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INTERN

Senator FF unterwegs – warum diese Autos nach 60.000 Kilometern aus dem Militärdienst genommen worden, wird hier deutlich erkennbar… Foto: Archiv Brixmis Unsichtbar unterwegs in der DDR Dave Richards lüftet den Schleier um den Senator FF, der von der British Mission (Brixmis) in den achtziger Jahren gefahren wurde – hinter der Front des Kalten Krieges.

Wer heute in einem Wald nahe einer Heinz Sielmann, könnte er sogar das Mission, getan, als sie die Manöver verlassenen DDR-Militäreinrichtung seltenste und geheimnisvollste aller und Bewegungen der DDR- und steht, empfindet eine Ruhe, die es in der DDR fahrenden Automobile Sowjettruppen zwischen 1946 und sonst nirgendwo in Europa gibt. Man entdecken können – kein Kommuni- 1990 beobachtet haben. kann das erleichterte Seufzen immer stenvehikel, sondern einen Wagen aus Beata Walter, sie lebt heute in Erfurt, noch spüren – die Frontlinie des dem Westen, lackiert in stumpfem erinnert sich an ihre Jugend in der Kalten Krieges verläuft nicht mehr Olivgrün. An Bord drei Männer in DDR: „Bei den jungen Pionieren durch Deutschland. Vor 1989 hätte grüner Montur, mit Union Jacks an wurden wir darin geschult, nach man stattdessen Sowjetpanzer gehört, den Schultern. Ihr Wagen schlich eine Westbürgern in grünen Autos Aus- Truppen, ganze Manöver, oder, wenn Hecke entlang, und sie taten alles schau zu halten“, berichtet sie. „Wir man zehn Minuten später kam, den dafür, nicht gesehen zu werden. Nur konnten sie daran erkennen, dass sie Duft der oft mit Zweitaktgemisch die leise Auspuffnote des Sechszylin- gelbe Nummernschilder mit Flaggen durchsetzten Auspuffgase der Sowjet- ders verriet ihren Standort, vielleicht. darauf und sehr niedrigen Nummern fahrzeuge gerochen. Und wenn Was war das Ziel der Männer? War- trugen, niemals Buchstaben.“ Schon jemand geduldig war wie Tierfilmer um die Geheimhaltung? Und was als Siebenjährige sollte sie „…zum verbarg sich unter dem Blech des entdeckten Wagen laufen und eine sorgfältig getarnten Wagens? Zeitung auf die Windschutzscheibe Stellen Sie sich vor, Sie sollen von kleben, zur Not mit Spucke.“ einem Münchner Vorort aus nach Eine Entdeckung und damit ein Bochum fahren, mit einem gesuchten Scheitern bedeutete für ein Brixmis- Auto. Ohne von einem Militärange- Team im günstigsten Fall: keine hörigen gesehen zu werden, ohne der Daten, keine Fotos, keine Tonband- Polizei aufzufallen, dem Tankwart, aufzeichnungen von Panzern, Flug- dem ADAC, der Öffentlichkeit insge- zeugen und Militärangehörigen. Im Eine Winde wurde manchmal vermisst, samt – eine enorme Aufgabe. Genau weniger günstigen Fall hieß es: sie kam später mit dem Mercedes G das haben die Mitglieder der Brixmis, Ausweisung als PNG, Persona non Foto: Archiv Brixmis der in der DDR operierenden British Grata, durch die Sowjets. Und im

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ungünstigsten Fall konnte es den Tod bedeuten, denn die Sowjets hatten nicht immer Bedenken, das Feuer zu eröffnen. US-Amerikanische und französische Dienste hatten Tote zu beklagen, den Briten blieb das er- spart. Auch deshalb genoss Brixmis das höchste Ansehen bei den Sowjets – so ging die wahnwitzige Logik des Kalten Krieges. Die British Exchange Mission wurde 1946 nach der Ratifizierung der Robertson-Malinin-Vereinbarung gegründet und sollte ursprünglich den vier Besatzungsmächten ermöglichen, eine Wiederbewaffnung Deutschlands auszuschließen. Doch als sich die Beziehungen zwischen den Sowjets und den Westmächten abkühlten, verschob sich der Aufgabenbereich: Die NVA schreckte auch vor einem Rammstoß durch einen LKW oder Panzer nicht zurück… Foto: Archiv Brixmis Die British Mission, die United States Military Liason Mission schen Humber durch Fahrzeuge von (USMLM) und die French Military Opel ersetzt. Politisch betrachtet war Liason Mission (FMLM) beobachte- dies eine gesunde Entscheidung, denn ten nun die Aktivitäten der Sowjets der Berliner Senat bezahlte alle auf dem Territorium der DDR, das Rechnungen im Zusammenhang mit zum Feindesland im Kalten Krieg der Robertson-Malinin-Vereinbarung. geworden war. Zunächst wurden Opel Kapitän ´51 Jede Tour, so wurden die Einsätze dafür verwendet, „unter dem Radar genannt, basierte auf einer klaren durchzufahren“. Die entfernte Ähn- …und die Sowjets feuerten auch auf Zielsetzung der aufzuklärenden lichkeit mit den GAZ der Sowjets die Aufklärer Foto: Archiv Brixmis Aktivitäten. Die Westmächte wollten war von Vorteil, und auch die ersten Informationen über Truppenbewe- Moskwitsch waren ja bereits unter- gungen und –stärken gewinnen, auf wegs. Sie basierten auf dem Opel dieses Ziel wurde die Ausrüstung Kadett, dessen Produktionsanlagen abgestimmt. Die Festlegung der die Sowjets demontiert hatten, und Aufklärungsaufgaben erfolgte in sahen aus der Distanz ebenfalls Abteilungen im englischen Blightly ähnlich aus. wie der berühmten MI6 und der In den Fünfzigern legten die Sowjets GCHQ, natürlich in Zusammenarbeit dann Permanently Restricted Areas mit den anderen Missionen wie der (PRA) fest, verbotene Zonen, deren USMLM und der FMLM. Brixmis- Betreten den Missionen der Alliierten Nicht einmal der Nr. 1 blieben lebens- Mitglieder wurden im normalen kurzerhand untersagt wurde. Diese gefährliche Angriffe erspart militärischen Dienst rekrutiert, ge- Zonen wurden so aufgeteilt, dass die Foto: Archiv Brixmis wöhnlich für zwei Jahre. Wer heute Touren besonders geeignete Beobach- mit Ehemaligen spricht, wird immer tungspunkte passieren mussten, deren dieselbe Antwort bekommen: Es war Besetzung mit zivilen Wartburg und der Job, mit dem sie die meisten Barkas von der DDR-Staatssicherheit Erinnerungen verbinden und der sie natürlich sichergestellt wurde. geprägt hat. Um nun auch nur in die Nähe dieser Anfangs wurden Touren in die DDR PRA zu gelangen, führte an gelände- in ungetarnten Straßenfahrzeugen gängigen Fahrzeugen schließlich kein unternommen, und die Crew trug Weg mehr vorbei. Westdeutsche Uniformen. Als sich die internationa- Hersteller hatten keine PKW mit Die oben montierten Zusatzlampen len Beziehungen abkühlten, nahm der Allradantrieb anzubieten, und so konnten nachts einen Barkas-Transpor- Bedarf für Tarnung zu, und Anfang kamen in den Siebzigern neben dem ter oder, einzeln geschaltet, ein Motor- der fünfziger Jahre wurden die engli- Range Rover auch auf Vierradantrieb rad nachahmen Foto: Dave Richards

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umgebaute und Diplo- mat zum Einsatz. Der in England beliebte Range Rover erwies sich als nur mäßig geeignet für die Aufklärungseinsätze von Brixmis. Ersatzteile waren teuer und brauchten lange, bis sie in Berlin eintrafen. Ein Exemplar wurde mit falsch eingestellten Vergasern ausge- liefert und wurde auf dem Berliner Ring von einem voll beladenen Trabant überholt – der Fahrer des Range Rovers fuhr Vollgas. Im Sommer drang Staub in den Innen- raum, im Winter reichte die Heizlei- stung nicht aus. Eine Differenzial- sperre gab es nicht, was die Einsatz- Pierre Flauss unterwegs – nicht in geheimer Mission, sondern in seinem Senator- möglichkeiten abseits der Straße Nachbau mit der beziehungsreichen Nummer 7 Foto: Dave Richards stark einschränkte. Vor allem aber waren die Qualitätsmängel während der dunklen Jahre von British Ley- land geeignet, die Sicherheit der Besatzungen ernsthaft zu gefährden. Ein Brixmis-Veteran hat es so formu- liert: „Der normale mit Hinterradantrieb war im Gelände fast genau so gut wie der Rangie, und er fiel nie aus.“ So kam es schließlich dazu, dass Admiral und Diplomat umgebaut wurden und Allradantrieb, Unterfahr- schutz, vergrößerte Benzintanks und verstärkte Radaufhängungen erhiel- ten. Ersatzteile waren in Deutschland leicht aufzutreiben und vergleichs- weise günstig. Doch die Tage der Modellreihe waren gezählt, Opel Außen liegender Tankstutzen Foto: Dave Richards ersetzte die großen Limousinen durch ein kleineres Modell. In England erschien der Senator im November 1978. Als der robuste Diplomat schon einige Zeit nicht mehr erhältlich war, bot Audi die Lieferung von Audi 80 mit Quattro-Antriebstechnik an. Die Komponenten zeigten sich so zer- brechlich, dass alle 1000 Meilen eine Überholung des Fahrwerks fällig wurde, und damit war Opel wieder im Rennen. Ein erster Senator wurde gekauft und für den Umbau auf Allradantrieb zu FF Developments nach Coventry geschickt. Das von Tony Rolt gegründete Unternehmen entwickelte und vermarktete Fahrzeu- Tür auf – die geschlossene Stellung wurde mit einem roten Strich markiert ge mit Allradantrieb nach einem von Foto: Dave Richards ihm und Harry Ferguson erfundenen

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System, das zum ersten Mal im Jensen FF in Serie gegangen war. Der Senator-Umbau war für Ferguson eine relativ einfache Aufgabe; dort waren bereits Ford Capri und Zephyr Mk IV sowie eine Serie Plymouth- Polizeiwagen für die USA gebaut worden. Weitere Umbauten wie die Montage des vergrößerten Tanks, des Unterfahrschutzes, der geänderten Abschlepphaken und der einzeln schaltbaren Zusatzleuchten erfolgten in der Brixmis-eigenen Werkstatt in Berlin. Die Innenausstattung erhielt Vorhänge und wurde vollständig aller glänzenden Teile beraubt, um Refle- xionen zu vermeiden. Schließlich wurde dieser erste Umbau zum Das wäre etwas für die Tester der Auto, Motor und Sport gewesen – gleich vier Testgelände im Grunewald gebracht identische Lichtschalter ohne Beschriftung Foto: Dave Richards und dort auf seine Eignung für den Einsatz geprüft. Schnell zeigten sich erste Probleme: Die Karosserie litt unter erheblichen Verwindungen, vor allem der Heckbereich war den Belastungen nicht gewachsen. Schweißpunkte brachen, der Koffer- raum ließ sich entweder gar nicht mehr öffnen oder sprang während der Fahrt auf, wenn der Wagen durch das Gelände bewegt wurde. Prompt bekam der Erstling einen wenig schmeichelhaften Spitznamen: bendy Senator, der biegsame Senator. Diese Probleme erforderten natürlich grundlegende Lösungen. Dave Pic- ton, damals bei Brixmis, erinnert sich: “Wir diskutierten mit Opel über die Stabilität der Karosserie, und als Nein, Dave hat nicht einfach die Kamera schräg gehalten – der Senator FF schafft sie sahen, was wir den Autos zuge- wirklich extreme Steigungen Foto: Dave Richards mutet haben, lieferten sie uns Autos mit Verstärkungen, einem richtigen beängstigend sein, und auch gefähr- einmal, damit die Stasi und die Netzwerk von Verstärkungen der lich. „Wenn das Auto nicht lief oder Sowjets nicht hinter unsere Pläne Bodengruppe.“ feststeckte, war das erste Ziel, es auf kamen, und dann natürlich auch, damit Nachdem diese Probleme gelöst neutralen Boden zu bringen, um sie nicht vor unseren Leuten da waren, waren, erwies sich der Senator als keinen Ärger mit den Sowjets zu das wollten wir als allerletztes.“ zuverlässiges Arbeitsgerät. „Wir bekommen. Gelegentlich wurden Die Basis des Allrad-Senators war dachten nicht groß über die Autos deutsche Bauern bezahlt, um uns raus eine genau anhand der Spezifikation nach, ob sie nun Range Rover waren, zu ziehen. Ob nun Traktor oder der British Army gebaute Version. Admiral, Diplomat, Senator oder Trabbi machte keinen Unterschied, so Die Autos wurden bestellt mit Links- später das Mercedes G-Modell“, sagt lange wir nur an einen neutralen Ort lenkung, Dreilitermotor, Automatik- Picton, und fährt fort: „Sie waren gelangten, ohne gesehen zu werden. getriebe, Servolenkung und dem von Werkzeuge für unseren Job. Einfa- Dann konnten wir immer noch anru- Rochester stammenden Vierfachver- cher Aufbau, zuverlässig, und wenn fen und den Anhänger anfordern. gaser Quadrajet. Von Rüsselsheim unterwegs etwas klemmte, bestand Natürlich wurde das Telefonat in die wurden die Autos mit der Bahn nach eine gute Chance, es in den Griff zu Potsdamer Zentrale von der Stasi Berlin geliefert, weiter ging es zum bekommen.“ abgehört. So lernten wir, nicht unsere Transporthof des Berliner Olympia- Eine Panne nahe einer PRA konnte genauen Koordinaten anzugeben – stadions. Dort erhielten sie verstärkte

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Europa, mit Allradantrieb und Mili- kann fragen, was für sensible Dinge tärzulassung. Fast immer war der wir an Bord haben, unser nur beinahe rechte Fuß ganz unten, und wir diplomatischer Status und die Immu- erreichten Berlin sehr zügig. Für die nität sind gewährleistet. schnellste Reise haben wir gerade Die Innenausstattung wirkt auf den sieben Stunden gebraucht.“ ersten Blick etwas abgenutzt. Das Das ergibt einen Durchschnitt von mattschwarz lackierte Armaturen- gut 175 km/h. Kein Wunder, dass brett, der ebenfalls schwarze Dach- damalige Fahrer heute noch sagen, himmel, dazu die dunklen Vorhänge Cpl. McDowell wartet auf einen Zug, sie hätten selten so viel Spaß gehabt! an den hinteren Seitenfenstern – als aufgenommen 1982 In Berlin wurden dann die Umbauten Umgebung für das Fotografieren Foto: Archiv Brixmis anhand der Brixmis-Spezifikationen sowjetischen Kriegsgerätes war diese abgeschlossen. Neben dem größeren Ausstattung perfekt, hier reflektiert Benzintank umfasste das den Unter- wirklich nichts. fahrschutz, die Abschleppösen, die Ein Tritt auf das Gaspedal, um die einzeln schaltbaren Zusatzscheinwer- Kaltstartvorrichtung des Quadrajet zu fer sowie die Montage von Pirelli aktivieren, den Wählhebel auf N, eine Cinturato M+S-Reifen für die Nut- Schlüsselumdrehung, und der Rei- zung im Gelände. Ein zweites Reser- hensechszylinder startet mit einem verad wurde eingebaut, und Innen- leisen Summen. Ab mit dem Wählhe- ausstattungen wanderten hin und her bel in Stellung D, und los geht es. Es fühlt sich vollkommen anders an als Ssgt. Jones und Cpl. Woods haben – ein Satz Türverkleidungen und ihren Senator auf dem Bodenblech Rücksitze überlebte normalerweise irgendein anderes Militärfahrzeug, abgestellt und warten erstaunlich drei Autos. Nur die vorderen Sitze komfortabel und sehr leicht zu bedie- unbeeindruckt auf Hilfe. Ein weiteres waren jedes Mal „neu, aber mit billig nen. Der Senator beschleunigt ruhig Bild von 1982 Foto: Archiv Brixmis aussehenden Bezügen verkleidet“. und zügig, wenn auch nicht ernsthaft Einmal für den Einsatz bereit ge- schnell nach heutigen Maßstäben. macht, dauerte die Karriere eines Die 165 PS haben einiges an Mehrge- solchen Wagens etwa 60.000 Kilome- wicht zu bewegen, und die zusätzli- ter. Die Autos erreichten ihre Lauflei- che Kraftübertragung mit den vorde- stungen extrem schnell, sie legten an ren Antriebswellen schluckt natürlich jedem Tag ihres kurzen Arbeitslebens auch Leistung. Doch es kommt viele Kilometer in der DDR zurück immer noch reichlich Kraft, und da und wurden nach nur zwei Monaten sie auf alle vier Räder übertragen ausgemustert. Fünf bis acht dieser wird, vermittelt der Senator viel Wagen waren stets verfügbar, und Fahrfreude und –sicherheit. Schnelle Senator FF, hier vor dem Ashford Intelligence Center 1983 daraus ergibt sich, dass insgesamt Kurven durcheilt er präzise. Natürlich Foto: Archiv Brixmis zwischen 160 und 200 vertragen die M+S-Reifen weniger für Brixmis umgebaut worden sind. Tempo als das Fahrwerk, doch die Radaufhängungen, und es wurden mit Der Schlüssel eines solchen Brixmis- Lenkung gefällt mit erstaunlicher Sand gefüllte Kisten in den Koffer- Senators fühlt sich nicht anders an als Feinfühligkeit. Im Grenzbereich wird raum gestellt, um Gewicht und Bo- jeder anderer Schlüssel eines der Antrieb in der Lenkung spürbar, denfreiheit für den nächsten Teil des dieser Tage, bereit für die zivilen aber geht man ein wenig vom Gas, Umbaus zu simulieren. Anschließend Herausforderungen der achtziger gräbt sich der Senator in den Asphalt, wurden die Wagen quer durch Europa Jahre. Doch schon hören die Gemein- beißt regelrecht hinein, und die 37% gefahren, auf die Fähre geladen und samkeiten auf. Selbst für den Um- Kraft auf den Vorderrädern ziehen nach England zu FF Developments in gang mit dem stehenden Wagen gab einen um jede Kurve. Bei hohen Coventry gebracht. Dabei waren es Vorschriften, die besagten, dass er Geschwindigkeiten fühlt sich das immer je zwei Autos in entgegen niemals offen gelassen und schon gar Auto immer noch gutmütig an, mit gesetzte Richtung unterwegs, und das nicht ohne ein Teammitglied an Bord viel Traktion und zuverlässigen die nächsten Autos anliefernde Team irgendwo stehen durfte. Man entrie- Reaktionen. Von der konnte sofort zwei umgebaute Wagen gelt also die Tür, steigt ein und Höchstgeschwindigkeit hält man sich übernehmen, um sie nach Berlin schließt sie gleich wieder hinter sich besser fern, denn der Senator läuft mitzunehmen. Ein ehemaliger Brix- zu. Die geschlossene Stellung wird schneller als er es mit den M+S- mis-Angehöriger erinnert sich, dass durch einen eigens angebrachten Reifen darf. die Rückfahrt der beste Part war: roten Strich markiert. Niemand kann Um zu erkennen, was dieses Auto „Wir fuhren starke Autos durch die Tür von außen öffnen, niemand wirklich kann, verlassen wir die

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Straße, suchen uns einen gepflügten über ihn. Der brisante politische Leistung: 165 PS bei 5800/min Acker und dann einen schlammigen Hintergrund und der außergewöhnli- Kraftübertragung: GM “Strasbourg” Feldweg, der aussieht wie die “Blue che Einsatz hinter dem Eisernen Dreigangautomatik, zusätzlicher An- Tac Route“ der Sowjets im Forst bei Vorhang machen die ungewöhnliche trieb auf die Vorderräder auf Ferguson Eberswalde. Auf losem Untergrund Luxuslimousine zum unbesungenen Formula Zentraldifferanzial hinter dem gleiten die Räder hierhin und dorthin, Helden der heißen Phase des Kalten Automatikgetriebe, Kraftverteilung immer auf der Suche nach Grip. Der Krieges. 37% vorn, 63% hinten beständige Kampf in der Kraftüber- Radaufhängungen: Serie, teilweise tragung wird spürbar, doch das FF- Text: Dave Richards, Übersetzung: verstärkt, u.a. Schräglenker Allradsystem lässt die Räder kaum Stefan Heins *1662 Karosserie: selbsttragend, verstärkt jemals durchdrehen. Picton erinnert Fotos: Dave Richards, Brixmis Asso- Tank: Spezialanfertigung, Fassungs- sich: “Ja, man konnte in Schwierig- ciation vermögen 180 Liter, Stutzen rechts keiten geraten, wenn man unvorsich- außen tig war, aber jedes Auto lässt sich Herzlichen Dank an Pierre Flauss, Räder und Reifen: Stahlräder 6J x 14 festfahren, wenn es gefühllos gefah- Dave Picton und Major Geoffrey mit 195/70-14 Pirelli Cinturato M+S ren wird. Niemand wollte die Winde Greaves, Brixmis Association: Höchstgeschwindigkeit: 205 km/h benutzen, wenn es nicht absolut www.brixmis.co.uk Beschleunigung 0-100 km/h: 10 Sek. notwendig war.“ Nach einigen Kilometern mit Der Autor Tödlicher Ernst Schlamm unter den Rädern werden Dave Richards arbeitet als Journa- Nicht alle Aufklärungseinsätze die Gutmütigkeit und die Verlässlich- list in England, sein Spezialgebiet keit des Wagens deutlich. Er ist nicht endeten glücklich. Am 22. März sind klassische Automobile. Seine 1984 wurde ein Mercedes der der schnellste Senator, nicht der Verbundenheit zu Opel/ GM reicht leichteste und nicht der luxuriöseste – französischen Mission von einem zurück in die achtziger Jahre, als doch was er am besten kann, ist eben Ural-LKW der NVA gerammt. er den VX4/90 Drivers Club das, wofür er gedacht war: Hinaus- Oberfeldwebel Phillippe Mariotti gegründet hat, der sich um den fahren in feindliches Land, unter kam dabei ums Leben. Anlässlich Victor der Serien FD und FE einem veralteten diplomatischen seines zwanzigsten Todestages kümmert, außerdem (natürlich!) Abkommen, um die sowjetische und wurde nahe Halle an der Saale ein den VX4/90 und die Ventora- die DDR-Armee zu beobachten, plus Gedenkstein für ihn aufgestellt. Modelle. Er war als Medienpartner See- und Luftstreitkräfte. Es gibt für Opel tätig und fuhr 2006 den nicht viele Militärfahrzeuge, die so orangefarbenen Werks-GT bei den komfortabel und schnell sind. Und 2000 Kilometern durch Deutsch- der Senator kann lange Strecken mit land. annehmbarem Verbrauch zurückle- Die Recherche zu dieser Geschich- gen. Zwar kostet eine Tankfüllung te hat ihn mehr als zwei Jahre 250 €, aber sie reicht dann auch für gekostet. gut 1100 Kilometer. Der vollkommen zerstörte W123 Viele der von Brixmis beobachteten an der Unfallstelle Militäranlagen sind heute verlassen oder in Wohnanlagen umgebaut worden. Die hart rangenommenen Brixmis-Senatoren wurden ihrer Umbauten entledigt und dann über den Berliner Senat an die Bundes- wehr gegeben, wo sie als Dienstwa- gen weiterliefen. Heute sind sie Dave Richards scheut nicht einmal vor Testfahrten mit Dieselautos äußerst selten und fast völlig in zurück – hier am Steuer des GT- Vergessenheit geraten. Nicht einmal Rekordwagens. Ein Bild von sei- Philippe Mariotti, rechts im Bild, Ernst-Peter Berresheim von Opel nem Vauxhall FD Ventora gibt es wenige Stunden vor seinem ge- Classic wusste bis zur Recherche auf Seite 7. waltsamen Tod dieser Geschichte von der Existenz eines allradgetriebenen Senators im Technische Daten Opel Senator FF Ahnengalerie Dienst der British Army. Wie in Motor: Wassergekühlter Reihensechs- Der erste Opel im Einsatz der Brix- seiner aktiven Zeit, so fährt der zylinder, 2968 ccm, Verdichtung 9.4:1, mis war der Kapitän ´51, erstmals Senator noch heute „unterm Radar“ Vierfach-Fallstromvergaser Rochester eingesetzt wahrscheinlich 1954. hindurch, kaum jemand weiß etwas Quadrajet, kontaktlose Zündung Belegt ist auch der Kapitän P, hier zu

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Für uns ein Symbol des Wirtschaftswunders, für die Offiziere ein Arbeitstier, von dessen Zuverlässigkeit das Leben abhängen konnte – schon der Kapitän ´59 musste auch übelste Strecken unbeschadet überstehen können

Etwas kompakter als der Vorgänger Hier offenbart sich, warum der Admi- mochte der Admiral B sein, die Mo- ral A ein Schiebedach hatte – Ray torhaube bot aber immer noch Platz Wilmott hätte zur Not dadurch aus- George Flint mit einem Kapitän ´52 in genug für ein Picknick. Im Bild Lionel steigen können. Aufgenommen 1964 Berlin 1952 Harrod und Colin Johnson 1974 Foto: Barrie Darlington

warten gespannt auf weitere Informa- tionen!

Ergänzungen Die Umbauten am Senator FF um- fassten weitere Punkte, einiges stellte sich erst heraus, nachdem die Story Der erste weiße Admiral B bei der von Dave Richards fertig war. Für die Brixmis, aufgenommen ca. 1973 Foto: Danny Daniels Fahraufnahmen wurde ein von Pierre Chefwagen – Kapitän ´58 vor dem Flauss umgebauter Senator verwen- Potsdamer Brixmis-Hautquartier im Frühjahr 1959 Foto: Alan Short nicht sagen, ob es sich bei den abge- det, bei dem es sich nicht um ein bildeten KAD um serienmäßige Original aus dem Brixmis-Dienst sehen in ziviler Ausstattung. Dann Autos oder umgebaute Exemplare handelt. wurde der Einsatz härter, wie die handelt. Weiter konnten wir kein Bild Im Text ist vom Unterfahrschutz die folgenden Bilder zeigen. auftreiben, das einen solchen Allrad- Rede, tatsächlich hatten die Fahrzeu- Nicht herausfinden ließ sich bislang Admiral oder –Diplomat von unten ge einen gepanzerten Motorraum. die Zahl der bei Ferguson umgebau- zeigt. Wenn ein Mitglied Hinweise Der Grund: Offiziell trugen die ten Admiral und Diplomat B. Da zum Verbleib eines dieser Fahrzeuge Angehörigen der Mission keine auch unmodifizierte Fahrzeuge hat: Auch Dave Richards, Major Waffen, ein Beschuss der nicht ge- eingesetzt wurden, lässt sich auch Greaves und Ernst-Peter Berresheim panzerten Fahrgastzelle wäre damit

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Heckansicht, das Emblem "4x4" stammt vom Vectra A

Gesamtansicht

einer Kriegserklärung gleichgekom- Der letzte Überlebende in Mechanisches ABS men. (Vorgekommen sind solche Privathand? Angriffe dennoch.) Ein gezielter Das Auto wurde von 1986 bis 1993 Schuss auf den Motor mit dem Ziel, von den Alliierten für die "offene den Wagen zu stoppen, hätte sich Spionage" in der damaligen DDR aber als Versehen deklarieren lassen, und deshalb bekamen die Einsatzwa- eingesetzt. Um im dortigen "Feindes- gen einen geschützten Motorraum. gebiet" Vorteile gegenüber den Fahr- Weiter wurde die Elektrik überarbei- zeugen der NVA und der Roten tet, um die zusätzliche Montage von Armee zu haben, wurde der Senator Infrarotlampen vornehmen und gründlich überarbeitet. So bekam er Lichtprofile von Fahrzeugen der nebst Allradantrieb ein höher gelegtes Unterdruckspeicher für ABS NVA nachahmen zu können. Die Fahrwerk mit stabilem Unterfahr- Lenkung erhielt eine direktere Über- schutz vorn und hinten, neu konstru- setzung, und es wurden geänderte ierter Vorderachse sowie verstärkten Motoraufhängungen verbaut, die ein Querlenkern hinten. Vorn und hinten leichtes Versetzen der Antriebseinheit kamen extra verstärkte Ramm-Stoß- ermöglichten. Außerdem fand ein bei stangen zum Einsatz, vorn mit ein- FF seit den Sechzigern eingesetztes zeln zuschaltbaren Zusatzscheinwer- mechanisches ABS Verwendung. fern, die bei Bedarf ein Motorrad Vermutlich erfolgten die Modifikatio- simulieren konnten. Den Kofferraum nen der Bodengruppe in der Rüssels- füllte ein 180 Liter fassender Zusatz- heimer Motorsportabteilung. Unterla- tank, um die Reichweite erheblich zu Vordere Kardanwelle und vorderes gen darüber sind nicht mehr zu vergrößern. Der Senator erhielt Differential finden. weiterhin ein eigens für den Allrad- Neben dem Umbau von Pierre Flauss antrieb entwickeltes mechanisches existieren heute noch ein Original im ABS. Die hinteren Seitenscheiben National Army Museum, London, konnten mit speziellen Jalousien und das Auto von Jan Vetter. Warum abgedunkelt werden, damit niemand es nicht an die Bundeswehr ging, bei sehen konnte, wer im Fond Platz der die vom Brixmis-Einsatz schon genommen hatte. Für die Sicherheit früh verschlissenen Autos relativ der Insassen war das Auto mit Pan- schnell aufgebraucht waren und in zerglas bestückt. den Schrottpresse gingen, sondern an 1993 wurde das Fahrzeug ausgemu- einen Privatmann verkauft wurde, stert und für rund 13.000 DM für den Automatikgetriebe mit Verteilerge- ließ sich nicht herausfinden. zivilen Verkehr zurückgebaut. Hier- triebe

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Linkes vorderes Radhaus mit Antriebswelle

Vorderachskörper mit Differenzial und Antriebswellen vorn

Dadurch wurde er reich. Nach der licht sehen, wenn es auch eins war, Übernahme des Motorenherstellers das in einer sehr kleinen Serie herge- Perkins und der Fusion zu Massey- stellt wurde: Der Jensen FF hatte den Verstärkte Querlenker hinten Ferguson verließ er das Unternehmen Ferguson-Allradantrieb und auch ein und gründete Ferguson Research, um mechanisches ABS. Beide Systeme bei entfielen der Zusatztank im gemeinsam mit Tony Rolt Rennwa- sind direkte Vorläufer der im Brix- Kofferraum, die Ramm-Stoßstangen gen zu bauen und deren Erfolge dafür mis-Senator verwendeten Technik. mit den Zusatzscheinwerfern, die zu nutzen, Entwürfe für Fahrzeuge Danach schien der Durchbruch der Panzerverglasung und der vordere mit Allradantrieb an Großserienher- kleinen Firma bevorzustehen, die Unterfahrschutz. Ferner wurde der steller zu verkaufen. Rolt inzwischen allein leitete; Harry Senator von außen neu lackiert; Rolt hatte schon zuvor einige skurrile Ferguson war im Oktober 1960 vorher war er oliv. Bis 1999 lief der Prototypen gefertigt, die neben dem gestorben. Ford orderte eine Kleinse- Wagen im Kreis Recklinghausen, Allradantrieb sogar eine Allradlen- rie des Zephyr Mk. IV für die engli- danach Stilllegung bis 2004. Seitdem kung hatten. Was beim Fahren Vortei- sche Polizei und setzte zwei Dreiliter- ist er in meinem Besitz. le bot, erwies sich beim Bremsen als Capri im jungen Rallycross-Sport ein. heikel, wie er später gestand: Bei Nach dem Beheben der Kinderkrank- Jan Vetter (*2000) Vorführungen stieg er immer nur in heiten waren die gut 250 PS starken Geradeausstellung auf die Bremse. Capris so überlegen, dass sie 1973 Noch mehr Senatoren mit Allrad- Geradeaus wäre es auch in jedem per Änderung des Reglements aus antrieb anderen Fall gegangen. Unausgego- dem Sport verbannt wurden. Doch ren mochte die Umsetzung sein – die auch diese beeindruckende Dominanz Ferguson hat auch einige Senator und Ideen waren dennoch gut, erkannte sollte es Ferguson nicht ermöglichen, Monza für private Kunden umgebaut, Harry Ferguson, und gemeinsam in der Großserie Fuß zu fassen. außerdem einige Vauxhall Royale. machten sie sich an die Weiterent- Wahrscheinlich war der Senator FF Erich ließ dort den SC umbau- wicklung. nach dem Jensen der größte Auftrag en, dazu vier Senator und einen 1961 stand der Ferguson P99 erst- der kleinen Firma, der es vor allem Monza, alle mit Automatikgetriebe. mals beim Formel 1-Rennen in zu schaffen machte, dass die öffentli- Aintree am Start, Jack Fairman und che Hand den von British Leyland gebauten Range Rover bevorzugte. Ferguson – Pionier des Stirling Moss waren die Fahrer. Eine späte Genugtuung mag es für Allradantriebs Gewonnen hat der Allradrennwagen letztlich nur ein nicht zur Serie Rolt bedeutet haben, dass der Audi 1953 siegte Tony Rolt gemeinsam gehörendes Rennen; er war kompli- Quattro mit dem von Ferguson erfun- mit Duncan Hamilton bei den 24 ziert und anfällig. Auch BRM, Matra, denen Torsendifferenzial schließlich Stunden von Le Mans und wurde McLaren und Lotus experimentierten die Rallye-WM gewinnen sollte. dadurch berühmt. Harry Ferguson seinerzeit mit dem Ferguson-Allrad- 1994 verkaufte er das 1971 von ihm hatte in den Dreißigern die Drei- antrieb, ebenfalls ohne durchschla- gegründete Nachfolgeunternehmen punkthydraulik erfunden und gewann genden Erfolg. FF Developments. nach dem Zweiten Weltkrieg einen 1966 konnte Tony Rolt endlich seine Prozess um Patente gegen Ford. Arbeit in einem Serienauto verwirk- Stefan Heins *1662

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