Fraktionssitzung: 23
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SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 23. 11. 1966 165 23. November 1966: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, Ord. 14. 9. 1966 – 14. 12. 1966 (alt 1040, neu 42). Über- schrift: »Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag. Bonn, 24. 11. 1966. Protokoll der Fraktionssitzung der SPD-Bundestagsfraktion vom 23. 11. 1966, Bonn, Bundeshaus, SPD-Fraktionssitzungssaal«. Anwesend: 130 Abgeordnete. Prot.: E. Heinrich. Zeit: 19.00 – 20.40 Uhr. Beginn: 19.00 Uhr Vorsitz: Herbert Wehner Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung und weist darauf hin, daß ihre Einberufung von einigen Genossen aufgrund des Verlaufs der Bundestagsplenarsitzung über den Nach- trags-Haushalt 1966 gewünscht worden war.1 In der Debatte wurde versucht, die SPD unter Druck zu setzen. Er habe daraufhin eine Rede gehalten, von der er meint, daß sie in dieser Lage zu verantworten gewesen sei.2 Vor 24 Stunden hat in der Fraktion eine Diskussion unter Beteiligung von 25 Genossen stattgefunden.3 Was in der heutigen Bundestagssitzung geschehen ist, gehöre zu dem, was er gestern als Schwierigkeiten bezeichnet habe. Herbert Wehner erinnert sodann daran, daß am Vormittag die Koalitionsverhandlun- gen zwischen CDU und FDP stattgefunden haben.4 Der FDP-Vorsitzende Mende habe ihn darüber informiert, daß bei diesen Beratungen zunächst zwei Stunden lang über die Zahlen betreffend die Finanz-, Haushalts-, und Wirtschaftssituation gespro- chen worden sei.5 Man müsse bedenken, in welcher Verfassung sich die FDP befinde; diese habe sich inzwischen gegen Spekulationen über ihre gestrige Fraktionssitzung verwahren müssen.6 Die FDP hat sich heute morgen im Finanzausschuß nicht für die Verschiebung der Finanz- und Steuergesetze ausgesprochen, wie wir es mit ihr verein- 1 Die Einberufung dieser Sondersitzung war, wie auch aus den nachfolgenden Redebeiträgen ersicht- lich, u. a. von den Abgeordneten Apel, Hermsdorf, Heinemann gefordert worden; zu ihren Motiven siehe vor allem Apels Ausführungen im Prot.; »Der Spiegel« Nr. 49 vom 28. 11. 1966, S. 79 nannte Apel und Eppler als Initiatoren. 2 Wehner hatte in seiner kurzen Plenarrede vom 23. 11. 1966 – BT Sten. Ber. 62, S. 3442-3444 – der bisherigen Regierung und den sie tragenden Parteien vorgeworfen, sich in der Finanzpolitik »völlig verantwortungslos benommen« zu haben. In scharfen Tönen hielt er der CDU/CSU vor: sie können »mit uns nicht umgehen wie mit Schulbuben« und mit uns »nicht ein Spiel treiben, wie sie es bisher mit Koalitionspartnern getrieben haben […]. Sie müssen den politischen Konkurs, den sie erlitten haben, und seine Begleiterscheinungen selber verantworten«. 3 Siehe Nr. 164. 4 Der »Verlauf der Koalitionsgespräche zwischen der CDU/CSU und der FDP« am 23. 11. vorm. schien, so KNORR, S. 87, »die Meldungen über eine Wende zugunsten einer Neuauflage der alten Koalition zu erhärten«. Entsprechende Andeutungen verbreitete der Parlamentarische Gschf. der CDU/CSU-Fraktion Rasner. – Vgl. auch das Rundfunkinterview Möllers im »Mittagsmagazin« vom 23. 11.; Wortlaut in »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 499/66 vom 23. 11. 1966. 5 Bei MENDE, Wende, wird über diesen Kontakt zu Wehner nichts berichtet. Wehner spricht in einem Brief an Mende vom 6. 12. 1966 (abgedr. in Bestandsaufnahme 1966, S. 97-101) von »unseren vielen Begegnungen vor, zwischen und bei den Verhandlungen«. 6 Über die gemeinsame Sitzung der FDP-Fraktion und des FDP Bundesvorstandes vom 22. 11. 1966 berichtete PPP in dem obigen Sinne. Vgl. auch unten die Ausführungen von Schulz und Anm. 21. Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 23. 11. 1966 bart hatten.7 Dadurch ist es zur Beratung gekommen. Ansonsten ist nichts Neues in der Frage der Regierungsbildung zu sagen. Was sich im Plenum ereignet hat, ist ein Prälu- dium, das mit dem Haushalt zusammenhängt. Hans Apel erklärt, daß er mit zu den Initiatoren der Fraktionssitzung gehöre. Man habe aus folgenden Gründen die Fraktionssitzung gefordert: Nach der Rede Herbert Wehners im Plenum hätten sich mehrere Genossen gefragt, was diese Rede bedeuten solle; die Auslegungen darüber waren verschieden. Es hat sich gezeigt, daß durch die Rede Herbert Wehners keine Koalitionsmöglichkeit vergeben wurde. Zweiter Anlaß: Das Ganze hat eine größere Geschwindigkeit bekommen. Man weiß nicht, wann die entscheidenden Sitzungen stattfinden. Hinzu kommt die Überlegung, ob es nicht mög- lich wäre, dem Beispiel der SPD-Landtagsfraktion von Nordrhein-Westfalen zu folgen und eine Abstimmung über die Koalitionswünsche vorzunehmen.8 Das Ergebnis dürfte nur einem kleinen Kreise bekannt werden. In der Fraktion besteht eine Unruhe, daß sie in ihrer Entscheidung nicht mehr frei sein könnte. Werner Figgen hält es für fragwürdig, jetzt eine Abstimmung in der Fraktion vorzu- nehmen. Was in Düsseldorf geschehen ist, sei kein Idealbeispiel. Man habe noch ver- hindern können, daß das Ergebnis öffentlich bekannt wurde. Inzwischen werde ver- sucht, von der Geschichte herunterzukommen. Das Ergebnis von Düsseldorf sei nur zwei Personen bekannt. Er selbst habe mit niemand darüber gesprochen.9 Herbert Wehner wirft ein, daß er das Ergebnis der Abstimmung schon von mehr als zwei Personen gehört habe. Arthur Killat: Man sollte die Rede Herbert Wehners nicht zum Anlaß nehmen, nervös zu werden. Was Herbert Wehner sagte, war die einzig richtige Antwort auf die Angriffe der CDU-Abgeordneten Windelen und Althammer.10 Diese haben in einer unver- schämten Weise versucht, der SPD eine Mitschuld für die Finanzmisere zuzuschieben 7 Nach Darstellung Wehners in seinem Schreiben an Mende vom 6. 11. 1966 – in Bestandsaufnahme 1966, S. 99 f. – hatte er in der Besprechung der SPD- und FDP-Delegationen am 22. 11. 1966 vorge- schlagen, bei den am 23. 11. anstehenden Beratungen dieser Gesetzesvorlagen »im Finanzausschuß durch die Stimmen von SPD und FDP einen Aufschub dieser Beratungen um eine Woche zu erwir- ken«. Die darüber mit der FDP getroffene Absprache sei dann von der FDP gebrochen worden. Sie kooperierte stattdessen im Finanzausschuß mit der CDU/CSU, wie es zwischen dem Ausschußvors. Otto Schmidt (CDU) und dem stellv. Fraktionsvors. der FDP Siegfried Zoglmann besprochen war. Vgl. KNORR, S. 86; »Der Spiegel« Nr. 49 vom 28. 11. 1966, S. 30. – Zu der zweiten, ebenfalls am 22. 11. getroffenen Absprache zum Haushaltsplan 1967 und Wehners Reaktion vgl. Nr. 166, Anm. 20. 8 Die Landtagsfraktion der SPD hatte sich in einer geheimen »Probeabstimmung« gegen die von Kühn befürwortete Große Koalition mit der CDU und für eine Koalition mit der FDP ausgesprochen. Vgl. KÜHN, Aufbau, S. 199, der als Datum den 21. 11. 1966 angibt, sowie »Der Spiegel« Nr. 50 vom 5. 12. 1966, S. 47, der sie auf den 22. 11. datiert und berichtet, daß Kühn am 23. 11. 1966 dann eine Kommis- sion für »Verhandlungen mit der CDU und FDP zur Bildung einer aktionsfähigen Landesregierung« zusammenstellte. Vgl. auch AdG 1966, S. 12852. 9 KÜHN, Aufbau, S. 199 gibt an, das Ergebnis habe er »im Einverständnis mit der Fraktion einsam ausgezählt und für sich behalten«. Nach »Der Spiegel« ebd. wurde es dennoch bekannt. Nach AdG 1966, S. 12852 stimmten von den 94 anwesenden SPD-Abgeordneten 78 für die Koalition mit der FDP und nur 16 für die mit der CDU. – Werner Figgen war stellv. Vors. des Landesverbandes NRW und Vors. des einflußreichen SPD-Bezirks Westliches Westfalen. Er schied am 6. 12. 1966 aus dem Bundestag aus und wurde Arbeits- und Sozialminister des Landes NRW. 10 Heinrich Windelen (geb. 1921), Kaufmann, MdB (CDU) seit 28. 9. 1957, 1965-1967 Vors. des Rech- nungsprüfungsausschusses im Haushaltsausschuß, Vors. des Parlamentarischen Beirats des Bundes der Vertriebenen; Walter Althammer (geb. 1928), Oberregierungsrat, MdB (CSU) 1961-14. 4. 1985. Zu den Plenarreden von Windelen und Althammer am 23. 11. 1966 vgl. BT Sten. Ber. 62, S. 3429- 3432 und 3439-3442, ferner auch Nr. 164, Anm. 5. Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 23. 11. 1966 und diese als eine Katastrophenmeldung der SPD zu verfälschen. Die Liquidation der alten, verfehlten Politik muß in irgendeiner Weise in Erscheinung treten. Dies kann uns nicht davon zurückhalten, unseren Standpunkt klar zu sagen. Gegenüber den früheren Fraktionssitzungen hat sich nichts geändert. Man sollte nach wie vor der Verhand- lungskommission Vertrauen schenken. Was sich bisher ereignet hat, ist kein Grund, die von Hans Apel geforderte Abstimmung durchzuführen. Klaus Dieter Arndt erklärt, daß sich seit gestern sehr vieles geändert habe. Die Finanz- situation könne nur dann behoben werden, wenn die SPD in einer neuen Koalition den Finanzminister stelle. Er glaubt, daß wir ein Stück Macht haben entschwinden lassen. Die Rede Herbert Wehners habe sich angehört, als ob wir keine Regierungsbeteiligung anstreben. Er plädiert für den Antrag von Hans Apel, eine Abstimmung vorzunehmen. Wir müssen jetzt zeigen, ob wir regieren wollen. Willy Koenen meldet sich zur Geschäftsordnung und verlangt Auskunft darüber, was bisher in der Fraktionssitzung besprochen wurde, da einige Kollegen bis zum Ende an der Plenarsitzung teilnehmen mußten.11 Herbert Wehner wiederholt seine zu Beginn der Fraktionssitzung gemachten Angaben und betont, daß er seine Rede voll verantworte. Die CDU habe erklärt, daß sie keine Steuererhöhungen ins Auge fasse und daß dadurch eine gewisse Annäherung zwischen ihr und der FDP erreicht wurde.12 Am Donnerstag soll eine kleine Kommission von CDU-FDP über die Finanzprobleme sprechen.13 Die Erklärung der CDU könne aber auch als eine Annäherung an die SPD aufgefaßt werden, da wir ebenfalls gegen Steuer- erhöhungen sind. Man wird noch eine Reihe