Digitale Bibliothek

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Digitale Bibliothek 24.157 Wagner: Tristan und Isolde 24.158 Wagner: Tristan und Isolde Personen Richard Wagner Tristan König Marke Tristan und Isolde Isolde Kurwenal Melot Brangäne Ein Hirt Ein Steuermann Ein Seemann Schiffsvolk, Ritter und Knappen Schauplätze Erster Aufzug Zur See auf dem Verdeck von Tristans Schiff während der Überfahrt von Irland nach Kornwall Zweiter Aufzug In der Königlichen Burg Markes in Kornwall Dritter Aufzug 24.159 Wagner: Tristan und Isolde 24.160 Wagner: Tristan und Isolde Tristans Burg in der Bretagne Erster Aufzug Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab. Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. –Brangäne, einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord –. Erste Szene STIMME EINES JUNGEN SEEMANNES aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar. Westwärts schweift der Blick; ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.161 Wagner: Tristan und Isolde 24.162 Wagner: Tristan und Isolde Wehe, wehe, du Wind! ISOLDE wild vor sich hin. Weh, ach wehe, mein Kind! Entartet Geschlecht! Irische Maid, Unwert der Ahnen! du wilde, minnige Maid! Wohin, Mutter, ISOLDE jäh auffahrend. vergabst du die Macht Wer wagt mich zu höhnen? über Meer und Sturm zu gebieten? O zahme Kunst Sie blickt verstört um sich. der Zauberin, Brangäne, du? die nur Balsamtränke noch braut! Sag –wo sind wir? Erwache mir wieder, BRANGÄNE an der Öffnung. kühne Gewalt; Blaue Streifen herauf aus dem Busen, stiegen im Westen auf; wo du dich bargst! sanft und schnell Hört meinen Willen, segelt das Schiff: zagende Winde! auf ruhiger See vor Abend Heran zu Kampf erreichen wir sicher das Land. und Wettergetös! ISOLDE. Zu tobender Stürme Welches Land? wütendem Wirbel! BRANGÄNE. Treibt aus dem Schlaf Kornwalls grünen Strand. dies träumende Meer, ISOLDE. weckt aus dem Grund Nimmermehr! seine grollende Gier! Nicht heut noch morgen! Zeigt ihm die Beute, BRANGÄNE läßt den Vorhang zufallen und eilt be- die ich ihm biete! stürzt zu Isolde. Zerschlag es, dies trotzige Schiff, Was hör ich! Herrin! Ha! des zerschellten Trümmer verschling's! 24.163 Wagner: Tristan und Isolde 24.164 Wagner: Tristan und Isolde Und was auf ihm lebt, O, nun melde, den wehenden Atem, was dich müht! den laß ich euch Winden zum Lohn! Sage, künde, BRANGÄNE im äußersten Schreck um Isolde sich was dich quält! bemühend. Herrin Isolde! O weh! trauteste Holde! Ach! Ach Soll sie wert sich dir wähnen, des Übels, das ich geahnt! vertraue nun Brangänen! Isolde Herrin! ISOLDE. Teures Herz! Luft! Luft! Was bargst du mir so lang? Mir erstickt das Herz! Nicht eine Träne Öffne! Öffne dort weit! weintest du Vater und Mutter; Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte kaum einen Gruß auseinander. den Bleibenden botest du. Von der Heimat scheidend kalt und stumm, bleich und schweigend auf der Fahrt; ohne Nahrung, ohne Schlaf; starr und elend, wild verstört: wie ertrug ich, so dich sehend, nichts dir mehr zu sein, fremd vor dir zu stehn? Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.165 Wagner: Tristan und Isolde 24.166 Wagner: Tristan und Isolde mir verloren, – Zweite Szene hehr und heil – kühn und feig! Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, Tod geweihtes Haupt! über den Bord hinaus auf das Meer und den Tod geweihtes Herz! – Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Zu Brangäne, unheimlich lachend. Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Was hältst du von dem Knechte? Knappen, ebenfalls gelagert, von ihnen etwas BRANGÄNE ihrem Blicke folgend. entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend Wen meinst du? und sinnend in das Meer blickend; zu Füßen ihm, ISOLDE. nachlässig gelagert, Kurwenal. Vom Maste her, aus Dort den Helden, der Höhe, vernimmt man wieder die Stimme des der meinem Blick jungen Seemanns. den seinen birgt, in Scham und Scheue DER JUNGE SEEMANN auf dem Maste, unsicht- abwärts schaut? bar. Sag, wie dünkt er dich? Frisch weht der Wind BRANGÄNE. der Heimat zu: – Frägst du nach Tristan, Mein irisch Kind, teure Frau? wo weilest du? Dem Wunder aller Reiche, Sind's deiner Seufzer Wehen, dem hochgepries'nen Mann? die mir die Segel blähen? Dem Helden ohne Gleiche, Wehe, wehe du Wind! des Ruhmes Hort und Bann? Weh, ach wehe, mein Kind! ISOLDE sie verhöhnend. ISOLDE deren Blick sogleich Tristan fand und starr Der zagend vor dem Streiche auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich. sich flüchtet, wo er kann, Mir erkoren, – 24.167 Wagner: Tristan und Isolde 24.168 Wagner: Tristan und Isolde weil eine Braut er als Leiche Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich für seinen Herrn gewann! Brangäne und schreitet verschämt dem Deck Dünkt es dich dunkel, entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden mein Gedicht? Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr Frag ihn denn selbst, folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett den freien Mann, zurück, wo sie sitzend während des Folgenden ob mir zu nah'n er wagt? bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord Der Ehren Gruß gerichtet. und zücht'ge Acht vergißt der Herrin KURWENAL der Brangäne kommen sieht, zupft, der zage Held, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande. daß ihr Blick ihn nur nicht erreiche, Hab acht, Tristan! den Helden ohne Gleiche! Botschaft von Isolde. Oh, er weiß TRISTAN auffahrend. wohl, warum! Was ist? –Isolde? – Zu dem Stolzen geh, Er faßt sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt meld ihm der Herrin Wort! und sich verneigt. Meinem Dienst bereit, schleunig soll er mir nah'n. Von meiner Herrin? – BRANGÄNE. Ihr gehorsam Soll ich ihn bitten, was zu hören dich zu grüßen? meldet höfisch ISOLDE. mir die traute Magd? Befehlen ließ BRANGÄNE. dem Eigenholde Mein Herre Tristan, Furcht der Herrin dich zu sehen ich, Isolde! wünscht Isolde, Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.169 Wagner: Tristan und Isolde 24.170 Wagner: Tristan und Isolde meine Frau. dort, wo sie deiner harrt. TRISTAN. TRISTAN. Grämt sie die lange Fahrt –, Auf jeder Stelle die geht zu End; wo ich steh, eh noch die Sonne sinkt, getreulich dien ich ihr, sind wir am Land. der Frauen höchster Ehr; Was meine Frau mir befehle, ließ ich das Steuer treulich sei's erfüllt. jetzt zur Stund, BRANGÄNE. wie lenkt' ich sicher den Kiel So mög' Herr Tristan zu König Markes Land? zu ihr gehn: BRANGÄNE. das ist der Herrin Will'. Tristan, mein Herre! TRISTAN. Was höhnst du mich? Wo dort die grünen Fluren Dünkt dich nicht deutlich dem Blick noch blau sich färben, die tör'ge Magd, harrt mein König hör meiner Herrin Wort! meiner Frau: So hieß sie, sollt ich sagen: – zu ihm sie zu geleiten, befehlen ließ bald nah ich mich der Lichten; dem Eigenholde keinem gönnt ich Furcht der Herrin diese Gunst. sie, Isolde. BRANGÄNE. KURWENAL aufspringend. Mein Herre Tristan, Darf ich die Antwort sagen? höre wohl: TRISTAN ruhig. deine Dienste Was wohl erwidertest du? will die Frau, KURWENAL. daß du zur Stell ihr nahtest, Das sage sie 24.171 Wagner: Tristan und Isolde 24.172 Wagner: Tristan und Isolde der Frau Isold! wie der Zins zahlen kann!« Wer Kornwalls Kron Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den und Englands Erb Schiffsraum hinabgestiegen; Brangäne, in an Irlands Maid vermacht, Bestürzung zu Isolde zurückgekehrt, schließt hinter der kann der Magd sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft nicht eigen sein, außen sich hören läßt. die selbst dem Ohm er schenkt. Ein Herr der Welt ALLE MÄNNER. Tristan der Held! Sein Haupt doch hängt Ich ruf's: du sag's, und grollten im Irenland, mir tausend Frau Isolden! als Zins gezahlt von Engeland: Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht hei! unser Held Tristan, und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, wie der Zins zahlen kann! singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach: »Herr Morold zog zu Meere her, in Kornwall Zins zu haben; ein Eiland schwimmt auf ödem Meer, da liegt er nun begraben! Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: hei! unser Held Tristan, Operntexte von Monteverdi bis Strauss 24.173 Wagner: Tristan und Isolde 24.174 Wagner: Tristan und Isolde so sagte er –, Dritte Szene getreulich dien' er ihr, der Frauen höchster Ehr'; Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder ließ' er das Steuer geschlossenen Vorhängen. –Isolde erhebt sich mit jetzt zur Stund, verzweiflungsvoller Wutgebärde, Brangäne stürzt wie lenkt' er sicher den Kiel ihr zu Füßen. zu König Markes Land? ISOLDE schmerzlich bitter. BRANGÄNE. »Wie lenkt'er sicher den Kiel Weh, ach wehe! zu König Markes Land« – dies zu dulden! ISOLDE dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell Grell und heftig. sich zusammenraffend. Den Zins ihm auszuzahlen, Doch nun von Tristan! den er aus Irland zog! Genau will ich's vernehmen. BRANGÄNE. BRANGÄNE. Auf deine eig'nen Worte, Ach, frage nicht! als ich ihm die entbot, ISOLDE. ließ seinen Diener Kurwenal – Frei sag's ohne Furcht! ISOLDE. BRANGÄNE. Den hab ich wohl vernommen, Mit höf'schen Worten kein Wort das mir entging. – wich er aus. Erfuhrest du meine Schmach, ISOLDE. nun höre, was sie mir schuf. Doch als du deutlich mahntest? Wie lachend sie BRANGÄNE. mir Lieder singen, Da ich zur Stell wohl könnt auch ich erwidern! ihn zu dir rief –: Von einem Kahn, wo er auch steh – 24.175 Wagner: Tristan und Isolde 24.176 Wagner: Tristan und Isolde der klein und arm an ihm dem Überfrechen an Irlands Küsten schwamm, Herrn Morolds Tod zu rächen. – darinnen krank Von seinem Lager ein siecher Mann blickt' er her, – elend im Sterben lag.
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