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Poesie der Transparenz – Sep Ruf zum 100. Geburtstag

Text: Brigitte Fleck Fotos: Autor

Der Mann mit dem knappen Vor- und Nachnamen, der selbst nie viel zu seinen Bauten gesagt oder geschrieben hat, wäre am 9. März 2008 hundert geworden. Seine Architekturtheorie sind seine Bauten, und die sind so schlicht und unprätentiös wie der Name.

Sep Ruf (1908–1982) studierte an der TH München, beteiligte den Bungalow jedoch immerhin als Gästehaus und Tagungs- Die verglasten Pavillons der sich bereits als Student an Ideenwettbewerben für Einfamili- ort und ließ die ursprüngliche Möblierung wiederherstellen. Nürnberger Akademie der Künste (1954) sind über ein enhäuser, machte 1931 sein Diplom und gründete mit seinem Einzig erkannte die Bedeutung des außerge- offenes Gangsystem mitein- Bruder Franz 1932 sein erstes eigenes Büro in München; er wöhnlichen Gebäudes, das erst sehr viel später als „eines der ander verbunden. Die von Ruf pflegte Kontakt zu , Mies van der Rohe, Ludwig schönsten Beispiele deutscher Villenarchitektur der Nach- geplante Kupferbe dachung konnte wegen der Koreakrise Grote, heiratete 1938, war von 1939 bis 1945 Soldat. Als Profes- kriegszeit“ beschrieben wurde. Zahlreiche öffentliche und pri- damals nicht umgesetzt wer- sor an der Kunsthochschule in Nürnberg (1947–1953) erhielt vate, profane und sakrale Bauten von Sep Ruf, die meisten im den. er eine Reihe wichtiger Aufträge (u.a. Akademie der Bildenden Raum München, aber auch in Nürnberg, Erlangen, Bad Godes- Foto: Brigitte Fleck Künste und Germanisches Nationalmuseum) und den Kultur- berg, Aachen, , Speyer, , , , preis der Stadt. Von 1953 bis 1972 lehrte er Architektur und Bremen etc. sind heute weniger präsent, weil es keine auf den Städtebau an der Akademie für Bildende Künste in München, ersten Blick auffallenden Gebäude sind und auch nicht sein war deren Präsident und blieb bis zu seiner Emeritierung der sollten. Das Bauwerk als „Denkmal“ hat Sep Ruf nicht interes- einflussreichste Architekturlehrer in Bayern. Er prägte das siert, auch nicht bei modernen Sakralbauten wie St. Johan- Stadtbild Münchens in den Nachkriegsjahren mit Wohn- und nes von Capristan, er wollte nur „Räume bilden“, innen und öffentlichen Bauten, baute viele Einfamilienhäuser, nicht nur außen, nicht nur im städtischen Bereich, sondern auch in der im Raum München, war Gründungsmitglied der Akademie Landschaft. Seine Vorliebe galt niedrigen, flach gedeckten der Künste in Berlin (1955), erkrankte auf einer Griechenland- Pavillons, der schlichten Aneinanderreihung von ebenso reise (1958) an Kinderlähmung, traf Mies van der Rohe in den schlichten Baukörpern, locker und zugleich fest verbunden USA (1966), baute sein eigenes Atelier und Haus in München- durch überdachte Wege, das Ganze möglichst überragt von Grünwald und erwarb ein kleines Weingut in der Toscana Bäumen. (1969) – dorthin hatte es ihn schon als Student immer wieder gezogen. 1973 erhielt er den bayerischen Verdienstorden, 1976 Die Architekten der „Fünziger-Jahre-Moderne“ mussten einen das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1980 den Kulturpreis der Neuanfang wagen und kommenden Generationen eine Rich- Stadt München, wo er am 29. Juli 1982 starb. tung weisen. Wahrscheinlich haben sie ihre Möglichkeiten überschätzt, wenn sie meinten, eine neue Welt gestalten hie- In den Wirtschaftswunderjahren zählte Sep Ruf zu den erfolg- ße, mit den Häusern auch die Menschen verändern zu kön- reichsten deutschen Architekten. Ein Blick auf das umfangrei- nen. Bescheiden, einfach, würdevoll, echt – und trotzdem mo- che Werkverzeichnis wird heute manchen überraschen. Die dern bauen, Glas als Symbol für Transparenz, Freude an bekanntesten Bauten aus dieser Zeit sind der bereits erwähnte, natürlichen Materialien wie Holz, Naturstein, Sichtbeton, zusammen mit entworfene Deutsche Pavillon Backstein, beschwingte und leichte Treppenhäuser, kurz: ein auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel und Ludwig Erhards Gegenentwurf zur Protzarchitektur der Nazizeit, das wurde Kanzlerbungalow 1964 in . Dass Kurt Georg Kiesinger damals nicht von allen verstanden. Auf der internationalen nur mit öffentlich zur Schau gestelltem Widerwillen in diesen Bühne wurden Architekten wie Sep Ruf und Egon Eiermann, Bungalow einzog, das Mobiliar der klassischen Moderne durch als Prota gonisten dieser Architektur, dafür hoch gelobt. Der „zweitklassige Möblierung“ (Walter Gropius) ersetzte und da- neue leichte und transparente Baustil galt als Aushängeschild für auch noch Zustimmung erntete, ist zwar beschämend, der Bonner Republik, als „gebaute Demokratie“. Leider hat die aber folgerichtig. zog erst gar nicht ein, nutzte Berliner versäumt, damals jüngere Architekten wie Bauwelt 10 | 2008 9

Links St. Johann Capristan in München, unten der Kanz- lerbungalow in Bonn, des - sen Mobiliar Kurt Georg Kie- singer entfernen ließ.

Abbildungen aus: Hans Wich- mann: Sep Ruf – Bauten und Projekte, 1985

Sep Ruf (und andere) mit größeren Bauten angemessen zu es ihn behindert hätte. Die Bauten zeigen, wie man einfach beteiligen. leben und als engagierter Architekt bescheiden bauen kann. „Weglassen und noch mal weglassen“ war im Zweifelsfall die Mit dem deutschen Beitrag zur Brüsseler Weltausstellung ge- Lösung. lang den Architekten Egon Eiermann und Sep Ruf nicht nur ein formalästhetisches Meisterwerk, sondern auch ein bemer- Mit dem Ensemble der Akademie der Bildenden Künste in kenswertes Stück architektonischer Diplomatie. Ihr interna- Nürnberg hat Sep Ruf einen der prägenden Bauten der frühen tional gelobter Pavillon ist als gebaute Antithese zur faschisti- Fünfziger-Jahre-Moderne geschaffen. Einmal, am Ende eines schen Repräsentationsarchitektur lesbar. Zu diesem Gesamt- langen Briefes an den Auftraggeber, äußerte sich Sep Ruf selbst eindruck bzw. zum städtebaulichen Konzept hatte Sep Ruf zu diesem Projekt, indem er nicht seine eigene Leistung, son- entscheidend beigetragen, denn der Vorläufer für Brüssel war dern vor allem die für ihn außergewöhnlich zufriedenstel- sein Entwurf für die Akademie der Bildenden Künste in Nürn- lende Aufgabenstellung hervorhob: (...) „In solch bewusster berg, die erste denkmalgeschützte Nachkriegsarchitektur in Vorstellung erfolgte von Ihnen der Auftrag: Ausdruck zu Süddeutschland. Im Zusammenhang mit Sep Rufs Architek- geben einer zurückhaltenden Repräsentation in der äußeren tur tauchen beständig Begriffe und Eigenschaften auf, die nicht Erscheinung und heutige, beste Arbeitsmöglichkeiten für die neu formuliert werden müssen: Transparenz, Offenheit, Leich- in diesem Haus Tätigen zu schaffen. Eine wahrhaft lebendig tigkeit oder Schwerelosigkeit, Humanität, Harmonie, nüch- gesehene, humane und kulturelle Aufgabenstellung eines terne Eleganz, Zurückhaltung, Bescheidenheit, Reduktion, kon- heutigen Bauherrn.“ struktive Ehrlichkeit, oder: filigran, klar, schlicht, großzügig, grazil, sensibel, subtil, konsequent, spartanisch, nobel. Die Ar- chitectural Review sagte dazu „most sophisticated“.

Das „Verbot von Flachdächern“ während der Nazizeit nahm Sep Ruf nicht einfach hin (nachdem er „verwarnt“ wurde); er verkehrte die lächerliche Vorgabe in extrem steile Dächer. An- sonsten bewahrte er Distanz zu den damals politisch-opportu- nen Bauformen, vermied alles Kleingeistige, zu sehr Boden- ständige oder gar anbiedernde Elemente. Sein Markenzeichen: schlichte kubische Baukörper, flächenbündige Fensterbän- der, schirmartige traufenlose Dächer, Türen und Fenster ohne Stürze, Durchgänge ohne Schwellen, überdachte Freiflächen, grazile Stützen, die Verbindung wie auch die Auflösung von Innen- und Außenraum, dezentrale und dennoch übersicht- liche differenzierte Anordnung unterschiedlicher Baukörper. Dass nach dem Zweiten Weltkrieg Mittel und Material knapp waren, kam seiner menschlichen Haltung und seiner beruf- lichen Zurückhaltung als Architekt eher entgegen, als dass