
09-0805-Alt-Opel_MagazinNr195:210 x 297 09.06.2009 9:00 Uhr Seite 10 INTERN Senator FF unterwegs – warum diese Autos nach 60.000 Kilometern aus dem Militärdienst genommen worden, wird hier deutlich erkennbar… Foto: Archiv Brixmis Unsichtbar unterwegs in der DDR Dave Richards lüftet den Schleier um den Opel Senator FF, der von der British Mission (Brixmis) in den achtziger Jahren gefahren wurde – hinter der Front des Kalten Krieges. Wer heute in einem Wald nahe einer Heinz Sielmann, könnte er sogar das Mission, getan, als sie die Manöver verlassenen DDR-Militäreinrichtung seltenste und geheimnisvollste aller und Bewegungen der DDR- und steht, empfindet eine Ruhe, die es in der DDR fahrenden Automobile Sowjettruppen zwischen 1946 und sonst nirgendwo in Europa gibt. Man entdecken können – kein Kommuni- 1990 beobachtet haben. kann das erleichterte Seufzen immer stenvehikel, sondern einen Wagen aus Beata Walter, sie lebt heute in Erfurt, noch spüren – die Frontlinie des dem Westen, lackiert in stumpfem erinnert sich an ihre Jugend in der Kalten Krieges verläuft nicht mehr Olivgrün. An Bord drei Männer in DDR: „Bei den jungen Pionieren durch Deutschland. Vor 1989 hätte grüner Montur, mit Union Jacks an wurden wir darin geschult, nach man stattdessen Sowjetpanzer gehört, den Schultern. Ihr Wagen schlich eine Westbürgern in grünen Autos Aus- Truppen, ganze Manöver, oder, wenn Hecke entlang, und sie taten alles schau zu halten“, berichtet sie. „Wir man zehn Minuten später kam, den dafür, nicht gesehen zu werden. Nur konnten sie daran erkennen, dass sie Duft der oft mit Zweitaktgemisch die leise Auspuffnote des Sechszylin- gelbe Nummernschilder mit Flaggen durchsetzten Auspuffgase der Sowjet- ders verriet ihren Standort, vielleicht. darauf und sehr niedrigen Nummern fahrzeuge gerochen. Und wenn Was war das Ziel der Männer? War- trugen, niemals Buchstaben.“ Schon jemand geduldig war wie Tierfilmer um die Geheimhaltung? Und was als Siebenjährige sollte sie „…zum verbarg sich unter dem Blech des entdeckten Wagen laufen und eine sorgfältig getarnten Wagens? Zeitung auf die Windschutzscheibe Stellen Sie sich vor, Sie sollen von kleben, zur Not mit Spucke.“ einem Münchner Vorort aus nach Eine Entdeckung und damit ein Bochum fahren, mit einem gesuchten Scheitern bedeutete für ein Brixmis- Auto. Ohne von einem Militärange- Team im günstigsten Fall: keine hörigen gesehen zu werden, ohne der Daten, keine Fotos, keine Tonband- Polizei aufzufallen, dem Tankwart, aufzeichnungen von Panzern, Flug- dem ADAC, der Öffentlichkeit insge- zeugen und Militärangehörigen. Im Eine Winde wurde manchmal vermisst, samt – eine enorme Aufgabe. Genau weniger günstigen Fall hieß es: sie kam später mit dem Mercedes G das haben die Mitglieder der Brixmis, Ausweisung als PNG, Persona non Foto: Archiv Brixmis der in der DDR operierenden British Grata, durch die Sowjets. Und im 10 Clubmagazin Nr. 195 09-0805-Alt-Opel_MagazinNr195:210 x 297 09.06.2009 9:01 Uhr Seite 11 REPORT ungünstigsten Fall konnte es den Tod bedeuten, denn die Sowjets hatten nicht immer Bedenken, das Feuer zu eröffnen. US-Amerikanische und französische Dienste hatten Tote zu beklagen, den Briten blieb das er- spart. Auch deshalb genoss Brixmis das höchste Ansehen bei den Sowjets – so ging die wahnwitzige Logik des Kalten Krieges. Die British Exchange Mission wurde 1946 nach der Ratifizierung der Robertson-Malinin-Vereinbarung gegründet und sollte ursprünglich den vier Besatzungsmächten ermöglichen, eine Wiederbewaffnung Deutschlands auszuschließen. Doch als sich die Beziehungen zwischen den Sowjets und den Westmächten abkühlten, verschob sich der Aufgabenbereich: Die NVA schreckte auch vor einem Rammstoß durch einen LKW oder Panzer nicht zurück… Foto: Archiv Brixmis Die British Mission, die United States Military Liason Mission schen Humber durch Fahrzeuge von (USMLM) und die French Military Opel ersetzt. Politisch betrachtet war Liason Mission (FMLM) beobachte- dies eine gesunde Entscheidung, denn ten nun die Aktivitäten der Sowjets der Berliner Senat bezahlte alle auf dem Territorium der DDR, das Rechnungen im Zusammenhang mit zum Feindesland im Kalten Krieg der Robertson-Malinin-Vereinbarung. geworden war. Zunächst wurden Opel Kapitän ´51 Jede Tour, so wurden die Einsätze dafür verwendet, „unter dem Radar genannt, basierte auf einer klaren durchzufahren“. Die entfernte Ähn- …und die Sowjets feuerten auch auf Zielsetzung der aufzuklärenden lichkeit mit den GAZ der Sowjets die Aufklärer Foto: Archiv Brixmis Aktivitäten. Die Westmächte wollten war von Vorteil, und auch die ersten Informationen über Truppenbewe- Moskwitsch waren ja bereits unter- gungen und –stärken gewinnen, auf wegs. Sie basierten auf dem Opel dieses Ziel wurde die Ausrüstung Kadett, dessen Produktionsanlagen abgestimmt. Die Festlegung der die Sowjets demontiert hatten, und Aufklärungsaufgaben erfolgte in sahen aus der Distanz ebenfalls Abteilungen im englischen Blightly ähnlich aus. wie der berühmten MI6 und der In den Fünfzigern legten die Sowjets GCHQ, natürlich in Zusammenarbeit dann Permanently Restricted Areas mit den anderen Missionen wie der (PRA) fest, verbotene Zonen, deren USMLM und der FMLM. Brixmis- Betreten den Missionen der Alliierten Nicht einmal der Nr. 1 blieben lebens- Mitglieder wurden im normalen kurzerhand untersagt wurde. Diese gefährliche Angriffe erspart militärischen Dienst rekrutiert, ge- Zonen wurden so aufgeteilt, dass die Foto: Archiv Brixmis wöhnlich für zwei Jahre. Wer heute Touren besonders geeignete Beobach- mit Ehemaligen spricht, wird immer tungspunkte passieren mussten, deren dieselbe Antwort bekommen: Es war Besetzung mit zivilen Wartburg und der Job, mit dem sie die meisten Barkas von der DDR-Staatssicherheit Erinnerungen verbinden und der sie natürlich sichergestellt wurde. geprägt hat. Um nun auch nur in die Nähe dieser Anfangs wurden Touren in die DDR PRA zu gelangen, führte an gelände- in ungetarnten Straßenfahrzeugen gängigen Fahrzeugen schließlich kein unternommen, und die Crew trug Weg mehr vorbei. Westdeutsche Uniformen. Als sich die internationa- Hersteller hatten keine PKW mit Die oben montierten Zusatzlampen len Beziehungen abkühlten, nahm der Allradantrieb anzubieten, und so konnten nachts einen Barkas-Transpor- Bedarf für Tarnung zu, und Anfang kamen in den Siebzigern neben dem ter oder, einzeln geschaltet, ein Motor- der fünfziger Jahre wurden die engli- Range Rover auch auf Vierradantrieb rad nachahmen Foto: Dave Richards Clubmagazin Nr. 195 11 09-0805-Alt-Opel_MagazinNr195:210 x 297 09.06.2009 9:01 Uhr Seite 12 REPORT umgebaute Opel Admiral und Diplo- mat zum Einsatz. Der in England beliebte Range Rover erwies sich als nur mäßig geeignet für die Aufklärungseinsätze von Brixmis. Ersatzteile waren teuer und brauchten lange, bis sie in Berlin eintrafen. Ein Exemplar wurde mit falsch eingestellten Vergasern ausge- liefert und wurde auf dem Berliner Ring von einem voll beladenen Trabant überholt – der Fahrer des Range Rovers fuhr Vollgas. Im Sommer drang Staub in den Innen- raum, im Winter reichte die Heizlei- stung nicht aus. Eine Differenzial- sperre gab es nicht, was die Einsatz- Pierre Flauss unterwegs – nicht in geheimer Mission, sondern in seinem Senator- möglichkeiten abseits der Straße Nachbau mit der beziehungsreichen Nummer 7 Foto: Dave Richards stark einschränkte. Vor allem aber waren die Qualitätsmängel während der dunklen Jahre von British Ley- land geeignet, die Sicherheit der Besatzungen ernsthaft zu gefährden. Ein Brixmis-Veteran hat es so formu- liert: „Der normale Opel Diplomat mit Hinterradantrieb war im Gelände fast genau so gut wie der Rangie, und er fiel nie aus.“ So kam es schließlich dazu, dass Admiral und Diplomat umgebaut wurden und Allradantrieb, Unterfahr- schutz, vergrößerte Benzintanks und verstärkte Radaufhängungen erhiel- ten. Ersatzteile waren in Deutschland leicht aufzutreiben und vergleichs- weise günstig. Doch die Tage der Modellreihe waren gezählt, Opel Außen liegender Tankstutzen Foto: Dave Richards ersetzte die großen Limousinen durch ein kleineres Modell. In England erschien der Senator im November 1978. Als der robuste Diplomat schon einige Zeit nicht mehr erhältlich war, bot Audi die Lieferung von Audi 80 mit Quattro-Antriebstechnik an. Die Komponenten zeigten sich so zer- brechlich, dass alle 1000 Meilen eine Überholung des Fahrwerks fällig wurde, und damit war Opel wieder im Rennen. Ein erster Senator wurde gekauft und für den Umbau auf Allradantrieb zu FF Developments nach Coventry geschickt. Das von Tony Rolt gegründete Unternehmen entwickelte und vermarktete Fahrzeu- Tür auf – die geschlossene Stellung wurde mit einem roten Strich markiert ge mit Allradantrieb nach einem von Foto: Dave Richards ihm und Harry Ferguson erfundenen 12 Clubmagazin Nr. 195 09-0805-Alt-Opel_MagazinNr195:210 x 297 09.06.2009 9:01 Uhr Seite 13 REPORT System, das zum ersten Mal im Jensen FF in Serie gegangen war. Der Senator-Umbau war für Ferguson eine relativ einfache Aufgabe; dort waren bereits Ford Capri und Zephyr Mk IV sowie eine Serie Plymouth- Polizeiwagen für die USA gebaut worden. Weitere Umbauten wie die Montage des vergrößerten Tanks, des Unterfahrschutzes, der geänderten Abschlepphaken und der einzeln schaltbaren Zusatzleuchten erfolgten in der Brixmis-eigenen Werkstatt in Berlin. Die Innenausstattung erhielt Vorhänge und wurde vollständig aller glänzenden Teile beraubt, um Refle- xionen zu vermeiden. Schließlich wurde dieser erste Umbau zum Das wäre etwas für die Tester der Auto, Motor und Sport gewesen – gleich vier Testgelände im Grunewald gebracht
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