111 GRÜNDE, DEN FK WIEN ZU LIEBEN Alexander Strecha & Niki Strecha 111 GRÜNDE, DEN FK AUSTRIA WIEN ZU LIEBEN

Eine Liebeserklärung an den großartigsten Fußballverein der Welt

Mit einem Vorwort von und einem Interview mit

WIR SIND DER ZWÖLFTE MANN, FUSSBALL IST UNSERE LIEBE! Inhalt

Vorwort von David Alaba ...... 9 Also spricht der Jahrhundert-Austrianer ...... 10

KAPITEL 1: VIOLETTE SPIELER & SPIELE ...... 19 Weil die Austria der perfekte Partycrasher ist – Weil immer Goldene Schuhe anhatte – Weil die Austria die Königin Europas war – Weil die launische Austria ein Europacup-Finale nicht ernst nahm – Weil das Glück ein »Ogerl« ist – Weil ein »Fast-Amputierter« den Cupsieg sicherte – Weil die Austria den Punkterekord in der Zehnerliga aufgestellt hat – Weil der einzige Österreicher, der Europas Fußballer des Jahres wurde, ein Austrianer ist – Weil der »Mr. Austria« seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war – Weil Semifinali keine halben Sachen sind – Weil ein Weltklasse-Stürmer die Austria wählte – Weil die Austria im Fußball-Tempel San Siro aufgeigte – Weil »Monsieur Capitain« der Austria Stil verlieh – Weil die Stronach-Millionen endlich im Europacup Früchte trugen – Weil ein »Ferdl« die Fans verzückte – Weil Fiala stets den richtigen Drall hatte – Weil bei den Veilchen auch Schattengewächse Licht abbekommen – Weil auch ein 0:0 bei der Austria ein Fußballfest sein kann – Weil die Austria in Rapids Wohnzimmer für Furore sorgte – Weil stille Wasser Tiefgang haben – Weil der Baumeister ein Polier war – Weil die Austria-Fans »Mile Grazie« sagten – Weil Thomas Flögel das schönste Hallen-Tor aller Zeiten erzielte – Weil Kärntner bei der Wiener Austria die Nummer 1 waren – Weil Pfeffer das Salz in der Suppe war – Weil die Austria selbst mit einer Niederlage Millionen machte – Weil mit ein Ur-Austrianer zum einzigen Universalisten Österreichs wurde – Weil der größte Torjäger im Schatten von Lichtgestalten stand – Weil Sindelar der erste Werbestar des Fußballs war – Weil zum Geburtstag Ronaldo und Figo gratulierten – Weil die Austria eine Weltkarriere ebnete – Weil Österreichs Jahrhundert-Fußballer ein Violetter ist

KAPITEL 2: VIOLETTE HEIMSTÄTTEN ...... 79 Weil die Austria in Ober-St. Veit mit Rapid auf Tuchfühlung ging – Weil man überall und nirgendwo daheim war und in einer Saison sechs (!) Heimstätten

5 hatte – Weil eine Erpressung die Austria ins Horr-Stadion brachte – Weil Bretter die violette Welt bedeuteten – Weil eine Tribüne sogar die Rapidler neidisch machte – Weil der Stadion-Besuch schon bei der Anfahrt ein Abenteuer ist – Weil dem violetten Fan überall nur Leckerbissen serviert werden – Weil die Generali Arena noch vor ihrem Umbau einen Preis erhalten hat

KAPITEL 3: VIOLETTE ABSURDITÄTEN ...... 95 Weil die Kaffeehäuser Spielwiese waren – Weil der Austria-Fan Qualität vor Quantität stellt – Weil die Farbe Violett für die Austria steht – Weil die Austria über den Dingen steht – Weil für die Austria ein Weltmeister nicht gut genug ist – Weil das Maskottchen seine Arbeit nicht immer nüchtern betrachtet – Weil ein Star bei der Austria verglühte – Weil das beste Eis von Wien um die Ecke ist – Weil die Austria so oft Vorreiter war – Weil man sich besser nicht mit der Austria anlegt – Weil erfolgreiche violette Trainer den blauen Brief erhalten – Weil die Austria der Rekordmeister der Herzen ist

KAPITEL 4: VIOLETTE FIGUREN ...... 115 Weil Luigi Hussak die Weichen für die Austria stellte – Weil der Schwimm- Chef für ruhige Gewässer sorgte – Weil auch die Austria einen Beckenbauer hat – Weil bei der Austria vor allem der Masseur ein Popstar ist – Weil die Austria der wahre Arbeiterverein ist – Weil Wiens Bürgermeister ein Veilchen ist – Weil ein Austrianer den Hallenzauber erfunden hat – Weil niemand so cool wie Hermann Stessl war – Weil Joschi Walter die Austria salonfähig machte – Weil die Austria den emotionalsten Wirtschaftsfachmann der Welt hat – Weil der größte Gentleman der Austria Stil verlieh – Weil die Austria mit hoch fliegen wollte und hart landete – Weil Norbert Lopper einzigartig war – Weil ein violettes Erfolgs-Duo Köln eroberte

KAPITEL 5: VIOLETT BACKSTAGE ...... 145 Weil die Austria das »Jogo Bonito« pflegt – Weil Österreichs Team nur dann rund rennt, wenn es bei der Austria läuft – Weil das Sprungbrett Austria den halben EURO-Kader 2016 stellte – Weil sich die Austria Frank Stronach antat – Weil die Austria nach Stronach überlebte – Weil Austrianer die schönsten Tore erzielen – Weil die Austria gerne den Doppelpack schnürte – Weil ein falsches Wort Austrianer auszucken lässt, die Familie aber nicht auseinander- bricht – Weil die Austria nie abgestiegen ist, aber auch nicht immer erstklassig

6 war – Weil die Grasshoppers der Austria auf die Sprünge halfen – Weil die Austria im Cup unerreicht ist – Weil ein Austrianer mit einem ordinären Spitz Historisches einleitete – Weil die Austria gegen unverbesserliche Fans vorgeht – Weil Austria für Österreich steht – Weil die Austria sozial engagiert ist – Weil die Austria mit Violafit vorausdenkt – Weil die Austria seit jeher den Nachwuchs pflegt – Weil kein Familienmitglied vergessen wird – Weil sogar das Logo extravagant ist

KAPITEL 6: VIOLETTE FANS ...... 181 Weil »Wudle« für die Austria drei Mal um die Welt gefahren ist – Weil der edelste unter den Edelfans bei der Austria eine Frau ist – Weil »Gerard« und die »Mamsch« über 4000 Austria-Spiele gesehen haben – Weil Austrianer in Dnjepropetrowsk den Schnee zum Schmelzen brachten – Weil ein Fotograf bei der Austria stets im Bilde ist – Weil echte Austrianer auch ohne Navi überallhin finden

KAPITEL 7: VIOLETTE WUCHTELN ...... 195 Weil Prohaska als Cowboy zur Austria kam – Weil die falsche Farbenlehre ein einschneidendes Erlebnis ist – Weil die Technik von den Technikern ausgetrickst wurde – Weil ein Steirer-Bua bei der Austria die große Welt kennenlernte – Weil man selbst beim Ausbüxen einen guten Stil pflegte – Weil Prohaska bei seinem Abgang schon an die Rückkehr zur Austria dachte – Weil bei Trans- fers immer Witz und Schlauheit dabei waren – Weil bei der Austria selbst Sanitäter für weltweite Unterhaltung sorgen – Weil Egon Coordes der »Lieb- ling« von Ogris & Zsak war – Weil Gustl Starek den Hut draufhaute – Weil ein Co-Trainer einen brennenden Hintern hatte – Weil man auf dem Weg zum Supercup an einem Security vorbei musste – Weil sogar ein Bordell-Besuch die Schiedsrichter nicht gnädig stimmen konnte – Weil violette »Spitzbuam« vor einem Derby die Nacht durchzechten – Weil Koncilia beim Skifahren völlig abschnallte – Weil Barcelona für Violette eine besondere Stadt ist – Weil die Austria 101 Djalmadinha holte – Weil die Austria den besten Autopolier des Landes hatte – Weil sich Pelé nur von einem Austrianer behandeln ließ – Weil Adriano Celentano in Mailand von Austria-Legende Prohaska ein Auto- gramm wollte und der »Schneckerl« in Rom fast blad wurde

QUELLENANGABEN ...... 234

7 Vorwort von David Alaba

ustria-Fan bin ich eigentlich, seit ich denken kann. Den ge- A nauen Grund dafür weiß ich nicht, vielleicht deshalb, weil die meisten meiner Freunde Rapid-Anhänger waren. Jedenfalls ent- schied ich mich in relativ jungen Jahren für die Austria, was dann auch eine Art Lebensentscheidung für mich war. Im Rückblick bin ich der Austria dankbar für die Entwicklung, die ich dort ge- nommen, für die Ausbildung, die ich dort genossen habe. Ich hatte in jeder einzelnen Nachwuchs-Mannschaft überragende Trainer, die mich von Jahr zu Jahr mehr gepusht und gefördert haben. Meine Entscheidung war also alles andere als ein Fehler! Ich erinnere mich heute noch an mein erstes Training, das war exakt einen Tag vor dem langen Sommerurlaub. Ich habe mich da- mals richtig geärgert, weil ich wochenlang warten musste, bis ich endlich wieder bei der Austria trainieren durfte. Die Austria war für mich auch deshalb so wichtig, weil ich über den Verein später in die Nachwuchs-Nationalteams des ÖFB gekommen bin. In der Hollabrunner Akademie habe ich schon mit 15 Jahren gemerkt, dass es für mich in die richtige Richtung ging, dass ich Potenzial hatte, um meinen Traum zu verwirklichen. Im Winter-Trainings- lager der Kampfmannschaft in Marbella durfte ich erstmals rich- tig Profi-Luft schnuppern. Da war mein Weg schon vorgezeichnet, spätestens da wusste ich, dass es klappen könnte. Bei Bayern München habe ich dann in den folgenden Jahren sicherlich den Feinschliff als Fußballer erhalten, aber ich muss ge- stehen, dass ich bei meinem Wechsel nach München schon sehr weit für meine 16 Jahre war – dank der guten Ausbildung bei der Austria. Dort habe ich das A & O des Fußballs gelernt. Und dafür kann und möchte ich nur eines sagen: Danke! Euer David Alaba

9 Also spricht der Jahrhundert-Austrianer

Interview mit Herbert Prohaska

Sie sind Jahrhundert-Austrianer, die violette Legende schlechthin. Warum wurde es eigentlich die Austria? Herbert Prohaska: Damals haben sich die vier großen Klubs in Österreich für mich interessiert. In Wien waren das Austria und Rapid, dazu noch Salzburg und Innsbruck. Eine Verbindung hatte ich zur , weil mein Vater mich dorthin zu den Spielen mit- genommen hat. Aber das war nicht mein Wunschziel. Als ich zur Austria gekommen bin, war ich genaugenommen kein Fan im Spe- ziellen von irgendeinem Verein.

Aber was hatte die Austria letztlich, was die anderen nicht hatten? Die Austria hat sich ganz einfach am meisten um mich gekümmert und bemüht. Vielleicht auch wegen der örtlichen Nähe, sie hatten es nicht weit zu Ostbahn XI nach Simmering, waren daher fast bei jedem Spiel und beobachteten mich. Außerdem hatte ich bei der Austria die größte Chance zu spielen, da die Mannschaft zu der Zeit im Umbruch war. Der Verein hat den wohl größten Schnitt in seiner Geschichte vollzogen, es sind nur die Routiniers Sara, Köglberger, Fiala und Krieger geblieben, dazu wurden viele Neue geholt. Der wurde damals von der Juniorenmannschaft rauf- gezogen in die erste Mannschaft.

Wie war es für den damals nicht ganz 17-jährigen Herbert Prohaska, als er erstmals die Austria-Kabine betrat?

10 Das war gleich eine lustige Geschichte und für mich eigentlich ein schrecklicher Beginn. Ich war nach der damaligen Mode für einen Simmeringer aus einer wenig betuchten Familie gekleidet. Schnürl- samthose, blaue Cowboy-Stiefel mit Holzabsätzen, dazu ein Shirt, das Cowboys wahrscheinlich als Unterleiberl getragen haben. Noch dazu in Rosa gehalten! Ich hatte somit kein gutes Gefühl, als ich die Kabine betrat. Dann stand ich vor dem großen Ernst Fiala, er schaut mich an und sagt: »Bist mit dem Pferd gekommen?« Ich hatte wirk- lich Angst, dass mich Fiala gleich von Beginn an nicht mögen könn- te, was aber dann nicht der Fall war.

Und dann zogen Sie erstmals das violette Trikot an … Das war ein Gefühl, als würde man mir das Goldene Vlies über- ziehen. Damals war das Trikot noch ohne Sponsor, da der Vertrag mit Schwechater kurz davor nicht verlängert worden war. Ich glau- be, mein erstes Austria-Trikot war ohne Sponsor und sogar ohne Logo. Einfach nur violett. Danach ist die Elementar als Sponsor auf die Brust gekommen. Für mich war das alles etwas ganz Be- sonderes.

Dabei waren Sie anfangs gar nicht wie erwartet eine Stammkraft. Richtig. Bei all den Testspielen durfte ich immer erst in der zwei- ten Hälfte spielen. Das war die sogenannte B-Garnitur. Wenn also Spiele 10:0 ausgegangen sind, ist es zur Pause 9:0 gestanden, dann sind wir Wappler gekommen und haben halt auch noch ein Tor geschossen.

Auch Ihr Debüt sahen Sie zu Beginn von der Bank aus. Wie war das? Nun, in meiner ersten Austria-Saison sind wir viel gewandert, weil wir keine echte Heimstätte hatten. Was vielleicht die wenigsten wissen, wir spielten damals viele Heimspiele im Hanappi-Stadi- on von Rapid. Joschi Walter hat der Stadt Wien gesagt, sie könne nicht nur Rapid das Stadion zur Verfügung stellen, wenn die Aus-

11 tria gleichzeitig keine echte Heimat hat. Mein erstes Spiel war am Sportclub-Platz, ich habe sehr gern gespielt dort wegen der Atmo- sphäre, oft waren das auch die bekannten Doppelveranstaltungen. Zu Gast war der regierende Meister und Titelfavorit Nummer 1, Innsbruck. Bei uns hat ein Tiroler gespielt, Klaus Kelmer. Der war zu der Zeit in Wien beim Bundesheer und hatte in der Nacht vor dem Match Wachdienst. Nach 20 Minuten musste er völlig ent- kräftet ausgetauscht werden, ich kam ins Spiel. Am Ende war es ein sensationeller Einstand, weil wir gegen Innsbruck ein 2:2 er- reicht haben.

Was war das Schönste in Ihrer langen Austria-Zeit? Leute reden gerne davon, dass eine Mannschaft, ein Verein eine Familie ist. Das stimmt oft genau so lange, bis du verlierst. Das war damals bei der Austria nie der Fall, das war sicher auch der Zeit geschuldet. Sara, Obermayer, Gasselich, Drazan, Baumeister, mit ihnen habe ich zehn Jahre zusammengespielt. In Österreich konnte dir niemand einen guten Spieler wegnehmen. Und ins Ausland haben sie maximal einen abgegeben. Um dieses Geld hast du dir dann zwei wirklich gute Spieler holen können. Da- mals waren alle wirklich dicke Freunde. Ich erinnere mich an ein Cupfinale im Hanappi-Stadion gegen den Sportclub, es war ein Abendspiel. Danach sind wir heimgefahren, und um vier Uhr in der Früh haben sich Obermayer, Morales, Schreitl, Josef Sara und ich mit unseren Frauen getroffen und sind gemeinsam nach Italien auf Urlaub gefahren. Ich glaube, das findet heute in der Form nicht mehr statt.

Warum eigentlich? Weil alles früher besser war, wie man so gerne sagt? Nein. Heute gehen die Spieler zur Arbeit. Wir sind ja nicht in die Arbeit gegangen, sondern zum Fußballspielen. Nach jedem Trai- ning haben sich immer acht bis zehn Spieler, damals noch am

12 WAC-Platz, zusammengesetzt, ein, zwei Seideln getrunken und sind dann erst heim gefahren. Das war für mich das Besondere, weil ich mich dort immer so wohlgefühlt habe.

Und was ist mit dem Stil der Austria, zu dem der Prohaska-Stil per- fekt gepasst hat? Der Stil der Austria war immer hoch und ist es heute noch. Auch der Stil im Umgang war außergewöhnlich. Mit dem Joschi Wal- ter hast du hart verhandelt. Nach außen war er hart, innen weich. Ich habe einen neuen Vertrag immer erst Monate später unter- schrieben, weil es mir wurscht war. Es hätte keiner Unterschrift be- durft. Wenn nicht am Monatsersten ausgezahlt worden wäre, hätte Walter getobt. So war das eben.

Und dennoch sind Sie dann ins Ausland gegangen und haben Ihre Austria verlassen. Ich bin tatsächlich aus zwei Gründen ins Ausland gegangen: Natür- lich des Geldes wegen, was ja heute keiner mehr zugibt. Aber ich wäre nie wegen viel Geld zu einem Verein gegangen, bei dem ich nicht spielen wollte. Und zweitens, weil damals Inter und In- teresse hatten und Welt-Klubs waren. Von Italien habe ich immer geträumt. Tottenham, Everton, Leeds, Brighton, aus Spanien­ von Gijon hatte ich Angebote. Nichts für ungut, aber dort woll- te ich nicht spielen. England wäre mit dem Stil für mich der Hor- ror gewesen. Heute ist das was anderes mit den Spielern aus ver- schiedenen Nationen. Aber früher, da haben die Verteidiger den Ball nach vorne gedroschen, dort haben ein paar Ochsen den Ball aufgeköpfelt, und der Mittelfeldspieler hat schießen müssen aus jeder Distanz. Das war ja überhaupt nicht mein Spiel. Da wäre ich verkümmert. Bei mir hat alles passen müssen. Auch Schalke woll- te mich haben. Die Obergrenze in Deutschland war damals zwei Millionen D-Mark. Die hätte ich gekostet, aber da war mein Ge- halt noch nicht inkludiert. Klaus Fischer hat mir dann am Telefon

13 gesagt, dass das nicht klappen würde. Eigentlich wollte ich von der Austria nie weg.

Haben Sie deshalb schon bei Ihrem Abgang Ihre Rückkehr mit einer Klausel eingeleitet? Ja, der Joschi Walter hat mich darum gebeten. Wenn ich jemals zurückkomme, dann soll ich ihn als Ersten anrufen und infor- mieren. Und das habe ich auch gemacht letztlich. Der Abgang bei der Roma hat sich dann eher schnell ergeben wegen Falcão. Die Austria hatte soeben Tibor Nyilasi geholt und dann das Geld auch für mich irgendwie zusammengekratzt. Dabei war Gernot Langes von Innsbruck nach Rom geflogen und hatte mir vier Millionen geboten. Ich habe ihm gesagt, dass es gar nicht um die Summe geht, weil Roma gar nicht entscheiden kann. Bei einer Rückkehr nach Österreich besagte die Klausel, dass nur ich entscheide. Daher war für mich sonnenklar, dass ich nur nach Wien gehe, wenn die Austria die Summe aufbringt. Der Klub hat es gestemmt letztendlich, ist über seinen Schatten gesprungen. Und ich habe dann für die damalige Zeit einen super Vertrag bekommen. Aus- tria und Roma sind meine Herzensklubs, die Austria ist aber klar an erster Stelle.

Wofür liebt man die Austria? Welche Stärken und welche liebens- werten Schwächen hat sie? Ich liebe die Austria aus so vielen Gründen; wenn ich die alle auf- zähle, sitzen wir ewig beisammen. Eine liebenswerte Schwäche wie- derum ist, dass die Austria immer weniger Fans hatte als Rapid. Ich wage aber zu behaupten, dass die Austria ebenso viele Sympa- thisanten besitzt wie Rapid. Im damaligen alten Praterstadion sind zwei Mal 72.000 Zuschauer gekommen, um uns gegen Moskau und Malmö zu sehen! Geht es um viel, dann will jeder dabei sein. Ich glaube, der Unterschied ist, dass die Austrianer weniger fanatisch sind als die Rapidler. Und vor allem immer anspruchsvoller. Bei

14 Austria musst du toll spielen, so wie das auf ganz höchster Ebene bei Real und Barcelona der Fall ist. Irgendwie zu gewinnen, das reicht nicht. Es muss immer ein Spektakel sein.

War das immer schon so? Ich glaube schon. Das ist historisch gewachsen. Ich erinnere mich noch an ein Fantreffen mit einer Diskussion auf einer Bühne in einem Lokal in Simmering. Ein Fan im Raum hat gemeint: »Was soll ich ins Stadion gehen, wenn ihr gegen Klagenfurt wahrschein- lich fünf Tore schießt? Das interessiert mich nicht.« Da habe ich ihn gefragt: »Wann wollen Sie denn ins Stadion gehen? Wenn wir die Chance haben, fünf Tore zu kassieren?« Gibt es etwas Schöneres, als damit zu rechnen, dass mein Klub dem Gegner fünf Tore schießt? Das ist der Austrianer. Für ihn ist ein Derby etwas Besonderes oder ein Spitzenspiel. Die normalen Spiele will er nicht sehen, weil es für ihn gefühlt um nichts geht.

Immer wieder bringen Sie dafür ein konkretes Beispiel. Ja, es ist mein Lieblingsbeispiel. An einem Mittwoch spielten wir vor 72.000 Zuschauern im Europacup-Halbfinale. Verlängerung, dann der Finaleinzug im Elfmeterschießen. Das Spiel hat alles ge- boten, was einen Fan glücklich macht. Wenige Tage später, ein Sonntagvormittag in der Liga. Zum Heimspiel gegen Sturm Graz kommen 4.500 Fans, es können aber sogar nur 3.500 im Horr-­ Stadion gewesen sein. Das waren nicht einmal zehn Prozent vom Mittwoch. Da habe ich mich schon gefragt, wo der Rest eigent- lich war.

Ganz ehrlich, ist man da als Austrianer neidisch auf Rapid? Nein, daran habe ich nie gedacht. Sicher hätten wir gerne öfter das Stadion voll gehabt. Schuld daran ist meiner Meinung nach der Umstand, dass die Austria so lange keine eigene Heimstätte ge- habt hat. Das klingt vielleicht verwunderlich, aber es hat eine Zeit

15 gegeben, da hat der Austria-Fan oft nicht gewusst, wo seine Veil- chen spielen. Ich bin mir sicher, dass das mit der neuen Generali Arena ab Sommer 2018 besser wird. Der Austria-Anhänger bleibt sehr schnell weg, wenn für ihn das Umfeld oder die Leistungen nicht stimmen. Dennoch war für mich die Austria immer gleich wie Rapid. Beide Klubs sind Traditionsmannschaften, die man auf der Welt kennt.

Hat man damals in Ihrer Zeit die Rivalität zwischen Violett und Grün auch so gespürt? Auf dem Feld schon, da war ich zu jedem unsympathisch, da hätte ich alle am liebsten niedergeschlagen. Die Rivalität war sportlich, aber es war nie Hass im Spiel. Ich hätte nie gesagt, den möchte ich gar nicht sehen. Man hat sich ja im Nationalteam getroffen. Mit war ich zu der damaligen Zeit sehr gut befreundet. Mit den Frauen sind wir sogar alle gemeinsam tanzen gegangen. Waren ja alles leiwande Burschen. Aber im Derby waren sie alle für mich Unsympathler. Mit Zizo Kranjčar habe ich nur gestritten, wir haben uns im Spiel geschimpft. Seine Frau hatte in der Wiener Innenstadt eine Kinder-Boutique, dorthin sind wir für unsere Kin- der einkaufen gegangen. Wenn er manchmal dort war, dann haben wir gelacht darüber, wie und was wir uns im Spiel alles geheißen haben. Das war damals noch etwas anders, weil die Spieler auch länger bei den Vereinen geblieben sind und sich daher viel öfter bei den Derbys gesehen haben.

Die Austria wäre doch nicht das, was sie ist, würde es den Erzrivalen nicht geben. So ist es, auch umgekehrt. In Italien habe ich fünf Mailänder Derbys zwischen Inter und Milan gespielt. Man hat mich einmal gefragt, was für mich der Unterschied zwischen Mailand und Wien ist. Ich habe ihnen Folgendes erklärt: »Hier in Mailand sind 80.000 Fans, in Wien vielleicht nur 25.000. Aber was ich in Wien fühle, kann

16 ich hier nicht fühlen. Hier ist alles imposant und um vieles größer. Aber es ist nicht mein Derby, sondern eures. In Wien war es immer mein Derby.« Die Derbys in Italien waren natürlich extrem intensiv. Da hat der Schiedsrichter nach 25 Minuten die erste Kopfschmerz- tablette nehmen müssen, weil er so oft in die Pfeife blasen hat müs- sen. Da hat jeder jeden nur niedergegrätscht. In Wien aber war ich immer aufgeregt und emotional. Das war was Spezielles für mich. Das war immer mein Derby.

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KAPITEL 1 VIOLETTE SPIELER & SPIELE 1. Grund

Weil die Austria der perfekte Partycrasher ist

Spielverderber ist ein widersprüchliches Wort. Im Fußball kann es aber ungemein positiv sein, wenn man sich als Spielverderber entpuppt. Dabei sind es die Austria-Fans seit über 100 Jahren ge- wohnt, das Gute, das Schöne am Fußballspiel zu bestaunen und zu bejubeln. Deshalb wird man Austria-Fan. Weil man den Fuß- ball liebt. Nicht immer haben es die violetten Mannschaften in der über 106-jährigen Klubgeschichte geschafft, das Spiel schön zu -ge stalten und den eigenen Fans eine Party zu verschaffen. Manch- mal wurde die Leidensfähigkeit des Fußball-Connaisseurs auf die Probe gestellt. Doch wirft man einen Blick auf die gesamte Klub- historie, dann überwogen sowohl national als auch international die Highlights. Dass die Austria noch immer für schöne Abende und wunder- bare Sonntage sorgen kann, bewies sie im Herbst 2016 innerhalb von nur vier Tagen. Donnerstag, 20.10.2016, Rom. Spätsommerliche Herbsttage in der ewigen Stadt, wo man vor dem Europa-League-Schlager AS Roma gegen Austria Wien nur einen Mann feierte. Nein, aus- nahmsweise war es nicht Austria-Legende Herbert Prohaska, der die Giallorossi einst zum zweiten Scudetto in der Vereinsgeschichte ge- führt hatte. Il »Grande Herberto« weilte zur gleichen Zeit im doch etwas entfernten New York, um mit seiner Gattin Geburtstag zu feiern und seiner zweiten Leidenschaft nach dem Fußball nachzu- gehen. Dem Eishockey. Ein Match der New York Rangers im Madi- son Square Garden ist für ihn einmal im Jahr Pflicht. So entging ihm ein historisches Spiel in Rom, das auch aus römischer Sicht einen Eintrag ins Geschichtsbuch fand. »Il Capitano«, der ewige Kapi- tän, Francesco Totti sein Name, lief gegen die Austria international zum 100. Mal für die Roma auf. Schon in den letzten 15 Jahren war

20 die Roma Totti, und Totti war die Roma. An diesem 20. Oktober aber noch viel mehr. Es sollte die große Party werden, kurzerhand wurde sogar der Schlachtruf »No Totti, no party« ausgegeben. Die Nummer 10 durfte dann auch von Beginn an spielen, keine Selbst- verständlichkeit in der laufenden Saison, der 23. in der Karriere des damals 40-Jährigen. Doch hat er seine Rechnung ohne die Austria gemacht, die sich just an diesem Abend in alter Spiellaune befand. Schon in der 2. Minute deutete ein Venuto-Solo an, dass der Aust- ria an diesem Abend im Stadio Olimpico der olympische Gedanke nicht reichte. Einfach nur dabei sein war doch nicht alles. 16. Spielminute. Kayode flankt von rechts, Raphael Holzhauser zieht mit links volley ab ins lange Eck. Ein Spielzug zum Mit-der- Zunge-Schnalzen. Ein Traumtor, das die Roma zurück in die Reali- tät holte. Auf deren Boden landete dann auch die Austria. El Shaa- rawy brachte die Roma per Doppelpack in Führung. Das 2:1, ein- geleitet mit einem Zuckerpass aus dem Knöchel eines gewissen Franceso Totti. Nach der Pause dann der vermeintlich sportliche Genickbruch. Die Totti-Party erreichte ihren Höhepunkt. Ein Außenrist-Schlenzer auf Alessandro Florenzi zum 3:1. Was aber dann kam, war typisch Austria. Unerschrocken, offen- siv, listig. Einwechselspieler und Jung-Talent Dominik Prokop be- hielt in der 82. Minute die Nerven, passte mit dem Innenrist den Ball ins lange Eck, als hätte er mindestens so viele Jahre und Spiele auf dem Buckel wie sein Gegenüber Francesco Totti. Zwei Minu- ten später stellte Kayode den 3:3-Endstand her. Ein Unentschieden wie ein Sieg. Das mussten auch die Hausherren anerkennen. Die Austria wurde unterschätzt, doch die Violetten erwiesen sich als Partycrasher für Jubilar Totti. Und somit auch für AS Roma, denn Totti ist Roma. Und Wien ist die Austria. Das war nur drei Tage später end- gültig klar. Im 319. Wiener Derby gewann man bei Rapid 2:0. Nun, so weit nichts Besonderes. Doch es war das erste Derby im neu gebauten Stadion des Stadtrivalen. Die Heimstätte am Rande des

21 Wienerwaldes war ausverkauft, Rapid bis zu diesem Zeitpunkt in einem Ligaspiel noch ungeschlagen. Der Lauf der Austria konnte je- doch nicht gestoppt werden. Ein Elfmeter von Raphael Holzhauser (37.) und der Treffer durch Alexander Grünwald (47.) schafften das Historische. Die Austria wurde für Stadtrivalen Rapid zum Party- Crasher. Die Veilchen werden auf ewig jene Mannschaft sein, die die Grünen in ihrem neuen Stadion als Erste geschlagen hat. Um dem Eintrag in die Geschichtsbücher gerecht zu werden, hier die Aufstellung der Veilchen. 23.10.2016; Rapid Wien – Aust- ria Wien 0:2: Hadzikic – Larsen, Rotpuller, Filipovic, Martschinko – Serbest, Holzhauser (66. Prokop) – Venuto (74. Tajouri), Grünwald, Pires (86. Stronati) – Kayode. Die Nummer 1 in Wien ist nun einmal die Austria. Sie bestimmt, wann eine Party stattfindet und wann und wie sie zu Ende geht.

2. Grund

Weil Toni Polster immer Goldene Schuhe anhatte

Wiener Prater, Happel-Stadion, Trainingsplatz Nummer zwei auf der rechten Seite. Dort, wo stets die Unter-21-Mannschaft der Wie- ner Austria, also die »Reserve«, trainierte. Plötzlich ein Aufschrei, als hätte sich jemand das Bein gebrochen oder wäre einem Messer- attentat zum Opfer gefallen. Doch weit gefehlt, handelte es sich lediglich um den Ausdruck von Freude. Toni Polster hatte beim Schusstraining der Mannschaft einen Ball von der Strafraumgrenze aus versenkt und feierte dieses so alltägliche Erlebnis, als hätte er die Austria soeben zum Europacupsieg geschossen. Das ist Toni Pols- ter, das zeichnete den Vollblutstürmer immer aus. Der Toni definierte sich und seine Leistung stets über Tore. Was kümmerte es ihn da schon, dass Mitspieler seit jeher seine Lauf- leistung im Spiel durchaus kritisch beäugten. Das war anderen

22 Kapazundern der stürmenden und treffenden Zunft ebenso -er gangen. Selbst lange nach seiner aktiven Karriere soll Polsters Kreis- lauf in Wallung geraten sein, wenn er bei dem belanglosesten Hob- by-Spiel aus seiner Sicht zu wenige Tore erzielte. Sagt man. Bei der Austria setzte er sich nicht gleich durch, erst der Umweg nach Simmering, wohin er verliehen wurde, ebnete ihm den Weg in die violette Kampfmannschaft, wo er in Folge nach Belieben traf und mit Andi Ogris oder Tibor Nyilasi jeweils ein erfolgreiches Sturm-Duo bildete. Ogris hatte kein Problem, bei Polster oft in die Rolle des Vorbereiters zu schlüpfen. »Wenn der Toni im Straf- raum den Ball bekommen hat, wussten wir, dass es gleich rascheln wird. Oft haben wir uns schon während der Aktion umgedreht und sind in Richtung Mittelkreis gegangen, weil wir von einem Tor aus- gingen.« Am Ende einer viel kritisierten, aber umso mehr umjubelten Karriere standen die nackten Zahlen, die für sich sprachen: ­Gewinner des Bronzenen Schuhs für Europas drittbesten Torjäger 1986, Rekordtorschütze Österreichs mit 44 Toren (der bis dahin führende Krankl rief sogar Teamchef Prohaska an und bat, Polster nicht mehr einzusetzen, damit der Rekord nicht gebrochen wird), bester Austria-Torschütze einer Saison (1986/87 mit 39 Treffern), 120 Treffer für Violett, Mitglied der Jahrhundert-Elf von FK Austria Wien, Sechster bei der Wahl zum Jahrhundertfußballer in Öster- reich. Ein Tiefschlag war für Polster das Jahr 1987. Mit besagten 39 Toren war der Wiener drauf und dran, den Goldenen Schuh der UEFA zu gewinnen, hatte aber auf der Ziellinie doch noch das Nachsehen gegen einen bis dahin wenig bekannten Rumänen. ­Rodion Cămătaru vom Geheimdienstklub Dinamo Bukarest hielt am 10. Mai 1987 noch bei 20 Treffern, am 25. Juni schoss er sich mit insgesamt 44 Liga-Treffern zum Torjäger Nummer 1 in Euro- pa. Was dazwischen geschehen war? Eine Manipulation, wie sich später herausstellte.

23 »Man muss im Leben auch vergessen können«,1 so Toni Polster. Der rumänische Stürmer legte im Liga-Finish eine außergewöhn- liche Serie an Spielen hin. Wo Rodion Cămătaru im Strafraum auf- tauchte, waren die Torhüter der Divizia A offensichtlich starr vor Schreck. So verlor Dinamo etwa bei Sportul Studentesc mit 4:5, aber für Cămătaru war es dennoch ein Sieg auf allen Linien. Er schoss alle vier Tore seiner Mannschaft. In sechs Runden von 23 auf 44 Tore. Der rumänische Verbandspräsident Modcea Pascu wies da- mals in einem Schreiben den Manipulationsverdacht zurück: »Die Tore von Rodion Cămătaru sind ordnungsgemäß erzielt worden.«2 Mitnichten. 1990 kam die Manipulation schließlich ans Licht. Polster wurde zwar später zum moralischen Sieger erklärt, doch auch Cămătaru durfte seinen Goldenen Schuh behalten. 1987 war der verärgerte Polster aus Protest der offiziellen Ehrung in Monte Carlo ferngeblieben. »Ich habe damals schon gewusst, dass es nicht mit rechten Dingen zuging und ich der wahre Sieger bin.«3 Einem Polster ist das wichtig. Sonst wäre er nie das geworden, was er war: ein violetter Torjäger, vielleicht der beste, den Österreich je hatte.

3. Grund

Weil die Austria die Königin Europas war

Noch lange bevor Real Madrid sich mit einem Landesmeister-Cup nach dem anderen zu den Königen aufschwang und dadurch sei- nen heute noch gültigen Mythos begründete, gab es eine Phase vor dem Zweiten Weltkrieg, in der die Wiener Austria den kontinenta- len Fußball beherrschte. Man höre und staune. Der Fairness halber muss an dieser Stelle eingeräumt werden, dass Erzrivale Rapid den Mitropacup als erste österreichische Mannschaft 1930 gewann und schon in den Jahren 1927 und 1928 jeweils das Finale erreicht hatte. Und 1931 setzte sich die Vienna in

24 einem rein österreichischen Endspiel gegen den WAC durch. Doch danach schlug die Stunde der Austria, der es als erster heimischer Mannschaft gelang, diesen prestigeträchtigsten Bewerb im europäi- schen Fußball zwei Mal – 1933 und 1936 – zu gewinnen. Im Juni 1933 startete das Abenteuer Mitropacup für die Violet- ten mit einem Testspiel gegen Rapid. Man nahm den Erzrivalen zur Hand, um sich in Schwung zu spielen für den Mitropacup, in dem schon in der ersten Runde das übermächtige Slavia Prag als Gegner wartete. Der Austria wurden nur Außenseiterchancen eingeräumt, das Hinspiel bestätigte auch die Rollenverteilung, Slavia gewann in Prag 3:1, wobei die Wiener viele Chancen leichtfertig verjuxten. Das Rückspiel im Wiener Prater gestaltete sich völlig anders, 30.000 Zu- schauer sahen eine völlig entfesselte Austria, die 3:0 gewann. Im Halbfinale wartete der nächste scheinbar übermächtige Geg- ner, ein gewisses Juventus . Weil nur noch die Austria als österreichische Mannschaft in dieser Saison im Mitropacup übrig geblieben war, pilgerten gleich 50.000 Fans ins Praterstadion und sorgten für eine echte Länderspiel-Stimmung. Die Austria präsen- tierte sich in furiosem Zustand und siegte 3:0, eine tolle Ausgangs- position für das Rückspiel, in dem eine kämpferische Austria ein 1:1 und somit das Endspiel erreichte. Dort wartete Ambrosiana Mai- land, später nannte man sich Inter. Unvorstellbar in der heutigen Zeit, aber damals musste man die Finaltermine mit den Italienern noch aushandeln. Ganz nach dem Motto: Wann habt ihr Zeit für das Mitropacupfinale? Das Hinspiel fand in Mailand statt, Ambrosiana gewann 2:1, das Auswärtstor von Spechtl sollte noch Gewicht haben. Das Rückspiel stand ganz im Zeichen des herausragenden , der mit einem Hattrick die Austria im Alleingang zu einem 3:1 und zum Titelgewinn schoss. Die Austria befand sich auf dem Thron Europas. Den musste man schon in der kommenden Saison räumen, da man bereits im Achtelfinale an Ujpest scheiterte. Im Jahr

25 darauf dribbelte sich die Austria immerhin bis ins Halbfinale nach abermaligen Siegen über Ambrosiana Mailand und Slavia Prag, ehe Ferencváros Budapest eine zu hohe Hürde darstellte. Im Jahr 1936 wurde der Mitropacup ein weiteres Mal auf- gestockt, neben den traditionellen Nationen Italien, Österreich, Tschechoslowakei und Ungarn nahm erstmals auch die Schweiz teil. Jedes Land durfte vier Teilnehmer stellen, wodurch es erstmals einer Qualifikation bedurfte. In dieser trafen die Austrianer auf die befreundeten Grasshoppers aus Zürich, Geschenke verteilten die Wiener aber keine. Auch , Slavia Prag und Ujpest Budapest wurden von den Veilchen des Bewerbs verwiesen. Im Endspiel war- tete wieder eine Klassemannschaft aus Prag, diesmal nicht ­Slavia, sondern Sparta. Nach dem doch enttäuschenden 0:0 im Hinspiel in Wien schie- nen die Chancen auf den zweiten Titelgewinn für die Wiener zu schwinden. Für das entscheidende Rückspiel nahm die Austria erst- mals einen Masseur mit auf die Reise, nichts wollte man dem Zu- fall überlassen. Zudem reisten 3000 Schlachtenbummler aus Wien an und drückten in Prag die Daumen – mit Erfolg. Die Austria vollbrachte eine sensationelle Mannschaftsleistung mit ausgefeilter Taktik und gewann durch das Goldtor von Jerusalem mit 1:0. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre krönte man sich zur Königin des europäischen Fußballs. Dieses Double war der größte Erfolg, den je eine österreichische Vereinsmannschaft errang. Am 28. Ok- tober 1936 wurde dieser Triumph ausführlich im Wiener Rathaus- keller gefeiert. Ob mit viel Spritz-Wein ist nicht überliefert …4

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