Sex Für Den Frieden Mitarbeiter Der Stasi Verführten Westdeutsche Frauen Und Schöpften Sie Ab
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Deutschland SPIONAGE Sex für den Frieden Mitarbeiter der Stasi verführten westdeutsche Frauen und schöpften sie ab. Die DDR-„Romeos“ hatten ihren Spaß, waren skrupellos – und erfolgreich. Von Henryk M. Broder s war nicht alles schlecht in der DDR. Arbeit war für alle da, die Mieten Ewaren billig und die öffentlichen Verkehrsmittel beinah umsonst. Die Volks- armee bewachte die Grenzen, die Volks- polizei sorgte für Ordnung, und das Ministerium für Staatssicherheit hielt die Dissidenten im Zaum. Auch das Erotische kam nicht zu kurz, wer sich im Inland bewährt hatte, wurde zu Sondereinsätzen ins westliche „Opera- tionsgebiet“ geschickt. „Ficken fürs Vater- land“ lautete der Auftrag inoffiziell, amt- lich ging es darum, „für längere Zeit einen weiblichen Vorgang zu führen und intim zu betreuen“. Mielkes Jungs waren nicht nur Schnüff- ler, Erpresser, Fälscher, Zersetzer und De- nunzianten, sie waren, wenn es darauf an- kam, auch tüchtige Liebhaber, die sich in Stasi-Chef Mielke, Untergebene (1989) „Einen weiblichen Vorgang intim betreuen“ die Herzen und Betten westdeutscher Frauen einschlichen. Er habe, sagte einer der „Romeos“ als Zeuge in einem Verfah- ren aus, „nur das Angenehme mit dem A. ZELCK Nützlichen verbunden“. Ex-Agentin Gabriele K.: „Meine einzige Liebe, die Liebe meines Lebens“ Die Frauen wurden, so die Buchautorin Elisabeth Pfister, 47, „zu Figuren im Spiel Es war immer derselbe Typ von Frau, hin- Frau ,Danke, ohne mich‘ sagen.“ So gut der Logistiker und Psychoexperten der Sta- ter dem die „Liebeskommandos der Stasi“ wie alle Romeo-Opfer, die von Elisabeth si“, aber auch Opfer ihrer eigenen Naivität her waren: alleinstehend, prüde und sexuell Pfister befragt wurden, seien „völlig apo- – sie „nahmen den geliebten Männern selbst unerlöst, leichte Beute für trainierte Verfüh- litisch“ gewesen, sie hätten „niemals aus die dümmsten Lügengeschichten ab“ und rer, die außer „intimer Betreuung“ auch die ideologischen Gründen“ gehandelt und räumten alles aus dem Weg, „Zweifel, Teilnahme an einem globalen Projekt anbo- auch nie den Hauch einer Ahnung gehabt, Mißtrauen, Verantwortung“, um ihr „klei- ten – dem Erhalt des Weltfriedens. Denn wel- wem sie „unwissentlich“ zuarbeiteten. nes großes Lebensglück nicht zu gefährden, che Legenden die Männer den Frauen auch Eine Ausnahme bildet Gabriele Gast, die um der Einsamkeit … zu entkommen“*. auftischten, am Ende ging es immer darum, Top-Spionin im Bundesnachrichtendienst. mit deren Hilfe einen Krieg zu verhindern. Sie war Agentin erst aus Liebe, dann aus „Frauen und Frieden“, sagt Elisabeth Überzeugung (siehe Seite 48). * Elisabeth Pfister: „Unternehmen Romeo. Die Lie- beskommandos der Stasi“. Aufbau Verlag, Berlin; 208 Pfister, „das ist die perfekte Mischung, das Margarete F., deutsche Mitarbeiterin bei Seiten; 36 Mark. entspricht unserem Wesen, da kann keine der Nato, wurde von 1961 bis 1989 nach- 44 der spiegel 12/1999 einander von drei Romeos beschlafen und abgeschöpft, ohne Verdacht zu schöpfen. Allerdings hatte die streng katholisch er- zogene Frau Schuldgefühle: vor allem „we- gen des außerehelichen Geschlechtsver- kehrs“ mit ihrem ersten Romeo, der sich als Mitarbeiter des dänischen Nachrich- tendienstes bei ihr einführte. Daß sich „Nils Hansen“ heimlich mit ihr verlobte und ihr die Ehe versprach, war nicht genug, sie wollte unbedingt zur Beichte. Und so sorgte die Ost-Berliner Zentrale in einer katholischen Kirche in Kopenhagen für eine perfekte Vorstellung. Ein Stasi-Mitarbeiter wurde als Pfarrer ver- kleidet, Margarete F. bekam die Absolu- tion, nach der sie sich sehnte, und ihr Ro- meo wurde anschließend von Markus Wolf persönlich empfangen und für seine Spit- zenleistung mit der Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee in Silber ausge- zeichnet. Der Chef der für Auslandsaktionen zu- ständigen HVA schien an solchen „zyni- schen Inszenierungen“ (Pfister) besonde- ren Spaß zu haben, sie brachten ein wenig frivole Abwechslung in den grauen Alltag in der Normannenstraße. Und während Margarete F. nach ihrer Verurteilung zu ei- nem Jahr auf Bewährung wegen geheim- dienstlicher Tätigkeit heute „auf Sozialhil- feniveau“ lebt, bezieht ihr Romeo a. D. „Nils Hansen“ eine ordentliche Rente und will an seine Schurkereien im höheren Auf- trag nicht erinnert werden. „Das ist für mich Vergangenheit … Ich bin nicht mehr bereit, darüber zu diskutieren.“ Schließlich hat er seinen Teil zur Auf- klärung der Geschichte geleistet und im Prozeß gegen Margarete F. als Zeuge aus- gesagt. Sie dagegen durfte die Kosten des Verfahrens tragen, wozu auch das Zeu- gengeld und die Reisespesen für ihren Ex- „Verlobten“ gehörten, der keine Hem- mungen hatte, sie ein zweites Mal in die Pfanne zu hauen. Kein Wunder, daß unter solchen Um- ständen die Opfer der Stasi-Romeos nicht vorgeführt werden möchten. „Fast alle die- se Frauen“, schreibt Elisabeth Pfister, „sind nach wie vor auf der Flucht. Sie fliehen vor der Wahrheit, die sich hinter ihren Erleb- nissen verbirgt, sie fliehen vor dem ihnen zugefügten Trauma, und sie fliehen vor der Entdeckung durch die Öffentlichkeit.“ Wie Gabriele K., die von 1977 bis 1984 mit einem Stasi-Mann liiert war, 1996 we- gen Landesverrats zu zwei Jahren mit Be- währung verurteilt wurde und heute als Stoffdesignerin in einer holländischen Kleinstadt lebt, „wo mich niemand kennt und keiner etwas über mich weiß“. Sie be- wohnt ein kleines Reihenhaus, mit sieben Hunden aus fünf verschiedenen Heimen – alles Pflegefälle wie Pauli, der mit ver- krüppelten Vorderpfoten geboren, und Rosa, die vor kurzem an einem Tumor ope- riert wurde. Mit dabei ist eine Taube na- mens Emily. Gabriele K. hat den Vogel vor der spiegel 12/1999 Deutschland Perle aus Pullach Spitzenspionin und Romeo-Opfer Gabriele Gast rechnet mit den Männern im Geheimdienst ab. n dem kleinen Reihenhaus am Münch- ihr im Interesse der „Firma“, nicht aus Tätigkeit zu sechs Jahren und neun Mo- ner Stadtrand wirken die Dinge ge- Liebe – ein Stasi-Romeo, der gelernt hat- naten Gefängnis verurteilt, dreieinhalb Iordnet. Schrankwand aus deutscher te, einer Frau kalkuliert „das Gefühl“ zu Jahre sitzt sie davon ab. Eiche, passend dazu Eckbank und Flügel: geben, „als gleichberechtigter Partner an- Heute arbeitet die promovierte Polito- Hier lebt die ehemalige Spitzenspionin erkannt, geschätzt und auch geliebt zu login als Allround-Managerin in einem der DDR im Bundesnachrichtendienst werden“ (Stasi-Schulungsmaterial). Architekturbüro. Kaum einem der verur- (BND), Gabriele Gast, 56, seit ihrer Haft- Die emanzipationsbewegte Jungintel- teilten DDR-Agenten gelang es nach der entlassung vor fünf Jahren. lektuelle, Mitglied der CDU und im Ring Haftentlassung, sich so rasch eine solide Gast, Typ brave Bürgerin, Paspelbluse, Christlich-Demokratischer Studenten, Existenz aufzubauen – und keiner hat Glockenrock und Goldrandbrille, ver- war damals besonders empfänglich für sich so intensiv mit Wolfs Rolle im Ge- strömt die wohlmeinende Strenge von diesen Mann: Kurz zuvor hatte ihre heimdienstmilieu beschäftigt. Oberstudienrätinnen, deren Privatleben langjährige Jugendliebe die Heiratspläne Der förderte nicht nur die Anwerbung auf immer ein Mysterium bleibt. storniert, weil Gast ihre Promotion nicht über das vorgetäuschte Liebesverhältnis. 21 Jahre lang hatte die Quelle „Gisela“ für eine Familie aufgeben wollte. Als Gast in Einzelhaft saß und um seine der Stasi Spitzenmaterial geliefert, 17 Jah- Als „Karlicek“, wie sie Schneider zärt- Unterstützung bat, galt ihm, um sich re davon aus dem BND. So erfuhr Markus lich nennt, sich als Stasi-Mann offenbart, selbst zu schützen, auch die stets glühend Wolf, Chef der DDR-Auslandsspionage bleibt ihr, ihn nie wiederzusehen oder beschworene „Solidarität“ nicht viel. HVA,in seinem Arbeitszimmer in Berlin- „ein bißchen mitzumachen“. Fortan in- In Briefen aus der Haft und später in Lichtenberg, was Helmut Kohl im Bonner szeniert das Ministerium für Staatssicher- langen Gesprächen in Wolfs Haus in Pren- Kanzleramt als „Verschlußsa- che“ zu lesen bekam. Mit der gleichen Emsigkeit und Akribie, mit der die „Per- le aus Pullach“ (Agentenjar- gon) Dokumente plünderte, machte sich Gabriele Gast, wieder in Freiheit, an die Auf- räumarbeiten in ihrem eigenen Leben – das Resultat wird in dieser Woche auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt*. Der Titel „Kundschafterin des Friedens“ – so nannte Wolf W. M. WEBER W. seine Agenten – zeugt von Di- M. WEBER W. stanzlosigkeit: Noch heute hält Ex-Agentin Gast, Ex-Romeo Schneider (1991): Von der Stasi inszeniertes Glück Gast ihre Spionagetätigkeit für „strafbar, aber nicht kriminell“. Der heit das Glück der beiden in verträumten den bei Berlin stellte ihn Gast schließlich Lernprozeß war ein anderer: Minutiös Gästehäusern. Es gibt lustige Dinnerpar- zur Rede. Sie wollte wissen, ob sie nur hat die frühere Regierungsdirektorin je- tys, ausgelassene Trinkgelage und tief- „ein Schräubchen im Getriebe“ gewesen nen Kokon durchleuchtet, in den sie, die greifende politische Gespräche. Zwischen sei, „nur ein sachliches Mittel zum Spionin aus Liebe, eingewoben wurde. der kleinen Gruppe von MfS-Mitarbei- Zweck“ – und ob überhaupt alles nur Am Ende erscheinen die vermeintlichen tern und „Gaby“ entstehen enge Bindun- „wertlose Erinnerungen“ seien. Sie er- Freunde von der HVA klein und feige. gen, auch wenn die für die Stasi-Leute am hielt keine befriedigenden Antworten. Geringschätzig beschreibt Gast auch Ar- Ende immer dienstliche bleiben. Heute hat sie mit ihm gebrochen. Der beitsweise, Umgangston und Vorgesetzte Aus der Liebesbeziehung zu Karlicek einst als „Majestix“ Verehrte,