Masterprogramm Kulturmanagement Universität Basel

THERE’S NO (SWISS) BUSINESS LIKE (SWEDISH) SHOWBUSINESS!

Populärmusikförderung als Basis für einen erfolgreichen Musikexport? Ein Vergleich zwischen Schweden und der Schweiz

Fachbereich: Kulturpolitik/Kreativwirtschaft Betreuender Dozent: Dr. phil. Frank Hänecke Eingereicht am: 14. Juli 2011

Verfasserinnen: Karin Feusi Daniela Küttel Hagnetstrasse 34 Mariahilfgasse 3 3184 Wünnewil 6004 Luzern

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INHALTSVERZEICHNIS 1. EINFÜHRUNG ...... 4 1.1 Persönliche Motivation der Autorinnen für das Verfassen dieser Arbeit ...... 4 1.2 Zielformulierung für die vorliegende Arbeit ...... 5 1.3 Methodik und Vorgehensweise ...... 5 1.4 Begriffsdefinitionen und Vorbemerkungen ...... 6

2. DIE MUSIKFÖRDERUNG IN DER SCHWEIZ ...... 6 2.1 Geschichtlicher Überblick ...... 6 2.2 Die wichtigsten Akteure in der Musikförderung heute ...... 8 2.2.1 Die öffentliche Hand ...... 8 2.2.1.1 Nationale Ebene ...... 8 2.2.1.2 Kantonale und kommunale Ebene ...... 9 2.2.2 Verbände, Vereine und Stiftungen ...... 10 2.2.3 Urheberrechts- und Interessenorganisationen ...... 12 2.2.4 Privatwirtschaftliche Engagements und Kooperationen ...... 14 2.2.4.1 Das Migros-Kulturprozent ...... 14 2.2.4.2 Weitere Akteure aus der Privatwirtschaft im Bereich Sponsoring/ Partnership ...... 16 2.2.4.3 Populärmusik in der Werbung ...... 16 2.3 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 2 ...... 17

3. WEITERE WIRKUNGSRELEVANTE FAKTOREN ...... 18 3.1 Musikalische Bildung in der Schweiz ...... 18 3.2 Das Imagebüro: Präsenz Schweiz ...... 19 3.3 Dynamik der Produktionsfaktoren ...... 20 3.4 Strukturwandel innerhalb der Musikindustrie ...... 21 3.5 Branchenzusammenarbeit ...... 22 3.6 Nachfrage ...... 22 3.7 Landestypische Charakteristika ...... 23 3.8 Die Rolle der Medien ...... 23 3.8.1 Die Medien als Promotionsinstrument für Musik ...... 23 3.8.2 Radio ...... 23 3.8.3 Fernsehen ...... 25 3.8.4 Printmedien ...... 26 3.9 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 3 ...... 27

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4. DIE MUSIKINDUSTRIE IN DER SCHWEIZ ...... 29 4.1 Überblick ...... 29 4.2 Die Tonträgerfirmen ...... 29 4.3 Konzertagenturen ...... 30 4.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 4 ...... 31

5. DIE MUSIKFÖRDERUNG IN SCHWEDEN ...... 31 5.1 Geschichtlicher Überblick ...... 31 5.2 Die wichtigsten Akteure in der Musikförderung heute ...... 33 5.2.1 Die öffentliche Hand ...... 33 5.2.1.1 Nationale Ebene ...... 33 5.2.1.2 Kommunale Ebene ...... 34 5.2.1.3 Regionale Ebene ...... 35 5.2.1.4 Weitere staatliche Organisationen ...... 35 5.2.2 Halbprivate Akteure ...... 36 5.2.2.1 Export Music Sweden ...... 36 5.2.3 Urheberrechts- und Interessenorganisationen ...... 37 5.2.4 Privatwirtschaftliche Engagements und Kooperationen ...... 40 5.2.4.1 Populärmusik in der Werbung ...... 40 5.3 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 5 ...... 41

6. WEITERE WIRKUNGSRELEVANTE FAKTOREN ...... 42 6.1 Musikalische Bildung und Vermittlung ...... 42 6.1.1 Folkbildning ...... 42 6.1.2 Rockparty, Rock City und Campus Hultsfred ...... 43 6.2 Das Imagebüro: Svenska Institutet...... 44 6.3 Dynamik der Produktionsfaktoren ...... 45 6.4 Strukturwandel innerhalb der Musikindustrie ...... 46 6.5 Branchenzusammenarbeit ...... 48 6.6 Nachfrage ...... 49 6.7 Landestypische Charakteristika ...... 50 6.8 Die Rolle der Medien ...... 51 6.9 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 6 ...... 53

7. DIE MUSIKINDUSTRIE IN SCHWEDEN ...... 54 7.1 Überblick ...... 54 7.2 Die Tonträgerfirmen ...... 54 7.3 Die Konzertagenturen ...... 55 7.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 7 ...... 56

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8. MUSIKEXPORT ALS WIRTSCHAFTSFAKTOR ...... 57 8.1 Begriffsdefinition ...... 57 8.2 Populärmusik als Exportgut ...... 58 8.2.1 Musikexport Schweiz ...... 58 8.2.2 Musikexport Schweden ...... 59

9. VERGLEICH DER BEIDEN STAATEN ...... 62 9.1 Förderung ...... 62 9.2 Weitere wirkungsrelevante Faktoren ...... 65 9.3 Musikindustrie ...... 67

10. FAZIT ...... 68 10.1 Schweden – ein adaptierbares Erfolgsmodell?...... 68 10.2 Reflexion ...... 70

DANKSAGUNG ...... 71 LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS ...... 72 ANHANG 1: Glossar ...... 74 ANHANG 2: Erläuterungen ...... 80 ANHANG 3: Interviews und Stellungnahmen ...... 93 • Interview Marius Käser, Pro Helvetia, Verantwortlicher Pop • Interview Jean Zuber, Geschäftsleiter Swiss Music Export • Stellungnahme Guido Röösli, Inhaber Goldon Records Luzern • Stellungnahme Pia Kalischer, Progammverantwortliche Sveriges Radio

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1. EINFÜHRUNG 1.1 Persönliche Motivation der Autorinnen für das Verfassen dieser Arbeit Besitzt man eine gewisse Affinität zu Populärmusik, fallen einem auf Anhieb mehrere internati- onal erfolgreiche Bands und Musikerinnen und Musiker aus Schweden ein. Regelmässig er- scheinen Produktionen aus Schweden auf dem internationalen Markt, hinter vielen internationa- len Hitparaden-Erfolgen stehen schwedische Komponisten oder Produzenten, schwedische Bands touren häufig durch Europa und in Übersee, und man hat den (natürlich subjektiven) Eindruck, dass Populärmusik ein wichtiger Teil des schwedischen Kulturverständnisses ist. Und nicht nur das: Offensichtlich ist der Musikexport in Schweden ein wichtiger Wirtschafts- und Imagefaktor, was sich unter anderem darin zeigt, dass von der schwedische Regierung seit 1997 jährlich ein Musikexport-Preis an jene Band oder Solokünstler verliehen wird, die mit ihrer Musik grosse Exporterfolge feiert und zudem für ein positives Bild von Schweden im Ausland sorgt. Je nach Quelle können imposante Zahlen zum schwedischen Musikexport nachgelesen werden.1 Vor einigen Jahren zirkulierte in der Branche in diesem Zusammenhang gar der Be- griff „das schwedisches Musikwunder“2.

Wo bleibt da die Schweiz? Auch hierzulande gibt es unzählige Rock- und Popbands, die quali- tativ durchaus in der Lage wären, sich auf einem internationalen Markt zu behaupten. Gelingen tut dies jedoch nur den wenigsten. Falls doch sind es meist Bands, die sich in Nischen bewegen und Genres abdecken, welche nicht die grosse Masse ansprechen. Woran aber scheitern die Schweizer Pop-/Rock-Produktionen auf dem internationalen Markt?

Schweden und die Schweiz sind zwei europäische Länder mit ähnlich hoher Einwohnerzahl und ähnlich hohem Bruttonationaleinkommen. Eine Übersicht mit den Schlüsselzahlen der beiden Länder findet sich im Anhang.3 Beide Länder haben aktive Musikszenen im Populärmusikbe- reich, die stark von englischen und amerikanischen Musikströmungen geprägt sind. Um aus- schliesslich von der Musik leben zu können, sind die meisten Künstler beider Länder darauf angewiesen, auch im Ausland zu touren und ihre Musik ausserhalb der Landesgrenzen abzuset- zen. Beide Länder haben zudem Musikexportstellen, die bis zu einem gewissen Teil staatlich mitfinanziert sind und sich um die Erschliessung neuer Märkte kümmern. Die Ergebnisse aber könnten unterschiedlicher nicht sein: Während Schweden im Weltmarkt in Sachen Musikexport scheinbar eine führende Stellung einnimmt, wird die Schweizer Pop-/Rockszene international kaum wahrgenommen. Dementsprechend wirtschaftlich irrelevant sind die internationalen Ver- kaufszahlen von Schweizer Produktionen im Pop-/Rockbereich – sie werden hierzulande nicht einmal erfasst. (Vgl. dazu Kapitel 8.2.1)

1Vgl. FORSS (1999), S. 107 2http://svenskmusik.org/article/ten-years-of-swedish-prosperity-del-1/ (Stand: 29. Juni 2011) 3Vgl. Erläuterungen Anhang 2 4

Beide Autorinnen sind zwar keine aktiven Musikerinnen, jedoch langjährige aktive und passio- nierte Konsumentinnen von Populärmusik. Karin Feusi hat durch ihre jahrelange Arbeit als Club-Promoterin4 und Agentin5 für primär skandinavische Bands einen vertieften Einblick in das internationale Musikbusiness erhalten und möchte diese Arbeit zum Anlass nehmen, einmal ganz genau hinzuschauen, was die Basis des Erfolgs „ihrer“ Bands sein könnte. Daniela Küttel aus „Luzern Rock City“ hat unzählige junge, ambitionierte und talentierte Bands kommen und gehen sehen und freut sich, dass mit Heidi Happy nun auch eine Luzerner Musikerin im Aus- land Fuss zu fassen scheint. Gleichzeitig möchte sie durch diese Arbeit ergründen, weshalb dies nach wie vor nur wenigen Schweizer Musikerinnen und Musikern im Bereich der Populärmusik gelingt.

1.2 Zielformulierung für die vorliegende Arbeit Ausgehend von der Tatsache, dass im Normalfall zuerst der Heimmarkt erobert werden muss, bevor exportiert wird, werden im Rahmen dieser Arbeit verschiedene Aspekte untersucht, die auf das Durchsetzungsvermögen im heimischen Markt einen Einfluss haben. In einem ersten Schritt wird die Förderung von Populärmusik in den beiden Ländern angeschaut. Es soll aufge- zeigt werden, wo die Gemeinsamkeiten liegen und wie sich die Modelle unterscheiden. An- schliessend wird ein Augenmerk auf das gesellschaftliche Umfeld und die Rahmenbedingungen gelegt, innerhalb dieser sich die Produktion von Populärmusik abspielt. Es soll herausgearbeitet werden, welchen Effekt sie allenfalls auf die inländische Marktdurchdringung und – in einem weiteren Schritt – auf den internationalen Erfolg der einzelnen Akteure haben können. Zusammenfassend können folgende Zielformulierungen genannt werden: • Wie funktioniert die Förderung im Bereich der Populärmusik in den beiden Ländern; von staatlicher Förderung bis zu privatwirtschaftlichen Engagements? • Welchen Einfluss auf den potentiellen wirtschaftlichen Erfolg von Populärmusik haben weitere wirkungsrelevante Faktoren wie die musikalische Bildung, der Strukturwandel innerhalb der Musikindustrie, die Rolle der Medien etc.? • Welche Rolle spielt Populärmusik als Wirtschaftsfaktor in den beiden Ländern? • Welche wirkungsrelevanten Unterschiede können im Vergleich der beiden Staaten her ausgearbeitet werden? • Gibt Schweden ein Erfolgsmodell für die Förderung der Populärmusik ab und lässt sich dieses bis zu einem gewissen Grad auf die Schweiz übertragen?

1.3 Methodik/Vorgehensweise Als Basis für die vorliegende Arbeit dienen einerseits Befragungen mit den jeweils zuständigen Personen der beiden Hauptförderer auf nationaler Ebene sowie den beiden Musikexportstellen.

4Vgl. Glossar Anhang 1 5Vgl. Glossar Anhang 1 5

Ergänzt werden diese Informationen mit Expertengesprächen (u.a. Labelchefs6, Agenten und Radioprogrammverantwortliche). Als dritte Quelle werden diverse statistische Unterlagen (Rapporte des schwedischen Wirtschaftsdepartements, Dokumente des Bundesamtes für Statis- tik sowie des Statistiska Centralbyrån, der IFPI u.a.) ausgewertet, soweit diese vergleichbar sind. Eine weitere wichtige Quelle sind bereits veröffentliche Studien in Schweden und der Schweiz zu den Themen Rock- und Popförderung und Musikexport, sowie auch die Internetsei- ten von Förderinstitutionen, Interessenverbänden, Distributionsplattformen und der Imagebüros der beiden Länder.

1.4 Begriffsdefinitionen und Vorbemerkungen Die folgenden Untersuchungen konzentrieren sich auf die Hauptsparten Pop/Rock. Eine eigent- liche Begriffsdefinition gestaltet sich aber als schwierig, da eine klare Abgrenzung der Musik- stile oft gar nicht mehr möglich ist. Es herrscht eine grosse Durchlässigkeit der Genres und die Bezeichnungen sind einem mehr oder weniger konstanten Bedeutungswandel unterworfen.7 Während in der Schweizer Sachliteratur oft noch von „Pop/Rock“ geschrieben wird, hat sich in Skandinavien der Begriff „Populärmusik“ durchgesetzt, der aber die Rockmusik klar mit ein- schliesst. Die ursprüngliche Definition, die den Begriff „Populärmusik“ mit Stilen wie Swing, Jazz oder Beat als eher leichte Unterhaltungsmusik für die Massen im Gegensatz zur klassi- schen Musik verstand, wird hier nicht verwendet. Die Autorinnen verwenden in dieser Arbeit die Begriffe „Pop/Rock“ sowie „Populärmusik“ und verstehen diese primär als Abgrenzung zu Klassik, Jazz, Volksmusik und Schlager.

Aus praktischen Gründen wird in dieser Arbeit primär die männliche Form verwendet. Selbst- verständlich ist darin die weibliche Form immer mit eingeschlossen. Auch hat die Recherche für diese Arbeit einmal mehr gezeigt, dass es „die Schweiz“ so nicht gibt und sich die Romandie in den thematisierten Feldern von der Deutschschweiz unterscheidet. Aus Kapazitätsgründen wur- de deshalb der Fokus für diese Arbeit hauptsächlich auf die Deutschschweiz gelegt.

2. DIE MUSIKFÖRDERUNG IN DER SCHWEIZ 2.1 Geschichtlicher Überblick Wie in vielen anderen politische Belangen gibt es auch in der nationalen Musikförderung keine Einheitlichkeit, sondern – ausgehend von der in der Verfassung verankerten sogenannten „Kul- turhoheit“ der Kantone (Artikel 69 BV Absatz 1) – verschiedenste Fördermodelle. Noch kom- plexer wird die Angelegenheit, wenn man sich das Prinzip der doppelten Subsidiarität8 vor Au-

6Vgl. Glossar Anhang 1 7Vgl. MARTY/HÄNECKE/HEILIGER (2003), S.1 8Eine öffentliche Kulturförderung findet nur statt, wenn die private nicht ausreicht, und der Bundesstaat greift nur ein, wenn die unteren Staatsebenen überfordert sind 6

gen hält. Neben den öffentlichen Förderern existiert zusätzlich ein grosser Non-Profit- Kulturbereich von gemeinnützigen Akteuren wie z.B. Vereinen oder Stiftungen.9 Die Pop-/Rockförderung in der Schweiz begann im Vergleich zu anderen Kunst- und Kultur- spartenförderungen relativ spät. Sie hatte ihren Start anfangs der 80er Jahre, als in verschiede- nen Schweizer Städten Jugendliche auf die Strasse gingen und teilweise gewalttätig autonome Jugendzentren forderten – finanziert von der öffentlichen Hand, wie die etablierten Kulturspar- ten. Dies führte auf Behördenseite schrittweise zur Einsicht, dass gewisse Forderungen berech- tigt waren und man die Kultur der Jungen ernst zu nehmen hatte. Die alternative Kultur fand in der Folge vielerorts ihre Freiräume.10 Im Bereich der konkreten Pop-/Rockförderung nahm Bern eine Vorreiterrolle ein. 1983 wurde die Kommission für das „Kleintheater und der Kultur in der Berner Altstadt“ mit zwei Experten im Bereich „Rock“ ergänzt und der Kredit „Rock, Folk und Chanson“ eingerichtet. Aus diesem mit CHF 25‘000.– dotierten Fonds wurden Demoaufnahmen von Bands finanziert und Veranstalter von Konzerten und Festivals mit Berner Beteiligung mit Defizitdeckungsbeiträgen unterstützt. Der Fonds wurde kontinuierlich ausgebaut und 1987 zum heutigen noch gültigen Modell „Musik der Jungen“ erweitert. Ebenfalls Vorzeigecharakter hat das 1990 in der Abteilung „Kulturelles“ eingerichtete Beratungsbüro, welches unerfahrenen Bands im Umgang mit Veranstaltern und Medien zur Seite steht.11

In Genf begünstigte – wenn auch indirekt – die Besetzerszene die Pop-/Rockförderung. Ab An- fang der 80er Jahre bis Mitte der 90er Jahre waren die Mieten in exorbitante Höhen gestiegen. Gleichzeitig standen gegen 5000 Wohnungen in der Stadt frei. Unter behördlicher Duldung wurden viele Häuser besetzt; Mitte der 90er Jahre hatte Genf die grösste Squatterszene12 in Eu- ropa (pro Kopf) mit 140 besetzten Häusern und über 1000 Squatters. Die Squats waren nicht einfach Wohnhäuser. Sie wurden zu kulturellen Veranstaltungsorten und begründeten die alter- native Kulturszene Genfs. So entstand beispielsweise auch der Verein „PTR“ aus dieser Szene, ein Konzertveranstalter, der pro Jahr um die 50 Konzerte in Genf veranstaltet und sich nachhal- tig für den Genfer Nachwuchs einsetzt.13 (Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.1.2)

Seit diesen Anfängen ist einiges passiert. Inzwischen haben viele Städte und Gemeinden eine Pop-/Rockförderung, die diesen Namen auch verdient, in dem sie genrespezifische Kriterien anwendet. Zudem gibt es heute in diesem Bereich eine Vielzahl von Einzelinitiativen. Die wich- tigsten Akteure werden in der Folge vorgestellt.

9Vgl. THELER/WECKERLE (2008), S. 408 10Vgl. FACON (1999), S. 298 ff 11Vgl. FACON (1999), S. 300 ff 12Vgl. Glossar Anhang 1 13http://www.swissinfo.ch/eng/Home/Archive/Historic_squat_battles_to_avoid_extinction.html?cid=4824 972 (Stand: 21. Juni 2011) 7

2.2 Die wichtigsten Akteure in der Musikförderung heute Die Kulturfinanzierung in der Schweiz hängt zu einem grossen Teil vom finanziellen Engage- ment des öffentlichen Gemeinwesens ab. So kamen im Jahr 2007 von den gesamten staatlichen Kulturausgaben von CHF 2,24 Mrd. (dies sind 1.5% der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand) 46% von den Gemeinden, 39% von den Kantonen und 15% vom Bund.14 Die an sich komplexe Struktur der Kulturförderung in der Schweiz macht es oft schwierig, die Abgrenzung zwischen öffentlichen und halböffentlichen Förderern zu machen. Oft fördert die öffentliche Hand nicht die Künstler direkt, sondern unterstützt Non-Profit-Organisationen oder Stiftungen, die Kompetenzen in diesen Bereichen haben und direkte Förderung betreiben. Die Abgrenzung wurde hier in Bezug auf die Finanzierung gemacht: Organisationen, die hauptsäch- lich von der öffentlichen Hand finanziert sind, werden als „Förderung der öffentlichen Hand“ taxiert. Solche, die nur teilweise von der öffentlichen Hand Geld erhalten, werden im Kapitel 2.2.2 „Verbände, Vereine und Stiftungen“ vorgestellt.

2.2.1 Die öffentliche Hand 2.2.1.1 Nationale Ebene Mit dem Inkrafttreten des Kulturförderungsgesetzes KFG am 1. Januar 2012 wird auch das Bundesamt für Kultur BAK auf nationaler Ebene im Bereich Musik aktiver Förderer. Bis anhin fördert auf Bundesebene im Bereich Musik nur die Pro Helvetia.15 In Zukunft obliegt dem BAK die „Förderung der musikalischen Bildung“, die spartenübergreifend „Kinder und Jugend- liche beim Erwerb und der Entwicklung der musikalischen Kompetenzen im ausserschulischen Bereich unterstützen soll.“16 (Vgl. dazu auch die Ausführungen im Kapitel 3.1)

Die Stiftung Pro Helvetia ist vollumfänglich vom Bund finanziert und ergänzt die kulturför- dernden Massnahmen von Kantonen und Gemeinden. Eine explizite Popförderung betreibt sie seit Mitte der 90er Jahre.17 Im Jahr 2010 hat die Pro Helvetia CHF 24,2 Mio. an kulturelle Vor- haben verteilt, davon gingen CHF 3,975 Mio. an Projekte im Bereich Musik. Es findet keine weitere Aufteilung nach Sparten statt. Gemäss Marius Käser, Pro Helvetia-Verantwortlicher für die Abteilung Pop, fliessen jeweils ungefähr 15% – 20% in Projekte der Pop-/Rockförderung. Grundsätzlich unterstützt werden Konzerte in der Schweiz18 und im Ausland, Kompositionsauf- träge, Vermittlungsprojekte sowie Wissensaustausch und Rechercheaufenthalte. Es gibt keine primären „Exportterritorien“, die bei der Vergabe von Unterstützungsgeldern für Auslandtour- neen ein Kriterium darstellen; die Kriterien sind rein projektabhängig. Mit den Nachbarländern gibt es keine speziellen Projekte und Zusammenarbeiten. Allerdings werden teilweise engere

14http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/Glossar/themen/16/22/press.html (Stand: 6. Juni 2011) 15http://www.bak.admin.ch/themen/kulturfoerderung/00498/Glossar.html?lang=de (Stand: 4. Juni 2011) 16http://www.bak.admin.ch/themen/kulturpolitik/03938/Glossar.html?lang=de (Stand: 3. Juni 2011) 17Gemäss Angabe per E-Mail von Marius Käser am 14. Juni 2011 18Vgl. Erläuterungen Anhang 2 8

Beziehungen mit Ländern und Regionen unterhalten, wo die Pro Helvetia Residenzen und Aus- senstellen hat.19 Daneben unterstützt die Pro Helvetia verschiedene Organisationen, die sich der Pop- /Rockförderung widmen, so beispielsweise das Schweizer Musikexportbüro „Swiss Music Ex- port“ mit einem jährlichen Beitrag von CHF 100‘000.–. (Vgl. auch Kapitel 2.2.2) Per Ende 2010 unterhält die Pro Helvetia 66 Vollzeitstellen (inkl. Aussenstellen im Ausland). Für den Bereich Pop/Rock ist eine Person in einer 50% Anstellung zuständig.

2.2.1.2 Kantonale und kommunale Ebene Wie bereits ausgeführt, liegt die Kulturhoheit bei den Kantonen, was dazu führt, dass es unzäh- lige kleinere und grössere Fördermassnahmen im Bereich Pop/Rock gibt. Aus Kapazitätsgrün- den beschränken wir uns im Folgenden auf einige ausgesuchte kommunale und kantonale Pro- jekte und Modelle, die in unseren Augen ein Stück weit „Exportförderung“ sind – in dem sie nicht nur einfach die Produktion von Tonträgern fördern, sondern sich auch durch Informati- onsvermittlung, Bereitstellung von Infrastruktur und Nachwuchsförderung auszeichnen.

Die Stadt Zürich fördert Pop-/Rockmusik explizit mit dem sogenannten Popkredit. In erster Linie werden Beiträge an Live-Auftritte20 vergeben (Tourneen, Festivals, Veranstalter). CD- Produktionen werden nur gefördert, wenn eine grosse Anzahl Live-Auftritte vorgewiesen wer- den kann und die Vertriebsübernahme durch ein Label gewährleistet ist. Daneben werden Werkbeiträge und Atelier-Aufenthalte vergeben. Speziell zu erwähnen ist noch die Konzertreihe „Stadtsommer“, in der bis anhin unbekannte Bands auf öffentlichen Plätzen auftreten.21

Die Kantone Basel-Stadt und Basel-Land finanzieren den Rockförderverein der Region Ba- sel (RFV), der 1994 von einem Team aus Musikern, Veranstaltern, Medienschaffenden und Kulturorganisatoren gegründet wurde. Ziel des in Basel ansässigen Vereins ist die professionel- le Förderung der Pop-/Rockmusik in der Region Basel, sowie deren Etablierung als Teil des kulturellen Lebens. Der RFV engagiert sich besonders für die qualitative Verbesserung der Rahmenbedingungen, unter denen Populärmusik entstehen und aufgeführt werden kann. Die beiden Basler Kantone unterstützen den Verein mit zusammen über CHF 500‘000.– pro Jahr.22 Der RFV unterhält diverse hochkarätige Fördermodelle. Eine Auswahl davon findet sich im Anhang.23 Eine weitere Stärke des RFV liegt in der Beratung und Informationsvermittlung. Im Mai diesen Jahres wurde das überarbeitete Manual „Rockproof 2.011 – alles für deine Band“ veröffentlicht; eine 182-seitige Informationsbroschüre, in der von A wie Auftrittsmöglichkeiten

19Vgl. Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Interview mit Marius Käser 20Vgl. Glossar Anhang 1 21Vgl. Stadt Zürich Kulturleitbild 2008 – 2011, S. 55 22http://www.rfv.ch/cms/front_content.php?idcat=9&lang=1 (Stand: 3. Juni 2011) 23Vgl. Erläuterungen Anhang 2 9

über K wie Künstlervertrag bis Z wie Zoll alles aufgeführt wird, was ein Musiker wissen soll- te.24 Das Dokument steht gratis zum Download zur Verfügung.

Ebenfalls eine explizite Pop-/Rockförderung betreiben unter anderem das Aargauer Kuratori- um sowie die Städte Bern, Lausanne und Genf, die hier aber aus Platzgründen nicht weiter ausgeführt werden können.

Die Stadt Luzern und die umliegenden Gemeinden betreiben indirekte Pop-/Rockförderung der besonderen Art. Vor genau 30 Jahren – im Zuge der damaligen Jugendunruhen (vgl. Kapitel 2.1) hat sie die ehemalige kantonale Haftanstalt Sedel an die „Interessengemeinschaft Luzerner Musiker“ (ILM) übergeben. Die öffentliche Hand kommt für die Miete und Nebenkosten auf, die ILM verpflichtet sich im Gegenzug, im Sedel Proberäume zur Verfügung zu stellen. Alle Proberäume – 54 insgesamt, die monatlich zwischen CHF 50.– und 150.– kosten – sind mehr- fach belegt. Aktuell proben über 300 Musikerinnen und Musiker im Sedel. Das Konzertpro- gramm im Clubraum ist selbsttragend und wird von der öffentlichen Hand nicht weiter unter- stützt. 25

In der Westschweiz ist der von der Stadt Genf mitfinanzierte Verein Post Tenebras Rock (PTR), ein wichtiger Akteur. PTR wurde 1983 als gemeinnütziger Verein gegründet – ursprüng- lich mit dem Ziel, Rockmusik in allen ihren Facetten zu zeigen. Ein Hauptanliegen des Vereins ist die Unterstützung des lokalen Musikschaffens. PTR organisiert nicht nur Konzerte, sondern unterstützt lokale Bands auch finanziell und beratend bei der Produktion von Tonträgern.26 Die Stadt Genf unterstützt PTR mit einem bedeutenden finanziellen Beitrag. Die Unterstützung ist in der Ende letzten Jahres neu verhandelten 23-seitigen „Convention des subventionnement pour les années 2011 – 2014“ zwischen dem Kulturdepartement der Stadt Genf und dem Verein PTR geregelt.27

2.2.2 Verbände, Vereine und Stiftungen Nebst der Förderung durch die öffentliche Hand gibt es diverse Stiftungen, Vereine und Interes- sengemeinschaften - oftmals auch von der öffentlichen Hand mitfinanziert - die als Non-Profit- Organisationen einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Pop-/Rockmusik leisten. Die wich- tigsten werden hier nun kurz vorgestellt.

Die SUISA-Stiftung für Musik wird mit einem Anteil von 2.5% der jährlichen Einnahmen der SUISA (vgl. Kapitel 2.2.3) aus Aufführungs- und Senderechten in der Schweiz finanziert. Der

24Vgl. Rockproof 2.011, S. 11 25http://www.sedel.ch (Stand: 3.Juni 2011) 26http://www.ptrnet.ch/1983/scene-locale-subv/ und http://www.ptrnet.ch/1983/association/ (Stand: 24. Juni 2011) 27Die Vereinbarung ist abrufbar unter: http://www.villegeneve.ch/fileadmin/public/Departement_3/Rapports/argent_public/ptr1114.pdf (Stand: 7. Juni 2011) 10

Zweck der Stiftung besteht „in der Förderung des schweizerischen Musikschaffens aller Gat- tungen“.28 Neben Einzelförderungen unterstützt die Stiftung diverse Organisationen und Platt- formen, wie unter anderem die Datenbank zur Schweizer Musik „musinfo.ch“, Swiss Music Export oder den Verein „jugend+musik“, der sich primär für die musikalische Bildung ein- setzt.29 Dazu werden jedes Jahr diverse Preise vergeben. Speziell zu erwähnen ist hier der Preis „Swiss Track“, der explizit das kreative Schaffen im Bereich der elektronischen Musik würdigt. Am jährlich stattfindenden „m4music-Festival“ des „Migros-Kulturprozents“ (vgl. auch Kapitel 2.2.4.1) vergibt die SUISA-Stiftung für Musik an der „Demotape Clinic“ die Preise in vier Ka- tegorien, sowie den Preis für das „Demo of the year“.30 Ausserdem ist die SUISA-Stiftung auch regelmässig an Messen präsent, so beispielsweise im letzten Jahr an der „MIDEM“ in Cannes und der „Popkomm“ in Berlin.31

Swiss Music Export (SME) wurde 2003 gegründet und ist eine gemeinsame Initiative von Pro Helvetia, dem Phonoproduzentenfonds, der SUISA-Stiftung, der Fondation CMA, des Migros- Kulturprozents und der Schweizerischen Interpretenstiftung, die auch heute noch SME mitfi- nanzieren.32 SME hat je eine Geschäftsstelle in Zürich und Nyon, und konzentriert sich auf fol- gende vier Geschäftsfelder: Ausgehend von den strategisch festgelegten Zielmärkten (französisch- und deutschsprachige Märkte in Europa) beteiligt sich SME im Feld Festivals und Projekte im Ausland an Festivals und Messen. So werden zum Beispiel Auftritte von Schweizer Künstlern an internationalen Messen finanziert, oder es werden Schweizer Künstler an Festivals/Agenturen/Labels im Aus- land vermittelt. Im Feld Guests & Panels organisiert SME im Rahmen von grossen Festivals in der Schweiz (z.B. am Gurten-Festival oder am Paléo) Netzwerkanlässe, zu denen ausländische Fachleute (Labelbetreiber, Booker33, Agenten) eingeladen werden, um sich Schweizer Bands vor einheimischem Publikum anzusehen. SME hat auch eine beratende Funktion, die mit dem Bereich Beratung, Information und Vermittlung abgedeckt wird. Davon profitieren können Künstler und ihre Managements, Labelbetreiber und Booker, die so auf ein stetig wachsendes Netzwerk zurückgreifen können. Das vierte Standbein ist die Tour-Unterstützung von Musi- kern. Das Budget dafür ist jedoch relativ klein und wird auf wenige Künstler fokussiert einge- setzt. Wichtig ist dabei die ständige Begleitung der Projekte. Ebenfalls wird auf eine angemes- sene Beteiligung von Seiten der Künstler bzw. deren Label und Produzenten an der Finanzie- rung geachtet.34

28http://www.suisa.ch/de/suisa-stiftung/ueber-uns/ (Stand: 24. Juni 2011) 29Vgl. SUISA-Stiftung für Musik Jahresbericht 2010, S. 19 ff 30Vgl. SUISA-Stiftung für Musik Jahresbericht 2010, S. 23 31Vgl. SUISA-Stiftung für Musik Jahresbericht 2010, S. 25 ff 32http://www.swiss-music-export.com/Glossar.php?id=27 (Stand: 3. Juni 2011) 33Vgl. Glossar Anhang 1 34Vgl. Swiss Music Export Jahresbericht 2010, S. 4 11

Die 1993 gegründete Vereinigung TrocK mit Sitz in Lausanne ist die Westschweizer Partner- organisation von Action Swiss Music (vgl. Kapitel 2.2.3). Daneben tritt TrocK auch als Veran- stalterin von Konzerten mit aufstrebenden Schweizer Künstlern auf und veröffentlicht regel- mässig Sampler35, die das Schweizer Musikschaffen im Bereich der Populärmusik repräsentie- ren.36

Ebenfalls in der Westschweiz angesiedelt ist die Fondation CMA (Fondation romande pour la chanson et les musiques actuelles), deren Kerngeschäft die Beratung, Unterstützung und Promo- tion von regionalen Musikschaffenden im Bereich der Populärmusik ist.37 Unter anderem orga- nisiert sie zusammen mit anderen Akteuren auch regelmässig Foren und unterhält eine gut sor- tierte Bibliothek. In Zusammenarbeit mit Swiss Music Export vertritt sie Westschweizer Künst- ler an Festivals und Messen im Ausland und in Kooperation mit dem Radio Suisse Romande werden jährlich ein oder mehrere Sampler mit aktuellem Westschweizer Musikschaffen veröf- fentlicht. Ausserdem organisiert sie in Kollaboration mit der Loterie Romande „Artist in Residence“-Projekte.38

Die Schweizerische Interpretenstiftung (SIS) wurde von der „Schweizerischen Interpretengenossenschaft“ (SIG) (vgl. Kapitel 2.2.3) gegründet und kümmert sich gemäss ih- rem Stiftungszweck um „Förderung und Schutz von ausübenden Künstlerinnen und Künstlern […], die ihre Tätigkeit als Beruf ausüben oder sich noch in der Ausbildung zu einem solchen Beruf befinden“. Nebst der Förderung von konkreten Projekten im In- und Ausland ist die Stif- tung auch im Bereich der sozialen Sicherheit von Künstlerinnen und Künstlern tätig.39

2.2.3 Urheberrechts- und Interessenorganisationen Nebst den direkten Förderern gibt es diverse nicht gewinnorientierte und teilweise unter staatli- cher Aufsicht stehende Organisationen, die sich um die Wahrung der Rechte und Interessen der Musiker kümmern. Die wichtigsten werden hier kurz aufgelistet.

Die Action Swiss Music ist ein Verein, der sich als nationale Interessenvertretung für aktuelle, populäre Schweizer Musik aller Sparten versteht. Zu seinen Kernkompetenzen gehört unter anderem kostenlose Beratung, Tipps und Infos von Profis, Musterverträge und Checklisten für Mitglieder, Vermittlung von Kontakten innerhalb der Musikszene sowie Lobbying für die An- erkennung und Förderung im Kulturbetrieb, in den Medien und der Politik. Finanziert wird der

35Vgl. Glossar Anhang 1 36http://www.trock.ch/ (Stand: 8. Juni 2011) 37http://www.fcma.ch/fr/cma-presentation.php (Stand: 8. Juni 2011) 38http://www.fcma.ch/fr/cma-mission.php (Stand: 8. Juni 2011). S. auch die Erläuterungen Anhang 2 Quelle: http://www.entraide.ch/pages/chiffres/repartitions.php?sel=1&place=chiffres&sel2=1&prm_lang=fr (Stand 22. Juni 2011) 39http://www.interpreten.ch/standard.cfm?ID_n=20&language=1 (Stand: 8. Juni 2011) 12

Verein durch Mitgliederbeiträge, Betriebserträge (Verkauf von Dienstleistungen) sowie Zuwen- dungen der öffentlichen Hand und privaten Institutionen.40

Die SUISA nimmt die Urheberrechte auf Grund des Urheberrechts von 1992 der Komponisten, Textautoren und Musikverleger wahr und besorgt für sie treuhänderisch das Inkasso der Urhe- berrechtsentschädigungen.41

Die Swissperform ist die unter staatlicher Aufsicht stehende Verwertungsgesellschaft für Leis- tungsschutzrechte42 in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. 10% ihrer Gesamtein- nahmen fliessen jährlich in einen Kultur- und Sozialfonds, um von der Swissperform unabhän- gige Institutionen zu unterstützen.43

Ebenfalls im Bereich der Leistungsschutzrechte tätig ist die Schweizerische Interpretengenossenschaft (SIG). Nebst der Verwertung der ihr übertragenen Rechte setzt sie sich auf politischer Ebene für die Wahrung und den Ausbau der Rechte der Künstler ein und bietet nebenbei Rechtshilfe und Beratung.44

Die IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) ist der internationale Dach- verband der Tonträgerindustrie, mit Büros in über 66 Ländern.45 Die IFPI Schweiz ist als nicht gewinnorientierter Verein organisiert und vertritt die Interessen der Tonträgerhersteller (Labels) in der Schweiz. Sie vertritt diese in allen Belangen des Urheberrechts, der Leistungsschutzrechte sowie der Bekämpfung von Missbräuchen. Die IFPI setzt sich insbesondere für befriedigende gesetzliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für ihre Mitglieder ein, und kämpft dafür, dass die Musikindustrie als wichtiger Teil der Kreativwirtschaft anerkannt und entsprechend gestärkt wird.46 Daneben richtet die IFPI Schweiz mit diversen Medienpartnern und Sponsoren die jährlich statt- findende Preisverleihung „Swiss Music Awards“ aus und beauftragt die „Media Control“47 zur Erstellung der offiziellen Schweizer Hitparade.48

In diesem Zusammenhang noch erwähnenswert ist der Verein Petzi, der Dachverband nicht gewinnorientierter Schweizer Musikclubs, der sich für die Entwicklung der aktuellen Musiksze-

40http://www.actionswissmusic.ch/Glossar.php?id=180 (Stand: 8. Juni 2011) 41http://www.suisa.ch/de/suisa/kurz-und- buendig/?redirect_url=%25252FGlossar.php%25253Fid%25253D (Stand: 4. Juni 2011) 42Vgl. Glossar Anhang 1 43http://www.swissperform.ch/de/kultur-sozialfonds/kultur-und-sozialfonds.html (Stand 8. Juni 2011) 44http://www.interpreten.ch/standard.cfm?ID_n=1&language=1&CFID=17186857&CFTOKEN=934904 73 (Stand: 8. Juni 2011) 45http://www.ifpi.org/content/section_about/Glossar.html (Stand 4. Juni 2011) 46http://www.ifpi.ch/Glossar.php/home-ifpi2010/articles/home-31.html (Stand 8. Juni 2011) 47http://www.media-control.de/startseite.html (Stand 8. Juni 2011) 48http://www.ifpi.ch/Glossar.php/hitparade.html (Stand: 8. Juni 2011) S. auch Erläuterungen Anhang 2 13

ne einsetzt.49 Nebst diversen Netzwerkaktivitäten sieht sich der Verband als Interessenvertreter für kulturelle Clubarbeit bei behördlichen Stellen und Gremien. Er organisiert Seminare, Wei- terbildungen, Tagungen sowie thematische Konferenzen, und bietet seinen Mitgliedern diverse Dienstleistungen im Bereich der Information und Promotion. Ausserdem profitieren Petzi-Clubs von einem 10% Rabatt bei der SUISA.50

Die Swiss Music Promoters Association (SMPA) ist sozusagen „die grosse Schwester“ von Petzi und der Dachverband der professionellen Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveran- stalter. Aus Kapazitätsgründen kann ihre Arbeit hier nicht weiter beleuchtet werden.

2.2.4 Privatwirtschaftliche Engagements und Kooperationen Auch die Privatwirtschaft – und es sind hier explizit branchenfremde Akteure gemeint – ist in der Musikförderung aktiv. Sponsoring hat eine lange Tradition in der Schweiz – nicht nur im Kultur- sondern auch im Sport- und Sozialbereich. Viele Firmen und Konzerne setzen es als wichtiges Kommunikationsinstrument zur Imagepflege ein.51 Eine kleine Auswahl von Koope- rationen und Initiativen, die sich explizit im Pop-/Rockbereich engagieren, wird hier nun vorge- stellt.

2.2.4.1 Das Migros-Kulturprozent Einer der aktivsten Schweizer Kulturförderer hat seinen Ursprung in der Privatwirtschaft und wird nach wie vor vollumfänglich aus dieser finanziert: Das Migros-Kulturprozent des Migros Genossenschafts-Bundes MGB ist seit 1957 in den Statuten verankert.52 Es verpflichtet sich unter anderem dem Anspruch, der Bevölkerung einen breiten Zugang zu Kultur und Bildung zu verschaffen und besagt, dass jeweils ein festgelegter Betrag des jährlichen Umsatzes der Migros Genossenschaften und des MGB in das Kulturprozent fliessen soll.53 Das Migros-Kulturprozent wurde über die Jahre kontinuierlich ausgebaut. Mit den Klubschulen bietet es heute das wohl grösste Angebot an Erwachsenenbildung in der Schweiz – und dies notabene als privater Förde- rer. Auch im Kulturbereich sucht das Engagement seinesgleichen: Im Jahr 2010 flossen von den total CHF 114.9 Mio. die das Kulturprozent zur Verfügung hatte CHF 31.17 Mio. in die Kul- tur.54 Für die vorliegende Arbeit relevant ist das Engagement im Bereich Populärmusik, das folgend nun kurz ausgeführt wird:

Schon die Einleitung auf der betreffenden Website zeigt, dass über den eigenen (gemeint den schweizerischen) Tellerrand hinausgeschaut und mit der Förderung Nachhaltigkeit angestrebt wird:

49http://www.petzi.ch/Glossar.php?page=about (Stand 10. Juni 2011) 50http://www.petzi.ch/Glossar.php?page=goals und http://www.petzi.ch/Glossar.php?page=services (Stand 10. Juni 2011) 51http://www.igsponsoring.ch/index.php?section=news&cmd=details&newsid=9 (Stand: 21. Juni 2011) 52http://www.kulturprozent.ch/default.aspx?categoryid=70 (Stand: 10. Juni 2001) 53http://www.kulturprozent.ch/Ueber-uns-Geschichte/70/Default.aspx (Stand: 10. Juni 2011) 54http://www.kulturprozent.ch/Ueber-uns-Zahlen/75/Default.aspx (Stand: 10. Juni 2011) 14

„Popmusik gehört zu den beliebtesten Kulturformen unserer Zeit. Während jedoch weltweit bekannte Popstars Millionen umsetzen, kämpft ein grosser Teil der lokalen Popmusik- szene mit den Herausforderungen eines begrenzten Marktes. Unterstützung bietet das Migros- Kulturprozent – mit dem Ziel, die Schweizer Popmusik zu professionalisieren und zu verbrei- ten.“55

Gefördert werden Popmusik-Projekte, die eine Bereicherung für die einheimische Popkultur bedeuten, überregionale Tourneen (mindestens sechs Konzerte in drei verschiedenen Kantonen) und Video-Clips von Künstlern, die bereits überregional bekannt sind. Das Auslandengagement der Popförderung des Migros-Kulturprozent läuft massgeblich über Swiss Music Export (vgl. auch Kapitel 2.2.2), welches vom Kulturprozent mit jährlich CHF 40‘000.– unterstützt wird.56 Daneben betreibt das Kulturprozent eine Label- und Künstlermanagementförderung im Be- reich Populärmusik. Gefördert werden sogenannte „Independent-Labels“ 57 und Künstlermana- gementagenturen, die bereits überzeugende Arbeit geleistet haben. Die Labels müssen haupt- sächlich im Bereich Pop produzieren und innerhalb der letzten 24 Monate mindestens vier CDs von Schweizer Künstlern veröffentlicht haben. Managements müssen mindestens zwei Schwei- zer Künstler vertreten, die bereits Tonträger veröffentlicht haben und müssen darlegen, dass sie für ihre Künstler umfassende Aufgaben wahrnehmen, wie unter anderem das Erschliessen neuer Märkte (Export).58 Das jährlich stattfindende m4music ist das Popmusikfestival des Migros-Kulturprozents, wel- ches 2011 bereits zum 14. Mal stattfand. Das Festival ist auch ein Szenetreff zwecks Informati- onsaustausch und Networking – so nahmen an der letzten Ausgabe Ende März 2011 über 700 Vertreter aus der Musikbranche teil.59 M4music besteht aus den drei Teilen „Demotape Clinic“, „Conference“ und dem „Music- Festival“. Die Demotape Clinic bietet jungen Musikern (als Bands oder solo) die Gelegenheit, ihr Demotape60 einer Fachjury vorzustellen. Ausgesuchte Demos werden von den Jurys (beste- hend aus nationalen Musikprofis) öffentlich kommentiert, bewertet und allenfalls mit einem Preis bedacht. An der Conference, die sich an Musiker und Popkulturinteressierte richtet, wer- den im Rahmen diverser Veranstaltungen die Veränderungen in der Popmusikwelt reflektiert. Das Music-Festival schliesslich bringt während dreier Nächte angesagte Acts61 aus dem In- und Ausland auf die Bühne.62

55http://www.kulturprozent.ch/foerderung/210/default.aspx (Stand: 10. Juni 2011) 56http://www.kulturprozent.ch/Media/Foerderung/Version_2/Richtlinien%20Pop%202010_d%20_2_.pdf (Stand: 10. Juni 2010) 57Vgl. Glossar Anhang 1 58http://www.kulturprozent.ch/Media/Foerderung/Version_2/Richtlinien_Labelfoerderung_2011_d.pdf (Stand: 10. Juni 2011) 59http://www.m4music.ch/home.1.0.html (Stand: 10. Juni 2011) 60Vgl. Glossar Anhang 1 61Vgl. Glossar Anhang 1 62http://www.kulturprozent.ch/Engagement-Kultur-geniessen/KulturGeniessen/K-Engagment- m4music/19010/Default.aspx?DetailTemplateId=74&DetailZone=right (Stand: 10. Juni 2011) 15

Zu guter Letzt betreibt das Migros-Kulturprozent auch die Kulturbüros in Basel, Bern, Zürich und Genf. Die Kulturbüros stellen Kulturschaffenden aller Sparten Infrastruktur und Informati- onen zur Realisierung ihrer Projekte gratis oder zum Unkostenpreis zur Verfügung.63

2.2.4.2 Weitere Akteure aus der Privatwirtschaft im Bereich Sponso- ring/Partnership Würde man es nicht besser wissen, man könnte meinen, Red Bull sei ein Lifestyle- Unternehmen und keine Getränkefirma. Durchforstet man die Website von Red Bull Schweiz (www.redbull.ch) stösst man auf eine Unzahl von Projekten und Engagements im Musik- und (Trend-)Sportbereich. Es würde zu weit führen, alle Engagements im Detail aufzuführen; insbe- sondere erwähnenswert im Zusammenhang mit dieser Arbeit, weil Schweizer Musiker davon profitieren können, erscheint uns das Folgende: Der Red Bull Tourbus ist ein restaurierter Lastwagen aus dem Jahr 1948 und nicht nur Trans- portmittel für Bands sondern gleichzeitig auch Bühne, ausgestattet mit bestem Equipment. Der Tourbus kommt an verschiedensten Festivals zum Einsatz, unter anderem an der letztjährigen Ausgabe von „Label Suisse“ in Lausanne (vgl. dazu auch Kapitel 3.8.2). Momentan sind drei Westschweizer Bands aus dem Pop-/Rockbereich mit dem Tourbus unterwegs; Halt gemacht wird an diversen Festivals in der Schweiz, an denen Red Bull als Sponsor auftritt.64 Nebst verschiedenen anderen Aktivitäten, auf die hier nicht im Detail eingegangen werden kann, tritt Red Bull als Sponsor an mehreren Alternativ-Festivals auf, wie dem „Belluard/ Boll- werk Festival“ in Fribourg oder der „Bad Bonn Kilbi“ in Düdingen.65

Coca Cola unterhält seit 2004 mit „MyCokemusic“ eine eigene Online-Musikplattform. Daraus entstanden ist der Bandwettbewerb „MyCokemusic Soundcheck“, ein Sprungbrett für junge, ambitionierte Musiker aus der Schweiz. Eingereicht werden können Eigenkompositionen aus den Bereichen Pop/Rock, mittels einer Online-Abstimmung werden die Finalisten erkoren, die dann von einer Fachjury beurteilt werden. Gewonnen werden können eine CD-Produktion, die Unterstützung eines erfahrenen Beraterteams aus der Musikbranche während eines Jahres sowie Auftrittsmöglichkeiten an verschiedenen Open Air Festivals in der Schweiz, an denen Coca Cola als Partner auftritt.66

2.2.4.3 Populärmusik in der Werbung Populärmusik besass schon immer auch eine starke sozialisierende Wirkung. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass die jugendliche Welt ohne Identifikation über musikalische Trends immer weniger denkbar ist. Die Werbung hat die Wichtigkeit der Musik schon längst entdeckt –

63http://www.kulturprozent.ch/Engagement-Unterstuetzung-erfahren/Unterstuetzung/K-Engagement- Kulturbueros/19041/Default.aspx?DetailTemplateId=74&DetailZone=right (Stand: 10. Juni 2011) 64http://www.redbull.ch/cs/Satellite/de_CH/Article/Red-Bull-Tourbus-am-Label-Suisse- 021242902256139 (Stand: 10. Juni 2011) 65http://www.redbull.ch/cs/Satellite/de_CH/Music-and-Entertainment/Musik/001242788747736 (Stand: 10. Juni 2011) 66https://secure.mycokemusic.ch/soundcheck/8/web/home (Stand: 10. Juni 2011) 16

aber profitieren auch die Künstler davon?67 International gibt es unzählige Beispiele für erfolg- reiche Kooperationen. Marken bedienen sich gerne an Hits und Popstars, vermitteln sie so doch ein „erfolgreiches Image“ ihrer Produkte.68 Interessant ist aber auch der umgekehrte Weg: ein Musiker steigert seinen Bekanntheitsgrad auf Grund eines Werbespots. Trotz intensiver Recher- che fanden die Autorinnen in der Schweiz nur gerade dieses Beispiel: die vom Schweizerischen Versicherungsverband SVV und der bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung in Auftrag gegebene Kampagne „slow’n’easy“, für welche die Bieler Band Da Sign & The Opposite den Song „Slow Down, Take It Easy“ komponierte. Dieser kam in diversen Spots der Kampagne zum Einsatz – die darin als Schutzengel auftretende Band hat inzwischen Kultcharakter.69 Der Song stieg auf Platz 5 der offiziellen Schweizer Single Hitparade ein, und auf der Facebook- Seite der Kampagne haben per 10. Juni knapp über 262‘200 Personen bekundet, dass diese ih- nen gefällt.70

2.3 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 2 Im Rahmen der Recherchen für dieses Kapitel wurde offensichtlich, wie viele verschiedene Anlaufstellen, Informationsplattformen und Interessevertreter es für die Schweizer Pop- /Rockszene eigentlich gibt. Gleichzeitig fällt auf, dass viele dasselbe tun und die Aktivitäten oft auf ein lokal begrenztes Gebiet ausgerichtet sind – notabene ein Merkmal der der Subsidiarität verpflichteten Kulturpolitik. Was allgemein auffällt bei der Recherche betreffend Pop- /Rockmusikförderung der öffentlichen Hand ist die Tatsache, dass nur wenige Fördermodelle darauf abzielen, Künstlern Know-how und Unterstützung zu bieten, die mithilft, sich im freien Markt behaupten zu können. Nach wie vor werden Unterstützungsbeiträge hauptsächlich an Tonträgerproduktionen sowie für Tourneen gesprochen. Das Vorher (Kreation, z.B. Infrastruk- tur wie Proberäume) und das Nachher (u.a. Produktion, Distribution und Vernetzung) wird oft ausser Acht gelassen. In die Lücke springen hier Institutionen wie das Kulturprozent oder der Rockförderverein Basel. Aber auch die Arbeit von Swiss Music Export ist in diesem Zusam- menhang äusserst wichtig. Man kommt zum Schluss, dass der Pop-/Rockbereich auf politischer Ebene in der Schweiz vie- lerorts nach wie vor primär als Wirtschaftszweig verstanden wird, und so teilweise immer noch von Kulturförderungskonzepten ausgeschlossen ist.71 Allerdings muss in diesem Zusammen- hang auch erwähnt werden, dass gewisse Musikerkreise nach wie vor die finanzielle Unterstüt- zung vom Staat ablehnen. Sie wollen sich „vom Staat nicht kaufen lassen“ und nehmen kein Geld von Institutionen an, gegen die sie sich auflehnen.72 Abschliessend stellt sich grundsätzlich die Frage, ob die durch den Föderalismus und die dop- pelte Subsidiarität begründete Vielfalt der Einzelinitiativen den nationalen – und in einem wei-

67Vgl. DIEDERICHS/STONAT (2003), S. 409 68Vgl. DIEDERICHS/STONAT (2003), S. 417 69http://www.slow-n-easy.ch/de/slowdown (Stand: 10. Juni 2011) 70http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=95526 (Stand: 10. Juni 2011) 71Vgl. MARTY/HÄNECKE/HEILINGER (2003), S. 6 72Vgl. FACON (1999), S. 302 ff 17

teren Schritt auch den internationalen – Anforderungen der Schweizer Musikschaffenden über- haupt entsprechen können.73

3. WEITERE WIRKUNGSRELEVANTE FAKTOREN Die im Kapitel 2 beschriebenen Fördermassnahmen spielen sich innerhalb gewisser Rahmenbe- dingungen ab, die das Agieren, die Möglichkeiten und die Wirkungsbereiche der Förderer – bewusst und auch unbewusst, sowie direkt und auch indirekt – beeinflussen. Diese Rahmenbe- dingungen stehen für weitere wirkungsrelevante Faktoren, die einen Einfluss auf die Exportfä- higkeit der Musik haben. Einige davon werden in diesem Kapitel nun etwas genauer beleuchtet.

3.1 Musikalische Bildung in der Schweiz Es ist nicht möglich, im Rahmen dieser Arbeit die musikalische Bildung in der Schweiz vollum- fänglich zu beleuchten. Die Aspekte, die im Folgenden etwas genauer untersucht werden, be- ziehen sich auf aktuelle Geschehnisse auf bildungs- und kulturpolitischer Ebene und versuchen, einen Überblick über den momentanen Stellenwert von Pop/Rock in der musikalischen Bildung zu verschaffen.

Im Rahmen der obligatorischen Schulzeit erhält jedes Kind in der Schweiz Musikunterricht. Die Bildungshoheit liegt dabei bei den Kantonen. Es existieren dementsprechend verschiedene Lehrpläne für den Musikunterricht, die Anzahl der Unterrichtstunden pro Woche liegt je nach Kanton bei einer oder zwei. Der „Bericht zur musikalischen Bildung in der Schweiz“,74 ein als Bestandteil der Vorarbeiten zur Ausarbeitung des Kulturförderungsgesetzes vom Bundesrat in Auftrag gegebener Expertenbericht, kritisiert insbesondere die nicht immer ausreichende Aus- bildung der Lehrkräfte auf der Grundschulstufe, die zu einer Überforderung im Musikunterricht führt, sofern die Lehrperson keine besondere Neigung zum Fach hat. Auf Oberstufenniveau wird auf das Potential von Schülerbands im Bereich Pop/Rock hingewiesen und festgestellt, dass die Fähigkeiten eine Schulband zu leiten – eine Anforderung an viele Musiklehrkräfte der Oberstufe – ganz andere Kompetenzen erfordert als der klassische Musikunterricht, diese aber in der Ausbildung von Musiklehrpersonen nicht oder nur am Rand vermittelt werden. Laut den Experten fehlt es auch an finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen: der Bereich Pop/Rock kommt im Vergleich zur Klassik zu kurz. Es fehlen Instrumente, technische Einrichtungen, geeignete Unterrichtszimmer und nicht zuletzt Aufführungsräume.75 Das Erlernen eines Instrumentes geschieht ausserhalb des obligatorischen Schulunterrichts an den Musikschulen der Gemeinden. Diese sind mit ihren Angeboten durchaus auf der Höhe der Zeit, und auch den neusten Entwicklungen im Bereich der Pop-/Rockmusik wird vielerorts

73Vgl. STANISIC (2005), S. 33 74http://www.bak.admin.ch/themen/kulturpolitik/00855/Glossar.html?lang=de (Stand: 2. Juni 2011) 75Vgl. Bericht des Bundesrats zur Musikalische Bildung in der Schweiz (2005), S. 25 ff 18

Rechnung getragen.76 Die Musikschulen werden zwar von der öffentlichen Hand mitfinanziert, doch braucht es immer noch das private Engagement der Eltern, da die Finanzierung des Unter- richts durch den Staat nicht abgedeckt ist. Recherchen auf einigen Internetseiten von Musik- schulen in grösseren Schweizer Städten fördern Kosten für eine Lektion Einzelunterricht pro Woche von im Schnitt über CHF 700.– pro Semester zu Tage. Für Erwachsene ist dieser Betrag oft bis zu dreimal so hoch.77 Es ist offensichtlich, dass da eine grosse Chancenungleichheit herrscht. Was die Aus- und Weiterbildung anbelangt, wurde während langer Zeit der Fokus primär auf die klassische Musik gelegt. Erst seit wenigen Jahren gibt es vereinzelt Ausbildungsgänge für Pop-/Rockmusik. Aus Kapazitätsgründen können diese hier nicht genauer erläutert werden, jedoch finden sich zwei Beispiele stellvertretend im Anhang.78

Mit der Verabschiedung des neuen Kulturförderungsgesetzes, das im Januar 2012 in Kraft tritt, wird das Bundesamt für Kultur mit der Förderung der musikalischen Bildung beauftragt. Die geplanten Massnahmen beziehen sich ausschliesslich auf den ausserschulischen Bereich. Aktu- ell befindet sich der Entwurf zum „Förderungskonzept 2012–2015 für die Förderung der musi- kalischen Bildung durch das Bundesamt für Kultur“ in der externen Konsultation. In diesem Konzept sind alle Musiksparten eingeschlossen, explizit auch Pop/Rock.79 Befasst man sich jedoch mit den Fördervoraussetzungen, stellt sich die Frage, ob dieses Konzept tatsächlich auch auf diese Sparte anwendbar ist. Guido Röösli, Inhaber des Luzerner Labels „Goldon Records“ meint dazu: „Der Entwurf liest sich leicht und logisch. Es fällt jedoch auf, dass vieles immer ‚sowohl als auch‘ gelten muss. (Sprachregionen, Breiten- und Exzellenzförderung, Jazz & Klassik & Pop). Gerade dieser Generalismus hindert die Schweizer Musik daran, eine eigene Identi- tät zu entwickeln.“80

3.2 Das Imagebüro: Präsenz Schweiz Anita Fetz schreibt als scheidende Präsidentin von Swiss Music Export im Vorwort zum Jahres- bericht 2008: „Die Zeit, als die Schweiz im Ausland v.a. mit Schoggi, Bergen und Banken dargestellt wur- de, ist endgültig vorbei. Die Schweizer Musikszene ist heute fähig, mit hervorragenden KünstlerInnen, das Image der modernen Schweiz in die Welt zu tragen.“81

So weit so gut. Aber was genau ist „das Image der modernen Schweiz“? Welches Image hat die Schweiz von sich selber und wie will sie „in der Welt“ wahrgenommen werden? Recherchen

76Vgl. z.B. http://www.musikschule-basel.ch/ oder http://www.stadt- zuerich.ch/ssd/de/index/jugendmusikschule/instrumentalunterricht.html (Stand: 7. Juli 2011) 77Vgl. z.B. http://www.stadtzuerich.ch/content/dam/stzh/ssd/Deutsch/Musikschule/Formulare%20und%20Merkblaett er/SJ1112/DK_11-01_Schulgeld_SchuelerInnen_bis_20J_02.pdf oder http://www.page4.info/MSBS/pdf/Tarife_BS_11_3_09.pdf (Stand 7. Juli 2011) 78Vgl. Erläuterungen Anhang 2 79http://www.bak.admin.ch/themen/kulturpolitik/03938/Glossar.html?lang=de (Stand: 2. Juni 2011) 80Vgl. Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Stellungnahme Guido Röösli 81Vgl. Swiss Music Export Jahresbericht 2008, S. 6 19

auf der Internetplattform von „Präsenz Schweiz“82, dem staatlichen Imagebüro der Schweiz, fördern in Bezug auf Schweizer Musik folgendes zu Tage: Das Stärkenprofil der Schweiz im Bereich Kultur 83 ist unterteilt in die Kapitel „Die Selbstbestimmung der Schweiz“, „Architektur und Tiefbau als Antwort auf die Herausforderung der Landschaft“, „Die Zukunftssicherheit der Schweiz“, „Die Designlandschaft der Schweiz“, „Tanz und Theater“ sowie als letztes Kapitel „Die lebendige Volkskultur“. Im ersten Kapitel wird insbesondere auf die Rolle der Schweiz als Zufluchtsort für Kunstschaffende, Intellektuelle, Freidenker etc. verwiesen. In Bezug auf Musik kann man lesen, dass z.B. Richard Wagner im Schweizer Exil zu seinem demokratischen Mu- sikverständnis gefunden hat, seine theoretischen Schriften zum Theater begründet und so das Schweizer Musikleben prägend beeinflusst hat, oder dass Igor Strawinsky hier zu der neuen Form eines Musiktheaters inspiriert worden ist. Im Kapitel 3 wird allgemein festgehalten, dass die Schweiz eines der am besten ausgebauten Kulturförderungssysteme der Welt besitzt, und dass diese stabilen Rahmenbedingungen für die Kultur sowie die Kulturschaffenden Zukunftssi- cherheit bedeuten würden. Die Dichte der Kunst- und Kulturorte wird beschrieben und auch die Rolle der Schweiz als internationale Drehscheibe des Kunsthandels. Die Schweizer Musik wird schliesslich noch einmal erwähnt im Kapitel 6; da wird die Geschichte und Bedeutung des Jo- delns kurz umrissen, sowie die Tradition des Alphornblasens erläutert. Nicht viel anders sieht es auf der Kulturseite von ‚Swissworld.org‘ aus, dem offiziellen Schwei- zer Informationsportal, welches in Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Chine- sisch, Russisch und Japanisch zur Verfügung steht.84 Als Unterkategorien stehen ‚Architektur‘, ‚Kunst‘, ‚Literatur‘, ‚Film‘, ‚Musik‘, ‚Swissness‘ und ‚Traditionen‘ zur Verfügung, die alle nochmals in div. Unterkapitel gegliedert sind. Bei ‚Musik‘ findet sich bloss eines: Volksmu- sik.85 Dort werden die Traditionen des Jodelns und Alphornblasens beschrieben, sowie noch auf weitere traditionelle Instrumente wie das Hackbrett, das Schwyzerörgeli und das Trümpi verwiesen. Schliesslich finden sich unten auf dieser Seite noch zwei externe Links, wovon der eine auf ‚Swissmusic‘ verweist, dem Informationsportal für Neuerscheinungen und Anthologien für Schweizer Musik, welches ausschliesslich in englischer Sprache zur Verfügung steht.86 Dort kommt an erster Stelle Pop/Rock/Charts, wo aktuelle Veröffentlichungen von Schweizer Mu- sikschaffenden im Bereich Pop/Rock vorgestellt werden.

3.3 Dynamik der Produktionsfaktoren Um einen Tonträger zu produzieren und anschliessend zu vermarkten, braucht es von der Krea- tion bis zur Distribution verschiedenste Unternehmen und Dienstleistungen. (Vgl. auch Kapitel 4). Angefangen bei geeigneten Übungsräumen, über Tonstudios, Produzenten und Grafiker, welche die Tonträgerhülle gestalten, bis zu den Labels, die sich nach der Produktion auch noch

82Vgl. Erläuterungen Anhang 2 83http://www.imageschweiz.ch/fileadmin/user_upload/pdf/d/Formulare_und_Dokumente/Staerkenprofil_ Kultur.pdf (Stand: 2. Juni 2011) 84http://www.swissworld.org/de/kultur/ (Stand: 2. Juni 2011) 85http://www.swissworld.org/de/kultur/musik/volksmusik/ (Stand: 2. Juni 11) 86http://www.swissinfo.ch/eng/travel/swissmusic/Glossar.html?cid=109212 (Stand: 2. Juni 2011) 20

um die Promotion und das Erschliessen von Vetriebskanälen kümmern. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die Dynamik der Produktionsfaktoren in der Schweiz zu detailliert zu beleuchten. Doch scheint es offensichtlich, dass dies in gewissen Schweizer Städten im kleinen Rahmen gut zu funktionieren scheint. Im Sedel in Luzern (vgl. auch Kapitel 2.2.1.2) wurde 1987 mit dem „Schweinesound-Studio“ eines der ersten Schweizer Low-Budget-Tonstudios eingerichtet, welches bis zum heutigen Tag Hunderte von Produktionen realisiert hat – ein Grossteil davon von Sedelbands.87 Daneben entstanden in den letzten Jahren mehrere Tonstu- dios in der Stadt Luzern und in der näheren Umgebung – in Anbetracht der Dimension der Stadt eine erstaunliche Fülle.88 Auf „Mx3“ (vgl. Kapitel 3.8.2) sind fünf Labels aus Luzern registriert,89 die alle – wenn auch nicht ausschliesslich – lokales Musikschaffen vertreten. Daneben hat Luzern mit dem Radio „3FACH“ einen lokalen Radiosender, der sich mit seiner Musikprogrammation klar von den kommerziellen Radiosendern abgrenzt. Ungefähr die Hälfte der Schweizer Musik, die gespielt wird, ist Luzerner Musik.90

3.4 Strukturwandlung innerhalb der Musikindustrie Die Musikindustrie – namentlich der Zweig der Tonträgerproduktion – ist seit Beginn der digi- talen Revolution einem massiven Strukturwandel unterworfen. Über die „Krise der Musikin- dustrie“ sind unzählige Abhandlungen geschrieben worden. Die Musikpiraterie (namentlich die illegalen Downloads sowie die illegale Vervielfältigung) nimmt nach wie vor zu. Der Industrie entgehen so jährlich Milliarden-Umsätze.91 Die Einflüsse auf die jeweiligen (Heim-)Märkte sind je nach Gesetzeslage und Zugänglichkeit unterschiedlich und es würde zu weit führen, diese im Detail zu schildern. Allerdings möchten wir aufzeigen, inwiefern der Schweizer Markt für hei- misches Musikschaffen davon betroffen ist. Das Internet hat neuen Vertriebskanälen und Vermarktungsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Labels vertreiben ihre Tonträger auf ihrer Website gleich selber oder sie schliessen sich speziel- len Vertriebsplattformen an wie z.B. „fontastix.ch“, einem Online-Vertrieb, der in (logistischer) Zusammenarbeit mit „Cede.ch“ Schweizer CDs und DVDs vertreibt.92 Auch interessant – und zukunftsträchtig – ist folgende neue Plattform für den Musikvertrieb, die aus der Schweiz kommt: Das Westschweizer Unternehmen „Museeka“ hat einen Algorithmus entwickelt, der Musikstücke nach 3000 Kriterien bewertet und automatisch kategorisiert. Auf Knopfdruck lassen sich so Lieder abgleichen und originelle Playlists93 zusammenstellen. Zudem wurden mit den grossen Plattenfirmen Verträge ausgehandelt, die es dem Nutzer erlauben, Mu- sik aus ihren Onlinekatalogen auf dem Computer oder dem Handy für eine monatliche Gebühr abzuspielen. Das grosse Vorbild dieser neuen Form des Musikkonsums ist die schwedische

87http://www.schweinesound.ch/history/history.htm (Stand: 23. Juni 2011) 88Vgl. Erläuterungen Anhang 2 89http://www.Mx3.ch/home/search?q=luzern (Stand: 23. Juni 2011) 90Gemäss Information von Dani Glur, Programmleiter 3FACH am 8. Juni 2011 91Vgl. IFPI DIGITAL MUSIC REPORT 2011, S.16 92http://www.fontastix.ch/ (Stand:12. Juni 2011) 93Vgl. Glossar Anhang 1 21

Plattform „Spotify“ (vgl. Kapitel 6.4). Was Museeka aber von der übrigen Konkurrenz unter- scheidet, ist das Empfehlungssystem. Musikliebhaber werden angesprochen, weil sie damit neue Musik entdecken, und die Tonträgerfirmen sind glücklich, weil sie so ihre Kataloge öffnen kön- nen.94

3.5 Branchenzusammenarbeit Es ist sicher richtig zu sagen, dass die Gründung des Schweizer Musikexportbüros die Zusam- menarbeit innerhalb von verschiedenen Förderinstitutionen stark vorangetrieben hat. Der Vor- stand von SME wird präsidiert von einer Vertreterin des Nationalrats, daneben sind mit den Vertretern von Migros-Kulturprozent, Pro Helvetia, SUISA-Stiftung für Musik, Fondation CMA, Schweizer Interpretenstiftung sowie des Phonoproduzenten-Fonds wichtige Akteure im Vorstand. Dieser fällt alle strategischen Entscheide von SME.95 Auch die bereits ausgeführten Netzwerkaktivitäten des SMEs an Messen im Ausland oder Festivals im Inland sowie des Mig- ros-Kulturprozents im Rahmen des m4music-Festivals haben sich in den letzen Jahren zu wich- tigen Plattformen entwickelt. Jean Zuber vom SME empfindet die Zusammenarbeit als gut und betont insbesondere die engen Kontakte zu den Indie-Labels und Agenturen.96

3.6 Nachfrage Nachfrage ist schwierig zu messen. Nimmt man – mangels Alternativen und den aktuellen Ma- nipulationsvorwürfen zum Trotz97 – die offizielle Schweizer Hitparade als Referenz und schaut sich die ewige Bestenliste der Singles an, ist Baschi mit „Bring en Hei“ immerhin auf Platz 8, als nächste Schweizer Interpreten folgen Bligg mit „Rosalie“ auf Platz 20 und DJ Bobo auf Platz 33. Auf Platz 55 kommen Florian Ast und Francine Jordi, auf Platz 62 der Jodlerklub Wiesenberg mit Francine Jordi, gleich gefolgt von Mash mit ‚Ewigi Liebi‘ auf Platz 63 und Züri Wests ‚I schänke dir mis Härz‘ auf Position 64. Auf Platz 69 folgt Bligg mit „Musigg i dä Schwiiz“ und auf Platz 95 findet sich Stress.98 Bei den Alben finden sich drei Schweizer Inter- preten in den Top 20, nämlich Golä (5), Bligg (13) und Plüsch (18) – angeführt wird diese Hit- liste übrigens von den Schweden ABBA.99 Bei der ewigen Bestenliste aller Alben einer Gruppe oder eines Interpreten finden sich dort auch englisch singende Schweizer Musiker in den Top 20, nämlich Gotthard (5) und DJ Bobo (10).100 Diese kurze Übersicht zeigt auf, dass das einheimische Schaffen keine grosse Rolle in den Hit- paraden zu spielen scheint. Die Schweizer Konsumenten orientieren sich primär an der Musik aus ausländischen Märkten. Die offizielle Schweizer Hitparade wird aber mangels Alternativen nach wie vor als Referenz für gute (weil erfolgreiche) Musik genommen, dementsprechend steigert sie den Bekanntheitsgrad der Künstler in den Spitzenrängen.

94http://www.sonntagszeitung.ch/suche/artikel-detailseite/?newsid=178930 (Stand: 23. Juni 2011) 95http://www.swiss-music-export.com/Glossar.php?id=50 (Stand: 23. Juni 2011) 96Vgl. Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Interview mit Jean Zuber 97Vgl. Erläuterungenen Anhang 2 98http://www.hitparade.ch/bestall.asp (Stand: 23. Juni 2011) 99http://www.hitparade.ch/bestall_a.asp (Stand: 23. Juni 2011) 100http://www.hitparade.ch/bestartist_a.asp (Stand: 23. Juni 2011) 22

Der Markt in der Schweiz ist klein und zersplittert – auch ein Grund, warum es einheimische Bands nur schwer in die Schweizer Charts101 schaffen. Dank seiner Grösse ist der Deutsch- schweizer Markt am stärksten. Französischsprachige Bands orientieren sich ob dieser Dominanz in Richtung Frankreich – mit der Folge, dass sie dort noch einem viel härteren Wettbewerb aus- gesetzt sind. Dasselbe gilt für italienischsprachige Bands aus dem Tessin in Bezug auf den Itali- enischen Markt.102 Englischsprachige Schweizer Pop-/Rockbands konkurrenzieren sich auf ih- rem Heimmarkt mit allen englischsprachigen Musikimporten – ein sehr schwieriges Unterfan- gen.

3.7 Landestypische Charakteristika Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss von gewissen landestypischen Charakteristika. Prägend für die Schweiz ist sicherlich die Mehrsprachigkeit und der jahrelange Fokus auf eine zweite Landessprache als erste Fremdsprache im Schulwesen. Englisch – die Weltsprache schlechthin im Pop-/Rockbereich – war bis vor wenigen Jahren ein Wahlfach gegen Ende der obligatori- schen Schulzeit. Das sogenannte Frühenglisch wurde erst ab Mitte der Nullerjahre eingeführt – typisch für die Schweiz variieren die Modelle von Kanton zu Kanton. Ebenfalls typisch ist die zersplitterte Marktsituation, wie in Kapitel 3.6 ausgeführt. Diese Situa- tion hat nicht nur einen Einfluss auf die Musikbranche, sondern spiegelt sich in diversen ande- ren Bereichen wieder, etwa bei den Medien. (Vgl. dazu Kapitel 3.8.4). Der schweizerische Föderalismus schliesslich und die bereits mehrfach angesprochene doppelte Subsidiarität haben in Bezug auf die Kulturförderung zur Folge, dass zwar sehr breit gefördert werden kann, die Spitzenförderung aber – in Augen der Autorinnen – nicht nur, aber speziell im Bereich der Pop-/Rockmusik eindeutig zu kurz kommt.

3.8 Die Rolle der Medien 3.8.1 Die Medien als Promotionsinstrument für Musik Die Aufgabe der Medien als Promotionsinstrument für ein neues Musikprodukt liegt in dessen Bekanntmachung. Um dieses Ziel bei einem möglichst breiten Publikum zu erreichen ist es nötig, dass die verschiedenen Medienbereiche ineinandergreifen und einander im Sinne ihrer Kernkompetenzen ergänzen.103 Obwohl die Informationsbeschaffung via Internet in den letzten Jahren stark zugenommen hat und es gerade im Bereich der Populärmusik unzählige Plattfor- men gibt, auf denen Musikinteressierte sich informieren können, ist die Rolle der Medien als Promotionsinstrument für einheimisches Musikschaffen im Pop-/Rockbereich entscheidend.

3.8.2 Radio Das Radio ist zweifelsohne DAS Medium für Musik. Aus diesem Grund wird ihm in diesem Kapitel am meisten Platz eingeräumt. Folgende Aspekte im Zusammenhang mit Radio und ein-

101Vgl. Glossar Anhang 1 102http://www.swiss-music-export.com/Glossar.php?id=21 (Stand: 23. Juni 2011) 103Vgl. MAHLMANN (2008), S. 144 23

heimischer Pop-/Rockmusik werden etwas genauer beleuchtet: Die „Aktion Radiomisere“, das Onlineportal „Mx3“ sowie das von den Radio Suisse Romande organisierte Festival „Label Suisse“.

Jahrelang dümpelte das einheimische Musikschaffen in den öffentlich-rechtlichen Sendern ge- samtschweizerisch auf einer sehr tiefen Quote von 9% – dabei war längst erwiesen, dass eine stärkere Vertretung einheimischer Musik am Radio den Heimmarkt stärkt.104 Im Jahr 2001 fiel dann der Startschuss zur Aktion Radiomisere, getragen von diversen Verbänden und Interes- sengemeinschaften aus den Bereichen Musik und Kultur, die zum Ziel hatte, das einheimische Musikschaffen zumindest bei den öffentlich-rechtlichen Sendern stärker zu positionieren. Im Rahmen der Revision des Radio- und Fernsehgesetzes zu Beginn der Nullerjahre entstand dann die „Charta der Schweizer Musik“, welche 2004 von Vertretern der Schweizer Musikschaffen- den und der „SRG SSR idée suisse“ unterzeichnet wurde. Zu den wesentlichsten Punkten, zu welchen die SRG SSR ihr Einverständnis gab, gehörten die Ausstrahlung eines angemessenen Anteils an Schweizer Musikproduktionen in allen Radioprogrammen, die Information über das Musikgeschehen in der Schweiz sowie die Beteiligung an Aktivitäten und Produktionen, die zur Förderung der Schweizer Musik beitragen.105 Die Charta für Schweizer Musik hat eindeutig Wirkung gezeigt – gelang es doch, den Anteil einheimischer Musik an den Radios in den letzten Jahren klar zu steigern. So lag dieser im Jahr 2010 bei den öffentlich-rechtlichen Sendern bei 17.55%.106 Ein umfassenderer Überblick ist der Tabelle im Anhang zu entnehmen.107 Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass gesamteuropäisch die Schweiz nach wie vor am Ende der Tabelle liegt – eine schlechtere Quote hat bloss Österreich.108 Der Vollständigkeit halber muss hier noch angefügt werden, dass die Radiosender der SRG diverse Sendegefässe haben, die sich – nicht ausschliesslich, aber auch – neuen Produktionen von Schweizer Künstlern und Bands widmen. Aus Kapazitätsgründen können diese nicht weiter beschrieben werden, doch darf als ein Beispiel die Sendung „Sounds!“ erwähnt werden, die von Montag bis Freitag jeweils von 22.00 – 00.00 Uhr neue nationale und internationale Produktio- nen aus dem Bereich der Populärmusik vorstellt.109

Um die Schweizer Musik bei den hiesigen öffentlich-rechtlichen Radios zu stärken, wurde 2006 von den Sendern „DRS3“, „Virus“, „Couleur3“, „Rete3“ und „Radio Rumantsch“ die Musik- plattform Mx3 gegründet. Auf dieser Plattform haben Schweizer Musiker die Möglichkeit, ihre Musik den fünf Radiosendern – und dem Rest der Welt – vorzustellen. Die Plattform ist sowohl

104Vgl. MARTY/HÄNECKE/HEILINGER (2003), S. 4 105http://radiomisere.ch/Glossar.htm (Stand: 13. Juni 2011) 106Vgl. SUISA Jahresbericht 2010, S. 17 107Vgl. Erläuterungen Anhang 2 108http://www.pekobaxant.at/stories/musik-aus-oesterreich-ist-musik-fuer-oesterreich/ (Stand: 13. Juni 2011) Anmerkung der Autorinnen: als Quelle für die verwendete Statistik wird die EBU (European Broadcasting Union) genannt 109http://www.drs3.ch/www/de/drs3/18315.sounds.html (Stand 13. Juni 2011) 24

für den Musiker als auch für den Konsumenten kostenlos nutzbar. Die Handhabung ist äusserst einfach und unbürokratisch.110 Das Besondere an Mx3 ist, dass sich die beteiligten Radios verpflichten, dass ihre Musikredak- tionen täglich auf Mx3 surfen, um die Songs und Bands von morgen zu entdecken und deren Musik über das Radio auszustrahlen. Dies hat die Plattform zum Sammelbecken einheimischer Musik im Populärbereich gemacht. Aktuell (Stand Juni 2011) sind über 16’500 Bands und Mu- siker auf der Plattform präsent. Auch zur Beliebtheit beigetragen hat, dass sich Benutzer, Labels und Veranstalter mit einem Profil präsentieren können, was zu wertvollen Synergien führt.111

Ein spezielles Projekt von „Radio Télévision Suisse Romande“ ist Label Suisse, ein dreitägiges biennales Musikfestival in der Romandie, das letzten Herbst bereits zum vierten Mal stattgefun- den hat. Über 150 Bands und Musiker aus allen Sprachregionen der Schweiz hatten Auftritte und die Veranstalter konnten insgesamt über 100‘000 Besucher vermelden. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen war frei.112 Viele der Konzerte wurden im Radio oder im Fernsehen übertragen und erreichten auf diesem Weg zahlreiche weitere Zuhörer.113

3.8.3 Fernsehen Auch das Fernsehen ist ein nicht zu unterschätzender Promotionsfaktor für einheimisches Mu- sikschaffen. Im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RGTV) heisst es im Artikel 24 Absatz 4b: „Die SRG trägt bei zur: […] Stärkung der kulturellen Werte des Landes sowie zur Förderung der schweizerischen Kultur unter besonderer Berücksichtigung […] des Schweizer Musik- und Filmschaffens, namentlich durch die Ausstrahlung von Schweizer Produktionen und eigenproduzierten Sendungen.“114

Sozusagen als Grundlage für die Fernsehprogramme, auf die im nächsten Abschnitt eingegan- gen wird, betreibt das Schweizer Fernsehen die Video-Plattform „myStage“ für Musiker und Bands. Die Plattform steht allen interessierten Musikschaffenden offen, von Heavy-Metal115- Bands über Popmusiker bis zu Schlagerstars. Die Plattform dient den Sendungen „musicLAB“ (in Zusammenarbeit mit DRS Virus) und „Roboclip“ als Talent-Fundus.116 Im Rahmen von „Musicnight“, dem Sendegefäss für zeitgenössische Musik des Schweizer Fernsehens, gibt es folgende Formate, die sich dem einheimischen Musikschaffen widmen: musicLAB widmet sich aktuellen Neuerscheinungen (national und international); Schweizer Nachwuchsmusiker sind jeweils zu Gast in der Sendung und treten live auf.117

110http://www.Mx3.ch/home/faq (Stand: 13. Juni 2011) 111Vgl. GANZ (2009), S. 123 112http://www.labelsuisse.ch/ (Stand: 13.Juni 2011) 113http://www.pax.ch/01-unternehmen/upl-sponsoring-2.htm (Stand: 13. Juni 2011) 114Bundesgesetz über Radio und Fernsehen, einsehbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/7/784.40.de.pdf 115Vgl. Glossar Anhang 1 116http://mystage.sf.tv/supplynet/companies/ugc/musicnight/eigene_objekte/community/allgemein/hilfe__ 1#allgemein (Stand: 13. Juni 2011) 117http://www.sendungen.sf.tv/sf-musicnight/Sendungen/Musicnight (Stand: 13. Juni 2011) 25

8x15 ist ein in musicLAB integriertes Konzept, welches sich explizit als Nachwuchsförderung und -bekanntmachung versteht. Immer in anderen Clubs stattfindend, treten pro Abend acht Schweizer Bands während 15 Minuten auf – die Auftritte werden live am Radio übertragen (DRS Virus) und vom Fernsehen aufgezeichnet. MusicLAB strahlt die Auftritte dann während den kommenden acht Wochen aus – jeweils eine Band steht im Mittelpunkt der Sendung.118 In der Sendung Roboclip schliesslich werden Videoclips von Schweizer Musikern ausge- strahlt.119 Verwunderung rufen die Ausstrahlungszeiten der Sendungen hervor: musicLAB wird jeweils Donnerstagnacht um 00.15 Uhr gezeigt, Wiederholungen sind jeweils um 03.15 Uhr und 05.15 Uhr im Programm. Ähnlich sieht es aus bei Roboclip – die Rotationen laufen jeweils früh mor- gens, meist zwischen 05.00 und 06.00 Uhr. Und Musicnight – die Sendung für zeitgenössische Musik des Schweizer Fernsehens – wird jeweils sonntagnachts ausgestrahlt – die Startzeiten bewegen sich zwischen 00.15 und 01.15 Uhr.120 Trotzdem noch erwähnt werden muss die Tatsache, dass für das Massenpublikum aufbereitete Schweizer (Populär-)Musik auch zu den Hauptsendezeiten ihren Platz im Schweizer Fernsehen findet. Verwiesen sei dabei auf Sendeformate wie „Die grössten Schweizer Hits“ (2009), „Musicstar“ (vier Staffeln zwischen 2004 und 2009), „Der Kampf der Chöre“ (2010) oder „Die grössten Schweizer Talente“ (2011), die alle zu Hauptsendezeiten jeweils sonntagabends ausge- strahlt worden sind. In der Schweiz geht seit dem Sendestart im März 2011 der Internet-Fernsehsender joiz neue Wege, der eher ein jüngeres Publikum anspricht. In der täglichen Sendung „Homerun“ dreht sich alles um einheimisches Musikschaffen; oft sind die Künstler und Bands auch im Studio.121 Der in der Hip-Hop-Szene122 bekannte Freestyler123 Knackeboul hat die eigene Sendung „Knack Attack“, in der er teilweise auch diverse Schweizer Szenengrössen ins Studio einlädt.124

3.8.4 Printmedien Über die Berichterstattung der Printmedien über einheimische Pop-/Rockmusik sind schon ver- schiedene Studien verfasst worden.125 Es würde zu weit führen, in diesem Rahmen eine detail- lierte Abhandlung darüber zu schreiben. Doch möchten wir auf einige Punkte hinweisen, die uns im Zusammenhang mit dieser Arbeit relevant erscheinen. Ende 2009 veröffentlichte David Bauer auf dem Musikportal „78s.ch“ einen Artikel mit dem Titel „Der Schweizer Musikkomplex: ein Plädoyer gegen Kleingeistigkeit“. Darin kritisiert er unter anderem die Berichterstatter, die dem Schweizer Musikschaffen gegenüber sehr kritisch

118http://www.sendungen.sf.tv/8x15/Nachrichten/Uebersicht (Stand: 13. Juni 2011) 119http://www.sendungen.sf.tv/sf-musicnight/Nachrichten/Archiv/2008/01/24/roboclipmanualx/Voting (Stand: 13. Juni 2011) 120http://www.tvprogramm.sf.tv/ (Stand: 13. Juni 2011) 121http://www.joiz.ch/show/overview/8 (Stand 30. Juni 2011) 122Vgl. Glossar Anhang 1 123Vgl. Glossar Anhang 1 124http://www.joiz.ch/show/overview/7 (Stand 30. Juni 2011) 125Einige davon sind abrufbar auf http://www.swiss-music-news.ch/ (Publikationen) (Stand: 13. Juni 2011) 26

eingestellt sind. Er plädiert für mehr Begeisterung und weniger Nörgelei und fragt sich, weshalb alles was gut ist immer gleich das Prädikat „unschweizerisch“ bekommt.126 Ist sein Plädoyer erhört worden? Eine subjektive und ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebende Auswahl von Publikationen der letzten Wochen und Monate scheint dem im Ansatz zu entsprechen; die Liste der Publikationen findet sich im Anhang.127 Natürlich reicht dies nicht, um ein allgemein gültiges Fazit zu ziehen. Doch macht es zumindest den Anschein, dass die Berichterstattung in den Printmedien über das einheimische Musikschaf- fen im Pop-/Rockbereich etwas breiter abgestützt ist als auch schon, und dass eine gewisse posi- tive Trendentwicklung festzustellen ist.

Ebenfalls relevant in diesem Zusammenhang ist der Markt der Schweizer Musikzeitschriften im Bereich der Populärmusik – er ist nämlich beinahe inexistent. In der Deutschschweiz gibt es die Musikzeitung „Loop“ (erscheint zehnmal pro Jahr) mit einer bescheidenen Auflage von unge- fähr 10‘000 Exemplaren,128 in der Westschweiz verbreitet ist das Magazin „Vibration“, eine schweizerisch-französische Koproduktion mit Sitz in Lausanne. Es erscheint ebenfalls zehnmal pro Jahr und hat eine Auflage von 15‘000 Exemplaren.129 Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass es auch in diesem Bereich keinen richtigen Schweizer Markt gibt. Die Deutschschweiz orientiert sich nach Deutschland und liest deutsche Musikzeitschriften, die Romandie orientiert sich nach Frankreich und widmet sich französi- schen Medien – wohl mit ein Grund, dass die Deutsch- und Westschweizer meist nur ein sehr beschränktes Wissen haben, was sich in der Musikszene auf der anderen Seite des „Röstigra- bens“ abspielt. Dieser Umstand erschwert die Promotion von einheimischen Künstlern, da zwei verschiedene Märkte separat bearbeitet werden müssen.130

3.9 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 3 Die Analyse der weiteren wirkungsrelevanten Faktoren für den kommerziellen Erfolg von Schweizer Pop-/Rockmusik fördert einige Mängel zu Tage. Die musikalische Erziehung im Bildungswesen zeigt Lücken auf. Es mangelt an gut ausgebildeten Musiklehrpersonen, der Mu- sikunterricht kommt gegenüber anderen Fächern zu kurz, und das Lernen eines Instrumentes ist Privatsache und in vielen Fällen mit Kosten verbunden, die das Budget einer durchschnittlichen Schweizer Familie (zu) stark belasten. Was die Aus- und Weiterbildung betrifft, macht es grundsätzlich den Anschein, als sei der „Sonderfall“ Pop/Rock in der Schweizer Bildungsland- schaft noch weit davon entfernt, wirklich etabliert zu sein. Dies hat sicher mit spartenbezogenen Besonderheiten zu tun: Nach wie vor lernen die meisten Pop-/Rock-Musiker ihr Handwerk au- todidaktisch und die Szene ist einem steten Wandel unterworfen. Trends kommen und gehen,

126http://www.78s.ch/2009/12/28/der-schweizer-musikkomplex-ein-pladoyer-gegen-die-kleingeistigkeit/ (Stand :13. Juni 2011) 127Vgl. Erläuterungen Anhang 2 128http://loopzeitung.ch/dwnlds/LoopInsDoku_2010.pdf (Stand: 21. Juni 2011) 129http://www.mediabox.ch/de-ch/print/print-titel/vibrations (Stand: 24. Juni 2011) 130Gem. Auskunft von Frank Lenggenhager, Inhaber „Lautstark Musicpromotion“ am 7. Juli 2011 27

neue Stile entstehen und mischen sich mit alten.131 Es ist sicher eine besondere Herausforde- rung, auf (Hochschul-)Bildungsebene darauf angemessen zu reagieren. Mit dem Förderungs- konzept für die Förderung der musikalischen Bildung wird versucht, einige der eingangs dieses Kapitels beschriebenen Lücken zu schliessen. Ob jedoch der Bereich Pop/Rock – und damit auch Förderer, die sich für diese Sparte einsetzen – davon wirklich profitieren werden, ist auf Grund der zu wenig spartenbezogenen Förderkriterien zweifelhaft.

Auch wenn Anita Fetz der Meinung ist – und mit ihr sicher auch Musikschaffende, Produzie- rende, Förderer u.a. – dass Schweizer Musik das Potential hat, das moderne Image der Schweiz in die Welt hinauszutragen, so muss etwas ernüchtert festgestellt werden, dass die offizielle Schweiz – repräsentiert durch die Präsenz Schweiz – das offensichtlich anders sieht. Aktuelles Schweizer Musikschaffen im Bereich der Populärmusik spielt jedenfalls im kulturellen Selbst- verständnis unseres Landes derzeit keine Rolle.

Die Krise der Tonträgerindustrie und der damit verbundene Strukturwandel scheint jedoch für die Schweizer Pop-/Rockszene auch eine Chance zu sein. Die Abhängigkeit von den „Ma- jors“132 wird geringer, und die immer spezifischer werdenden Dienstleistungsplattformen för- dern die Zugänglichkeit zur Schweizer Musik. Andererseits muss aber auch klar festgehalten werden, dass durch die Piraterie und die illegalen Downloads die wichtigste Einnahmequelle für Musiker massiv eingebrochen ist: der Verkauf ihrer Tonträger, unabhängig davon ob physisch oder digital. Die wirtschaftliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit wird so massiv erschwert und es müssen andere Einnahmequellen erschlossen werden.

Erfreulich ist der Erfolg des Schweizer Musikexportbüros für die brancheninterne Zusam- menarbeit. Internationale Erfolge wie die von Sophie Hunger oder Bonaparte wären vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen – hier zeigt sich deutlich die Aufbauarbeit, die von SME geleistet wurde und immer noch geleistet wird. Auch seine Rolle als Netzwerker in und für die Schweizer Pop-/Rockszene ist nicht zu unterschätzen. Die Zusammenarbeit mit anderen Förde- rern und Branchenmitgliedern scheint gut zu funktionieren – zahlreiche Bands können von den entstandenen Synergien profitieren. Wenn man sich aber vor Augen führt, mit welchen be- schränkten personellen Ressourcen die Schweizer Musikexportstelle operieren muss (zwei Per- sonen in der Geschäftsleitung teilen sich 105 Stellenprozente, dazu kommt eine Praktikanten- stelle mit 80%)133, macht den Erfolg um so bemerkenswerter – und zeigt auf, was allenfalls möglich wäre, wenn mehr Mittel vorhanden wären. Vergeblich jedoch sucht man einen Dach- verband der Schweizer Independent-Labels, von denen es hierzulande mehrere Tausend gibt. (vgl. dazu auch die Ausführungen über die Schweizer Musikindustrie im Kapitel 4.2)

131Vgl. MARTY/HÄNECKE/HEILINGER (2003), S. 2 132Vgl. Glossar Anhang 1 133Vgl. Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Interview mit Jean Zuber 28

Die Medien sind für das Musikschaffen von grosser Bedeutung. Vom Schweizer Fernsehen dürfte man verlangen, dass es bei der Wahl der Ausstrahlungszeiten seiner an sich guten Sen- dungen für das Schweizer Musikschaffen etwas mehr Mut beweist. Dies würde einerseits den Schweizer Pop-/Rockmusikern signalisieren, dass man sie – und den Auftrag, den das Fernse- hen in Bezug auf die kulturelle Vielfalt hat – ernst nimmt, und auch mithelfen, die Nachfrage nach Schweizer Musik zu steigern. Die für viel Geld produzierten Sendungen wie Musicstar, Kampf der Chöre usw. scheinen zwar ihr Publikum zu finden, doch werden solch rezyklierte Sendeformate dem Anspruch des einheimischen zeitgenössischen Musikschaffens und der an zeitgenössischer Musik Interessierten in keiner Weise gerecht.

Dass die lange Vernachlässigung des Englischen wie auch die durch die Mehrsprachigkeit und kulturellen Unterschiede begründete Zersplitterung des heimischen Marktes schwierige Voraus- setzungen für den kommerziellen Erfolg von Schweizer Pop-/Rockmusiker mit sich bringen, liegt auf der Hand. Dass sie umgeben sind von starken Märkten wie Frankreich oder Deutsch- land, die ebenfalls einen grossen Exportdrang haben, macht die Situation auch nicht einfa- cher.134 Gerade aber die Feststellung, dass die strukturelle Situation suboptimal ist, führt zur Einsicht, dass die (staatliche) Förderung im Bereich Pop/Rock genau dort ansetzen sollte. An- statt künstlich durch spartenfremde Förderkriterien den Markt vereinheitlichen zu versuchen, sollte sie viel mehr der Realität entsprechende Konzepte entwickeln, die im Dienste der betrof- fenen Musiker stehen.

4. DIE MUSIKINDUSTRIE IN DER SCHWEIZ 4.1 Überblick Um einen Überblick über die verschiedenen Berufszweige in der Musikindustrie zu erhalten ist es sinnvoll, diese in verschiedene Bereiche zu unterteilen. In seinem Rapport über den schwedi- schen Musikexport für das schwedische Wirtschaftsdepartement hat der Ökonom Kim Forss 1999 die Einteilung in den schaffenden, produzierenden, verkaufenden und unterstützenden Bereich gemacht, die auch in dieser Arbeit angewendet wird.135 Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Bereiche würde den Rahmen dieser Arbeit spren- gen. Wir legen den Fokus in diesem Kapitel auf den produzierenden Bereich (Tonträgerfirmen), weil dieser für den potentiellen Export der Musik eine zentrale Rolle einnimmt. In einem weite- ren Unterkapitel wird die Rolle der Konzertagenturen kurz beleuchtet, da Live-Konzerte mit dem Rückgang der Erträge aus Albumverkäufen eine wichtige Einnahmequelle darstellen und zugleich einen grossen Einfluss auf die Bekanntheit der Musiker haben.

4.2 Die Tonträgerfirmen Je nach Quelle beherrschen die vier Major-Musiklabels Universal, Sony, EMI und Warner zwi- schen 80% und fast 90% des musikindustriellen Weltmarktes. Sie sind alle Teile internationaler

134Vgl. dazu auch Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Stellungnahme Guido Röösli 135Vgl. FORSS (1999), S. 36 ff; vgl. auch Erläuterungen Anhang 2 29

Konglomerate von Produzenten, Verlagen und Vertrieben und kümmern sich um die gesamte Wertschöpfungskette innerhalb der Musikindustrie (Produktion, Promotion, Distribution).136 CH-Musik spielt für die Ländervertretungen in der Schweiz eine höchst untergeordnete Rolle – dies zeigte sich überdeutlich im Jahr 2004, als Warner Music Switzerland die Abteilung für Schweizer Musik schloss und alle Verträge mit Schweizer Acts kündigte.137 Die Majors in der Schweiz sind Ableger ihrer Mutterfirmen im Ausland und kümmern sich hierzulande hauptsäch- lich um den Verkauf ihrer ausländischen Acts. Im Gegensatz dazu gibt es in der Schweiz unzählige138 sogenannte Independent-Labels. Dies sind kleinere Firmen – oft auch Einpersonen-Gründungen (oft durch die Musiker selber) – die Nischen zu besetzen versuchen, die ökonomisch für Majors uninteressant sind. Sie sind für die meisten Musiker im Pop-/Rockbereich in der Schweiz die einzige Möglichkeit, überhaupt Ton- träger produzieren zu können. Die „Indies“ übernehmen oft alle Bereiche der Wertschöpfungs- kette. Sie kümmern sich von der Produktion bis zur Promotion und der Distribution ihres Ton- trägers um alles selber – eine schwere Aufgabe für oft so kleine Betriebe. Aus diesen Strukturen heraus ergibt sich folgende Situation für Schweizer Pop-/Rockmusiker und die sie vertretenden Labels: Die den globalen Musikmarkt beherrschenden Majors zeigen wenig bis kein Interesse an Schweizer Musik. Der Marktanteil der Independent-Labels in der Schweiz ist klein, auch stehen ihnen oft keine grossen Promotionsbudgets zur Lancierung ihrer Veröffentlichungen im In- und Ausland zur Verfügung. Sie sind ausserdem ein Verbund von Einzelkämpfern, die sich mit viel Idealismus für ihre Künstler einsetzen, jedoch mit verminder- ter Durchschlagskraft auf dem freien Markt. Finanziell stehen die meisten von ihnen unter gros- sem Druck. Die Kleinstunternehmen betreiben zwar in vielen Fällen klassische Nachwuchsför- derung, tun dies jedoch mit äusserst beschränkten finanziellen Mitteln und in den allermeisten Fällen ohne Unterstützung.139

4.3 Konzertagenturen in der Schweiz Mit dem Einbruch der Verkaufszahlen von Tonträgern hat das Konzertwesen für viele Künstler als Verdienstmöglichkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Das Konzertgeschäft wurde intensiviert und es kümmern sich inzwischen in der Schweiz viele kleine und mittelgros- se Konzertagenturen um in- und ausländische Bands, die in der Schweiz auf Tournee gehen. Der Anteil an ausländischen Künstlern ist jedoch bei den meisten Agenturen nach wie vor höher und häufig ist die Situation so, dass mehrere Schweizer Agenturen versuchen, dieselben er-

136Vgl. STANISIC (2004), S. 18 137Vgl. DREDGE/GARDEL (2004), S. 49 138Bei der Musikplattform Mx3 (s. auch Kapitel 3.8.2) sind über 2300 Labels registriert, die sich der Populärmusik im weitesten Sinn zuordnen lassen (Quelle: http://www.Mx3.ch/labels [Stand: 13. Juni 2011]) 139Eine Ausnahme davon ist die in Kapitel 2.2.4.1 beschriebene Labelförderung des Migros- Kulturprozents 30

folgsversprechenden ausländischen Bands an sich zu binden, statt einheimische Talente aufzu- bauen.140 Relevant für die Schweizer Künstler ist auch die Tatsache, dass nur wenige hier ansässige Agenturen auch im Ausland buchen. Die meisten inländischen Booker buchen im Auftrag von ausländischen Agenturen und Managements Tourneen in der Schweiz. Umgekehrt wird jedoch wenig von diesem Netzwerk Gebrauch gemacht, um einheimischen Künstlern Touren im Aus- land zu ermöglichen. In der Folge muss das Management einer Schweizer Pop-/Rockband für seine Musiker selber aktiv im Ausland nach Partnern suchen. In vielen Fällen sind die Bands gezwungen, dies selbst zu tun, da die meisten ohne professionelles Management auskommen müssen. Dies macht es extrem schwierig, überhaupt im Ausland touren zu können. Es fehlt ein Netzwerk – viele Schweizer Bands finden sich verloren in einem extrem umkämpften Markt wieder, in dem ein solches essentiell ist.141 Als Künstler aus einem kleinen Land mit einem klei- nen Markt ist es aber ohne Auslandtourneen äusserst schwierig, eine sich finanziell tragende Karriere aufrecht zu erhalten.

4.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 4 Den unzähligen unabhängigen Schweizer Musiklabels fällt es schwer, mit ihren Produktionen den heimischen Markt zu erobern, geschweige denn im Ausland Fuss zu fassen. Auch die nur selten über die Landesgrenzen hinaus operierenden Konzertagenturen machen es schwierig, dass Schweizer Pop-/Rockmusiker sich im Ausland präsentieren können. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig die Rolle des Musikexportbüros ist, das dort in die Lücke springt und die wichtigen Kontakte vermittelt. Auch die Weitsicht des Migros-Kulturprozents verdient an dieser Stelle Lob, setzt es doch mit seiner Label- und Managementförderung ebenfalls dort an. Eine Lücke scheint es bei der Organisation der unabhängigen Labels zu geben. Obwohl ihre Zahl in der Schweiz in die Tausende geht, fehlt ihnen eine Dachorganisation, die sich für ihre Interessen einsetzt.

5. DIE MUSIKFÖRDERUNG IN SCHWEDEN 5.1 Geschichtlicher Überblick Viele Kulturinstitutionen in Schweden sind staatlich gestützt. Um das Verhältnis von Staat und Bürger besser verstehen zu können und die Bedeutung des auf den schwedischen Wohlfahrts- staat gründenden Verständnisses zu erklären, muss etwas ausgeholt werden. Viele öffentliche Kultureinrichtungen in Schweden wie zum Beispiel die „Königliche Oper“ oder die „Königliche Akademie der Schönen Künste“ datieren zurück ins 17. und 18. Jahrhun- dert und sind auf königliche Initiative hin entstanden. Im 19. Jahrhundert wurden diese Instituti-

140Ein kurzer, nicht repräsentativer Durchgang der bekanntesten Schweizer Agenturen zeigt folgende Anzahl an CH- Künstlern: „Gadget“: 15, „Cult Agency“/„Black Lamb“: 11, „Two Gentlemen“: 15 – 20 (gem. Christian Fighera). Der feste Anteil an ausländischen Künstlern wird meist nicht ausgewiesen, sondern mehr eine Übersicht der internationalen Künstler, mit denen bis jetzt gearbeitet wurde (Stand: 6. Juli 2011) 141Diese Ausführungen sind von Karin Feusi, die selber 11 Jahre in der Schweiz als Agentin tätig war 31

onen allmählich vom schwedischen Staat übernommen. Durch die Verbreitung der Drucktech- nik, dem Aufkommen der Film- und Grammophonindustrie und den daraus entstandenen kom- merziellen Massenkulturen bildeten sich erste Ansätze einer Kulturpolitik. Durch die Übernah- me alter königlicher Institutionen durch den modernen schwedischen Staat und der damit ver- knüpften Schaffung einer schulischen Grundausbildung für alle, sowie den verschiedenen Her- ausforderungen, welche die populären Massenkulturen mit sich brachten, entstanden die Pfeiler der heutigen Kulturpolitik. Öffentliche Bibliotheken, Museen und Konzertsäle – oftmals zusätz- lich finanziell unterstützt von einer wachsenden Mittelklasse – waren dann auch bevorzugte Medien der Kulturpolitik im frühen 20. Jahrhundert. 1925 entstand mit dem öffentlichen schwedischen Radio („Sveriges Radio“), das zu diesem Zeitpunkt eine Monopolstellung genoss, eine Schlüsselinstitution der modernen Kulturpolitik.142 In der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre begann die politische Vision vom Wohlfahrtsstaat - dem „Folkhemmet“ - seine Wirkung zu zeigen: Die Gewährleistung einer grundlegenden finanziellen Sicherheit, der Ausbau der Kindergelder und Altersrenten sowie der Zugang zu Bildung und Kultur für alle Bürger waren die Stützpfeiler des Folkhemmet.143 Viele der in dieser Zeit entstandenen Kulturinstitutionen wurden in den 50er und 60er Jahren modernisiert. In diesen Jahren entstanden auch viele neue Institutionen wie das „Svenska Filminstitutet“ (Schwedisches Filminstitut) und die kommunalen Musikschulen, die immer wieder als wichtige Pfeiler der Musikerziehung und als nicht zu un- terschätzendes Förderinstrument genannt werden.144 Sie werden im folgenden Kapitel näher angeschaut. 1960 trat „The Copyright Law of Literary and Artistic Works“145 in Kraft. Das poli- tische Engagement für die Kultur wuchs. 1974 wurde der spätere „Kulturrådet“ (Kulturrat) ge- gründet, der noch heute besteht und eine tragende Rolle in der Kulturförderung spielt. Der Kul- turrat – eine staatliche, dem Kulturministerium unterstellte Behörde – ist hauptsächlich zustän- dig für die Verteilung staatlicher Mittel an Musik, Theater, Tanz und Literatur. Eine nähere Beschreibung der Zuständigkeiten folgt in Kapitel 5.2.1.1. Heute werden in Schweden die öffentlichen Kulturausgaben vom Staat, den Kommunen und den sogenannten „Landsting“ (Provinzen) getragen. Im Jahr 2009 betrugen diese Ausgaben rund SEK 22,7 Mrd. (ca. CHF 3,073 Mrd.), davon trug der Staat (nationale Ebene) ca. 46% (SEK 10,2 Mrd.), weitere 41% (SEK 9,3 Mrd.) wurden von den Kommunen getragen und ca. 13% (SEK 3,2 Mrd.) von den Landsting.146 Wie hoch der Anteil ist, der direkt in die Populär- musikförderung fliesst, ist schwer zu ermitteln. Neben den genannten Hauptakteuren Kulturrådet auf nationaler Ebene, den kommunale Musikschulen und dem hauptsächlich von der Musikbranche getragenen Exportbüro „ExMS“, welches in Kapitel 5.2.2.1 näher vorgestellt wird, spielen die Erwachsenenbildung und die vielen Freiwilligenorganisationen ebenfalls eine wichtige Rolle in der Musikförderung. Die freiwillige Erwachsenenbildung in Schweden

142Vgl. HARDING/COUNCIL OF EUROPE (2010), S. 2ff 143Vgl. LAGERQVIST (2002), S. 174 + 175 144Vgl. FORSS (1999), S. 24 145Swedish Code of Statutes (Act 1960:729): http://www.sweden.gov.se/sb/d/5825/a/130285 (Stand: 2. Juni 2011) 146http://www.kulturradet.se/Documents/publikationer/2010/kulturens_finansiering_2008-2009.pdf (Stand: 2. Juni 2011) 32

„Folkbildning“147 („Volksbildung“, vergleichbar mit dem Modell der Klubschule Migros) ge- nannt, entstand bereits anfangs des 20. Jahrhunderts. Ihr Beitrag zur Musikausbildung stellt einen wichtigen Pfeiler in der schwedischen Musikförderung dar und wird in Kapitel 6.1.1 nä- her beleuchtet. In den letzten 50 Jahren hat sich das schwedische Modell der Kulturpolitik mehr und mehr in Richtung Dezentralisierung bewegt und strebt Werte wie Selbstregulierung der Regionen, der Gemeinden, Minderheiten und verschiedenen Subkulturen an. Diese Dezentralisierung ist je- doch typischerweise nach wie vor abhängig von der finanziellen Unterstützung der zentralen Regierung. Konkret wird ab 2011 sukzessive ein neues Modell der Aufgabenteilung eingeführt, das dem Staat vermehrt übergreifende, strategische Aufgaben zuteilt und den Kommunen und Regionen mehr Einfluss in der Verteilung staatlicher Mittel gewährt. Seit den 90er Jahren wur- de zudem vermehrt versucht, auch die Zusammenarbeit mit privaten Sponsoren als Alternative zur staatlichen Förderung einzubeziehen. Die Erwartung, dass sich Sponsoring zu einer tragen- den finanziellen Einnahmequelle entwickeln könnte, hat sich jedoch bis jetzt nicht erfüllt.148 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Staat in Schweden nach wie vor eine wich- tige Rolle spielt. Sowohl seine Rolle als Träger strategischer Aufgaben und kulturpolitischer Entscheide, als auch als Hauptfinanzierer der Kulturausgaben sind im Zusammenhang mit der Musikförderung von grosser Relevanz.  5.2 Die wichtigsten Akteure in der Musikförderung heute Wie eingangs erwähnt, spielt der Staat als zentrale Stelle eine wichtige Rolle in der Verteilung der Förderbeiträge. Die Zuteilung der öffentlichen Gelder für die Kultur ist so strukturiert, dass die verschiedenen Ebenen ergänzt werden: Eine Voraussetzung für staatliche Einschüsse in kommunale und regionale Kulturinstitutionen ist, dass diese ebenfalls Gelder von den Gemein- den, bzw. Regionen erhalten. Die wichtigsten Akteure der drei Ebenen der öffentlichen Hand sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.

5.2.1 Die öffentliche Hand 5.2.1.1 Nationale Ebene Die nationale Ebene finanziert wie erwähnt mit Beiträgen sowohl nationale als auch regionale Kulturinstitutionen, sowie einen Teil der freien Szene. Aber auch staatliche Ämter, Institutionen und Stiftungen, welche innerhalb der Medien- und Kulturbranche tätig sind, können in den Ge- nuss dieser Unterstützung kommen. Der Staat, beziehungsweise das zuständige Kulturdeparte- ment, steht für den grössten Anteil der öffentlichen Finanzierung der Kultur. Im Jahr 2009 be- trug diese Summe wie erwähnt rund SEK 10,2 Mrd. (ca. CHF 1,4 Mrd.), was ca. einem Prozent der staatlichen Gesamtausgaben entspricht. In diesem Betrag inbegriffen ist die Unterstützung gewisser nationaler Kulturinstitutionen (z.B. der Oper, Dramaten, Drottningholms Schlossthea-

147http://www.folkbildning.se/Documents/E%20Fakta%20om%20folkbildningen/Fbr%20Facts%20web.p df (Stand: 4. Juni 2011) 148Vgl. HARDING/COUNCIL OF EUROPE (2010), S. 29 33

ter, einigen Museen u.a.). Ein Teil der finanziellen Mittel wird jedoch direkt Behörden, Stellen oder Stiftungen zugesprochen, die für ihre Weiterverteilung zuständig sind.149 Eine dieser Stel- len ist der bereits erwähnte Kulturrådet. Im Bereich der Musikförderung betrug der gesamte staatliche Beitrag (inklusive Anteil an Kulturrådet) im Jahr 2009 rund SEK 446 Mio. (ca. CHF 61 Mio.), was rund 4% des Gesamt- budgets ausmachte. Wie gross der Anteil dieser Summe an die Förderung und Unterstützung von Populärmusik war, kann nur schlecht ermittelt werden, da dieser Beitrag unter anderem für folgende Bereiche eingesetzt wurde: Entwicklungsbeiträge, Zusammenarbeit mit Komponisten, Musikvereine und freien Musikgruppen, Labelunterstützung, Unterstützung von Musikakade- mien und der Stiftung „Rikskonserter“.150

Den grössten Ausgabeposten belegte mit 32% des Gesamtbudgets die Folkbildning. (Vgl. Ka- pitel 6.1.1) Der Kulturrådet ist hauptsächlich zuständig für die Verteilung staatlicher Mittel (an Theater, Tanz, Musik, Literatur, Volksbibliotheken u.a.), die Beschaffung von Unterlagen und Informa- tionen für die Regierung im Vorfeld kulturpolitischer Entscheidungen (z.B. Evaluation von staatlicher Unterstützung) sowie die Information über Kultur und Kulturpolitik. Gemäss Johan Scherwin vom Kulturrådet betrug das jährliche Budget des Kulturrådet für alle Bereiche im Jahr 2010 SEK 1,7 Mrd. (rund CHF 220 Mio.). Davon gingen SEK 1 Mio. (rund CHF 130'000.–) an ExMS.151 Für den Anteil an die Musik stehen keine separaten Zahlen zur Verfügung, da diese zusammen mit den Ausgaben für den Tanz und das Theater erfasst werden. Drei Personen arbei- ten gemäss Scherwin in der Abteilung Musik, welche aber über keine spezielle Unterabteilung für Populärmusik verfügt. Hauptauftrag des Rates ist die Realisierung der kulturpolitischen Zie- le, die von Regierung und Parlament (Riksdag) festgelegt werden. Eine grafische Übersicht über die Zuständigkeiten innerhalb des schwedischen Kulturministeriums findet sich im Anhang.152

5.2.1.2 Die kommunale Ebene Ein wichtiger Teil der kommunalen Förderung fliesst in die kommunalen Musikschulen. Die- se werden oft als eines der wichtigsten Förderinstrumente der öffentlichen Hand genannt, da sie eine breite Auswahl von Ausbildungsmöglichkeiten auf freiwilliger Basis bieten und auf diesem Weg junge Talente fördern.153 Auf die Musikausbildung im Rahmen der obligatorischen Grund- schule, sowie auf die akademischen Institutionen kann im Rahmen dieser Arbeit aus Platzgrün- den nicht eingegangen werden. In Kapitel 6.1 werden aber alternativ einige weitere – zum Teil unkonventionelle Modelle – vorgestellt, welche die Autorinnen als höchst interessante Projekte bewerten.

149http://www.kulturradet.se/Documents/publikationer/2010/kulturens_finansiering_2008-2009.pdf (Stand: 4. Juni 2011) 150http://www.kulturradet.se/Documents/publikationer/2010/kulturens_finansiering_2008-2009.pdf (Stand: 3. Juni 2011) 151Auskunft per E-Mail am 16. Juni 2011 152Vgl. Erläuterungen Anhang 2 153Vgl. FORSS (1999), S. 19 34

Die kommunalen Musikschulen bieten grundlegende und subventionierte Musikausbildungen und die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis ein Instrument zu erlernen. In den 90er Jahren wurde das Spektrum mit Tanz- und Theaterkursen erweitert und in der Folge die Musikschulen in Kul- turschulen umbenannt. 1996 wurde der Musik- und Kulturschulrat SMOK (Sveriges Musik- och Kulturskoleråd) gegründet, der seither als Dachverband für die Kulturschulen in 278 von 290 Kommunen in Schweden amtiert. Heute besuchen rund 363'000 Kinder und Jugendliche eine Kulturschule, davon 62% Mädchen und 38% Jungen. Die Schulen werden aus kommunalen Mitteln finanziert – im Jahr 2009 betrug dieser Betrag rund SEK 1,9 Mrd. (ca. CHF 259 Mio.).154 Der Jahresbeitrag für einen Kursteilnehmer beträgt durchschnittlich SEK 1'300.– (ca. CHF 180.–).155 Da vom Schlagzeug bis zum Akkordeon eine grosse Bandbreite an Instrumenten erlernt werden kann und zusätzlich diverse nicht musikalische Fächer angeboten werden, ist schwer erkennbar, wie gross die indirekte Förderung der Populärmusik schlussendlich ist. Zu- dem tauchen beispielsweise Instrumente wie das Akkordeon oder die Geige in Schweden immer wieder in Pop-Formationen auf; eine Zuordnung der Instrumente in die klassische Musik, tradi- tionelle Volkmusik oder die Populärmusik ist kaum möglich. Neben den Musikschulen betreiben viele Kommunen auch direkte Kulturunterstützung. Als Beispiel sei die Kommune Uppsala genannt, die unter anderem Beiträge für grössere Kultur- events oder Reisebeiträge für Kulturarbeitende übernimmt.156

5.2.1.3 Die regionale Ebene Schweden umfasst 17 sogenannte Landsting und vier Regionen. Diese Organisationsgebiete umfassen jeweils mehrere Kommunen und sind zuständig für übergreifende, gemeinsame Auf- gaben, wie die Organisation des öffentlichen Verkehrs oder die Gesundheitsversorgung. Nebst diesen obligatorischen Aufträgen gehört die Kultur zum freiwilligen Aufgabengebiet der Landsting. Oft werden zum Beispiel Stipendien und Beiträge in Koordination mit den Kommu- nen ausgesprochen. Die meisten Landsting betreiben aber auch in eigener Regie eine Form von Kulturunterstützung (z.B. Unterstützung von Festivalorganisatoren).157

5.2.1.4 Weitere staatliche Organisationen Im Bereich der Stiftungen kann die staatliche Stiftung Rikskonserter158 genannt werden, die jährlich rund 40 Tourneen und 700 Konzerte organisiert. 1963 gegründet, hatte sie ursprünglich zur Aufgabe, die vom Parlament definierte Politik umzusetzen, nämlich möglichst vielen Men- schen Musik in hoher Qualität zu ermöglichen.159 Als Alternative zu den bereits bestehenden Konzertveranstaltern gedacht, versuchte Rikskonserter bereits früh neue Wege in der Vermitt- lung und organisierte etwa Konzerte im informellen Rahmen oder in Schulklassen. So sollte ein

154Gemäss E-Mail vom 31. Mai 2011 von Calle Nathanson/SKL (Sveriges Kommuner och Landsting) 155http://www.smok.se/in-english (Stand: 3. Juni 2011) 156Vgl. WENNMAN/BOYSEN (2008), S. 22 157Vgl. WENNMAN/BOYSEN (2008), S. 22 158http://www.rikskonserter.se/ (Stand: 3. Juni 2011) 159Vgl. SALZER (1973), S. 60 35

Publikum erreicht werden, das normalerweise keine Konzerte besucht. Neben einem Aus- tauschprogramm mit dem Ausland veröffentlichte Rikskonserter auch Musik auf dem eigenen Label „Caprice Records“. Ende 2010 wurde die Stiftung aufgelöst und in die neue staatliche Organisation „Statens Musikverk“ eingebettet.160 Da Rikskonserter hauptsächlich für die Mu- sikgenres Jazz, Folk und Ethno zuständig war, wird sie in dieser Arbeit nicht weiter beleuchtet.

Neben Rikskonserter gibt es weitere staatliche Organisationen und Agenturen, die künstleri- sches Schaffen – auch im Bereich der Musik – unterstützen, fördern und bewerben. Als Beispie- le sind zu nennen die staatliche Agentur Konstnärsnämnden161 und die Organisation Musikalliancen.162 Ausserdem gibt es diverse staatlich gestützte nordische Fonds, die länder- übergreifende Projekte fördern. Aus Platzgründen muss darauf verzichtet werden, sie alle im Rahmen dieser Arbeit vorzustellen.

5.2.2 Halbprivate Akteure Die klare Aufteilung zwischen staatlich und privat ist nicht immer ganz einfach, werden doch auch private Akteure teilweise von der öffentlichen Hand finanziell unterstützt. Auch können Stiftungen und Verbände nicht immer ganz klar als rein staatlich oder privat eingeordnet wer- den. Viel wichtiger als diese genaue Aufteilung erscheint den Autorinnen hier die Relevanz der geleisteten Förderarbeit. Als wichtigster Akteur soll in diesem Kapitel deshalb ausschliesslich die Organisation „Export Music Sweden“ oder kurz ExMS vorgestellt werden.

5.2.2.1 Export Music Sweden Die schwedische Musikexportstelle ExMS beschreibt ihre Mission wie folgt: „Export Music Sweden - a gateway to the world for Swedish musicians, and art- ists. Export Music Sweden – ExMS – operates within the music industry to bring Swedish artists into commercial and cultural contact with players on the international music mar- ket.“163

ExMS hat zur Hauptaufgabe, schwedische Künstler an internationalen Messen, Seminaren und Festivals im Ausland zu unterstützen. Die Musikexportstelle organisiert auch eigene Promo- tionskonzerte – oftmals in Zusammenarbeit mit dem schwedischen Aussendepartement, dem Schwedischen Institut (vgl. Kapitel 6.2), dem Kulturrådet, lokalen Botschaften oder Konsulaten. In Schweden selber informiert ExMS über die verschiedenen Musikmessen und Networking- Möglichkeiten. Zusammen mit interessierten Artisten und deren Tonträgerfirmen werden Showcase-Konzerte164 organisiert oder die Teilnahme an Branchenevents wie dem „SXSW“165

160http://www.statensmusikverk.se/about-us (Stand: 3. Juni 2011) 161http://www.konstnarsnamnden.se/om-konstnarsnamnden (Stand: 5. Juni 2011) 162Vgl. Erläuterungen Anhang 2 163http://www.exportmusicsweden.org/about-us/ Stand: 4. Juni 2011) 164Vgl. Glossar Anhang 1 165http://sxsw.com/ (Stand: 4. Juni 2011) 36

in Austin oder der „Popkomm“166 in Berlin ermöglicht. Individuelle Tourneen werden nicht unterstützt. Anders Hjelmtorp – „CEO and Music Evangelist“ – betont, dass nur mit Künstlern gearbeitet werde, die „Export ready“ seien. Damit meint er Künstler mit professionellem Um- feld, die mindestens zwei der folgenden Punkte erfüllen: Einen Manager mit einem internationa- len Netzwerk, ein Label mit Fokus auf den Export und der Absicht, international für den Artis- ten tätig zu sein, einen internationalen Booking-Agenten, Publizität in einflussreichen internati- onalen Medien, belegbares Interesse von Seiten internationaler Festivals/Clubs/Events und ei- nen internationalen Vertrieb durch etablierte Kanäle. Als bevorzugte Export-Territorien nennt Hjelmtorp Deutschland, USA, Japan, Grossbritannien, die nordischen Länder und Frankreich.167 Eigentümer des von Hjelmtorp allein betriebenen Export-Büros sind IFPI Schweden168, „SAMI“ (Swedish Artists’ and Musicians’ Interests Organisation)169 und „Svensk Musik“170. Diese haben zusätzlich eine Person für administrative Aufgaben angestellt, finanzieren das Büro mit und werden im folgenden Kapitel näher vorgestellt. ExMS ist rechtlich als Aktiengesellschaft orga- nisiert. Gemäss Hjelmtorp müssen alle externen Aktivitäten von den Plattenfirmen der teilneh- menden Künstler finanziert werden, zuzüglich den Mitteln, die ExMS vom Kulturrådet (vgl. Kapitel 5.2.1.1) vom Aussendepartement und vom Schwedischen Institut (vgl. Kapitel 6.2) er- hält. In einem durchschnittlichen Jahr stehen auf diese Weise rund SEK 2,5 Mio. (ca. CHF 325'000.–) zur Verfügung.

5.2.3 Urheberrechts- und Interessenorganisationen Auch in Schweden werden die aktiven Förderer von diversen Urheberrechts- und Interessenor- ganisationen ergänzt. Neben den schwedischen Pendants zur Schweizer SUISA gibt es eine Anzahl Musikerverbände, die sich um die Interessen ihrer Mitglieder kümmern. Es fällt auf, dass die unabhängigen Musikproduzenten und Labels in Schweden über eigene Organisationen verfügen – ein Punkt, der in der Schweiz bis jetzt nicht verwirklicht wurde.

STIM (Svenska Tonsättares Internationella Musikbyrå)171 ist die schwedische Interessenor- ganisation der Urheber (Komponisten, Texter, Arrangeure/) und ihrer Verlage und primär dafür zuständig, die Urheberrechte dieser Mitglieder (momentan rund 60'000) zu wahren und zu verwalten. STIM hat vertragliche Absprachen mit anderen Urheberrechtsorganisationen (z.B. mit der SUISA) und mit den Unterhaltungslokalen, Konzertveranstaltern, Festivals u.a. des Landes. STIM ist eine Non-Profit-Organisation. Neben diesem Hauptauftrag setzt sie jährlich drei Prozent der Einnahmen aus Schweden in Form von Stipendien ein. Es können sich jedoch nur angeschlossene Mitglieder für diese Gelder bewerben. Im Jahr 2010 wurden gesamthaft

166http://www1.messe-berlin.de/vip8_1/website/Internet/Internet/www.popkomm/englisch/Glossar.html (Stand: 4. Juni 2011) 167Auskunft per E-Mail am 26. Juni 2011 168http://www.ifpi.se/ (Stand: 2. Juni 2011) 169http://www.sami.se/english.aspx (Stand: 2. Juni 2011) 170http://www.mic.stim.se/ (Stand: 2. Juni 2011) 171http://www.stim.se/en/ (Stand: 2. Juni 2011) 37

SEK 4,5 Mio. (ca. CHF 612'000.–) an 111 Personen ausgeschüttet.172 Ausserdem fliesst ein Teil der von STIM gemachten Einnahmen gemäss den Statuten in die Unterstützung „guter Ton- kunst“. Das Organ, welches diese Vorgabe umsetzt – „Svensk Musik“ – führt das Jazz- und Klassik-Label „Phono Suecia“ und betreibt im In- und Ausland Informationsarbeit.173 In Schweden werden die mechanischen Vervielfältigungsrechte von einer separaten Gesellschaft verwaltet, der „n©b“ (Nordisk Copyright Bureau).174 Da diese keine Unterstützungsgelder oder Stipendien gewährt, wird sie im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter beleuchtet.

SAMI (Svenska Artisters och Musikers Intresseorganisation), 1963 auf Initiative des schwedischen Theaterverbands und des schwedischen Musikerverbands gegründet, ist zuständig für die Wahrung der Interpretenrechte. Die nicht gewinnorientierte Organisation hat über 23'000 angeschlossene Musiker und Artisten. Vereinfacht ausgedrückt sammelt SAMI in deren Namen jedes Mal einen gewissen Betrag ein, wenn ein Werk zur Aufführung kommt (Radio, TV, Live- konzert) in dem ihr angeschlossene Interpreten beteiligt sind. SAMI hat wie STIM auch Verträ- ge mit ausländischen Urheberrechtsorganisationen und erhält die Gelder aus ausländischen Vor- führungen via diese Vertragspartner. Nebst dieser Haupttätigkeit hat die Organisation bis 2006 regelmässig Gelder in sogenannte „Repertoirentwicklungen“ fliessen lassen. Diese Unterstüt- zung hat es Bands oder Einzelmusikern erlaubt, während einer Woche konzentriert an einem Projekt zu arbeiten und während dieser Zeit einen Lohn zu erhalten.175 SAMI ist ausserdem in der Verwaltung einiger Stiftungen und Fonds aktiv.176

Die IFPI vertritt wie auch in der Schweiz die Tonträgerindustrie. In Schweden repräsentieren die Mitgliedsfirmen rund 95% der gesamthaften Branche. Die IFPI Schweden setzt sich dafür ein, den rechtlichen Schutz für ihre Mitglieder zu verbessern und sie in Urheberrechtsfragen zu vertreten. Sie informiert über die Branche, bekämpft Missbräuche wie zum Beispiel Online- Piraterie auf nationaler und internationaler Ebene und organisiert die jährliche Preis-Verteilung des schwedischen „Grammis“ (Grammy).177 Gemäss der IFPI Schweden können über 50% der Absätze an Tonträgern in Schweden einheimischen Künstlern zugeordnet werden.178 Wie bereits vorgängig erwähnt, ist die IFPI an der Finanzierung der Musikexportstelle beteiligt.

SOM (Svenska Oberoende Musikproducenter) ist die Organisation der unabhängigen Mu- sikproduzenten und 1974 unter dem Namen „NIFF“ entstanden. Die Interessenorganisation ist als Kollektiv ebenfalls Mitglied der IFPI und umfasst momentan rund 260 unabhängige Labels. Mit „unabhängig“ ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass die Mitgliederfirmen unabhängig

172http://www.stim.se/sv/OM-STIM/Stipendier-och-priser/ (Stand: 5. Juni 2011) 173http://www.mic.stim.se/avd/mic/prod/micv6.nsf/docsbycodename/start (Stand: 5. Juni 2011) und http://svenskmusik.org/om/about-svensk-musik/ (Stand: 10. Juni 2011) 174http://www.ncb.dk/english/Glossar.html (Stand: 26. Juni 2011) 175 Vgl. WENNMAN/BOYSEN (2008), S. 21 176 http://www.sami.se/artister-musiker/stipendier-fonder.aspx (Stand: 5. Juni 2011) 177 http://www.ifpi.se/ (Stand: 5. Juni 2011); Vgl. Glossar Anhang 1 178 http://www.ifpi.se/?page_id=4 (Stand: 5. Juni 2011) 38

von multinationalen Majorfirmen agieren. SOM arbeitet eng mit der IFPI zusammen, insbeson- dere in Bezug auf die Wahrung der Urheberrechte. Sie ist – wie die IFPI auch – aktiv als Ver- mittlerinstanz bei kulturpolitischen Fragen, betreibt diverse Arbeitsgruppen, fördert die Zusam- menarbeit unter den Mitgliedern und informiert und hilft bei rechtlichen Fragen. Neben diesen Aufgaben, kümmerte sich SOM in der Vergangenheit um einige interessante Projekte wie „Cabal“, eine Homepage für unabhängige Labels, welche bereits 1995 entstand, oder die Lon- doner Club-Nacht „Swedish Indie Go“, welche sie von 2000 – 2002 organisierte und die in die- ser Zeit zu einer interessanten Plattform für schwedische Bands wurde. Eine Idee, die später von ExMS in Paris aufgenommen wurde.179 Wie auch die IFPI verteilt SOM jährlich einen Musik- preis: „Manifest-priset“ wird bereits seit 2003 an Künstler vergeben, die bei unabhängigen La- bels unter Vertrag stehen. Im 2011 waren 60 Artisten in 13 verschiedenen Musikkategorien und vier Spezialkategorien nominiert.180

Swedish Label Rights Förening (SLR)181, die Vereinigung der schwedischen Labels, wurde 2007 gegründet und konnte bereits ein Jahr später ihr 100. Mitglied begrüssen. Grössere Indie- Labels machen den Hauptanteil der Organisation aus, die zum Ziel hat die Rechte, die aus den neuen Medien entstehen, in den Fällen zu wahren, wo dies nicht bereits von anderen Organisa- tionen gemacht wird. Die SLR schreibt auf ihrer Homepage weiter, dass heute nur gerade die Majorlabels Absprachen mit den digitalen Diensten hätten – nicht aber die schwedischen Indie- Labels. Mit neuen Medien meint sie vor allem Streaming- und On-Demand-Dienste.182

The Swedish Model ist die Interessenorganisation von sechs unabhängigen, schwedischen La- bels.183 Die Organisation soll eine Plattform bieten für Kooperationen und Diskussionen. Vor allem im Bereich der Digitalisierung und der Strukturwandlung innerhalb der Tonträgerindust- rie sucht The Swedish Model nach Lösungen.184

Svenska Musikerförbundet185 – der schwedische Musikerverband – wurde 1907 von Musikern gegründet, mit dem Ziel, ihre Arbeitssituation zu verbessern und ihre Interessen wahrzunehmen. Der grösste Unterschied zu anderen Interessenorganisationen ist, dass der Musikerverband auch Gesamtabsprachen mit einigen Arbeitgebern innerhalb der Musik- und Medienbranche hat, so zum Beispiel mit dem schwedischen Radio „SR“ und dem schwedischen Fernsehen „SVT“. Angeschlossene Musiker erhalten – je nach Mitgliederkategorie – verschiedene, kostenlose Serviceleistungen wie juristischen Rat, Hilfe bei Verhandlungen mit Tonträgerfirmen oder eine Unfallversicherung.

179http://www.som.se/14.aspx (Stand: 5. Juni 2011) 180http://manifestgalan.temp.box.se/om-manifest/ (Stand: 6. Juni 2011) 181http://www.swedrights.com/Glossar.aspx (Stand: 10. Juni 2011) 182Vgl. Glossar Anhang 1 183http://www.theswedishmodel.org/about/ (Stand: 10. Juni 2011) 184http://www.theswedishmodel.org/strategy/ (Stand: 10. Juni 2011) 185http://www.musikerforbundet.se (Stand: 10. Juni 2011) 39

Seit diesem Jahr gibt es zudem eine Dachorganisation, die unter dem Namen Musiksverige Informationen über und für die Musikbranche bündelt. Gegründet von SAMI, IFPI, STIM, SOM und einigen anderen Organisationen, konzentriert sich Musiksverige auf die zentralen Themen Urheberrechte, die Unterstützung des Musikexports und Ausbildungsfragen.186

Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, alle Interessenorganisationen in der schwedi- schen Musikbranche aufzuführen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sie über sehr viele Interessenorganisationen verfügt und dass es dort, wo Organisationen eventuell zu gross und unbeweglich wurden, Absplitterungen gab und neue, teilweise spezialisierte Strukturen entstanden sind. Trotzdem scheint die Branche gut vernetzt zu sein und ein Austausch ist durch die vielen Verknüpfungen gut möglich.

5.2.4 Privatwirtschaftliche Engagements und Kooperationen Privates Sponsoring ist in Schweden nach wie vor nicht sehr verbreitet (vgl. auch Kapitel 5.1). In den letzten Jahren entstanden aber vermehrt Kooperationen in Form von Werbekampagnen zwischen branchenfremden schwedischen und ausländischen, bzw. multinationalen Firmen und Musikern. Einige Beispiele werden in diesem Kapitel erläutert.

5.2.4.1 Populärmusik in der Werbung Besonders junge Zielgruppen lassen sich durch Musik leicht ansprechen und durch die entspre- chende Nutzung von Musik kann ein Produkt emotional aufgeladen werden.187 Nebst der finan- ziellen Entschädigung können eine exklusive Plattform und eine weitreichende Werbung für den Künstler interessante Vorteile bieten. Für den Wirtschaftsbetrieb steht oft – neben den ein- gangs erwähnten Punkten – auch der Imagetransfer im Mittelpunkt, mit der Absicht, kommuni- kative Ziele bei der gemeinsamen Anspruchsgruppe zu platzieren.188 Einige Beispiele von Ko- operationen in Form von Werbespots finden sich im Anhang.189 Genauer ausführen möchten wir hier das Beispiel von José González: Der mit dem Cover- Song190 „Heartbeats“ unterlegte Werbespot führte zu erhöhter Aufmerksamkeit und Chart- Platzierungen. In der Schweiz konnten in Folge die Clubkapazitäten erhöht werden.191 „A lot of people seemed to react to the song that was being played during the commercial breaks. Following this, ‚Heartbeats‘ got an almost exaggerated amount of attention, espe- cially in England, Ireland and Australia. From the outside it looked as if José González be- came famous overnight and that it was a song (and what’s more is that it was a cover song) that was his main asset. Fortunately that’s not the way it was.“192

186http://www.musiksverige.org/om?lang=en (Stand: 10. Juni 2011) 187Vgl. DIEDERICHS/STONAT (2003), S. 409 188Vgl. BORTOLUZZI DUBACH/FREY (2007), S. 19 189Vgl. Erläuterungen Anhang 2 190Vgl. Glossar Anhang 1 191Gemäss Karin Feusi, zu der Zeit Bookerin von José González, wurde auf der ersten Schweizer Tour noch der Badener Club Merkker gebucht (Kapazität 200). Bald darauf folgten die merklich grösseren Clubs Fri-Son in Fribourg (Kap. 1'100) und die Rote Fabrik in Zürich (Kap. 600) 192http://www.jose-González.com/inournature.html (Stand: 4. Juni 2011) 40

González’ Musik ruhe auf einem soliden Grund, der über jahrelange Arbeit aufgebaut wurde, schreibt sein Biograf weiter. Die Tatsache, dass González über die Jahre hinweg kontinuierlich Musik veröffentlichte, die international Beachtung fand,193 könnte ein Indiz dafür sein, dass ein geschickt platzierter Song in einem Werbespot in mancher Hinsicht zu einer breiteren Wahr- nehmung führen kann, ein solides Fundament und stete Weiterentwicklung demgegenüber ge- nauso tragend sein könnten. Ein andere Form von Zusammenarbeit hat die schwedische Kleidermarke „Tiger of Sweden“ gewählt: Sie hat neun noch unbekannte schwedische Bands eingeladen, jeweils ihre Lieblingsjeans von Tiger of Sweden zu tragen und in einer Umkleidekabine live einen Song zu spielen. Die Videoclips sind auf der Homepage der Firma und in ausgewählten Boutiquen zu sehen.194

5.3 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 5 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in Schweden von staatlicher Seite her primär in die Musikbildung investiert wird. In der Ermöglichung einer musikalischen Grundbildung für alle zu einem erschwinglichen Preis schwebt immer noch der Geist des schwedischen Folkhemmet mit. Die Förderung durch die öffentliche Hand zielt also primär auf die Vermittlung und den Aufbau von Wissen und Fertigkeiten ab und legt mit den kommunalen Musikschulen und später mit der Folkbildning den Grundstein dazu. Wo von Seiten des Staats fachliche Entscheidungen getroffen werden müssen, wird die Verantwortung an Fachstellen oder an die Branche (Kulturrådet, ExMS u.a.) weitergegeben. Diese Aufteilung erscheint den Autorinnen als logisch und effizient. Es gibt praktisch keine Berührungsängste zwischen branchenfremden Akteuren und der Musikbranche, obwohl privates Sponsoring in Schweden nicht als relevanter Teil der Förderung angesehen werden kann. Die Branche selber verfügt über relativ viele Interessenor- ganisationen und scheint gut organisiert zu sein. ExMS ist ein essentieller Akteur in der Ver- mittlung und Promotion von schwedischer Populärmusik ausserhalb des Landes und verfügt über ein solides Netzwerk innerhalb der einheimischen und ausländischen Musikbranche. In seiner 1999 im Auftrag des Finanzdepartements entstandenen Studie über den schwedischen Musikexport konstatiert der Ökonom Kim Forss, dass die Musikbranche im Prinzip ohne öffent- liche Mittel entstanden und gewachsen ist – mit Ausnahme der Finanzierung der Musikschulen durch die Kommunen. Die Unterstützung durch die Kulturpolitik konzentriert sich gemäss Forss hauptsächlich auf die klassische Musik und deren Institutionen. Die Gelder des Kulturrates würden mehrheitlich in die Labelunterstützung und ein Teil in die Distribution der Tonträger fliessen.195 Eine Auswirkung der staatlichen Unterstützung auf den Musikexport kann Forss im Rahmen seiner Studie nicht belegen.196 Anzufügen ist, dass in dieser Studie nur die Auswirkung

193http://www.jose-gonzalez.com/inournature.html (Stand: 4. Juni 2011) 194http://www.dressingroomsessions.com/?page_id=11 (Stand: 12. Juni 2011) 195Vgl. Erläuterungen Anhang 2 196Vgl. FORSS (1999), S. 69 + 70 41

auf den Musikexport untersucht wird – nicht aber die möglichen positiven Effekte staatlicher Musikförderung auf den Heimmarkt oder als Wegbereiter für zukünftige Exporterfolge. Die Autorinnen heben hervor, dass die direkten Auswirkungen der staatlichen Förderung von Musikschulen auf den Musikexport zwar nicht evaluierbar sind, aber sicherlich als ein wichtiger Punkt in der Musikförderung angesehen werden müssen, deren Einfluss auf zukünftige Ergeb- nisse im in- und ausländischen Markt nicht unterschätzt werden dürfen.

6. WEITERE WIRKUNGSRELEVANTE FAKTOREN 6.1 Musikalische Bildung und Vermittlung Auf die Wichtigkeit der kommunalen Musikschulen wurde bereits in Kapitel 5.2.1.2 hingewie- sen. Neben diesen Schulen gibt es in Schweden unzählige andere Organisationen, die zum Teil auf Basis von Freiwilligenarbeit oder auch staatlich mitfinanziert die Möglichkeit anbieten, mit Populärmusik in Kontakt zu kommen, ein Instrument zu erlernen oder in einem Band-Projekt mitzumachen. Da diese Projekte unabhängig von staatlichen Lehrplänen funktionieren und sich zum Teil gar in der freien Wirtschaft bewegen (Beispiel Hultsfredsfestival als Teil des Vereins Rockparty, vgl. Kapitel 6.1.2), wurden sie im Rahmen dieser Arbeit nicht unter der staatlichen Förderung behandelt. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die Grenzen fliessend sind. Gemein ist allen in den folgenden Abschnitten vorgestellten Organisationen und Projekten, dass sie auch unkonventionelle Programme anbieten und in den Augen der Autorinnen interessante Wege in der Vermittlung von Populärmusik gehen.

6.1.1 Folkbildning Heute umfasst der Dachverband zehn Studienvereinigungen aus dem ganzen Land und steht für rund 314'000 Kulturprogramme mit über 16 Millionen Teilnehmenden pro Jahr. 61,2% der so- genannten Studienzirkel fokussieren auf den Bereich „Kunst, Musik, Media“197. Folkbildning ist unabhängig vom Staat organisiert, erhält aber Gelder aus öffentlichen Fonds. Die nicht zentrali- sierten Studienzirkel bieten unter anderem Instrumentalunterricht an, stellen Übungsräume zu Verfügung oder können auf Musikexperten zurückgreifen, die beratend zur Seite stehen. Ein interessantes Beispiel ist „Bilda“198: Viele Clubs, Festivals und andere professionell organisier- ten Bühnen für Live-Musik werden in Schweden von Freiwilligen und Vereinen auf ideeller Basis betrieben. Bilda ist staatlich finanziert und als sogenannter „Amateurveranstalter“ in Schweden aktiv, verfügt aber auch über Clubs im Ausland und hat in den letzten vier Jahren zwischen 75 – 100 Bands die Möglichkeit geboten, sich im Ausland der dortigen Musikbranche zu präsentieren.199 Bilda bietet die Möglichkeit, ein Instrument auszuprobieren und zu erlernen, verfügt über sogenannte Rockschulen, wo kleine Gruppen von Jugendlichen Bands gründen können, hat eigene Übungslokale oder hilft bei der Suche nach einem Lokal in der Nähe, infor-

197http://www.folkbildning.se/Documents/E%20Fakta%20om%20folkbildningen/Fakta%20om%20folkbi ldning_2011_web.pdf (Stand: 3. Juni 2011) 198http://www.bildamusik.nu/Glossar.aspx (Stand: 3. Juni 2011) 199SANDGREN (2009), S. 27 42

miert200, hat ein eigenes Webradio, welches die Bands spielt, die im Rahmen eines Programmes ein Demo aufgenommen haben und versucht für die Bands Konzerte zu buchen. Den jungen Bands wird ein Berater zur Seite gestellt, der oftmals selber über ein gutes Netzwerk in der Mu- sikszene verfügt. Bilda ist Teil eines Studienverbandes und hat Ableger im ganzen Land. Ge- mäss einer Berechnungen von Bilda sind rund 10'000 Bands im Rahmen eines solchen Verban- des aktiv.

6.1.2 Rockparty, Rock City und Campus Hultsfred Die Vereinigung Rockparty201 organisierte von 1986 bis 2010 das auf Rock und Pop speziali- sierte Hultsfredsfestival202 und war der Dachorganisation „Kontaktnätet“ (das Kontaktnetz) angeschlossen.203 Während des Jahres war sie für kleinere Konzerte zuständig und in regelmäs- sigem Austausch mit Popkollo, einem Musiklager für Mädchen und Frauen.204 1991 baute sie ein eigenes Konzertlokal, da ihr vorgeworfen wurde, durch die ständigen Konzerte den Fussbo- den der lokalen Sporthalle zerstört zu haben. In der Folge gingen unzählige Konzerte über die Bühne des „Metropol“ genannten Lokals. Das geräumige Gebäude wurde später umgebaut und wurde zu „Rock City“205, einem Treffpunkt und Netzwerk für Privatpersonen und Unternehmer innerhalb der Musik- und Unterhaltungsindustrie. Rock City ist verlinkt mit Campus Hultsfred206, einer Ausbildungsstätte, die in Zusammenarbeit mit der Universität in Kalmar un- ter anderem einen dreijährigen Studiengang in Musik- und Event-Management anbietet.207 Da Rock City das ganze Jahr hindurch in eigene Festivalaktivitäten involviert ist (Rookiefestival, Hultsfreed Hayride und Popkollo) wird das erste Halbjahr des Studiums auf dem Campus Hultsfred und in Rock City verbracht und so ein praktisches Übungsfeld geboten. Fächer wie etwa Ökonomie werden anschliessend an der Universität in Kalmar unterrichtet.208

Neben den genannten Projekten gibt es unzählige andere Möglichkeiten, bereits im Jugendalter an die Musik herangeführt zu werden: Die aus der Arbeiterbewegung entstandenen „Folketshus“ und „Folketsparker“ (Volkshäuser und -pärke) – ursprünglich Orte, wo sich die Arbeiterklasse eingefunden hat, um sich zu unterhalten und auszutauschen – finden sich in fast allen schwedischen Städten. Die Parks sind im Sommer oft Austragungsorte der vielen „Stadsfestivaler“ (Stadtfestivals), wo der Bevölkerung kostenlos Konzerte geboten werden,

200Vgl. Erläuterungen Anhang 2 201http://www.rockparty.se/foreningen/historik.html (Stand: 6. Juni 2011) 202Das Hultsfredfestival und mit ihm die Vereinigung Rockparty gingen 2010 in Konkurs. Rock City besteht aber weiterhin. 203Vgl. Erläuterungen Anhang 2 204Vgl. Erläuterungen Anhang 2 205http://www.rockcity.se/natverk.aspx (Stand: 6. Juni 2011) 206http://www.campushultsfred.se/default____4131.aspx# (Stand: 6. Juni 2011) 207http://www.campushultsfred.se/templates/Page____7168.aspx (Stand: 6. Juni 2011) 208Neben Kalmar bietet auch die Universität Luleå eine höhere Ausbildungen im Gebiet des Musikmana- gements an: http://www.ltu.se/edu/course/Y00/Y0009F (Stand: 11. Juni 2011) 43

sowie Kunst und andere Kultur diverser Genres.209 Auch werden die Folketshus oft für Musik- anlässe benutzt.210

6.2 Das Imagebüro: Svenska Institutet Das Svenska Institutet (das Schwedische Institut) – kurz „SI“211 genannt – ist das offizielle Imagebüro Schwedens und die staatliche Promotions-Agentur. Sie hat als Ziel, im Rahmen der öffentlichen Diplomatie über Schweden zu informieren und Kontakte und Netzwerke aufzubau- en. Der Tätigungsbereich erstreckt sich von Kultur, Forschung und Gesellschaft über Ausbil- dungspolitik bis zu wirtschaftspolitischen Fragen. Das Institut arbeitet im Auftrag von fünf ver- schiedenen Departementen und kooperiert sowohl mit schwedischen Partnern, wie z.B. Konsu- laten und Botschaften, als auch mit ausländischen Kontakten. Das Schwedische Institut hat di- verse Publikationen zum Thema Musik – und speziell zu Populärmusik – veröffentlicht. Ein Beispiel ist die 40-seitige, 2004 erschiene Broschüre „Swedish Pop Update“.212 Sie bietet eine reichbebilderte und nach Genres gebündelte Übersicht über mehr oder weniger aktuelle Er- scheinungen in der Populärmusik. Auf der Homepage „sweden.se“, dem offizielles Portal von Schweden, das mit dem SI verknüpft ist, findet sich zudem unter dem Titel „Musicroom“ eine ganze Abteilung nur für Musik.213 Die nach groben Musiksparten aufgeteilte Plattform (von Hip-Hop über Indie bis Rock, Metal und Punk) widmet sich fast ausschliesslich der Populärmu- sik. In jeder Sparte gibt es einige prominente Vertreter des entsprechenden Musikstils, aber auch unbekannte Künstler zu hören. Es können Playlists214 erstellt, Songs an Freunde verschickt und die Songs der Woche gehört werden. Unter einem Kapitel wird der von SI und ExMS gemein- sam herausgegebene Sampler „Sweden wants you to dance“ vorgestellt und die darauf vertrete- nen Künstler kurz porträtiert.215 Das Musikportal ist auch auf Facebook216 und Twitter217 vertre- ten. Neben dieser Informations- und Werbearbeit hat die Pariser Aussenstelle von SI, das „Insti- tut Suédois“, mit der Unterstützung von ExMS, Kulturrådet und lokalen Promotern bisher zwei Ausgaben des Pop-Festivals „Å, Ä, Ö! Musiques actuelles suédoises“ in Paris veranstaltet. Der Anlass bietet eine Live-Plattform, die nicht nur für etablierte Künstler zugänglich ist. 218

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Imagebüro Svenska Institutet und das offizielle Portal von Schweden, sweden.se, sehr ausgiebig über schwedische Populärmusik in- formieren. SI kooperiert sowohl mit dem Musikexportbüro als auch mit lokalen Promotern. Junge Populärmusik wird als ein Transportmittel für das Image des Landes eingesetzt und Popu-

209Beispiel Malmöfestivalen: http://www.malmofestivalen.se/om-malmofestivalen/ (Stand: 11. Juni 2011) 210Beispiel Umeå Open: http://www.umeaopen.se/ (Stand: 11. Juni 2011) 211http://www.si.se/English/ (Stand: 10. Juni 2011) 212Vgl. GRADVALL (2004) 213http://www.sweden.se/eng/Home/Lifestyle/Music-room/ (Stand: 10. Juni 2011) 214Vgl. Glossar Anhang 1 215http://www.sweden.se/eng/Home/Lifestyle/Music-room/Visuals/Sweden-wants-you-to-dance--artist- presentations/ (Stand: 10. Juni 2011) 216http://www.facebook.com/SwedishMusic (Stand: 10. Juni 2011) 217http://twitter.com/#search?q=swedish%20music (Stand: 10. Juni 2011) 218http://www.exportmusicsweden.org/2010/11/next-week-in-paris-the-swedish-music-festival-aao/ (Stand: 10. Juni 2011) 44

lärmusik als Image- und Standortfaktor für das Land erkannt.219 Als Teil der sogenannten Er- lebnisindustrie wird Musik auf der Wirtschafts- und Handelsseite des Portals als weiterer Ex- portfaktor neben den multinationalen Firmen (H&M, Volvo, IKEA), dem Rohstoffexport und der IT-Branche genannt.220

6.3 Dynamik der Produktionsfaktoren Humankapital: Wie bereits aufgezeigt, verfügt Schweden über ein gut ausgebautes Netz an Ausbildungsstätten im Bereich der Populärmusik. Nicht nur die Schulungsmöglichkeiten sind reichlich vorhanden, sondern auch die Auswahl an verschiedenen Typen und Niveaus von Aus- bildungen und die Möglichkeit, sich mit diversen Instrumenten und Musikstilen vertraut zu machen. Die vielen professionellen Ausbildungsmöglichkeiten fördern neben dem sogenannten kreativen Humankapital, wie Instrumentalisten und Sänger, auch andere relevante Berufsgrup- pen, wie Ton- und Lichttechniker oder etwa Tätigkeiten im Bereich Booking und Promotion.221 Infrastruktur: Nicht nur der Zugang zu Übungslokalen ist relativ leicht möglich, sondern auch die Gelegenheit vorhanden, in gut eingerichteten Studios Aufnahmen zu machen. Schweden lag lange an der Spitze in Sachen Aufnahmetechnik222 und Studios wie z.B. das Polarstudio223 oder im Indie- und Rockbereich das Svenska Grammophonstudion224 wurden und werden immer wieder von bekannten in- und ausländischen Artisten benutzt. Neben schwedischen Musikin- strumenten, wie z.B. den „Hagström-Gitarren“ und „Clavia-Keyboards“, wird auch oft schwedi- sche Software, wie die Reihe „Propellerhead“ oder Software der nordschwedischen Firma Toontrack eingesetzt.225 Die Fähigkeit, sich schnell neuen Technologien anzupassen, wird vom Schwedischen Institut als ein weiterer Grund für die Vitalität der schwedischen Musikbranche genannt: Demzufolge hatte Schweden kurz nach der Einführung des Internets bereits die zweit- höchste Benutzerdichte nach den USA und folgte Finnland auf Rang zwei der Mobiltelefon- dichte.226 Gemäss einer OECD-Studie hatte Schweden im Juni 2010 die zweithöchste Breit- banddichte der Welt.227 Dieses Interesse an neuen Technologien zieht sich in der Musikbranche weiter.

219http://www.sweden.se/upload/promotion_forum/kommunikativ_plattform/Progressiv%20kommunikati on%20i%20praktiken.pdf S. 9 (Stand: 15. Juni 2011) 220http://www.sweden.se/de/Startseite/Fakten-in-Kurze/Schweden-im-Uberblick/Wirtschaft--Handel/ (Stand: 15. Juni 2011) 221Vgl. HALLENCREUTZ/LUNDEQUIST/MALMBERG (S. 113) 222Vgl. SANDGREN (2009), S. 25 223http://www.polarstudios.se/ (Stand: 11. Juni 2011), Aufnahmen wurden z.B. gemacht von Led Zeppe- lin, The Ramones und Roxy Music 224http://www.svenskagrammofonstudion.com/ (Stand: 11. Juni 2011), Aufnahmen wurden z.B. gemacht von Robyn, José González und The Soundtrack Of Our Lives 225Vgl. SANDGREN (2009), S. 25 226Vgl. GRADVALL (2004), S. 39 227„OECD Terrestrial mobile wireless broadband subscriptions per 100 inhabitants, by technology, June 2010“: http://www.oecd.org/document/54/0,3746,en_2649_33703_38690102_1_1_1_1,00.html (Stand: 13. Juni 2011) 45

6.4 Strukturwandel innerhalb der Musikindustrie Mit der digitalen Entwicklung hat sich die Tonträgerindustrie radikal verändert. Die traditionelle Rolle der Tonträgerfirma als Entdeckerin und Herausgeberin von neuer Musik wird nicht mehr von ihr allein ausgefüllt. Musik ist über andere Kanäle erhältlich und die Tonträgerindustrie hat ihr jahrzehntelang innegehaltenes Monopol verloren. Die Folgen sind bekannt: Die Verkaufs- zahlen der Tonträger befinden sich im freien Fall228, kleine Firmen fusionieren oder verschwin- den ganz, CD-Läden sind vom Aussterben bedroht und auch die Majorfirmen leiden deutlich unter dieser Entwicklung. Musik ist zum leicht erhältlichen Gut geworden und kann nicht nur über bezahlte Dienste im Netz heruntergeladen werden, sondern ist auch über Systeme erhält- lich, welche die Urheberrechte verletzen oder übergehen. Ein Beispiel dafür ist die schwedische Seite „The Pirate Bay“.229 Es ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die ganzen Vor- und Nachteile der Digitalisierung aufzulisten – es ist jedoch ein Faktum, dass technologische Ent- wicklungen nur selten aufgehalten werden. Bereits 1942 beschuldigte James Caesar Petrillo, Führer der „American Federation of Musicians“ die Radiostationen, dass sie mit dem Einsatz von Plattenspielern und somit konservierter Musik, die Jobs von unzähligen Orchestermusikern gefährden würden.230 Die Entwicklung ging trotzdem weiter. Ein interessanter Punkt ist, dass mit dem Rückgang der Verkäufe und der Verlagerung auf digitale Downloads anscheinend das Konzertbusiness stark zugenommen hat. Da die Einnahmen aus Tonträgerverkäufen wegfallen, muss mit Hilfe von Live-Konzerten eine andere Einnahmequelle aktiviert und intensiviert wer- den. So bemerkt Musikjournalist Tony Ernst: „En prognos för branschen skulle kunna vara att de konventionella skivbolagen är framtidens stora förlorare och att konsertarrangörerna är vinnarna. Musiken kommer att distribueras nästintill gratis för att skapa grund för turnéer med merchandise och liknande sidoinkomster.“231

(Eine Prognose für die Branche könnte sein, dass die konventionellen Plattenfirmen die grossen Verliererinnen sind und dass die Konzertorganisatoren die Gewinner sind. Die Mu- sik wird fast nur noch gratis vertrieben, um einen Grund zu schaffen für Tourneen mit Mer- chandise-232und ähnlichen Nebeneinkommen.) 233

Da zuverlässige und vergleichbare Zahlen zu den Einnahmen aus Konzerten sehr schwer zu ermitteln sind, werden sie im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht. Gemäss einer Aussage von Ernst in der gleichen Publikation aus dem Jahr 2008 hat jedoch die Konzertagentur „Live Nati- on“ in Schweden ihre Umsätze um 50% und STIM die Einnahmen aus Livemusik in den letzten Jahren um 80% erhöht.234 Eine Aussage, die Petrillo im Jahr 1942 sicher mit Freude aufgenom- men hätte. Vielleicht erhält die Musik durch die Digitalisierung und dem dadurch neu ausgelös- ten Interesse an der Live-Musik und dem Konzertritual wieder die ursprüngliche Rolle als

228http://www.ifpi.se/wp/wp-content/uploads/glf-forsaljningsstatistik-1998-2008.pdf (Stand 12. Juni 2011) 229http://thepiratebay.org/ (Stand: 12. Juni 2011) 230http://www.swingmusic.net/Big_Band_Era_Recording_Ban_Of_1942.html (Stand: 12. Juni 2011) 231Vgl. ERNST (2008), S. 175 232Vgl. Glossar Anhang 1 233Dieses und folgende Zitate aus dem Schwedischen übersetzte Karin Feusi 234Vgl. ERNST (2008), S. 173 46

Kommunikationsmittel zurück? Eine Rolle, die in den letzten 30 – 40 Jahren mehr und mehr anderen Funktionen gewichen ist, wie der als Propaganda- und Werbemittel oder als reines Unterhaltungsinstrument.235 Neben der Anzahl an Live-Konzerten hat in Schweden wie erwähnt auch die Nutzung von Streaming-Dienstleistungen zugenommen. „Sverige Topplistan“ – die schwedische Hitparade – hat darauf reagiert und erfasst seit Oktober 2010 als erstes Land der Welt auch die sogenannten „Streams“ in den nationalen Charts.236 Eine dieser digitalen Plattformen ist die im 2008 in Stockholm gegründete „Spotify“, die unter anderem auch im Abonnement die Möglichkeit an- bietet, Musik aus einem Katalog von Indie- und Major-Firmen auszuwählen und über den Com- puter zu hören oder auch zu kaufen. Ein Teil der Einnahmen aus Werbung, Verkäufen und Abonnementen fliesst zurück an die Labels. Ob der Erfolg von Streaming-Anbietern und im speziellen von Spotify auch damit zusammenhängt, dass Schweden im April 2009 mit IPRED (Intellectual Property Rights Enforcement Directive) ein strenges Anti-Piraten Gesetz verab- schiedet hat, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden.237 Spotify ist mittlerweile in Schweden die Nummer 1 (noch vor iTunes)238 unter den digitalen Anbietern und verzeichnete bereits Ende 2009 1,5 Millionen registrierte Anwender.239 Gemäss Sony Schweden ist Spotify für einige ihrer Künstler im Jahr 2010 zum grössten Einzelverkäufer geworden.240 Ob dies auch für kleine Labels zutrifft, sei in Frage gestellt. Gemäss einem Artikel im Tagesanzeiger vom 20. Juni 2011 berechnete die Homepage „TheCynicalMusician.com“ kürzlich, dass ein Musiker um auf einen Mindestlohn von USD 1'160.– zu kommen lediglich 143 CDs verkaufen muss. Über einen herkömmlichen Tonträgerladen wären bereits 1'161 CDs zu verkaufen und via Spotify müsste ein Stück insgesamt 4'053'110 mal gehört werden, um den genannten Mindestlohn ein- zuspielen.241 Zu untersuchen sei aber auch, ob ein grosses und leicht erhältliches Angebot an Musik nicht auch das allgemeine Interesse an Musik wieder verstärkt – wie die Interessenorga- nisation Musik Sverige kürzlich behauptete.242 Die Tonträger-Branche ist zweifellos im Umbruch und vor allem kleine Labels in Schweden probieren neue Modelle aus: Sei dies die Konzentration auf digitale Veröffentlichungen oder sogenannte 360-Grad-Modelle in kleiner Version, in denen ein Label – als Beispiel sei „Hyb- ris“243 genannt – neben seiner Haupttätigkeit auch Label-untypische Aufgaben übernimmt, wie Management, Booking und Publishing.

235Vgl. WALLIS/MALM (1984), S. 14 236http://www.ifpi.se/wp/wp-content/uploads/101029-pressmeddelande-Sverigetopplistan5.pdf (Stand: 24. Juni 2011) 237http://www.dn.se/kultur-noje/effekter-av-antipiratlagen-oklara (Stand: 13. Juni 2011) 238 http://www.musicweek.com/story.asp?storyCode=1043996§ioncode=2 (Stand: 13. Juni 2011) 239http://www.tns-sifo.se/nyheter-och-press/2,9-miljoner-har-spotify-i-hushaallet (Stand: 13. Juni 2011) 240http://musically.com/blog/2010/10/28/spotify-reveals-e30m-payout-to-rightsholders-in-2010/ (Stand: 11.Juni 2011) 241http://www.tagesanzeiger.ch/digital/internet/Die-Musiksammlung-verschwindet-im-Netz- /story/18349995 (Stand: 24. Juni 2011) 242http://www.musikindustrin.se/artikel/2700/MUSIKSVERIGE_De_nya_streamingtjansterna_okar_musi kintresset.html (Stand: 24. Juni 2011) 243http://www.hybrism.com/about/ (Stand: 11. Juni 2011) 47

6.5 Branchenzusammenarbeit In ihrer im 2007 veröffentlichten Studie über die Organisation und Konkurrenzkraft der schwe- dischen Populärmusikindustrie versuchen die Autoren Hallencreutz, Lundequist und Malmberg, eine Übersicht über die Unternehmen zu erhalten, die in die Populärmusikbranche involviert sind. Die Abgrenzung fällt ihnen – verständlicherweise – sehr schwer: Grosse Tonträgerfirmen sind meist in verschiedenen Genres tätig und grenzen Populärmusik nicht von anderen Stilen ab. Inwieweit sind zudem Radio- und TV-Stationen involviert (als Kanäle), gehören Grafiker auch erfasst und wie tragend sind die grossen Warenhausketten, die Tonträger verschiedenster Stile im Sortiment haben? Auf Basis der offiziellen schwedischen Wirtschaftsstatistik haben sie die Akteure erfasst, welche auf irgendeine Art involviert sind in der Musikbranche, und sie in einer eigenen Übersicht aufgelistet. Das Resultat – 105'000 Firmen und rund 190'000 Beschäftigte – zeichnet kaum ein klares Bild, konstatieren die Autoren selber. So wurden doch z.B. auch unter- stützende Organisationen und Institutionen (z.B. Hochschulen), Film- und Videoproduktions- firmen und Schönheitssalons und Fotoateliers erfasst.244 Dass Schweden neben diesen in der Populärmusikbranche involvierten Unternehmen über viele Dach- und Interessenorganisationen sowie Labels und Bookingagenturen verfügt, soll nicht bestritten werden. Die kleine Auswahl in den Kapiteln 5.2.3 und 7 lässt erahnen, dass die Branche in dieser Hinsicht sehr gut organisiert und verknüpft ist. Bedenkt man die verhältnismässig geringe Bevölkerungszahl und die Bünde- lung an musikbranchenverknüpften Unternehmungen in grösseren Zentren, so kann davon aus- gegangen werden, dass der Austausch rege ist. Zwei weitere Vorteile dieser Bündelung könnten sein, dass einerseits eine relativ gut ausgeprägte Konkurrenz herrscht, die sich wiederum positiv auf die Leistungen niederschlägt und ein innovatives Klima fördert. Ein anderer Punkt ist die Nähe, die zu Interaktionen führt und auch die Wege und somit die Transaktionskosten verkürzt bzw. verkleinert.245 Am Beispiel Hultsfred (Kapitel 6.1.2) ist dies sehr gut ersichtlich: Rock City verfügt über Clubs, aber auch über andere mit der Musikbranche verknüpfte und verwandte Firmen. Tonträger-Aufnahmen etwa können im gleichen Haus gemacht werden und auch eine Grafikfirma ist ansässig. Für den nahegelegene Campus ist Rock City das ideale Trainingsfeld für das in der Theorie Gelernte und für Rock City stellen die jungen Hochschulabgänger Ideen- lieferanten mit spezialisiertem Input sowie frische und junge Mitarbeitende dar. Hallencreutz, Lundequist und Malmberg stellen dann auch fest, dass ein Netzwerk mit seinen Interaktions- mustern und dem Fluss an Informationen und Wissen oft wichtiger ist als ein Materialtransfer, bzw. dass Fachwissen teilweise wertvoller ist als physische Ressourcen. Trotz der gut entwi- ckelten Informationstechnologie spielt ein persönlicher Austausch nach wie vor eine wichtige Rolle.246 Neben diesen Verknüpfungen sei noch auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern hinge- wiesen: Seit 2009 verfügt Schweden zusammen mit den Nachbarländern Dänemark, Finnland,

244Vgl. HALLENCREUTZ/LUNDEQUIST/MALMBERG (2007), S. 78 + 79 245Vgl. FORSS (1999), S. 68, 151 + 152 246Vgl. HALLENCREUTZ/LUNDEQUIST/MALMBERG (2007), S. 30 + 31 48

Norwegen und Island mit NOMEX (Nordic Music Export)247 über eine gemeinsame Dachorga- nisation der Musikexportstellen. Die nicht gewinnorientierte Organisation hat zum Ziel, den nordischen Markt zu stärken und gemeinsam an Projekten auch ausserhalb des nordischen Marktes zu arbeiten. NOMEX steht des Weiteren für Beratung und Unterstützung seiner Mit- glieder. „There is a clear case for greater Nordic cooperation to support music exports. Exports are not only crucial to revenue growth in the Nordic music industry but also vital to the Nordic reputation and industry’s innovation dynamics.“248

NOMEX erkennt im Musikexport eine Einnahmequelle und einen Arbeitgeber und sieht Musik als Innovationsquelle und starke Botschafterin der nordischen Region.

6.6 Nachfrage Um zu erklären, wie eine Branche in einem internationalen Markt konkurrenzfähig bleibt, wird oft die Wichtigkeit der Nachfrage bzw. eines fordernden Heimmarktes hervorgehoben – erklärt Forss 2009 in seiner Untersuchung zum schwedischen Musikexport.249 Eine gut informierte und fordernde Kundschaft und eine starke Konkurrenz würden die Entstehung von konkurrenzfähi- gen Produktionsmustern und Diensten/Waren erleichtern. Die fundierte Musikausbildung, die Tradition der Chöre, die weite Verbreitung der englischen Sprache und eine Affinität zur angel- sächsischen und speziell amerikanischen Populärmusikkultur könnten gemäss Forss Elemente dieses Kundenbildes sein.250 Forss erkennt aber, dass es schwierig ist, den Einfluss dieses Kun- denbildes auf die Exporterfolge der schwedischen Populärmusik zu belegen. Betrachtet man die schwedischen Charts, so scheint die Nachfrage nach einheimischer Musik eine solide zu sein. Ein nicht repräsentativer Augenschein in der Woche 25 zeigt, dass 14 der ersten 20 Ränge von schwedischen Künstlern besetzt sind. Musikalisch reicht das Spektrum von Metal (In Flames, Hammerfall) über folkloristisch angehauchte Unterhaltung (Benny Andersson Orkester) bis hin zu schwedisch gesungenem Hip-Hop251 mit Migrationshintergrund (Timbuktu).252 Spricht man von Nachfrage, wird auch das Angebot zum Thema. Ein interessanter Punkt hierzu ist der sogenannte „Björn Borg-Effekt“, den man auch auf die Populärmusik übertragen könnte: So wie der Erfolg von Björn Borg andere schwedische Tennisspieler wie Mats Wilander oder Stefan Edberg inspiriert hat, könnte der Erfolg von ABBA, Roxette oder in der heutigen Zeit Mando Diao und eine Inspirationsquelle und ein Ansporn für junge Musiker sein.

247http://www.nordicmusicexport.com/ (Stand: 27. Juni 2011) 248http://www.musex.fi/images/content/Nordic%20Music%20Export%20Programme_Report_2010-10- 18_small.pdf (Stand: 11. Juni 2011) 249Vgl. FORSS (2009), S. 137 - 139 250 Gemäss Forss haben 30% der schwedischen Bevölkerung unter 30 Jahren eine Ausbildung auf einem Instrument, in Gesang oder Komposition erhalten und rund 400‘000 Schwedinnen und Schweden singen in Chören 251Vgl. Glossar Anhang 1 252http://www.sverigetopplistan.se/ (Stand: 26. Juni 2011) 49

Ihren Vorbildern gleich stecken sie ihre Ambitionen hoch, denn eine internationale Karriere, so wissen sie, liegt auch für Musiker aus einem relativ kleinen Land im Bereich des Möglichen. 253

6.7 Landestypische Charakteristika Einige landestypische Merkmale wie die hohe Dichte an kommunalen Musikschulen oder die clusterartige Bündelung der Musikindustrie in gewissen Städten wurden bereits genannt. Letzte- re ist aber nicht nur für Schweden und die Musikindustrie spezifisch, sondern kann auch in an- deren Ländern und Branchen beobachtet werden.254 Weitere Gründe für die beachtlichen Mu- sikexporte könnten auch die Grösse des Landes bzw. der begrenzte inländische Markt und die Sprache sein. Der Musikjournalist Jan Gradvall schrieb dazu: „How can a teenie-weenie country of only nine million suddenly become a leading power in pop music? One explanation is in the country’s very teenie-weenieness: the domestic market is so small that most professions need links outside Sweden’s borders. The need to learn at least one extra language is therefore self-evident.” 255

Die jungen Schweden wachsen selbstverständlich mit der englischen Sprache auf. Filme werden nicht synchronisiert, sondern untertitelt. Die englische Sprache wird später fast natürlich in der Populärmusik eingesetzt, was den Zugang zu internationalen Märkten ermöglicht. 256 Ein andere interessante Erklärung liefert der schwedische Musikwissenschaftler Patrik Sandgren: Er hat die Musik von sieben bekannten schwedischen Popgruppen (darunter ABBA, Ace of Base und The Cardigans) untersucht und besonders die Refrains genauer angeschaut. Vereinfacht ausgedrückt hat er diese auf die Hauptnoten reduziert und sie dann in Struktur, Me- lodie und Tonwiederholung mit bekannten schwedischen Kinderreimen verglichen und starke Ähnlichkeiten festgestellt. Sandgren möchte damit zeigen, dass gewisse Popsongs kommuni- kative melodische Formeln enthalten, die auch in (schwedischen) Kinderreimen vorhanden sind. Kinderreime, die gemäss Sandgren ein Teil des musikalischen und sprachlichen Grund- werkzeugs des Kindes sind – also ein musikalisches Alphabet, welches der Mensch vielleicht sogar ein Leben lang mit sich herumträgt. Er betont, dass seine Studie in einem zu kleinen Um- fang erfolgt sei, um genügend empirisches Material zu liefern, möchte aber dazu ermuntern, nicht nur aussermusikalische Gründe wie Marktstrukturen zu untersuchen, sondern die Musik selber zu durchleuchten.257 Ein anderer interessanter, aber auch schwer zu belegender Gesichtspunkt ist das oft genannte „swedish something“ in der Populärmusik. Bereits 1973 erwähnt ein Journalist Nilson in einem Artikel, dass die Geigenmusik (fiddle music) mit ihren melancholischen Liedern in Moll die ursprüngliche Volksmusik sei, und dass diese Musik zum Objekt von Forschung und Transkrip- tionen geworden und an eine neue Hörerschaft weitergegeben worden sei. Die Elemente der

253Vgl. BURNETT (1996), S. 131, GRADVALL (2004), S. 28 und HALLENCREUTZ/LUNDEQUIST/ MALMBERG (2007), S. 109 254Vgl. Erläuterungen Anhang 2 255Vgl. GRADVALL (2004), S. 34 + 36 256Vgl. NILSON (1973), S. 102 + 103 257Vgl. SANDGREN (2000), S. 2 ff 50

ursprünglichen Volksmusik leben gemäss Nilson also in der heutigen Musik weiter.258 Gradvall macht dazu in seinem Buch eine ähnliche Aussage: „One school of thought maintains that, international sound notwithstanding, the music still has an authentic Swedish flavour: most Swedish songwriters are, consciously or not, steeped in the clear, strong melodies that stem from Swedish folk music.“259

Als Gründe für das Aufkommen von verhältnismässig vielen Bands aus kleinen Städten könn- ten Langweile, die Hoffnung auf ein interessanteres Leben und der Mangel an alternativen Unterhaltungsmöglichkeiten sein. Als Beispiel seien The Hives aus der schwedischen Kleinstadt Fagersta zu nennen: Fagersta hat in den letzten 40 Jahren 27% seiner Einwohner verloren und zählt heute weniger als 13'000 Einwohner.260 Dazu Band-Mitglied Nicholaus Arson: „The best thing about Fagersta is that it’s so boring. I don’t mean that in a bad sense.[...] But it’s been good for our band. It was good in the beginning because when we started there was little else to do, so we could put a lot of effort into the band.“261

Die Einwanderung hat Schweden neue musikalische Impulse gebracht: Zwischen 1950 und 1970 sind rund 3 Millionen europäische Einwanderer in Schweden angekommen, um Arbeit zu suchen. Viele sind in ihre ursprünglichen Länder zurückgekehrt – einige sind aber auch geblie- ben. Dazu kamen Flüchtlinge aus Südamerika, dem Mittleren Osten und Afrika.262 Diese musi- kalischen Einflüsse finden sich vor allem in der Soul- und Hip-Hop-Musik, fliessen aber teil- weise auch in die Pop- und Rockmusik. Einige Beispiele von Musikern mit Migrationshinter- grund finden sich im Anhang.263 Abschliessend soll noch kurz eine andere schwedische Eigenschaft reflektiert werden: das Trendbewusstsein und die Eigenschaft, fremde Elemente zu kopieren oder zu integrieren. Dazu Musiker José González: „We have an ear for what’s cool. That might sound a bit naff, but we combine it with good sound quality. We have good record shops, blogs and magazines, and we’re good at quickly picking up on what’s going down.“264

Zum gleichen Thema erklärt Musikjournalist Nils Hansson: „Swedish pop music is characterised by a well-developed ability to assimilate foreign styles, combined with an identity of its own – which, paradoxically, is often difficult for Swedes themselves to identify.“265

6.8 Die Rolle der Medien Seit Mitte der 80er Jahre hat sich die Medienlandschaft in Schweden radikal verändert. Das öffentliche Radio, bis zu diesem Zeitpunkt im Besitz eines Sendemonopols, verlor seine Aus- nahmestellung und die Regierung verkaufte attraktive Frequenzen an private Radiostationen.

258Vgl. NILSON (1973), S. 103 259Vgl. GRADVALL (2004), S. 9 260Vgl. GRADVALL (2004), S. 3 261Vgl. GRADVALL (2004), S. 3 262Vgl. GRADVALL (2004), S. 15 263Vgl. Erläuterungen Anhang 2 264http://svenskmusik.org/article/ten-years-of-swedish-prosperity-part-2/ (Stand: 29. Juni 2011) 265Vgl. HANSSON (1998), S. 67 51

Die Anzahl an Radio-Stunden stieg um 400 Prozent und der Anteil an Populärmusik nahm mas- siv zu – vor allem die lokalen Radios setzten Populärmusik als Hauptquelle ihres Programms ein. Eine ähnliche Situation kann bei den Fernsehstationen beobachtet werden: Die beiden öffentlichen Fernsehkanäle wurden vom Kabel- und Satelliten-TV überrascht – 1991 besassen bereits 40 Prozent der schwedischen Haushalte einen Kabelanschluss und mit diesem bis zu 30 verschiedene Kanäle. MTV Europa behauptete Mitte der 90er Jahre, zwei Millionen Zuschauer in Schweden zu haben.266 Populärmusik – auch schwedische – ist nun allgegenwärtig im schwedischen Alltag. Sie wird in Warenhäusern gespielt, man hört sie im Bus und im Radio, und dort sowohl im Tagesprogramm auch als zu Randzeiten. Das Schwedische Radio (Sveriges Radio) SR sendet heute landesweit auf vier Kanälen und bietet zusätzlich 26 lokale Kanäle an, plus das sogenannte „Sameradio“ (in Sami), das „Siguradio“ (in Finnisch, Meänkieli und Finnlandschwedisch) und „SR Internatio- nal“ in 17 Sprachen. Während fast 10 Jahren wurden unter anderem die Kanäle „P3 SWEA“, „P3 Rockster“ und „P3 Street“ angeboten, denen jeweils spezielle Musikstile vorbehalten wa- ren: P3 Street stand für Urban und Hip-Hop, P3 Rockster für Rock und Anverwandtes und P3 SWEA für einheimische, „junge“ Musik. Unter dieser Bezeichnung liefen Musikstile von Metal über Alternative-Rock bis hin zu kommerziellem Pop. Die Kanäle wurden vor einiger Zeit auf- gehoben. Gemäss der Webseite von SR hat man auf die Zeichen der Zeit reagiert: On-Demand- Angebote und Modelle wie Spotify oder das eigene Pod-Radio seien verlangt. Man arbeite an einer neuen Lösung und baue auch die anderen Kanäle aus.267 Gemäss Pia Kalischer, der Pro- grammverantwortlichen von Sveriges Radio, gilt eine intern formulierte Quote von 40% für schwedische Musik auf allen Musiksendern.268 Neben dem werbefreien öffentlichen Radio gibt es in Schweden wie erwähnt unzählige Privat- und Studentenradios. „Studentradion Sverige“ nennt sich die Dachorganisation der Studenten- radios, die oftmals Plattformen sind für neue Trends in der Populärmusik. 269 Im Printbereich sind die Magazine „Sonic“270, „Groove“271 und „Gaffa“272 zu nennen. Sonic erscheint im Abonnement fünfmal jährlich und berichtet nicht nur über internationale Trends und Künstler sondern auch regelmässig über schwedische Newcomer und etablierte Musiker. Auf einer beiliegenden CD sind oft neue Tracks273 von noch unbekannten (oft schwedischen) Künstlern zu entdecken und pro CD mindestens ein Act, der noch keinen Plattenvertrag hat. Die Zeitung Groove erschien von 1995 – 2009 jeweils zehnmal jährlich – zum Schluss in einer Auf- lage von 75'000 Exemplaren – und lag gratis in Tonträgerläden, Cafés und Kulturlokalen auf, oder konnte im Abonnement (mit Bonus-CD) bestellt werden. Der Schwerpunkt lag auf Inter-

266Vgl. BURNETT (1996), S. 121 und FORSS (1999), S. 49 + 50 267http://sverigesradio.se/sida/artikel.aspx?programid=1605&artikel=4461683 (Stand: 12. Juni 2011) 268Vgl. Erläuterungen Anhang 2 und Interviews und Stellungnahmen Anhang 3 – Statement Pia Kalischer 269http://www.studentradion.se/stationer (Stand: 12. Juni 2011) 270http://www.sonicmagazine.com/Glossar.php?option=com_content&task=view&id=318&Itemid=64 (Stand: 12. Juni 2011) 271http://www.groove.se/ (Stand: 12. Juni 2011) 272http://gaffa.se/ (Stand: 12. Juni 2011) 273Vgl. Glossar Anhang 1 52

views, Reportagen und reichlich Besprechungen zu neuen Veröffentlichung von schwedischen und ausländischen (meist amerikanischen und britischen) Bands und Künstlern. Gaffa nennt sich die Nachfolgezeitung von Groove. Ursprünglich ein dänisches Produkt, verfügt die Zeitung nun auch über eine Redaktion in Schweden. Neben den drei genannten gibt es unzählige andere Musikzeitungen, Fanzines und Ausgehma- gazine mit Musikteil.274 Die grossen Tageszeitungen (z.B. Dagens Nyheter) bieten zudem Kon- zert- und Tonträgerbesprechungen und im Fall von Dagens Nyheter275 auch einen ausführlichen Kulturteil, der jeweils am Wochenende erscheint. Die Berührungsängste gegenüber alternativeren Formen der Populärmusik scheinen relativ ge- ring. Anders kann nicht erklärt werden, dass auch eher unbekannte Bands für Live- Darbietungen in das TV-Morgenformat „Nyhetsmorgon“ – einer Sendung des öffentlichen Ka- nals TV4 – eingeladen werden.276 Die klassischen Medien spielen nach wie vor eine relevante Rolle, aber die Verlagerung von Werbekanälen ins Internet, die Wichtigkeit der sozialen Medi- en und die Spezialisierung und Zersplitterung in kleine und Kleinst-Szenen ermöglichen alterna- tive Plattformen für Bands und Künstler.

6.9 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 6 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Schweden über mehrere wirkungsrelevante Faktoren verfügt, die sich fördernd auf die Populärmusik und deren Export auswirken. Die indi- rekte Förderung setzt bereits im Schulalter mit der Musikbildung an. Eine musikalische Grund- bildung ist zugänglich für alle Kinder – unabhängig von Alter, Geschlecht und finanziellen Vo- raussetzungen. Auch auf Basis der freiwilligen Musikbildung herrscht ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Diese Angebote sind nicht nur äusserst kreativ, sondern werden teilweise auch von Fachleuten aus der Musikbranche unterstützt, die praxisbezogen ihr Wissen vermitteln. Diese solide Basis wird einerseits ergänzt durch eine Musikexportstelle, die ausländische Märk- te bearbeitet, und andererseits von einem dichten Netz an Interessenorganisationen, welche die Anliegen der Musiker vertreten und den Austausch fördern. Aufmerksame Medien und ein inte- ressierter und fordernder Heimmarkt begünstigen das Nachwachsen von neuen Bands. Lokale Bündelungen (sogenannten Clusters) fördern den unternehmerischen Geist und die Zusammen- arbeit und erlauben das Spannungsfeld zwischen verwandten Branchen auszuschöpfen. Zudem verfügt Schweden über ein Imagebüro, das keine Berührungsängste gegenüber der Populärmu- sik zeigt und diese aktiv als Element des „Nationbranding“ einsetzt. Abschliessend sollten aber auch die typisch schwedischen Charakteristika nicht ausser Acht gelassen werden: Die Ver- trautheit mit der englischen Sprache, eine Faszination für die britische und anglo-amerikanische Kultur, die starke Migrationskultur und womöglich auch das immer noch nachklingende musi-

274Ein offizieller Überblick aus dem Jahr 2008 listet alleine bei den Monatsmagazinen 17 Titel auf. Nicht eingerechnet sind Magazine, die sich schwerpunktmässig auf Oper, Jazz oder allgemein Kultur konzent- rieren: http://www.medieregistret.se/tidskrifter_lista.php?mixed=musik (Stand: 24. Juni 2011) 275http://www.dn.se/kultur-noje (Stand: 12. Juni 2011) 276http://www.youtube.com/watch?v=Aow5rg4WqSI (mit Friska Viljor) und http://www.youtube.com/watch?v=fc8t_ShZ-3c (mit Imperial State Electric) (Stand: 12. Juni 2011) 53

kalische Erbe der schwedischen Volksmusik sind Faktoren, welche schwer zu messen sind, aber nicht unerwähnt bleiben sollten.

7. DIE MUSIKINDUSTRIE IN SCHWEDEN 7.1 Überblick Im Rahmen dieser Arbeit wurde, wie in Kapitel 4.1 erwähnt, die Einteilung in die vier verschie- denen Bereiche nach Forss gewählt. Das Hauptaugenmerk der Untersuchungen soll auf den produzierenden Bereich gelegt werden. Die Konzertagenturen werden im Rahmen dieses Be- reichs ebenfalls näher angeschaut.

7.2 Die Tonträgerfirmen In Schweden wird der Tonträgermarkt – wie in der Schweiz auch – von den multinationalen Firmen dominiert. „The big four“ besassen im Jahr 2009 einen Marktanteil von 86,6% und ver- teilten die Ränge unter sich wie folgt: Universal (29,2%), Sony (25,5%), Warner (18,3%) und EMI (13,6%).277 Obwohl Schweden ein verhältnismässig kleiner Markt ist, lag das Land 2009 auf Platz 16 der weltweiten Verkaufs-Rangliste (physische und digitale Verkäufe plus Urheberrechte).278 Die hohen Marktanteile der Majors sind Beweis dafür, dass eine Präsenz auch in eher kleinen Märk- ten lohnenswert ist; sie können ihre internationalen Künstler auf dem schwedischen Markt ab- setzen, versuchen, schwedische Künstler auf dem schwedischen Markt zu lancieren und rekru- tieren schwedische Künstler für den internationalen Markt. Oft arbeiten die Majors auch mit einheimischen Labels zusammen, in dem sie zum Beispiel den Vertrieb deren Musik überneh- men. Diese Arbeitsteilung kann für beide Seiten interessant sein: Das Indie-Label kann von der Infrastruktur und dem Netzwerk des Majors profitieren und der Major kann seine Infrastruktur besser auslasten und generiert zusätzliche Einnahmen.279 Im Fall von Schweden wurden die drei grössten „Indies“ Metronome, Elektra und Sonet alle in den 80er Jahren entweder von Major- Firmen aufgekauft oder aus dem Markt verdrängt.280 Über die Anzahl kleiner unabhängiger Labels wird nicht genau Buch geführt. SOM (vgl. Kapitel 5.2.3) umfasst wie erwähnt rund 260 Labels, aber es ist anzunehmen, dass eine grosse Anzahl Einzelunternehmen nicht Mitglied von SOM sind. Viele kleine schwedische Indie-Labels waren Ausgangspunkt für sowohl schwedi- sche als auch ausländische Bands, die später auch ausserhalb Schwedens Bekanntheit erlangten oder Erfolge feierten: „Burning Hearts Records“ (mit Millencolin, The Hives und Turbonegro aus Norwegen), „Startracks“ (mit Fireside, Christian Kjellvander, Kristofer Åström) oder „Bad Taste Records“ (mit Danko Jones aus Kanada) sind Beispiele dafür.

277http://www.musex.fi/images/content/Swedish_Music_Market_presentation_by_Anders_Hjelmtorp_EX MS(1).pdf S. 5 (Stand: 13. Juni 2011), Vgl. Erläuterungen Anhang 2 278http://www.musex.fi/images/content/Swedish_Music_Market_presentation_by_Anders_Hjelmtorp_EX MS(1).pdf, S. 2 (Stand: 13. Juni 2011) 279Vgl. FORSS (1999), S. 57 280Vgl. BURNETT (1996), S. 123 + 124 54

Durch die Digitalisierung und die damit verbundene Strukturveränderung der Branche ist es für unbekannte Bands möglich geworden, ihre Projekte im Internet vorzustellen und selber zu be- werben (YouTube, MySpace, Facebook), die Musik über digitale Wege (iTunes, CDBaby etc.) und an Konzerten zu verkaufen und ihre Karrieren ohne die Hilfe einer Tonträgerfirma in die Hand zu nehmen bzw. selber eine kleine Firma zu gründen. Die Kehrseite der Medaille aber ist, dass die Einnahmen aus den Tonträgerverkäufen oft minimal sind. Wie in der Einleitung zu diesem Kapitel geschildert, erreichten die unabhängigen Firmen im Jahr 2009 nur gerade einen Marktanteil von 13,4%. Im Kapitel 6.4 zur Strukturveränderung in der Musikbranche finden sich weitere Gedanken dazu. Ein Überblick über die Geschichte des Musikexports und Zahlen zu den Exporteinnahmen finden sich in Kapitel 8.2.2.

7.3 Die Konzertagenturen Mit dem Strukturwandel in der Musikbranche sind Live-Konzerte immer mehr zu essentiellen Einnahmequellen für die Künstler geworden (vgl. Kapitel 6.4). Da die Autorinnen keine ver- bindlichen und vor allem vergleichbaren Zahlen zu den Live-Aktivitäten erhalten konnten, wird im Rahmen dieser Arbeit nicht auf die Einnahmen aus Konzerttourneen eingegangen. Es soll aber die Strukturwandlung und die nicht zu unterschätzende Rolle der Konzertagenturen in der Förderung der Populärmusik betrachtet werden. In der Live-Branche ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten wie in der Tonträgerbranche: Grosse, multinationale Firmen beherrschen mehr und mehr den Markt. Wurde Schweden noch anfangs der 90er Jahre geprägt von den schwedischen Agenturen „Luger“ und „EMA Telstar“ mit der dazugehörigen Agentur „Motor“, so übernahm im Jahr 1999 die „SFX Entertainment Inc.“ die 1969 gegründete EMA Telstar zusammen mit Motor.281 Ein Jahr darauf wurde SFX Entertainment von „Clear Channel“ aufgekauft. Im Jahr 2008 schliesslich wurde die Entertain- mentabteilung von Clear Channel in Live Nation umgewandelt. Seitdem besitzt Live Nation 51% der Agentur Luger und 75% von „Moondog Entertainment AB“ der Managementfirma, die eng verknüpft ist mit Luger und Künstler wie José González unter Vertrag hat. 282. Gemäss einer Auflistung von ExMS aus dem Jahr 2010 besitzen Live Nation und die Agentur Luger (welche immer noch unter ihrem Namen tätig ist) zusammen 75% der Anteile am Live-Markt.283 Be- trachtet man die Roster284 von Live Nation Schweden und Luger, so fällt auf, dass der Anteil an schwedischen Künstlern nach wie vor hoch ist: Sowohl Live Nation als auch Luger repräsentie- ren im Bookingbereich je rund 100 schwedische und weitere skandinavische Künstler, ein Indiz dafür, dass die einheimischen Künstler als wichtig taxiert werden.285 Auch bei unabhängigen

281http://www.allbusiness.com/retail-trade/miscellaneous-retail-retail-stores-not/4621687-1.html (Stand: 16. Juni 2011) 282http://www.ilmc.com/iq_magazine/iq_news/live_nation_and_aeg_enter_scotland_expand_in_sweden_ 53.html (Stand: 16. Juni 2011) 283http://www.musex.fi/images/content/Swedish_Music_Market_presentation_by_Anders_Hjelmtorp_EX MS%281%29.pdf (Stand 16. Juni 2011) 284Vgl. Glossar Anhang 1 285http://bokaartist.livenation.se/ und http://www.luger.se/boka (Stand: 16. Juni 2011) 55

Agenturen wie zum Beispiel „Pitch & Smith“ beträgt der Anteil an schwedischen Künstlern beinahe 50% des gesamten Rosters.286 Ein weiterer relevanter Punkt für die Musikförderung ist die Ermöglichung von internationalen Tourneen. Agenturen wie Pitch & Smith oder The Agency – um nur zwei Beispiele zu nennen – ermöglichen ihren Künstlern und Bands Tourneen in Territorien ausserhalb von Schweden. Wo sie nicht direkt buchen, verfügen sie über ein dichtes Netzwerk von ausländischen Booking- Partnern. Der Schwede Tobbe Lorentz, Agent von Bands wie Mando Diao oder The Hives und Senior Vice President von „The Agency Group“ meint dazu: „Jag kan bara säga att utan internationell erfarenhet kommer inga band från små lånder att kunna ha varaktiga karriärer. Man måste helt enkelt turnera internationellt för att bibehålla en karriär som bär sig ekonomiskt men även kreativt måste man utvecklas och det gör man bäst genom erfarenhet.“287

(Ich kann nur sagen, dass keine Bands aus kleinen Ländern ohne internationale Erfahrung dauerhafte Karrieren haben können. Man muss ganz einfach international touren, um eine Karriere beibehalten zu können, die sich ökonomisch trägt, aber auch kreativ muss man sich entwickeln und dies geschieht am besten durch Erfahrung.)

So ist die Agentur The Agency dann auch ein gutes Beispiel für diese Vernetzung. Der schwe- dische Ableger von The Agency Group übernimmt nicht nur das europaweite Booking für schwedische Künstler wie etwa Mando Diao oder The Hives, sondern auch für Gogol Bordello (USA/Ukraine), den Kanadier Danko Jones und andere ausländische Artisten.288 Eine andere Strategie ist, unbekannte Künstler ins Vorprogramm von etablierten Acts im Paket anzubieten und diese vor grösserem Publikum spielen zu lassen. So organisierte etwa Luger im 2000 eine Tour der schwedischen Garage-Rock’n’Roll-Band289 The Hellacopters mit einer damals ausser- halb von Schweden noch unbekannten Band namens The Hives im Vorprogramm.290

7.4 Zusammenfassung und Zwischenfazit Kapitel 7 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Strukturwandlung innerhalb der Musikbranche auch in Schweden Vor- und Nachteile gebracht hat. Die Monopolstellung der Tonträgerfirmen ist nicht mehr vorhanden und die Veröffentlichung von Musik über digitale und kostengünstige Wege ist auch für unbekannte Bands und Künstler möglich. Durch die Digitalisierung und den kostenlosen Zugang zu Musik entfällt jedoch eine wichtige Einnahmequelle, welche mit Live- Konzerten teilweise abzufedern versucht wird. Die Autorinnen beurteilen diese Tendenz jedoch als kritisch, denn ein übersättigter Markt ist vor allem für unbekannte Künstler problematisch und wirkt sich früher oder später negativ auf die Gagen aus. Auch entfällt mit der Ausblendung des Labels die Rolle des Unternehmers und Vermittlers, der neue Produkte auf dem Markt durchzusetzen versucht.291 Eine grosse Stärke der schwedischen Musikbranche ist sicherlich

286http://www.pitchandsmith.com/ (Stand. 16. Juni 2011) 287Statement per E-Mail vom 4. Juli 2011 288http://www.theagencygroup.com/artists.aspx?RegionID=2 (Stand: 16. Juni 2011) 289Vgl. Glossar Anhang 1 290http://www.hellacopters.com/site/theshows.asp (Stand: 16. Juni 2011) 291Vgl. GEBESMAIR (2008), S. 173 56

ihre Vernetzung innerhalb und ausserhalb des Landes. Viele schwedische Konzertagenturen verfügen über den unternehmerischen Willen, das Know-how und das Netzwerk, auch unbe- kannten Acts Touren im Ausland zu ermöglichen, und dies ohne staatliche Unterstützung. Diese Fähigkeit erscheint den Autorinnen zusammenfassend dann auch als relevantester Punkt der Künstlerförderung. Dazu Torgny Sandgren, der Ende 2009 unter dem Titel „Svensk musik i utlandet“ (Schwedische Musik im Ausland) eine vom Staat unabhängige Studie vorgelegt hat: „De områden inom musiklivet som kanske har subventionerats minst, exempelvis traditionell popmusik, är de genrer som haft störst framgång i andra länder (ur ett ekonomiskt perspek- tiv).“292

(Die Bereiche innerhalb des Musiklebens, welche vielleicht am wenigsten subventioniert wurden, beispielsweise traditionelle Popmusik, sind die Genres, welche die grössten Erfolge in anderen Ländern hatten [aus einer ökonomischen Perspektive].)

Torgny legt nach, dass die klassische Musik, welche für einen bescheidenen Teil der Einnahmen aus Musikexporten stehe, mit bedeutenden Summen aus öffentlichen Mitteln gefördert werde.

8. MUSIKEXPORT ALS WIRTSCHAFTSFAKTOR 8.1 Begriffsdefinition Ursprünglich war in diesem Kapitel eine Gegenüberstellung der Musikexportzahlen von Schweden und der Schweiz geplant. Doch mussten die Autorinnen feststellen, dass es keine vergleichbaren Zahlen gibt. Wo Statistiken erhältlich sind, basieren sie nicht auf den gleichen Faktoren. Oftmals wird Import und Export nicht getrennt, sondern nur der Gesamtumsatz be- rechnet. Dann wiederum werden auch andere „Güter“ als nur Tonträger, wie zum Beispiel Mu- sikinstrumente, Beraterdienste u.a., als Musikexporte erfasst. Populärmusik als eigenes Genre wird sowohl in Schweden als auch in der Schweiz nicht separat erfasst. Nach intensiver Suche konnten jedoch trotzdem zwei interessante Statistiken gefunden werden: Der Medien- und Kul- tursoziologe Andreas Gebesmair veröffentlichte im 2008 eine Statistik, die den prozentualen Anteil einheimischer Musik am Gesamtumsatz aufzeigt und in der sowohl die schwedischen als auch die Schweizer Resultate ausgewiesen werden. Obwohl nicht nach Export und Umsatz im einheimischen Markt unterschieden wird, zeigt die Statistik sehr deutlich, wie die Interessen positioniert sind.293 Die Unterschiede sind markant. Die zweite relevante Statistik zeigt die ak- tuellsten Zahlen der schwedischen Urheberrechtsgesellschaft STIM, in der die Höhe der von Schweden an die Schweiz ausbezahlten Tantiemen ausgewiesen ist, und als Vergleichswert jeweils umgekehrt die Tantiemen, welche von der Schweiz an Schweden ausbezahlt wurden. Ein ausgezeichnetes Instrument also, um die in der Einleitung angesprochenen Präsenz der schwedischen Musik zu belegen.294

292Vgl. SANDGREN (2009), S. 27 293Vgl. Erläuterungen Anhang 2 294Vgl. Erläuterungen Anhang 2 57

8.2 Populärmusik als Exportgut 8.2.1 Musikexport in der Schweiz Mit einem Anteil von fast 8% (2008) ist die Musikindustrie hinsichtlich Beschäftigung ein be- deutender Teilmarkt der schweizerischen Kultur- und Kreativwirtschaft.295 Wie bereits in Kapi- tel 4 aufgezeigt, generiert die Musikindustrie eine Vielzahl an Arbeitsplätzen. Dies notabene auch in branchenfremden Bereichen, denkt man beispielsweise an die Grafiker, welche Tonträ- ger-Cover gestalten oder das Security-Personal, welches an Veranstaltungen zum Einsatz kommt.296 Doch trotz einer aktiven und in sich gut funktionierenden Musikindustrie hat die Schweiz keine Exporttradition im Bereich der Populärmusik. Es gab in den letzten 30 Jahren immer wieder Ausnahmen. Die Hardrock297-Band Krokus schaffte es Mitte der 80er Jahre mit drei ihrer Alben in die Top 100 der amerikanischen Billboard Charts298, erreichte Platinstatus299 in den USA und erhielt die Ehrenbürgerschaft von Tennessee. Mit ihrem 2003 veröffentlichten Comeback- „Rock The Block“ erreichten sie ihr erstes Nummer-1-Album in der Schweiz.300 Die Westschweizer Post-Industrial301-Pioniere Young Gods, inzwischen seit über 25 Jahren aktiv, schafften Anfang der 90er den Durchbruch im Ausland, insbesondere in den USA.302 Diesen zwei Beispielen gemeinsam ist die Tatsache, dass sie alle im Ausland in ihren spezifischen Sze- nen einen grossen Bekanntheitsgrad erreicht haben, in ihrer Heimat aber lange nur am Rand wahrgenommen worden sind. Etwas anders sieht es aus im Fall des Schweizer Musiker-Duos Yello, welches Ende der 70er Jahre gegründet wurde und nach wie vor aktiv ist. Yello gilt als Pionier in der Electro- und Technoszene und fiel schon Anfang der 80er durch grosse Innovati- onskraft auf. Yello feierte in Deutschland, aber auch in der Schweiz grosse Charterfolge – ihr Album „Stella“ erreichte 1985 in der Schweizer Hitparade Platz 1.303 Was die jüngsten Exportaktivitäten von Schweizer Pop-/Rockmusikern betrifft, kommt man nicht umhin, die Aktivitäten von Swiss Music Export anzuschauen. Erfreulicherweise haben in den letzten Jahren einige junge Künstlerinnen und Künstler den Sprung ins Ausland geschafft. Das bekannteste Beispiel ist sicher Sophie Hunger, die in den letzten Jahren von einer Schwer- punktförderung des SMEs profitiert hat. Sie hat sich in den strategisch festgesetzten Zielmärk- ten Deutschland und Frankreich etablieren können, und hat so auch anderen Schweizer Musi- kern zu Aufmerksamkeit verholfen.304

295Vgl. WECKERLE/THELER (2010), S. 18 296Vgl. MARTY/HÄNECKE/HEILINGER (2003), S. 3 297Vgl. Glossar Anhang 1 298http://www.billboard.com/artist/krokus/5023#/artist/krokus/chart-history/5023?f=305&g= (Stand 24. Juni 2011) 299Vgl. Glossar Anhang 1 300http://de.wikipedia.org/wiki/Krokus_%28Band%29 (Stand 24. Juni 2011) 301Vgl. Glossar Anhang 1 302http://www.younggods.com/cms/front_content.php?idcat=26 (Stand 24. Juni 2011). 303http://de.wikipedia.org/wiki/Yello und http://www.hitparade.ch/search.asp?search=yello&cat=a (Stand 25. Juni 2011) 304Vgl. Swiss Music Export Jahresbericht 2010, S. 5 58

Einen guten und umfassenden Überblick betreffend aktuellen Auslandaktivitäten von Schweizer Musikern erhält man im „Latest News Bereich“ auf Swiss Music Export.305

Doch wie sieht es aus mit genauen Zahlen? Eine Anfrage beim Bundesamt für Statistik betref- fend Zahlen des Musikexports führte zuerst zur Gegenfrage, ob damit die Ausfuhr von Musikin- strumenten gemeint sei. Die Präzisierung seitens der Autorinnen führte dann zu folgenden Aus- führungen: Gemessen werden nur physische Tonträger, die digitalen Verkäufe werden nicht registriert. Auch werden seit 2007 Tonträger nicht mehr separat erfasst, sondern zusammen in einer Gruppe mit DVDs. Mit anderen Worten: Es gibt keine Zahlen betreffend Export von Schweizer Tonträgern.306 Bei der SUISA wird in den Jahresberichten jeweils der Zahlungsver- kehr mit dem Ausland aufgeführt. Eine Nachfrage nach allfälligen Abgrenzungen nach Genre wurde negativ beantwortet. Egal ob Klassik, Jazz, Volksmusik, Schlager, Metal oder Pop – eine Aufteilung ist unmöglich und verhindert eine Erkenntnis betreffend exportstärkeren oder ex- portschwächeren Genres. Dies führt zu folgendem Fazit: Obwohl die Musikindustrie als wichtiger Teil der Schweizer Kreativwirtschaft gilt, werden ihre Exporte nicht registriert. Die Bedeutung – und das Potential – dieses Industriezweigs als Wirtschaftsfaktor scheint „ganz oben“ noch nicht angekommen zu sein.

8.2.2 Musikexport in Schweden Sieht man von frühen Musikexporten (Jenny Lind, Jussi Björling, Birgitt Nilsson) im Bereich der klassischen Musik Mitte des 19. Jahrhunderts bis ins frühe 20. Jahrhundert ab, und legt den Fokus auf die junge Populärmusik, so könnte die Pop-Band ABBA als Initiantin eines Bewusst- seins genannt werden, das schwedische Musik als Exportfaktor wahrnimmt. 1974 gewann die schwedische Pop-Band den „Eurovision Song Contest“ – bis heute hat sie rund 400 Millionen Tonträger verkauft.307 In den 80ern und zu Beginn der 90er Jahre folgten Bands wie Europe, Roxette oder Ace of Base. Schweden wurde nun als Popmusik-Exporteur wahrgenommen und die Rolle des Musikexports als Wirtschaftsfaktor erreichte eine neue Dimension.308 Anzufügen ist, dass bereits in den späten 60er Jahren unter dem Namen „Progg – music move- ment“309 eine kulturelle Volksbewegung zu den Hitparaden und kommerziellen, grossen Platten- firmen entstand. Ein interessanter Aspekt dazu ist, dass diese Bewegung anscheinend – im Sin- ne einer Konkurrenz – die Anzahl an Pop-Produktionen begünstigte.310 Neben diesem Aspekt nennen die beiden Musikforscher Roger Wallis und Krister Malm weitere beachtenswerte Ge- sichtspunkte als Folgen der Progg-Bewegung: Die Etablierung lokaler Ressourcen im Bereich der Produktion und der Distribution, die leichte Kursänderung in Richtung einheimische Popu-

305http://www.swiss-music-export.com/Glossar.php?id=8 (Stand 24. Juni 2011) 306Vgl. Erläuterungen Anhang 2 307 http://www.abbaworld.com/page/exhibition (Stand: 29. Mai 2011) 308 Vgl. HALLENCREUTZ/LUNDEQUIST/MALMBERG (2007), S. 13 309http://www.progg.se/omsidan.asp (Stand: 6. Juni 2011) und HANSON (1998), S. 67 + 68 und MALM (1984), S. 120 - 131 310Vgl. Erläuterungen Anhang 2 59

lärmusik beim Schwedischen Radio sowie eine Annäherung und Überwindung von Ängsten des Musiketablissements gegenüber staatlichen Kulturstellen und umgekehrt.311 In den frühen 90er Jahren fanden auch diverse Bands wie zum Beispiel Entombed oder Grave mit dem Hitparaden-fernen Genre „Death Metal“312 im Ausland Beachtung. In den späten 90er Jahren wurden mit Bands wie The Hellacopters, The Backyard Babies oder The Soundtrack of Our Lives wiederum weniger kommerzielle Musikstile wie Garage-Rock’n’Roll exportfähig.313 Im Gegensatz zum Garage-Rock, der nicht für Hitparadenplatzierungen konzipiert ist und eine spezialisierte Zielgruppe anspricht, exportierte Schweden in den 90er Jahren weiterhin auch Popmusik, die hohe Verkaufszahlen vorweisen konnte. Als Beispiel ist die südschwedische Band The Cardigans zu erwähnen, die von ihrem Album „Gran Turismo“ 2,5 Millionen Exemp- lare verkauft hat.314 Bereits 1993 wurde die Organisation Export Music Sweden gegründet, wel- che bereits in Kapitel 5.2.2.1 vorgestellt wurde. Parallel zu den schwedischen Bands und Künstlern, die regelmässig auch im Ausland auf Tour- nee waren, etablierten sich vor allem in den 90er Jahren vermehrt schwedische Komponisten und Produzenten, die aber oft im Hintergrund blieben: Britney Spears, Westlife, Backstreet Boys, N’Sync oder Jennifer Lopez sind Beispiele für internationale Künstler, die Chart-Hits verzeichnen konnten, die von schwedischen Komponisten geschrieben, produziert und zum Teil auch in Schweden aufgenommen wurden.315 Das schwedische „Cheiron-Studio“ und dessen Hauptfiguren Tom Talomaa und Denniz Pop beschäftigten bis zum Tod Pops im Jahr 1998 mehrere Songwriter, die den „Cheiron Sound“ mitprägten und „Cheiron“ als Marke für das zu dieser Zeit grassierende Boy-Group-Phänomen festigten. Das Cheiron-Studio wurde zum Inbe- griff der „schwedischen Hit-Fabrik“.316 In diesem Zusammenhang interessant ist die Tatsache, dass mit dem Beruf des Musikproduzenten eine neue Berufsgruppe in Schweden erst richtig etabliert wurde. Leute wie Denniz Pop erhielten bereits in den Jugendjahren die Möglichkeit, das Mixen zu erlernen und konnten von der Bereitstellung von Equipment z.B. in Jugendhäu- sern profitieren. Wie sie konnten auf diese Weise auch andere Jugendliche mit einem kombi- nierten Interesse für Musik und Technik ihr Handwerk früh erlernen und vertiefen. Mit den Jahren etablierte sich die ursprünglich vorwiegend handwerkliche Rolle des Produzenten als neues kreatives und wirtschaftlich tragendes Berufsfeld. Wie gross ist nun aber effektiv der schwedische Musikexport und was wird alles dazu gerech- net? Wie bereits einführend erklärt, wird die Musikbranche oft in einen schaffenden, einen pro- duzierenden, einen verkaufenden und einen unterstützenden Bereich eingeteilt. Um also den Umfang des Musikexport messen zu können, muss erstens untersucht werden, von welchem dieser Bereiche Zahlen zur Verfügung stehen, und auch, ob es sich um Einnahmen aus Waren- exporten (z.B. Tonträgerverkäufe, Instrumente), Diensten (z.B. Einnahmen der Konzertbooker

311Vgl. WALLIS/MALM (1984), S. 129 312Vgl. Glossar Anhang 1 313Vgl. HANSSON/SVENSKA INSTITUTET (1998), S. 71 314Vgl. HANSSON/SVENSKA INSTITUTET (1998), S. 76 – 77 und http://www.cardigans.com/?sid=default&bfs=1 (Stand: 4. Juni 2011) 315Vgl. GRADVALL (2004), S. 8 + 9 316Vgl. GRADVALL (2004), S. 10 + 11 60

für Tourneen im Ausland) oder Tantiemen-Einnahmen317 handelt. Forss ist dieser Frage nach- gegangen und musste konstatieren, dass es keine Statistiken zu den Exporten von sogenannten Diensten gibt.318 Auch die anderen Exporte sind schwierig abzugrenzen. Wie komplex die kor- rekte Erfassung ist, zeigen zwei Beispiele von Forss: • Ausländische Firmen lassen CDs in Schweden pressen. Diese werden anschliessend exportiert und würden gemäss der oben genannten Aufteilung als Warenexporte im unterstützenden Bereich erfasst. Diese CDs wurden aber grösstenteils nicht von schwe dischen Künstlern eingespielt. • Eine schwedische Band nimmt in einem Londoner Studio auf, hat einen Vertrag mit einem schwedischen Verlag, veröffentlicht ihre Musik aber auf einem ausländischen Label. Der schwedische Verlag wird also Tantiemen-Einnahmen erhalten.319 Werden alle Zahlen aus sämtlichen vier Bereichen erfasst, so erhält Forss im Jahr 1999 die stol- ze Summe von SEK 3,3 Mrd. (ca. CHF 440 Mio.).320 Er unterstreicht, dass es zwar verlockend sei, diese Gesamtsumme als Musikexportsumme auszuweisen, dies aber eine verzerrte Zahl sei, da die Bereiche Warenexporte, Exporte von Diensten und Tantiemen separat angeschaut werden müssten, da sie verschiedene ökonomische Werte darstellten. Da in dieser Statistik überdies keine Abgrenzung zwischen Verkäufen im Inland und Exporten gemacht wird, ist sie für die Messung des Musikexports nicht brauchbar. Zudem wird die Sparte Populärmusik nicht für sich ausgewiesen. Die am ehesten erfassten Zahlen sind die Eingänge aus Tonträgerverkäufen und Tantiemen. Die aktuellen Zahlen der STIM finden sich im Anhang. Sie zeigen deutlich, dass die Präsenz schwedischer Musik in der Schweiz ungleich höher ist als umgekehrt.321 Im Jahr 2006 wurde von ExMS eine Nachfolgestudie zu Forss erstellt. Gemäss dieser Studie betrug das Gesamtexportvolumen im Jahr 2001 SEK 4.809 Mrd. (= ca. CHF 629.6 Mio.). Im Jahr 2006 betrug es noch SEK 1.993 Mrd. (= ca. CHF 264.9 Mio.). Die detaillierten Zahlen dieser Studie finden sich im Anhang.322 Obwohl es äusserst schwierig ist, den Wert des Musikexports zu erfassen, wird Musik in Schweden zusammen mit Design, Gastronomie, Tourismus und anderen kreativen Branchen als ein Zweig genannt, der innerhalb der letzten zehn Jahren eine Revolution erlebt hat, der welt- weite Beachtung findet und dem Land beträchtliche Exporteinnahmen beschert. 323 Wendet man sich vom ökonomischen Wert des Musikexports ab und betrachtet ihn als Teil der Imagebildung des Landes, so sind in Schweden klare Zeichen erkennbar, dass die Erlebnisin- dustrie und mit ihr die Musik als wichtiger Teil des sogenannten Nationbrandings betrachtet werden. Populärkultur oder genauer Populärmusik kann ein ideales Werkzeug sein, um Men-

317Vgl. Glossar Anhang 1 318Vgl. FORSS (1999), S. 100 + 101 319Beide Beispiele FORSS (1999), S. 80 + 81, 98 320Vgl. Erläuterungen Anhang 2 321Vgl. Erläuterungen Anhang 2 322Vgl. Erläuterungen Anhang 2 323 http://www.sweden.se/de/Startseite/Fakten-in-Kurze/Schweden-im-Uberblick/Wirtschaft--Handel/ 61

schen zu erreichen. Dazu Leif Pagrotsky, schwedischer Minister für Kultur- und Ausbildung von 2004 – 2006: „Jag gjorde häromdagen en sökning på Google på namnet ‚The Hives‘, och en sökning på namnet ,Goran Persson‘, och träffarna på The Hives var väldigt, väldigt många fler. När vi vill nå människor, unga människor, människor med speciella intressen, människor som brinner för någonting, då är det väldigt ofta på kulturens område.“324

(Ich habe vor einigen Tagen eine Suche auf Google gemacht auf den Namen „The Hives“ und eine Suche auf den Namen „Goran Persson“ und die Treffer für The Hives waren sehr viele mehr. Wenn wir Menschen erreichen wollen, junge Menschen, Menschen mit speziellen Interessen, Menschen die sich für etwas begeistern, so ist dies ziemlich oft im Umfeld der Kultur.)

Diese Gewichtung wird auch reflektiert in der Tatsache, dass die schwedische Regierung seit 1997 jährlich einen Musikexportpreis an die Band, den Künstler oder die Künstlerin vergibt, die für besondere Exporterfolge gesorgt und ein positives Bild von Schweden im Ausland verbreitet hat.325 Preisempfänger in der Vergangenheit waren u.a. The Hives (2002), José González (2006), Mando Diao (2009) und Robyn (2010). Der Wert der Marke „schwedische Pop- und Rockmusik“ lässt sich schwer berechnen und der Einfluss von erfolgreich tourenden Pop- und Rockmusikern auf das Image eines Landes kann kaum nachgewiesen werden. Wenn die Aufmerksamkeit aber hilft, die Unterstützung in die Musikschulen und Ausbildungsstätten aufrecht zu erhalten und die Wichtigkeit von Musikex- portstellen wie ExMS weiterhin erkannt wird, so kann diese Fokussierung als Erfolg gewertet werden.

9. VERGLEICH DER BEIDEN STAATEN In den Kapiteln 2 – 8 wurden unterschiedlichste Aspekte, die einen potentiellen Einfluss auf den möglichen (internationalen) Erfolg von Populärmusikproduktionen haben, in beiden Ländern beleuchtet. Bezogen auf die Zielformulierungen im Kapitel 1.2 werden nun in diesem Kapitel die Bereiche „Förderung“, „wirkungsrelevante Faktoren“ und „Musikindustrie“ nochmals auf- griffen und die Systeme und markantesten Eigenheiten der beiden Länder einander gegenüber- gestellt.

9.1 Förderung Der Föderalismus sowie die doppelte Subsidiarität in der Schweiz stehen im Gegensatz zu Schweden, welches zentral regiert, bzw. organisiert wird und in vielen Bereichen staatlich (im Sinne von „von nationaler Ebene“) fördert. Das schweizerische System bringt zwar eine Viel- zahl von Einzelinitiativen zu Stande und die Privatwirtschaft ist in vielen Bereichen aktiv als Sponsor oder Kooperationspartner, was an sich höchst erfreulich ist. Doch führt dieses System auch zu grosser Ungleichheit. Die Gemeinden, Kantone und oft auch Stiftungen fördern mit unterschiedlichen Budgets, Prioritäten und Ressourcen; je nachdem woher man kommt hat man

324http://www.si.se/upload/Docs/OmSI/Sverigebilden.pdf (S. 18) 325http://www.sweden.gov.se/sb/d/13763 (Stand: 25. Juni 2011) 62

als Musiker Zugang zu bestimmten Fördermodellen, oder eben nicht. Die Pro Helvetia als sozu- sagen oberste Instanz, zu der alle Zugang haben, verfügt vergleichsweise über ein so kleines Budget, dass sie unmöglich „auffangen“ kann, was auf den unteren Ebenen vernachlässigt wird. Nach wie vor verfügen viele Förderer der öffentlichen Hand nicht über spezifische Förderkrite- rien im Bereich der Populärmusik, und auch das Förderkonzept zur musikalischen Bildung im Rahmen des neuen Kulturförderungsgesetzes wird diesem Anspruch leider nicht gerecht. (Vgl. Kapitel 9.2). Im zentralistischen Schweden unterstützt und finanziert der Staat flächendeckend aus dem staat- lichen Kulturbudget Institutionen, welche sich der Förderung widmen. Obwohl in den letzten Jahren eine vermehrte Dezentralisierung angestrebt und den Kommunen und Regionen mehr Eigenverantwortung übertragen wurde, trägt in Schweden – ganz im Gegenteil zur Schweiz – die nationale Ebene den höchste Anteil an Kulturausgaben und stellt sicher, dass die Gelder flächendeckend verteilt werden. Als grösste Priorität der staatlichen Förderung kann der Bereich der musikalischen Bildung angesehen werden. Beispielsweise wird so die sogenannte „Folksbildning“ mitfinanziert, auf die im Kapitel 9.2 noch etwas näher eingegangen wird.

Ein Ähnlichkeit findet sich in der Organisation der Musikschulen: In Schweden wie in der Schweiz liegt die Zuständigkeit bei den Kommunen, die verantwortlich sind für die Sicherstel- lung der Finanzierung. Da die Programme und Lernpläne der kommunalen Musikschulen in Schweden ohne nationale Vorgaben und Regulierungen funktionieren, kann sich das Angebot – wie in der Schweiz auch – in den verschiedenen Gemeinden deutlich unterscheiden. Ein grosser Unterschied zur Schweiz machen jedoch das breite Angebot und die moderaten Preise aus. Für relativ kleine Beträge (durchschnittlich CHF 180.– pro Jahr) besteht die Möglichkeit, ein In- strument zu erlernen. Ein Ausgabeposten, den sich die meisten Familien leisten können. Die Bandbreite der Angebote ist enorm; in vielen Gesprächen mit Schweden im Rahmen dieser Arbeit wurde immer wieder betont, dass die Musikschulen wohl für viele Bands den Grundstein zum Erfolg gelegt haben. Auf die Schweizer Musikschulen wird im Kapitel 9.2 noch genauer eingegangen.

Vergleicht man die beiden Export-Büros Swiss Music Export SME und Export Music Sweden ExMS, findet man sehr ähnliche Strukturen. Beide Büros operieren mit ähnlichen Budgets und (minimalen) personellen Ressourcen, und werden vom Staat wie auch von der Industrie (der IFPI u.a.) sowie in der Schweiz noch von weiteren Stiftungen unterstützt. Sie nehmen für ein- heimische Künstler ähnliche Aufgaben wahr und verstehen sich als Anlaufstelle und Kontakt- netz. Ein markanter Unterschied ist jedoch die Tatsache, dass ExMS seit 1993 besteht, und SME erst zehn Jahre später gegründet worden ist. Der Umstand, dass ein gutes (internationales) Netzwerk in diesem Business von grossem Wert ist, zeigt auf, welche Relevanz die Aufbauar- beit von SME hat, die in den letzten Jahren geleistet worden ist. Es bleibt zu wünschen, dass die

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Finanzierung von SME langfristig gesichert wird – ein Punkt übrigens, der auch in Schweden laut Anders Hjelmtorp jedes Jahr aufs Neue verhandelt werden muss.326

Was die Urheberrechts- und Interessenorganisationen betrifft, kann gesagt werden, dass sie in beiden Ländern gut vertreten sind und auch gut zu funktionieren scheinen. Jedoch muss in die- sem Zusammenhang erwähnt werden, dass die Folgen der Digitalisierung mit ihren Auswirkun- gen auf den Schutz der Urheberrechte ein Problem darstellt, für das bis anhin (international) noch keine befriedigende Lösung gefunden worden ist. Was das Informationsbedürfnis betrifft, hat das digitale Zeitalter durchaus seine Vorteile. Die meisten Organisationen haben sehr gut ausgebaute Websites und Informationsportale, auf die zu jederzeit zugegriffen werden kann.

Klare Unterschiede können im Bereich der Privatwirtschaft festgestellt werden. In Schweden ist Sponsoring als Finanzierungsquelle weniger verbreitet und auch keine Voraussetzung für eine allenfalls staatliche Unterstützung der betreffenden Projekte. Allerdings nutzen privatwirtschaft- liche Akteure in Schweden auch aus branchenfremden Bereichen die einheimische Populärmu- sik stark als Imagefaktor. So gibt es wie in Kapitel 5.2.4.1 ausgeführt eine Vielzahl von Firmen, die ihre Werbespots mit Songs von schwedischen Künstlern untermalen. Dies wiederum steigert den Bekanntheitsgrad der verwendeten Songs und ihrer Interpreten enorm. In der Schweiz fin- det sich eine andere Situation: Die Privatwirtschaft engagiert sich im Bereich Sponso- ring/Partnership, in dem sie diese Engagements beispielsweise als Imagefaktor nutzt. Ob dies im Bereich der Förderung wie beispielsweise durch das Engagement von Coca Cola wirklich nachhaltig ist, ist eine Frage, die sich in diesem Rahmen nicht abschliessend beantworten lässt. Als Imagetransfers in Werbespots für Schweizer Produkte oder Dienstleistungen findet man Populärmusik nur selten. Wenn Produkte mit Populärmusik beworben werden, sind es oft inter- nationale Acts, mit denen kooperiert wird. Der Schluss liegt nahe, dass die Werbebranche in der Schweiz nicht darüber informiert zu sein scheint, was hierzulande im Populärmusikbereich pro- duziert wird. Ein aktuelles Beispiel ist der Spot von „Pro Infirmis“, der mit der Musik der ame- rikanischen Band „Band of Horses“ untermalt ist.327 Auch muss in diesem Zusammenhang noch angefügt werden, dass gegenüber dieser Art von Marketing in der Schweiz noch gewisse Berüh- rungsängste vorhanden zu sein scheinen. Ein aktuelles Beispiel ist das von der Automarke „Mi- ni“ gesponserte Gratiskonzert der englischen Popsängerin Ebony Bones in Bern anfangs Juli. Das Konzert wurde im „Bund“ zwar sehr positiv besprochen, die Kooperation an sich aber wur- de mit grosser Skepsis und sehr kritisch aufgenommen.328

326Hjelmtorp 2009 im Interview mit Magasinet Novell: http://magasinetnovell.se/2011/02/03/exportsuccen-som-kom-av-sig/ (Stand: 6. Juli 2011) 327http://www.youtube.com/watch?v=ocBh9bgph_g (Stand 5. Juli 2011). 328http://www.derbund.ch/kultur/pop-und-jazz/Ebony-Bones-und-die-Wonnen-modernen- Marketings/story/25188586?g=bern (Stand 6. Juli 2011) 64

Abschliessend muss zum Thema Förderung noch erwähnt werden, dass in Schweden ein ande- res Verständnis als in der Schweiz dem Staat gegenüber in der Rolle als „Geldgeber“ herrscht. Das Konzept des schwedischen Wohlfahrtstaates scheint nach wie vor spürbar und der Geist des Folkhemmet klingt immer noch nach: Der Staat organisiert und koordiniert, die Steuerabgaben sind mit der Schweiz verglichen hoch bis sehr hoch, und so hat es nichts Anrüchiges, aus die- sem gemeinsamen Topf wieder Unterstützung anzunehmen. Im Gegensatz dazu ist es in der Schweiz gerade in gewissen Kreisen im Bereich der Populärmusik nach wie vor fast schon ver- pönt, Geld vom Staat – sprich Fördergelder – anzunehmen.

9.2 Weitere wirkungsrelevante Faktoren Im Bereich der wirkungsrelevanten Faktoren finden sich in unseren Augen viele markante Un- terschiede. Diese werden nun nochmals kurz aufgegriffen und im Rahmen dieser Gegenüber- stellung besprochen. Die Rolle der Musikschulen in Schweden im Bereich der musikalischen Bildung wurde bereits im Kapitel 9.1. ausgeführt. Weiterführend in dem Bereich ist die Folksbildning, die in Schwe- den eine hohe gesellschaftliche Relevanz hat. Die Zahlen sind deutlich: im Schnitt besuchen 16 Millionen Schweden einer der über 300‘000 angebotenen Kurse – bei einer Einwohnerzahl von knapp 9,5 Millionen. Den Klubschulen der Migros hier in der Schweiz nicht unähnlich bieten sie in Schweden flächendeckend ein enormes Angebot an Erwachsenenbildung. Rund 2/3 der angebotenen Kurse bewegen sich im kulturellen Bereich. Wie auch die Musikschulen sind sie grösstenteils durch die öffentliche Hand finanziert und werden zu Kosten angeboten, welche die Kurse für die Bürger erschwinglich machen. Die Projekte sind – verglichen mit Schweizer An- geboten – oft unkonventionell und kreativ und vermögen dadurch viele verschiedene Schichten anzusprechen. Im Vergleich dazu hat die musikalische Bildung in der Schweiz politisch und gesellschaftlich eine ungleich kleinere Relevanz. Nebst dem immer wieder bemängelten tiefen Ausbildungsniveau vieler Lehrpersonen im Bereich Musik während der obligatorischen Schul- zeit, scheint die musikalische Ausbildung (z.B. in Form von Instrumentalunterricht) keinen all- zu grossen Stellenwert zu haben – anders lassen sich die vergleichsweise tiefen Subventionen, die zu den hohen Kosten für den Unterricht führen, nicht erklären. Die Angebote sind zwar viel- fältig und auf der Höhe der Zeit, doch die damit verbundenen Kosten schliessen viele Kinder und auch Erwachsene davon aus. Das Förderungskonzept für die musikalische Bildung des BAK wird den Ansprüchen einer zeitgemässen musikalischen Bildung nicht gerecht. Auch wenn Pop/Rock darin explizit erwähnt wird, kommt man zum Schluss, dass die Förderkriterien weder dem Genre an sich, noch der gesellschaftlichen Situation gerecht werden. Populärmusik kommt oft aus Szenen mit stark regionaler Prägung – dass als Kriterium für Projekte typischer- weise mehrere Sprachregionen mit einzubeziehen sind und ein „gesamtschweizerischer Charak- ter“ ausgewiesen werden muss, ist zwar politisch nachvollziehbar, entspricht aber schlicht und einfach nicht der Realität, in der Populärmusik entsteht und auch rezipiert wird.

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Ein äusserst markanter Unterschied findet sich bei den jeweiligen Imagebüros der beiden Län- der. Während Schweden die Populärmusik als klarer Imagefaktor einsetzt und in der Landes- kommunikation eine gewichtige Rolle zugesteht, ist sie in der Schweiz in diesem Bereich nicht existent. Schweden ist stolz auf seine erfolgreichen Bands und Musiker und unterstützt diese, indem es sie prominent in die Landeskommunikation einbaut und beispielsweise mit dem jährli- chen Exportpreis auszeichnet. Studiert man das kulturelle Selbstbild der Schweiz, kommt man gezwungenermassen zum Schluss, dass Populärmusik hierzulande im kulturellen Selbstver- ständnis nicht mal eine untergeordnete, sondern schlicht und einfach gar keine Rolle spielt.

Die Branchenzusammenarbeit scheint in beiden Ländern gut zu funktionieren. Was allerdings in der Schweiz fehlt ist ein Dachverband der Independent-Labels wie SOM, das Äquivalent in Schweden. Wie bereits ausgeführt sind die unzähligen Indie-Labels in der Schweiz ein zersplit- terter Verbund von Einzelkämpfern, denen es gut bekommen würde, ihre Kräfte zu bündeln und eine eigene Lobby aufzubauen – so wie es Petzi, der Dachverband der nicht gewinnorientierten Clubs, auch geschafft hat.

Nochmals etwas genauer möchten wir die landestypischen Charakteristika anschauen. Dies sind in unserem Verständnis strukturell und kulturell bedingte Unterschiede, die nicht geändert wer- den können. Als relevant erachten wir den Stellenwert der englischen Sprache in Schweden im Gegensatz zur Schweiz. Der schweizerische Föderalismus fördert zwar die Vielfalt, produziert aber gleichzeitig auch eine gewisse Ungleichheit. Ebenfalls höchst relevant ist die Marktsituati- on im Bereich der Populärmusik. Nicht nur ist die Schweiz im Gegensatz zu Schweden von grossen, ebenfalls auf Export drängenden Märkten wie Deutschland und Frankreich umgeben, sondern ist auch in sich durch die Sprachregionen zersplittert. Ein Umstand, dem beispielsweise im Bereich der nationalen Förderung kaum Rechnung getragen wird. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass versucht wird, diese reale Zersplitterung künstlich zu überbrücken, in dem nur Projekte gefördert werden, die mehr als eine Sprachregion mit einbeziehen.

Wir wagen zu behaupten, dass die Rolle der Medien und die landesinterne Nachfrage nach Pop- /Rockmusik Hand in Hand gehen. Allerdings muss auch gesagt werden, dass sich wie aufge- zeigt die Berichterstattung über einheimisches Pop-/Rock-Schaffen in der Schweiz etwas ver- bessert zu haben scheint. Ebenfalls erfreulich ist der Erfolg der Charta für Schweizer Musik, auch wenn die angestrebte Quote markant unter der schwedischen liegt. Was das Fernsehen betrifft muss nochmals gesagt werden, dass die Ausstrahlungszeiten der Sendungen für Schwei- zer Pop-/Rockmusik in keiner Weise dem Auftrag als öffentlich-rechtliches Fernsehen entspre- chen, über einheimisches Schaffen angemessen zu berichten. Der Zugang des Schwedischen Fernsehens zu „seiner“ Populärmusik scheint ungleich direkter und nicht von Berührungsängs- ten geprägt. Im Bereich der Musikzeitschriften ist wichtig festzuhalten, dass weder in der Schweiz noch in Schweden Zeitschriften auf dem Markt sind, die über die Landesgrenzen aus-

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strahlen. Ein wesentlicher Unterschied findet sich jedoch in der Anzahl der Musikzeitschriften, was einmal mehr etwas über den gesellschaftlichen Stellenwert der Populärmusik in den beiden Ländern aussagt.

9.3 Musikindustrie Vergleicht man die Musikindustrien der beiden Länder, so ist ersichtlich, dass im Tonträgerbe- reich in beiden Länder die grossen vier Majorfirmen dominieren und daneben eine Anzahl an kleinen und kleinsten Labels die restlichen Positionen und Nischen besetzen. Betrachtet man aber die prozentualen Anteile einheimischer Künstler am Tonträger-Gesamtumsatz, sind die Unterschiede markant: Wo in der Schweiz die einheimischen Künstler einen Anteil von 8 – 10% und im Jahr 2004 erfreulicherweise erhöhte 18% ausmachen, kann Schweden Werte von bis zu 39% ausweisen. Das Interesse der Tonträgerindustrie und der Konsumenten an einheimi- scher Musik ist in Schweden also ungleich grösser als in der Schweiz. Vergleicht man die Charts, so lässt sich auch hier ein ähnliches Bild vermuten, obwohl im Rahmen dieser Arbeit keine eingehende Studie der Hitparaden möglich war. Ein Einblick in die Statistik von STIM dagegen zeichnet ein klares Bild, was die Präsenz (Radio, TV, Konzerte) im jeweils anderen Land betrifft: Anhand der Auflistung der erhaltenen Tantiemen aus Urheberrechten lässt sich klar festmachen, dass im Jahre 2010 mit einem Verhältnis von rund 10:1 die schwedische Musik ungleich mehr präsent war in der Schweiz als umgekehrt. Wirft man einen Blick auf die Konzertagenturen-Landschaft so ist ersichtlich, dass beide Länder über ein dichtes Netz an Konzertagenturen verfügen, die sich Künstlern verschiedener musikali- scher Genres widmen. Es fällt jedoch auf, dass viele schwedische Agenturen explizit auch einen Roster mit einheimischen Künstlern pflegen. Arbeiten beispielsweise Live Nation und Luger in Schweden mit je rund 100 schwedischen Bands, und verfügen auch unabhängige Agenturen wie Pitch & Smith über einen Anteil von rund 50% an einheimischen Künstlern, so liegt in der Schweiz der Fokus klar auf ausländischen und stark auf britischen und US-amerikanischen Acts. Immerhin verfügen einige Agenturen über einen Schweizer Roster, die Anzahl an Schwei- zer Künstlern ist aber in der Regel deutlich in der Unterzahl. Die Möglichkeit, ausserhalb der Landesgrenzen Live-Erfahrungen zu sammeln, wird immer wieder als entscheidender Punkt in der Karriere von Bands genannt. Viele der konsultierten schwedischen Agenturen verfügen über dieses ausländische Netzwerk und es herrscht Einigkeit, dass ein relativ kleines Land wie Schweden exportieren muss. Das einheimische Territorium ist zu klein, um sich ökonomisch mit Touren über Wasser halten zu können. Zudem verhilft häufiges Touren nicht nur zu verbes- serter Routine, sondern bringt auch neue Impulse, welche sich positiv auf die Kreativität aus- wirken. Die Schweiz verfügt über eine ähnliche Ausgangslage. Hier ist die Situation jedoch so, dass die Energie vor allem dafür verwendet wird, möglichst viele der erfolgsversprechenden ausländischen Künstler für eine Agentur zu verpflichten. Die Konkurrenz ist hart, das Geschäft sehr schnell, der Markt sehr gedrängt und die oftmals langwierige und brotlose Aufbauarbeit für einen Schweizer Künstler erscheint (oft verständlicherweise) nicht erstrebenswert. Man nimmt

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zwar dankbar Booking-Aufträge aus dem Ausland entgegen – auch wenn es sich nicht um die bekanntesten Künstler handelt – lässt aber oftmals noch viel zu wenig sein Netzwerk für die Schweizer Künstler spielen. Ohne dieses Netzwerk aber wird es für Schweizer Bands unendlich schwierig, den internationalen Markt zu bearbeiten, geschweige denn diesen zu erobern. Diese Haltung der Schweizer Agenturen soll nicht angekreidet werden – befinden sich diese doch in einem hart umkämpften Markt und in der freien Wirtschaft – aber sie widerspiegelt sehr deut- lich, was auch in den Bereichen Nachfrage, Medien und Tonträgerfirmen bereits festgestellt wurde: Schweizer Populärmusik wird im eigenen Land nicht prioritär behandelt und sie hat sowohl als möglicher Wirtschafts- als auch Imagefaktor wenig Gewicht im Vergleich etwa zu englischer und US-amerikanischer Populärmusik.

10. FAZIT Das schwedische Modell der direkten und indirekten Musikförderung, verbunden mit der Dy- namik und Professionalität der schwedischen Musikbranche, erscheint abschliessend als ein wahres Erfolgsmodell. Lässt sich dieses jedoch auf die Schweiz adaptieren, die über andere landestypische Charakteristika verfügt und nicht identisch strukturiert ist? Im letzten Kapitel soll dieser Frage nachgegangen werden.

10.1 Schweden – ein adaptierbares Erfolgsmodell? Beginnt man bei der musikalischen Bildung, so sollte die Frage mit „ja“ beantwortet werden können: Die finanziellen Mittel wären vorhanden, um auch in der Schweiz den Zugang zur mu- sikalischen Bildung für alle Kinder zu gewährleisten und so eine musikalische Grundversorgung im Rahmen der obligatorischen Schulzeit für alle zu ermöglichen, unabhängig von der finanziel- len Situation der Eltern. Es stellt sich aber die Frage, ob dazu nicht ein Eingriff in die Bildungs- hoheit der Kantone ähnlich der Sportförderverordnung329 nötig wäre, um immerhin ein Mindestmass an Quantität und Qualität des Musikunterrichts zu garantieren. Was die musikali- sche Bildung über die Grundversorgung hinaus anbelangt, sind die Angebote in vielen Berei- chen durchaus vergleichbar. Die grossen Unterschiede liegen bei den Kosten. Auch werden in Schweden in vielen Bereichen Akteure aus der Musikwirtschaft stärker mit einbezogen und es wird auch auf dem Level der Ausbildung vermehrt Hilfe zur Selbsthilfe geboten, z.B. durch das zur Verfügung stellen von Probelokalen. In der Schweiz dürften vermehrt klassische Modelle der Musikvermittlung aufgebrochen werden und der Einbezug von professionellen Musikschaf- fenden aus der freien Wirtschaft könnte klassische Vermittlungsmodelle nur beleben. Um dies zu ermöglichen, braucht es ganz klar die finanzielle Unterstützung des Staates. Es darf nicht sein, dass musikalische Bildung in der Schweiz so stark von den finanziellen Möglichkeiten der Einzelnen abhängt. Es ist anzunehmen, dass durch einen erleichterten Zugang zur musikalischen Bildung und zu Übungsräumen, die Ermöglichung, mit Musik verschiedenster Genres in Kon-

329Einzusehen auf: http://www.admin.ch/ch/d/sr/4/415.01.de.pdf. Sie legt unter anderem eine Mindestan- zahl Turnunterrichtsstunden pro Woche und Qualitätskriterien für den Unterricht fest und schreibt den Gemeinden ausserschulische Aktivitäten wie Sportlager etc. vor 68

takt zu kommen, das Erwecken von Interesse und das Aufzeigen von Berufsmöglichkeiten in- nerhalb der Musikwelt auch die Anzahl der Musiker und der gut ausgebildeten Musikkonsu- menten steigen würde. Ein daraus resultierender erhöhter Konkurrenzdruck seinerseits würde im Idealfall auch wieder das musikalische und kreative Niveau der Musiker erhöhen, und fordernde und gut ausgebildete Musikkonsumenten könnten diese Tendenz unterstützen.

Was die Förderkriterien auf nationalem Niveau betrifft, sollten diese überdenkt werden. Auch wenn es ein edler Gedanke ist, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Landesteile einan- der näher zu bringen, so sind in der Schweiz ganz klar verschiedene Märkte vorhanden. Öko- nomisch schwächeren Gebieten und sprachlichen Minderheiten wäre vielleicht mehr gedient, wenn vorhandene Mittel und Energien nicht in die Überwindung von Landesteilen und somit Märkten gesteckt werden müssten (was teilweise gefordert wird), sondern wenn diese für die Festigung im eigenen Markt bzw. verwandten ausländischen Märkten eingesetzt werden könn- ten.

Auf der Seite der Tonträgerproduzenten könnte ein Dachverband der kleinen, unabhängigen Labels nach schwedischem Vorbild helfen, deren Interessen zu vertreten. Sei dies gegenüber den Majors und innerhalb der Wirtschaft oder auch auf politischer Ebene, wo sicherlich am ehesten Unterstützung gefunden werden kann, was den Strukturwandel und in Folge die Digita- lisierung und den Schutz der Urheberrechte betrifft.

Die Medien spiegeln einerseits die Präferenzen des Marktes, doch darf deren aktive Rolle nicht unterschätzt werden. Der Fall Schweden zeigt, dass auch Sendeformate und Printmedien, die einheimischen Künstlern prominente Plattformen bieten, durchaus beliebt sind. Die Autorinnen regen an, statt mit aufgezwungenen Quoten zu arbeiten, sich vermehrt über kreative und pro- duktive Kooperationen zwischen Medien und Musikern Gedanken zu machen.

Ein Punkt, der auch untersucht, aber aus Kapazitätsgründen nicht ausgeführt wurde, ist die sozi- ale Sicherheit. Beide Länder weisen Lücken auf, die teilweise von Verbänden und Stiftungen gefüllt werden. Es sollte jedoch möglich sein, in einem gut strukturierten und vergleichsweise wohlhabenden Land auch neueren und eher unkonventionellen Berufsgruppen wie der des frei- schaffenden Musikers eine gesicherte Altersvorsorge anbieten zu können. Dies ist kein ökono- misches Problem, sondern ein strukturelles, das zu lösen eine moderne, demokratische und dem Gedanken des Sozialstaates verpflichtete, gut strukturierte Gesellschaft in der Lage sein sollte.

Abschliessend soll nochmals die Wichtigkeit der Konzertagenturen (und natürlich auch der Konzertsäle und Clubs) betont werden. Live-Erfahrung – und diese vor allem auch auf Ausland- tourneen gesammelt — sind eminent wichtig für das Weiterkommen einer Band. Vor allem auch in der heutigen Zeit, in der Live-Konzerte wieder vermehrt an Bedeutung gewinnen. Die

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besten Fördermodelle helfen wenig, wenn sich eine Band nicht live die Sporen abverdienen kann. Viele erfolgreiche schwedische Bands wie Mando Diao oder The Hives sind tourneemässige Schwerstarbeiter und haben vor ihrem internationalen Durchbruch einige Jahre lang regelmässig in den kleinen Clubs dieses Kontinents Live-Erfahrungen gesammelt. Es ist deshalb zu hoffen, dass auch in der Schweizer Agenturszene ein Bewusstsein erwacht, das die- sem Faktum Rechung trägt.

10.2 Reflexion Wie der Titel der Arbeit bereits besagt, ist das Show- oder Musikbusiness eine eigene Welt und kaum vergleichbar mit anderen Wirtschaftszweigen. Es ist denn auch nicht weiter verwunder- lich, dass dort alles ein wenig anders organisiert und strukturiert ist und Prioritäten nicht so ge- setzt werden, wie es vielleicht in anderen Bereichen gemacht wird. Dazu kommt, dass das Mu- sikgeschäft verästelt ist in unzählige Neben- und Unterbranchen, dass es verknüpft ist mit ver- wandten Berufszweigen und – vielleicht der wichtigste Punkt – dass es meist nicht wirklich als eigene Branche in den Köpfen der politischen Entscheidungsträger und Statistiker existiert. Die Suche nach Statistiken und vergleichbaren Zahlen ähnelte dann auch mehr als ein Mal der Su- che von Kommissar Wallander nach dem mysteriösen Verdächtigen. War dann endlich eine heisse Spur vorhanden, so zerschlug sich die Hoffnung nach Klärung oft, da sie zu einem ganz anderen Verdächtigen führte – sprich, Populärmusik als Genre nicht erfasst wurde – oder aber der Zeuge bereits wieder aus dem Hause war, an der nächsten Sitzung auf einem anderen Konti- nent, an einem Festival oder mitten in der Planung für den nächsten Event. Trotzdem konnte Erfreuliches ans Tageslicht gebracht werden: Auf der Basis von höchst interessanten älteren Rapporten und Studien, auf Grund von telefonischen Gesprächen und E-Mail- Kontaktaufnahmen mit Agenten, Promotern, Radioverantwortlichen, Label-Besitzern, Statisti- kern und vielen anderen, fügte sich langsam ein Bild zusammen, konnten Strukturen erkannt und Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten der beiden Länder herausgearbeitet werden. Konstant wurde ausgewertet, nachgefragt und verglichen. Die Resultate schlussendlich werden nun im Rahmen dieser Arbeit präsentiert. Auch wenn viele Verschiedenheiten zu Tage gefördert wur- den, so zeigt sie doch in beiden Ländern das Bild einer sich ständig verändernden Branche, die eingebunden ist in die Kräfte des freien Marktes, den Gesetzen der Wirtschaft untersteht und gleichzeitig stets nach neuer Kreativität sucht, um diese zu verbreiten. Es ist deshalb zu wün- schen – und dies ist auch das Anliegen der Autorinnen dieser Arbeit – dass in Zukunft die Be- sonderheiten und Merkmale dieser Branche und der in ihr tätigen Menschen bei Entscheidungs- trägern vermehrt Beachtung finden, und dass in weiser Voraussicht und mit realistischem Blick auf die Strukturen dieser Branche geplant wird, wenn es darum geht, die Basis für zukünftiges Musikschaffen zu legen.

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DANKESCHÖN – TACK SÅ MYCKET!

Wir danken allen Personen, die uns trotz oft hoher beruflicher Belastung mit Rat und Tat zur Seite gestanden, unsere Fragen beantwortet und Feedbacks gegeben haben. Ein besonderer Dank geht an:

− Marius Käser, Verantwortlicher „Pop“ Pro Helvetia − Jean Zuber, Geschäftsleiter Deutschschweiz Swiss Music Export − Sabrina Storchenegger, Praktikantin Swiss Music Export − Anders Hjelmtorp, Managing Director Export Music Sweden − Tobbe Lorentz, Senior Vice President The Agency Group Sweden − Pia Kalischer, Programmverantwortliche Sveriges Radio − Guido Röösli, Inhaber Goldon Records, Luzern − S.E. Per Thöresson, Per Sjönell und Charlotta Hellberg, Schwedische Botschaft Bern − Harry Landau

Sowie Frank Lenggenhager/Lautstark Music Promotion, Mattias Albinson/Headstomp Agency Stockholm, Christian Fighera/Two Gentlemen, Svenska Musikerförbundet, Johan Scherwin und Hasse Lindgren/Kulturrådet, Calle Nathanson/SKL (Sveriges Kommuner och Landsting), Margita Ljusberg/STIM, Barbara Salm und Philipp Schnyder von Wartensee/Migros-Kulturprozent

Ein grosser Dank an Urs Arnold für seine sorgfältige und kritische Lektoratsarbeit.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

- Bericht des Bundesrats zur musikalischen Bildung in der Schweiz: Bestandesaufnahme der aktuellen Situation und Massnahmenkatalog des Bundes für die musikalische Aus- und Weiterbildung, Frühling 2005 - Bortoluzzi Dubach, Elisa und Frey, Hansrudolf (2007), Sponsoring. Der Leitfaden für die Praxis, Haupt Verlag, Bern/Stuttgart/Wien - Burnett, Robert (1996), The Global Jukebox. The International Music Industry, Routledge, London - Diederichs, Frank A. und Stonat, Christian (2003), Musik und Werbung – Marketing mit Emotionen, in: Moser, Rolf und Scheuermann, Andreas (Hrsg.), Handbuch der Musikwirtschaft, 6. vollständig überarbeitete Auflage, Josef Keller GmbH & Co. Verlags-KG, Starnberg und München - Dredge, Oliver und Gardel, Sylvain (2004), Ziele und Instrumente staatlicher Pop/Rock-Förderung. Ein Vergleich zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz. Universität Basel, Masterprogramm Kulturmanagement - Ernst, Tony (2008), 6 miljoner sätt att jaga en älg på. En berättelse om musikindu- strins uppgång och eventuella fall, Reverb, Göteborg - Export Music Sweden, the preliminary export performance of the Swedish music in- dustry. An update for the year 2006 - Facon, Eric (1999), Für einmal Nummer 1, in: Schindler, Anna und Reichenau, Christoph (1999), Zahlen, bitte! Kulturbericht 1999: Reden wir über eine schweize- rische Kulturpolitik, Bundesamt für Kultur (Hrsg.), Bern - Forss, Kim (1999), Att ta sig ton. Om svensk musikexport 1974 – 1999, Finansde- partementet, Stockholm - Ganz, Markus (2009), Wie ein Staubsauger, der über die Schweizer Musikszene fährt, in: Merki, Christoph (Hrsg..), Musikszene Schweiz. Begegnungen mit Men- schen und Orten, Chronos Verlag, Zürich - Gebesmair, Andreas (2008), Die Fabrikation globaler Vielfalt. Struktur und Logik der transnationalen Popmusikindustrie, Transcript Verlag, Bielefeld - Gradvall, Jan (2004), swedish pop update, 2. Auflage, Swedish Institute, Stockholm - Grassegger, Hannes (2011), Die Pop-Streber. Neue selbstbewusste Schweizer Bands zielen mit ihrer Musik auf den Weltgeschmack, in: DAS MAGAZIN N°18 2011 - Hallencreutz, Daniel/Lundequist, Per/Malmberg, Anders (2007), Populärmusik från Svedala. Näringspolitiska lärdomar av det svenska musikklustrets framväxt, SNS Förlag, Stockholm - Hansson, Nils (1998), Popular Music – a growing export industry, in: Music in Swe- den, Svenska Institutet, Stockholm - Harding, Tobias/Council of Europe (2010), Compendium of Cultural Policies and Trends in Europe. Country Profile Sweden, http://www.culturalpolicies.net

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ANHANG 1: Glossar (in alphabetischer Reihenfolge)

Act In der Populärmusikbranche oft als Synonym benutzt für Artist, Künstler oder Band. Bei- spiel: Mit einem „Rock-Act“ ist eine Rock-Band oder ein Einzelkünstler im Rock-Genre gemeint.

Agent Es werden zwei Kategorien unterschieden: Agent: Vertritt Künstler im Auftrag eines Managements oder direkt gegenüber Clubs und Festivals. Idealerweise verfügt ein Agent über ein Netzwerk und Partner in verschiedenen Ländern, stellt ein sogenanntes Routing (Tour-Plan) auf, koordiniert Daten und vermittelt Konzertauftritte. Da ein lokaler Partner im Ausland den jeweils einheimischen Markt in der Regel besser kennt, vergibt der Agent oft Buchungsaufträge an diese sogenannten Sub- Agenten oder Booking-Agenten. Anzufügen ist, dass Agenten im ursprünglichen Sinn vor al- lem in für die Musikbranche wichtigen Zentren in den USA, Grossbritannien, Deutschland, aber mittlerweile auch in Schweden vorkommen. Sub-Agent oder Booking-Agent: Vermittler zwischen einem in diesem Zusammenhang oft ausländischen Auftraggeber (Management/Agentur) und dem Programmator eines Clubs oder eines Festivals. Im Auftrag des ausländischen Managements oder Agenten werden de- ren Künstler in der Schweiz angeboten, Gagen verhandelt und Verträge abgeschlossen.

Agentur Genauer „Konzertagentur“. Vertritt Künstler und sucht/verhandelt in deren Namen passende Auftrittsmöglichkeiten (vgl. Agent).

Booker/Booking Person, die für einen Konzertsaal oder ein Festival Künstler aussucht, deren Gagen verhan- delt und oftmals – aber nicht immer – die Verträge abschliesst. Diese Programmierung eines Konzertsaals wird in der Musikbranche oft „Booking“ genannt.

Charts Hitparaden. Bezeichnung für eine Besten- oder Verkaufsliste. In den meisten Ländern wird diese Liste anhand von Tonträgerverkäufen, Anzahl Rundfunkaufführungen und teilweise auch bezahlten Downloads erstellt.

Cover Song Nachgespieltes Musikstück, wobei die ganze Bandbreite von möglichst originalgetreuem Nachspielen bis zur freien Interpretation vorkommen kann.

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Club-Promoter Hier in diesem Zusammenhang Konzertveranstalterin und für die Programmation zuständige Person in einem Musikclub (vgl. auch Booker).

Death Metal Musikstil und Unterart von „Metal“ (vgl. Metal). Charakteristisch sind die schnelle Spielart mit häufigen Tempowechseln, Doppelpauken, ein dem Genre eigener Gesangsstil, der sich durch tiefe, grunzende Laute kennzeichnet und tief gestimmte Gitarren, welche es ermögli- chen, tiefere Töne zu erzeugen.

Demotape Rohversion eines Musikstücks – früher oft noch auf Kassette aufgenommen, heute auch auf CD oder in digitalem Format gespeichert. Oft in einfacher Instrumentierung gehalten und ohne grosse technischen Hilfsmittel entstanden, ist das Demotape vergleichbar mit einer Skizze. Sie dient dem Künstler beispielsweise bei der Suche nach einem Plattenvertrag und Konzertauftritten oder als musikalische Gedankenstütze, bevor ein Musikstück in einem Stu- dio professionell aufgenommen wird.

Freestyler „Freestylen“ ist in diesem Zusammenhang ein Wort aus dem Hip-Hop-Jargon und bedeutet improvisiertes Rappen (Rappen = genretypischer Sprechgesang).

Garage Rock’n’Roll Die ersten Garage-Rock-Bands entstanden in den 60er Jahren und vermischten Elemente des Rock’n’Roll mit der sogenannten Beatmusik. In Skandinavien war in den frühen 90er Jahren die sogenannte „2nd wave of Scandinavian Rock’n’Roll“ relevant, die auch Elemente der Punk-Musik mit einbezog. In den späten 90er Jahren entstanden eine Reihe neuer Bands (Mando Diao, The Hives, The Strokes, The White Stripes), die Elemente des ursprünglichen Garage-Rocks zitierten. Charakteristisch für diese Stilrichtung des Rock sind wenige Akkor- de, harmonische, oft mehrstimmige Gesänge und verzerrte Gitarren.

Grammy Ursprünglich „Gramophone Award“. Wird in den Vereinigten Staaten seit 1959 für heraus- ragende Leistungen in der Musikbranche vergeben. Die schwedische Version „Grammis“ wurde zehn Jahre später zum ersten Mal von einer Fachjury an Bands und Solokünstler aus verschiedenen Kategorien vergeben.

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Hardrock Eine Unterart des Oberbegriffs „Rock“ gekennzeichnet durch laute, elektrische Gitarren, die sowohl als rhythmusgebende, als auch als solistische Instrumente eingesetzt werden. Der Gesang ist oft in hohen, z.T. Falsetto-ähnlichen Tönen gehalten. In den 70er Jahren entwi- ckelten sich neue Unter- und Nebenformen. Während sich „Heavy Metal“ als Begriff für eher schnellere und „härtere“ Musik etablierte, blieb der Term „Hardrock“ für eine Spielart des Rock vorbehalten, die vermehrt auch Einflüsse des Blues und des Rock’n’Rolls aufweist.

Heavy Metal Unterart des Begriffs „Metal“ (vgl. „Metal“)

Hip-Hop Ursprünglich als Oberbegriff für eine ganze künstlerische Kultur eingesetzt, wie Graffiti- Kunst, Sprechgesang (Rap), DJing (das Ineinandermischen von Musikstücken an mehreren Schallplattentellern) und Breakdance (charakteristische Tanzform dieser Richtung). Die Hip- Hop-Kultur hat ihre Ursprünge in der afroamerikanischen und später lateinamerikanischen Bevölkerung von New York City. Heute wird Hip-Hop meist als Synonym für „Rap“ be- nutzt.

Independent-Label (auch „Indie-Label“) Der Begriff Indie-Label wird heute meist als Abgrenzung gebraucht für Tonträgerfirmen, die nicht zu den vier „Majors“ (multinational agierende Tonträgerfirmen wie EMI, Warner, Uni- versal und ; vgl. auch „Major“) gehören. Dies schliesst jedoch Kooperationen mit diesen in einzelnen Bereichen der Wertschöpfungskette (z.B. im Vertrieb) nicht aus. Die Abkürzung „Indie“ für „Independent“ (unabhängig) hat sich über die Jahre auch als Be- zeichnung für eine eigene Musik-Stilrichtung etabliert.

Label Ursprünglich der Begriff für die Etikette in der Mitte der Schallplatte, die den Namen oder das Logo der Herausgeberfirma trug. Heute gleichbedeutend mit Tonträgerfirma, jedoch oft in Zusammenhang mit kleinen Firmen und unabhängigen Strukturen gebraucht.

Leistungsschutzrechte Auch verwandte Schutzrechte genannt, sind die im Urheberrechtsgesetz festgelegten Rechte der ausübenden Künstler, der Produzenten von Ton- und Tonbildträgern sowie jene der Sen- deunternehmen. Der Begriff „verwandt“ will die enge Nachbarschaft zum Urheberrecht zum Ausdruck bringen.

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Live Eine Musikvorstellung im Rahmen eines Konzertes. Bevor Musik auf verschiedene Tonträ- ger wie Grammophon-Platte, Vinyl-Platte, später CD und heute MP3 aufgezeichnet und zu einem beliebigen Zeitpunkt wieder abgespielt werden konnte, waren Konzerte fast die einzi- ge Möglichkeit, Musik zu hören.

Major/Major-Company Multinational agierende Tonträgerfirma – heute spricht man oft von den „big four“: EMI, Sony, Warner und Universal (vgl. „Independent-Label“).

Merchandise Erinnerungsartikel wie CDs, T-Shirts, Schallplatten (oft spezielle oder limitierte Ausgaben), Posters, Stickers (Kleber) oder Pins (Broschen) der auftretenden Künstler. Als Zusatzver- dienst werden sie meist an Konzerten verkauft, aber auch über die Internetseite der Künstler vertrieben.

Metal Musikstil und Oberbegriff für mittlerweile unzählige Unterarten wie Speed Metal, Heavy Metal, Gothic Metal, Glam Metal oder etwa Thrash Metal. Gegen Ende der 60er Jahre ent- standen und gekennzeichnet durch einen harten Sound (Klang), verzerrte Gitarren und hohe Dezibelwerte. Bekannteste Vertreter dieser ursprünglichen Version von Metal sind Black Sabbath und Deep Purple (vgl. Heavy Metal).

Platinstatus Ein Künstler oder eine Band hat „Platinstatus“ erreicht, wenn sie eine Platin-Auszeichnung für eine bestimmte Anzahl verkaufter Tonträgereinheiten in einem Land erhalten hat. Die Anzahl der zu verkaufenden Einheiten für eine Auszeichnung wurde in den letzten Jahren kontinuierlich nach unten gesetzt und ist im Moment wie folgt: CH: 15'000 Alben (= Gold), 30'000 Alben (= Platin)330 SWE: 20'000 Alben (= Gold), 40'000 Alben (= Platin)331

Playlist

330Seit 2007 reichen für französisch und italienisch gesungene Songs 10'000 Alben für eine Gold- und 20'000 Alben für eine Platin-Auszeichnung: http://swisscharts.com/awards.asp?year=2011 (Stand: 2. Juli 2011) 331http://www.ifpi.se/?page_id=67 (Stand: 2. Juli 2011) 77

In diesem Zusammenhang eine Liste von Songs, welche auf einem Radiokanal regelmässig in Rotation gespielt werden. Als Beispiel ist hier Radio Couleur 3 – der 3. Kanal von Radio Suisse Romande (RSR) zu erwähnen, der seine Playlist „Les Repérages“ nennt.

Post-Industrial Industrial: Mitte der 70er Jahre entstanden, vermischte die „Industrial Music“ ursprünglich Rockmusik mit experimentellen, elektronischen Elementen und dies mit der Schlagkraft und Provokation der Punk-Musik. Die vielfach brachialen Lärmskulpturen und Sound-Collagen wurden oftmals optisch mit Performances mit kontroversem und provokativem Inhalt unter- legt. Ursprünglich mit mechanischen und elektronischen Instrumenten kreiert, entwickelte sich die Musikrichtung mit der technischen Entwicklung und setzte später auch Synthesizer und Computer-Technologien ein. Post-Industrial: In den 80er Jahren entwickelte sich eine Reihe zusätzlicher Stile aus der ur- sprünglichen Industrial Music und es wurden zum Beispiel Elemente der Folk-Musik, des Post-Punk oder später noch des Metal eingebaut. Es entstanden Sub-Genres wie Industrial Rock, Industrial Metal, Neofolk oder etwa Ambient Industrial.

Roster In diesem Zusammenhang: Liste der Bands und Künstler, die von einer Agentur vertreten werden.

Sampler Zusammenfassung von verschiedenen, bereits veröffentlichten oder (weniger häufig) unver- öffentlichten Musikstücken auf einem Tonträger. Oft thematisch oder nach Stilrichtungen zusammengestellt.

Showcase-Konzert Konzert, das meist für Branchen- und Medienvertreter arrangiert wird. Die Dauer ist oft kür- zer als bei einem üblichen Konzert und es wird meist kein Eintrittspreis erhoben.

Squat Ein (vorübergehend) leerstehendes Gebäude, das besetzt wird, ohne dass dafür Miete bezahlt wird. Hintergründe können Mangel an Wohn- oder kreativem Raum sein, aber auch politiche Motivation.

Streaming-/On-Demand-Dienste On-Demand: Musik auf Abruf. Beim Streaming kann beliebig Musik in Echtzeit von einer Internet-Quelle angehört werden, ohne dass jedoch die Titel heruntergeladen und kopiert

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werden. Einige Streaming-Dienste erlauben auch das Erstellen von Playlisten (hier: eigene Liste der häufig gespielten Titel) und die Möglichkeit, diese mit anderen Anwendern auszu- tauschen.

Tantiemen Jedes Mal, wenn eine natürliche Person ein Werk schafft, wird sie zur Urheberin (Art. 6 URG). Wird nun dieses Werk z.B. im Radio (also öffentlich) gespielt, hat die Urheberin ein Recht auf eine Vergütung. Diese Vergütung wird als Tantiemen (oft auch „Royalties“) be- zeichnet.

Track In diesem Zusammenhang: ein Musikstück, ein Song oder ein Lied.

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ANHANG 2: Erläuterungen Den Titeln vorgestellt sind die entsprechenden Fussnoten im Haupttext.

3: Zahlen und Fakten Schweiz/Schweden

Stand 2009 - 2011 (variierend) Schweiz332 Schweden333 Staatsform Direkte Demokratie Konstitutionelle Mo- narchie, parlamenta- rische Demokratie Landessprachen Deutsch, Franzö- Schwedisch Anerkannte Minderheits- sisch, Italienisch, Samisch, Finnisch, Sprachen Rätoromanisch Meänkieli, Jiddisch, Romani Chib Fläche 41‘300 km² 450’000 km² Einwohnerzahl 7‘786‘000 9’433’875 Durchschnittsalter 41 Jahre334 41,5 Jahre Bruttonationaleinkommen/Einw. CHF 68‘000.–335 ca. CHF 46'830.– (SEK 352'600.–)

18: Inlandtour-Unterstützung Pro Helvetia Im Pop-/Rockbereich werden keine Inlandtourneen unterstützt, sondern Veranstalter, die Konzerte und Festivals organisieren, welche über die Sprachgrenzen hinaus inländischen Bands Auftrittsmöglichkeiten bieten.

23: Rockförderverein der Region Basel Einige Projekte des RFV: 336 • Basler Pop-Preis (Nachwuchswettbewerb) • „RegioSoundCredit“ (unterstützt erfahrene Musikschaffende) • „BusinessSupport“ (für Labels, Managements oder Booker) • Nachwuchs-Wettbewerb „Sprungbrett“ • den trinationalen Wettbewerb „tri-bune“ • „DemoClinic“ (vergleichbar mit der Demotape Clinic des m4music, s. Kapitel 2.2.4.1) an denen nicht nur Geld, sondern auch Coachings vergeben werden

332Alle Angaben sofern nicht anders vermerkt: http://www.ch.ch/schweiz/01063/01065/Glossar.html?lang=de (Stand:15. Juni 2011) 333Alle Angaben sofern nicht anders vermerkt: http://www.sweden.se/eng/Home/Quick-facts/Sweden-in- brief/ und http://www.scb.se/default____2154.aspx (Stand: 15. Juni 2011) 334http://www.welt-auf-einen-blick.de/bevoelkerung/durchschnittsalter.php (Stand 15. Juni 2011) 335http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/Glossar/themen/04/02/01/key/bip_einw.html (Stand 15. Juni 2011) 336http://www.rfv.ch/cms/front_content.php?idcat=105&lang=1 (Stand: 3. Juni 2011) 80

• Unterstützung von Veranstaltern, die Bands aus der Region Basel Auftrittsmöglich- keiten bieten

38: Loterie Romande Die Loterie Romande ist ein sehr wichtiger Kulturförderer in der Westschweiz. Im Jahr 2009 wurden 52% der gesamten Ausschüttung an kulturelle Vorhaben vergeben, eine Summe von über 47 Millionen Schweizer Franken.

48: Manipulationsvorwürfe gegen IFPI Schweiz Am 6. Juni 2011 hat die Wettbewerbskommission WEKO eine Untersuchung gegen IFPI Schweiz und ihre Mitglieder eingeleitet. Es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass Parallelim- porte verhindert, gewissen Unternehmen die Aufnahmen in den Verband verweigert und die Erstellung einer repräsentativen Schweizer Hitparade verhindert wurde.337

78: Akademische Ausbildungen im Bereich der Populärmusik Eine der ersten Ausbildungsstätten für Pop-/Rockmusik war die „Ecole des Musiques Actuelles et des Technologies Musicales“ in Lausanne, die seit 1983 diverse Ausbildungen im Bereich der Musik und Musikwirtschaft (Komposition, Recht) mit Fokus auf Pop/Rock anbietet.338 Die Hochschule der Künste in Bern bietet seit einiger Zeit einen „MAS Popmu- sik“ an, ein zweijähriges Nachdiplomstudium, das Spielpraxis, Theorie, Songwriting, Tech- nologie, Musikpädagogik, Business und Performance vermittelt.339

82: Präsenz Schweiz Präsenz Schweiz ist dem Generalsekretariat des EDA angegliedert und hat die Aufgabe, die Strategie des Bundesrates für die Schweizer Landeskommunikation umzusetzen, die auch ei- nen einheitlichen visuellen und inhaltlichen Auftritt der „Marke Schweiz“ im Ausland bein- haltet und in verschiedensten Bereichen das „offizielle Selbstverständnis der Schweiz“ defi- niert.340

88: Tonstudios in Luzern Eine Suche nach „Tonstudio Luzern“ bei den gelben Seiten ergab ein Ergebnis von 14 Stu- dios in Luzern und der näheren Umgebung. Innerhalb der lokalen Pop-/Rockszene werden insbesondere die Studios „Soundfarm“, „Foolpark“ und „Foolpark City“, „Schweinesound“ und „Soundville“ genutzt.

97: Manipulationsvorwürfe gegen IFPI Schweiz

337http://www.admin.ch/aktuell/00089/Glossar.html?lang=de&msg-id=39490 (Stand: 8. Juni 2011) 338http://www.etm.ch/Glossar.html (Stand: 2. Juni 2011) 339http://www.hkb.bfh.ch/de/wb/vermittlung/mas-popmusik/ (Stand: 2. Juni 2011) 340http://www.image-schweiz.ch/Glossar.php?id=10 (Stand: 8. Juni 2011) 81

Vgl. Erläuterungen zur Fussnote 48 107: Tabelle Anteil Schweizer Musik am Radio Aufgrund der im Rahmen der Charta festgelegten Richtgrössen als Zielvorgaben341 zeigt fol- gende Tabelle die tatsächlichen aktuellen Quoten; die Zahlen in Klammern bezeichnen die Höhe der Abweichungen von den Richtwerten.

Sender Richtwert Anteil % Effektive Werte 2010 342 DRS 1 20 12.38 ( -7.62 ) DRS 2 14 15.71 ( + 1.71 ) DRS 3 12 14.58 ( + 2.58 ) VIRUS 20 38.02 ( + 18.02 ) RSR La 1ère 8 – 10 12.50 ( + 2.5 – 4.5 ) RSR Espace 2 12 – 15 12.94 ( - 2.06 - + 0.94 ) RSR Couleur 3 6 – 8 8.75 ( + 0.75 – 2.75 ) RSI Rete uno 7 3.88 ( - 3.12 ) Radio Rumantsch 18 12.81 ( - 5.19 ) Radio Swiss Pop 21 21.27 ( + 0.27 )

Das Resultat ist an sich erfreulich: Über alle öffentlich rechtlichen Sender gesehen erreicht der Anteil der Schweizer Musik im Jahr 2010 17.55% (gegenüber von 14.9% im Jahr 2009), was über dem mit den Richtlinien geforderten Gesamtwert von 14.9% liegt. Der erfreulich hohe Anteil von Radio Virus mit 38.02% wirkt sich positiv auf das Gesamtergebnis aus – und muss mit Blick auf 2009 auch wieder relativiert werden. Damals lag die Quote auf tiefen 13.5%, in den Jahren zuvor sogar jeweils unter 10% (Tiefstand 2006 7.23%).343

127: Publikationen in den Schweizer Printmedien über einheimische Pop-/Rockmusik • Die Zentralschweiz am Sonntag publizierte im April 2010 einen Artikel mit dem Titel „Die neuen Stars am Schweizer Pophimmel“, eine eigentliche Lobeshymne an die „jungen, schönen, ehrgeizigen, selbstbewussten und vor allem hochtalentierten“ weib- lichen Popstars. 344 • Die Sonntagsausgabe der Aargauer Zeitung veröffentlichte Ende Februar dieses Jahres einen Bericht über den Erfolg der Aargauer Pop-/Rockszene; Auslöser dafür war die Tatsache, dass gleich drei Aargauer Bands in den Top Ten der offiziellen Schweizer Albumhitparade zu finden waren.345

341http://radiomisere.ch/pdf/Charta_Anhang_2004_dt.pdf 342Vgl. SUISA Jahresbericht 2010, S. 17 343Vgl. SUISA Jahresbericht 2006, S. 19 344http://www.lesleymeguid.com/downloads/sonntag_ch_popstars.pdf (Stand 13. Juni 2011) 345http://www.sonntagonline.ch/Glossar.php?show=news&type=spotlight&id=1502 (Stand 13. Juni 2011) 82

• Die Sonntagszeitung widmet seit einiger Zeit immer wieder ihren Hauptbericht im Be- reich Musik Schweizer Nachwuchskünstlern, die – voraussichtlich – vor dem nationa- len Durchbruch stehen.346 • Das Magazin (u.a. Beilage des Tagesanzeigers) publizierte in seiner Ausgabe vom 13. Mai dieses Jahres mit einem mehrseitigen Artikel mit dem Titel „Die Pop-Streber“, in dem eine neue Generation Schweizer Musiker aus verschiedenen Städten porträtiert wurde, die sich zum Ziel gesetzt haben, die (Pop-)Welt zu erobern.347

135: Unterteilung der Musikindustrie nach Forss • Der schaffende Bereich: Berufszweige mit einer kreativen Kompetenz, die im weites- ten Sinn Musik schaffen wie Komponisten, Texter, Sänger, Instrumentalisten, Auf- nahmetechniker • Der produzierende Bereich: Unternehmen/Personen, welche die Musik in die indus- trielle Produktion nehmen, also Musikverlage und Plattenfirmen/Labels. • Der verkaufende Bereich: Kümmert sich um den Vertrieb der Tonträger und ist die Verbindung zwischen Label und Konsument, also Vertriebe, Grossisten, Handelsket- ten mit Basis im Internet • Der unterstützende Bereich: Dienste und Warenproduktion, beinhaltet verschiedene Berufszweige wie Produktionstechnik (Presswerke), Marketing und Werbung, Juristen u.a.

346z.B. http://www.sonntagszeitung.ch/kultur/artikel-detailseite/?newsid=177562 (Stand 13. Juni 2011) 347Vgl. GRASSEGGER (2011), S. 22 ff 83

152: Organigramm schwedisches Kulturministerium348

Erläuterung: Das Kulturministerium Seit 2007 wieder vom Erziehungsministerium getrennt und aufgeteilt in folgende Abteilun- gen:

Übergreifende Abteilungen: • Koordination/Unterstützung • Generaldirektion für administrative und rechtliche Fragen

Hauptabteilungen: • Medien, Film, Sport • Kultur und Kulturschaffende (inkl. Theater, Tanz, Musik) • Kulturerbe • Internationale Koordination • Rechtsabteilung

Der Kulturrat (Kulturrådet) Der Kulturrat ist eine staatliche Behörde, welche dem Kulturministerium unterstellt ist. Hauptauftrag ist die Realisierung der kulturpolitischen Ziele, die von der Regierung und dem Parlament (Riksdag) festgelegt werden.

348 Grafik aus: Compendium (2009), Cultural policies and trends in Europe

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Weitere Akteure, die dem Kulturministerium unterstellt sind: • Das Schwedische Filminstitut (Svenska Filminstitutet) • Die Nationalarchive (Riksarkivet) • Amt für das nationale Erbe (Riksantikvarieämbetet) • Kunstausschuss (Konstnärsnämnden) • Autorenverband (Författarfonden) • Kunstrat (Statens konstråd)

162: Musikalliancen Musikalliancen bietet ein interessantes Programm an: Freischaffende Berufsmusiker können sich für eine gewisse Zeit für ein Projekt von Musikalliancen anstellen lassen und erhalten während dieser Zeit Lohn. Ziel ist es, den Musikern bessere Arbeitsbedingungen zu bieten und die Möglichkeit, weitere Kompetenzen zu entwickeln und ein Netzwerk aufzubauen. Das Projekt ist jedoch nicht unbedingt auf die Genres Pop- und Rockmusik zugeschnitten. Musikalliancen wird vom Kulturdepartement via Kulturrådet finanziert.

189: Beispiele von Kooperationen im Bereich Werbung mit Populärmusik in Schweden • Caesars (I-Pod und Renault): http://www.youtube.com/watch?v=rCedrB3DHD8 (Stand: 3. Juni 2011) http://www.youtube.com/watch?v=9ppH7-kGdso (Stand: 3. Juni 2011) • José Gonzalez (Sony Bravia, LCD-TV): http://www.youtube.com/watch?v=Y-qJu20do0o (Stand: 3. Juni 2011) • Mando Diao (Sony Cybershot-Kamera) http://www.sounds-familiar.info/tvads29.php (Stand: 3. Juni 2011) • Nina Kinert (SAAB): http://www.youtube.com/watch?v=Vw5py5kZQ2g (Stand: 3. Juni 2011) • Miss Li (Volvo): http://www.youtube.com/watch?v=kYKSQrwlSLc (Stand: 3. Juni 2011) • Teddybears (Fastighetsbyrån/Wohnungsvermittlung): http://www.youtube.com/watch?v=qcGj-vum5Lo&feature=related (Stand: 28. Juni 2011)

195: Tonträgerunterstützung des Kulturrådet in den Jahren 1982 – 1998 In den Jahren 1982 – 1998 flossen jährlich SEK 6 Mio. (ca. CHF 820'000.–) in die soge- nannte Phonogram-Unterstützung – die Hälfte davon in Rock-, die andere in Jazz-Projekte. Forss schätzt, dass mit diesen Mitteln ca. 700 Plattenveröffentlichungen ermöglicht wurden. Er relativiert diese Zahl jedoch mit der Feststellung, dass in der genannten Periode, die An- zahl Veröffentlichungen von 7'000 Titeln auf 15'000 Titeln jährlich gestiegen sei. 85

200: Ausschnitt aus der Publikation „Alla får spela“ (Alle dürfen spielen) – einem Rat- geber für junge Bands herausgegeben von „Bilda“.

Erläuterung: Ausschnitt aus dem Kapitel „Wie wird ein Proberaum eingerichtet?“

203: Kontaktnätet Das „Kontaktnätet“ (Kontaktnetz) ist das gemeinsame Dach der ideellen Organisationen und ist 1974 aus der sogenannten „Progg“-Bewegung349 entstanden. Die an Kontaktnätet ange- schlossenen Kulturvereinigungen organisieren Konzerte, zeigen Filme, machen Theatervor- stellungen möglich oder helfen bei der Suche nach Übungslokalen. Für Mitglieder werden stark subventionierte Kurse z.B. in Ton- und Lichttechnik angeboten. Es können auch soge- nannte „Arrangeur-Beiträge“ angefragt werden. Da diese Gelder Beiträge des Kulturrådet sind, ist die Bedingung, dass angeschlossene Mitglieder bereits finanzielle Unterstützung von der Kommune oder vom Landsting erhalten. Als konkretes Beispiel für ein Projekt sei „Vi håller inte käften!“ (Wir halten nicht die Klappe!) zu nennen: Im Jahr 2000 zum ersten Mal durchgeführt, wurde damals auf einer Tour mit den Bands Monster, The Hives und The (International) Noise Conspiracy in neun schwedischen Städten mit Konzerten und Vorle- sungen auf die Problematik des Rassismus hingewiesen. In einer Untersuchung zur staatli- chen Musikförderung und speziell zur Arbeit des Kulturrådet stellt der beauftragte Torgny Sandgren 2009 fest, dass viele Clubs und Festivals in Schweden von Freiwilligen auf ideeller Basis betrieben würden und diese Form von Unterstützung nicht zu unterschätzen sei.350

204: Popkollo351 Im Sommer 2003 als Musiklager für Mädchen in Hultsfred gestartet und ursprünglich initi- iert von Rockparty, hat sich Popkollo heute zu einer Organisation mit sieben Mitgliederver-

349Vgl. Kapitel über den Musikexport 350Vgl. SANDGREN (2009), S. 27 351http://www.popkollo.se/ und http://www.popkollo.se/in-english/ (Stand: 6. Juni 2011) 86

einen entwickelt, die Sommerlager und Tagestreffen, Workshops und andere Musikaktivitä- ten für Mädchen und Frauen anbietet. Auf dem Programm stehen u. a. das Spielen oder Er- lernen von Instrumenten, Kurse in Rap und Beats sowie Studioeinspielungen. Verschiedene Altersgruppen werden angesprochen. So ist zum Beispiel die älteste Gruppe unter dem Na- men „Popkollo Madame“ erfasst und spricht Frauen ab 18 Jahren an. Die Teilnahmegebühr ist zwischen SEK 1’500.– und SEK 5’000.– (ca. CHF 200.– bis CHF 680.–) angesetzt und kann selber bestimmt werden. Popkollo finanziert sich zu einem Drittel aus öffentlichen Mit- teln, Sponsoring- und privaten Geldern, einem Drittel Teilnahmegebühren und einem Drittel Freiwilligenarbeit.

254: Beispiele aus anderen Branchen Hallencreutz, Lundequist und Malmberg nennen im 2007 hierzu als Beispiele das Silicon Valley (Computer/Internet) oder Hollywood (Film- und Unterhaltungsbranche). Als eigenes, schwedisches Beispiel sei die schwedische Stadt Trollhättan genannt, in welcher die schwe- dische Filmbranche ihr Zentrum hat und die mittlerweile den Übernahmen „Trollywood“ er- halten hat.

263: Schwedische Künstler mit Migrationshintergrund • Tityo (Tochter einer schwedischen Mutter und eines Vaters aus Sierra Leone): http://www.titiyo.com/ (Stand: 12. Juni 2011) • Tityo’s Halbschwester Neneh Cherry und deren Bruder Eagle-Eye Cherry: http://www.nenehcherry.de/ (Stand: 12. Juni 2011) http://www.eagle-eye-cherry.com/ (Stand: 12. Juni 2011) • Asha Ali (geboren in Äthiopien): http://www.ashaali.com/ (Stand: 12. Juni 2011) • Adiam Dymot (geboren in Schweden, Eltern aus Eritrea): http://www.adiamdymott.com/ (Stand: 12. Juni 2011) • Salem Al Fakir (Sohn einer schwedischen Mutter und eines Vaters aus Damaskus): http://www.salemalfakir.com/ (Stand: 12. Juni 2011) • Die Latin Kings, welche in Schweden geboren sind, aber Wurzeln in Lateinamerika haben und deren Sänger das aktuelle Werk „Give Me Fire“ der schwedischen Band Mando Diao produziert hat: http://www.myspace.com/latinkingss (Stand: 12. Juni 2011)

268: Anteil schwedischer Musik in Sveriges Radio Gemäss Kalischer am 28. Juni 2011 ist die Regel wie folgt: • P4 mit 50% schwedischer Musik, davon mindestens die Hälfte in schwedischer Sprache. • P3 mit 40% schwedischer Musik und die schwedische Sprache soll prioritär behan-

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delt werden. • P2 mit 40% schwedischer Musik im Tagesprogramm. Als schwedische Musik gilt gemäss Kalischer Musik mit schwedischen Aufführenden und/oder schwedischen Komponisten und/oder schwedischem Text. Seit den 90er Jahren wurde die Regel betreffend schwedischen Komponisten gelockert: Internationale und aus- ländische Künstler wie die Backstreet Boys oder Britney Spears laufen nicht mehr unter schwedischer Musik, obwohl viele ihrer Erfolge von schwedischen Komponisten und Produ- zenten stammen. In der Statistik von STIM (Urheberrechte) werden sie aber nach wie vor als schwedisch erfasst.

277: Tonträgermarkt in Schweden Die restlichen Ränge werden wie folgt belegt: 5. Bonnier Amigo: 7,8% (2008: 10.0%) 6. Sound Pollution: 2,1% (2008: 2,5%) 7. Playground: 1,9% (2008: 2,3%) 8. Nordisk Film: 1,6% (2008: 2,7%)

293: Tabelle einheimisches Repertoire in Prozenten des Gesamtumsatzes ohne Multi- Artist-Sampler352

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Schweden 31 25 36 30 27 33 37 39 Schweiz 6 8 9 8 8 8 10 18 USA - 91 92 92 93 93 93 93 Grossbritanien 54 48 49 51 52 49 47 51 Österreich 15 15 15 13 14 10 14 7

294: Tabelle Vergleich Tantiemen Schweden – Schweiz gemäss STIM353 (in Millionen SEK. Enthalten sind auch Tantiemen aus Live-Konzerten, jedoch nicht aus CD-Verkäufen.) 2010 2009 erhalten bezahlt erhalten bezahlt Schweiz 2.935 0.280 4.134 0.705 USA 25.760 111.073 23.285 90.209

Erläuterung: Jedes Mal, wenn in der Schweiz Musik gespielt wird, die von schwedischen Urhebern stammt, welche mit der STIM eine vertragliche Abmachung haben, sammelt die schweizeri-

352Vgl. GEBESMAIR (2008), S. 319 + 320 353http://www.stim.se/annualreport/ (Stand: 3. Juli 2011) 88

sche Urheberrechtsgesellschaft SUISA einen gewissen Betrag ein, der an die schwedische Urheberrechtsfirma STIM geht. Umgekehrt sammelt STIM die Beträge, die Schweizer Ur- hebern zustehen und leitet sie an die SUISA weiter. Schweden hat demzufolge im Jahr 2010 von der Schweiz Tantiemen in der Höhe von SEK 2'935'000.– (ca. CHF 395'966.–) erhalten und im Gegenzug an die Schweiz Tantiemen in der Höhe von SEK 280'000.– (ca. CHF 37'775.–) ausbezahlt. Die Tabelle zeigt sehr deutlich, dass die Präsenz von schwedischer Musik in der Schweiz ungleich grösser ist als umgekehrt. Als weiterer Vergleich wurde das Beispiel USA ange- fügt. In diesem Fall ist die Präsenz US-amerikanischer Musik in Schweden viel höher als der von schwedischer Musik in den USA.

306: Schweizer Musikexportstatistik 2006 Gemäss Bundesamt für Statistik, welches sich auf die eidgenössische Zollverwaltung beruft, setzte sich der Musikexport der Schweiz 2006 folgendermassen zusammen354: Format Einheiten (Stk.) CHF Schallplatten 477‘859 1‘317‘302.– CDs 9‘571‘113 43‘632‘177.– Total 10‘048‘972 44‘949‘484.–

Diese Zahlen sind ungenau und nur bedingt aussagekräftig. In den Exporten werden nicht nur Schweizer Produkte erfasst, sondern auch in der Schweiz hergestellte ausländische Mu- sik. Seit 2007 wird Musik nicht mehr separat erfasst, sondern in einer Kategorie mit DVDs.

310: Progg Mit der Band Nationalteatern und dem Label MNW als Flaggschiffe sah sich diese kulturelle Volksbewegung nicht direkt als politische Bewegung und ihr wurden auch keine spezifi- schen Musikstile zugeordnet.355 Ihr zugrunde lag eine Haltung, die eine nicht zentralisierte, nicht elitäre und unkommerzielle Musikkultur propagierte.356 War (und ist) die Sprache der Popmusik die englische, so wurde in der Progg-Bewegung oft die schwedische Sprache an- gewendet. Musikjournalist Nils Hansson beschreibt 1998 einen anderen interessanten Blick- winkel: „The music movement’s position was so strong, that a large proportion of the pop music that was produced during the 1980s must be viewed as a reaction to, or as an extension of, the movement.“357

354Information per E-Mail am 27. Juni 2011 355Das schwedische „Progg“ ist nicht zu verwechseln mit der Musikrichtung „progressive music“ 3561975 wird in diesem Zusammenhang ein Alternativfestival zum Eurovision Song Contest durchgeführt, das gegen die an den Markt angepasste Musik ist und die multinationalen Plattenfirmen kritisiert: http://www.nationalteatern.nu/skivor/alternativ_doin.htm (Stand: 10. Juni 2011) und WALLIS/MALM (1984), S. 125 – 128 357Vgl. HANSSON (1998), S. 68 89

320: Tabelle schwedischer Musikexporte im 1997 gemäss Forss358 (in Millionen SEK) Warenexport Export von Tantie- Summe Diensten men Der kreative Bereich - 210 403 613 Der produzierende Bereich 1‘300 204 341 1‘845 Der unterstützende Bereich 700 10 - 710 Der verkaufende Bereich 200 - - 200 Total 2’200 424 744 3'368*

* (ca. CHF 454,4 Mio.) Erläuterung: • Der kreative Bereich: Komponisten, Musiker, Tontechniker u.a. • Der produzierende Bereich: Tonträger- und Verlagsfirmen • Der unterstützende Bereich: Produktionsequipment (z.B. CD-Produktionsfirmen), Ma- nagement- und Marketingfirmen (inkl. Stylisten, Fotografen u.a.), Rechtsberater u.a. • Der verkaufende Bereich: Internet-Vertriebe, Grossisten, Tonträgerläden u.a.

321: Tabelle Vergleich Tantiemen Schweden – Schweiz gemäss STIM Vgl. Erläuterungen zur Fussnote 294

322: Rapport aus dem Jahr 2006 von ExMS359 In dieser Studie wurden die Einnahmen aus drei verschiedenen Einnahmequellen erfasst:

1) Warenexporte 2) Export von Dienstleistungen 3) Tantiemen (Royalties) 4) Total Gemäss ExMS sind einige der Daten geschätzte Werte. Die Zahlen zu den Warenexporten und Tantiemen-Einnahmen dagegen sind gemäss ExMS relativ sichere Angaben.

358Vgl. FORSS (1999), S. 107 359Studie von ExMS, erhalten von Anders Hjelmtorp am 28. Juni 2011, vgl. auch: http://www.mynewsdesk.com/se/view/pressrelease/115151 (Stand: 4. Juli 2011) 90

Tabelle 1: Warenexporte (in Millionen SEK) Jahr Exportvolumen Prozentuale Abweichung zum Vorjahr 2001 2'757 -5% 2002 4'767 +73% 2003 5'270 +10% 2004 4'912 -7% 2005 1'740 -65% 2006 1'195* -33% (* ca. CHF 158,891 Mio.) Erläuterung: In dieser Kategorie sind alle CDs erfasst, die Schweden exportierte. Zusätzlich erfasst sind Musikinstrumente und die Exporteinnahmen von CD-Presswerken. Auch CDs von ausländi- schen Künstlern, welche ihre CDs in einem schwedischen Presswerk herstellen liessen, sind hier erfasst, da sie für Schweden einen Warenexport darstellen. Der Einbruch im Jahr 2005 wird erklärt mit der geänderten Datenerfassung: Ab 2005 wurde Hardware nicht mehr in dieser Statistik erfasst (CD-Verkäufe jedoch nach wie vor.) Quelle gemäss ExMS: Nationales Statistikbüro.

Tabelle 2: Export von Dienstleistungen (in Millionen SEK) Jahr Exportvolumen Prozentuale Abweichung zum Vorjahr 2001 700 + 8% 2002 682 - 3% 2003 383 - 44% 2004 334 - 13% 2005 247 - 26% 2006 268* + 8% (* ca. CHF 35,634 Mio.) Erläuterung: In dieser Kategorie sind die Exporteinnahmen von Studios, Video-Produzenten und anderen Dienstleistungsbetrieben erfasst. Die Daten wurden gemäss ExMS in telefonischen Inter- views mit 52 Firmen ermittelt. ExMS betont, dass bei Abschluss der Studie noch Fragebogen

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ausstehend waren resp. Daten fehlten. Des Weiteren sei es äusserst schwierig, wirklich alle diese Dienstleistungsbetriebe erfassen zu können.

Tabelle 3: Tantiemen (Royalties) (in Millionen SEK) Jahr Total 2001 1‘336 2002 1‘310 2003 1‘316 2004 1‘287 2005 1‘132 2006 530* (* ca. CHF 70,470 Mio.) Erläuterung: Die ausgewiesenen Tantiemen beinhalten die Vergütungen aus Radio-, TV- und anderen öf- fentlichen Aufführungen der Urheberrechtsorganisationen STIM und SAMI. Des Weiteren sind die sogenannten mechanische Rechte (= Vervielfältigungsrechte) der NCB miterfasst. Ebenfalls enthalten sind die Tantiemen von sogenannten „Sub-publishers“. (In diesem Zu- sammenhang ausländische Urheberrechtsorganisationen, die keine vertragliche Zusammen- arbeit mit STIM oder SAMI haben). Der grosse Einbruch zwischen 2005 und 2006 ist darauf zurückzuführen, dass die Tantiemen der Sub-publishers im Jahr 2006 mit dem Export von Dienstleistungen erfasst worden sind.

Tabelle 4 (Total) (in Millionen SEK) Jahr Exportvolumen Prozentuale Abweichung zum Vorjahr 2001 4’809 + 6% 2002 6’759 + 40% 2003 6’969 + 3% 2004 6’533 - 6% 2005 3’119 - 52% 2006 1’993* -36% (* ca. CHF 264,995 Mio.) Erläuterung: Der Exportvolumen der gesamten Musikindustrie betrug also im Jahr 2006 gemäss diesem Rapport SEK 1,993 Mrd. ExMS betont, dass Folgendes zu berücksichtigen sei:

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a) Definition der Elemente, die zum Musikexport gezählt wurden b) Die verschiedenen Arten von Exporteinkommen c) Eine gewisse Unsicherheit bei einigen Einkommen (Beispiel: geschätzte Zahlen bei den Dienstleistungen, bzw. Interviews als Quellen)

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ANHANG 3: Interviews und Stellungnahmen Interview Marius Käser, Verantwortlicher Pop Pro Helvetia Interview Jean Zuber, Geschäftsleiter Swiss Music Export Stellungnahme Guido Röösli, Inhaber Goldon Records Luzern Stellungnahme Pia Kalischer, Programmverantwortliche Sveriges Radio

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Interview mit Marius Käser, Verantwortlicher „Pop“ bei Pro Helvetia

 Sämtliche Fragen betreffen die Musikförderung, genauer die Förderung von Populärmu- sik.

1. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob eine Tournee im Inland unterstützt werden soll?

Pro Helvetia unterstützt im Bereich der Popmusik keine Inlandtourneen.

2. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob eine Tournee im Ausland unterstützt wer- den soll?

Musikalische Qualität, Leistungsausweis, Rahmenbedingungen der Tournee (Anzahl Konzerte, strategische Partnerschaften: Label, Vertrieb, Promotion, Medienarbeit, Fi- nanzierungsplan. Aussicht auf Nachhaltigkeit.

3. Gibt es staatliche Vorgaben betreffend einer Förderungsstrategie? Falls ja, welche?

Ja. Förderstrategien müssen im Einklang mit dem Pro Helvetia-Gesetz, der Beitragsver- ordnung und der Geschäftsordung sein. http://www.prohelvetia.ch/Reglemente.867.0.html

4. Wie ist die Zusammenarbeit mit der Branche (Labels, Agenturen)?

Informeller Informationsaustausch.

5. Wie ist die Zusammenarbeit mit der Musikexportstelle SME?

Pro Helvetia ist mitfinanzierendes Gründungsmitglied von Swiss Music Export, hat Einsitz im Vorstand und bestimmt die Strategien mit.

6. Wird versucht, das Image des Landes über die Musik zu transportieren, resp. wird Mu- sik als Imagefaktor des Landes eingesetzt?  wenn ja, inwiefern arbeiten Sie mit landestypischen Images? Slogans? Bildlich?

Nein.

7. Gibt es prioritäre Territorien/Standorte und wenn ja, warum wurden diese gewählt?

Auslandtourneen von Schweizer Pop-Acts finden häufig in Deutschland und Frankreich statt, in zweiter Linie folgen andere europäische Länder, dann Nordamerika, Japan und Südamerika. Territorien/Standorte sind also projektabhängig. Teils engere Beziehungen unterhalten wir mit den Ländern und Regionen, in denen Pro Helvetia Aussenstellen und Kulturzentren hat. http://www.prohelvetia.ch/AUSSENSTELLEN.36.0.html

8. Gibt es gemeinsame Strategien/Austauschprojekte mit den Nachbarländern?

Nein.

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9. Wie hoch ist Ihr jährliches Budget für die Förderung von Pop/Rock (falls diese Abgren- zung besteht)?

Es besteht keine explizite Budgetverteilung nach musikalischen Stilrichtungen. Erfah- rungsgemäss bewegen sich die für Popmusikprojekte gesprochenen Mittel in einer pro- zentualen Bandbreite von 15% bis 20% des Musikbudgets, welches rund CHF 2,5 Mio beträgt.

10. Wie viele Personen mit wie vielen Stellenprozenten arbeiten für Pro Helvetia in der Ab- teilung „Pop-/Rockförderung“?

1 Person, 50 Stellenprozente.

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Interview mit Jean Zuber, Geschäftsleiter Swiss Music Export (Deutsche Schweiz) ( Die Antworten wurden separat formuliert und finden sich im Dokument gleich anschlies- send)

1. Wie lautet die Leitidee von Swiss Music Export?

2. Wie ist Swiss Music Export institutionalisiert (finanziert) und über welche Steuerungs- instrumente (Budgets) verfügt Ihre Institution?

3. Wie viele Personen mit wie vielen Stellenprozenten arbeiten für Swiss Music Export?

4. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob der Export einer Produktion unterstützt werden soll?

5. Nach welchen Kriterien werden die Künstler ausgewählt, die jeweils auf dem Sammel- tonträger (Sampler) vorgestellt werden?

6. Nach welchen Kriterien werden Branchenanlässe im Ausland ausgewählt, an denen ihre Organisation teilnimmt?

7. Welche sind die prioritären Exportterritorien und warum wurden diese gewählt?

8. Gibt es staatliche Vorgaben betreffend Exportstrategie? Wenn ja, welche?

9. Wie ist die Zusammenarbeit mit der Branche (Labels, Agenturen)? Beispiele?

10. Inwiefern arbeiten Sie mit landestypischen Images? Slogans? Bildlich?

11. Für Schweden: wie wichtig ist ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit mit den nordi- schen Länder wenn Sie dies auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 5 (sehr wichtig) an- geben müssten?

12. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Deutschland und Frankreich, wenn Sie dies auf einer Skala von 1 (unwichtig) bis 5 (sehr wichtig) angeben müssten?

13. Gibt es gemeinsame Strategien mit den Nachbarländern für den Export in andere Län- der? Wenn ja, mit welchen?

14. Gibt es Austauschprojekte mit den Nachbarländern? Beispiele?

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FRAGEN AN DIE MUSIKEXPORTSTELLE SCHWEIZ

1. Wir glauben an den Erfolg von Schweizer Musikern im Ausland und helfen gerne und kompe- tent mit, diesen zu verwirklichen. SME bietet Strukturen an, die KünstlerInnen an die entspre- chenden Medien, Leute, Labels, Festivals, Agenturen und letztlich zum Publikum bringt. Seit 2003 werden Schweizer KünstlerInnen und Bands von uns gefördert, die im weitesten Sinne dem Begriff „Pop“ entsprechen und ihren Weg ins Ausland suchen.

2. Swiss Music Export ist eine gemeinsame Initiative von Pro Helvetia, Fondation CMA, Fondation SUISA, Migros Kulturprozent, Schweizerische Interpretenstiftung (SIS) und der Stif- tung Phonoproduzierende (IFPI). Weitere Informationen und Zahlen sind dem Jahresbericht 2010 zu entnehmen.

3. 2 Personen Geschäftsleitung, zusammen 105% 1 Praktikant 80%

4. Voraussetzung ist die Existenz einer professionellen Struktur (Booking, Management, Label o.ä.) und reelle Chancen im jeweiligen Markt. Ernsthafter Erfolg im Ausland ist vor allem auch vom Willen der Band abhängig. SME verlangt vom Künstler ein hohes Mass an Eigeninvestiti- on.

5. Wir verfügen über keine eigenen Sampler, sondern machen einzelne Kooperationen mit an- deren Institutionen wie zum Beispiel der CMA. Mit einer beratenden Stimme suchen wir ge- meinsam nach Neuheiten (in den letzten 12 Monaten) im Schweizer Musikmarkt.

6. Wichtig für eine Teilnahme ist eine hohe Dichte an internationalen Fachleuten. Ein guter Aus- tausch und die Chance, Schweizer Künstler zu vermitteln spricht für einen Besuch eines Anlas- ses.

7. Das Hauptgewicht liegt vorwiegend auf den deutsch- und französischsprachigen Musikmärk- ten in Europa. Unsere personellen und finanziellen Mittel sind beschränkt und aus diesem Grund fokussieren wir uns im Wesentlichen auf die Länder mit der grössten Hauptaktivität der Schweizer KünstlerInnen. Erfahrungsgemäss sind dies Deutschland und Frankreich.

8. Nein: SME ist keine staatliche Organisation. Der Vorstand legt die Strategie fest, welche fort- laufend auf aktuelle Bedürfnisse angepasst wird.

9. Ich würde sagen ziemlich gut. Vor allem mit den Indie-Labels und Agenturen stehen wir eng in Kontakt und halten uns gegenseitig auf dem Laufenden. Es ist von grösster Wichtigkeit die Beziehungen unter einander zu pflegen, schliesslich arbeiten wir für den Erfolg der Schweizer Musik.

10. Wir spielen gerne mit Schweizer Klischees, auch mit einer ironischen Umsetzung. Schoko- lade, Raclette-Käse, Bündnerfleisch usw. sind zum Beispiel immer sehr beliebt.

Kasernenstrasse 23 CH-8004 Zürich T +41 44 273 03 16 St-Jean 1 CH-1260 Nyon T +41 22 363 75 90 98

11. -

12. 2 mal 5 Punkte - sehr wichtig. Dies ist unser Kerngeschäft.

13. Nur wenig oder nur punktuell vor allem mit Frankreich, Belgien und Deutschland. Anmer- kung: Länderstände an Musik-Messen organisiert nicht SME, sondern meistens die SUISA- Stiftung.

14. Immer wieder versucht SME Festival-Austauschprojekte zu initiieren (z.B. das Botanique Belgien mit dem Label Suisse, u.a.).

Herzlichen Dank für das Interesse an Swiss Music Export. Wir wünschen euch alles Gute für eure Masterarbeit.

Freundliche Grüsse

Jean Zuber Managing Director

Kasernenstrasse 23 CH-8004 Zürich T +41 44 273 03 16 St-Jean 1 CH-1260 Nyon T +41 22 363 75 90 99

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 Das Förderkonzept für die Förderung der musikalischen Bildung im Rahmen des neuen Kulturfördergesetzes:

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Stellungnahme betreffend Radioquoten von Pia Kalischer, Programmverantwortliche Sveriges Radio

Pia Kalischer   2011-06-27 18:42

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