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24.157 : 24.158 Wagner: Tristan und Isolde

Personen

Richard Wagner Tristan König Marke Tristan und Isolde Isolde Kurwenal Melot Brangäne Ein Hirt Ein Steuermann Ein Seemann Schiffsvolk, Ritter und Knappen

Schauplätze Erster Aufzug Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der Überfahrt von Irland nach Kornwall Zweiter Aufzug In der Königlichen Burg Markes in Kornwall Dritter Aufzug

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Tristans Burg in der Bretagne Erster Aufzug Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab. Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. –Brangäne, einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord –.

Erste Szene STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar. Westwärts schweift der Blick; ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen?

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Wehe, wehe, du Wind! ISOLDE wild vor sich hin. Weh, ach wehe, mein Kind! Entartet Geschlecht! Irische Maid, Unwert der Ahnen! du wilde, minnige Maid! Wohin, Mutter, ISOLDE jäh auffahrend. vergabst du die Macht Wer wagt mich zu höhnen? über Meer und Sturm zu gebieten? O zahme Kunst Sie blickt verstört um sich. der Zauberin, Brangäne, du? die nur Balsamtränke noch braut! Sag –wo sind wir? Erwache mir wieder, BRANGÄNE an der Öffnung. kühne Gewalt; Blaue Streifen herauf aus dem Busen, stiegen im Westen auf; wo du dich bargst! sanft und schnell Hört meinen Willen, segelt das Schiff: zagende Winde! auf ruhiger See vor Abend Heran zu Kampf erreichen wir sicher das Land. und Wettergetös! ISOLDE. Zu tobender Stürme Welches Land? wütendem Wirbel! BRANGÄNE. Treibt aus dem Schlaf Kornwalls grünen Strand. dies träumende Meer, ISOLDE. weckt aus dem Grund Nimmermehr! seine grollende Gier! Nicht heut noch morgen! Zeigt ihm die Beute, BRANGÄNE läßt den Vorhang zufallen und eilt be- die ich ihm biete! stürzt zu Isolde. Zerschlag es, dies trotzige Schiff, Was hör ich! Herrin! Ha! des zerschellten Trümmer verschling's!

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Und was auf ihm lebt, O, nun melde, den wehenden Atem, was dich müht! den laß ich euch Winden zum Lohn! Sage, künde, BRANGÄNE im äußersten Schreck um Isolde sich was dich quält! bemühend. Herrin Isolde! O weh! trauteste Holde! Ach! Ach Soll sie wert sich dir wähnen, des Übels, das ich geahnt! vertraue nun Brangänen! Isolde Herrin! ISOLDE. Teures Herz! Luft! Luft! Was bargst du mir so lang? Mir erstickt das Herz! Nicht eine Träne Öffne! Öffne dort weit! weintest du Vater und Mutter; Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte kaum einen Gruß auseinander. den Bleibenden botest du. Von der Heimat scheidend kalt und stumm, bleich und schweigend auf der Fahrt; ohne Nahrung, ohne Schlaf; starr und elend, wild verstört: wie ertrug ich, so dich sehend, nichts dir mehr zu sein, fremd vor dir zu stehn?

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mir verloren, – Zweite Szene hehr und heil – kühn und feig! Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, Tod geweihtes Haupt! über den Bord hinaus auf das Meer und den Tod geweihtes Herz! – Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Zu Brangäne, unheimlich lachend. Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Was hältst du von dem Knechte? Knappen, ebenfalls gelagert, von ihnen etwas BRANGÄNE ihrem Blicke folgend. entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend Wen meinst du? und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, ISOLDE. nachlässig gelagert, Kurwenal. Vom Maste her, aus Dort den Helden, der Höhe, vernimmt man wieder die Stimme des der meinem Blick jungen Seemanns. den seinen birgt, in Scham und Scheue DER JUNGE SEEMANN auf dem Maste, unsicht- abwärts schaut? bar. Sag, wie dünkt er dich? Frisch weht der Wind BRANGÄNE. der Heimat zu: – Frägst du nach Tristan, Mein irisch Kind, teure Frau? wo weilest du? Dem Wunder aller Reiche, Sind's deiner Seufzer Wehen, dem hochgepries'nen Mann? die mir die Segel blähen? Dem Helden ohne Gleiche, Wehe, wehe du Wind! des Ruhmes Hort und Bann? Weh, ach wehe, mein Kind! ISOLDE sie verhöhnend. ISOLDE deren Blick sogleich Tristan fand und starr Der zagend vor dem Streiche auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich. sich flüchtet, wo er kann, Mir erkoren, –

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weil eine Braut er als Leiche Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich für seinen Herrn gewann! Brangäne und schreitet verschämt dem Deck Dünkt es dich dunkel, entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden mein Gedicht? Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr Frag ihn denn selbst, folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett den freien Mann, zurück, wo sie sitzend während des Folgenden ob mir zu nah'n er wagt? bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord Der Ehren Gruß gerichtet. und zücht'ge Acht vergißt der Herrin KURWENAL der Brangäne kommen sieht, zupft, der zage Held, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande. daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche, Hab acht, Tristan! den Helden ohne Gleiche! Botschaft von Isolde. Oh, er weiß TRISTAN auffahrend. wohl, warum! Was ist? –Isolde? – Zu dem Stolzen geh, Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt meld ihm der Herrin Wort! und sich verneigt. Meinem Dienst bereit, schleunig soll er mir nah'n. Von meiner Herrin? – BRANGÄNE. Ihr gehorsam Soll ich ihn bitten, was zu hören dich zu grüßen? meldet höfisch ISOLDE. mir die traute Magd? Befehlen ließ BRANGÄNE. dem Eigenholde Mein Herre Tristan, Furcht der Herrin dich zu sehen ich, Isolde! wünscht Isolde,

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meine Frau. dort, wo sie deiner harrt. TRISTAN. TRISTAN. Grämt sie die lange Fahrt –, Auf jeder Stelle die geht zu End; wo ich steh, eh noch die Sonne sinkt, getreulich dien ich ihr, sind wir am Land. der Frauen höchster Ehr; Was meine Frau mir befehle, ließ ich das Steuer treulich sei's erfüllt. jetzt zur Stund, BRANGÄNE. wie lenkt' ich sicher den Kiel So mög' Herr Tristan zu König Markes Land? zu ihr gehn: BRANGÄNE. das ist der Herrin Will'. Tristan, mein Herre! TRISTAN. Was höhnst du mich? Wo dort die grünen Fluren Dünkt dich nicht deutlich dem Blick noch blau sich färben, die tör'ge Magd, harrt mein König hör meiner Herrin Wort! meiner Frau: So hieß sie, sollt ich sagen: – zu ihm sie zu geleiten, befehlen ließ bald nah ich mich der Lichten; dem Eigenholde keinem gönnt ich Furcht der Herrin diese Gunst. sie, Isolde. BRANGÄNE. KURWENAL aufspringend. Mein Herre Tristan, Darf ich die Antwort sagen? höre wohl: TRISTAN ruhig. deine Dienste Was wohl erwidertest du? will die Frau, KURWENAL. daß du zur Stell ihr nahtest, Das sage sie

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der Frau Isold! wie der Zins zahlen kann!« Wer Kornwalls Kron Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den und Englands Erb Schiffsraum hinabgestiegen; Brangäne, in an Irlands Maid vermacht, Bestürzung zu Isolde zurückgekehrt, schließt hinter der kann der Magd sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft nicht eigen sein, außen sich hören läßt. die selbst dem Ohm er schenkt. Ein Herr der Welt ALLE MÄNNER. Tristan der Held! Sein Haupt doch hängt Ich ruf's: du sag's, und grollten im Irenland, mir tausend Frau Isolden! als Zins gezahlt von Engeland: Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht hei! unser Held Tristan, und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, wie der Zins zahlen kann! singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach: »Herr Morold zog zu Meere her, in Kornwall Zins zu haben; ein Eiland schwimmt auf ödem Meer, da liegt er nun begraben! Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: hei! unser Held Tristan,

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so sagte er –, Dritte Szene getreulich dien' er ihr, der Frauen höchster Ehr'; Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder ließ' er das Steuer geschlossenen Vorhängen. –Isolde erhebt sich mit jetzt zur Stund, verzweiflungsvoller Wutgebärde, Brangäne stürzt wie lenkt' er sicher den Kiel ihr zu Füßen. zu König Markes Land? ISOLDE schmerzlich bitter. BRANGÄNE. »Wie lenkt'er sicher den Kiel Weh, ach wehe! zu König Markes Land« – dies zu dulden! ISOLDE dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell Grell und heftig. sich zusammenraffend. Den Zins ihm auszuzahlen, Doch nun von Tristan! den er aus Irland zog! Genau will ich's vernehmen. BRANGÄNE. BRANGÄNE. Auf deine eig'nen Worte, Ach, frage nicht! als ich ihm die entbot, ISOLDE. ließ seinen Diener Kurwenal – Frei sag's ohne Furcht! ISOLDE. BRANGÄNE. Den hab ich wohl vernommen, Mit höf'schen Worten kein Wort das mir entging. – wich er aus. Erfuhrest du meine Schmach, ISOLDE. nun höre, was sie mir schuf. Doch als du deutlich mahntest? Wie lachend sie BRANGÄNE. mir Lieder singen, Da ich zur Stell wohl könnt auch ich erwidern! ihn zu dir rief –: Von einem Kahn, wo er auch steh –

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der klein und arm an ihm dem Überfrechen an Irlands Küsten schwamm, Herrn Morolds Tod zu rächen. – darinnen krank Von seinem Lager ein siecher Mann blickt' er her, – elend im Sterben lag. nicht auf das Schwert, Isoldes Kunst nicht auf die Hand, – ward ihm bekannt; er sah mir in die Augen. mit Heil-Salben Seines Elendes und Balsam-Saft jammerte mich; – der Wunde, die ihn plagte, das Schwert –ich ließ es fallen! getreulich pflag sie da. – Die Morold schlug, die Wunde, Der »Tantris« sie heilt' ich, daß er gesunde, mit sorgender List sich nannte, und heim nach Hause kehre –, als Tristan mit dem Blick mich nicht mehr beschwere! Isold' ihn bald erkannte, BRANGÄNE. da in des Müß'gen Schwerte O Wunder! Wo hatt ich die Augen? eine Scharte sie gewahrte, Der Gast, den einst darin genau ich pflegen half? sich fügt ein Splitter, ISOLDE. den einst im Haupt Sein Lob hörtest du eben: – des Iren-Ritter, »Hei! unser Held Tristan« –, zum Hohn ihr heimgesandt, der war jener traur'ge Mann! mit kund'ger Hand sie fand. Er schwur mit tausend Eiden Da schrie's mir auf mir ew'gen Dank und Treue! aus tiefstem Grund! Nun hör wie ein Held Mit dem hellen Schwert Eide hält! ich vor ihm stund, Den als Tantris

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unerkannt ich entlassen, wie ahnte mir da, als Tristan daß dir es Kummer schüf'? kehrt er kühn zurück; ISOLDE. auf stolzem Schiff, O blinde Augen! von hohem Bord, Blöde Herzen! Irlands Erbin Zahmer Mut, begehrt er zur Eh' verzagtes Schweigen! für Kornwalls müden König, Wie anders prahlte für Marke, seinen Ohm. – Tristan aus, Da Morold lebte, was ich verschlossen hielt! wer hätt es gewagt Die schweigend ihm uns je solche Schmach zu bieten? das Leben gab, Für der zinspflicht'gen vor Feindes Rache Kornen Fürsten ihn schweigend barg; um Irlands Krone zu werben! was stumm ihr Schutz Ach, wehe mir! zum Heil ihm schuf, – Ich ja war's, mit ihr gab er es preis! die heimlich selbst Wie Sieg-prangend die Schmach sich schuf! heil und hehr, Das rächende Schwert, laut und hell statt es zu schwingen, wies er auf mich. machtlos ließ ich's fallen! »Das wär' ein Schatz, Nun dien ich dem Vasallen! mein Herr und Ohm; BRANGÄNE. wie dünkt euch die zur Eh'? Da Friede, Sühn und Freundschaft Die schmucke Irin von Allen ward beschworen hol ich her; wir freuten uns all des Tags; mit Steg und Wegen

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wohlbekannt, So dient' er treu ein Wink, ich flieg dem edlen Ohm; nach Irenland; dir gab er der Welt Isolde, die ist euer! – begehrlichsten Lohn: mir lacht das Abenteuer!« dem eig'nen Erbe, Fluch dir Verruchter! ächt und edel, Fluch deinem Haupt! entsagt er zu deinen Füßen, Rache! Tod! als Königin dich zu grüßen! Tod uns Beiden! Isolde wendet sich ab. BRANGÄNE mit ungestümer Zärtlichkeit sich auf Isolde stürzend. Und warb er Marke O Süße! Traute! dir zum Gemahl, Teure! Holde! wie wolltest du die Wahl doch schelten, Gold'ne Herrin! muß er nicht wert dir gelten? Lieb' Isolde! Von edler Art und mildem Mut, Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett. wer gliche dem Mann Hör mich! Komme! an Macht und Glanz? Setz dich her! Dem ein hehrster Held Welcher Wahn! so treulich dient, Welch eitles Zürnen! wer möchte sein Glück nicht teilen, Wie magst du dich betören, als Gattin bei ihm weilen? nicht hell zu seh'n noch hören? ISOLDE starr vor sich hinblickend. Was je Herr Tristan Ungeminnt dir verdankte, den hehrsten Mann sag, konnt er's höher lohnen, stets mir nah zu sehen –! als mit der herrlichsten der Kronen? wie könnt' ich die Qual bestehen?

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BRANGÄNE. Der Mutter Rat Was meinst du, Arge? gemahnt mich recht; Ungeminnt? – willkommen preis ich ihre Kunst: – Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolden. Rache für den Verrat, – Wo lebte der Mann, Ruh in der Not dem Herzen! – der dich nicht liebte? Den Schrein dort bring mir her! Der Isolden säh, BRANGÄNE. und in Isolden Er birgt, was Heil dir frommt. selig nicht ganz verging? Sie holt eine kleine gold'ne Truhe herbei, öffnet sie Doch, der dir erkoren, und deutet auf ihren Inhalt. wär er so kalt, zög ihn von dir So reihte sie die Mutter, ein Zauber ab: die mächt'gen Zaubertränke. den bösen wüßt ich Für Weh und Wunden bald zu binden, Balsam hier; ihn bannte der Minne Macht. für böse Gifte Gegen-Gift. Mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz nah zu Isolden. Sie zieht ein Fläschchen hervor. Kennst du der Mutter Den hehrsten Trank, Künste nicht? ich halt ihn hier. Wähnst du, die Alles ISOLDE. klug erwägt, Du irrst, ich kenn ihn besser; ohne Rat in fremdes Land ein starkes Zeichen hätt sie mit dir mich entsandt? schnitt ich ihm ein. ISOLDE düster.

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Sie ergreift ein Fläschchen und zeigt es. Vierte Szene Der Trank ist's, der mir frommt. Sie hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffsvolkes. herein. BRANGÄNE. KURWENAL. Der Todestrank! Auf! Auf! Ihr Frauen! Frisch und froh! Sie weicht entsetzt zurück. Rasch gerüstet! SCHIFFSVOLK außen. Fertig nun, hurtig und flink! Ho! he! ha! he! Gemessener. Am Untermast die Segel ein! Und Frau Isolden Ho! he! ha! he! sollt ich sagen ISOLDE. von Held Tristan, Das deutet schnelle Fahrt! meinem Herrn: Weh mir! Nahe das Land! Vom Mast der Freude Flagge, sie wehe lustig ins Land; in Markes Königschlosse mach' sie ihr Nah'n bekannt. Drum Frau Isolde bät' er eilen, fürs Land sich zu bereiten, daß er sie könnt geleiten. ISOLDE nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer zusammengefahren, gefaßt und mit Würde.

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Herrn Tristan bringe Sicher wißt, meinen Gruß, das sag ich ihm; und meld ihm, was ich sage. nun harrt, wie er mich hört! Sollt ich zur Seit ihm gehen, Er geht schnell zurück. Isolde eilt auf Brangäne zu vor König Marke zu stehen, und umarmt sie heftig. nicht möcht es nach Zucht und Fug geschehn, ISOLDE. empfing ich Sühne Nun leb wohl, Brangäne! nicht zuvor Grüß mir die Welt, für ungesühnte Schuld: – grüße mir Vater und Mutter! drum such er meine Huld. BRANGÄNE. Was ist? Was sinnst du? Kurwenal macht eine trotzige Gebärde. Wolltest du fliehn? Mit Steigerung. Wohin soll ich dir folgen? ISOLDE faßt sich schnell. Du merke wohl, Hörtest du nicht? und meld es gut! Hier bleib ich, Nicht wollt ich mich bereiten, Tristan will ich erwarten. ans Land ihn zu begleiten; Getreu befolg, nicht werd ich zur Seit ihm gehen, was ich befehl, vor König Marke zu stehen; den Sühnetrank begehrte Vergessen rüste schnell; und Vergeben du weißt, den ich dich wies? nach Zucht und Fug er nicht zuvor – Sie entnimmt dem Schrein das Fläschchen. für ungebüßte Schuld: – BRANGÄNE. die böt ihm meine Huld. Und welchen Trank? KURWENAL.

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ISOLDE. ohne Rat in fremdes Land Diesen Trank! hätt sie mit dir mich entsandt? In die gold'ne Schale Für Weh und Wunden gieß ihn aus; gab sie Balsam, gefüllt faßt sie ihn ganz. für böse Gifte BRANGÄNE voll Grausen das Fläschchen empfan- Gegen-Gift: – gend. für tiefstes Weh, – Trau ich dem Sinn? für höchstes Leid – ISOLDE. gab sie den Todestrank. – Sei du mir treu! Der Tod nun sag ihr Dank! BRANGÄNE. BRANGÄNE kaum ihrer mächtig. Der Trank –für wen? O tiefstes Weh! ISOLDE. ISOLDE. Wer mich betrog. Gehorchst du mir nun? BRANGÄNE. BRANGÄNE. Tristan? O höchstes Leid! ISOLDE. ISOLDE. Trinke mir Sühne! Bist du mir treu? BRANGÄNE zu Isoldes Füßen stürzend. BRANGÄNE. Entsetzen! Schone mich Arme! Der Trank? – ISOLDE sehr heftig. KURWENAL eintretend. Schone du mich, Herr Tristan! untreue Magd! Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt. Kennst du der Mutter Isolde sucht mit furchtbarer Anstrengung sich zu Künste nicht? fassen. Wähnst du, die Alles klug erwägt, – ISOLDE zu Kurwenal.

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Herr Tristan trete nah. Fünfte Szene

Kurwenal geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund. Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam, mit großer Haltung, dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich stützend, sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. –Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingang stehen. – Isolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick versunken. TRISTAN. Begehrt, Herrin, was Ihr wünscht. ISOLDE. Wüßtest du nicht, was ich begehre, da doch die Furcht, mir's zu erfüllen, fern meinem Blick dich hielt? TRISTAN. Ehrfurcht hielt mich in Acht. ISOLDE. Der Ehre wenig botest du mir;

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mit offnem Hohn den Feind dir zu sühnen, verwehrtest du soll er als Freund dich rühmen. Gehorsam meinem Gebot. TRISTAN. TRISTAN. Und welchen Feind? Gehorsam einzig ISOLDE. hielt mich in Bann. Frag deine Furcht! ISOLDE. Blutschuld So dankt ich Geringes schwebt zwischen uns. deinem Herrn, TRISTAN. riet dir sein Dienst Die ward gesühnt. Unsitte ISOLDE. gegen sein eigen Gemahl? Nicht zwischen uns! TRISTAN. TRISTAN. Sitte lehrt, Im offnen Feld wo ich gelebt: von allem Volk zur Brautfahrt ward Urfehde geschworen. der Brautwerber ISOLDE. meide fern die Braut. Nicht da war's, ISOLDE. wo ich Tantris barg, Aus welcher Sorg? wo Tristan mir verfiel. TRISTAN. Da stand er herrlich, Fragt die Sitte! hehr und heil; ISOLDE. doch was er schwur, Da du so sittsam, das schwur ich nicht: – mein Herr Tristan, zu schweigen hatt' ich gelernt. auch einer Sitte Da in stiller Kammer sei nun gemahnt: krank er lag,

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.193 Wagner: Tristan und Isolde 24.194 Wagner: Tristan und Isolde

mit dem Schwerte stumm in meiner Macht, – ich vor ihm stund: warum ich dich da nicht schlug? schwieg da mein Mund, Das sag dir selbst mit leichtem Fug. bannt ich meine Hand, – Ich pflag des Wunden, doch was einst mit Hand daß den Heilgesunden und Mund ich gelobt, rächend schlüge der Mann, das schwur ich schweigend zu halten. der Isolden ihm abgewann. Nun will ich des Eides walten. Dein Los nun selber TRISTAN. magst du dir sagen! Was schwurt Ihr, Frau? Da die Männer sich all ihm vertragen, ISOLDE. wer muß nun Tristan schlagen? Rache für Morold! TRISTAN bleich und düster. TRISTAN. War Morold dir so wert, Müht Euch die? nun wieder nimm das Schwert, ISOLDE. und führ es sicher und fest, – Wagst du zu höhnen? daß du nicht dir's entfallen läßt! Angelobt war er mir, Er reicht ihr sein Schwert dar. der hehre Irenheld; seine Waffen hatt ich geweiht; ISOLDE. für mich zog er zum Streit. Wie sorgt' ich schlecht Da er gefallen, um deinen Herren; fiel meine Ehr: – was würde König in des Herzens Schwere Marke sagen, schwur ich den Eid, erschlüg ich ihm würd ein Mann den Mord nicht sühnen, den besten Knecht, wollt ich Magd mich des erkühnen. der Kron und Land ihm gewann, Siech und matt den allertreusten Mann?

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Dünkt dich so wenig, Ho –ha –ha –he! was er dir dankt, TRISTAN aus düstrem Brüten auffahrend. bringst du die Irin Wo sind wir? ihm als Braut, ISOLDE. daß er nicht schölte, Hart am Ziel! schlüg ich den Werber, Tristan, gewinn ich Sühne? der Urfehde-Pfand Was hast du mir zu sagen? so treu ihm liefert zur Hand? TRISTAN finster. Wahre dein Schwert! Des Schweigens Herrin Da einst ich's schwang, heißt mich schweigen: – als mir die Rache faß ich, was sie verschwieg, im Busen rang: – verschweig ich, was sie nicht faßt. als dein messender Blick ISOLDE. mein Bild sich stahl, Dein Schweigen faß ich, ob ich Herrn Marke weichst du mir aus. taug als Gemahl: – Weigerst du die Sühne mir? das Schwert –da ließ ich's sinken. SCHIFFSVOLK außen. Nun laß uns Sühne trinken! Ho –he –ha –he! Sie winkt Brangänen. Diese schaudert zusammen, Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht Brangäne ihr schwankt und zögert in ihrer Bewegung. Isolde die gefüllte Trinkschale. treibt sie mit gesteigerter Gebärde an. Brangäne ISOLDE mit dem Becher zu Tristan tretend, der ihr läßt sich zur Bereitung des Trankes an. starr in die Augen blickt. STIMMEN DES SCHIFFSVOLKES außen. Du hörst den Ruf? Ho –he –ha –he! Wir sind am Ziel: – Am Obermast in kurzer Frist die Segel ein!

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Mit leisem Hohne. den bot mir ihre Huld, zu sühnen alle Schuld.« stehn wir –vor König Marke. SCHIFFSVOLK außen. Geleitest du mich, Auf das Tau! dünkt dich's nicht lieb, Anker los! darfst du so ihm sagen? – TRISTAN wild auffahrend. »Mein Herr und Ohm, Los den Anker! sieh die dir an: Das Steuer dem Strom! ein sanftres Weib Den Winden Segel und Mast! – gewännst du nie. Ihren Angelobten Er entreißt ihr die Trinkschale. erschlug ich ihr einst, Wohl kenn ich Irlands sein Haupt sandt ich ihr heim; Königin die Wunde, die und ihrer Künste seine Wehr mir schuf, Wunderkraft. die hat sie hold geheilt; Den Balsam nützt ich, mein Leben lag den sie bot: in ihrer Macht –: den Becher nehm ich nun, das schenkte mir daß ganz ich heut genese. die milde Magd, Und achte auch und ihres Landes des Sühne-Eids, Schand und Schmach, den ich zum Dank dir sage –! die gab sie mir darein, – Tristans Ehre – dein Eh'gemahl zu sein. höchste Treu'! So guter Gaben Tristans Elend – holden Dank kühnster Trotz! schuf mir ein süßer Trug des Herzens! Sühnetrank;

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Traum der Ahnung! ISOLDE an seine Brust sinkend. Ew'ger Trauer Treuloser Holder! einz'ger Trost: TRISTAN er umfaßt sie mit Glut. Vergessens güt'ger Trank, – Seligste Frau! dich trink ich sonder Wank! Sie verbleiben in stummer Umarmung. Er setzt an und trinkt. Aus der Ferne vernimmt man Trompeten. ISOLDE. RUF DER MÄNNER von außen auf dem Schiffe. Betrug auch hier? Heil! König Marke Heil! Mein die Hälfte! BRANGÄNE die, mit abgewandtem Gesicht, voll Sie entwindet ihm den Becher. Verwirrung und Schauder sich über den Bord ge- lehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Verräter! Ich trink sie dir! Liebesumarmung versunkenen Paares zu und Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. –Beide, stürzt händeringend voll Verzweiflung in den Vor- von Schauer erfaßt, blicken sich mit höchster dergrund. Aufregung, doch mit starrer Haltung unverwandt in Wehe! Weh! die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz bald Unabwendbar der Liebesglut weicht. –Zittern ergreift sie. Sie ew'ge Not fassen sich krampfhaft an das Herz –und führen die für kurzen Tod! Hand wieder an die Stirn. –Dann suchen sie sich Tör'ger Treue wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften trugvolles Werk ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander. blüht nun jammernd empor! ISOLDE mit bebender Stimme. Beide fahren verwirrt aus der Umarmung auf. Tristan! TRISTAN. TRISTAN überströmend. Was träumte mir Isolde! von Tristans Ehre?

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.201 Wagner: Tristan und Isolde 24.202 Wagner: Tristan und Isolde

ISOLDE. schwellendes Blühen, Was träumte mir schmachtender Liebe von Isoldes Schmach? seliges Glühen! TRISTAN. Jach in der Brust Du mir verloren? jauchzende Lust! ISOLDE. Isolde! Tristan! Du mich verstoßen? Welten-entronnen, TRISTAN. du mir gewonnen! Trügenden Zaubers Du mir einzig bewußt, tückische List! höchste Liebeslust! ISOLDE. Die Vorhänge werden weit auseinander gerissen; Törigen Zürnens das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk eitles Dräu'n! bedeckt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, TRISTAN. das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe Isolde! erblickt. –Tristan und Isolde bleiben, in ihren ISOLDE. gegenseitigen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung Tristan! des um sie Vorgehenden. TRISTAN. Süßeste Maid! BRANGÄNE zu den Frauen, die auf ihren Wink aus ISOLDE. dem Schiffsraum heraufsteigen. Trautester Mann! Schnell, den Mantel, BEIDE. den Königsschmuck! Wie sich die Herzen Zwischen Tristan und Isolde stürzend. wogend erheben, wie alle Sinne Unsel'ge! Auf! wonnig erbeben! Hört, wo wir sind! Sehnender Minne

24.203 Wagner: Tristan und Isolde 24.204 Wagner: Tristan und Isolde

Sie legt Isolden, die es nicht gewahrt, den ISOLDE in Verwirrung. Königsmantel an. Was ist, Brangäne? ALLE MÄNNER auf dem Schiff. Welcher Ruf? Heil! Heil! Heil! BRANGÄNE. König Marke Heil! Isolde! Herrin! Heil dem König! Fassung nur heut! KURWENAL lebhaft herantretend. ISOLDE. Heil Tristan! Wo bin ich? Leb ich? Glücklicher Held! Ha! welcher Trank? Mit reichem Hofgesinde BRANGÄNE verzweiflungsvoll. dort auf Nachen Der Liebestrank! naht Herr Marke. ISOLDE starrt entsetzt auf Tristan. Hei! wie die Fahrt ihn freut, Tristan! daß er die Braut sich freit! TRISTAN. TRISTAN in Verwirrung aufblickend. Isolde! Wer naht? ISOLDE. KURWENAL. Muß ich leben? Der König! Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust. TRISTAN. Welcher König? BRANGÄNE zu den Frauen. Helft der Herrin! Kurwenal deutet über Bord. TRISTAN. ALLE MÄNNER die Hüte schwenkend. O Wonne voller Tücke! Heil! König Marke O Trug –geweihtes Glücke! Heil! ALLE MÄNNER Ausbruch allgemeinen Jauchzens. Kornwall Heil! Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande.

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.205 Wagner: Tristan und Isolde 24.206 Wagner: Tristan und Isolde

Trompeten vom Lande her. Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Zweiter Aufzug Brücke ausgelegt, und die Haltung Aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten. Erste Szene Der Vorhang fällt schnell. Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen. Helle, anmutige Sommernacht. An der geöffneten Türe ist eine brennende Fackel aufgesteckt. – Jagdgetön. Brangäne, auf den Stufen am Gemach, späht dem immer entfernter vernehmbaren Jagdtrosse nach. –Brangäne blickt ängstlich in das Gemach zurück, darin sie Isolde nahen sieht. – Isolde tritt feurig bewegt aus dem Gemach zu Brangäne. ISOLDE. Hörst du sie noch? Mir schwand schon fern der Klang. BRANGÄNE lauschend. Noch sind sie nah; – deutlich tönt's da her. ISOLDE lauschend. Sorgende Furcht beirrt dein Ohr. Dich täuscht des Laubes säuselnd Getön, das lachend schüttelt der Wind.

24.207 Wagner: Tristan und Isolde 24.208 Wagner: Tristan und Isolde

BRANGÄNE. der Welt erblödet für euch? Dich täuscht des Wunsches Als dort an Schiffes Bord, Ungestüm, von Tristans bebender Hand, zu vernehmen, was du wähnst. die bleiche Braut, kaum ihrer mächtig, Sie lauscht. König Marke empfing; Ich höre der Hörner Schall. als Alles verwirrt ISOLDE wieder lauschend. auf die Wankende sah, Nicht Hörnerschall der güt'ge König, tönt so hold, mild besorgt, des Quelles sanft die Mühen der langen Fahrt, rieselnde Welle die du littest, laut beklagt: – rauscht so wonnig daher. ein Einz'ger war's, Wie hört' ich sie, ich achtet' es wohl, tosten noch Hörner? der nur Tristan faßt' ins Auge. In schweigender Nacht Mit böslicher List nur lacht mir der Quell. lauerndem Blick Der meiner harrt sucht' er in seiner Miene in schweigender Nacht, zu finden, was ihm diene. als ob Hörner noch nah dir schallten, Tückisch lauschend willst du ihn fern mir halten? treff ich ihn oft: – BRANGÄNE. der heimlich euch umgarnt, Der deiner harrt, – vor Melot seid gewarnt. o hör mein Flehen! – ISOLDE. des harren Späher zur Nacht. Meinst du Herrn Melot? Weil du erblindet, O, wie du dich trügst! wähnst du den Blick Ist er nicht Tristans

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.209 Wagner: Tristan und Isolde 24.210 Wagner: Tristan und Isolde

treuester Freund? O gib das Zeichen! Muß mein Trauter mich meiden, Lösche des Lichtes dann weilt er bei Melot allein. letzten Schein! BRANGÄNE. Daß ganz sie sich neige, Was mir ihn verdächtig, winke der Nacht. macht dir ihn teuer! Schon goß sie ihr Schweigen Von Tristan zu Marke durch Hain und Haus, ist Melots Weg; schon füllt sie das Herz dort sät er üble Saat. mit wonnigem Graus. die heut im Rat O lösche das Licht nun aus, dies nächtliche Jagen lösche den scheuchenden Schein! so eilig schnell beschlossen, Laß meinen Liebsten ein! einem edlern Wild, BRANGÄNE. als dein Wähnen meint, O laß die warnende Zünde, gilt ihre Jägerslist. laß die Gefahr sie dir zeigen! – ISOLDE. O wehe! Wehe! Dem Freund zulieb Ach mir Armen! erfand diese List Des unseligen Trankes! – aus Mitleid Daß ich untreu Melot, der Freund. einmal nur Nun willst du den Treuen schelten? der Herrin Willen trog! Besser als du Gehorcht' ich taub und blind, sorgt er für mich; dein Werk ihm öffnet er, war dann der Tod. was mir du sperrst. Doch, deine Schmach, O spare mir des Zögerns Not! deine schmählichste Not, – Das Zeichen, Brangäne! mein Werk

24.211 Wagner: Tristan und Isolde 24.212 Wagner: Tristan und Isolde

muß ich Schuld'ge es wissen! Nun laß mich Gehorsam zeigen. ISOLDE. BRANGÄNE. Dein Werk? Und mußte der Minne O tör'ge Magd! tückischer Trank Frau Minne kenntest du nicht? des Sinnes Licht dir verlöschen; Nicht ihres Zaubers Macht? darfst du nicht sehen Des kühnsten Mutes wenn ich dich warne: Königin? nur heute hör, Des Weltenwerdens o hör mein Flehen! Walterin? Der Gefahr leuchtendes Licht, Leben und Tod nur heute, heut, sind untertan ihr, die Fackel dort lösche nicht! die sie webt aus Lust und Leid, ISOLDE. in Liebe wandelnd den Neid. Die im Busen mir Des Todes Werk, die Glut entfacht, nahm ich's vermessen zur Hand, – die mir das Herze Frau Minne hat es brennen macht, meiner Macht entwandt. die mir als Tag Die Todgeweihte der Seele lacht, – nahm sie in Pfand, Frau Minne will: faßte das Werk es werde Nacht, in ihre Hand. daß hell sie dorten leuchte, Wie sie es wendet, Während sie auf die Fackel zueilt. wie sie es endet, was sie mir küre, wo sie dein Licht verscheuchte. wohin mich führe: Sie nimmt die Fackel von der Tür. ihr ward ich zu eigen.

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.213 Wagner: Tristan und Isolde 24.214 Wagner: Tristan und Isolde

Zur Warte du: dort wache treu! Zweite Szene Die Leuchte, – und wär's meines Lebens Licht, – Jetzt springt sie ihm entgegen. lachend TRISTAN stürzt herein. sie zu löschen zag ich nicht! Isolde! Geliebte! Sie wirft die Fackel zur Erde, wo sie allmählich ISOLDE. verlischt Brangäne wendet sich bestürzt ab, um auf Tristan! Geliebter! einer äußeren Treppe die Zinne zu ersteigen, wo sie Stürmische Umarmungen Beider, unter denen sie in langsam verschwindet. –Isolde lauscht und späht, den Vordergrund gelangen. zunächst schüchtern, in einen Baumgang. Von wachsendem Verlangen bewegt, schreitet sie dem Bist du mein? Baumgang näher und späht zuversichtlicher. Sie TRISTAN. winkt mit dem Tuche, erst seltener, dann häufiger, Hab ich dich wieder? und endlich, in leidenschaftlicher Ungeduld, immer ISOLDE. schneller. Eine Gebärde des plötzlichen Entzückens Darf ich dich fassen? sagt, daß sie den Freund in der Ferne gewahr TRISTAN. geworden. Sie streckt sich höher und, um besser den Kann ich mir trauen? Raum zu übersehen, eilt sie zur Treppe zurück, von ISOLDE. deren oberster Stufe aus sie dem Herannahenden Endlich! Endlich! zuwinkt. TRISTAN. An meiner Brust! ISOLDE. Fühl ich dich wirklich? TRISTAN. Seh ich dich selber? ISOLDE.

24.215 Wagner: Tristan und Isolde 24.216 Wagner: Tristan und Isolde

Dies deine Augen? TRISTAN. TRISTAN. Ewig! Dies dein Mund? ISOLDE. ISOLDE. Ungeahnte, Hier deine Hand? nie gekannte! TRISTAN. TRISTAN. Hier dein Herz? Überschwenglich ISOLDE. hoch erhab'ne! Bin ich's? Bist du's? ISOLDE. Halt ich dich fest? Freudejauchzen! TRISTAN. TRISTAN. Bin ich's? Bist du's? Lustentzücken! Ist es kein Trug? BEIDE. BEIDE. Himmelhöchstes Ist es kein Traum? Weltentrücken! O Wonne der Seele, Mein! o süße, hehrste, ISOLDE. kühnste, schönste, Tristan mein! seligste Lust! TRISTAN. TRISTAN. Isolde mein! Ohne Gleiche! BEIDE. ISOLDE. Mein und dein! Überreiche! ISOLDE. TRISTAN. Ewig! Tristan mein, Überselig! Isolde ewig dein! ISOLDE. TRISTAN. Ewig! Ewig, Isolde mein

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.217 Wagner: Tristan und Isolde 24.218 Wagner: Tristan und Isolde

BEIDE. doch seinen Neid Ewig, ewig ein! erstickt er nicht: ISOLDE. sein scheuchend Zeichen Wie lange fern! zündet er an, Wie fern so lang! und steckt's an der Liebsten Türe, TRISTAN. daß nicht ich zu ihr führe. Wie weit, so nah! ISOLDE. So nah, wie weit! Doch der Liebsten Hand ISOLDE. löschte das Licht; O Freundesfeindin, wes die Magd sich wehrte, böse Ferne! scheut ich mich nicht: Träger Zeiten in Frau Minnes Macht und Schutz zögernde Länge! bot ich dem Tage Trutz! TRISTAN. TRISTAN. O Weit und Nähe! Dem Tage! Dem Tage! Hart entzweite! Dem tückischen Tage, Holde Nähe! dem härtesten Feinde Öde Weite! Haß und Klage! ISOLDE. Wie du das Licht, Im Dunkel du, o könnt ich die Leuchte, im Lichte ich! der Liebe Leiden zu rächen, TRISTAN. dem frechen Tage verlöschen! Das Licht! Das Licht! Gibt's eine Not, Oh, dieses Licht, gibt's eine Pein, wie lang verlosch es nicht! die er nicht weckt Die Sonne sank, mit seinem Schein? der Tag verging, Selbst in der Nacht

24.219 Wagner: Tristan und Isolde 24.220 Wagner: Tristan und Isolde

dämmernder Pracht das Herze tief hegt' ihn Liebchen am Haus, zur Erde drückt': streckt mir drohend ihn aus! in lichten Tages Schein ISOLDE. wie war Isolde mein? Hegt' ihn die Liebste ISOLDE. am eig'nen Haus, War sie nicht dein, im eig'nen Herzen die dich erkor? hell und kraus Was log der böse hegt ihn trotzig Tag dir vor, einst mein Trauter: daß, die für dich beschieden, Tristan, –der mich verriet! die Traute du verrietest? War's nicht der Tag, TRISTAN. der aus ihm log, Was dich umgliß als er nach Irland mit hehrster Pracht, werbend zog, der Ehre Glanz, für Marke mich zu frein, des Ruhmes Macht, dem Tod die Treue zu weihn? an sie mein Herz zu hangen TRISTAN. hielt mich der Wahn gefangen. Der Tag! Der Tag, Die mit des Schimmers der dich umgliß, hellstem Schein dahin, wo sie mir Haupt und Scheitel der Sonne glich, licht beschien, in höchster Ehren der Welten-Ehren Glanz und Licht Tages-Sonne, Isolden mir entrückt! mit ihrer Strahlen Was mir das Auge eitler Wonne, so entzückt': durch Haupt und Scheitel

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.221 Wagner: Tristan und Isolde 24.222 Wagner: Tristan und Isolde

drang mir ein, um Ehr und Ruhm zu wahren, bis in des Herzens nach Irland ich zu fahren. tiefsten Schrein. ISOLDE. Was dort in keuscher Nacht O eitler Tagesknecht! dunkel verschlossen wacht, Getäuscht von ihm, was ohne Wiss' und Wahn der dich getäuscht, ich dämmernd dort empfahn: wie mußt' ich liebend ein Bild, das meine Augen um dich leiden, zu sehn sich nicht getrauten, den, in des Tages von des Tages Schein betroffen falschem Prangen, lag mir's da schimmernd offen. von seines Gleißens Was mir so rühmlich Trug befangen, schien und hehr, dort, wo ihn Liebe das rühmt ich hell heiß umfaßte, vor allem Heer; im tiefsten Herzen vor allem Volke hell ihn haßte. pries ich laut Ach, in des Herzens Grunde der Erde schönste wie schmerzte tief die Wunde! Königin. Den dort ich heimlich barg, Dem Neid, den mir wie dünkt' er mich so arg, der Tag erweckt'; wenn in des Tages Scheine dem Eifer, den der treu gehegte Eine mein Glücke schreckt'; der Liebe Blicken schwand, der Mißgunst, die mir Ehren als Feind nur vor mir stand! und Ruhm begann zu schweren: Das als Verräter denen bot ich Trotz, dich mir wies, und treu beschloß, dem Licht des Tages

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wollt ich entfliehn, daß dir von neuem dorthin in die Nacht die Nacht versank: dich mit mir ziehn, dem einzig am Tode lag, wo der Täuschung Ende den gab er wieder dem Tag! mein Herz mir verhieß; TRISTAN. wo des Trugs geahnter O Heil dem Tranke! Wahn zerrinne; Heil seinem Saft! dort dir zu trinken Heil seines Zaubers ew'ge Minne, hehrer Kraft! mit mir dich im Verein Durch des Todes Tor, wollt ich dem Tode weihn. wo er mir floß, TRISTAN. weit und offen In deiner Hand er mir erschloß, den süßen Trank, darin ich sonst nur träumend gewacht, als ich ihn erkannt, das Wunderreich der Nacht; den sie mir bot; von dem Bild in des Herzens als mir die Ahnung bergendem Schrein hehr und gewiß scheucht' er des Tages zeigte, was mir täuschenden Schein, die Sühne verhieß: daß nachtsichtig mein Auge da erdämmerte mild wahr es zu sehen tauge. erhab'ner Macht ISOLDE. im Busen mir die Nacht; Doch es rächte sich mein Tag war da vollbracht. der verscheuchte Tag; ISOLDE. mit deinen Sünden Doch ach, dich täuschte Rats er pflag: der falsche Trank, was dir gezeigt

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.225 Wagner: Tristan und Isolde 24.226 Wagner: Tristan und Isolde

die dämmernde Nacht, des Tages Lügen, an des Tagsgestirnes Ruhm und Ehr, Königsmacht Macht und Gewinn, mußtest du's übergeben, – so schimmernd hehr, um einsam wie eitler Staub der Sonnen in öder Pracht sind sie vor dem zersponnen! schimmernd dort zu leben. – In des Tages eitlem Wähnen Wie ertrug ich's nur? bleibt ihm ein einzig Sehnen, – Wie ertrag' ich's noch? das Sehnen hin TRISTAN. zur heil'gen Nacht, O nun waren wir wo ur-ewig, Nachtgeweihte! einzig wahr, Der tückische Tag, Liebeswonne ihm lacht! der Neid-bereite, Tristan zieht Isolde sanft zur Seite auf eine trennen konnt uns sein Trug, Blumenbank nieder, senkt sich vor ihr auf die Knie doch nicht mehr täuschen sein Lug! und schmiegt sein Haupt in ihren Arm. Seine eitle Pracht, seinen prahlenden Schein BEIDE. verlacht, wem die Nacht O sink hernieder, den Blick geweiht. Nacht der Liebe, Seines flackernden Lichtes gib Vergessen, flüchtige Blitze daß ich lebe, blenden uns nicht mehr. nimm mich auf Wer des Todes Nacht in deinen Schoß, liebend erschaut, löse von wem sie ihr tief der Welt mich los! Geheimnis vertraut: TRISTAN.

24.227 Wagner: Tristan und Isolde 24.228 Wagner: Tristan und Isolde

Verloschen nun TRISTAN. die letzte Leuchte; eines Atems ISOLDE. ein'ger Bund; was wir dachten, BEIDE. was uns deuchte; bricht mein Blick sich TRISTAN. Wonn-erblindet, all Gedenken – erbleicht die Welt ISOLDE. mit ihrem Blenden: all Gemahnen – ISOLDE. BEIDE. die uns der Tag heil'ger Dämm'rung trügend erhellt, hehres Ahnen TRISTAN. löscht des Wähnens Graus zu täuschendem Wahn welterlösend aus. entgegen gestellt, ISOLDE. BEIDE. Barg im Busen selbst dann uns sich die Sonne, bin ich die Welt: leuchten lachend wonnehehrstes Weben, Sterne der Wonne. Liebe-heiligstes Leben, TRISTAN. Nie-wieder-Erwachens Von deinem Zauber wahnlos sanft umsponnen, hold bewußter Wunsch. vor deinen Augen Tristan und Isolde versinken wie in gänzlicher süß zerronnen; Entrücktheit, in der sie, Haupt an Haupt auf die ISOLDE. Blumenbank zurückgelehnt, verweilen. Herz an Herz dir, Mund an Mund; BRANGÄNE von der Zinne her unsichtbar.

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.229 Wagner: Tristan und Isolde 24.230 Wagner: Tristan und Isolde

Einsam wachend ISOLDE. in der Nacht, Tag und Tod, wem der Traum mit gleichen Streichen, der Liebe lacht, sollten unsre hab der Einen Lieb' erreichen? Ruf in Acht, TRISTAN sich mehr aufrichtend. die den Schläfern Unsre Liebe? Schlimmes ahnt, Tristans Liebe? bange zum Dein und mein, Erwachen mahnt. Isoldes Liebe? Habet Acht! Welches Todes Streichen Habet acht! könnte je sie weichen? Bald entweicht die Nacht! Stünd er vor mir, ISOLDE. der mächt'ge Tod, Lausch, Geliebter! wie er mir Leib TRISTAN. und Leben bedroht, – Laß mich sterben! die ich so willig ISOLDE allmählich sich ein wenig erhebend. der Liebe lasse, Neid'sche Wache! wie wäre seinen Streichen TRISTAN zurückgelehnt bleibend. die Liebe selbst zu erreichen? Nie erwachen! Immer inniger mit dem Haupt sich an Isolde ISOLDE. schmiegend. Doch der Tag muß Tristan wecken? Stürb ich nun ihr, TRISTAN ein wenig das Haupt erhebend. der so gern ich sterbe, Laß den Tag wie könnte die Liebe dem Tode weichen! mit mir sterben,

24.231 Wagner: Tristan und Isolde 24.232 Wagner: Tristan und Isolde

die ewig lebende Tristan zieht, mit bedeutungsvoller Gebärde, Isolde mit mir enden? sanft an sich. Doch, stürbe nie seine Liebe, TRISTAN. wie stürbe dann Tristan So starben wir, seiner Liebe? um ungetrennt, ISOLDE. ewig einig Doch –unsre Liebe, ohne End', heißt sie nicht Tristan ohn Erwachen, und –Isolde? ohn Erbangen, Dies süße Wörtlein: und, namenlos was es bindet, in Lieb' umfangen, der Liebe Bund, ganz uns selbst gegeben, wenn Tristan stürb, der Liebe nur zu leben! zerstört es nicht der Tod? ISOLDE wie in sinnender Entrücktheit zu ihm auf- TRISTAN. blickend. Was stürbe dem Tod, So stürben wir, als was uns stört, um ungetrennt – was Tristan wehrt, TRISTAN. Isolde immer zu lieben, ewig einig ewig ihr nur zu leben? ohne End –, ISOLDE. ISOLDE. Doch, dieses Wörtlein: und, ohn Erwachen – wär es zerstört, TRISTAN. wie anders als ohn Erbangen –, mit Isoldes eig'nem Leben BEIDE. wär Tristan der Tod gegeben? namenlos in Lieb' umfangen,

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.233 Wagner: Tristan und Isolde 24.234 Wagner: Tristan und Isolde

ganz uns selbst gegeben, den Tag verscheuchen? der Liebe nur zu leben! ISOLDE. Der uns vereint, Isolde neigt wie überwältigt das Haupt an seine den ich dir bot, Brust. laß ihm uns weihn, BRANGÄNES STIMME wie vorher. dem süßen Tod! Habet Acht! Mußte er uns Habet Acht! das eine Tor, Schon weicht dem Tag die Nacht! an dem wir standen, verschließen; TRISTAN lächelnd zu ihr geneigt. zu der rechten Tür, Soll ich lauschen? die uns Minne erkor ISOLDE schwärmerisch zu ihm aufblickend. hat sie den Weg nun gewiesen. Laß mich sterben! TRISTAN. TRISTAN ernster. Des Tages Dräuen Muß ich wachen? nun trotzten wir so? ISOLDE bewegter. ISOLDE mit wachsender Begeisterung. Nie erwachen! Seinem Trug ewig zu fliehn. TRISTAN drängender. TRISTAN. Soll der Tag Sein dämmernder Schein noch Tristan wecken? verscheuchte uns nie? ISOLDE begeistert. ISOLDE mit großer Gebärde ganz sich erhebend. Laß den Tag Ewig wär uns die Nacht! dem Tode weichen! BEIDE. TRISTAN. O ew'ge Nacht, Soll der Tod süße Nacht! mit seinen Streichen Hehr erhab'ne ewig uns Liebesnacht!

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Wen du umfangen, ohne Scheiden, wem du gelacht, traut allein, wie wär ohne Bangen ewig heim, aus dir er je erwacht? in ungemess'nen Räumen Nun banne das Bangen, übersel'ges Träumen. – holder Tod, ISOLDE. sehnend verlangter Du Isolde, Liebestod! Tristan ich, In deinen Armen, nicht mehr Isolde! dir geweiht, TRISTAN. urheilig Erbarmen, Du Tristan, von Erwachens Not befreit! Isolde ich, Wie sie fassen, nicht mehr Tristan! wie sie lassen, BEIDE. diese Wonne, Ohne Nennen, fern der Sonne, ohne Trennen, fern der Tage neu Erkennen, Trennungsklage! neu Entbrennen; Ohne Wähnen, endlos ewig sanftes Sehnen; ein-bewußt: ohne Bangen, heiß erglühter Brust, süß Verlangen; höchste Liebeslust! ohne Wehen Sie verbleiben in verzückter Stellung. hehr Vergehen; ohne Schmachten hold Umnachten; ohne Meiden,

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.237 Wagner: Tristan und Isolde 24.238 Wagner: Tristan und Isolde

Das sollst du, Herr, mir sagen, Dritte Szene ob ich ihn recht verklagt; das dir zum Pfand ich gab, Brangäne stößt einen grellen Schrei aus. – ob ich mein Haupt gewahrt? Kurwenal stürzt mit entblößtem Schwerte herein. Ich zeigt' ihn dir in off'ner Tat: KURWENAL. Namen und Ehr Rette dich, Tristan! hab ich getreu Er blickt mit Entsetzen hinter sich in die Szene vor Schande dir bewahrt. zurück Marke, Melot und Hofleute (in Jägertracht) MARKE nach tiefer Erschütterung, mit bebender kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Stimme. Vordergrunde und halten entsetzt der Gruppe der Tatest du's wirklich? Liebenden gegenüber an. Brangäne kommt zugleich Wähnst du das? von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu. Diese, Sieh ihn dort, von unwillkürlicher Scham ergriffen, lehnt sich, mit den treu'sten aller Treuen; abgewandtem Gesicht, auf die Blumenbank. Tristan, blick auf ihn, in ebenfalls unwillkürlicher Bewegung, streckt mit den freundlichsten der Freunde: dem einen Arme den Mantel breit aus, so daß er seiner Treue Isolde vor den Blicken der Ankommenden verdeckt. frei'ste Tat In dieser Stellung verbleibt er längere Zeit, traf mein Herz unbeweglich den starren Blick auf die Männer mit schmerzlichstem Verrat! gerichtet, die in verschiedener Bewegung die Augen Trog mich Tristan, auf ihn heften. –Morgendämmerung. sollt' ich hoffen, was sein Trügen TRISTAN. mir getroffen, Der öde Tag sei durch Melots Rat zum letzten Mal! redlich mir bewahrt? MELOT zu Marke.

24.239 Wagner: Tristan und Isolde 24.240 Wagner: Tristan und Isolde

TRISTAN krampfhaft heftig. der Größe Macht, Tagsgespenster! die Marken du gewannst; Morgenträume! – mußt' Ehr und Ruhm, täuschend und wüst –! Größ' und Macht, Entschwebt! Entweicht! mußte die Dienste MARKE mit tiefer Ergriffenheit. ohne Zahl Mir dies? dir Markes Schmach bezahlen? Dies, Tristan, mir? Dünkte zu wenig Wohin nun Treue, dich mein Dank, da Tristan mich betrog? daß, was du mir erworben, Wohin nun Ehr Ruhm und Reich, und echte Art, ich zu Erb' und Eigen dir gab? da aller Ehren Hort, Da kinderlos einst da Tristan sie verlor? schwand sein Weib, Die Tristan sich so liebt' er dich, zum Schild erkor, daß nie auf's neu wohin ist Tugend sich Marke wollt vermählen. nun entflohn, Da alles Volk da meinen Freund sie flieht, zu Hof und Land da Tristan mich verriet? mit Bitt' und Dräuen in ihn drang, Tristan senkt langsam den Blick zu Boden; in seinen die Königin dem Lande Mienen ist, während Marke fortfährt, zunehmende die Gattin sich zu kiesen; Trauer zu lesen. da selber du Wozu die Dienste den Ohm beschworst, ohne Zahl, des Hofes Wunsch, der Ehren Ruhm, des Landes Willen

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.241 Wagner: Tristan und Isolde 24.242 Wagner: Tristan und Isolde

gütlich zu erfüllen; trotz Feind und Gefahr in Wehr wider Hof und Land, die fürstliche Braut in Wehr selbst gegen dich, brachtest du mir dar. mit List und Güte Nun, da durch solchen weigerte er sich, – Besitz mein Herz bis, Tristan, du ihm drohtest, du fühlsamer schufst für immer zu meiden als sonst dem Schmerz, Hof und Land, dort, wo am weichsten, würdest du selber zart und offen, nicht entsandt, würd' ich getroffen, dem König die Braut zu frei'n. nie zu hoffen, Da ließ er's denn so sein. – daß je ich könnte gesunden: Dies wundervolle Weib, warum so sehrend, das mir dein Mut gewann, Unseliger, wer durft es sehen, dort nun mich verwunden? wer es kennen, Dort mit der Waffe wer mit Stolze quälendem Gift, sein es nennen, das Sinn und Hirn ohne selig sich zu preisen? mir sengend versehrt, Der mein Wille das mir dem Freund nie zu nahen wagte, die Treue verwehrt, der mein Wunsch mein off'nes Herz ehrfurchtscheu entsagte, erfüllt mit Verdacht, die so herrlich, daß ich nun heimlich hold erhaben in dunkler Nacht mir die Seele den Freund lauschend beschleiche, – mußte laben, meiner Ehren Ende erreiche?

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Die kein Himmel erlöst, Was, da sie mich gebar, warum mir diese Hölle? ihr Liebesberge war, Die kein Elend sühnt, das Wunderreich der Nacht, warum mir diese Schmach? aus der ich einst erwacht: Den unerforschlich tief das bietet dir Tristan, geheimnisvollen Grund, dahin geht er voran: wer macht der Welt ihn kund? ob sie ihm folge TRISTAN mitleidig das Auge zu Marke erhebend. treu und hold? O König, das Das sag' ihm nun Isold'! kann ich dir nicht sagen; ISOLDE. und was du frägst, Als für ein fremdes Land das kannst du nie erfahren. der Freund sie einstens warb, dem Unholden Er wendet sich zu Isolde, die sehnsüchtig zu ihm treu und hold aufblickt. mußt' Isolde folgen. Wohin nun Tristan scheidet, Nun führst du in dein Eigen, willst du, Isold', ihm folgen? dein Erbe mir zu zeigen; Dem Land, das Tristan meint, wie flöh' ich wohl das Land, der Sonne Licht nicht scheint: das alle Welt umspannt? es ist das dunkel Wo Tristans Haus und Heim, nächt'ge Land, da kehr Isolde ein; daraus die Mutter auf dem sie folge mich entsandt, treu und hold, als, den im Tode den Weg nun zeig Isold'! sie empfangen, Tristan neigt sich langsam über sie und küßt sie im Tod sie ließ sanft auf die Stirn. –Melot fährt wütend auf. an das Licht gelangen.

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.245 Wagner: Tristan und Isolde 24.246 Wagner: Tristan und Isolde

MELOT das Schwert ziehend. Er dringt auf Melot ein. Verräter! ha! Wehr dich, Melot! Zur Rache, König! Duldest du diese Schmach? Als Melot ihm das Schwert entgegenstreckt, läßt Tristan das seinige fallen und sinkt verwundet in Tristan zieht sein Schwert und wendet sich schnell Kurwenals Arme. Isolde stürzt sich an seine Brust. um. Marke hält Melot zurück. –Der Vorhang fällt TRISTAN. schnell. Wer wagt sein Leben an das meine? Er heftet den Blick auf Melot. Mein Freund war der, er minnte mich hoch und teuer; um Ehr und Ruhm mir war er besorgt wie keiner: zum Übermut trieb er mein Herz, die Schar führt' er, die mich gedrängt, Ehr und Ruhm mir zu mehren, dem König dich zu vermählen! – Dein Blick, Isolde, blendet' auch ihn; aus Eifer verriet mich der Freund – dem König, den ich verriet!

24.247 Wagner: Tristan und Isolde 24.248 Wagner: Tristan und Isolde

Kurwenal wendet ein wenig das Haupt nach ihm. Dritter Aufzug Wacht er noch nicht? Erste Szene KURWENAL schüttelt traurig mit dem Kopf. Erwachte er, Burggarten. wär's doch nur um für immer zu verscheiden: – Zur einen Seite hohe Burggebäude, zur andern eine erschien zuvor niedrige Mauerbrüstung, von einer Warte die Ärztin nicht, unterbrochen; im Hintergrunde das Burgtor. Die die einz'ge, die uns hilft. – Lage ist auf felsiger Höhe anzunehmen; durch Sahst du noch nichts? Öffnungen blickt man auf einen weiten Kein Schiff noch auf der See? Meereshorizont. Das Ganze macht den Eindruck der HIRT. Herrenlosigkeit, übel gepflegt, hie und da schadhaft Eine andre Weise und bewachsen. Im Vordergrunde, an der inneren hörtest du dann, Seite, liegt Tristan, unter dem Schatten einer großen so lustig, als ich sie nur kann. – Linde, auf einem Ruhebett schlafend, wie leblos Nun sag auch ehrlich, ausgestreckt. Zu Häupten ihm sitzt Kurwenal, in alter Freund: Schmerz über ihn hingebeugt und sorgsam seinem was hat's mit uns'rem Herrn? Atem lauschend. –Von der Außenseite hört man KURWENAL. einen Hirtenreigen geblasen. Der Hirt erscheint mit Laß die Frage: – dem Oberleibe über der Mauerbrüstung und blickt du kannst's doch nie erfahren. teilnehmend herein. Eifrig späh'; HIRT leise. und siehst du ein Schiff, Kurwenal! He! so spiele lustig und hell! Sag, Kurwenal! Der Hirt wendet sich und späht, mit der Hand Hör doch, Freund! – überm Aug', nach dem Meer aus.

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.249 Wagner: Tristan und Isolde 24.250 Wagner: Tristan und Isolde

Kurwenal –du? HIRT. Wo war ich? Öd und leer das Meer! Wo –bin ich? Er setzt die Schalmei an und entfernt sich blasend. KURWENAL. Wo du bist? TRISTAN bewegungslos, dumpf. In Frieden, sicher und frei! Die alte Weise –; Kareol, Herr: was weckt sie mich? kennst du die Burg Er schlägt die Augen auf und wendet das Haupt ein der Väter nicht? wenig. TRISTAN. Meiner Väter? KURWENAL fährt erschrocken auf. KURWENAL. Ha! Sieh dich nur um! TRISTAN. TRISTAN. Wo bin ich? Was erklang mir? KURWENAL. KURWENAL. Ha! diese Stimme! Des Hirten Weise Seine Stimme! hörtest du wieder; Tristan! Herre! am Hügel ab Mein Held! Mein Tristan! hütet er deine Herde. TRISTAN mit Anstrengung. TRISTAN. Wer ruft mich? Meine Herde? KURWENAL. KURWENAL. Endlich! Endlich! Herr, das mein ich! Leben, o Leben! Dein das Haus, Süßes Leben, Hof und Burg! meinem Tristan neu gegeben! Das Volk, getreu TRISTAN.

24.251 Wagner: Tristan und Isolde 24.252 Wagner: Tristan und Isolde

dem trauten Herrn, hier auf den Schultern so gut es konnt, trug ich dich; –die sind breit: hat's Haus und Hof gepflegt, sie trugen dich dort zum Strand. das einst mein Held Nun bist du daheim, daheim zu Land: zu Erb und Eigen im echten Land, an Leut' und Volk verschenkt, im Heimatland; als Alles er verließ, auf eig'ner Weid und Wonne, in fremde Land' zu ziehn. im Schein der alten Sonne, TRISTAN. darin von Tod und Wunden In welches Land? du selig sollst gesunden. KURWENAL. Er schmiegt sich an Tristans Brust. Hei! Nach Kornwall: kühn und wonnig, TRISTAN. was sich da Glanzes, Dünkt dich das? Glückes und Ehren Ich weiß es anders: Tristan, mein Held, hehr ertrotzt! doch kann ich's dir nicht sagen. TRISTAN. Wo ich erwacht – Bin ich in Kornwall? weilt ich nicht; KURWENAL. doch, wo ich weilte, Nicht doch: in Kareol! das kann ich dir nicht sagen. TRISTAN. Die Sonne sah ich nicht, Wie kam ich her? noch sah ich Land und Leute: KURWENAL. doch, was ich sah – Hei nun! Wie du kamst? das kann ich dir nicht sagen. Zu Roß rittest du nicht; Ich war, ein Schifflein führte dich her: wo ich von je gewesen, doch zu dem Schifflein wohin auf je ich geh:

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.253 Wagner: Tristan und Isolde 24.254 Wagner: Tristan und Isolde

im weiten Reich schon des Todes der Weltennacht. Tor sich schließen: – Nur ein Wissen weit nun steht es dort uns eigen: – wieder offen, göttlich ew'ges der Sonne Strahlen Urvergessen! sprengt' es auf; Wie schwand mir seine Ahnung? mit hell erschloss'nen Augen Sehnsücht'ge Mahnung, muß ich der Nacht enttauchen –, nenn ich dich, sie zu suchen, die neu dem Licht sie zu sehen; des Tags mich zugetrieben? sie zu finden, Was einzig mir geblieben, in der einzig ein heiß-inbrünstig Lieben, zu vergehen, aus Todeswonne Grauen zu entschwinden jagt's mich, das Licht zu schauen, Tristan ist vergönnt. das trügend hell und golden Weh, nun wächst, noch dir, Isolden, scheint! bleich und bang, Isolde noch mir des Tages im Reich der Sonne! wilder Drang; Im Tagesschimmer grell und täuschend noch Isolde! sein Gestirn Welches Sehnen! weckt zu Trug Welches Bangen! und Wahn mir das Hirn. Sie zu sehen, Verfluchter Tag welch Verlangen! mit deinem Schein! Krachend hört ich Wachst du ewig hinter mir meiner Pein?

24.255 Wagner: Tristan und Isolde 24.256 Wagner: Tristan und Isolde

Brennt sie ewig, den Trost kann ich dir geben – diese Leuchte, ist sie nur selbst noch am Leben. TRISTAN sehr matt. Allmählich abnehmend. Noch losch das Licht nicht aus, – die selbst nachts noch ward's nicht Nacht im Haus: von ihr mich scheuchte? Isolde lebt und wacht; – Ach, Isolde, sie rief mich aus der Nacht. süße Holde! KURWENAL. Wann endlich, Lebt sie denn, wann, ach wann? so laß dir Hoffnung lachen! löschest du die Zünde, – Muß Kurwenal dumm dir gelten, heut sollst du ihn nicht schelten. Immer mehr ermattend. Wie tot lagst du daß sie mein Glück mir künde? seit dem Tag, Das Licht –wann löscht es aus? da Melot der Verruchte dir eine Wunde schlug. Er sinkt erschöpft leise zurück. Die böse Wunde, Wann wird es Ruh im Haus? wie sie heilen? KURWENAL nach großer Erschütterung aus der Mir tör'gem Manne Niedergeschlagenheit sich aufraffend. dünkt es da, Der einst ich trotzt, wer einst dir Morolds aus Treu' zu dir, Wunde schloß, mit dir nach ihr der heilte leicht die Plagen, nun muß ich mich sehnen. von Melots Wehr geschlagen. Glaub meinem Wort: Die beste Ärztin du sollst sie sehen, bald ich fand; hier und heut; nach Kornwall hab ich

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.257 Wagner: Tristan und Isolde 24.258 Wagner: Tristan und Isolde

ausgesandt: wie warst du ihm treuer als Gold! ein treuer Mann Mußt ich verraten wohl über's Meer den edlen Herrn, bringt dir Isolden her. wie betrogst du ihn da so gern! TRISTAN außer sich. Dir nicht eigen, Isolde kommt! einzig mein, Isolde naht! mit leidest du, wenn ich leide: Er ringt gleichsam nach Sprache. nur was ich leide, O Treue! Hehre, das –kannst du nicht leiden! holde Treue! Dies furchtbare Sehnen, das mich sehrt; Er zieht Kurwenal an sich und umarmt ihn. dies schmachtende Brennen, Mein Kurwenal, das mich zehrt; du trauter Freund! wollt ich dir's nennen, Du Treuer ohne Wanken, könntest du's kennen: – wie soll dir Tristan danken? nicht dort würdest du weilen, Mein Schild, mein Schirm zur Warte müßtest du eilen, – im Kampf und Streit, mit allen Sinnen zu Lust und Leid sehnend von hinnen mir stets bereit: nach dorten trachten und spähen, wen ich gehaßt, wo ihre Segel sich blähen, den haßtest du; wo vor den Winden, wen ich geminnt, mich zu finden, den minntest du. von der Liebe Drang befeuert, Dem guten Marke, Isolde zu mir steuert! – dient ich ihm hold –, Es naht! Es naht –

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mit mutiger Hast! bang und bänger, Sie weht, sie weht – als der Sohn die Flagge am Mast! der Mutter Los vernahm. – Das Schiff! Das Schiff! Da er mich zeugt' und starb, Dort streicht es am Riff! sie sterbend mich gebar, – Siehst du es nicht? die alte Weise sehnsuchtbang Heftig. zu ihnen wohl Kurwenal! Siehst du es nicht? auch klagend drang, die einst mich frug, Als Kurwenal, um Tristan nicht zu verlassen, zögert und jetzt mich frägt: und dieser in schweigender Spannung auf ihn blickt, zu welchem Los erkoren, ertönt, wie zu Anfang, die klagende Weise des ich damals wohl geboren? Hirten. Zu welchem Los? KURWENAL niedergeschlagen. Die alte Weise Noch ist kein Schiff zu sehn! sagt mir's wieder: – TRISTAN hat mit abnehmender Aufregung ge- mich sehnen –und sterben! lauscht und beginnt nun mit wachsender Schwer- Nein! Ach nein! mut. So heißt sie nicht! Muß ich dich so verstehn, Sehnen! Sehnen! du alte ernste Weise, Im Sterben mich zu sehnen, mit deiner Klage Klang? vor Sehnsucht nicht zu sterben! – Durch Abendwehen Die nie erstirbt, drang sie bang, sehnend nun ruft als einst dem Kind um Sterbens Ruh des Vaters Tod verkündet; – sie der fernen Ärztin zu. – durch Morgengrauen Sterbend lag ich

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.261 Wagner: Tristan und Isolde 24.262 Wagner: Tristan und Isolde

stumm im Kahn, je mich befrein der Wunde Gift, von der Sehnsucht Not, dem Herzen nah: – nirgends, ach nirgends Sehnsucht klagend find ich Ruh: klang die Weise; mich wirft die Nacht das Segel blähte der Wind dem Tage zu, hin zu Irlands Kind. um ewig an meinen Leiden Die Wunde, die der Sonne Auge zu weiden. sie heilend schloß, O dieser Sonne riß mit dem Schwert sengender Strahl, sie wieder los; wie brennt mir das Hirn das Schwert dann aber – seine glühende Qual! ließ sie sinken; Für dieser Hitze den Gifttrank gab sie heißes Verschmachten, mir zu trinken: ach, keines Schattens wie ich da hoffte kühlend Umnachten! ganz zu genesen, Für dieser Schmerzen da war der sehrendste schreckliche Pein, Zauber erlesen: welcher Balsam sollte daß nie ich sollte sterben, mir Lind'rung verleihn? mich ew'ger Qual vererben! – Den furchtbaren Trank, Der Trank! Der Trank! der der Qual mich vertraut, Der furchtbare Trank! ich selbst –ich selbst, Wie vom Herz zum Hirn ich hab ihn gebraut! er wütend mir drang. Aus Vaters Not Kein Heil nun kann, und Mutter-Weh, – kein süßer Tod aus Liebestränen

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eh und je – Mit schluchzender Stimme. aus Lachen und Weinen, Wonnen und Wunden, Bist du nun tot? hab ich des Trankes Lebst du noch? Gifte gefunden! Hat dich der Fluch entführt? Den ich gebraut, Er lauscht seinem Atem. der mir geflossen, den Wonne schlürfend O Wonne! Nein! je ich genossen, – Er regt sich, er lebt! – verflucht sei, furchtbarer Trank! Wie sanft er die Lippen rührt! Verflucht, wer dich gebraut! TRISTAN. Das Schiff? Siehst du's noch nicht? Er sinkt ohnmächtig zurück. KURWENAL. KURWENAL der vergebens Tristan zu mäßigen Das Schiff? Gewiß, suchte, schreit entsetzt auf. es naht noch heut: Mein Herre! Tristan! es kann nicht lang mehr säumen. Schrecklicher Zauber! TRISTAN. O Minnetrug! Und drauf Isolde, O Liebeszwang! wie sie winkt – Der Welt holdester Wahn! wie sie hold Wie ist's um dich getan! mir Sühne trinkt –: Hier liegt er nun, siehst du sie? der wonnige Mann, Siehst du sie noch nicht? der wie keiner geliebt und geminnt. Wie sie selig, Nun seht, was von ihm hehr und milde sie Dankes gewann, wandelt durch was je Minne je gewinnt! des Meers Gefilde?

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.265 Wagner: Tristan und Isolde 24.266 Wagner: Tristan und Isolde

Auf wonniger Blumen Kurwenal springt freudig auf. lichten Wogen KURWENAL. kommt sie sanft O Wonne! Freude! ans Land gezogen. Sie lächelt mir Trost Er stürzt auf die Warte und späht aus. und süße Ruh, Ha! Das Schiff! sie führt mir letzte Von Norden seh ich's nahen. Labung zu. TRISTAN. Ach, Isolde! Isolde! Wußt ich's nicht? Wie schön bist du! Sagt ich's nicht? Und Kurwenal, wie, Daß sie noch lebt, du sähst sie nicht? noch Leben mir webt? Hinauf zur Warte, Die mir Isolden du blöder Wicht! einzig enthält, Was so hell und licht ich sehe, wie wär Isolde daß das dir nicht entgehe! mir aus der Welt? Hörst du mich nicht? KURWENAL jauchzend. Zur Warte schnell! Hahei! Heiha! Eilig zur Warte! Wie es mutig steuert! Bist du zur Stell? Wie stark das Segel sich bläht! Das Schiff? Das Schiff? Wie es jagt, wie es fliegt! Isoldens Schiff? TRISTAN. Du mußt es sehen! Die Flagge? Die Flagge? Mußt es sehen! KURWENAL. Das Schiff? Sähst du's noch nicht? Der Freude Flagge Während Kurwenal noch zögernd mit Tristan ringt, am Wimpel lustig und hell! läßt der Hirt von außen die Schalmei ertönen. TRISTAN auf dem Lager hoch sich aufrichtend.

24.267 Wagner: Tristan und Isolde 24.268 Wagner: Tristan und Isolde

Hahei der Freude! TRISTAN. Hell am Tage Verloren! zu mir Isolde! KURWENAL jauchzend. Isolde zu mir! Heiha! Heihahaha! Siehst du sie selbst? Vorbei! Vorbei! KURWENAL. Glücklich vorbei! Jetzt schwand das Schiff TRISTAN jauchzend. hinter dem Fels. Heihahaha! Kurwenal, TRISTAN. treuester Freund! Hinter dem Riff? All mein Hab und Gut Bringt es Gefahr? vererb ich noch heute. Dort wütet die Brandung, – KURWENAL. scheitern die Schiffe! Sie nahen im Flug. Das Steuer, wer führt's? TRISTAN. KURWENAL. Siehst du sie endlich? Der sicherste Seemann. Siehst du Isolde? TRISTAN. KURWENAL. Verriet er mich? Sie ist's! Sie winkt! Wär er Melots Genoß? TRISTAN. KURWENAL. O seligstes Weib! Trau ihm wie mir! KURWENAL. TRISTAN. Im Hafen der Kiel! Verräter auch du! – Isolde, ha! Unsel'ger! mit einem Sprung Siehst du sie wieder? springt sie vom Bord an Land. KURWENAL. TRISTAN. Noch nicht. Herab von der Warte,

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.269 Wagner: Tristan und Isolde 24.270 Wagner: Tristan und Isolde

müßiger Gaffer! Hinab! Hinab Zweite Szene an den Strand! TRISTAN in höchster Aufregung auf dem Lager Hilf ihr! Hilf meiner Frau! sich mühend. KURWENAL. O diese Sonne! Sie trag ich herauf: Ha! dieser Tag! trau meinen Armen! Ha, dieser Wonne Doch du, Tristan, sonnigster Tag! bleib mir treulich am Bett! Jagendes Blut, Kurwenal eilt fort. jauchzender Mut! Lust ohne Maßen, freudiges Rasen! Auf des Lagers Bann wie sie ertragen! Wohlauf und daran, wo die Herzen schlagen! Tristan der Held, in jubelnder Kraft, hat sich vom Tod emporgerafft. Er richtet sich hoch auf. Mit blutender Wunde bekämpft ich einst Morolden: mit blutender Wunde erjag ich mir heut Isolden!

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Er reißt sich den Verband der Wunde auf. ISOLDE. Tristan! Ha! Heia, mein Blut! TRISTAN sterbend zu ihr aufblickend. Lustig nun fließe! Isolde! Er springt vom Lager herab und schwankt vorwärts. Er stirbt. Die mir die Wunde ISOLDE. ewig schließe, – Ha! Ich bin's, ich bin's –, sie naht wie ein Held, süßester Freund! sie naht mir zum Heil! Auf, noch einmal Vergeh die Welt hör meinen Ruf! meiner jauchzenden Eil! Isolde ruft; Er taumelt nach der Mitte der Bühne. Isolde kam mit Tristan treu zu sterben! ISOLDE von außen rufend. Bleibst du mir stumm? Tristan! Geliebter! Nur eine Stunde! TRISTAN in der furchtbarsten Aufregung. Nur eine Stunde Wie, hör ich das Licht? bleib mir wach! Die Leuchte, ha! So bange Tage Die Leuchte verlischt. wachte sie sehnend, Zu ihr! Zu ihr! um eine Stunde Isolde eilt atemlos herein. Tristan, seiner nicht mit dir noch zu wachen: – mächtig, stürzt sich ihr schwankend entgegen. In der betrügt Isolden, Mitte der Bühne begegnen sie sich; sie empfängt ihn betrügt sie Tristan in ihren Armen. –Tristan sinkt langsam in ihren um dieses einzige Armen zu Boden. ewig kurze letzte Weltenglück? –

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.273 Wagner: Tristan und Isolde 24.274 Wagner: Tristan und Isolde

Die Wunde? Wo? horch –! Er wacht! Laß sie mich heilen! Geliebter! Daß wonnig und hehr Sie sinkt bewußtlos über der Leiche zusammen. die Nacht wir teilen; nicht an der Wunde, an der Wunde stirb mir nicht: uns beiden vereint erlösche das Lebenslicht! – Gebrochen der Blick –! Still das Herz! Nicht eines Atems flücht'ges Wehn! Muß sie nun jammernd vor dir stehn, die sich wonnig dir zu vermählen mutig kam über's Meer? Zu spät! Trotziger Mann! Strafst du mich so mit härtestem Bann? Ganz ohne Huld meiner Leidensschuld? Nicht meine Klagen darf ich dir sagen? Nur einmal –ach! – nur einmal noch! – Tristan! –Ha! –

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Er eilt mit dem Hirten an das Tor, das sie in der Dritte Szene Hast zu verrammeln suchen. Kurwenal war sogleich hinter Isolde DER STEUERMANN stürzt herein. zurückgekommen; sprachlos in furchtbarer Marke mir nach Erschütterung hat er dem Auftritte beigewohnt und mit Mann und Volk: bewegungslos auf Tristan hingestarrt. –Aus der vergeb'ne Wehr, Tiefe hört man jetzt dumpfes Gemurmel und bewältigt sind wir. Waffengeklirr. –Der Hirt kommt über die Mauer KURWENAL. gestiegen. Stell dich und hilf! So lang ich lebe, HIRT hastig und leise sich zu Kurwenal wendend. lugt mir keiner herein! Kurwenal! Hör! Man hört Brangänens Stimme, außen, von unten Ein zweites Schiff. her. Kurwenal fährt heftig auf und blickt über die BRANGÄNE. Brüstung, während der Hirt aus der Ferne Isolde! Herrin! erschüttert auf Tristan und Isolde sieht. KURWENAL. Brangänens Ruf? KURWENAL. Was suchst du hier? Tod und Hölle! BRANGÄNE. In Wut ausbrechend. Schließ nicht, Kurwenal! Wo ist Isolde? Alles zur Hand! KURWENAL. Marke und Melot Verrät'rin auch du? hab ich erkannt. – Weh dir, Verruchte! Waffen, und Steine! MELOT außerhalb. Hilf mir! Ans Tor!

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.277 Wagner: Tristan und Isolde 24.278 Wagner: Tristan und Isolde

Zurück, du Tor! Bist du von Sinnen? Stemm dich nicht dort! KURWENAL. KURWENAL wütend auflachend. Hier wütet der Tod! Heiahaha! Dem Tag, Nichts andres, König, an dem ich dich treffe! ist hier zu holen: willst du ihn kiesen, so komm! Melot, mit gewaffneten Männern, erscheint unter dem Tor, Kurwenal stürzt sich auf ihn und streckt Er dringt auf Marke und dessen Gefolge ein. ihn zu Boden. MARKE unter dem Tore mit Gefolge erscheinend. Stirb, schändlicher Wicht! Zurück! Wahnsinniger! MELOT. BRANGÄNE hat sich seitwärts über die Mauer ge- Weh mir! Tristan! schwungen und eilt in den Vordergrund. Isolde! Herrin! Er stirbt. Glück und Heil! BRANGÄNE noch außerhalb. Was seh ich! Ha! Kurwenal! Wütender! Lebst du? Isolde! Hör, du betrügst dich! Sie müht sich um Isolde. –Marke mit seinem KURWENAL. Gefolge hat Kurwenal mit dessen Helfern vom Tore Treulose Magd! zurückgetrieben und dringt herein. Zu den Seinen. MARKE. Drauf! Mir nach! O Trug und Wahn! Werft sie zurück! Tristan! Wo bist du? KURWENAL schwer verwundet, schwankt vor Sie greifen von neuem an. Marke her nach dem Vordergrund. MARKE außerhalb. Da liegt er – Halte, Rasender! hier –, wo ich –liege.

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Isolde! hör mich, Er sinkt bei Tristans Füßen zusammen. vernimm meine Sühne! MARKE. Des Trankes Geheimnis Tristan! Tristan! entdeckt ich dem König: Isolde! Weh! mit sorgender Eil' KURWENAL nach Tristans Hand fassend. stach er in See Tristan! Trauter! dich zu erreichen, Schilt mich nicht –, dir zu entsagen, daß der Treue auch mitkommt! dir zuzuführen den Freund. MARKE. Er stirbt. Warum, Isolde, MARKE. warum mir das? Tot denn alles! Da hell mir enthüllt, Alles tot! was zuvor ich nicht fassen konnt, Mein Held, mein Tristan! wie selig, daß den Freund Trautester Freund, ich frei von Schuld da fand! auch heute noch Dem holden Mann mußt du den Freund verraten? dich zu vermählen, Heut, wo er kommt, mit vollen Segeln die höchste Treue zu bewähren? flog ich dir nach. Erwache meinem Jammer! Doch Unglückes Ungestüm, Schluchzend über die Leiche sich herabbeugend. wie erreicht es, wer Frieden bringt? Du treulos treu'ster Freund! Die Ernte mehrt ich dem Tod: BRANGÄNE die in ihren Armen Isolde wieder zu der Wahn häufte die Not. sich gebracht. BRANGÄNE. Sie wacht, sie lebt! Hörst du uns nicht?

Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.281 Wagner: Tristan und Isolde 24.282 Wagner: Tristan und Isolde

Isolde! Traute! Fühlt und seht ihr's nicht? – Vernimmst du die Treue nicht? Höre ich nur diese Weise, Isolde, die nichts um sie her vernommen, heftet das die so wunder- Auge mit wachsender Begeisterung auf Tristans voll und leise, Leiche. Wonne klagend, ISOLDE. Alles sagend, Mild und leise mild versöhnend wie er lächelt, aus ihm tönend wie das Auge in mich dringet, hold er öffnet – auf sich schwinget, seht ihr's, Freunde? hold erhallend Säht ihr's nicht? um mich klinget? Immer lichter Heller schallend, wie er leuchtet, mich umwallend, Stern-umstrahlet sind es Wellen hoch sich hebt? sanfter Lüfte? Seht ihr's nicht? Sind es Wolken Wie das Herz ihm wonniger Düfte? mutig schwillt, Wie sie schwellen, voll und hehr mich umrauschen, im Busen ihm quillt? soll ich atmen, Wie den Lippen, soll ich lauschen? wonnig mild, Soll ich schlürfen, süßer Atem untertauchen? sanft entweht? Süß in Düften Freunde! Seht! mich verhauchen?

24.283 Wagner: Tristan und Isolde

In dem wogenden Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt-Atems wehendem All –, ertrinken, versinken –, unbewußt –, höchste Lust! Isolde sinkt, wie verklärt, in Brangänes Armen, sanft auf Tristans Leiche. –Große Rührung und Entrücktheit unter den Umstehenden. –Der Vorhang fällt während der letzten Fermate.

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