen Räume scheinen die und wurde mit ihren empfindsamen SCHAFT, UM 1901, Malen zu, später, nach einigen Übungsstun- 74 X 46 CM Schlimmste steht ihr allerdings noch bevor: Luft einer anderen Zeit zu atmen: Im Anklei- Bildern einfacher Menschen zu einer den, ahmt Carla Juri die Bewegungen ihrer Erst wird sie von den Gästen für ihre Koch- dezimmer steht eine altmodische Badewan- Wegbereiterin des Expressionismus. Figur selber nach. künste gepriesen, dann halten diese eines ne, aus dem kleinen Ehebett der Modersohns Sie starb 1907, wenige Wochen nach geblich mitgeholfen, Modersohn-Beckers Bil- chen, beide arbeiten und müssen dabei ein »Paula hat sich nicht groß darum geküm- von Paulas Gemälden für das Werk ihrer acht- sind wir buchstäblich längst herausgewach- der Geburt ihres ersten Kindes, gera- der aus dem Schatten zu holen und heute be- Kind aufziehen.« Und auch der Konflikt, wenn mert, richtig oder schön zu malen«, sagt Carla de als die Kunstwelt ihre Ausnahme- jährigen Stieftochter Elsbeth. Die hatte vor- sen. Im Nachtschrank liegen alte, in jeder rühmter zu machen, als es Otto Modersohn beide Eheleute auf Augenhöhe miteinander Juri. »Sie hat nicht gemalt, um zu gefallen, stellung zu erkennen begann. Ein gutes her noch stolz krakeelt, dass ihre Mutter auch Hinsicht leicht modrige Bücher: Predigten jemals war. Schon in den zwanziger Jahren umgehen wollen, aber einer vom Geld des sondern um sich selbst zu entdecken.« Und Jahrzehnt nach ihrem Tod war Paula malen würde. auf 30 Sonntage und Unter schwerem Ver- Modersohn-Becker dann in Deutsch- haben sich die Menschen in Paulas Lebens- anderen lebt, sei ihm von heute sehr vertraut. auch als Trost habe Paula die Kunst gebraucht, Nach der Probe tritt Carla Juri aus der en- dacht, ein Roman von Hermine Frankenstein. land so berühmt wie wenige andere geschichte verliebt, unter den Nazis galt ih- Die Modersohns kommen ihm »in ihrer an- vor allem in Worpswede. Dort habe sie sich gen Küche. Sie spielt Paula Modersohn-Be- Und doch fühlt man sich plötzlich, als stünde Künstler: Ihre gesammelten Briefe und re Kunst als »entartet«. Heute ist der Mythos fänglichen Verliebt- und Verrücktheit wie immer unfreier gefühlt, im Stillen gearbeitet cker im Kinofilm Paula, ihre Hände sind noch man mitten im Leben der berühmten Ma- Tagebücher wurden ein Bestseller, 1927 Paula Modersohn-Becker wieder so lebendig, John Lennon und Yoko Ono vor«, sagt Schwo- und vieles selbst vor ihrem Mann versteckt. nass, die wilhelminische Steckfrisur wirkt et- lerin: Während Paula mit dem Suppenhuhn eröffnete in Bremen das PAULA-MODER- dass man darüber die Bilder, die ihr das Liebs- chow, die Worpsweder Maler erinnern ihn mit Umso größer sei ihre Sehnsucht nach Paris was aufgelöst. Also geht es schnell weiter in durch die Küche tanzt, gähnt vor dem Ehe- SOHN-BECKER-MUSEUM – als weltweit te waren, beinahe zu übersehen droht. ihren Bärten und Kleidern dagegen an Hipster gewesen: »Für Paula war Paris wie eine neue die Maske, in ein rollendes Schminkkabuff, bett schon die leere Kinderkrippe als Menete- erstes Museum, das einer Malerin ge- Auf den Mythos Paula setzt auch Chris- aus Berlin-Neukölln. Schon deswegen geht es Wahrnehmung, wie ein neues Sehen«, so Juri. das draußen vor einer denkmalgeschützten kel ihres frühen Todes. Dreharbeiten halten widmet war (www.museen-boettcher tian Schwochow, der Regisseur des Films. Für im Film nicht um eine exakte historische Re- »Für einen Künstler ist das faszinierend: neu Scheune im Münsterland geparkt ist. Hier sich nicht an die Chronologie der Dinge, son- strasse.de). Bis 29. Januar: »Emil Nolde ihn ist Paulas Leben, ihre Ehe mit Otto Moder- konstruktion. »Das wirkt oft steif«, so Schwo- sehen zu können.« Aber als Frau blieben ihr dreht das Filmteam die Szenen in Otto Mo- dern an einen Drehplan: In diesem Fall reiht trifft Paula Modersohn-Becker«. sohn »absolut modern«, so Schwochow in ei- chow, vor allem, wenn man den Fehler mache, auch in der Großstadt viele Dinge verschlos- dersohns Atelier- und Wohnhaus, weil es er die Geburt von Paulas erstem Kind und die ner Drehpause. »Beide wollen Karriere ma- die inszenierten Posen auf alten Fotografien sen: »Paula schrieb ihrem Mann, es wäre dadurch ausgelöste Embolie, die Erfüllung mit der Wirklichkeit von damals zu verwech- häuslicher Pflichten und ihre dramatische seln. Im Paula-Film sollen uns Kulissen und letzte Abreise nach Paris so aneinander, als Kostüme nicht von der Aktualität der Ge- folgten diese Momente ihres Lebens einer ge- schichte ablenken, uns nicht von den Figuren heimen inneren Notwendigkeit. trennen – auch deswegen werden die Anzüge Und damit stehen wir auch schon mitten von Modersohn, Fritz Mackensen, Heinrich im Mythos Paula Modersohn-Becker. Ihr frü- Vogeler, Fritz Overbeck und Hans am Ende en- her Tod mit 31 Jahren, gerade als sich alle ihre ger geschnitten, als es um 1900 Mode war. Wünsche zu erfüllen schienen; ihr bewegtes Aber Paula handelt auch vom Malen – Leben, aus dem sie selbst so mitreißend in und nicht nur in den Szenen, in denen sich ihren Briefen und Tagebüchern berichtete; Paula Becker und Otto Modersohn Seite an ihr Schicksal
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