Blitzkerl Und Klarkopf
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52 LITERATURUND KUNST Neuö Zürcör Zäitung Samstag, 4.Februar 2017 Blitzkerl und Klarkopf HermannBurgerund Max Frisch verband im Leben nur wenig.ImWerk jedoch sind Gemeinsamkeiten zu erkennen,die selbstdie beiden Schriftsteller überraschen könnten. VonThomas Strässle Max Frischwar für ihn in jungen Jahren eine prägende Figur: der Schriftsteller Hermann Burger (1942–1989) im Oktober Voreinigen Jahren hatte ich die Ge- lich ins Leerelaufen. Aber der Name dern auch Dozent, kann seine eigenen nicht unnötig psychoanalytisch aufzu- verabschiedete,setzte Burger gerade legenheit, Max Frischs Refugium in Ber- Burger kommt von ihm, nicht von den oder verwandten Produkte von einem laden: Er war für ihn ein Lehrer.Sohat dazu an, zu einem schillernden Namen zona zu besuchen. DasHaus wirdbis Interviewern. Er bringt ihn ins Spiel, um Kollegen ins Lehrprogramm aufnehmen es Burger selber formuliert. der Schweizer Literatur zu werden. Zwi- heute bewohnt und hat sich zum Glück ihn gleich wieder daraus heraus zu neh- lassen (Hermann Burger). Er weiss,wie Einen Beitrag mit dem Titel «Als ich schen den beiden Biografien verläuft nicht in ein Museum oder einen Wall- men. Bei aller Ratlosigkeit, die Frisch der germanistische Karren läuft, welche Max Frischs erstes Tagebuch las», der quasi ein schleifender Schnittaneinan- fahrtsort oder ein Schulreiseziel verwan- angesichts Burgers zu befallen scheint: Bücher von den Mitgermanisten der Be- 1981 in den «Schweizer Monatsheften» der vorbei. Es gibt nicht einmal eine delt. Als ich das Grundstück betrat, Die Frage hat einen präzisen Kern, wie sprechungsindustrie erwartet werden, erschien, beginnt er mit den Sätzen: Fotografie,auf der die beiden gemein- stand ich vor der Wahl, ob ich nun zuerst immer bei Frisch. «Ein Blitzkerl wie und kann das Gewünschte liefern. Oder «Was kann ein Autor von einem Autor sam zu sehen wären. das Wohnhaus oder doch besser gleich Hermann Burger?» er ist (Hermann Burger) ausserdem lernen, oder persönlicher,auch unbe- Solch gegenläufige Gemeinsamkei- die unmittelbar danebenliegende Es ist eine genaue Zuweisung im Ab- noch Feuilletonredaktor und kann Bü- quemer gefragt: Wiestark ist mein Den- ten lassen sich auf verschiedenen Fel- Schreibklause aufsuchen sollte. seits,fern aller politischen Fraktionen, cher besprechen. Oder er arbeitet (Her- ken, Schreiben, Sehen, vielleicht sogar dern beobachten. Burgers Seminar- Ich entschied mich, ganz Literatur- die historisch zu dem Zeitpunkt viel- mann Burger) noch am Fernsehen und Träumen, wie stark ist meine Imagina- arbeit liefert einen ersten Hinweis: Lite- wissenschafter,für den Arbeitsort und leicht auch schon wieder überholt waren. kann dort Kollegen vorstellen. Oder er tion von meinem Lehrer Max Frisch ge- ratur und Architektur.Auch hier gibt es betrat einen Raum, in dem eine etwas Blitzte in Burger womöglich bereits die bedient noch die ‹Frankfurter Allge- prägt nach zwanzigjähriger Beschäfti- eine gegenläufige Verschränkung zwi- unangenehme Stimmung herrschte.Al- nächste historische Veränderung auf? – meine Zeitung› und ‹Die Weltwoche› gung mit seinem Werk, die sich unter schen Frisch und Burger: Frisch hat mit les schien noch genau so zu sein, wie Wieauch immer: Wenn es um die und weitereallgemeine Zeitungen mit anderem in einer Seminararbeit über die Germanistik begonnen, um das Studium Frisch es zwanzig Jahrezuvor hinterlas- Schweizer Literatur der siebziger und Literaturkritik (Hermann Burger).» Architektur bei Frisch, in einer Studie an der Universität nach wenigen Semes- sen hatte.Ein Schrein in Tessiner Stein. achtziger Jahregeht, ist Burger die Figur, Dasist böse,sehr böse sogar.Aber es über die Dramaturgie der Permutation, tern abzubrechen und zur Architektur Ich schaute nicht zum berühmten die aus der Reihe tanzt –und zwar so trifft einen Nerv: Hermann Burger hat in einer fünfzehnteiligen Vorlesung und an die ETHhinüberzuwechseln; er war Tisch auf der anderen Seite des Raumes, auffällig,dass es nicht zu übersehen war. das Spiel mit der Aufmerksamkeits- in etlichen Rezensionen niedergeschla- diplomierter Architekt mit eigenem sondern wandte meinen Kopf instinktiv Man kennt die Porträtkunst von ökonomie beherrscht wie kaum ein gen hat?» Atelier,bevor er sich ganz der Schrift- nach rechts.Dort stand ein Bücherregal, Frisch. Er hat vielfach bewiesen, wie er Dasist ein etwas anstrengendes Be- stellerei zuwandte. und das erste Buch, das ich erblickte, mit wenigen, aber gezielten Strichen kenntnis,geradezu streberhaft in der Burger hingegen hat mit Architektur war Hermann Burgers «Brenner». eine Figur in ihrer ganzen Komplexität Aufzählung der eigenen Dienstbarkei- begonnen, um das Studium an der ETH Daserstaunte mich. Frisch hat Burger zu erfassen vermag,etwa im «Berliner ten. Es fehlt nur noch Burgers Habilita- nach wenigen Semestern abzubrechen gelesen?Davonwar mir nichts bekannt. Journal»–anAndersch, Biermann und tionsschrift «Studien zur zeitgenössi- und zur Germanistik an die Universität Frischund Burger hatten schonzuLeb- Enzensberger,anGrass,Johnson und schen Schweizer Literatur», 1974 an der hinüberzuwechseln; er war habilitierter zeiten und haben bis heute nach landläu- Christa Wolf.ImInterview mit der ETHZürich eingereicht, die mit einem Literaturwissenschafter,der neben der figerMeinung wenigmiteinanderzutun «WoZ» genügt ihm ein einziges Wort, Max Frisch war für Kapitel über «Biografie: Ein Spiel» be- Schriftstellerei als Privatdozent lehrte. –ausser dass sie beide Schweizerwaren das es aber in sich hat. ihn ein Lehrer.Sohat ginnt. Vielleicht hat Frisch Burger sogar Bei aller biografischen Umkehrung: und sich in unterschiedlicher Weiseda- Es trifft in mehrfachem Sinnezu: bis in seine Träume hinein geprägt! Der Einfluss des architektonischen mit auseinandersetzten. Burger gehörte Hermann Burger war ein «Blitzkerl» – es Hermann Burger Denkens auf das Schreiben war beiden auch nicht zum Kreisederer,die sichum einer, der seine Texte mit sprachlichen selber formuliert. Gegenläufige Gemeinsamkeiten gemeinsam, vor allem das Denken in Frischals literarischen PraeceptorHel- und gedanklichen Einfällen zum Fun- Skizzen und, namentlich bei Burger,in vetiae scharten. Undals es geboten keln brachte,einer, derals poetadoctus Da will einer gefallen und sich womög- Räumen und Konstellationen. In einem schien,sichals Schriftstellerpolitisch blitzgescheitund als Literaturredaktor lich doch ein wenig scharen um den lite- Gespräch mit Horst Bienek von 1961 hat und staatskritischzuzeigen, nicht zuletzt glänzend informiertwar,aberauch rarischen Praeceptor Helvetiae.Das es Frisch mit Blick auf sein erstes «Tage- unterdem Einfluss Frischs,hieltsich einer,der nur kurzaufleuchteteund bald überrascht auch insofern, als man nicht buch 1946–1949» wie folgt beschrieben: Burger abseitsund genoss lieberdie wiedererlosch und dessen Aufleuchten Max Frisch, sondern Thomas Bernhard «Ich war damals [. ..]Architekt. Auf Freuden des bürgerlichenGemeinwohls vor dunklemHintergrund stand. für Burgers «Prosalehrer» hielt, wie er es dem Heimweg vom Atelier,ineinem in Männerchor,Rotary undDorftheater. Blitze treten überraschend auf und anderer Schweizer Schriftsteller seiner in demselben Jahr 1981 im Text «Zu Be- Caf´e ,manchmal sogar im Atelier,wenn nehmen einen unvorhersehbaren Ver- Zeit, und er hat auch als Erster einen such bei Thomas Bernhard» bekannt die Angestellten es nicht sehen konnten, Eine Frage ohne Antwort lauf.Sie verbreiten und verzweigen sich PR-Manager in eigener Sache engagiert. hat. Aber Thomas Mann, Hermann schrieb ich solche Skizzen wie die Skizze in alle Richtungen, sie sind Netzwerke Burger mag innerhalb der Schweizer Hesse und Günter Grass kommen dafür vom andorranischen Jud; abgesehen da- Dasentging auch Frisch nicht. Als er um einen Hauptkanal. Dieser Aspekt Literaturszene eine abseitige Position ja mindestens auch noch in Frage.Und von, dass ich nie das hehreGefühl von 1986, kurz nach den Feierlichkeiten rund seiner Blitzkerlhaftigkeit wurde Burger eingenommen haben: Als Schriftsteller, Peter Bichsel. Berufung kannte,hatte ich damals gar um seinen 75. Geburtstag und der Solo- zuweilen unter die Nase gerieben, am Privatdozent, Literaturredaktor und 1981: Daswar das Jahr,indem Frisch nicht Zeit, die Entwürfe auszuführen. thurner Rede «Am Ende der Aufklärung hartnäckigsten von Niklaus Meienberg, Medienprofi, als Zauberer,Zigarren- mit «Blaubart» sein letztes und nicht un- Ich musste Geld verdienen.» steht das Goldene Kalb», der «WoZ» ein der 1983 zu einem Rundumschlag gegen raucher und Ferrarifahrer war er in so bedingt bestes Buch schrieb,umdanach Wasnach blossen (zeit)ökonomi- Interview gab,wurde er von den beiden die gesamte Schweizer Literaturszene vielen Bereichen und in so vielen Ge- für ein ganzes Jahrzehnt bis zu seinem schen Zwängen tönt, hat auch seine emi- Redaktoren Patrik Landolt und Andreas ausholte,weil er sich als einziger kriti- stalten präsent, wie es sich für einen Tod1991 in eine kreative Müdigkeit zu nent poetologische Seite.Burger erkann- Simmen nach seinem politischen Ein- scher Kopf im Lande von allen übrigen Blitzkerl eben gehört. verfallen. 1981 war umgekehrt ein Jahr, te dies sehr früh, schon in seiner dreitägi- fluss auf die jüngereSchweizer Literatur Geistern verlassen fühlte. Blitzkerl: Daskann nur der Ältere in dem Burger zwar schon weitgehend gen Hausarbeit bei der Lizentiatsprü- gefragt. Frisch antwortete: «Sie ist politi- über den Jüngeren sagen. Hermann etabliert war und mit «Schilten» (1976), fung im Nebenfach Kunstgeschichte an scher geworden, ja, aber auch das ist viel- Die Betriebsnudel Burger