NR. 1 | 2013 | 9. Jahrgang NACHRICHTENINFO 26 INHALT

Geleitwort 04 | 05

Nekrolog 06

Lichtenstein Regierungschef besucht Ex--Gefängnis 07

Bezirk Lichtenberg zeichnet Förderverein mit Preis aus 08 | 09

Ungarischer Staatspräsident besucht Ex-Stasi-Gefängnis 10 | 11

IHRE UNTERSTÜTZUNG Diplomaten aus 37 Ländern besuchen Ex-Stasi-Gefängnis 12 | 13

Der Förderverein freut sich auf Ihre Rückumzug der Gedenkstätte 14 | 15 Mithilfe. Mitglieder können Personen oder Organisationen werden, die des- Kurznachrichten 16 | 17 sen Ziele ideell und materiell unter- stützen wollen. Ex-Stasi-Oberst wegen Geschichtsfälschung verurteilt 18 | 19

Organisationen oder privatwirtschaft- Zentrales Mahnmal für die Opfer des Kommunismus gefordert 20 liche Unternehmen, die den Förder- verein unterstützen, werden von der Kunstwettbewerb für Stasi-Opfer Gedenkstätte entschieden 21 Gedenkstätte auf Wunsch öffentlich erwähnt. Gedenkstättenprojekt zur Aufarbeitung der Vergangenheit Tunesiens 22

Für Ihre Spenden und Mitgliedsbeiträ- Die Demut des Opfers 23 | 25 ge stellen wir Ihnen eine Spendenbe- scheinigung aus. Edda Schönherz: „Die Solistin“ 26 | 27

Nancy Aris, Clemens Heitmann: „Via Knast in den Westen“ 28 | 29

SPENDENKONTO Das Lettische Okkupationsmuseum 30

Förderverein Gedenkstätte -Hohenschönhausen

Commerzbank Berlin KTO 622 622 900 BLZ 120 400 00 Geleitwort

Liebe Mitglieder und Freunde des Fördervereins, Der Vorstand hat Herrn Dr. Knabe da- land. Besonders stark stieg die Zahl für gedankt, dass er ein Strafverfah- der ausländischen Gäste an – um ein manches Mitglied mag sich in der Frühlingssonne die Au- ren gegen den früheren Stasi-Offizier Viertel auf etwa 67.000 Personen. gen reiben, aber es ist die erfreuliche Wirklichkeit. Der Wolfgang Schmidt angestrengt hat. Förderverein geht mit Riesenschritten seinem zehn jähri- Dieser hatte auf der Internetseite des Ich wünsche Ihnen unbeschwerte gen Jubiläum entgegen. Am 27. November 2003 haben so genannten MfS-Insiderkomitees Sommertage! 19 Gründungsmitglieder den Förderverein in Berlin aus der das 1952 hingerichtete Mitglied der Taufe gehoben. Heute gehören dem Verein 180 Mitglieder Kampfgruppe gegen Unmenschlich- an. Auf seiner letzten Sitzung hat der Vorstand das Ziel for- keit (KgU) Johann Burianek als „Ban- Ihr Jörg Kürschner muliert „200 Mitglieder zum 10. Geburtstag“. Mit anderen diten“ und „Angehörigen einer terro- n Worten, wir hoffen auf 20 Neueintritte im nächsten Halb- ristischen Vereinigung“ bezeichnet. jahr. Bitte merken Sie sich schon jetzt den 7. November 2005, 53 Jahre nach der Enthauptung, vor. Auf der Tagesordnung der Jahresmitgliederversamm- war Burianek vom Landgericht Berlin lung steht u. a. die Neuwahl des Vorstands. Anschließend rehabilitiert worden. Dieses Gericht wollen wir während eines kleinen Empfangs an unsere gab der Klage Knabes jetzt wegen Gründung erinnern und die vergangenen 10 Jahre Revue der „Verunglimpfung des Andenkens passieren lassen. Verstorbener“ statt und verurteil- te Schmidt zu einer Geldstrafe von Ein ehrgeiziges Ziel, das wir nur mit Ihrer Hilfe erreichen 1.200 Euro. Es bestätigte damit ein können. Darum möchte ich Sie herzlich bitten. Sicher gibt Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergar- es in ihrer Familie, am Arbeitsplatz, im Freundes- und Be- ten. Von besonderer Bedeutung ist, kanntenkreis Interessierte, die für die Vorhaben des För- dass ein Gericht erstmals die „Ver- dervereins gewonnen werden können. Dazu ein wichtiger unglimpfung des Andenkens Verstor- Hinweis: Der Vorstand hat für Jugendliche von 16 bis 26 bener“ auf Opfer der SED-Diktatur Jahren die Möglichkeit einer zweijährigen, kostenfreien bezieht (siehe auch Seite 18). Der Ex- Schnuppermitgliedschaft beschlossen. Einzelheiten dazu Stasi-Offizier hat Revision gegen das finden Sie auf www.foerderverein-hsh.de. Zusätzlich wer- Urteil angekündigt. den wir mit der Gedenkstätte eine Mailingaktion starten, mit der wir gezielt zum Eintritt in den Förderverein werben. Nachtrag: Im vergangenen Jahr haben etwa 351.000 Menschen die Gedenk- Daran mögen Sie erkennen, dass sich die Zusammenar- stätte Berlin-Hohenschönhausen be- beit zwischen Förderverein und Gedenkstätte in der Sache sucht, rund 10.000 Menschen mehr reibungslos und im persönlichen Umgang freundschaftlich als 2011. Seit deren Gründung 1994 gestaltet. So haben wir außerdem beschlossen, die Aktivi- haben damit insgesamt 2,6 Millionen täten zur Generierung von Spenden zu bündeln, um deren Menschen das ehemalige Stasi-Ge- Einsatz für Projekte in der Gedenkstätte zu optimieren. fängnis besichtigt. Erneut kamen pro- zentual mehr Besucher aus den alten Bundesländern als aus Ostdeutsch-

4_Interna Interna_5 Nekrolog Lichtenstein Regierungschef von Jörg Kürschner besucht Ex-Stasi-Gefängnis von Jörg Kürschner

Herbert Pfaff zu machen, ihnen von dem zu berich- * 8. Juli 1934, † 7. Januar 2013 ten, was er und andere hier erlebten, wurde zu seinem Lebensinhalt. „Ich habe über drei Jahre meine Schnauze gehalten. Und als ich dann Manchmal war Herbert etwas zu laut gesagt habe, wo ich war, da hat es und derb, bisweilen unbequem, aber mir keiner mehr geglaubt“. Diese Er- wer wollte ihm das verübeln. Die Zeit fahrung hat Herbert Pfaff nach seiner der Stasi-Haft hatte ihn geprägt und Haftentlassung machen müssen, der Spuren auf seiner Seele hinterlas- zweimal in Hohenschönhausen einge- sen. Nur konnte niemand diese se- sessen hat. hen. Dass er sich aus dieser aktiven Aufklärungsarbeit in den letzten Jah- Der 20-jährige Westberliner nahm ren krankheitsbedingt zurückziehen 1954 mit Freunden an einem FDJ- musste, schmerzte ihn sehr. Treffen im Ostteil der Stadt teil. Die Stasi verhaftete ihn unter Spionage- vember 1964 wurde Herbert Pfaff er- Am 7. Januar ist Herbert Pfaff im Al- Botschafter Prinz von und zu Liechtenstein (links), Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher im Gespräch mit verdacht, da er den Ausweis eines neut verhaftet, nachdem er mehr als ter von 78 Jahren verstorben. Die Bei- Michael Lotsch Ostberliner Bürgers bei sich trug, den 40 DDR-Bürgern zur Flucht verholfen setzung fand auf dem Neuen Zwölf- er zuvor am Bahnhof Pankow aufgele- hatte. Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg Ende Januar hat der Regierungschef sen hatte. statt. von Liechtenstein Dr. Klaus Tschüt- Dies führte zu weiteren acht Mona- n scher gemeinsam mit dem Botschaf- Sieben Monate Untersuchungshaft ten in Hohenschönhausen. Sie wa- ter S.D. Prinz Stefan von und zu im berüchtigten U-Boot folgten. „Also ren erneut geprägt von Einzelhaft, Liechtenstein und einer 7-köpfigen Schlafentzug wurde voll und ganz stundenlangen Verhören und den Delegation das ehemalige zentrale durchgezogen, und tagsüber durfte zermürbenden Zersetzungstaktiken Untersuchungsgefängnis der Staats- ich nicht auf der Pritsche liegen, auch des Staatssicherheitsdienstes. Diese sicherheit besichtigt. nicht nach nächtlichen Vernehmun- Erfahrungen machten ihn zu einem gen. Zur Genüge körperliche Miß- entschlossenen Kämpfer gegen die Nach der Begrüßung durch Gedenk- handlungen, Backpfeifen, Lampe in DDR-Diktatur. So führte er als einer stättendirektor Hubertus Knabe ver- die Fresse, Fußtritte in den Hintern“ der ersten ehemaligen Häftlinge nach mittelte der frühere Stasi-Häftling schildert Pfaff seinen Leidensweg in dem Fall der Mauer Schüler, Gäste Michael Lotsch während der Führung dem Foto- und Interviewband „Inhaf- des Bundestages über das Gelände durch U-Boot, Zellen- und Vernehmer- tiert“ der renommierten Berliner Fo- der früheren Untersuchungshaftan- trakt einen authentischen Eindruck tografin Franziska Vu. stalt. vom Haftalltag in Hohenschönhausen.

Nach seiner Freilassung engagierte Den Menschen in seinen Führungen n sich Pfaff in der Berliner CDU und diesen „Ort des Grauens“ und das beim Deutschen Roten Kreuz. Im No- hier geschehene Unrecht begreiflich

6_Gedenken Besucher_7 Bezirk Lichtenberg zeichnet Förderverein mit Preis aus von Jörg Kürschner

Mario Röllig und ich hatten die Ehre, Einschusslöcher aus dem Zweiten den Preis entgegennehmen zu dürfen. Weltkrieg sehen. In der ehemaligen Mancher im überfüllten Rathausaal Kleiderfabrik „VEB Fortschritt“ ent- konnte ein überraschtes Aufstöhnen standen begehrte Lofts, die Straßen nicht unterdrücken. Bevor Andreas rings um die Normannen-, und Mag- Geisel Bürgermeister wurde, war der dalenenstraße sind schön wie nie. Bezirk fest in der Hand der SED-PDS- Wer dort spazieren geht, weiß, dass Linken. Die Bundestagsabgeordnete es kein unrealistisches Ziel ist, was Lötzsch (Linke) verließ sogar unauffäl- Bürgermeister Geisel verfolgt: Lich- lig, aber zügig den Saal. tenberg zu einem Ort für Familien mit Kindern zu machen. Jahrelang hatte es Spannungen zwi- schen dem Bezirk und der Gedenk- Wenn, wie Roland Jahn vorgeschla- stätte gegeben. Das änderte sich gen hat, aus der ehemaligen Stasi- Preisverleihung: Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (Mitte), FV-Gründungsmitglied Vera Lengsfeld (rechts) und FV- erst, als Andreas Geisel ins Amt kam. zentrale ein Campus für Demokratie Mitglied Mario Röllig (links) während der Feierstunde im Rathaus Lichtenberg Schon früh besuchte er mit einer re- wird, wird sich die letzte Düsternis, Nach Jahrzehnten tiefster politischer die frühere DDR-Bürgerrechtlerin für präsentativen Delegation aus dem die der Ort heute noch ausstrahlt, PDS-Finsternis im Rathaus Lichten- eine kurze Ansprache: Bezirksamt die Gedenkstätte und verflüchtigen. Die ehemalige Unter- berg hat sich mit der Amtsübernah- machte klar, dass er sich dafür einset- suchungshaftanstalt Hohenschön- me des Sozialdemokraten Andreas Im Rückblick hat sie ihre Gedanken zen würde, dass zukünftig auch Lich- hausen ist auf andere Weise zum Geisel als Bürgermeister des Bezirks noch einmal zu Papier gebracht. tenberger Schulen sie besuchen wür- Ort der Demokratie geworden. Je- Lichtenberg (knapp 270.000 Einwoh- den. Lichtenberg hatte lange Zeit mit der Schüler, der hier war, weiß am ner) das Verhältnis zur Gedenkstätte Am gestrigen 25. Januar fand im den historischen Lasten zu kämpfen, Schluss einer Führung, warum es Hohenschönhausen deutlich zum Po- schönen Lichtenberger Rathaus in die von der DDR hinterlassen wurden: sich lohnt, die Demokratie zu vertei- sitiven verändert. Geisel pflegt steten Berlin etwas statt, das man getrost Die Stasizentrale in der Magdalenen- digen. Die Gedenkstätte ist immer Kontakt zur Gedenkstätte und empfin- als Zäsur bezeichnen kann. Bürger- straße, das Stasiuntersuchungsge- mehr als ein Museum gewesen. Sie det Empathie mit den Schicksalen der meister Andreas Geisel (SPD) über- fängnis in Hohenschönhausen. Nach ist ein Lernort, eine Denkwerkstatt. ehemaligen politischen DDR-Häftlin- reichte dem Förderverein der Ge- der Vereinigung kam der Ruf als Na- ge. So zeichnete der Bezirk Lichten- denkstätte Hohenschönhausen den zihochburg am Bahnhof Lichtenberg Mit dem Umbau und der neuen Aus- berg den Förderverein Ende Januar „Preis für Demokratie und Zivilcoura- hinzu. stellung wird das noch deutlicher mit dem „Preis für Demokratie und ge“. In seiner Rede unterstrich Gei- werden. Mit dem Preis ist die Ge- Zivilcourage 2013“ aus. sel, die Preisträger hätten sich „sich Heute gehört der Bezirk zu den am denkstätte Hohenschönhausen end- seit vielen Jahren beispielhaft um die meisten unterschätzten in Berlin. gültig in der Mitte von Lichtenberg Die Mitglieder des Fördervereins, Vera Stärkung der Zivilgesellschaft und das Es hat sich viel getan. Rings um das angekommen. Beide werden davon Lengsfeld und Mario Röllig, nahmen demokratische Miteinander verdient Rathaus ist in Nachbarschaft der Par- profitieren. den mit 1.000 Euro dotierten Preis gemacht und empfinden eine ausge- kaue ein attraktives Wohngebiet ent- n während einer kleinen Feierstunde prägte Verantwortung für die Gegen- standen. Im Jahr 1989 konnte man von Geisel entgegen. Gelegenheit für wart und Zukunft.“ hier an den Hausfassaden noch die

8_Auszeichnung Auszeichnung_9 Ungarischer Staatspräsident besucht Ex-Stasi-Gefängnis von Jörg Kürschner

Meghatározó élmény volt számomra, hogy köztársasági elnökként első németországi látogatásom alkalmával meg- tekinthettem a hohenshönhauseni egykori Stasi-börtönt. Mélyen megráztak a személyes elbeszélések az elnyomó rendszerről, mely német földön is oly sok ártatlan áldozatot követelt. Kívánom, hogy a kommunista időszak rémtetteit megismerve ú j és ú j nemzedékek mondjanak határozott nemet bármiféle diktatú rára.

„Bei meinem ersten Deutschlandbesuch als Staatsprä- sident von Ungarn das ehemalige Gefängnis der Stasi in Hohenschönhausen besuchen zu können, war für mich ein bedeutendes Erlebnis. Die persönlichen Berichte über das Unterdrückungssystem, das auch auf deutschem Boden so viele unschuldige Opfer gefordert hat, haben mich tief erschüttert. Ich wünsche mir, dass immer neue Genera- tionen in Kenntnis der Greueltaten der kommunistischen Begrüßung von Ungarns Staatspräsident János Áder durch Vize-Gedenkstättendirektor Helmuth Frauendorfer FV-Mitglied Mario Ära zu jeglicher Art von Diktatur ganz entschieden Nein Röllig im Gespräch mit Anfang März hat der ungarische Während des Rundgangs zeigte sich sagen.“ Staatspräsident János Staatspräsident János Áder die Ge- Áder erschüttert über die Haftbedin- Áder (Mitte) denkstätte Berlin-Hohenschönhau- gungen im ehemaligen sowjetischen Auch im Gespräch mit Helmuth Frauendorfer betonte das sen besucht. Anlässlich seines Re- Kellergefängnis, dem sogenannten ungarische Staatsoberhaupt, wie wichtig die Aufarbeitung gierungsantritts im Mai 2012 war er „U-Boot“. So könne er sich gar nicht des Kommunismus sei – über nationale Grenzen hinweg. zusammen mit dem Staatssekretär vorstellen, wie die einstigen Häftlinge Als Mitbegründer des Budapester „Haus des Terrors“ Gergely Pröhle und drei ungarischen unter diesen Umständen und beson- sprach sich Áder für eine deutsch-ungarische Kooperation Schülerinnen und Schülern in das ehe- ders bei Kälte ohne Heizung überle- bei einem Projekt aus, das sich besonders mit den Bio- malige Stasi-Gefängnis gekommen. ben konnten. Auch im Zellentrakt des graphien von Opfern kommunistischer Gewalt auseinan- Nach einem Rundgang durch die ehe- Gefängnisneubaus folgte er interes- dersetzen soll. Künftig werden die Gedenkstätte Berlin-Ho- maligen Zellen und Verhörräume legte siert den Schilderungen Mario Rölligs henschönhausen und das „Haus des Terrors“ in Budapest er einen Kranz am Gedenkstein für die über dessen eigene Hafterfahrungen. enger zusammenarbeiten, sicherte Helmuth Frauendorfer Opfer der kommunistischen Gewalt- Áder zeigte sich überrascht, mit wel- dem Staatspräsidenten zu. herrschaft nieder. Begleitet wurde er cher Perfektion die Stasi ehemalige n dabei von Vize-Gedenkstättendirektor Häftlinge allein durch Isolation trak- Helmuth Frauendorfer, und dem frü- tiert hatte. heren Stasi-Häftling, FV-Mitglied Ma- rio Röllig, der nach einem gescheiter- Nach dem Rundgang schrieb János ten Fluchtversuch mehrere Wochen Áder in das Gästebuch der Gedenk- auch in Ungarn inhaftiert war. stätte:

10_Besucher Besucher_11 Diplomaten aus 37 Ländern besuchen Ex-Stasi-Gefängnis von Jörg Kürschner

Mitte Januar haben mehr als 70 Botschafter und andere Die Gedenkstätte und das Auswärtige Diplomaten aus über 37 Ländern das ehemalige Stasi- Amt kooperieren seit Längerem in der Gefängnis besichtigt. Anlass war eine Einladung an das Weitervermittlung von Erfahrungen Diplomatische Corps, sich vor Ort einen Eindruck von der bei der Vergangenheitsbewältigung. Stasi-Aufarbeitung in Deutschland zu machen. Bei dieser So unterstützt die Gedenkstätte seit Gelegenheit würdigte die Staatsministerin im Auswärtigen 2012 auf Basis einer Regierungsver- Amt, Cornelia Pieper, die Arbeit des 2003 gegründeten einbarung die Aufarbeitung der ge- Fördervereins. stürzten Diktatur in Tunesien. Auch im Zuge der Internationalen Diplomaten- „Ein Weiteres zur Bewältigung dieser unseligen Vergan- ausbildung in Berlin besuchen viele genheit leistet der Förderverein Gedenkstätte Berlin- Ho- der etwa 300 Nachwuchsdiplomaten henschönhausen. Er trägt dazu bei, dass das Leid in der aus aller Welt das ehemalige Stasi- zweiten Diktatur in Deutschland nicht vergessen wird“. Gefängnis. Zudem nahmen zahlrei- che Regierungsvertreter und Aufar- Zugesagt hatten auch zahlreiche Vertreter von Ländern, die beitungseinrichtungen in den letzten selber unter Diktaturen gelitten haben oder noch immer Jahren die Expertise der Gedenkstät- leiden. Darunter waren die Botschafter von Ägypten, My- te auch direkt in Anspruch. anmar, Weißrussland, Jemen, Korea und dem Irak. n In mehreren Gruppen wurden die Diplomaten und Bot- schafter von Marokko, Ghana, Kanada, Jamaika, Litauen, Peru, der Mongolei und anderer Staaten durch das ehema- lige Stasi-Untersuchungsgefängnis geführt. Die Zeitzeu- gen, darunter FV-Gründungsmitglied Vera Lengsfeld, und Historiker der Gedenkstätte informierten sie in verschiede- Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, nen Sprachen über die Haftumstände und die Geschichte würdigt die Arbeit des Fördervereins des Ortes. Beim anschließenden Empfang kamen die Ver- Internationaler Gedankenaustausch: Gedenkstätten- direktor Hubertus Knabe im Gespräch mit Diplomaten treter der Länder auch miteinander ins Gespräch.

Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe unterstrich in sei- ner Begrüßungsrede die internationale Bedeutung des Umgangs mit Vergangenheit und der Aufarbeitung von Diplomaten während diktatorischen Regimes. „Nicht nur Deutschland wurde des Rundgangs. FV- von grausamen Diktatoren beherrscht, vermutlich teilt die Gründungsmitglied Vera Mehrheit der Länder in der Welt diese Erfahrung. Viele von Lengsfeld schildert die Haftbedingungen (unten) ihnen suchen auch nach Möglichkeiten, um die Opfer zu würdigen und die Bevölkerung zu Demokraten zu erzie- hen.“

12_Besucher Besucher_13 Rückumzug der Gedenkstätte von Naomi Koch

Nach knapp zwei Jahren im Interims- Einpacken, auspacken, quartier in der Genslerstraße 13 konn- einordnen – der Umzug ist vollbracht te die Gedenkstätte im Februar 2013 endlich zurück in die nun sanierten Räumlichkeiten auf dem Gelände der ehemaligen Haftanstalt ziehen.

Weniger häufig gebrauchte Teile der Büroausstattung waren bereits in vo- rangegangenen Wochen nach und nach in Kisten verstaut worden. Mit Hilfe der Mitarbeiter des bestellten Umzugsunternehmens fanden ab dem Morgen des 19. Februar schließ- lich – bei ansonsten nahezu unverän- dertem Gedenkstättenbetrieb – sämt- liche Büros ihren Platz in unzähligen Kisten.

Und nicht nur die Büros – u.a. auch das Archiv und die Bibliothek galt es für den Transport quer über die Straße zu verstauen, wobei letztere für sich allein bereits an die 200 Kartons be- anspruchte.

Einigen kleineren Schwierigkeiten zum Trotz verlief der Umzug im Gro- ßen und Ganzen doch relativ zügig Umzugsunternehmen, Umzugshelfer, Umzugskisten, und reibungslos, gemessen jedenfalls Umzugsdirektor – Genslerstraße 13 > Genslerstraße 66 Bei anderen dauerte es etwas länger, bis alles so herge- an der Dimension des Unterfangens. richtet war, dass auch die gewohnte Arbeitsroutine wieder es schließlich zu verdanken, dass es Einzug halten konnte. Die Erfahrungen des ersten Umzugs einigen Bereichen bereits am Don- und die daraus gezogenen Lehren nerstag, den 21.02. möglich war, den So schien nach dem Umzug – im Voraus von manchen waren dabei ebenso eine Hilfe, wie Betrieb in den „neuen alten“ Räumen mehr, von einigen weniger freudig erwartet – das allge- das engagierte Anpacken aller Mit- nahezu uneingeschränkt wieder auf- mein vorherrschende Gefühl dann auch vor allem anderen arbeiter. Besonders dem unermüdli- zunehmen. die Freude darüber zu sein, es hinter sich zu haben. chen Einsatz der Haustechniker war n

14_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_15 Kurznachrichten

nn Mehr als 500 Zeitzeugen aus der habe das Pilotprojekt des Fraunhofer- Abschiebung in den Westen mitwirk- war 1975 vom Studium ausgeschlos- DDR haben 2012 in Schulen und an- Instituts ein halbes Jahr Zeitverzug, te, gewann ich schon damals den sen und als „Konterrevolutionär“ mit deren Bildungseinrichtungen über sagte die Sprecherin der Stasi-Unter- Eindruck, dass er mit dem Staatssi- einem Publikationsverbot belegt. We- ihr Leben unter der SED-Diktatur be- lagenbehörde, Dagmar Hovestädt. cherheitsdienst gesprochen hatte und nig später wurde er im Stasi-Gefäng- richtet. Organisiert wurden die Veran- Ursache sind demnach Probleme mit zusammenarbeitete“. Die Hambur- nis Hohenschönhausen inhaftiert und staltungen vom Zeitzeugenbüro der der Rahmensoftware für den Scan- ger Staatsanwaltschaft führt bereits nach neun Monaten ohne Prozess Gedenkstätte, das diese zusammen ner. Laut Institut werde die Pilotpha- entsprechende Ermittlungen gegen nach Berlin (West) abgeschoben. jök mit der Bundesstiftung zur Aufarbei- se deshalb nun frühestens Ende 2016 Gysi. jök tung der SED-Diktatur und der Stif- abgeschlossen. In der Testphase soll- nn Eine Sonderausstellung über den tung Berliner Mauer trägt. Das Büro ten zunächst Akten aus 400 der einst nn Gedenkstättendirektor Huber- DDR-Regimegegner Michael Garten- ermöglicht Lehrern, DDR-Zeitzeugen 16. 000 Säcke mit zerrissenen Stasi- tus Knabe hat gegen die Entlassung schläger ist im Grenzhus Schlagsdorf aus ihrer Umgebung kostenlos für Unterlagen rekonstruiert werden. jök des Chefs der tschechischen Stasi- in Nordwestmecklenburg unweit von den Unterricht zu gewinnen. jök Unterlagenbehörde, Daniel Herman, dessen Todesort zu sehen. Garten- nn Trotz verstärkter Anstrengun- protestiert. „Ich bin entsetzt und alar- schläger war 1976 an der früheren in- nn Gedenkstättendirektor Huber- gen von Behördenchef Roland Jahn miert, wie nach den Präsidentenwah- nerdeutschen Grenze in Bröthen bei tus Knabe hat neue Regeln für den arbeiten noch immer 39 frühere Sta- len in Tschechien mit dem Leiter einer Büchen (Kreis Herzogtum Lauenburg) Umgang mit Stasiakten gefordert. si-Mitarbeiter in der Stasi-Unterla- der renommiertesten Aufarbeitungs- von einer Stasi-Spezialeinheit erschos- Verantwortlich für das Problem der genbehörde. Von den einstmals 47 einrichtungen Europas umgegangen sen worden. Er hatte vom Westen aus langen Bearbeitungszeiten in der Sta- hauptamtlichen und einem inoffiziel- wird“, schrieb Knabe in einem Brief versucht, eine weitere Splittermine si-Unterlagenbehörde seien letztlich len Stasi-Mitarbeiter seien bisher nur an den tschechischen Präsidenten SM-70 vom DDR-Grenzzaun abzubau- der Gesetzgeber und das komplizierte drei auf andere Stellen innerhalb der Milos Zeman. Herman, ein studierter en. Zwei andere Selbstschussanlagen Gesetzeswerk. „Zu leiden haben dar- Bundesverwaltung umgesetzt wor- Pädagoge und Theologe, hatte das hatte er dort bereits erbeutet und der unter vor allem die Opfer, aber auch den. Weitere fünf hätten das Haus Amt erst im August 2010 angetreten. Öffentlichkeit präsentiert. „Michael Forscher und Journalisten“, beklagte aus Altergründen verlassen, einer sei Zuvor war das Institut immer wieder Gartenschläger steht stellvertretend Knabe. Insbesondere die Regelungen verstorben. jök Gegenstand heftiger politischer Aus- für die Todesopfer des DDR-Grenz- zum Personendatenschutz sollten ver- einandersetzungen um die Aufarbei- regimes und erinnert an Widerstand einfacht werden. „Laut Gesetz muss nn FV-Gründungsmitglied Vera tung der kommunistischen Vergan- und Unterdrückung unter der SED- jede Akte vor der Herausgabe von ei- Lengsfeld hat Anzeige mit weiteren genheit. jök Herrschaft“, erklärte Grenzhus-Leiter nem Mitarbeiter zunächst komplett Stasi-Vorwürfen gegen Linke-Frakti- Andreas Wagner vom Verein Politi- gelesen und kopiert werden, um dann onschef Gregor Gysi erstattet. Darin nn Unter dem Titel „Landschaften sche Memoriale. Die Wanderausstel- alle Hinweise auf andere Personen zu werde Gysi die falsche Abgabe einer der Lüge“ gibt die Stiftung Aufarbei- lung wurde von der Gedenkstätte entfernen“. Dies sei ein äußerst und eidesstattlichen Versicherung vorge- tung ein neues Hörbuch mit Gesprä- Deutsche Teilung Marienborn erarbei- aufwendiges Verfahren. jök worfen. In der Anzeige der früheren chen mit dem 1999 gestorbenen tet und am 13. August 2003 - dem 42. DDR-Bürgerrechtlerin heißt es: „Da DDR-Bürgerrechtler Jürgen Fuchs he- Jahrestag des Mauerbaus - eröffnet. nn Die computergestützte Rekons- Herr Dr. Gysi – ohne von mir dazu raus. Darin durchleuchtet der Schrift- In Schlagsdorf ist die Exposition bis truktion zerrissener Stasiunterlagen ermächtigt zu sein – während mei- steller und Psychologe die psychi- zum 12. Juli zu sehen. jök kommt wegen technischer Probleme ner Inhaftierung im Stasi-Gefängnis schen Folgen von Unterdrückung und langsamer voran als geplant. Bisher Berlin-Hohenschönhausen an meiner Gewalt in der SED-Diktatur. Fuchs

16_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_17 Ex-Stasi-Oberst wegen Geschichtsfälschung verurteilt von FV-Gründungsmitglied Matthias Bath

Johann Burianek war am 4. März teilte somit als Opfer rechtsstaatswid- 1952 vom MfS festgenommen und riger Verfolgung anzusehen sei. in das seinerzeitige Kellergefängnis Hohenschönhausen gebracht wor- Gemäß § 194 Abs. 2 StGB werden den, wo er den damals üblichen Ver- Verunglimpfungen Verstorbener von hörmetho- den unterzogen, d. h. mit Amts wegen verfolgt, wenn der Ver- großer Wahrscheinlichkeit erheblich storbene sein Leben als Opfer der na- mißhandelt wurde. Am 25. Mai 1952 tionalsozialistischen oder einer ande- verurteilte ihn das Oberste Gericht ren Gewalt- oder Willkürherrschaft der DDR nach einem Schauprozeß verloren hat, und die Verunglimpfung auf Grundlage der Kontrollratsdirekti- damit zusammenhängt. Das Land- ve 38 und des „Boykotthetze”- Arti- gericht Berlin hat damit erstmals die kels 6 der DDR-Verfassung von 1949 damalige Rechtspraxis in der DDR, zum Tode. Den Vorsitz führte die be- deren Opfer Burianek wurde, als Ge- rüchtigte Richterin , im walt- und Willkürherrschaft im Sinne Volksmund „rote Guillotine“ genannt. des StGB gewertet. Es war seinerzeits das vierte Todesur- teil in der DDR. Der Verurteilte Schmidt, der dies alles nicht einsehen will, hat seinen Anga- Johann Burianek am 23. Mai 1952 auf Dabei ist dem seinerzeitigen Urteil zu ben zufolge gegen seine Verurteilung der Anklagebank. entnehmen, daß das Burianek und Revision eingelegt. Bundesarchiv, seinen Mitangeklagten vorgeworfe- n Bild 183-14812-020 / Quaschinsky, Hans-Günter / ne „Grundverbrechen” die Zugehö- CC-BY-SA rigkeit zur KgU als solche war. Der Ablauf des Prozesses war zudem in Das Landgericht Berlin hat am 26. März die Verurteilung Absprache mit der sowjetischen Be- des früheren Oberst des MfS Wolfgang Schmidt wegen satzungsmacht vom Zentralkomitee Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (§ 189 StGB) der SED vorgegeben worden. Johann bestätigt. Burianek wurde nach seiner Verurtei- lung am 2. August 1952 in Schmidt hatte als Sprecher eines sog. „Insiderkomitees” durch Enthaupten getötet. früherer MfS-Offiziere den 1952 als Mitarbeiter der West- Berliner Widerstandsorganisation „Kampfgruppe gegen Das Landgericht Berlin hat Johann Bu- Unmenschlichkeit” (KgU) in der DDR hingerichteten Wider- rianek am 2. September 2005 unter standskämpfer Johann Burianek als „Banditen” und „An- gleichzeitiger Aufhebung des DDR- gehörigen einer terroristischen Vereinigung” beschimpft. Todesurteils rehabilitiert, weil das seinerzeit gegen ihn verhängte Urteil rechtsstaatswidrig war und der Verur-

18_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_19 Zentrales Mahnmal für die Opfer Kunstwettbewerb für Stasi-Opfer Gedenkstätte entschieden des Kommunismus gefordert von Jörg Kürschner von Jörg Kürschner

Auf Zustimmung und Kritik ist die Forderung von Gedenk- Ende Januar hat ein Preisgericht un- stättendirektor Hubertus Knabe gestoßen, ein zentrales ter dem Vorsitz der Künstlerin Karla Mahnmal für die Opfer des Kommunismus in der Bun- Sachse die Arbeit des Berliner Künst- deshauptstadt zu schaffen. „Man gedenkt in Berlin so lers Arnold Dreyblatt ausgewählt und vielen Opfergruppen, aber ausgerechnet den Opfern des einstimmig zur Realisierung in der Ge- Unrechtssystems, dem weltweit die meisten Menschen denkstätte empfohlen. zum Opfer fielen, gedenkt man nicht“. Von der nächsten Bundesregierung erwarte er konkrete Schritte, dass ein Den Kunstwettbewerb „Kunst am entsprechendes Mahnmal im Berliner Stadtbild bald sicht- Bau“ hatten der Regierende Bürger- bar wird, betonte Knabe. meister von Berlin und die Senats- kanzlei für Kulturelle Angelegenheiten Dessen Forderung hat sich auch der Bundesbeauftragte unter Beteiligung der Gedenkstätte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, angeschlossen. Ein Berlin-Hohenschönhausen und der solches Mahnmal sei „als Denkanstoß für die Gesellschaft Senatsverwaltung für Stadtentwick- durchaus wert unterstützt zu werden“. Die meisten Ge- lung und Umwelt für sieben Künstle- denkstätten seien fixiert auf Stasihaft und Mauer. rinnen und Künstler ausgelobt.

Auf Zuspruch stieß die Überlegung auch bei dem Vorsit- Dreyblatts Kunstwerk „Dossier“ Mahnmal für die Opfer zenden der Stiftung Aufarbeitung, Rainer Eppelmann, so- umfasst 14 Texttafeln für die Wand- Arnold Dreyblatt erläuert sein Kunstwerk „Dossier“ des Kommunismus in Prag wie bei der Union der Opferverbände Kommunistischer flächen der neu konzipierten Semi- Interessierter Blick auf die Wettbewerbsbeiträge Gewaltherrschaft (UOKG). nar- und Filmräume. Erinnerungen Hintergrund des Kunstwettbewerbs ehemaliger Häftlinge, behördliche An- ist der Umbau und die Sanierung der Widerspruch meldete der Historiker Götz Aly an, der die ordnungen und Texte sind fragmen- Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhau- Frage stellte, ob Berlin „zu einer mit nazi-stalinistischen tarisch auf den Tafeln abgebildet, die sen durch das Büro hg merz Architek- Gedenkfragmenten vollgestopften Rumpelkammer wer- je nach Betrachterwinkel changieren. ten. Ziel des Kunstwettbewerbs war den“ solle. Die Stadt sei dabei, ihre Geschichte und ihren Dies erzeugt einen dreidimensionalen es, sich konzeptionell mit dem Ort und Stolz zu verspielen. Nicht allen stadt- und bundespolitisch Eindruck. Das „Dossier“ bringt die seiner Geschichte auseinanderzuset- Verantwortlichen gefalle diese Entwicklung, aber sie seien unterschiedlichen Erfahrungswelten zen, um aus diesem Spannungsfeld zu lasch, „um der besinnungslosen Gedenkeritis immer durch die Zusammenführung gegen- einen künstlerischen Beitrag vor dem neuer, obsessiv erregter Grüppchen endlich Einhalt zu ge- sätzlicher Textgattungen zum Aus- Hintergrund des zeitgenössischen bieten“, kritisierte Aly. druck. Diese Textcollage soll die Be- Gedenkkontextes zu entwickeln. n sucherinnen und Besucher einladen, n den Ort und die damit zusammenhän- genden Erlebnisse vertiefend zu re- flektieren. Die künstlerische Kraft der Arbeit liegt in der Reduktion auf das Medium Sprache in ihrem historisch- politischen Kontext.

20_Aus der Gedenkstätte Aus der Gedenkstätte_21 Gedenkstättenprojekt zur Aufarbeitung Die Demut des Opfers der Vergangenheit Tunesiens von FV-Mitglied Wolfgang Welsch von Jörg Kürschner

Die Aufarbeitung der Diktaturen in Deutschland und Tune- Seit Gründung des SED-Staates gab Opfer bleiben immer Opfer, egal in sien werden Anfang Dezember Thema einer mehrtägigen es Verfolgte, Opfer und Leidende. Es welcher Gesellschaft sie leben. Des- internationalen Konferenz in Tunis sein. Dort findet in der gab aber auch mutige Menschen, die wegen lehnen Opfer kommunisti- ehemaligen Zentrale der tunesischen Einheitspartei die ihrem Gewissen folgten, die nicht Op- scher Gewaltherrschaft diesen Begriff Veranstaltung „Contre l‘oubli – Keine Zukunft ohne Erinne- fer bleiben wollten, weil die Bezeich- vehement ab. rung“ statt. Akteure aus der Zivilgesellschaft und der neuen nung ’Opfer’ Passivität unterstellt. politischen Führung in Tunesien debattieren mit deutschen Deshalb lehnen Betroffene kommu- Heute führen ehemalige Opfer durch Experten und einer breiten tunesischen Öffentlichkeit über nistischer Repression den Opfer- Gedenkstätten, halten als Zeitzeugen die Aufarbeitung der Vergangenheit. Organisiert wird die Begriff für sich ab. ’Opfer’ impliziert Vorträge an Schulen, Universitäten Konferenz von der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhau- Tatenlosigkeit, Handlungsunfähigkeit, und anderen Institutionen und erzäh- sen und dem tunesischen Verein Labo‘ démocratique. eine Existenz als Objekt unter Aber- len Jung und Alt von der Unmensch- kennung jeglicher Subjektivität. Opfer lichkeit, von ihrem Leiden, ihren Qua- Ziel der Veranstaltung ist es, die Diskurse zum Umgang wehren sich nicht, Opfer werden ge- len und von den Tätern, die nahezu mit der SED-Diktatur vorzustellen und die tunesischen Ide- demütigt, misshandelt – und sie sind ungehindert ein Unrechtsregime auf- en, Konzepte und Perspektiven zum Umgang mit der Ben- wehrlos. Später treffen sie weder auf bauen und gestalten konnten. Sie rei- Ali-Diktatur zu diskutieren. Zur Tagung werden Historiker, Empathie noch Verständnis, allenfalls sen von Schule zu Schule, stehen vor Politikwissenschaftler, Vertreter von Nichtregierungsorga- auf Sprachlosigkeit. Kommunisti- hunderten jugendlicher Zuhörer und nisationen, Aufarbeitungsinitiativen sowie Minister und schen Untaten gegenüber war und ist erzählen ihre eigene Geschichte; oft Politiker aus verschiedenen Parteien erwartet. man teilweise noch immer in weiten als Traumabewältigung, oft aus wirt- Teilen der westlichen Gesellschaft schaftlicher Not, aber immer mit dem Seit 2011 unterstützt die Stasiopfer-Gedenkstätte in Ber- nachsichtiger. Damit werden die Op- Impetus der Aufklärung. lin-Hohenschönhausen die tunesische Regierung und Bür- fer von Gewaltherrschaft ein weiteres gerrechtsgruppen. Zu dem Projekt gehören Interviews und Mal zu Opfern. Wenn sie ihre eigene Geschichte er- Videoberichte mit politischen Häftlingen, eine Wanderaus- zählen, dann soll der Zuhörer mitlei- stellung sowie ein Handbuch zur Vergangenheitsbewälti- Mit ihnen muss man Mitleid haben. den, er soll erschauern; Mitleid wird gung mit Schwerpunkt auf Deutschland. Alle Projekte so- Opfer lachen nicht, haben keine erregt. Manchmal kommen Empathie wie Informationen zur aktuellen Tagung sind ab sofort auf Freude am Leben mehr, Opfer kämp- und Interesse auf. Aber mehr nicht. der neuen Website www.contreloubli.net nachzulesen. fen nicht, Opfer leiden in aller Stille. Vielleicht noch der unvermeidliche Wichtig ist: in aller Stille. Opfer erhe- Appell, dass man die Augen vor Un- n ben nicht ihre Stimme, Opfer stellen recht nicht verschließen solle. Und keine Forderungen. Opfer haben in dann? Dann verneigt sich das Opfer, Berlin – Tunis: Gemein- den politischen Gremien keine Lob- bekommt Beifall und schleicht unter same Aufarbeitung der Diktaturen in Deutschland by. Opfer warten, bis sie ein Almosen Dankesbezeugungen und eindrucks- und Tunesien erhalten, einen Brosamen vom Tisch vollen Bewunderungsworten davon. der Gönner. Opfer sind, nachdem sie gedemütigt wurden, demütig; sie Was aber, wenn das Opfer nicht still verhalten sich unterwürfig, bittend, ist, wenn es laut wird, wenn es an- rücksichtsvoll gegenüber den Tätern. klagt, wenn es zeitkritische Analyse

22_Aus der Gedenkstätte Interna_23 betreibt, wenn es noch lebende Ak- Ansprüche stellen, müssen um ihr 1990, gleich nach dem Sturz der Dik- zière) wegen ihrer angeblich „beson- teure, seien sie aus West oder Ost, Recht kämpfen. Traurig genug, dass tatur, entschädigte die DDR-Regie- deren Verdienste um die Wiederverei- anklagt, weil sie nichts oder das Fal- sie das tun müssen, dass es dem rung Wolfgang Harich, Rudolf Bahro, nigung Deutschlands“ während ihrer sche gegen das Unrecht getan ha- Rechtsstaat bis heute nicht gelungen Walter Janka und andere prominente 5 ½ monatigen Amtszeit erhalten. ben? Was aber, wenn das Opfer auf ist, selbst auf die Betroffenen zuzuge- Reformkommunisten für die Jahre ih- Zum Vergleich: Ein ehemals politi- Wiedergutmachung, auf Rehabilitie- hen, sie anzuschreiben und sie über rer widerrechtlichen Haft mit einem scher Häftling bekommt ab 6 Mona- rung, auf wirtschaftliche und gesell- ihre Rechte und Möglichkeiten aufzu- finanziellen Ausgleich, der in die Hun- ten Haft eine einkommensabhängige schaftliche Restitution pocht? Wenn klären. derttausende ging. Zum Artikel 17 des monatliche Zuwendung von 250 Euro. sich das ’Opfer’ nicht demütig ver- Einigungsvertrages (EV) und der darin Neben teils stasibelasteten Sozialis- steckt, sich nicht nur bedauern lässt, vorgeschriebenen angemessenen musreformern zählt ausgerechnet wenn es laut und deutlich seine For- Entschädigung ist auf die Genesis die- Kurt Wünsche zu den Empfängern. derungen verkündet und die lasche ses Artikels hinzuweisen: Die DDR- Als Justizminister war er verantwort- Täterverfolgung anprangert? Regierung ließ politische Unrechts- lich für die Verschärfung justiziellen urteile der SED-Justiz wie bei den Unrechts gegenüber dem Wider- Dann kommt bei dem Zuhörer ein Vorgenannten und anderen kassieren. stand. Diese offene Verhöhnung der Gefühl der Undankbarkeit des Opfers Diese bekamen eine für heutige Ver- Verfolgten des SED-Regimes ist und auf. Hat man ihm nicht lange zuge- hältnisse hohe und im Sinne des spä- bleibt ein Skandal! hört, Beifall geklatscht, warme Worte teren EV angemessene Haftentschä- des Mitleids und der Bewunderung digung: für sechs Jahre Zuchthaus Da mag es nicht wundern, wenn heu- gespendet? Reicht das nicht? Muss mehrere hunderttausend Mark. Es ist te diejenigen das Bewusstsein jun- das Opfer auch heute noch so aggres- zu prüfen, ob es hierfür eine speziell ger Menschen bestimmen (wollen) siv auftreten, sich fordernd zeigen, geschaffene Rechtsgrundlage gab und ihnen die SED-Diktatur erklären, FV-Mitglied Wolfgang Welsch Ansprüche an den Staat stellen, der oder ob diese Entschädigungshöhen die sich um die staatlichen Fetttöpfe doch anderweit so viele Ausgaben Die Taktik des Aussitzens mit Blick durch ein Staatshaftungsgesetz der scharen und das Ausbleiben von Ge- hat? Ach, das Opfer ist undankbar, auf die biologische Lösung ist einfa- DDR zustande kamen. Dies wäre ein rechtigkeit schönreden. das Opfer ist laut und unbequem. Es cher. Das Leiden der Menschen unter Hinweis auf Intention und Ausgestal- ist gar kein richtiges Opfer, eher ein den vielen willigen Helfern der Dik- tung des Artikels 17 EV und seiner Ein solches Verhalten ist eines Störenfried für die Wohlfühl- und Be- tatur wird dort nicht verstanden und Formulierung „angemessen“ sowie Rechtsstaates nicht würdig und es ist troffenheitsgesellschaft. mit Respekt gewürdigt, wo man die auf die Überleitung der Rechtspraxis einfach nur traurig und ignorant, wenn Opfer durch beschämende Entschä- in die Bundesrepublik. sich jüngere Zuhörer über Zeitzeugen Opfer sind Betroffene, die heute im- digungsverfahren und eine zynische mokieren, die nicht die richtige “Op- mer noch unter dem an ihnen began- Gesundheitspolitik, in der Opfer die Zudem einigte sich der Bundestag fer-Attitude“ an den Tag legen. Eine genen Unrecht leiden. Jean Amery Herkunft ihrer posttraumatischen Lei- 2008 auf ein novelliertes Bundesmi- Aufarbeitung kann erst dann gelingen, schreibt: „Wer der Folter erliegt, kann den beweisen müssen, ein zweites nistergesetz. Darin ist festgeschrie- wenn Opfer nicht länger hierarchisiert nicht mehr heimisch werden in der Mal entwürdigt. Diese Methode der ben, dass die Minister des letzten werden und die kommunistische Dik- Welt. Das eingestürzte Weltvertrauen Aufarbeitung ist entweder von böser DDR-Kabinetts unter Lothar de Mai- tatur den Deutschen so präsent ist wird nicht wiedergewonnen.“ Betrof- Ironie oder bitterem Zynismus ge- zière eine „Ehren-Pension“ in Höhe wie die NS-Diktatur. fene müssen sich wehren, müssen kennzeichnet. von 650 bzw. 800 Euro (für de Mai- n

24_Interna Interna_25 Edda Schönherz: „Die Solistin“ von FV-Gründungsmitglied Vera Lengsfeld

Auch zwanzig Jahre nach der Öffnung Alle Texte wurden von der SED kon- die Kinder in seinem Wagen mit in die darf kein einziges mal ihre Kinder se- der Stasiakten liegen ganze Kapitel trolliert und frei gegeben. In Zeiten, Nähe der Grenze. Sie wurden ange- hen. Die Schilderung des Alltags im der DDR-Unterdrückungsgeschichte wo es noch keine Teleprompter gab, halten, vorübergehend festgenom- schlimmsten Gefängnis der DDR hät- immer noch im Dunkeln. Während musste noch alles auswendig gelernt men, aber nach 24 Stunden wieder te man sich ausführlicher gewünscht. sich die Stasitäter, vom Rechtsstaat werden. Einmal wurde ein längerer auf freien Fuß gesetzt. Später, als sie Schönherz übersteht die Zeit ungebro- materiell wohlversorgt, revanchieren, Text wenige Stunden vor der Aufnah- schon im Westen war, erfuhr Schön- chen, indem sie ihren Peinigern Spitz- indem sie die Geschichte verfälschen me geändert. Schönherz schloss sich herz, dass der freundliche Mann we- namen gibt. Manche werden von den und die Demokratie verunglimpfen, auf der Toilette, dem einzigen Ort, wo gen „Fluchthilfe“ in der DDR zu neun anderen Gefangenen übernommen hört man den ehemaligen Verfolgten sie ungestört war, ein, lernte den neu- Jahren Gefängnis verurteilt worden und auch noch benutzt, als Schönherz viel zu wenig zu. Ihnen bleibt nur, ihre en Text in kürzester Zeit und sagte ihn war. Hoheneck längst verlassen hat. Als Geschichte selbst zu publizieren, so fehlerfrei auf. sich die Gefängnistore endlich öffnen, wie Edda Schönherz, die im Eigenver- Schönherz konnte vorerst in die DDR darf Schönherz immer noch nicht in lag ihr bemerkenswertes Buch „Die Als das Moderatorenteam für das zurückkehren, wo sie aber kurz darauf den Westen, sondern muss in der Solistin“ herausgebracht hat. Der Ti- zweite DDR- Fernsehen aufgestellt aus dem Bett heraus verhaftet wurde. DDR weiter um ihre Ausreise kämp- tel weist auf den Namen hin, den die wurde, war anfangs auch ein junger Es folgen Monate in der Stasi- Unter- fen. Am Ende setzt sie sich gegen alle Staatssicherheit ihrer Akte gab. Mann dabei, dem Schönherz überra- suchungshaftanstalt Hohenschönhau- Widerstände durch. gende Fernsehqualitäten bescheinigt. sen, wo Schönherz zeitweise mit ei- Schönherz, eine bekannte und belieb- Das half ihm nichts. Als er wegen nem Zellenspitzel zusammengelegt Innerhalb eines Jahres ist sie wieder te Ansagerin und Moderatorin des eines DDR-Witzes, den er in seiner wird. Die entwürdigende Aufnahme- auf dem Bildschirm zu sehen, nur zweiten DDR-Fernsehens, hat die Armeezeit gemacht hatte, denunziert prozedur, bei der sich die Häftlinge diesmal in Bayern. DDR scheinbar nur von ihrer Sonnen- wurde, verschwand er über Nacht aus nackt ausziehen und sich in alle Kör- n seite kennengelernt. Als Artistin in dem Team und bekam beim Fernse- peröffnungen fassen lassen mussten, der Hochseiltruppe ihres Ehemannes hen nie wieder eine Chance. Dieses wurde damals noch von Männern durfte sie nach dem Mauerbau sogar und ähnliche Erlebnisse in Berlin- exekutiert. Schließlich das Urteil: drei das kapitalistische Ausland bereisen, Adlershof ließen bei Schönherz den Jahre ohne Bewährung wegen ver- um dort die Überlegenheit der DDR- Entschluss reifen, die DDR mit ihren suchten Grenzübertritts im schweren Artistik zu demonstrieren. Als Mode- Kindern zu verlassen. Fall, weil in der „Gruppe“ begangen. ratorin ihrer Artistentruppe wurde sie für das Fernsehen entdeckt. Ein viel An einen offiziellen Ausreiseantrag Mit dem „Grotewohlexpress“, einem Edda Schönherz: Die So- beneideter Beruf, ein schönes Haus war nicht zu denken, also fuhr sie für den Gefangenentransport um- listin. Roman einer Frau, die von Deutschland nach in einem der besten Wohnbezirke nach Ungarn, um sich dort in der Bot- gebauten Eisenbahnwaggon, der an Deutschland wollte.Edda Ostberlins, ein gutes Gehalt – man schaft der BRD nach Möglichkeiten normale Züge angehängt wurde, ist Schönherz Verlag Berlin. sollte meinen für so eine Frau gab es zu erkundigen, dem ungeliebten Staat Schönherz tagelang unterwegs, ehe 233 Seiten,14.95 Euro keinen Grund, die DDR zu verlassen. zu entkommen. Man warnte sie, dass sie endlich am Ziel, dem berüchtigten die Botschaft abgehört würde. Was Frauengefängnis Hoheneck anlangt. Besonders interessant sind die Ab- das bedeutete, erfuhr sie kurz darauf. Hier muss sie mit Mörderinnen eine schnitte ihres Buches, wo sie den Eine Zufallsbekanntschaft, ein Dienst- Zelle teilen, wird einem der schwers- Alltag im DDR-Fernsehen beschreibt. reisender aus der BRD nahm sie und ten Arbeitskommandos zugeteilt und

26_Buchtipp Buchtipp_27 Nancy Aris, Clemens Heitmann: „Via Knast in den Westen“ von Jörg Kürschner Schriftenreihe des Sächsischen Landesbeauftragten Wenn politische Häftlinge in der DDR den Rechtsanwalt lief nichts zwischen für die Unterlagen des „auf Transport gingen“, wünschten den beiden Staaten in Deutschland. Staatssicherheitsdienstes sie sich nichts sehnlicher, als dass der Im Kaßberg-Gefängnis verabschiede- der ehemaligen „B 1000“ Karl Marx Stadt ansteuerte, te Vogel sogar die Häftlinge, warnte DDR | 12 wie die sächsische Stadt Chemnitz eindringlich vor Kontakten mit den während der DDR-Diktatur hieß. „Westmedien“, stieg dann in seinen goldmetallicfarbenen Daimler und re- Dort, im Kaßberg-Gefängnis, saßen gelte im Grenzgebiet die Ausreise der jene Häftlinge noch für eine kurze Zeit Häftlinge. ein, ehe sie im Rahmen des Freikaufs in einem von Stasi-Mitarbeitern eskor- Ein interessanter Nebenaspekt sei tierten Omnibus Richtung Grenze und noch erwähnt. Anhand von Stadtplä- weiter in das Notaufnahmelager Gie- nen aus den Jahren 1951 und 1977 ßen gebracht wurden. Bis zum Herbst weisen die Autoren nach, dass das 1989 waren es 32.000 Menschen, die Kaßberg-Gefängnis einer anonymen für Westgeld an die Bundesrepublik braunen Fläche gewichen war. Doch verkauft wurden. Dem sächsischen das Totschweigen hat nicht funktio- Landesbeauftragten für die Stasi-Un- niert. Als am späten Nachmittag des terlagen, unserem Gründungsmitglied 17. Dezember 1981 ein mit DDR- Lutz Rathenow, und den kenntnis- Kennzeichen ausgestatteter Bus reichen Autoren ist es zu verdanken, westlicher Bauart das Gefängnis- dass erstmals über die Geschichte gelände im Schutz der Dämmerung dieser Stasi-Untersuchungshaftan- verließ und Kurs Richtung Autobahn stalt fundiert informiert wird. Siegfried nahm, waren es Chemnitzer, die dem Reiprich, Geschäftsführer der Sächsi- Bus zu gewinkt haben. Der Rezensent schen Gedenkstätten und gleichfalls hat es selbst erlebt. Mitglied des Fördervereins, plädiert n für eine „Gedenkstätte Chemnitz- Kaßberg“. Zeitzeugen kommen aus- Nancy Aris, Clemens Heit- führlich zu Wort, Historiker berichten mann : Via Knast in den Westen. Das Kaßberg- über die Sonderrolle dieses Abschie- Gefängnis und seine beknasts und auch Ludwig Rehlinger, Geschichte. Evangelische der langjährige Organisator des Frei- Verlagsanstalt Leipzig. 303 Seiten mit Abb., kaufs auf Westseite, nennt Details 9.90 Euro über die Verhandlungen mit Wolfgang Vogel, der im Auftrag der DDR die Häftlinge verschacherte. Ohne diesen im Dienst der SED-Diktatur stehen-

28_Anzeige Buchtipp_29 Das Lettische Okkupationsmuseum von FV-Gründungsmitglied Matthias Bath

Am Rathausplatz im Zentrum von Wie die Gedenkstätte Hohenschön- Riga befindet sich in einem schwar- hausen wird auch das Lettische Ok- zen, sargartigen Gebäude das Letti- kupationsmuseum von einer Stiftung sche Okkupationsmuseum, das über getragen. Anders als in Hohenschön- die drei Besetzungen Lettlands von hausen besteht die Stiftung Okkupati- 1940 bis 1991 informiert. onsmuseum jedoch aus rein privaten Trägervereinen. Die erste sowjetische Okkupation Lettlands erfolgte im Sommer 1940 Der lettische Staat beteiligt sich ledig- und wurde knapp ein Jahr später von lich seit 1997 mit zweckgebundenen der Okkupation durch das national- finanziellen Zuschüssen. Wiederum sozialistische Deutschland abgelöst. ähnlich wie in Hohenschönhausen 1944/45 erfolgte dann die sowjeti- wird der Wahrheitsgehalt des im Mu- scherseits als „Befreiung” dargestell- seum Dargestellten von unbelehrbar te zweite sowjetische Okkupation Ewiggestrigen, hier vor allem aus Lettlands, die sich aufgrund ihrer Dau- dem russischen Bevölkerungsteil, er bis 1991 und der massenhaften angezweifelt, die weiterhin meinen, Ansiedlung von Russen in Lettland, die Sowjetunion habe Lettland 1940 die heute 40 % der Bevölkerung aus- wie 1944 / 45 jeweils „befreit” und machen, als besonders nachhaltig er- zu wirtschaftlicher und sozialer Blüte wies. geführt. IMPRESSUM Die ethnische Russifizierung hat zur Das Okkupationsmuseum ist vom Herausgeber: Entstehung einer russischsprachigen 1. Mai bis 30. September täglich von Förderverein Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Parallelgesellschaft in Lettland ge- 11.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. In der führt und wirkt so bis heute nach. Zeit vom 1. Oktober bis 30. April ist es Dinkelsbühler Steig 12 13465 Berlin von Dienstag bis Sonntag von 11.00 Das 1993 entstandene Museum zeigt bis 17.00 geöffnet. Ein Besuch kann Telefon/Fax: +49 (30) 22 48 99 20 aber auch die „Singende Revolution” Rigatouristen nur empfohlen werden. [email protected] der Jahre 1987 bis 1991, die zur Wie- www.foerderverein-hsh.de derherstellung der Freiheit und staat- n lichen Unabhängigkeit Lettlands führ- Redaktion: Dr. Jörg Kürschner te. Zwei Drittel der jährlich mehr als André Kockisch 100.000 Besucher kommen aus dem Ausland. Die zweitgrößte Besucher- Anschrift: Layout: Anne Dück gruppe sind Schüler. Ein Besuch des Lettisches Okkupationsmuseum Museums ist heute Teil des offiziellen Strelnieku laukums 1 Auflage: diplomatischen Protokolls in Lettland. Riga, LV-1050 700 Druckexemplare

30_Besuchstipp BUCHHANDLUNG 89

In der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Genslerstr. 66 13055 Berlin

Telefon +49 (30) 29 04 96 11 Fax: +49 (30) 29 04 96 13

[email protected] www.buchhandlung89.de