Quick viewing(Text Mode)

Der Fall Wagner“ Und „Ecce Homo“

Der Fall Wagner“ Und „Ecce Homo“

Der Einfluss Wagners auf das Leben und Werk von Nietzsche am Beispiel von „Der Fall “ und „Ecce Homo“

Neuere deutsche Literaturwissenschaft „Literatur der Décadence“ Sommersemester 2003

Maria Juchem

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Eine kurze Biografie als Ursachenforschung

1.1. Kindheit und Jugend – erste Schriften

1.2. Nietzsches Weg zum Wissenschaftler

1.3. Erstes Treffen mit Wagner

1.4. Faszination und die Geburt der Tragödie

1.5. Mit Wagner in

2. Der Fall Wagner

2.1. Entstehungsgeschichte

2.2. Décadence als Ursache und Wirkung

2.3. Apollinisch und / oder dionysisch

2.4. Sokrates und der Kampf ums Individuum

3. Ecce Homo Wie wird man was man ist

3.1. Entstehungsgeschichte

3.2. Wahnsinn oder Pragmatismus

3.3. Und so erzähle ich mir mein Leben

Schlusswort

1 Der Einfluss Wagners auf das Leben und Werk von Nietzsche am Beispiel von „Der Fall Wagner“ und „Ecce homo“

Prolog

Friedrich Nietzsche über Wagner in „Ecce homo“:

Das, worin wir verwandt sind, daß wir tiefer gelitten haben, auch aneinander, als Menschen dieses Jahrhunderts zu leiden vermöchten, wird unsre Namen ewig wieder zusammenbringen; und so gewiß Wagner unter Deutschen bloß ein Mißverständniß ist, so gewiß bin ich’s und werde es immer sein (Nietzsche 1988b:66).

Das erste Zusammentreffen von Wagner und Nietzsche fand 1868 statt und ihre Kontakte sollten lediglich acht Jahre dauern. Diese Begegnung des 24-jährigen Nietzsche mit dem 55- jährigen Wagner hat jedoch des Leben des deutschen Philosophen sehr stark geprägt und sein Werk nachhaltig beeinflusst. Er spricht von Wagner (und auch von sich selbst) als „décadent“, als ein Vertreter der „Décadence“, jenem Kunststil und Lebensgefühl des späten 19. Jahrhunderts, der die überreife, nervös verfeinerte Geistigkeit und Sinnlichkeit kultivierte, sich vom Naturalismus und allen geltenden bürgerlichen Normen distanzierte, der Künstlichkeit den Vorzug gab und den „Heroismus der Schwäche“ kreierte. Oder meint er damit Décadence als Krankheit? Nietzsche schwärmt 1876 von Wagner in „ in Bayreuth“: „Es ist die erste Weltumsegelung im Reiche der Kunst; wobei, wie es scheint, nicht nur eine neue Kunst, sondern die Kunst selber entdeckt wurde“ (Nietzsche 1876:7) Was ist geschehen, dass Nietzsche in „Der Fall Wagner“ schreibt:

Ich bin ferne davon, harmlos zuzuschauen, wenn dieser décadent uns die Gesundheit verdirbt – und die Musik dazu! Ist Wagner überhaupt ein Mensch? Ist er nicht eher eine Krankheit? Er macht alles krank, woran er rührt – er hat die Musik krank gemacht (Nietzsche 1888a:97) ?

1. Eine kurze Biografie als erste Ursachenforschung

1.1. Kindheit und Jugend – erste Schriften

Erste Ansätze zum Verständnis finden sich in der Kindheit und Jugend von Friedrich Wilhelm Nietzsche. Als erstes Kind und ersehnter „Prinz“ eines königstreuen Pfarrers am 15.10.1844 am Geburtstag des Königs Friedrich Wilhelm IV. in Röcken bei Lützen geboren erlebt er ein Elternhaus, das einen gepflegten Stil und feine Manieren kultiviert. Er ist noch nicht ganz 4 Jahre alt, als die Märzrevolution 1848 ausbricht und das Weltbild seines Vaters zerstört. Dieser wird unmittelbar danach unheilbar geisteskrank und verstirbt mit nur 36 Jahren. Der junge Nietzsche verliert die angebetete Vaterfigur auf eine sehr grausame Art und Weise. Die Familie, die außer ihm nur noch aus gottesfürchtigen Frauen besteht, zieht nach Naumburg. Es ist beschlossen, dass der „kleine Fritz“ auch Pastor werden soll. Er lernt gut und schnell und wird verwöhnt und behütet. Das erste kleine Drama, das er verfasst, heißt „Das Königsamt“ – ganz im Sinne seines Vaters. Mit 14 schreibt er bereits eine Autobiographie „Aus meinem Leben“. Diese erste Rekapitulation seines bisherigen Lebenslaufes ist stark religiös geprägt. Im Vertrauen auf die göttliche Allmacht sucht er bereits nach Sinn und Entwicklung seines bisherigen kurzen Lebens. Schon hier legt er sich auf sein

2 Musikcredo fest: „Ich empfing [...] einen unauslöschlichen Haß gegen alle moderne Musik und alles, was nicht klassisch war“ (Borchmeyer / Salaquarda 1994:1280). Zu diesem Zeitpunkt geschieht der nächste radikale Eingriff in sein Leben: Er erhält eine Freistelle an der Königlichen Landesschule Pforta, eine preußische Kadettenanstalt, die fast ausschließlich den Geist der Antike und Religion lehrte. Er bleibt schwach in Rechtschreibung und Grammatik; Englisch lernt er nur sehr unvollkommen. Nietzsche empfindet das Privileg, diese Schule besuchen zu dürfen, als reinste Qual. „Es sind Jahre, an deren uniformierten Zwang Nietzsche sein Leben lang mit Schaudern denken wird“ (Lehann 2000:3ff.). Es scheint eine logische Folge, dass sich die ersten Anzeichen seiner vielen Krankheiten, die ihn noch heimsuchen werden, einstellen: Kopfschmerzen, Migräneanfälle und Sehstörungen.

1.2. Nietzsches Weg zum Wissenschafter

1864 geht er als Abiturient zum Studium nach Bonn. Sein Leben ist jetzt das reinste Vergnügen; er feiert, singt und trinkt die Nächte durch. Er hat auch erste Kontakte zu Frauen, wobei er sich mit Syphilis ansteckt. Aber seine tiefsten und innigsten Beziehungen sind seine Freundschaften mit Männern. Hier findet er Verständnis, Gleichgesinnte und vor allem Diskussionspartner. Eigenschaften, die ihn später auch an Wagner faszinieren werden. Zu diesem Zeitpunkt vernachlässigt er das Studium sehr. Am 20.10.1865 immatrikuliert sich Nietzsche in Leipzig. Eine glückliche Fügung schafft es, dass sein berühmter Professor aus Bonn, der Philologe Ritschl, gleichzeitig mit ihm nach Leipzig wechselt. Ritschl erkennt das Genie Nietzsches und wird dessen Förderer und väterlicher Mentor. Es gelingt ihm, aus Nietzsche in nur wenigen Semestern einen ernsthaften Wissenschaftler zu machen.

1.3. Erstes Treffen mit Wagner

Nach langer Krankheit nach Leipzig zurückgekehrt macht er Bekanntschaft mit Wagners Musik. Nietzsche ist tief berührt und aufgewühlt. Kurze Zeit später lernt er Wagner persönlich kennen. Dessen starke Persönlichkeit, die Kraft, die dieser ausstrahlt, und der Wille zu Macht und Größe müssen ihn für den jungen Nietzsche zu einem Menschen machen, den man verehrt und bewundert. Wagner wiederum ist empfänglich für Menschen, die ihn verehren und anbeten. Ihr gemeinsames Verständnis für die Thesen Schopenhauers schafft eine Verbindung, die beiden gerecht wird. Wie er neigen sie zum Grundsatz, nicht durch Beschäftigung mit Vorangegangenem, sondern nur aus eigener Lebenserfahrung könne man zur Welt- und Selbsterkenntnis gelangen. Wagner spricht eine Einladung zu einem Besuch in seinem Landhaus in Tribschen bei Luzern aus – für Nietzsche ist das die Eintrittkarte zur großen Welt. Und auch ansonsten geht es mit ihm aufwärts. Durch Vermittlung seines Studentenvaters Ritschl erhält Nietzsche ohne Abschluss, ohne Habilitation die Stelle eines Professors für klassische Philologie in Basel.

1.4. Faszination Tribschen und die Geburt der Tragödie

Nietzsche bezeichnet die Zeit in Tribschen rückblickend als die glücklichste seines Lebens. Seine Faszination erstreckt sich auch auf Cosima, die Geliebte Wagners. Die Einladung Wagners nach Tribschen klingt wie ein Befehl und nicht wie eine Einladung an einen Besucher, auf den man sich freut:

Kommen Sie doch zum Beispiel Sonnabend Nachmittag, bleiben Sie Sonntag und kehren Sie Montag früh zurück; das vermag doch etwa jeder Handwerker, um so viel mehr doch ein Professor [...] Nun lassen Sie sehen, wie Sie sind. Viel wonnige Erfahrungen habe ich

3 noch nicht an deutschen Landsleuten gemacht. Retten Sie meinen nicht ganz unschwankenden Glauben an das, was ich – mit Goethe und einigen anderen – deutsche Freiheit nenne (Borchmeyer/ Salaquarda 1994:13).

Von nun an ist er sehr oft Gast in Tribschen und schreibt an seinen Freund Gersdorff: „In ihm [Wagner] herrscht eine so unbedingte Idealität, eine solche tiefe und rührende Menschlichkeit, ein solcher erhabener Lebensernst, daß ich mich in seiner Nähe wie in der Nähe des Göttlichen fühle“ (Ross 1999:256). Doch bald ergeben sich erste Belastungsproben. Wagner und Cosima sind Menschen, die Freundschaften ausnutzen und Nietzsche ist ein williges Opfer. Zwar jammerte er über die viele vergeudete Zeit, aber er gibt gerne den Adlatus von Wagner und den Kavalier für Cosima. Sein Professorenamt vernachlässigt er. Nietzsche wird immer mehr weg von der Wissenschaft hin zu Wagners gezogen, jedoch nur um dort einen untergeordneten aber nützlichen Rang einzunehmen. Neujahr 1872 erscheint seine „Geburt der Tragödie“, die das Griechentum neu zu deuten versucht. Apollo und Dionysos, zwei Götter streiten um die Macht der Vernunft oder der Intuition. Nietzsches erste philosophische Schrift ist ein Propagandaschrift für Wagner. Das Vorwort ist eine einzige Huldigung an den großen Meister. Wagners sind begeistert und verteilen das Buch überall. Anders Nietzsches Kollegen. Die glauben an Sokrates und die menschliche Vernunft und nicht an eine Welt zu Spaß und Spiel. Seinem ehemaligen Mentor Ritschl nötigt das Werk nur den Vermerk „geistreiche Schwiemelei“ ab.

1.5. Mit Wagner in Bayreuth

Im April 1872 geht Wagner nach Bayreuth. Im Projekt „“ trifft sich eine Elite aus Regenten, Intellektuellen, Financiers und – Nietzsche. Mit seiner „Geburt der Tragödie“ hat er sich in Fachkreisen ins Aus gestellt. Selbst seine Studenten laufen ihm davon. Sein Ruf als Wissenschaftler ist ruiniert. Ein Ausweg wäre es, Hofphilosoph bei Wagner zu werden, was dieser natürlich gerne sähe. Wagner hat zunehmend finanzielle Schwierigkeiten und Kritiker. Bayreuth kränkelt und die Freundschaft zwischen Wagner und Nietzsche auch. Nietzsche beginnt zu zweifeln: Ist Wagner nur ein Tyrann, der nur an sich selbst glaubt und denkt? Nietzsche beginnt mit seinen Notizen zu den „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ 4. Stück „Wagner in Bayreuth“. Obwohl das Buch immer noch ein Loblied auf Wagner ist und er diesen als vorausgesendeten Bote einer anderen Zeit bezeichnet, lassen sich bereits erste kritische Untertöne herauslesen, vor allem gegen Wagners absoluten Machtwillen. Trotzdem fühlt er sich wohl verpflichtet, Wagners Lebensleistung auf dem Höhepunkt seines Erfolges zu würdigen; allerdings bezieht er bereits die Position des Entgegenschauens. Sehr vereinfachend ist diese Entwicklung im Kindler beschrieben: „Nietzsche ist kein Wagnerianer mehr“ (Kindlers Neues Literatur Lexikon Band 12 Seite 439f.). Aber es bedarf vieler verschiedener An- und Einsichten, um zu verstehen, was beide verband und trennte. Nachfolgend soll diese wechselseitige Beziehung an Hand „Der Fall Wagner“ und „Ecce homo“ untersucht werden.

2. „Der Fall Wagner“

2.1. Entstehungsgeschichte

Dieses Buch trägt den Untertitel „Ein Musikantenproblem“. Es entstand von April bis August 1888 während seines Aufenthalts in Turin und erschien im September 1888. Es gehört zu den Spätwerken Nietzsches, der einige Monate später endgültig zusammenbricht. Es ist aufgemacht als Turiner Brief vom Mai 1888, richtet sich jedoch an keinen besonderen Empfänger. Das Buch wurde

4 geschrieben, nachdem Nietzsche mit Wagner die ganze Palette der Erfahrungen bereits hinter sich hatte: die Verehrung, die Zweifel, die Abkehr und einen zeitlich langen Rückblick auf all das. An seinen Adlatus Gast schreibt er über den Fall Wagner: „Ein kleines Pamphlet über Musik beschäftigt meine Finger“ (Ross 1999:748). Werner Ross fragt:

Warum eigentlich, in der Euphorie von Turin, fünf Jahre nach Wagners Tod, dieses Wieder-Aufgreifen seines Falles? Gewiß, allgemeine Erklärungen mit einem Zusatz psychoanalytischer Deutung können helfen: die mächtige Vaterfigur, das nie ausheilende Trauma beschäftigen ihn bis zum Ende. Das ist nie aus-gestanden, nie ab-geschrieben [...] Den gewählten Zeitpunkt erklärt ein Brief, den Nietzsche Ende Juli 1888, nach einjährigem Schweigen, der alten Feundin Malwida schickt [...] Man behandelt mich im lieben Vaterlande wie einen, der ins Irrenhaus gehört: dies ist die Form des „Verständnisses“ für mich! Außerdem steht mir auch der Bayreuther Kretinismus im Wege. Der alte Verführer Wagner nimmt mir, auch nach seinem Tode noch, den Rest von Menschen weg, auf die ich wirken könnte (Ross 1999:749)

2.2. Décadence als Ursache und Wirkung

In „Der Fall Wagner“ setzt Nietzsche sich mit der Décadence auseinander, die ihm die Moderne als Krankheit erscheinen lässt. Als bedeutendste Vertreter dieses Zeitgeistes stehen für ihn die Figur Richard Wagner und er selbst: „Ich bin so gut wie Wagner das Kind dieser Zeit, will sagen ein décadent: nur daß ich das begriff, nur daß ich mich dagegen wehrte“ (Nietzsche 1888 Vorwort). Um sich wehren zu können, musste Nietzsche also diese Eigenschaft Wagners angreifen – nicht Wagner selbst:

Mein größtes Erlebnis war eine Genesung. Wagner gehört bloß zu meinen Krankheiten. Nicht dass ich gegen diese Krankheit undankbar sein möchte. Wenn ich mit dieser Schrift den Satz aufrechterhalte, daß Wagner schädlich ist, so will ich nicht weniger aufrechterhalten, wem er trotzdem unentbehrlich ist – dem Philosophen. Sonst kann man vielleicht ohne Wagner auskommen: dem Philosophen aber steht es nicht frei, Wagners zu entraten. Er hat das schlechte Gewissen seiner Zeit zu sein – dazu muß er deren bestes Wissen haben. Aber wo fände er für das Labyrinth der modernen Seele einen eingeweihteren Führer, einen beredteren Seelenkündiger als Wagner? Durch Wagner redet die Modernität ihre intimste Sprache: sie verbirgt weder ihr Gutes, noch ihr Böses, sie hat alle Scham vor sich verlernt. Und umgekehrt: man hat beinahe eine Abrechnung über den Wert des Modernen gemacht, wenn man über Gut und Böse bei Wagner mit sich im klaren ist (Nietzsche 1888a:88)

Es ist sicherlich falsch und sehr vereinfachend davon auszugehen, dass Nietzsche während und vor allem nach seiner Beziehung zu Wagner einfach „die Seiten gewechselt hätte“: Er hat sich nie von einem unbedingten Wagnerianer in einen ebenso unbedingten Antiwagnerianer verwandelt. „Die Liebe zu Wagner’s Kunst in Bausch und Bogen ist genau so ungerecht als die Ablehnung in Bausch und Bogen“ (Borchmeyer / Salaquarda 1994:1275) bemerkt er in einer Aufzeichnung von Frühling / Sommer 1878, also in der Zeit des Bruchs. Thomas Mann bezeichnet die Streitschriften Nietzsches gegen Wagner gar als eine andere Form der Verherrlichung.

2.3. Apollinisch und / oder dionysisch

Zum besseren Verständnis dieser Vorgänge muss man Nietzsches Werk von 1872 „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ zu Hilfe nehmen. Hier stellt er sich die Aufgabe, einen

5 neuen Zugang zur klassischen Antike zu gewinnen, um über ein neues Verständnis von Ästhetik eine kritische Perspektive für die Kultur seiner Gegenwart zu finden und damit die Möglichkeit für eine kulturelle Erneuerung zu schaffen. Und schon hier begegnen uns zwei eigentlich ganz verschiedene Kräfte, die er in Anlehnung an die griechischen Gottheiten das Apollinische und das Dionysische nennt. Apollo, der Gott des Lichtes, steht bei ihm für den Traum, für Ruhe, Klarheit des schönen Scheins, die maßvolle Begrenzung und Menschen und Dinge als individuell bestimmt, einzeln und in sich geschlossen. Dionysos, der Gott des Rausches, der Ekstase, der Verzückung steht für Chaos, Selbstvergessenheit und Grenzüberschreitung.

Auch wenn Nietzsches Ausführungen dies manchmal auf den ersten Blick nahe legen, dürfen das Dionysische und das Apollinische nicht als einander getrennt gegenüberstehende Entitäten missverstanden werden, bei denen etwa das Dionysische die schreckliche Wahrheit bezeichnet, der gegenüber das Apollinische einen täuschenden Schein bildet [...] Vielmehr sind das Dionysische und das Apollinische Gegenpole, die stets durcheinander vermittelt sind und aufeinander bezogen bleiben. In der Kunst ist das Dionysische nie völlig gestaltlos, sondern bleibt in seinen Äußerungen immer auf den Schein angewiesen – wie umgekehrt in jedem Gestaltungstrieb immer auch ein Moment des Dionysischen wirksam ist (Janz 2003).

Nietzsche brachte die beiden Kräfte auch mit verschiedenen Kunstformen in Verbindung. Die Architektur, die Malerei, die Plastik und die epische Dichtung Homers ordnete er dem Apollinischen zu, die Musik dem Dionysischen. Es liegt der Schluss nahe, dass Wagner und Nietzsche ähnliche „Antagonisten“ darstellten.

2.4. Sokrates und der Kampf ums Individuum

In seinen frühen Werken ging Nietzsche davon aus, das Philosophen direkt in ihre Welt eingreifen sollten. Die Geburt der Tragödie und die Unzeitgemäßen Betrachtungen waren als Konstruktionszeichnungen für die Erneuerung der deutschen Kultur gedacht. Doch schon bald danach gab er diese Konzeption auf und vollzog eine radikale Kehrtwende zum Individualismus. Nunmehr sah er seine Aufgabe darin, sich selbst zu entwerfen oder wie er es formulierte, ein Individuum zu werden, der zu werden, der er war. Die Philosophie hat nicht die Aufgabe, die Kultur zu erneuern, sondern soll das Individuum kultivieren. Neue Individuen geben neuen Lebensweisen Ausdruck (Nehamas 2000:224f.).

Auch zu Sokrates hatte Nietzsche ständig wechselnde Beziehungen. „Sokrates, um es nur zu nennen, steht mir so nahe, daß ich fast immer einen Kampf mit ihm kämpfe“ (Nehamas 2000:210). Hatte er noch in seiner Geburt der Tragödie Sokrates und seine Welt in Schutt und Asche gelegt, so näherte er sich ihm dann wieder an. „Wir haben gesehen, daß er [Nietzsche] in seiner mittleren Periode, in der er sich von Schopenhauer und Wagner – den Helden der Geburt der Tragödie – abwandte, allem Anschein nach zum Friedensschluß mit Sokrates bereit war“ (Nehamas 2000:216). Auch hier spannt sich der Bogen von „Aber der Verbrecher [Sokrates] ist ein décadent“ bis hin zu: „[...] hat Sokrates durch diese Vernunft und diese Moralität die tragische Welt der Griechen und ihre Kunst zerstört und den Boden für das bereitet, was wir heute sind: Er ist im strengen Sinne das erste moderne Individuum“ (Nehamas 2000: 212/216).

6 3. „Ecce homo Wie man wird was man ist“

3.1. Entstehungsgeschichte

Es ist die letzte philosophische Autobiographie von , entstanden 1888 und erst nach seinem Tod 1908 veröffentlicht. Seine Notizen, die er bis zu seinem Zusammenbruch 1889 handschriftlich niedergelegt und immer wieder korrigiert hat, werden von seinem „Jünger“ und Freund Peter Gast (alias Heinrich Köselitz) abgeschrieben und dabei wohl auch in einigen Passagen verändert, die sich aber nur auf seine Mutter und Schwester beziehen, also hier nicht relevant sind. Nietzsche hat in den Monaten vor dem Abgleiten seines Verstandes in die Dunkelheit eine großartige Schaffensperiode, begünstigt durch eine gut empfundene Gesundheit. „So heißt es in einem Brief an die Schwester (undatiert, vermutlich zweite Hälfte Oktober 1888), dem ersten brieflichen Zeugnis, das wir vom Ecce homo besitzen: Ich schreibe in diesem goldenen Herbst, dem schönsten, den ich je erlebt habe, einen Rückblick auf mein Leben, nur für mich selbst. Niemand soll es lesen mit Ausnahme eines gewissen guten Lamas, wenn es übers Meer kommt, den Bruder zu besuchen. Es ist nichts für Deutsche [...] Ich will das Manuskript vergraben und verstecken, es mag verschimmeln und wenn wir allesamt schimmeln, mag es seine Auferstehung feiern, Vielleicht sind dann die Deutschen des großen Geschenks, das ich Ihnen zu machen gedenke, würdiger (Nietzsche 1888b:10f., Vorwort von Raoul Richter).

Er schreibt gleichzeitig an „“, „Ecce homo“ und „Götzendämmerung“. Bald gibt er die Idee der privaten Autobiographie jedoch auf. Die Schrift „Ecce homo“ soll seinem Hauptwerk „Von der Umwerthung aller Werthe“ vorangestellt werden Am 30. Oktober 1888 schreibt Nietzsche an Gast:

An meinem Geburtstag habe ich wieder etwas angefangen, das zu geraten scheint und bereits bedeutend avanciert ist. Es heißt „Ecce homo“. Oder Wie man wird, was man ist. Es handelt, mit einer großen Verwegenheit, von mir und meinen Schriften: ich habe nicht nur damit mich vorstellen wollen vor dem ganz unheimlich solitären Akt der Umwerthung – ich möchte gern einmal eine Probe machen, was ich bei den deutschen Begriffen von Pressefreiheit eigentlich riskieren kann. Mein Argwohn ist, dass man das erste Buch der Umwerthung auf der Stelle konfisziert – legal mit allerbestem Recht. Mit diesem Ecce homo möchte ich die Frage zu einem derartigen Ernste, auch Neugierde steigern, daß die landläufigen und im Grunde vernünftigen Begriffe über das Erlaubte hier einmal einen Ausnahmefall zuließen. Übrigens rede ich von mir selber mit aller möglichen psychologischen Schläue und Heiterkeit – ich möchte durchaus nicht als Prophet, Untier und Moral-Scheusal vor die Menschen hintreten (Nietzsche 1988b:11)

Die Befürchtungen Nietzsches sind nicht aus der Luft gegriffen; immerhin sind seine Schriften in Russland schon konfisziert worden. Er erlebt die Auslieferung seines „Ecce homo“ nicht mehr; sein Freund Overbeck, der sein literarisches Vermächtnis verwaltet, stoppt die Drucklegung, nachdem Nietzsche nicht mehr handlungsfähig ist.

3.2 Wahnsinn oder Pragmatismus

Ist diese Schrift schon vom nahenden Wahnsinn geprägt und daher nur unter allem Vorbehalt als ein ernst zu nehmendes Werk zu betrachten oder ist es der Gipfel seiner philosophischen Produktion? Zum einen möchte ich hierzu aus Alexander Nehamas „Nietzsche - Leben als Literatur“ den Klappentext zitieren: „Nehamas zentrale Einsicht besagt, daß Nietzsches Weltbild

7 und Modell eines gelungenen Lebens einem literarischen Kunstwerk gleicht, dem nichts hinzugeführt oder genommen werden darf, ohne daß es dabei zerstört würde“ (Nehamas 1991). Zum anderen ist es Nietzsche selbst der die Erklärungen liefert. Das Werk ist mit „Schläue“ und „Heiterkeit“ geschrieben um ihm die Schwere zu nehmen und vor allem – was viel pragmatischer war – seiner „Umwerthung aller Werthe“ als Bahnbrecher den Eintritt in die Gesellschaft zu erleichtern. Bei der weiteren Betrachtung kann m.E. daher der Aspekt des Wahnsinns und eines evtl. Einflusses auf die Schrift getrost vernachlässigt werden.

3.3 Und so erzähle ich mir mein Leben

In der Einleitung zu „Ecce homo“ schreibt Raoul Richter:

Um die dämonischen Züge dieses Werks zu erfassen, bedarf es ferner der Besinnung darauf, daß gerade hier die verschiedensten Begabungen seines Schöpfers in einer Weise und in einem Grade zusammenschwingen, an die sich auch ein verfeinertes Hirn erst gewöhnen muß. Kaum ein Abschnitt, der nicht zugleich von wissenschaftlichen, künstlerischen, prophetischen Absichten eingegeben wäre! Kaum einer, in dem nicht gewaltige Entladungen den ruhigen Fluß der Darstellung unterbrechen, oder in noch überraschenderem Stimmungswechsel auf eine furchtbare Detonation das Scherzo der übermütigen Einfälle sich ergießt. Es sind psychologische, ästhetische, religiöse Grenzvisionen, die an Auge, Ohr und Geist des Lesers im bunten Wechselspiel vorüberziehen. So gehört viel seelische Differenziertheit und Beweglichkeit dazu, in dieser tragischen Symphonie der Verwebung ihrer Motive willig und verstehend zu folgen“ (Nietzsche 1888b:28f.).

Nietzsche selbst drückt es in seinem Vorwort viel einfacher aus: „Wie sollte ich nicht meinem ganzen Leben dankbar sein? Und so erzähle ich mir mein Leben“ (Nietzsche 1888b:39). Er erzählt mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln und blickt gleichzeitig zurück auf sein Lebenswerk, in dem er seine Schriften kommentiert, erklärt und interpretiert und manchmal von anderer Warte aus betrachtet...

Wie kein Anderer vor ihm besaß Nietzsche die Fähigkeit Dinge, Zustände und Menschen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. „Der Perspektivismus ist also Teil dessen, was Gegenstand einer Nietzsche-Interpretation ist“ (Nehamas 1991:15). Aber wie soll man etwas interpretieren, was man nicht verstehen kann?

Das erste Problem besteht darin, dass Nietzsche, wie ich sagte, eine Reihe von Positionen einnimmt, die er mit vollem Ernst zu akzeptieren scheint. Glaubt er also oder glaubt er nicht, dass seine Ansichten über das Selbst, über Moral oder Geschichte, von denen viele zumindest den Anschein des Paradoxen haben, wahr sind? Wenn ja, wie läßt sich das mit seiner Auffassung vereinbaren, daß alle Auffassungen nur Interpretationen sind? Wenn nein, das heißt, wenn er nicht glaubt, daß seine Auffassungen wahr sind, warum gibt er sich dann die Mühe, sie überhaupt vorzutragen? [...] Doch da ist noch ein zweites, vielleicht heikleres Problem. Wenn jede Auffassung nur eine Interpretation ist, und wenn es dem Perspektivismus zufolge keine unabhängigen Tatsachen gibt, mit denen die verschiedenen Interpretationen verglichen werden können, welches ist dann der Gegenstand, auf den sich die vielen Interpretationen beziehen, die wir für Interpretationen Nietzsches halten? (Nehamas 1991:16)

8 Alexander Nehamas kommt nach der Untersuchung einer ganzen Reihe von paradoxen Positionen, die Nietzsche vertritt zu dem Schluß – und hier stimmt er mit Nietzsches Auffassung über ein –

daß es keine Tatsachen gibt, die von Interpretationen unabhängig wären und die folglich einen für alle Interpretationen gemeinsamen Interpretationsgegenstand angeben könnten. Ich stimme auch mit ihm überein, daß es dementsprechend keinen neutralen Maßstab gibt, der für jeden Fall bestimmte, welche unserer Interpretationen richtig und welche falsch ist (Nehamas 1991:17).

Nehamas fühlt sich einig mit Nietzsche, wenn er zu dem Schluss kommt, „daß manche Interpretationen besser sind als andere und wir zuweilen sogar wissen können, daß das so ist“ (Nehamas 1991:17). Damit ist vieles erklärt was über das Verhältnis Wagners zu Nietzsche und umgekehrt geschrieben und sehr oft als stark widersprüchlich empfunden wird. So wird auch verständlich, dass Nietzsche in „Der Fall Wagner“ Wagner als Krankheit bezeichnet und er alles krank macht, woran er rührt und im „Ecce homo“ schreibt: „[...] um meine Dankbarkeit für das auszudrücken, was mich in ihm bei weitem am tiefsten und herzlichsten erholt hat. Dies ist ohne allen Zweifel der intimere Verkehr mit Richard Wagner gewesen. Ich lasse den Rest meiner menschlichen Beziehungen billig; ich möchte um keinen Preis die Tage von Tribschen aus meinem Leben weggeben“ (Nietzsche 1888b:64).

Tribschen wird ihn bis zu seiner Erkrankung als die Insel der Glückseligen begleiten. Das ist aber eine andere Wagner-Perspektive als die auf Wagner in Bayreuth. Nietzsche fühlte sich so, als sei er gerade aus einem Traum aufgewacht und fand sich in Bayreuth wieder. Alles war ihm fremd: „Ich erkannte nichts wieder, ich erkannte kaum Wagner wieder“ (Nietzsche 1888b:94). Für ihn ist Wagner von den Deutschen vereinnahmt worden: „Der arme Wagner! Wohin war er geraten! Wäre er doch wenigstens unter die Säue gefahren! Aber unter Deutsche!“ (Nietzsche 1888b:95). Nietzsches Abneigung gegen eine bestimmte Art des Deutschen ist bekannt; nicht umsonst hob er hervor, dass in seinen Adern auch polnisches Blut fließe. Und nun Wagners Musik als deutsche Kunst, schwer und unverdaulich wie deutsches Essen, deutsche Tugenden oder deutsche Ideologie. „Woran ich leide, wenn ich am Schicksal der Musik leide? Daran, daß die Musik um ihren weltverklärenden, jasagenden Charakter gebracht worden ist, - dass sie dècadence- Musik und nicht mehr die Flöte des Dionysos ist“ (Nietzsche 1888b:120). Das alles führt zur nächsten Perspektive: „Was sich damals bei mir entschied, war nicht etwa ein Bruch mit Wagner – ich empfand eine Gesamtabirrung meines Instinkts, von der der einzelne Fehlgriff [...] bloß ein Zeichen war. Eine Ungeduld mit mir überfiel mich; ich sah ein, dass es die höchste Zeit war, mich auf mich zurückzubesinnen“ (Nietzsche 1888b:95).

Ralph-Rainer Wuthenow geht in seinem Nachwort zu „Ecce homo” nicht so pfleglich mit dieser Schrift um. Er empfiehlt, sie mit größter Vorsicht zu lesen. Er bezichtigt Nietzsche, um ein stimmiges „Kunstwerk“ zu schaffen, Zusammenhänge, ja evtl. gar Freundschaften oder Nachbarschaften zurecht zu biegen, bis sie in den Rahmen passen und mehr Künstler als Denker zu sein. Außerdem bezichtigt er Nietzsche, dass es ihm darum gegangen sei, nachträglich Erklärungen für Kurz- und Trugschlüsse der Vergangenheit zu finden. Solche Ansätze greifen zu kurz; wer den Perspektivismus Nietzsches verstehen kann, wird niemals auf solche vordergründigen Erklärungsversuche hereinfallen.

9 Schlusswort

Nietzsches Philosophie lässt sich nicht systematisch darstellen; sie ist sogenannte Experimentalphilosophie – das Durchleben und Erproben von Problemsituationen, von denen Nietzsche ja reichlich beschert wurden. Wenn man seine Philosophie schon einordnen müsste, dann in die Tradition der Aufklärung und der Vernunft- und Moralkritik. Irrationalismus und Pessimismus waren zwei ausgeprägte Charakterzüge, die auch immer wieder sein Werk dominierten. Seine bevorzugte Ausdrucksform sind der Essay und Aphorismus, die seine gewaltige sprachliche Produktivität und Ausdruckskraft besonders gut umsetzen. „Die Sprache dieser Texte sucht ihren Halt weniger in einer klar definierten Begrifflichkeit als vielmehr in bildlichen Ausdrücken, die sich in „Also sprach Zarathustra“ unter Bezugnahme auf unterschiedliche literarische Traditionen schließlich zu einer eigenwilligen Rhetorik verbinden“ (Janz 2003). Sein Verhältnis zu Wagner dominierte sein ganzes Leben und zeitweise auch sein Werk. Weder Schopenhauer noch das Christentum konnten ihn so beeinflussen (positiv und negativ) wie die Person Richard Wagner und dessen musikalisches Lebenswerk. Nach einigen Jahren der absoluten Verehrung und Bewunderung musste Nietzsche von Wagner und Schopenhauer Abschied nehmen, um „von sich selbst wieder Besitz zu ergreifen. Der persönliche Bruch wird durch die unabweisbare Konsequenz von Nietzsches geistiger Entwicklung erklärt, nicht umgekehrt“ (Montinari 1978:293). Es folgen Jahre der „Feindschaft“, die zwar in regelmäßigen Schriften aber ohne Namensnennung ausgetragen werden. So greift Wagner in seinen Bayreuther Blättern die Schüler der Wissenschaft, die Professoren, an (gemeint war damit Nietzsche): „Sein Leben bringt er vor und hinter dem Katheder zu; ein weiterer Spielraum, als dieser Wechsel des Sitzplatzes zulässt, steht ihm für die Kenntniß des Lebens nicht zu Gebote“ (Montinari 1985:14). Nietzsche untersagt daraufhin seinem Verleger, ihm weiterhin diese Blätter zuzusenden: „Wozu sollte ich mich verpflichten, Monatsdosen Wagner’schen Ärger-Geifers einzunehmen! Ich möchte auch fürderhin über ihn und seine Größe rein und klar empfinden: da muß ich mir sein Allzumenschliches etwas vom Leibe halten“ (Montinari 1985:13). Dies als Beispiel, wie sich die nächsten sechs Jahre gestalteten. Wagners Tod im Februar 1883 setzt ihm nach seinen eigenen Worten fürchterlich zu. Trotzdem glaube ich, dass dies Ereigniß, auf die Länge hin gesehn, eine Erleichterung für mich ist. Es war hart, sehr hart, sechs Jahre lang Jemandem Gegner sein zu müssen, den man so verehrt und geliebt hat, wie ich Wagner geliebt habe; ja und selbst als Gegner sich zum Schweigen verurtheilen müssen – um der Verehrung willen, die der Mann als Ganzes verdient. Wagner hat mich auf eine tödtliche Weise beleidigt – ich will es Ihnen doch sagen! Sein langsames Zurückgehn und –Schleichen zum Christentum und zur Kirche habe ich als einen persönlichen Schimpf für mich empfunden; meine ganze Jugend und ihre Richtung schien mir befleckt, insofern ich einem Geiste, der dieses Schrittes fähig war, gehuldigt hatte (Montinari 1985:21).

Nietzsches Leben und Werk ist darüber hinaus geprägt durch seine vielen Unpässlichkeiten, Krankheiten, und Unfälle, die ihn immer wieder zwangen, inne zu halten, nachzudenken und vielleicht neue Prioritäten zu setzen. Vielleicht waren diese Krankheiten in Wirklichkeit eine Hilfe für seinen rastlosen Geist, der so zu Pausen gezwungen wurde. Seine Mutter schrieb aus Naumburg am 13.2. 1889 an Franz Overbeck: „Ja er ist zu rasch gelaufen in seinem ganzen Leben, das liebe liebe Kind!“ (Podach 1937:13).

Schließen möchte ich gerne mit einem Zitat aus der „Fröhlichen Wissenschaft“ in dem Nietzsche von einer „Sternen-Freundschaft“ mit dem ihm fremd gewordenen Wagner spricht:

Daß wir uns fremd werden müssen, ist das Gesetz über uns: ebendadurch sollen wir uns auch ehrwürdiger werden! Ebendadurch soll der Gedanke an unsere ehemalige Freundschaft heiliger werden! Es giebt wahrscheinlich eine ungeheure unsichtbare Curve

10 und Sternenbahn, in der unsere so verschiedenen Straßen und Ziele als kleine Wegstrecken einbegriffen sein mögen, - erheben wir uns zu diesem Gedanken! Aber unser Leben ist zu kurz und unsere Sehkraft zu gering, als dass wir mehr als Freunde im Sinne jener erhabenen Möglichkeit sein könnten – Und so wollen wir an unsere Sternen- Freundschaft glauben, selbst wenn wir einander Erden-Feinde sein müssten (Montinari 1978:301).

Literaturverzeichnis

Nietzsche, Friedrich. Richard Wagner in Bayreuth. 1876. In: Reclam UB 7126. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1999. 5-83.

Nietzsche, Friedrich. Der Fall Wagner. 1888. In: Reclam UB 7126. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1999. 85-126.

Nietzsche, Friedrich. Ecce homo. 1888. Frankfurt am Main: Insel Verlag. 2000.

Nietzsche, Friedrich. Nietzsche contra Wagner. 1889. In: Reclam UB 7126. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1999. 127-150.

Nietzsche, Friedrich. Also sprach Zarathustra. 1892. In: Reclam UB 7111. Stuttgart: Philipp Reclam jun. 2002.

Borchmeyer, Dieter / Salaquarda, Jörg (Hrsg.). Nietzsche und Wagner – Stationen einer epochalen Begegnung. Frankfurt am Main: Insel Verlag. 1994.

Frauenstädt, Julius (Hrsg.). Arthur Schopenhauer. Sämtliche Werke. Band 1: Erkenntnislehre. Mundus Verlag. 1999.

Janz, Paul Curt. „Nietzsche, Friedrich Wilhelm“. http://www.inkultura-online.de/biograf/nietzsch.htm. Gespeichert am 20.09.2003 um 18:32 Uhr.

Jens, Walter (Hrsg.). Kindlers Neues Literatur Lexikon. München: Kindler Verlag GmbH. 1998.

Koesters, Paul-Heinz. „Der Denker und sein Schatten“. In: Gruner + Jahr (Hrsg.). Stern. 1989. Ausgabe 16.

Kropfinger, Klaus. „Wagners Musikbegriff und Nietzsches ,Geist der Musik’“. In: Behler, Ernst / Montinari, Mazzino / Müller-Lauter, Wolfgang / Wenzel, Heinz (Hrsg.). Nietzsche Studien. Band 14. Berlin / New York: de Gruyter. 1985. S. 1-12.

Lehann, Birgit. „100 Jahre Nietzsche“. In: Gruner + Jahr (Hrsg.). Stern. 2000. Nr. 32 – 37.

Montinari, Mazzino. „Nietzsche und Wagner vor hundert Jahren“. In: Behler, Ernst / Montinari, Mazzino / Müller-Lauter, Wolfgang / Wenzel, Heinz (Hrsg.). Nietzsche Studien. Band 7. Berlin / New York: de Gruyter. 1978. S. 288-302.

11 Montinari, Mazzino. „Nietzsche – Wagner im Sommer 1878“. In: Behler, Ernst / Montinari, Mazzino / Müller-Lauter, Wolfgang / Wenzel, Heinz (Hrsg.). Nietzsche Studien. Band 14. Berlin / New York: de Gruyter. 1985. S. 13-21.

Nehamas, Alexander. Nietzsche – Leben als Literatur. Göttingen: Steidl Verlag. 1991.

Nehamas, Alexander. Die Kunst zu leben. Hamburg: Rotbuch Verlag. 2000.

Podach, Erich F. (Hrsg.). Der kranke Nietzsche – Briefe seiner Mutter an Franz Overbeck. Wien: Bermann-Fischer Verlag. 1937.

Ross, Werner. Der ängstliche Adler. München: dtv. 41999.

12