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Steuer-Nummer 34/217/58303 USt-ID 196559745 Katalog Herbst 2016 Kunst – Literatur – Autographen Seite 2

1. ABC. Beiträge zum Bauen Serie 2, No. 2. Redaktion: Hannes Meyer, Basel. Basel. [1926.] 8 S. Mit zahlr. fotogr. Abb. u .a. von Arbeiten Baumeisters, Dexels, Kassaks, Lissitzkys, Mondrians, Nerlingers, Vantongerloos. Folio, Orig.-Karton. - Widmungs exem- plar von Hannes Meyer an Walter Dexel. (Bestell-Nr. KNE27766) 1.000 € Belegexemplar mit dem handschriftlichen Vermerk auf der Umschlaginnenseite: „Walter Dexel zugeeignet, HM. 26“; Anlass war vermutlich die Abbildung des Hinterglasbildes Komposition IV von 1925, welche Moholy-Nagys Beitrag „Ismus oder Kunst“ beigestellt wurde (vgl. Wöbkemeier 288). - Es erschienen lediglich acht Ausgaben der Zeitschrift. - Die Reihe wurde in den Jahren von 1924 bis 1928 publiziert. - Als der Architekturverband Asnova gegründet wurde, befand sich Lissitzky auf seiner von der USSR offiziell geförderten Grand Tour durch Europa, auf welcher er für den russischen Konstruktivismus warb. Es war ihm in dieser Zeit möglich, ein großes Netzwerk zu knüpfen und verschiedene Künstler für seine Sache einzunehmen. Die Förderung und Gründung von Zeitschriften, welche sich untereinander mit Beiträgen und Hinweisen quer über den Konti - nent unterstützten, war dafür von zentraler Bedeutung. Wichtiger Ausgangspunkt hierfür war Berlin, wo Lissitzky an der Organisation für die „Erste Russische Kunstausstellung“ beteiligt war, etliche Vorträge hielt, zahlreichen Zusammenkünften federführend beiwohnte und die Zeit schrift „Vesc-Gegenstand-Objet“ herausgab. Auch Hans Richters Periodikum „G. Material zur elementa - ren Gestaltung“ war von ihm angeregt. Weiterhin lud Kurt Schwitters den Proun-Konstrukteur zur Zusammenarbeit an Ausgaben der Zeitschrift „Merz“ ein und mit van Doesburg sowie Moholy- Nagy plante Lissitzky eine alle Sprachbarrieren überschreitende Zusammenarbeit zwischen „De Stijl“, „Vesc-Gegenstand-Objet“ und „Ma“. Ebenso bestand u.a. Kooperation mit „Blok“ in Polen und „Zenit“ in Jugoslawien. Es fehlte in diesem Netzwerk europäischer Konstrukti visten jedoch eine Gruppe, die sich in ihren Publikationen vor allem mit Architektur befasste, und zwar derart, dass sie die Auffassungen der 1923 gegründeten russischen Vereinigung Asnova in Europa bekannt machte. In Berlin lernte Lissitzky den aus Rotterdam stammenden Architekten Mart Stam kennen, mit dem er danach in regem Briefwechsel stand. Als Lissitzky an einer schweren Lungentuber ku - lose erkrankte und in ein Sanatorium nach Locarno fuhr, traf er Stam in Zürich wieder. Dem in der Schweiz lebenden Holländer und einer Reihe gleichgesinnter Schweizer Architekten war es ein wichtiges Anliegen geworden, eine Architekturzeitschrift ins Leben zu rufen. Zu diesem Kreis zählten Paul Artaria, Hannes Meyer, Werner Moser, Emil Roth und Hans Wittwer. Ihr Magazin soll - te sich ausschließlich mit den neuen radikalen Tendenzen in der Archi tek tur befassen. Doch weder Stam noch andere Beteiligte hatten bisher Erfahrungen in der Heraus gabe einer solchen Reihe gesammelt. So kamen zwei Interessen zusammen und man einigte sich folglich schnell auf intensive Kooperation. Lissitzky, der nun die Möglichkeit eines europäischen Sprachrohrs für Asnova sah, plante während seines Schweizaufenthaltes engagiert die Herausgabe von „ABC. Beiträge zum Bauen“ gemeinsam mit der Gruppe. Deren Vorgabe war es, die Arbeiten Asnovas in Artikeln offen zu unterstützen. Im Gegenzug erhielten die Schweizer Architekten, neben Hilfe - stellung bei der Gestaltung und Herausgabe, einige Erstveröffentli chungs rechte von Lissitzky. Bereits das Format des Magazins war eine inhaltliche Aussage, wurde es doch von „Vesc- Gegenstand-Objet“ und „G“ übernommen. Verantwortlich für die Gestaltung waren Hans Schmidt und Mart Stam. Die ersten beiden Hefte galten vor allem dem russischen Konstrukti vis mus und seinem wichtigsten Vertreter in Westeuropa. Nachfolgend erschien in der ersten Serie, wie verein - bart, in jedem Heft ein entsprechender Leitartikel. Diese starke Bindung erwies sich jedoch als sehr problematisch, war doch Asnova vor allem der utopischen Architektur verschrieben, wohin - gegen die ABC-Mitglieder ein großes Interesse daran hatten, ihre Entwürfe umzusetzen. Als Lissitzky 1925 wieder in die USSR ging, begann die Gruppe, sich mit anderen Vereinigungen der europäischen Avantgarde zusammenzuschließen. (Vgl. Sima Ingberman, ABC, Internationale Kon struktivistische Architektur 1922 -1939, Braunschweig und Wiesbaden 1997, S. 20 -107.) - Rän - der mit leichten Knickspuren, Karton etwas gebräunt, angestaubt u. mit handschriftl. Vermerk „[1926]“. Seite 3 Seite 4

2. Baumeister, Willi. Ausstellung Willi Baumeister 2. Juli bis 13. August. Galerie von Garvens, Hannover. 1922. 24 S. mit zahlr. Abb. 8 °, Orig.-Broschur mit Pergamin-Um - schlag mit Deckelillustr. von Willi Baumeister. - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE 29471) 900 € Sehr seltener Katalog zu einer der frühen Einzelausstellungen Willi Baumeisters. - Mit handschriftl. Widmung des Künstlers am Textbeginn „Herrn Gustav Stotz“, signiert und datiert 1922. - Gustav Stotz war seit 1922 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft des Werkbundes in . Ab 1925 hatte er, geimsam mit Mies van der Rohe und dem Architektur-Kritiker Walter Curt Behrendt, dessen Leitung inne und organisierte das Projekt „Weißenhof-Siedlung“ und die Ausstellung „Die Wohnung“. In nur drei Jahren wurde die Idee realisiert und 1927 die Werkbund- Siedlung in Stuttgart eröffnet. - Mit einer Einleitung von Karl Konrad Düssel. - Die Ausstellung in der Galerie von Garvens im Sommer 1922 steht für Baumeister in einer Reihe wichtiger Er - eignisse, die seine bisherige Arbeit an das Licht einer internationalen Öffentlichkeit brachten. Seine „Mauer-Bilder“ erregten dabei großes Interesse, vor allem in Frankreich. So kam es nicht nur zu dieser Einzelausstellung, sondern auch zu einer Exposition gemeinsam mit Fernand Léger in Herwarth Waldens Berliner „Sturm-Galerie“. Daneben veröffentlichte Waldemar George im selben Jahr in der Pariser Zeitschrift „L’Esprit nouveau“ einen wichtigen und viel beachteten Artikel über ihn. - Pergaminumschlag mit kleineren Fehlstellen u. fleckig, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Spiel mann 219. - Kat. Berlin (1989) S. 24. Seite 5

3. Beckmann, Max: Der Zeichner in Gesellschaft. Radierung auf Velin. 1922. 32,8 x 24,2 cm. (Bestell-Nr. KNE29691) 2.000 € Im Passepartout. - Unten rechts signiert. - Exemplar Nummer 5 der 40 von Günther Franke num - merierten Exemplare (von insgesamt 100 auf Velin); daneben erschienen 50 Exemplare auf Japan. - Der von Beckmann dargestellte Künstler ist Rudolf Grossmann. Laut Hofmaier ebenfalls darge - stellt ist der Münchener Maler Rolf E. von Hoerschelmann. - Bl. außerhalb der Platte beschnitten. - Hofmaier 230 III B. Seite 6

4. Dexel – Neue Frankfurt, Das. Monatsschrift für die Fragen der Grosstadt gestal- tung. Herausgeber: Ernst May. 1. Jahrg., Nr. 3. Englert und Schlosser, Frankfurt a. M. Januar 1927. S. 45 - 64, 1 Bl. Mit zahlr., teils farb. Abb. 4 °, Orig.-Broschur (Willi Bau - meister). (Bestell-Nr KNE29359) 500 € Vorderdeckel mit Besitzvermerk von Walter Dexel. - Themenschwerpunkt der vorliegenden Nummer ist die Reklame. - Dem Bund „Das neue Frankfurt“ gehörten u.a. Breuer, Dexel, Gropius, Le Corbusier, Moholy-Nagy und M. Stam an. - „Das neue Frankfurt“ war neben der vom Bauhaus Dessau herausgegebenen „Vierteljahr-Zeitschrift für Gestaltung“ das wichtigste regelmäßig er - scheinende Organ der Vertreter des Neuen Bauens und funktioneller Gestaltung in der Weimarer Republik. Auch thematisch setzte man sich intensiv mit den Arbeiten zum Teil ehemaliger Mit - glieder des Bauhauses wie Herbert Beyer, Paul Klee, Hannes Meyer, László Moholy-Nagy u. Oskar Schlemmer auseinander. Die Zeitschrift war zeitweise Berichtsorgan der von Schwitters 1928 initiierten Gruppe „ring neuer werbegestalter“ zu der auch Dexel gehörte. - Als logische Weiter - entwicklung der gedruckten Reklame entwarf Dexel die ersten Reklamelampen, formal ent - wickelt aus seinen freien Kunstformen und seiner Gebrauchsgrafik. Von 1926 bis 1928 wurde Dexel von den Architekten Adolf Meyer und Ernst May nach Frankfurt berufen, um dort die schnell expandierende Außenreklame zu koordinieren (vgl. Kat. Marzona S. 5f). - Enthält die Bei - träge: Walter Dexel, Reclame im Stadtbilde; Adolf Behne, Kunst, Kultur und Reclame u. Ernst May, Reklamereform. - Mit Abb. städtischer Außenreklame, Plakaten, Werbedrucken von Behne, Dexel, Epstein, Leistikow, Renner, Schlemmer u .a. - Rücken berieben, sonst gut erhaltenes Exemplar. Seite 7

5. Dexel, Walter. Eigenwerbung, Postkarte. „Sachlich klar und eindrucksvoll“. Jena. ca. 1925. 1 Bl. Druck in Rot, Schwarz u. Gelb auf Karton. 10,6 x 14,8 cm. (Bestell-Nr. KNE 27654) 1.000 € Von Walter Dexel gestaltete Karte zur Eigenwebung. Die Vorderseite zeigt eine von Dexel entwor - fene Reklamelampe des Jenaer Gaswerks und den Werbetext für von ihm gestaltete Werbe - plakate, Signete, Messestände etc. Rückseitig zwei Auszüge aus Presseurteilen aus dem Jahr 1925 von H. de Fries (Die Baugilde) und Adolf Behne (Seidels Reklame). - Die Karte zeigt den bei Dexel typischen stark architektonischen Aufbau; die Textblöcke, manche senkrecht gestellt, werden in wenigen verschiedenen Größen zueinander in Beziehung gesetzt und oft durch waagerechte und senkrechte Linien gegliedert. - Karte mit winzigen, schwachen Stockflecken, auf der Rück - seite an zwei kleinen Stellen berieben, sonst gut erhalten. - Kat. Marzona S. 5. - Wöbkemeier 194.

6. Dexel, Walter. Einladungskarte zu Ausstellungen im Kunstverein Jena. Johannes Auerbach, August Macke Gedächtnis-Ausstellung, Georg Kötschau. Herbst 1925. Gedruckt auf Karton. 10,6 x 10,5 cm. (Bestell-Nr. KNE29355) 500 € Von Walter Dexel typographisch gestaltete Einladungskarte. - Dexel, ab 1916 Ausstellungsleiter im Kunstverein Jena, baute die dortige Sammlung aus und schuf einen wichtigen Aus stel lungs - ort für die modernen Kunströmungen. - Provenienz: Dexel Privatarchiv. - Gut erhalten. - Kat. Marzona S. 18. - Wöbkemeier 9. Seite 8

7. Dexel, Walter. Originalmontage, Vorlage und gedruckte Werbekarte. Marke Glückauf. Eisenhütten und Emaillirwerk Tangerhütte. Originalmontage 16,4 x 14,5 cm auf Karton (29,7 x 21 cm). Vorlage 19,2 x 17,5 cm auf Karton (30 x 21 cm). Werbekarte 14,8 x 10,5 cm. (Bestell-Nr. KNE29358) 1.500 € Die Vorlage besteht aus dem markanten roten Buchstaben T und einer runden Ausstanzung, in die in der Originalmontage die Abbildung einer steinernen Bergmannfigur, die eine Tafel mit dem Symbol für den Bergbau „Schlägel und Eisen“ in Händen hält, eingefügt ist. Auf der gedruckten Werbekarte wurde nur der Farbton des Ts leicht verändert. - Das Eisenhütten- und Emaillirwerk Tangerhütte wurde 1842 durch Johann Jacob Wagenführ gegründet. - Provenienz: Dexel Privat - archiv. - Der Karton der Originalmontage mit vier winzigen Nadellöchern an den Rändern, sonst sehr gut erhalten. Werbekarte verso mit Besitzstempel W. Dexel, Magedeburg, Stadtparkstr. 1. Seite 9 Seite 10

8. Dexel, Walter. Abreiß-Werbekalender 1929. Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei GmbH Jena. Geschäftstelle Weimar. 1929. Abreiß-Zettelblock (15,5 x 10 cm) auf Unter - satzkarton (33 x 26 cm) montiert. (Bestell-Nr. KNE29356) 1.000 € Typografische Gestaltung von Walter Dexel. - Provenienz: Dexel Privatarchiv. - Kalender ist un - benutzt und vollständig. - Sehr gut erhalten. - Selten. Seite 11

9. Dexel, Walter. Werbekarte für die Reihe Prometheus Bücher. „Erwirb neuestes Wissen in unterhaltsamer Weise!“ [1927.] Gedruckt auf Karton. 21,8 x 15,7 cm. (Bestell- Nr. KNE29354) 800 € Für die Reihe „Prometheus-Bücher. Unterhaltsame Belehrung und Aufklärung für jedermann“, herausgegeben von Ernst Mühlbach und erschienen im Hesse & Becker Verlag, entwarf Dexel ab 1927 Einbände und Schutzumschläge. - Rückseitig signiert und datiert. - Provenienz: Dexel Privat - archiv. - Gut erhalten. - Kat. Marzona S. 49. - Wöbkemeier 200. Seite 12

10. Dexel, Walter. Schutzumschlag für Adolf Behne: Neues Wohnen neues Bauen. [1927.] 19,2 x 40 cm. (Bestell-Nr. KNE29353) 500 € Für die Reihe „Prometheus-Bücher. Unterhaltsame Belehrung und Aufklärung für jedermann“, herausgegeben von Ernst Mühlbach und erschienen im Hesse & Becker Verlag, entwarf Dexel ab 1927 Einbände und Schutzumschläge. - Rückseitig signiert und mit Ortsvermerk (Magdeburg) sowie die Notitz „Schutzumschlag“. - Provenienz: Dexel Privatarchiv. - Bl. mit kleinen Randläsuren, sonst gut erhalten. - Kat. Marzona S. 51.

11. Dexel, Walter. Schutzumschlag (Probedruck) für Paul Perlewitz: Wetter und Mensch. [1927.] 19,2 x 35 cm. (Bestell-Nr. KNE29352) 500 € - Rückseitig signiert und mit Ortsvermerk (Jena) sowie die Notitz „wenn reproduzieren, dann ohne Rückseite reproduzieren“. - Provenienz: Dexel Privatarchiv. - Bl. gut erhalten. - Kat. Marzona S. 53. Seite 13 Seite 14

12. Dexel, Walter: Sternenbrücke. Holzschnitt. 1919. 26,8 x 20,2 cm. (Bestell-Nr. KNE 29692) 1.500 € Im Passepartout. - Unten rechts signiert, unten links mit dem Blindstempel „Staatliches Bauhaus Weimar“. - Eines von 100 (insges. 110) Exemplaren aus der 3. Bauhausmappe „Deutsche Künstler“, erschienen 1921. - Gut erhalten. - Vitt, Walter Dexel Werkverzeichnis der Druckgrafik, Nr. 10. Seite 15

13. Flechtheim, Alfred: Galerie Alfred Flechtheim. Wieder er öffnung-Ostern 1919. 1. Aus stellung. Expressionisten. Gustav Kiepenheuer, Berlin u. Potsdam. 1919. 88 S. Mit zwei Holzschnitten von Eberhard Viegener u. Richard Schwarzkopf u. zahl. Abb. 8°, Orig.-Karton (Entwurf von Richard Schwarzkopf). (Bestell-Nr. KNE29456) 500 € In kleiner Auflage gedruckt; daneben erschienen 50 Exemplare als Vorzugsausgabe, in denen die Holzschnitte signiert wurden. - Herausgegeben anlässlich der Wiedereröffnung der Galerie Alfred Flechtheim in Düsseldorf mit einem Vorspruch von Herbert Eulenberg und Beiträgen von Walter Cohn, Wilhelm Hausenstein, Hans Müller-Schlösser, Paul Seehaus, Wilhelm Uhde, Hermann von Wedderkorp und Paul Westheim. - Satzanordnung von Richard Schwarzkopf, Druck von A. Bagel. - Karton teils schwach knickspurig, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Holzschnitte auf gelbem Japanpapier in guter Erhaltung. - Rifkind 3046. Seite 16

14. Aus der Bibliothek von Otto Schmalhausen. – Kandinsky, [Wassily] u. [Franz] Marc (Hrsg.): . Zweite Auflage. R. Piper & Co., München. 1914. 140 S. Mit vier pochoirkolorierten Tafeln u. zahlr., teils beidseitig bedruckten Tafeln u. Abb. sowie drei Musikbeilagen u. acht Vignetten. Gr.-4 °, Orig-Karton mit Titelholzschnitt von Wassily Kandinsky in Blau und Schwarz. (Bestell-Nr. KNE29728) 4.500 € In einer Auflage von 1100 Exemplaren erschienene zweite, um je ein Vorwort von Wassily Kandinsky und Franz Marc erweiterte Auflage. - Aus der Bibliothek von Otto Schmalhausen (1890 - 1958), Mitglied der Gruppe Dada-Berlin sowie Schwager und langjähriger Freund von George Grosz. Die wohl bekannteste Arbeit Schmalhausens, dem Dada-Oz, war die gestaltete (oder verunglimpfte) Totenmaske Beethovens; das Foto der Maske illustrierte 1920 Huelsenbecks „Dada Almanach“. Im selben Jahr gründete Schmalhausen das Institut „Oz-Dada-Werke“ zur Anfertigung von Dada-Photo-Portraits und nahm an der Ersten Internationalen Dada-Messe teil (vgl. Hanne Bergius: Das Lachen Dadas. Gießen, 1989. S. 182. - Mit Texten u .a. von D. Burljuk, A. Macke, A. Schönberg, F. Marc, W. Kandinsky und 141 Abbildungen nach Picasso, Kirchner, Delaunay, Matisse, Heckel, Gauguin, Nolde, Pechstein, Kubin, Kokoschka, Arp, Klee u .a. Davon vier kolorierte Tafeln u.a. nach den Holzschnitten „Pferde“ von Franz Marc und „Komposition Nr. 4“ von Kandinsky. - Musikbeilagen von Arnold Schönberg, Alban Berg u. Anton von Webern. - Ohne die Tannhauser-Anzeige. - Karton an den Rändern schwach knickspurig. Wenige Anstreichungen in Blei u. Rot, Titelbl. gestempelt „Schmalhausen“. Gut erhaltenes Exemplar. - Jentsch, Expres sio - nismus 5. - Lang, Expressionismus S. 149 (Abb.) - Barnett 418. Seite 17 Seite 18

15. Neue Pathos, Das. 2. Jahrg., Heft 2. Herausgegeben von Hans Ehrenbaum-Degele, Robert R. Schmidt und Paul Zech. E. W. Tieffenbach, Berlin 1914. S. 53 - 88. Mit vier Litho - graphien von Waldemar Rösler, Erich Heckel, Felix Meseck, Karl Schmidt-Rottluff u. zwei Holzschnitten von Wilhelm Gerstel u. Walter Klemm. Fol., Orig.-Karton mit mont. wei - ßem Deckelschild. (Bestell-Nr. KNE29426) 850 € Eins von 250 nummerierten Exemplaren der Ausgabe B auf holländischem Bütten. - Seltene und bedeutende frühexpressionistische Zeitschrift für die neue Dichtung und Kunst. Der ohne Zählung erschienene erste Jahrgang 1913 umfasst sechs Nummern in vier Heften. 1914 erschie - nen zwei Hefte, ein weiteres erst 1920. Alle Hefte wurden als Privatdrucke in 100 (Jahrg. 1914 in 250) nummerierten Exemplaren auf der Handpresse von E. W. Tieffenbach, der Officina Serpentis, gedruckt. - Namensgebend für die Zeitschrift war der gleichnamige Aufsatz Stefan Zweigs, der die Auftaktnummer vom Mai 1913 eröffnete und der bereits 1910 in seinem Buch über Emil Verhaeren veröffentlicht wurde und in dem er den Begriff Pathos, im Rückgriff auf antike grie - chische Dichtung, mit Leidenschaft, Emotion und Expressivität verknüpft: „Das Gedicht jener Großen und Fernen […] war eine Ansprache an die Menge, eine Mahnung, eine Anfeuerung, eine Exstatik, eine direkte elektrische Entladung von Gefühl zu Gefühl. […] Aber eben in unseren Tagen scheint sich wieder eine Rückkehr zu diesem ursprünglichen innigen Kontakt zwischen dem Dichter und dem Hörer vorzubereiten, ein neues Pathos wieder zu entstehen.“ (Zit. nach: Seite 19

Frank Krause: Literarischer Expressionismus. Göttingen, 2015. S. 140.) - Die Zeitschrift enthält ne - ben Gedichten, allgemeinen Aufsätzen, Prosa und Szenen junger Autoren zahlreiche gra phische Beigaben und verweist schon durch den Titel auf den Ansatz in der neuen Dichtung, wie er von Kurt Hillers Neuem Club und dem Neopathetischen Cabaret in Berlin gepflegt wurde. (Hierzu und zum Folgenden vgl. Frank Krause: Literarischer Expressionismus. Göttingen, 2015. S. 132ff. u. Peter Brooker (Hrsg.): The Oxford critical and cultural history of Modernist Magazines. Vol. III. Part II. S. 765ff.) Der Begriff des Pathos ist hier im Gegensatz zu der Zeit vor Nietzsche und der Jahr hundertwende deutlich erweitert. Pathos, als sprachlich hervorgerufenes Gefühl, stellt nun eine eigenständige Sinnquelle dar; es sollen neben ergreifender Situationen, deren leidhafte Qua lität ethisch lehrreich sein kann, auch der totale Verlust des gesicherten Sinns spielerisch nach vollzogen werden. - Mit Beiträgen von Arthur Rimbaud und Emil Verhaeren in deutscher Nachdichtung von Paul Zech, Kasimir Edschmid, Hans Ehrenbaum-Degele, Albert Ehrenstein, Ri - chard Dehmel, Walter Hasenclever, Max Herrmann, Oskar Loerke, R. L. Meurer, Robert R. Schmidt, Franz Werfel u. Stefan Zweig. - Enthält Holzschnitte von Wilhelm Gerstel u. Walter Klemm sowie Lithographien von Waldemar Rösler, Erich Heckel, Felix Meseck u. Karl Schmidt-Rottluff. - Karton leicht gebräunt u. schwach fleckig, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Raabe, Zeitschriften 12. - Söhn, III 34202. - Rodenberg S. 109. -Bolliger II/533. Seite 20

16. Sichel, Die. I. Jahrg., 2. Heft. [von 6]. Sonderheft Ex libris. Hrsg.: Josef Achmann und Georg Britting. Die Sichel, Regensburg. August 1919. S. 20 - 34. Mit acht Holzschnitten (davon einer auf dem Umschlag) von Josef Achmann (4), Oskar Birckenbach (2), Hein rich Campendonk u. Conrad Felixmüller. 4 °, Orig.-Umschlag. (Bestell-Nr. KNE29442) 500 € Selten. - In sehr kleiner Auflage erschienene spätexpressionistische Zeitschrift für Kunst und Li - teratur. - Auf Werkdruckpapier. - Exemplar der einfachen Ausgabe; daneben erschienen im ersten und wohl nur zum Teil im zweiten Jahrgang zu jeder Nummer 50 von den Herausgebern sign. Exemplare mit der Beilage einer num. u. sign. Graphik auf Bütten, vgl. ebenso Impressum. - „Die Parität der Herausgeber, ein Maler und ein Dichter, ermöglichten die harmonische Einheit von Wort und Bild.“ (Raabe). Dieses Bestreben teilten sie ebenso mit Karl Lorenz und Rosa Schapire, in deren Zeitschrift „Die rote Erde“ sie Beiträge veröffentlichten. Das Regensburger Projekt konnte, aufgrund des sehr kleinen Abonnementenkreises, nur bis Anfang 1921 bestehen, und dies vor allem durch die finanzielle Unterstützung der Förderin Achmanns, Martha Reuther. Motto war das alttestamentarische Wort: „Schlaget die Sicheln / denn die Ernte ist reif“ (Joel, Kap. III, II, 13). Exemplarisch für die Definition des Expressionismus für die Kunstzeitschrift ist der hier veröf - fentlichte Essay von Otmar Best „Zum Thema Expressionismus“. (Vgl. Josef Achmann. Katalog, Regensburg 1979). - Enthält Lyrik und Prosa in Erstdrucken von Georg Britting, Theodor Däubler, Hans Harbeck, Mynona u. Friedrich Schnack. - Druck durch die graphische Kunstanstalt Heinrich Schiele, Regensburg. - In diesem Heft befindet sich der Vermerk: „Die als Original bezeichneten Schnitte sind vom Stock gedruckt“. Die Bezeichnung befindet sich unter 2 Holzschnitten von Josef Achmann und einem weiteren Holzschnitt von Oskar Birckenbach. - Umschlag partiell fleckig, zwei Bll. durch Büroklammer mit kleinem Rostfleck, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Raabe, Zeit - schriften 82. - Raabe/Hannich-B. 44.31. - Dietzel/Hügel 2738. - Söhn IV, 44202. - Söhn, Felixmüller 110. - Schlawe II, 18f. - Nicht bei Rifkind.

17. Sichel, Die. I. Jahrg., 3. Heft. [von 6]. Sonderheft Bildnisse. Hrsg.: Josef Achmann und Georg Britting. Die Sichel, Regensburg. Dezember 1919. S. 3 7-56. Mit sechs Holz- schnitten (davon einer auf dem Umschlag) von , Arthur Goetz, Josef Achmann (3), Aloys Erbach, einem Linoleumschnitt von Georg Tappert u. einer Illustr. von Conrad Felixmüller. 4 °, Orig.-Umschlag. (Bestell-Nr. KNE29445) 500 € Selten. - Auf Werkdruckpapier. - Exemplar der einfachen Ausgabe. - Enthält Lyrik und Prosa in Erst - drucken von Georg Britting, Dietrich, Mynona, Willi Reindl, Anton Schnack, Hermann Sendelbach u. Otto Zarek. - Druck durch die graphische Kunstanstalt Heinrich Schiele, Regensburg. - In die - sem Heft befindet sich der Vermerk: „Die als Original bezeichneten Schnitte sind vom Stock gedruckt“. Die Bezeichnung befindet sich unter allen Schnitten des Heftes mit Ausnahme des Titelholzschnittes von Georg Schrimpf. - Umschlag schwach stockfleckig, zwei Bll. mit Randläsur (ca. 1 cm), sonst gut erhaltenes Exemplar. - Raabe, Zeitschriften 82. - Raabe/Hannich-B. 44.31. - Dietzel/Hügel 2738. - Söhn IV, 44203. - Schlawe II, 18f. - Rifkind 9.

18. Sichel, Die. I. Jahrg., 6. Heft. [von 6]. Sonderheft Die Mutter. Hrsg.: Josef Achmann und Georg Britting. Die Sichel, Regensburg. Dezember 1919. S. 9 7-116. Mit sechs Holz - schnitten (davon einer auf dem Umschlag) von Josef Achmann (2), Georg Schrimpf, Evarist Adam Weber, Oskar Birkenbach, Josef Eberz und einer Illustr. von Richter-Berlin. 4°, Orig.-Umschlag. (Bestell-Nr. KNE29449) 500 € Selten. - Auf Werkdruckpapier. - Exemplar der einfachen Ausgabe. - Enthält Lyrik und Prosa in Erstdrucken von Theodor Däubler, Oskar Maria Graf, Georg Britting, Ass Si, Kurt Heynicke u. Paul W. Eisold. - Druck durch die graphische Kunstanstalt Heinrich Schiele, Regensburg. - Die Be - zeichnung „Vom Stock gedruckt“ befindet sich unter allen Schnitten des Heftes mit Ausnahme des Titelholzschnittes von Josef Achmann. - Umschlag mit kleinen Wachs- u. Stockflecken, sonst Seite 21

gut erhaltenes Exemplar. - Raabe, Zeitschriften 82. - Raabe/Hannich-B. 44.31. - Dietzel/Hügel 2738. - Söhn IV, 44206. - Schlawe II, 18f. - Rifkind 11.

19. Sichel, Die. II. Jahrg., 2 ./3. Heft [von 11 Nrn. in 10 Heften]. Sonderheft Josef Achmann. Hrsg.: Josef Achmann und Georg Britting. Die Sichel, Regensburg. Februar- Seite 22

März 1920. S. 2 1- 36. Mit fünf Holzschnitten von Josef Achmann (davon einer auf dem Umschlag). 4 °, Orig.-Umschlag. (Bestell-Nr. KNE29451) 500 € Selten. - Auf Werkdruckpapier. - Die Holzschnitte in schönen Abdrucken. - Der Holzschnitt „Königs hof“, hier in kräftigem und differenziertem Druck, wurde im August des selben Jahres ebenfalls in „Der Weg“ publiziert, jedoch in deutlich verminderter Qualität (vgl Rifkind 14). Der Holzschnitt zeigt jene Gegend, in der sich die Redaktion und das Atelier befand, namentlich das Elternhaus Achmanns, Am Königshof 2. - Nach diesem Heft wurde die Auslieferung an den Buchhandel eingestellt, die Nummern konnten nur noch direkt bezogen werden. Der Druck dieser Hefte erfolgte in verringertem Umfang, jedoch auf Bütten. So heißt es in der Verlags an - kündigung: „In den verflossnen Monaten hat um die Sichel sich ein Kreis von Freunden geschlos - sen, den nicht so sehr zu erweitern wir willens sind […] An diesen Kreis wenden wir uns mit der neuen Form dieser Ausgabe“ (letzte Seite). - Enthält Lyrik und Prosa in Erstdrucken von Georg Britting, Erna Gerlach, Karl Lorenz, Gustav Sack, Hans Gensecke, Aureo l ’issima, Wilhelm Stolzenburg, Hans Jaquemar u. Mary Sachs. - Umschlag mit kleinen Randläsuren, Bll. an einer Ecke mit kleinen Knickspuren, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Söhn IV, 44302. - Rifkind 11, 15, 17, 19, 20.

20. Feininger, Lyonel. 48. Ausstellung. Oktober 1918. Lyonel Feininger. Neue Kunst Hans Goltz, München. 1918. Mit 14 unpag. Bll. Mit einem Holzschnitt („Waldkirche“) von Lyonel Feininger u. 10 Abb. Gr.-8°, Orig.-Broschur.- Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE 29462) 2.000 € Oberhalb des Holzschnittes mit handschriftl. Widmung des Künstlers „Herrn Dr. Mayer, mit herzlichsten Grüßen!“ signiert und datiert 5. X.18. - Katalog zur Einzelausstellung Feiningers in der Galerie Hans Goltz; verzeichnet 68 Gemälde, Feder- und Kohlezeichnungen. - Broschur licht - randig, Vorderdeckel mit kleiner beriebener Stelle, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Prasse W 59. Seite 23

21. Neue Kunst. – Richard Seewald. 50. Ausstellung. Februar – März 1919. Richard Seewald. Das graphische Werk 1912 -1918. Neue Kunst Hans Goltz, München. 1919. Mit 26 unpag. Bll. Mit einer sign. Lithographie von R. Seewald. u. 21 Abb. Gr-8 °, Orig.- Broschur mit sign. Lithographie. - Signiertes Exemplar. (Bestell-Nr. KNE29436) 600 € Katalog zur wichtigen Einzelausstellung des Zeichners, Malers, Illustrators und Schriftstellers Richard Seewald (1889 -1976) in der Münchner Galerie Neue Kunst Hans Goltz, die erstmals eine Auswahl graphischer Blätter Richard Seewalds zeigte und neben der Galerie Thannhauser ein wichtiger Ort für moderne Kunst in München Anfangs des 20. Jahrhunderts war. - Die beiden Lithographien vom Künstler signiert. - Einbandrücken minimalst bestoßen, obere Ecke mit klei - ner, schwacher Knickspur, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Jentsch, Seewald L89 u. L 90. - Rifkind 2709. Seite 24

22. Gramatté, Walter: Die grosse Angst [Selbstportrait]. Radierung. 1918. 30 x 24 cm. (Bestell-Nr. KNE29693) 600 € Im Passepartout. - Unten rechts signiert und datiert. - Links unten mit dem Blindstempel „Die Schaffenden“. - Eines von 100 Exemplaren (insges. 125), erschienen 1919 in: Die Schaffenden, 1. Jahrgang, 2. Mappe. - Das Selbstportrait zeigt den Kopf im Halbprofil nach rechts und die Hand von unten auftauchend. Laut Eckhardt existiert ein Ölbild desselben Themas. - Der in Berlin gebo - rene und in Hamburg gestorbene Expressionist Walter Gramatté (1897 - 1929), wurde während seines Kriegseinsatzes 1914 - 1918 mehrmals verwundet. „Die Wirkungen des Krieges […] verur - sachen in dem jungen Menschen eine tiefgehende und entscheidende Wandlung. Allgemein - gefühle: Angst, Müdesein, Irrewerden, Armwerden sucht er zu gestalten.“ (Paul Westheim in den „Schaffenden“). Gut erhalten. - Eckhardt 118. - Söhn VII, 72702-4.

23. Gramatté, Walter: Mädchen mit Hand [auch „Sonia“ und „Sonia mit Hand“]. Radie - rung. 1923. 21 x 31 cm. (Bestell-Nr. KNE29695) 600 € Im Passepartout. - Unten rechts signiert und datiert. - Dargestellt ist seine Frau Sophie-Carmen (Sonia), die er 1920 geheiratet hatte. Die unter dem Namen Sophie-Carmen Fridman- Kotschewskaja 1899 in Moskau geborene Sonia Gramatté war eine Klavier- und Violinvirtuosin und Komponistin. - Gut erhalten. - Eckhardt 168. Seite 25

24. Grosz, George: Ecce Homo. Malik, Berlin. (1923). 2 Bll, 100 Tafeln (84 nach Zeich - nungen u. 16 farb. nach Aquarellen), 1 Bl. (Druckvermerk). Fol., illustr. Orig.-Bütten - karton. (Bestell-Nr. KNE29597) 3.500 € Erste Ausgabe. - Exemplar der Ausgabe C, in kleiner Auflage erschienen. - Vollständig, ein Teil der Auflage enthält lt. Hermann nur 77 Tafeln. - Der Sammelband war der seinerzeit umfangreichste und aufwendigste Versuch, die Zeichnungen von Grosz publik zu machen. Er umfasst ausge wähl - te Arbeiten auf Papier aus dem Oeuvre der Jahre 1915 bis 1922 in hervorragenden Re pro duk - tionen. Dieser „Bürgerspiegel“, wie ihn Max Herrmann-Neisse nannte, zeichnet eine Menschheit zwischen Perversion und Wahnsinn Der erbarmungslosen Registratur großstädtischen Alltags folgte schließlich ein Prozess, der zwei Jahre geführt werden sollte. (Vgl. Kat. Berlin 1995, Grosz.) - Neben der vorliegenden Ausgabe C gibt es vier weitere Varianten, davon erschienen zwei als Vorzugsausgabe mit zusammen 150 Exemplaren. - Mit vierseitiger Sub skriptions beilage mit zwei Originalreproduktionen, mit Buchhandelsstempel, gefaltet. - Einbandränder leicht lädiert, Vakatbl. mit kleinen Flecken, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Verkauf 179. - Dückers S I. - Dada - global 331. - Bülow 54. - Kat. Berlin (1995), X. 156. - Hermann 155. Seite 26

25. Grosz, George: „Revolutionäre Arbeiter“. Kohlezeichnung. 1928. 40 x 31 cm (Bild), 59 x 46 cm (Blatt). (Bestell-Nr. KNE29700) 4.000 € Unten links in Blei signiert. - Entwurfszeichnung einer Illustration für den Gedichtband von Oskar Kanehl „Strasse frei“. Wurde in leicht veränderter Form (ohne die drei oberen Köpfe) abgedruckt in Kombination mit einer weiteren Zeichnung (Kapitalist schweißgebadet vor geöffnetem Pan zer - schrank) zu dem Gedicht „Bürgerlicher Alp“. - Rückseitig mit Nachlassnummer und Nachlass - stempel. - Provenienz: Nachlass des Künstlers. - Gut erhalten. Seite 27

26. Grosz, George: Portrait Oskar Kanehl. Bleistiftzeichnung. 1928. 47 x 30 cm (Bild), 63 x 40,5 cm (Blatt). (Bestell-Nr. KNE29701) 8.000 € Unten rechts von Grosz in Blei betitelt und datiert, darunter von ihm mit späterer handschrift - licher Notiz versehen: „Selbstmord 1929 Juni Sprung aus dem Fenster“. - Ausgearbeitetes veristi - sches Portrait des mit Grosz befreundeten linksradikalen Lyrikers Oskar Kanehl (1888 - 1929). - Alle drei Gedichtbände Kanehls erschienen mit Illustrationen von George Grosz: „Steh auf, Prolet!“ (Malik, 1920), „Die Schande. Gedichte eines dienstpflichtigen Soldaten aus der Mordsaison 1914 - 1918“ (Aktion, 1922), „Straße frei“ (Spartakusbund 1928). - Rückseitig mit Nachlassnummer und Nachlassstempel. - Provenienz: Nachlass des Künstlers. - Gut erhalten. Seite 28

27. Grosz, George: Kongreß der Werktätigen. Federzeichnung und Spritztechnik. 1926. 54,5 x 38 cm (Bild), 65 x 52 cm (Blatt). (Bestell-Nr. KNE29696) 20.000 € Im Passepartout. - Unten rechts in Blei bezeichnet mit Druckhinweisen für die Veröffentlichung in der KPD-Sartirezeitschrift „Der Knüppel“. Der von der KPD organisierte „Kongreß der Werktätigen“ fand im Dezember 1926 in Berlin statt. - Vollwertige und typische Arbeit der „Berliner Zeit“ und eine der wenigen in denen Grosz die Spritztechnik anwandte. - Rückseitig mit Nachlassnummer und Nachlassstempel. - George Grosz (1893 - 1959) war der KPD bei ihrer Gründung beigetreten. Eine fünfmonatige Russlandreise 1922, bei der er auch Lenin und Trotzki traf, führte zum ent - täuschten Austritt aus der KPD. Trotzdem war Grosz weiterhin für die „Rote Hilfe“ aktiv und an der Gründung der „Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands“ 1928 beteiligt. - Äußerer Blattrand mit kleinen Nadellöchern, insgesamt gut erhalten. - Provenienz: Nachlass George Grosz. Seite 29 Seite 30

28. Hubbuch, Karl: La France. 40 Zeichnungen von Karl Hubbuch. (Selbstverlag), Karlsruhe. 1931. 87 S. Mit 40 blattgr. Illustr. von Karl Hubbuch. Gr, -4°, illustr. Orig.- Halbleinenbd. - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE29529) 1.200 € Eins von 100 nummerierten Exemplaren. - Mit einer handschriftl. Widmung des Künstlers an Herrn Kinkel. - Reproduktion und Druck besorgte die Plandruck GmbH Karlsruhe. Sämtliche Blät - ter sind Handdrucke. - Mit der gedruckten Widmung an „die Arbeiter und Künstler Frankreichs“. - Seit der zweiten Hälfte der 20er Jahre galt ein großer Teil seines Werkes französischen Orten und Zuständen und gipfelte 1931 in der Eigenveröffentlichung „La France“. Neben , für Hubbuch absolute urbane Konzentration, richtete er seinen Blick auf zwei weitere Gegenden, die nicht Idylle, sondern Kultur- und Sittenspiegel sind: Die Atlantikküste von Boulogne-sur-mer bis nach Le Croisic und die Côte d ’Azur, wobei ihn nicht die Landschaft interessierte, vielmehr die do - mestizierte Natur in Verbindung mit den Menschen. (Hierzu und zum Folgenden vgl. Helmut Goettl (Hrsg.): Karl Hubbuch 1891-1979. München, 1981. S. 59ff.) Hubbuchs erste Begegnung mit Frankreich als Soldat im Ersten Weltkrieg blieb ohne künstlerische Folgen. Danach folgten regel - mäßige Reisen nach Frankreich in den 20er Jahren, wobei er nicht am französischen Kunstbetrieb interessiert war und nie Kontakt zu dortigen Künstlern knüpfte. Frankreich bedeutete für ihn kein Bildungserlebnis, sondern war Motivwelt zur Gesellschaftskunde. Während seiner Aufenthalte 1929 und 1930 am Mittelmeer und in Saint-Malo veränderte er seinen zeichnerischen Duktus. Überwogen bei seinem ersten Parisaufenthalt 1926 noch urbane Stillleben in Bleistift und Litho - kreiden, benutzt Hubbuch nun zur raschen Ausführung die kräftige Rohrfeder; gesellschaftliche Unterschiede werden stark verdeutlicht, Proletariat und vornehme Gesellschaft stehen sich un - versöhnlich gegenüber. Faschistische Bedrohung, Wirtschaftskrise und zunehmender Chauvi nis - mus mögen zu dieser Entwicklung beigetragen haben. So entstanden aggressive Zeichnungen, von denen Hubbuch 1931 40 in vorliegendem Werk „La France“ veröffentlicht hat und das ein Bekenntnis darstellen sollte, „Bekenntnis zur Gesinnung der Arbeitenden und Schaffenden hüben und drüben, die Frieden wollen“. (Vorwort.) In dem Text, den Hubbuch den Zeichnungen vor - angestellt hatte, beschwört er die Ähnlichkeiten der beiden Völker und ihrer Situationen: „Inner- halb eines jeden Volkes geht eine Trennungslinie und scheidet zwei Klassen: Die Klasse der Hab - gierigen, Herrschsüchtigen, Genußsüchtigen und Hetzer, von denen der großen Klasse der Arbeitenden, die den Frieden wollen! […] Seht Euch die Fratzen der Scharfmacher an! Haben sie nicht eine verdammte Ähnlichkeit mit unseren Hetzern?“ (Vorwort.) - In diesen Zeichnungen mit ihrem satirischen Impetus, die in ihrer Grellheit eher berlinerisch als französisch anmuten, macht Hubbuch vor Übertreibungen und Schematismen nicht halt, wobei er weniger an den Ursachen der Missstände interessiert ist, als an deren plakativer Dar- und Bloßstellung. Auch wenn Hubbuch den unversöhnlichen Kriegshetzern und dem sich an den Werktätigen bereichernden, zum Schein kirchentreuen bürgerlichen Frankreich den Spiegel vorhält, stellt er weder das bür - gerliche noch das proletarisches Lager sympathisch dar und überlässt die Wertung dem Be - trachter. „Mit energischer Feder und manchmal dick aufgetragener Tusche wird eine Kuriositäten- und Monsterschau umrissen, halb Moralpredigt und halb Moritat.“ (Zit. nach: ebenda. S. 63.) - Enthält Abb. von 40 Tusch- und Federzeichnungen, die nach Vorstudien oder Skizzen erst zur Veröffentlichung fertig gestellt wurden. - Einbandrücken minimal gebräunt, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Goettl S. 249-255.

29. Hubbuch, Karl. Rohrfederzeichnung. 15,3 x 19,7 cm. Verso mit sechzeiliger Wid - mung des Künstlers. 1968. Auf Karton. (Bestell-Nr. KNE29555) 550 € Zeichnung nach dem Motiv „Ein Balkon und viele Fenster“ (Paris 1968, Feder, Filzstift, Kreiden), (vgl. Katalog Galerie Ketterer, Karl Hubbuch, zum 80. Geburtstag, In Frankreich und anderswo, Zeichnungen. Ausstellung 16. 12. 1971 bis 29. 1. 1972, Nr. 76.) Hier mit Selbstdarstellung des Künst lers zeichnend auf dem Balkon am rechten Bildrand. - Verso mit einer handschriftl. Wid - Seite 31 Seite 32

mung des Künstlers: „Liebe Frau Kinkel, lieber Herr Kinkel. Aus der unerschöpflichen Stadt Paris – recht herzliche Grüße von Ihren E. und K. Hubbuch“. Nachträglich datiert 1968. Die Zeichnung entstand wahrscheinlich auf einer Parisreise 1968 und wurde dann als Gruß von Karl Hubbuch und seiner Frau Ellen verschickt. - Nach der künstlerischen Zwangspause durch die National - sozialisten wurde Frankreich ab 1957 fast zum ausschließlichen Thema Hubbuchs Arbeit. Ab 1945 hatte er für die Antifa Plakate, Tuschzeichnungen und Skizzen gemacht; doch die zeichnerische Wiederentdeckung der Lebenswirklichkeit nach dem „Dritten Reich“ gelang Hubbuch nur zöger - lich, indem er an das Mappenwerk „La France“ von 1931 und die Darstellungen der großen Pari - ser Boulevards anknüpfte. Die Renaissance seiner Zeichenkunst und Graphik beginnt um 1950: „das ununterbrochene Reise-Tagebuch, das der Zeichner bis in die Mitte der 70er Jahre führt, einer, der nicht mehr zu Hause ist unter den Seinen, aber die Welt wieder zu der seinen macht“. (Zit. nach: Helmut Goettl (Hrsg.): Karl Hubbuch 189 1- 1979. München, 1981. S. 73.) 1970 publizier - te er einen Band mit 55 Zeichnungen mit dem Titel „Die Hauptstadt“, die für ihn Paris war und in dem er seine Liebe zu Frankreich noch einmal formulierte. - Sehr gut erhalten. Seite 33

30. Mattis-Teutsch, [Hans]. Kunstideologie. Stabilität und Aktivität im Kunstwerk. Müller & J. Kiepenheuer, Potsdam. (1931). 143 S. Mit 72 blattgr. Abb. nach Hans Mattis- Teutsch. Gr.-8 °, Orig.-Karton mit illustr. -Schutzumschlag. (Bestell-Nr. KNE29524) 1.000 € Erste Ausgabe. - Der im damals österreichisch-ungarischen Kronstadt (heutiges Brasso/ Rumänien) aufgewachsene Hans Mattis-Teutsch (1884 - 1960) verband in seiner künstlerischen Entwicklung die deutsche, ungarische und rumänische Avantgarde. Nach einem Studium an der Kunstgewerbeschule in Budapest und der Akademie der Bildenden Künste in München sowie einem dreijährigen Parisaufenthalt in seine Heimat zurückgekehrt, entwickelte der von den fran - zösischen „Fauves“ und dem „Blauen Reiter“ geprägte Teutsch einen expressionistischen Stil. Er veröffentlichte seit 1918 in Herwarth Waldens „Sturm“ und hatte 1917 und 1918 auf Vermittlung von Kassák Einzelausstellungen in den Räumen der Zeitschrift „MA“ in Budapest. 1924 war er an der internationalen Ausstellung der Bukarester Zeitschrift „Contimporanul“ beteiligt. Kontakte zu den Kölner Progressiven und dem Bauhaus beeinflussten Mitte der 20er Jahre die Entwicklung sachlich-konstruktivistischer Tendenzen in seinem künstlerischen Schaffen. Seine vorliegende, von Kandinskys „Über das Geistige in der Kunst“ und „Punkt und Linie zu Fläche“ beeinflusste kunsttheoretische Schrift verbindet programmatische Aussagen über die neue Kunst und figür - lich-geometrische Formen, mit denen Teutsch „den Übergang der passiven Kunst zur aktiven“ dokumentieren will. Schutzumschlag an der unteren Ecke schwach knickspurig u. am unteren Kapital mit kleiner Läsur. - Gut erhaltenes Exemplar. - Hubertus Gassner. Wech sel wirkungen. Un - garische Avantgarde in der Weimarer Republik. Marburg 1986. S. 90 (mit Abb.) - Brühl, Walden und , S. 277. Seite 34

31. Moreau, Clément (Illustr.) u. Paul Ad[olf] Brenner: Werker ohne Tat. Ein Zyklus. Bergpresse Fontana Martina. 1934. 16 unpag. Bll. Mit fünf mont. Linolschnitten von Clément Moreau auf Japan, vier davon signiert, einer monogrammiert. Kl.-8 °, Orig.- Karton mit Deckelillustr. von Clément Moreau. (Bestell-Nr. KNE29441) 850 € Eins von 200 Exemplaren; Druckvermerk vom Verfasser signiert. - 1929 folgten Heinrich Vogeler und Carl Meffert (d .i. Clément Moreau) dem Aufruf des Schweizer Buchdruckers Fritz Jordis in das von ihm gekaufte, verfallene Dorf Fontana Martina am Lago Maggiore, das zu einer der Hauptarbeitsstätten für Meffert wurde, unterbrochen durch mehrere Reisen nach Paris, Berlin und Basel. Fritz Jordi stammte aus einer sozialistischen Buchdruckerfamilie, kam frühzeitig mit Funk tionären der internationalen Arbeiterbewegung in Kontakt und gehörte zur Schweizer De - legation der Kommunistischen Partei. Gemeinsam machten sie Fontana Martina zu einer Künst - lergenossenschaft und einem Stützpunkt für eine andere Lebensgestaltung. Durch die politische Gesinnung und die Gestaltung eines neuen Zusammenlebens wurde sie das proletarische Ge - genstück zum nahe gelegenen Ascona, wo sich die arrivierten und wohlhabend gewordenen Schriftsteller wie Emil Ludwig und Erich Maria Remarque niedergelassen hatten (vgl. Werner Mittenzwei: Carl Meffert. Clément Moreau. Ein Leben auf der Suche nach der Brüderlich keit des Menschen. Berlin, 1977. S. 46f). Jordi wollte mit Fontana Martina an das Barkenhoff-Experiment von 1920 - 1924 anknüpfen: „So ist Fontana Martina gewissermaßen ein Wiederholen der Worpsweder Barkenhoff-Arbeit und stellt sich ungefähr die gleichen Aufgaben, nur um eine Erfahrung reicher und deshalb klarer und nüchterner, ohne überflüssige Illusionen und doch überzeugt und getragen von jener Gewißheit und Zuversicht an die Idee des Kollektivismus, als der neuen erlösenden Daseins- und Arbeitsform, die sich durchsetzen und behaupten wird.“ (Zit. nach: ebenda S. 45.) Während sich bei Vogeler seine ungebrochene Siedlersehnsucht mit der marxistischen Einsicht mischte, dass sich im Kapitalismus keine Inseln der Seligen errichten lassen und dieser Weg immer als Sackgasse enden muss, sah der junge Meffert seine Vorstellung von Solidarität und Menschlichkeit in der Gemeinschaft von Fontana Martina erfüllt. Bleibendes Ergebnis seiner Arbeit in der Fontana Martina sind neben Illustrationen zu Gladkows Roman „Neue Erde“ vor allem zahlreiche sozialkritische und politische Graphiken, die er für die Halb - monats schrift „Fontana Martina“ gestaltet hatte. Die Künstlergemeinschaft entwickelte sich immer mehr zu einem Stützpunkt von dem aus sozialistische Künstler wie der italienische antifa - schistische Schriftsteller Ignazio Silone den Kampf gegen den deutschen wie den italienischen Faschismus führten. - Karton am Rücken brüchig u. an den Kapitalen stabilisiert. Vortitelbl. mit zeitgen. Besitzvermerk, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Kosch II, 8. Seite 35 Seite 36

32. Nesch, Rolf: Wind. Farbiger Metalldruck auf schwerem holländischen Bütten. 1955. 54,4 x 41,7 cm (Bild), 64 x 48 cm (Blatt). (Bestell-Nr. KNE29690) 5.000 € Exemplar einer kleinen Auflage. - Unten rechts signiert und mittig in Blei betitelt „Wind 1955“. - Im Passepartout. - Markante Arbeit aus der zentralen Schaffensperiode des gebürtigen Esslin - ger Künstlers Rolf Nesch (1893 - 1975), der in Dresden studiert und das graphische Handwerk u .a. bei Kirchner in Davos gelernt hatte. Anfangs vom Expressionismus stark beeinflusst, entwickelte er ab 1929 in Hamburg seine eigene Technik des „Metalldrucks“. In seiner Folge „Hamburger Brücken“ begann er, mit der Laubsäge ganze Flächen aus der Druckplatte auszusägen und ausge - sägte Formen, Kupferdrähte oder Maschendraht auf die Platte aufzulegen. Beim Druck prägten diese Gegenstände dem Papier ein plastisches Relief ein. 1933 emigrierte Nesch nach Norwegen, wo er unter schwierigen Lebensumständen seine „Materialbilder“ entwickelte und auch in einen kurzen künstlerischen Austausch mit Kurt Schwitters trat, der 1937 ebenfalls nach Norwegen emigrierte. Seit 1951 hatte er einen festen Wohn- und Arbeitssitz auf einem Hof in Aal in Halling - dal. Beeindruckt von den gewaltigen Naturschauspielen, schuf er dort zahlreiche graphische Arbeiten wie „Matte Sonne“ oder „Wind“, die er alle in zahlenmäßig reduzierter Auflage selbst druckte und zum Teil variierte, was sie in den Rang künstlerischer Originale hebt. 1955 erhielt er für seine graphischen Arbeiten einen Preis auf der III Biennale in Sao Paulo. - Das vorliegende Blatt ist das zweite (von zwei) aus dem Zyklus Wind (auch unter dem Namen „Sonne und Wind“). Wind I und II wurden auf der großen Retrospektive zu seinem 100. Geburtstag in Esslingen gezeigt (mit ganzs. Abb. im Katalog auf S. 74 u. 75), und dort auf Blatt „Wind I“ bezeichnet als Nr. 5 von 8 mit dem Vermerk „tiré pour l’artiste“. Im Werkverzeichnis von Helliesen/Sörensen wird auf unter - schiedliche Angaben über Auflagenhöhe bzw. Varianten des Blattes hingewiesen (S. 434 f.): „Numbering within a total of three, four, eight and twelve respectively documented; minimum seven impressions recorded.“ - Unser Blatt unterscheidet sich von dem im Esslinger Katalog (und dem identischen im Werkverzeichnis) abgebildeten Exemplar durch eine größere Farbigkeit (u .a. die Verwendung von Grün und Türkis). - Etwas gebräunt, im unteren Blattrand mit schwachem Wasserfleck, rückseitig Montagespuren und Stempel: „Kunsthalle Hamburg aus dem Kupferstich- Kab. Ausgeschieden am [23. 1. 1958]“. - Insgesamt gut erhalten. - Helliesen/Sörensen 725. Seite 37 Seite 38

33. Novembergruppe Führer durch die Abteilung der Novembergruppe Kunst- ausstel lung Berlin 1923. Berlin. 1923. 4 unpag. Bll. Mit zwei Holzschnitten von Moritz Melzer u. S. v. Heister. 4 °. (Bestell-Nr. KNE29440) 1.000 € Text von Herbert Behrens-Hangeler (1898 - 1981), der ein Schüler war von Baluschek und Corinth und sich in den Jahren 1921 - 23 und 1929 - 32 an den Ausstellungen der Novembergruppe betei - ligte. - Das Ziel der während der Novemberrevolution 1918 gegründeten Gemeinschaft, die eines der wichtigsten Sammelbecken der fortschrittlichen künstlerischen Kräfte in der Weimarer Re - publik werden sollte, war die Vereinigung der künstlerischen Bereiche von der bildenden Kunst über die Architektur bis zur Stadtplanung und ihre Verbindung mit der Neugestaltung des gesell - schaftlichen Lebens. Zu den Initiatoren der Gruppe gehörten Max Pechstein, Cesar Klein, Georg Tappert, Heinrich Richter und Moritz Melzer. - Standen Anfangs auch Fragen der Ausbildung in Kunstschulen und Akademien im Mittelpunkt, entwickelte sich die Novembergruppe immer mehr zu einer reinen Ausstellungsgemeinschaft für moderne Künstler und trat am nachhaltig - sten durch ihre Ausstellungen, die in der Zeit ihres Bestehens 1919 bis 1932 achtzehnmal in Berlin stattfanden, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. - Die Gruppe präsentierte sich regelmäßig in den Berliner Kunstausstellungen und ergänzte deren Kataloge von 1920 bis 1924 durch eigene Ausstellungsführer. In diesen sollten die ausgestellten Werke dem Publikum nicht erklärt, son - dern ihm sollte der Zugang zur Kunst erleichtert werden: „Für den Beschauer sind Wille und Vorurteilslosigkeit notwendig, um ein Kunstwerk zu betrachten. Unverständlichkeit ist ‚verstan - Seite 39

den haben‘ und Kunst kann nicht verstanden werden, sondern muß im Menschen geformt zur Wirklichkeit werden.“ (Einleitung.) Auf die Namensnennung der Künstler wurde in den Aus füh - rungen verzichtet, was den Willen verdeutlicht, das elitäre Künstlerbewusstsein zu überwinden und ein Ideal des anonymen Schaffens wiederzubeleben. (Hierzu und zum Folgenden vgl. Helga Kliemann: Die Novembergruppe. Berlin, 1969. S. 9 - 15 u. S. 49f. und Gerhard Leistner: Moritz Melzer. Streben nach reiner Kunst. Regensburg, 2007. S. 157 - 162.) - Dominierte in den ersten Jahren stilistisch und thematisch klar der Expressionismus, gewannen Kubofuturismus sowie abstrakte und konstruktive Elemente immer mehr an Bedeutung, besonders durch Künstler wie Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer oder El Lissitzky, der in der Berliner Kunstausstellung 1923 sei - nen Prounenraum präsentierte; Behrens-Hangeler beschreibt diesen mit folgenden Worten: „Den dritten Raum füllen die Arbeiten eines Konstruktivisten, der seine Materialien, die er neuzeugt, zur Ausdruckssprache formt, die er ‚Proun‘ nennt Die vertikalen, Horizontalen und Spiralen gehen aus der Fläche in das Räumliche über und die Farbe, die wohl das Material auswechselt, wird von dieser Neuformung ganz beansprucht, wogegen das Konstruktive zur konsequenten Realität wird.“ - Weitere Beteiligte der Ausstellung waren u .a. Willi Baumeister, Rudolf Belling, Max Burchartz, Walter Dexel, Max Dungert, Hannah Höch, Ewald Mataré, Otto Möller, Iwan Puni, Hans Richter, Arthur Segal u. Lasar Segall. - Exemplar am unteren Rand etwas knickspurig, die ersten zwei Bll. mit kleinen Beschädigungen. Seite 40

34. Porza. 1. Jahrg., Nrn. 1 -12 (in 6 Heften, komplett). Herausgeber: Generalpräsidium der Internationalen Gemeinschaft „Porza“, Werneralvo von Alvensleben (H. 6/ 7 - 1 0/ 12). Redakteure: Werneralvo von Alvensleben (H. 1 - 4/ 5), H. Aschaffenburg (H. 6/ 7 - 8/ 9) u. Kurt Runge (H. 1 0/ 12). J. J. Ottens Verlag (Verlag der Künstler-Selbsthilfe, Berlin). 192 9/ 30. 4°, Orig.-Broschuren. (Bestell-Nr. KNE29379) 2.000 € Vollständiger erster Jahrgang der seltenen Zeitschrift „Porza“, die wohl von 1929 -1932 als Organ der gleichnamigen Künstlergruppe herausgegeben wurde; Dietzel/Hügel verzeichnen nur den ersten Jahrgang 1929/30. Die Bibliothekskataloge verzeichnen, wenn überhaupt – nur frühe Einzelhefte. - Im Privatarchiv Pierre Viénots, der die französische Porza-Gruppe ins Leben rief, finden sich zumindest Ausgaben der Porza-Nachrichten, ein monatlich erscheinendes Infor ma - tionsblatt für die Mitglieder, von 1932 bis 1938 (vgl. Design et Histoires „Le blog de Jocelyne Leboeuf“). - Nr. 1 mit Besitzstempel von Arthur Bryks, einem der drei Gründer der Porza-Gruppe. Der 1890 geborene Bryks studierte zuerst am Warschauer Konservatorium, dann in Wien und Basel, wandte sich allerdings vom Gesang ab hin zu den Bildenden Künsten. In Zürich erlebte er die Entstehung der Dada-Bewegung, 1918 zog er mit seiner Frau nach Ascona, wo er neben ver - schiedenen anderen Künstlern wie Cesar Domela, Hugo Ball und Hans Arp seinen Lehrer Arthur Segal wieder traf. Später in Berlin kam er in Kontakt mit der deutschen Avantgarde. - Im Ort Porza in Lugano gründeten 1923 der schweizer Bildhauer Mario Bernasconi, der russische Maler Arthur Bryks und der deutsche Dichter und Maler Werneralvo von Alvensleben die Künstler gemein - schaft Porza, deren Aufgabe es sein sollte „ […] eine wahre Freundschaft zwischen den künst - lerisch empfindenden Menschen der verschiedenen Nationen herbeizuführen. Aus dieser Freundschaft erwächst gegenseitige Schätzung.“ (Richard Huelsenbeck, Bemerkung zur mo - dernen Literatur. Heft 1, S. 12) Künstlern wurden Reisen ermöglicht und damit inspirierende Aufenthalte im Ausland; sie konnten an Ausstellungen teilnehmen, die Porza zahlreich organi - sierte, sowie durch Aufenthalte in den Künstlerhäusern in verschiedenen Ländern Kontakte mit Schaffenden anderer Länder knüpfen. Den Anspruch des Grenzen überschreitenden künstle - rischen Austausches hebt besonders der bedeutende Theoretiker im Bereich der Industrie- Gestaltung Jacques Viénot in einem programmatischen Beitrag in der ersten Nummer hervor. - Die Mitgliedschaft war weder an politische Einstellung noch künstlerische Ausrichtung ge - knüpft, so finden sich Beiträge von Künstlern der verschiedensten Disziplinen und Strömungen. 1939 fand die letzte von Porza organisierte interdisziplinäre Ausstellung „Von der Idee zur Form“ im Musée Galliera in Paris statt. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bedeutete für die Arbeit der Gemeinschaft das jähe Ende, obwohl sich Porza als unpolitisch und untendenziös verstanden hatte: „Die ‚Porza‘ verfolgt weder staatspolitische noch kulturpolitische, weder ideologische noch humanitäre noch pazifistische Tendenzen.“ (Heft 10/11/12, S. 153f.) - Im Jahr 1930 gab es Porza- Gruppen in der Schweiz, in Deutschland, Frankreich, Polen, Holland sowie der Tschechoslowa - kischen Republik. - Nr. 2/3 verzeichnet die Konstituierung des Redaktionskomitees, zu diesem ge hörten: Jaro Jaretzki, Rafaello Busoni, Charlotte Weidler, Richard Huelsenbeck, Hans Aschaffen - burg, Karl Otten und W. von Alvensleben. Weitere Mitglieder waren u .a. Theodor Däubler, Alfred Döblin, Alfred Flechtheim, Emmy Hennings-Ball, Ludwig Hilberseimer, Paul Hindemith, Käthe Kollwitz, Paula Ludwig, A. R. Meyer, Georg Muche, Erich Mühsam, Max Reinhardt, Rudolf Schlichter, Karl Schmidt-Rottluff, Ina Seidel, Siegfried von Vegesack, Carl Zuckmayer und Arnold Zweig. - Nr. 4/5, das „Kinderheft“, enthält Beiträge und Zeichnungen von Kindern aus Russland, Deutschland, der Schweiz, Italien, Holland und Frankreich. Thema des Heftes ist die Kreativität des Kindes, die zwar keineswegs „Kunst“ hervorbringt, jedoch die Ab sichtslosigkeit und vollkom - mene Verlorenheit im Spiel mit dem Künstler gemein hat. - Heft 6/7 enthält Artikel zu Minoa, Friedrich Schiller zu seinem 170. Geburtstag, Stresemanns Märtyrertod, Radio, Musik, Tanz und Zeitgeist sowie die Rede Théo van Doesburgs „Einige Punkte zur Erklärung der modernen Malerei“, vorgelesen am 13. Oktober 1929 im sted. Museum zu Amsterdam gelegentlich der Seite 41 Seite 42

Ausstellung der Pariser Malerei. - Nr. 8/9 erschien als Sonderheft Richard Huelsenbeck, das einen ausführlichen Bericht Huelsenbecks über seine Chinareise 1929 und sehr zahlreiche fotografische Abbildungen enthält. - Themenschwerpunkt der Nr. 1 0/ 11/ 12 ist ein Bericht Lotte Errells. Die Fotografin und Journalistin heiratete 1924 den Fotografen Richard Levy (Errell) und arbeitete in dessen Werbeatelier mit. Als eine der ersten frühen Reisejournalistinnen begleitete sie auf ihrer Fotoreise 192 8/ 29 eine Filmexpedition unter Leitung einer Ethnologin an die westafrikanische Goldküste, ins heutige Ghana. Die zahlreichen Fotografien zeigen meist Kinder, Frauen, Klei - dungsstücke und Kultgegenstände. Den Abschluss bildet ein Artikel über die programmatischen Leitlinien der Porza-Gruppe. - Die Nummern enthalten Beiträge von Nina Bausch-Willenz, Jean Richard Bloch, Erich Buchholz, Michael Charol, Louis Chazai, Fred A. Colman, R. N. Coudenhove- Kalergi, Kasimir Edschmidt, Kael Förster, John Förste, Max Geisenheyner, Alfred Gellhorn, Sylvia von Harden, Karl Emerich Hirt, Richard Huelsenbeck, Gregor Jarcho, Paul Lang, Paula Ludwig, Leo Mager, Ewald Mataré, Leo Matthias, Karl Otten, Nico Rost, Joseph Roth, Nobert Schiller, Rudolf Schlichter, Jean Schlumberger, Nadja Stein, Gustav Steinböhmer, Leopold Ullstein, Jacques Vienot, Frank Warschauer, Charlotte Weidler, Ernst Zierer, Carl Zuckmayer u. Hans Fritz von Zwehl. - Mit Abb. von Werken von W. A. von Alvensleben, Robert Micheal Bell, Mario Bernasconi, Eduard Braun, Arthur Bryks, Susanne Carvallo-Schülein, Max Dungert, Johannes Ilmari, L. Keller, Ferdinand Kempe, Georg Kirsta, Bernhard Klein, Käthe Kollwitz, Issai Kulvianski, Ernst Leyden, Karin Leyden-Kluth, Margit Manz, Jean Martel, Ewald Mataré, Otto Niemeyer-Holstein, T. C. Pilartz, Leo Prochownik, Erwin Singer, Ferdinando Tamberlani, Karl Trautmann, O. K. Vogelsang, Michel Wagner, Nicolai Wassilieff, E. A. Weber und Ines Wetzel. - Dietzel/Hügel 2419.

35. Porza. Porza Bal-Paré. Die internationale Künstlergemeinschaft Porza veranstaltet am Sonntag, den 3. Februar den großen Ball im Logenhaus, Kleistr. 10 (ab 9 uhr) zu Gunsten des Hilfsvereins für junge Kunst. Berlin. [1929.] 1 Bl. 22,5 x 34,7 cm. (Bestell-Nr. KNE29425) 900 € Konstruktivistischer Ankündigungsflyer, gestaltet von Rafaello Busoni. - Auf dem Ball traten Lewis Rüth und seine Band auf, mit der er durch die Zusammenarbeit mit dem musikalischen Leiter bei Bertolt Brecht und Kurt Weill Theo Mackeben erfolgreich wurde; die Band begleitete die Urauf - füh rung der Dreigroschenoper und die folgenden Aufführungen im Theater am Schiffbauer - damm in Berlin, woraus ihr Name „Dreigroschenoperband“ entstand. - Angekündigt werden eine Riesentombalo, Hauptgewinn war ein vierwöchiger Aufenthalt im Porza-Haus bei Lugano, und die Prämierung der schönsten Frau, bei der als erster Preis eine Portraitbüste von T. C. Pilartz, als zweiter Preis ein Portraitgemälde von R. Busoni und als dritter eine Portraitzeichnung von M. Dungert ausgelobt wurden. - Der Ball der Künstlergemeinschaft Porza 1929 hatte ca. 1000 Besucher; Rafaello Busoni und Max Dungert schmückten die Räume (s. Heft Nr. 2/3). - Die Festleitung hatten W. A. v. Alvensleben und Hugo Graetz. Als Festkomitee werden Mme de Margerie, Grete Sobernheim und Reichskunstwart E. Redslob aufgeführt; die Jury der Schön heits - konkurrenz bestand aus Inge Banks, Baronin v. Nostitz-Wallwitz, Betty Stern, L. Ullstein, Ines Wetzel und Gräfin v. Zeppelin; weitere Beteiligte waren Freiherr v. Baumbach, Viktor Bausch, R. Busoni, Dr. Bernhard Dlebold, M. Dungert, Richard Huelsenbeck, Jaro Jaretzki, T. C. Pilartz, Carl Zuckmayer und George Grosz, hier noch als George Groß aufgeführt. - Der seltene Flyer partiell mit Abklatsch, sonst sehr gut erhalten. Seite 43 Seite 44

36. Rodtschenko. – Majakowski. Pro eto. [Darüber.] Gosisdat, Moskau. 1923. 43 S. Mit acht ganzs. Illustr. von Rodtschenko. Gr.-8 °, Orig.- Broschur mit einer Titelillustr von Rodtschenko. (Bestell-Nr. KNE29758) 5.000 € Erste illustrierte Ausgabe. - Majakowski schrieb das Gedicht während einer Trennungsphase 1922/ 1923 von seiner Geliebten Lili Brik, Osip Briks Ehefrau, durch die ihre Liebe von den bela - stenden Alltäglichkeiten befreit werden sollte. Das Thema Liebe wird allerdings weiterentwickelt und verallgemeinert; so hat das Gedicht auch eine politische Dimension und die individuelle Liebe wird zur gesellschaftlichen Kraft (vgl. Bowlt/Hernad S. 138). Zuerst erschien das Gedicht im März 1923 ohne Illustrationen in der revolutionären Kunstzeitschrift LEF (vgl. Lang, Kon struk - tivismus S. 114). - Majakowski spannt in dem Poem den Bogen zwischen umgangssprachlichem Realismus und delirierender Fantasie; die Lebendigkeit der Bilder und die visuellen Analogien bieten ideale Bedingungen, um die Sprache durch Fotocollagen zu ergänzen. Nicht alle Fotografien, die Rodtschenko hier verwendete, hatte er selber gemacht; manche zeigen Orte, an denen er nie gewesen war. Die Fotografien von Majakowski und Lili Brik fertigte der Fotograf Abram Shterenberg an. - Der Umschlag mit der ikonenartigen Darstellung von Lili Briks Gesicht in frontaler Ansicht sowie die acht ganzseitigen Illustrationen im Buch waren Rodtschenkos erste große buchgestalterische Leistung, die den Beginn der Zusammenarbeit zwischen ihm und Majakowski markiert, welche bis zu dessen Tod 1930 anhalten sollte. - Die Collagen in „Pro eto“ beinhalten zwar konstruktivistische Elemente, doch die freie Gestaltung und Komposition erin - nern eher an Collagen der Berliner Dadaisten wie Raoul Hausmann, George Grosz, Hannah Höch und John Heartfield. Ein Vergleich ist nicht abwegig, denn kurz bevor Majakowski das Gedicht Seite 45

schrieb, hielt er sich noch in Paris und Berlin auf, von wo er nicht nur avantgardistische Zeit - schriften wie „Der Dada“ mitbrachte, sondern eine große Menge an illustriertem Pressematerial, das die Dadaisten für ihre Collagen verwendeten. „Die Montagen, die Rodschenko 1923 zu ‚Pro eto‘ [...] klebte, sind mit ihren Rad-Zitaten eine unverkennbare Referenz an Dada Berlin.“ (Hanne Bergius: Das Lachen Dadas. Gießen, 1989. S. 305) - Nach dem Ende des Bürgerkriegs in Russland 1921 konnten die Beziehungen zu westlichen Ländern wieder verstärkt aufgenommen werden; so intensivierten die Künstler des LEF Zirkels darunter Majakowski und Osip Brik die Ver - bindungen und den künstlerischen Austausch besonders mit Deutschland. So zeigen die Collagen in „Pro eto“ den Beginn von Rodtschenkos nachhaltiger Beschäftigung mit Fotografie im Allgemeinen und den rasanten Entwicklungen der europäischen modernen Fotografie, nachdem er sich im Jahr 1921 von der Tafelmalerei abgewandt hatte (vgl. Tendenzen der Zwanziger Jahre, S. 1/80). - Bis zu 22 Fragmente aus verschiedenen Quellen wie Zeitungen, Verkaufskatalogen und Fotos von Lili Brik und Majakowski finden sich auf mancher Collage, die die wichtigen Motive der damaligen Zeit Energie, Fortschritt, Mobilität sowie das moderne Leben und die an jeder Ecke auf den Menschen einprasselnde und Aufmerksamkeit heischende Werbung beinhalten. Rodtschenko gestaltete zu Beginn der 20er Jahre mehrere Plakate für Filme von Sergei Eisenstein und Dziga Vertov, die, ebenso wie seine Collagen, wie montierte filmische Erzählungen wirken (vgl. Kat.MoMa S. 208). Trotz der Fülle der Bilder wird das Auge von Fragment zu Fragment ge - führt, gemäß dem Willen des Monteurs. - Broschur fachmännisch restauriert, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Kat.MoMa 505. - Bowlt/Hernad 83. - Lang, Konstruktivismus S. 114 - Andel S. 249. - Dabrowski 67.-71. Seite 46

37. Exter. - J. Tugendhold: Alexandra Exter. Aus dem Russischen übersetzt von Maria Einstein. Sarja, Berlin. 1922. 29 S. (Textteil) u. 39 unpag. Tafeln. Mit vier farb. mont. Abb. 8°, Orig.-Karton. (Bestell-Nr. KNE29579) 750 € Erste deutsche Ausgabe der frühen Monographie; erschienen im Jahr der Ersten Russischen Kunst ausstellung Berlin (1922), bei der mehrere von Exters Gemälden, Kostüm- und Büh nen - skizzen gezeigt wurden. - Die Malerin, Graphikerin, Buchillustratorin und Bühnen- u. Kostüm - designerin Exter (1882 - 1949) gehörte zu den russischen Künstlern, die die neuesten Kunst - entwicklungen in Europa aufmerksam rezipierten und eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Ost und West einnahmen. So brachte sie die formalen Neuerungen des Kubismus und Futurismus nach Russland und entwickelte sie schöpferisch weiter zum Kubofuturismus. (Hierzu und zum Folgenden vgl. Wilhelm Hornbostel (Hrsg.): Mit voller Kraft. Russische Avantgarde 1910 -1934. Kassel, 2001. S. 12 u. S. 261 ff.) - Nach einem Studium an der Kunsthochschule Kiew führten Studienreisen Exter nach Paris und Rom, wo sie Kontakte knüpfte mit Picasso, Braque, Apollinaire sowie in der Künstlerkolonie La Ruche mit Marc Chagall und in Italien mit den Futuristen. Im Jahr 1908 stellte Exter gemeinsam mit den Mitgliedern der Künstlergruppe „Zevno“ in Kiew aus. Gemeinsam mit Kasimir Malevitsch, Alexander Archipenko, Vadym Meller, Sonia Delaunay-Terk war sie im Jahr 1914 im Salon des Indépendants in Paris und auf der Internationalen Futuristen Ausstellung in Mailand vertreten. 1921 schloss sie sich der Gruppe der Konstruktivisten an und zeigte zusammen mit Rodtschenko, Popowa, Wesnin und Stepanowa fünf Werke auf der Aus - stellung 5x5 = 25 in Moskau. Nach dem Ersten Weltkrieg folgte sie Lenins Losung „Die Kunst dem Volke“ und widmete sich, wie auch Malewitsch, Stepanowa und Rodtschenko dem Textildesign. Ihre Stoffmuster waren Kompositionen aus rein geometrischen Formen. 1916 begann sie ihre fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Leiter des Moskauer Kammertheaters, Alexander Tairow und setzt die neue Konzeption der Synthese von Bühnenbild, Kostümen und Schauspielern um. Tairow entwickelte mit Hilfe von Künstlern wie Exter, Gontscharowa und Jakulow ein raumgrei - fendes kubofuturistisches Bühnenbild; besonders Exter setzte mit ihren raumplastischen Dekorationen zu „Thamira Khytharedes“ (1916) neue Maßstäbe. 1924 siedelte Exter nach Frankreich über und nahm dort vorerst die Professur an der Akademie der Moderne in Paris an. Zwei Jahre später wechselte sie als Professorin an die Academie d’Art Contemporain von Léger. 1936 stellte sie an der Ausstellung „ and Abstract Art“ in New York sowie in Prag und Paris aus (vgl. Bettina Behr: Bühnenbildnerinnen. Bielefeld, 2013. S. 94ff). - Enthält neben einem aus - führlichen Einführungstext Abbildungen von Gemälden, Kostümen und Bühnenskizzen. - Karton leicht lichtrandig, partiell knickspurig u. am Rücken leicht bestoßen. Schnitt schwach gebräunt, sonst sehr ordentlich erhaltenes Exemplar. Seite 47 Seite 48

38. Schlemmer. – Ausstellungskatalog der Galerie Flechtheim. Oskar Schlemmer. Januar 1931. Galerie Alfred Flechtheim, Berlin. 1931. 4 unpag. Bll. mit 4 Abb. Kl.-8 °, Orig.-Pergaminbroschur. (Bestell-Nr. KNE29625) 500 € Der Katalog verzeichnet 40 Tafelbilder, Wandbilder, Wandgestaltungen, Pastelle, Aquarelle, Öl - studien und Zeichnungen Schlemmers. - Mit einem Vorwort von Will Grohmann. - Die Klischees (Vorübergehender, 1924; Drei Figuren, 1928; Kopf mit Tasse, 1923 u. Eingang zum Stadion, 1930) entstammen den Zeitschriften „Bauhaus“, „Das Neue Frankfurt“ und „Veröffentlichungen des Kunstarchivs“. Druck: Graß, Barth & Comp., Breslau. - Aufgrund der internationalen Wahrnehmung stand Schlemmer 1931 auf dem Höhepunkt seines Erfolges, er nahm an der XVII. Biennale in Venedig und allen wichtigen Gruppenausstellungen, darunter im New Yorker Museum of Modern Art teil. Und doch klagte Schlemmer über eine Notlage, die ihn zwinge, alles dafür zu tun, um etwas zu verkaufen, auch unter dem bisher geforderten Preis. Die Einzelausstellung in der Galerie Alfred Flechtheim Berlin brachte allerdings keinen materiellen Erfolg; lediglich ein ausgestelltes Werk wurde vom Baseler Kunstmuseum angefragt, dessen Interesse wahrscheinlich mit der im gleichen Jahr stattfindenden Ausstellung „Das Problemtheater“ im Baseler Gewerbemuseum zu - sammenhing (vgl. Gesa Jeuthe: Kunstwerke im Wandel. Die Preisentwicklung der deutschen Moderne im nationalen und internationalen Kunstmarkt 1925-1955. Berlin, 2011. S. 226f). Mit dem Vorzeitigen Abbruch seiner Stuttgarter Einzelausstellung zeichneten sich existenzielle Veränderungen ab, die im Mai 1933 in der fristlosen Entlassung aus dem Lehrbetrieb mündeten. - Pergaminumschlag an einer Ecke leicht knickspurig, sonst gut erhaltenes Exemplar. Seite 49

39. Schlemmer - Schmidt, Paul Ferdinand: Oskar Schlemmer. Sonderdruck aus dem „Cicerone“. Mit 12 Abbildungen. O. V., o. O. [1922.] S. 269 - 280. Mit zwölf Abb. nach Werken von Oskar Schlemmer. 4°, Orig.-Broschur. - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE29618) 1.000 € Mit der handschriftl. Widmung Oskar Schlemmers auf der ersten Textseite „Paul Stotz und Frau Erna zueigen“, signiert und datiert Weimar 22. - In vorliegendem Sonderdruck gibt der Kunst - historiker und Direktor der Städtischen Kunstsammlungen in Dresden Schmidt einen Überblick über Schlemmers künstlerische Entwicklung. - Der von Georg Biermann herausgegebene „Cicerone“, Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers und Sammlers, erschien von 1909 bis 1930. - Exemplar am Rücken mit einem Einriss (ca. 3 cm), Hinterdeckel mit kleinem Einriss, Broschur an einer Ecke mit winziger Fehlstelle, sonst gut erhalten. Seite 50

40. Schlemmer. – Neue Frankfurt, Das. Monatsschrift für die Probleme moderner Gestaltung. Herausgeber: Ernst May und Fritz Wichert. 2. Jahrg., Heft 2. Englert und Schlosser, Frankfurt a. M. Februar 1928. S. 2 1- 40. Mit zahlr. Abb. 4 °, Orig.-Broschur (Willi Baumeister). (Bestell-Nr. KNE29598) 350 € Hauptthemen des Heftes sind die Bühne, der Film und das Radio. - Enthält u .a. die Beiträge: Oskar Schlemmer, Piscator und das moderne Theater; Guido Bagier, Der kommende Film; Adolf Behne, Berliner Bilderbericht. - In vorliegendem Artikel stellt Schlemmer die Frage nach der Entwicklung des Theaters in Deutschland, der Einbeziehung moderner Technik wie dem Film, Lichteffekten oder dem Totaltheater von Walter Gropius ebenso wie Neuerungen der Bühnenkunst aus Russ - land. Angesichts des politischen Systems in Deutschland scheint Schlemmer die Umsetzung poli - tischer Ideen wie am russischen Theater nicht machbar: „Der Idee nach, die eine politische ist, wohl kaum, weil nicht wie in Russland wir zwei politische Parteien haben, sondern deren zwan - zig, woraus sich die unterschiedliche und komplizierte Situation des deutschen Theaters von selbst ergibt. […] Im politischen Theater Piscators ist es so: eine Idee ist gegeben, und als Mittel zum Zweck, sie zu demonstrieren, werden alle Errungenschaften moderner Kunst und Technik mobil gemacht und zwar in solchem Maß und mit solcher Eindruckskraft, daß – o Paradox! – der Zweck, die Idee, fast darüber vergessen wird. Diese Macht des Optischen und Bühnen techni - schen weist die Richtung für das moderne Theater überhaupt, von dem das speziell Politische nur ein Teil, ein Ausschnitt des Gesamtgebietes Bühne ist.“ Die Idee, die die Kunst hervorbringt und trägt sollte so universal und überzeitlich wie möglich sein und durch Raumkunst, Licht und Musik zur Entfaltung gebracht werden. Schlemmer spricht nicht der l’art pour l’art das Wort und doch sollte die Idee der Kunst „kurz gesagt, von innen, nicht von außen kommen“. - Beiliegend: Werbeblatt für die Zeitschrift „Stein Holz Eisen“ und ein Blatt mit zwei Tapeten mustern der Firma Kupsch & Co. - Rücken stärker berieben u. schwach brüchig, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Spielmann 91.

41. Schlemmer. – Neue Frankfurt, Das. Monatsschrift für die Probleme moderner Gestaltung. Herausgeber: Ernst May und Fritz Wichert. 2. Jahrg., Heft 4. Englert und Schlosser, Frankfurt a. M. April 1928. S. 57 - 76, 1 Bl. Mit zahlr. Abb. 4 °, Orig.-Broschur (Willi Baumeister). (Bestell-Nr. KNE29599) 350 € Seite 51

Enthält u .a. die Beiträge: Will Grohmann, Der Maler Oskar Schlemmer; Karl Konrad, Willi Baumeister; Amédée Ozenfant, Wie stehen Baukunst und Malerei zueinander. - Grohmann be - schreibt die doppelte Polarität in Schlemmers Arbeiten als Aufgabe, „dem Leben durch die Kunst gerecht zu werden, den Organismus des Lebens in den der Kunst einzubeziehen, den nie sich er - schöpfenden Strom der Kunst in die an Spannungen überreiche, technisch betonte Gegenwart einzuordnen.“ - In Schlemmers Gemälden steht nicht die Zentralperspektive, sondern der Bau - gedanke im Blickpunkt. Um seinem Anspruch, Kunst zu schaffen als Leitbild für eine künftige Architektur, gerecht zu werden, gab er Anfang der 20er Jahre die Flächenabstraktion teilweise auf und öffnete seine Malerei der dritten Dimension (vgl. Karin v. Maur: Oskar Schlemmer. Stuttgart, 1977. S. 24). - Broschur am Rücken berieben, Ränder etwas angestaubt. - Spielmann 91.

42. Schlemmer. – Neue Frankfurt, Das. Internationale Monatsschrift für die Probleme kultureller Neugestaltung. Sonderheft Theater. Herausgeber: Ernst May und Fritz Wichert. 4. Jahrg., Heft 10. Englert und Schlosser, Frankfurt a. M. Oktober 1930. S. 217 - 232, 1 Bl. Mit zahlr. Abb. 4 °, Orig.-Broschur (Willi Baumeister). (Bestell-Nr. KNE 29614) 350 € Enthält u .a. die Beiträge: J. Gantner, Was wird aus dem Theater; Alberto Sartoris, Die Bühnen- Versuche von Enrico Prampolini; Oskar Schlemmer, Gestaltung aus dem Material; Ernst Kallai, Ton und Stein sowie Artikel über Theater-Bauten, russische Inszenierungen und Ausstellungen u. über das neue Italien. - Nach Schlemmer hat der Tänzer als wichtigstes Material seinen Körper, mit dem er die stärksten Wirkungen erzielt je mehr sein Tanz von der Unmittelbarkeit seines Körpers ausgeht und je ausgeprägter sein Raumempfinden ist. An den Raum als zweites Material ist der Tanz gebunden, er bestimmt in seiner Ausdehnung Form und Gestalt des Tanzes. Je ausgeprägter das Raumempfinden des Tänzers ist, desto mehr entwickelt dieser den Tanz aus dem Raum und kann das kubische Gebilde mit seinen Begrenzungen und Linien nicht als Störung empfinden, sondern sie sich als Material zunutze machen und den Raum beherrschen. Ebenso sind Ver - kleidung, Kostüm und Maske Material. - Broschur am Rücken berieben, Ränder etwas angestaubt. - Spielmann 91. Seite 52

43. Schlemmer, Oskar: „Frontale Halbfigur eines Mädchens.“ Zartgraues Aquarell auf Kunstdruckpapier aus einem Bildkalender. 1943. 20 x 14 cm. (Bestell-Nr. KNE29600) 36.500 € Im Passepartout. - Rückseitig auf dem Rand des Kalenderblattes beschriftet: „Prof. Oskar Schlemmer, Wuppertal 1943“. - Karin von Maur schreibt zu dieser bisher unbekannten Arbeit aus dem letzten Lebensjahr Schlemmers: „Die Arbeit zeigt eine sehr zart lavierte Mädchenfigur, deren Physiognomie so vage bleibt, dass nicht zu entscheiden ist, ob und welche der beiden Töchter des Künstlers die Dargestellte ist. Irgendwie wirkt die fast durchsichtige Gestalt trotz ihrer auf - rechten Haltung und säulenhaften Statur wie eine ferngerückte Erscheinung. Vielleicht nimmt Schlemmer mit ihr Abschied von seinen beiden fast gleichaltrigen Töchtern – Karin, die in Frei - burg eine Ausbildung zur Tänzerin absolvierte und Jaina, die in Berlin Bühnenbild studierte.“ - In ähnlicher Weise erscheinungshaft und auf eine schmale Silhouette reduziert, hatte Schlemmer 1935 seine Tochter Karin ganzfigurig auf ein kariertes Notizblockpapier im Postkartenformat gezeichnet. (Vgl. Werkverzeichnis Grohmann, 1969 Nr. ZB 445.) - Expertise von Frau v. Maur beiliegend. Gut erhalten. Seite 53 Seite 54

44. Schlemmer, Oskar: „Landschaft mit Rückenfigur zwischen Büschen.“ Aquarell und Gouache auf Karton. um 1935. 25 x 19 cm. (Bestell-Nr. KNE29608) 25.800 € Im Passepartout. - Diese höchst ungewöhnliche Darstellung von Schlemmer entstand vermutlich in den späten 30er Jahren, als er für Wandbilder in Offenburg oft Landschaften skizzierte Nachdem 1933 seine erste große Retrospektive im Württembergischen Kunstverein Stuttgart noch vor der Eröffnung von den Nationalsozialisten geschlossen worden war und man ihn an den Berliner Vereinigten Kunstschulen fristlos entlassen hatte, war Schlemmer mit seiner Familie nach Dettighofen-Eichberg in Baden nahe der Schweizer Grenze gezogen. Ab 1937 wohnte er in Sehringen. 1938 erhielt er eine Anstellung beim Stuttgarter Malerbetrieb Albrecht Kämmerer. - (Vgl. v. Maur Werkverzeichnis A 519 - A 523/1-6 sowie weitere Studien von 1940, S. 337f. Nrn. A 556 - A 562.) - Expertise von Frau von Maur beiliegend. Gut erhalten. Seite 55 Seite 56

45. Schlemmer, Oskar: „Profilkopf schräg nach rechts mit Lichtern.“ Pinsel in Tinte und Tusche, laviert, auf Notizblockpapier mit Zahnkante, auf Untersatz montiert. 1931. 13 x 9 cm (Bild) auf 17 x 13 cm (Blatt). (Bestell-Nr. KNE29602) 35.000 € Im Passepartout. - Vom Vorbesitzer Helmut Baumann (1804 -1978), Lehrer und Künstler in Göppingen, mit dem Oskar Schlemmer befreundet war, rückseitig bezeichnet und der „blauen Reihe“ von 1931 zugeordnet. Karin von Maur schreibt dazu: „Das Blatt gehört zu der kleinformati - gen Notizblockserie, die mit blauer Tinte realisiert wurde und daher oft gewisse Verbräunungen aufweist. Diese meist reizvollen intimen Formate nahm Schlemmer gerne für Geschenkzwecke. Das vorliegende Blatt basiert auf dem mehrfach publizierten Motiv eines schrägen Profilkopfs in Tintenlavierung: 1. In dem Zeichnungskatalog, bearbeitet von Tut Schlemmer: Oskar Schlemmer ‚Zeichnungen und Graphik‘ mit Einführung von Will Grohmann, Stuttgart 1969, S. 214, ZT1 30 und ZT1 34. 2, m. Abb. 2. Im Oeuvrekatalog, bearbeitet von Karin v. Maur: ‚Oskar Schlemmer. Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Plastiken‘, München 1979, S. 307, Nr. A 426, m. Abb. Beide sind jedoch trotz großer Ähnlichkeit nicht identisch mit dem vorliegenden Bild.“ - Expertise von Frau v. Maur bei - liegend. Gut erhalten. Seite 57 Seite 58

46. Schlemmer, Oskar: „Zwei Köpfe gegeneinander.“ Tusche, mehrfarbig aquarelliert auf Postkartenkarton. 1941. 14 x 10 cm. (Bestell-Nr. KNE29609) 53.500 € Im Passepartout und gerahmt. - Rückseitig eine eigenhändige Postkarte (mit Poststempel vom 17. 7. 1941) von Oskar Schlemmer an den Lehrer und Künstler Hans Baumann (1894 - 1978) in Göppingen. Baumann war mit seinem Bruder Carl Schlemmer, genannt Caska, befreundet und stand auch in engem Kontakt mit Oskar Schlemmer. (siehe Katalog der Helmut Baumann Stif - tung, Göppingen 2015, S. 9ff.). - Karin v. Maur schreibt dazu: „Das Motiv der Bildseite variiert die beiden sehr ähnlichen Aquarellstudien, die im Oeuvrekatalog v. Maur S. 144, Nr. A 595/ 1- 2 abge - bildet und auf ‚um 1942‘ datiert sind. Die Datierung kann nun durch den Poststempel auf 1941 berichtigt werden.“ Der Text der Postkarte an den Hptlehrer H. Baumann, den Frau von Maur in ihrer Expertise als „wohl ein vor der NS-Zensur verschlüsselter“ bezeichnet, lautet: „Lieber Herr Baumann, Dies nur ein ferner Klang des Bewußten (Unbewußten), das bewußt zu machen eine Bewußtlosigkeit voraussetzt, die mir z.Zt. nicht gegenwärtig. Das Bewußte ist selbst, ist ‚sicher - gestellt‘ vorläufig / verzeihen Sie. Ich hüte aber diese Reminiscenzen wie alte Weine, obgleich ich deren keine zu hüten habe, nur eben Reminiszenzen. Alles Gute und beste Grüße Ihnen und den Ihrigen Ihr OskSchlemmer.“ - Expertise von Frau von Maur beiliegend. Sehr gut erhalten. Seite 59 Seite 60

47. Hevesy, Iván: Futurista, expresszionista és kubista festészet [Futuristische, expres - sionistische und kubistische Malerei]. Ma, (Budapest). 1919. 1 Bl., S. 5 - 30, 1 Bl., 20 Bll. Mit zahlr. ganzs. Abb. Orig.-Broschur mit einer Deckelillustr. von Sándor Bortnyik. (Bestell-Nr. KNE29522) 900 € Erste Ausgabe der kunsttheoretischen Auseinandersetzung, die eine bedeutende Quelle zum Kunst verständnis des „MA“-Kreises vor der Emigration darstellt. - Sehr selten. - Hervorragend ge stal tete und reich illustrierte Publikation der Gruppe „MA“ – Hierin sind alle bis dahin für die Gruppe prägenden Strömungen in kurzen Kapiteln erörtert und nach eigener Auffassung ent - sprechend bewertet, bis schließlich der „MA“-Kreis selbst vorgestellt wird. Anhand der vorlie gen - den Publikation ist es möglich, die eigene kunsttheoretische Verortung des Kreises innerhalb der Moderne herauszulesen. Laut Julia Szabó waren es vor allem die Gedanken des „Blauen Reiters“ und von Wilhelm Worringer, der die Strömungen in „Abstraktion und Einfühlung“ unterteilte, wel - che Hevesy beim Abfassen der Schrift beeinflusst haben mögen (vgl. Wechsel wir kun gen. Ungarische Avantgarde in der Weimarer Republik. Hrsg. von Hubertus Gaßner. Marburg 1986. S. 79). - Die erste Begegnung Kassáks mit der bildenden Kunst der Moderne war ein Besuch der Ausstellung futuristischer und expressionistischer Arbeiten in Budapest im Jahr 1913. Dort war es vor allem Carlo D. Carràs Gemälde „Beerdigung des Anarchisten Galli“, das ihn beeindruckte (vgl. Passuth 2003, S. 80f.). - Der mit Bortnyik befreundete ungarische Kunsthistoriker Hevesy (1893 - 1966) war Mitarbeiter der Zeitschrift „MA“. Nach der Niederschlagung der ungarischen Räte - republik blieb er in Ungarn und wurde dort ein Vermittler der (ungarischen) Avant garde kunst, die sich in der ersten Hälfte der 20er Jahre nur im Ausland entfalten konnte. - Broschur mit winzigen Randläsuren, Anmerkungen u. Anstreichungen im Text in Rot. - Kat. Kassák 1999, S. 34 (Abb).

48. Kahána, Mózes: Univerzum. Versei. [Universum. Verse]. MA, (Budapest). 1919. 45 S., 2 Bll. 8°, Orig.-Karton mit einer Deckelillustr. von Sándor Bortnyik. (Bestell-Nr. KNE 29523) 1.600 € Erste Ausgabe der ersten Buchveröffentlichung Kahánas (1897 - 1974), der 1921 Schwitters' „Anna Blume“ ins Ungarische übersetzte. - Die Veröffentlichung fällt in jene für den Aktivismus so be - deutende Zeit der Ungarischen Räterepublik. Kassáks Versuche, die in seinem Kreis entwickelte Literatur und Kunst zur maßgeblichen des neuen Systems zu etablieren, scheiterten an der Engstirnigkeit der Funktionäre. So bezeichnete Béla Kun als leitende Figur der Räterepublik den Aktivismus als dekadente und bourgeoise Kunst, die nicht als die der Massen anerkannt werden sollte. Nach schweren Auseinandersetzung zwischen „MA“ und der Leitung der Räterepublik ist die Zeitschrift schließlich verboten worden und letztmalig im Juli 1919 in Ungarn erschienen. Der Kongress der Jungarbeiter verabschiedete allerdings eine Resolution, in der die Beteiligten den Aktivismus als ihre Kunst bezeichneten (vgl. Pál Deréky (Hrsg.): Lesebuch der ungarischen Avant - gardeliteratur. Wien u. Böhlau, 1996. S. 57f). Auch Mózes Kahána beteiligte sich an der Diskussion um die Stellung des Aktivismus in der neuen Ordnung, so schrieb er in der Juni-Ausgabe der „MA“: „Die Künstler der Zeitschrift ‚MA‘ haben der bürgerlichen Gesellschaft nicht gedient, und sie werden ebenso der Diktatur des Proletariats nicht dienen.“ (Zit. nach Passuth. In: Wech sel wir - kungen. Ungarische Avantgarde in der Weimarer Republik. hrsg. von Hubertus Gaßner. Marburg 1986. S 16). - Rücken fachmännisch restauriert, zwei Bll. am oberen Rand mit schwachem Fleck, sonst gut erhaltenes Exemplar.

49. Raith, Tivadar: Alkonyi Szimfónia. [Symphonie der Dämmerung.] Maxime Ferenczi, Paris. 1914. 16 unpag. Bll. Mit vier Holzschnitten von Ernst Kemter (2) u. Louis Marion Wachlmeyer [d .i. Aloys Wach] (2). 8 °, Orig.-Karton mit einer Deckelillustr. von Jenõ Ráth. (Bestell-Nr. KNE29519) 500 € Erste Ausgabe des Erstlingswerkes von Tivadar Raith (1893 - 1958). - Neben vorliegender Nor mal - Seite 61

ausgabe erschienen 50 nummerierte, vom Verfasser und den Künstlern signierte Exemplare. - Der erste von Raith publizierte Text, eine Übersetzung von Apollinaires „Le musicien de Saint-Merry“ erschien im ersten Heft der von Kassák redigierten und herausgegebenen Zeitschrift „A Tett“ [Die Tat]; (So zeigen sich auch die Gedichte in seiner ersten eigenständigen Publikation als von Apollinaire beeinflusst.) Jedoch wandte sich Raith nach Veröffentlichung von „Páris, Liège, Trencsénteplic“ im fünften Heft der Reihe von der Gruppe ab, zu groß waren die ideologischen Differenzen, welche im Laufe der Zeit immer deutlicher hervortraten; mit Kassáks sozialistischem Internationalismus, Materialismus und Kollektivismus konnte er sich nicht mehr identifizieren. Raith gründete die Avantgardezeitschrift „Magyar írás“, die er in den Jahren von 1921 bis 1927 herausgab. Sie war das seinerzeit bedeutendste und langlebigste in Budapest publizierte Kunst- und Literaturmagazin. Im Programm der Zeitschrift skizziert Raith die Idee einer religiösen und nationalen neuen Kunst, wobei seine Vorstellungen nichts mit einem traditionellen Natio nalis - mus und der Institution Kirche zu tun haben, sondern er eher eine verschworene Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern sowie eine Basisgruppen-Religiosität propagiert. (Hierzu und zum Folgenden vgl. Pál Deréky: Ungarische Avantgarde-Dichtung in Wien 1920 - 1926. Wien, Köln u. Weimar, 1991. S. 87ff.) - Auf der Suche nach der adäquaten Form für seine ethischen Inhalte schwankt Raith dichterisch zwischen Appolinaire und Walt Whitman, wobei er nach der Whitman-Rezeption Kassáks, der Whitmans Eigenbildung gepriesen hatte und jener der kommu - nistischen Dichter, die um 1919/20 den Revolutionär in ihm entdeckt hatten, von der Stärke in Whitmans Dichtung und der Verherrlichung des Menschen und des Lebens begeistert war. Dessen freie Verse schienen Raith allerdings hemmend und destruktiv; so zieht sich die Doppelgleisigkeit durch Raiths Werk, der Versuch eine Form der Sprache und des Ausdrucks zu schaffen und die Beteuerung, wonach in der neuen Dichtung die Herrschaft der Form durch die Herrschaft des Glaubens abgelöst würde. Anfang der 1920er Jahre wurde in „Magyar írás“ eine Seite 62

heftige Debatte ausgetragen, beruhend auf zwei Aufsätzen von Iván Hevesy, in denen er die Idee einer Massen- und Agitationskunst vertrat, die teils dem Proletkult nahe stand, aber auch die ganzheitliche christliche Kunst im Mittelalter berücksichtigen wollte. Die Forderung nach einer ethischen Massenkunst auf der Basis des religiösen Glaubens passte in das Konzept des Raith- Kreises, doch es entspann sich eine Diskussion inwieweit planmäßige Einflussnahme auf den Rezipienten legitim sei, da eine neue Kunst nicht durch Propaganda ins Leben gerufen werden könne, sondern nur durch ein Erstarken der Religiosität, die sich ihre Kunst dann selber schaffen werde. Zum Problem der stagnierenden Entwicklung der neuen Form im Kreis um „Magyar írás“ schreibt Raith in seinem Aufsatz „Számadás“ [Rechenschaft] 1923: „Wo gehören wir hin? Zur L’art pour l’art-Dichtung sicherlich nicht. Können wir zur Schule jener Stilexperimente gerechnet werden, die vor fast zwei Jahrzehnten errichtet wurde? Nein, wir gehören zu keiner dieser Bestrebungen. Sie [...] kranken alle an der Überbewertung der Rolle der Form [...], sie konnten ihr Versprechen, die neue Kunst zu schaffen, nicht einlösen. [...] Unsere Bewegung bricht radikal mit der Literatur der nahen Vergangenheit und greift auf ältere, edlere literarische Traditionen zurück. [...] Dabei benutzen wir auch jenes Material, das formal von unseren unmittelbaren Vorgängern erarbeitet wurde [...];“ (Zit. nach: ebenda S. 90.) Als unmittelbare Vorgänger spezifiziert Raith im Laufe des Jahres 1923 die Expressionisten; der Kreis um Raith adaptierte kurzzeitig eine messia - nische Variante des Expressionismus, wobei vorrangig Werke von Georg Kaiser und Walter Hasenclever ins Ungarische übersetzt wurden und eigene Arbeiten in diesem Stil erst wenige Jahre später erscheinen sollten. - Der Schweizer Maler und Grafiker Ernst Kempter (1891 - 1958) lebte ab 1930, nach längeren Aufenthalten in Frankreich, Deutschland und Italien im Tessin. - Der österreichische Maler und Graphiker Alois Ludwig Wach (1892 - 1940), hier noch Wachlmeyer, war neben Georg Schrimpf und Fritz Schaefler einer der wichtigsten expressionistischen Künstler Münchens zur Zeit der Räterepublik. Seine Holzschnitte dominieren die avantgardistischen Blätter der Stadt aus dieser Periode des Aufbruchs, zahlreiche Arbeiten finden sich in den Zeit - schriften „Süddeutsche Freiheit“, wo er gemeinsam mit Fritz Schaefler die Titelblätter gestaltete, Seite 63

„Der Weg“ und „Die Bücherkiste“. Als Mitglied im Aktionsausschuß revolutionärer Künstler zeigte er sich an einer grundsätzlichen Neugestaltung der Münchner Tagespresse sehr interessiert und ließ seine Holzschnitte zusammen mit Parolen abdrucken, so beispielsweise in den „Münchener Neusten Nachrichten“ und im „Bayrischen Kurier“, ein jeweiliges avantgardistisches Novum in der Geschichte der beiden Blätter. Seine graphischen Arbeiten wurden darüber hinaus auch in den überregional wichtigsten Zeitschriften der Moderne gedruckt, darunter in vier Ausgaben des „Sturm“. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg pflegte Wach Kontakt zur Münchner Künstlerszene um den „Blauen Reiter“. (Vgl. Brühl, Der Sturm. S. 280 und Süddeutsche Freiheit. Kat. München 1993. S. 191). - Karton etwas gebräunt u. leicht knickspurig, erstes Bl. u. Titelbl. gestempelt, sonst sehr ordentlich erhaltenes Exemplar.

50. Raith, Tivadar: Szerelem. Harc. Hit. [Liebe. Kampf Glaube.] Magyar Irás, Budapest. 1922. 32 unpag. Bll. Mit acht Holzschnitten von Erzsébet Csöre. 8°, Pappbd. mit eingeb. Orig.-Broschurdeckel. - Signiertes Exemplar. (Bestell-Nr. KNE29520) 500 € (Aufgehende Sonne, 1.) - Eins von 600 nummerierten und vom Verfasser im Druckvermerk signierten Exemplaren. - Respektbl. ebenfalls vom Verfasser signiert. - Das Verlagssignet und die Titelillustration von Lajos Csabai Ékes. - In der von Raith gegründeten Zeitschrift „Magyar irás“ stellte alsbald Iván Hevesy, der zuvor mit Kassák zusammenarbeitete und den linken Avant - garden auch danach aufgeschlossen gegenüberstand, von 1922 bis 1925 systematisch die Ismen vor, einschließlich der Programme der russischen Konstruktivisten. Raith schloss die Sammlung mit dem Kommentar, all diese Programme und Theorien, gehörten der Vergangenheit an. Jedoch gab dieser Überblick erstmalig in Ungarn die Möglichkeit, die Programme in der Landessprache zu lesen, welche zuvor teils in den verbotenen Wiener Periodika „MA“ und „Egység“ veröffentlicht Seite 64

worden waren. Der Surrealismus fand jedoch auch später keine Be rück sichtigung, und das, ob - wohl Raith seine wichtigsten Impulse von den französischen Avantgarden empfangen hatte. In der ungarischen Literatur gab es im Wesentlichen nur die optimistische „Aufbaudichtung“ und das abstraktere Montageprinzip als nachvollziehbare Avantgarde-Stile. Nur wenige Literaten wie Attila József ließen die verschiedenen Ismen als Synthese in ihrem Werk aufgehen. Für Raith, der immer auf der Suche nach einer ihm adäquat erscheinenden Verssprache war, bedeutete der Stilpluralismus eine Aufforderung, sich für einen der Ismen entscheiden zu müssen. Daher ist es nicht überraschend, dass er 1921/22 noch einmal die Experimente der Verschmelzung der Verssprache von Apollinaire und Walt Whitman von 1915/16 wiederholt. - Vorliegender Band ent - hält u .a. den Text „Paris, Liège, Trencsénteplicz“, der zuerst in der Zeit schrift „A Tett“ erschienen war. - Die Künstlerin Erzsébet Csöre (1896 - ?) gehörte zum Kreis der Zeitschrift „Magyar irás“. - Einbandkanten etwas berieben, sonst gut erhaltenes Exemplar. Seite 65

51. Van de Velde, Henry: Vom neuen Stil. Der „Laienpredigten“ II. Teil. Insel, Leipzig. 1907. 101 S., 1 Bl. 8 °, Orig.-Karton mit goldgepr. Titelvignette von Henry van de Velde. - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE29351) 800 € Mit einer handschriftl. Widmung des Verfassers an Madame et Monsieur Ernst Hardt auf dem Vortitelblatt, signiert und datiert 1907, Weimar. - Vorliegendes Werk erschien im Jahr vor Van de Veldes zwei Jahre in Anspruch nehmender Tätigkeit zur Neugestaltung des Innenraums von Schloss Lauterbach und damit in jener Zeit, als er neben architektonischen Planungen und Ent - würfen auch künstlerisch inspirierte, weibliche Reformkleidung gemeinsam mit Anna Muthesius entwarf. - Der Schriftsteller und unermüdliche Unterstützer des Bauhauses Ernst Hardt zog 1907 nach Weimar, wo er sehr schnell rege Kontakte zum Kreis des „Neuen Weimar“ knüpfte. Zu vielen Künstlern, darunter Marcus Behmer, der die Gestaltungen der im Insel-Verlag publizierten Texte von Hardt vornahm, unterhielt er enge, fast freundschaftliche Verbindungen. Auch zu Van de Velde muss es engere Kontakte gegeben haben, so half Hardt Van de Velde bei der Formulierung einer Denkschrift, die dieser anlässlich seines Weggangs aus Weimar 1915 verfasste (vgl. Ulrike Bestgen: „Wir Gleichgestimmten müssen unter einander wirklich wollen“. Anmerkungen zu Walter Gropius und Ernst Hardt. S. 129f. In: Seemann/Valk (Hrsg.): Klassik und Avantgarde. Das Bauhaus in Weimar 1919 - 1925. Göttingen, 2009). - Karton mit kleinen Rand läsuren, an den Rändern schwach knickspurig, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Sarkowski 1810 (verzeichnet nur die Halb - pergamentvariante). Seite 66

52. Vordemberge-Gildewart, Friedrich: Époque néerlandaise. Préface: Jean Arp. Mit fünf beiliegenden Fotografien. Éditions Duwaer, Amsterdam. 1949. 24 nn. Bll. Text mit 1 Porträt, 22 (1 mont.) Abb. u. 1 Notenbl. sowie 25 Tafeln, davon 12 farb. Gr.-4 °, lose in Orig.-Karton mit -Pergaminumschlag. Fotografien je 24 x 18 cm. (Bestell-Nr. KNE27767) 1.500 € Eins von 300 num. und vom Verfasser sign. Exemplaren. - Typographie und Gestaltung von Vordemberge-Gildewart. - Die Fotografien zeigen Herrn und Frau Vordemberge-Gildewart bei einem Treffen im Jahr 1954 mit Herrn und Frau Bieber; Karl Augustinus Bieber (1903 - 1996) war Mitarbeiter von Fritz Becker an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf und 1949 künstleri - scher Leiter der Werkbundausstellung in Köln. 1953-1959 hatte er die Position des Direktors des Staatlichen Kunstschule Bremen inne und entwarf gemeinsam mit Otto Niedermoser Häuser der Wiener Mustersiedlung. - Mit dem vorliegenden, aufwendig gestalteten Band dokumentierte Vordemberge-Gildewart sein in der Isolation während der Besatzung geschaffenes Werk. Geplant war das Erscheinen bereits für das Jahr 1946, allerdings fehlte das entsprechende Papier, so dass das Album erst zu seinem 50. Geburtstag herauskommen konnte. - Der Band stieß auf einhellige Zustimmung, so schrieb der Kunstkritiker Libby Tannenbaum im Magazin of Art u .a.: „Diese Publikation über einen der bedeutendsten Vertreter konkreter Kunst ist in ihrer Art einmalig. Sie bringt dem Betrachter in großformatigen, zum Teil farbigen Bildwiedergaben das Werk des Ma - lers außerordentlich nahe und verkörpert gleichzeitig dessen künstlerisches Ideal. Die vorzügli - che Aufmachung und Ausführung machen nämlich das Buch an sich schon zu einer ästhetischen Realität. In seiner Einleitung nennt Hans Arp Vordemberge und dessen Werk ‚eine in unserer chaotischen Zeit so selten gewordene Oase der Reinheit ‘“ (zit. nach Kat. 1990). - Enthält den wich - tigen Aufsatz „abstrakt – konkret – absolut“ von Vordemberge-Gildewart sowie kurze Statements von Ozenfant und Jeanneret (Le Corbusier), Picasso, Van Doesburg, und Vantongerloo. - Die Texte von Arp und Vordemberge in Französisch, Deutsch, Englisch. - Mit Kurzbiographie, Ausstellungs - liste, einem Verzeichnis der Werke in Museen und Privatsammlungen sowie umfangreicher Bibliographie mit 217 Titeln. - Beiliegend: Fünf Fotografien: 1. Porträt Vordemberge-Gildewart (Amsterdam 1953). 2. Vordemberge-Gildewart. 3. Vordemberge-Gildewart, Herr Bieber u. Frl. Krüger (Hannover, Dezember 1954). 4. Frl. Krüger, Frau Bieber, Frau Vordemberge (Hannover, De - zem ber 1954). 5. Vordemberge-Gildewart u. Herr Bieber (Hannover 1954) - Pergaminumschlag an den Rändern gebräunt und mit kleineren Fehlstellen, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Helms/ Valster-Verhoff 139-40. - Kat. 1990 T 444. Seite 67 Seite 68

53. Der Rote 1-Mark-Roman. Bde. 1-8 [von 9]. Internationaler Arbeiter-Verlag, Wien, Berlin u. Zürich (ab Bd. 6 Berlin). (1930-1932.) 8°, illustr. Orig.-Broschuren (Gestaltung Werner Eggert). (Bestell-Nr. KNE29639) 1.500 € Alle Bände in ersten Ausgaben, Bd. 3 in erster deutscher Übersetzung. - Bd. 1: Hans Marchwitza, Sturm auf Essen. Die Kämpfe der Ruhrarbeiter gegen Kapp, Watter und Severing. (1930; Melzwig 512.1.) - Bd. 2: Klaus Neukrantz, Barrikaden am Wedding. Der Roman einer Straße aus den Berliner Maitagen 1929. (1931; Melzwig 541.1.) - Bd. 3: B. Orschansky, Zwischen den Fronten. Tscheka und Ochrana messen ihre Kräfte. (1930; Schweikert S. 76.) - Bd. 4: Willi Bredel, Maschinenfabrik N. & K. Ein Roman aus dem proletarischen Alltag. (1930; Melzwig 158.1.) - Bd. 5: Franz Krey, Maria und der Paragraph. Ein Roman um § 218. (1931; Melzwig 394.1.) - Bd. 6: Willi Bredel, Rosenhofstrasse. Roman einer Hamburger Arbeiterstraße. (1931; Melzwig 159.1.) - Bd. 7: Hans Marchwitza, Schlacht vor Kohle. Aus dem Leben der Ruhrkumpels. (1931; Melzwig 513.2.) - Bd. 8: Walter Schönstedt, Kämpfende Jugend. Roman der arbeitenden Jugend. (1932; Melzwig 636.1.) - Als 10. Band sollte der Roman „Sturmtage im März“ von Otto Gotsche erscheinen. Dieser wurde allerdings 1933 vor der Auslieferung beschlagnahmt und vernichtet. - Die vorliegende Roman-Reihe, mit der die KPD einen neuen Typus populärer Massenliteratur als Gegengewicht zur bürgerlichen Trivialliteratur schaffen wollte, ist auch durch ihre Gestaltung auffällig. Sie präsentiert sich in einem einheitli - chen Foto-Typo-Design, für welches der Mitarbeiter des graphischen Ateliers der KPD Werner Eggert (1909 - 1962) verantwortlich zeichnet. - Broschuren berieben, teils leicht knickspurig, ins - gesamt gut erhaltene Exemplare. - Holstein, Blickfang S.274.

54. Kleine Malik Bücherei. Bde. 1- 20 [Alles Erschienene]. Malik, Berlin. 1924 - 1926. Kl.-8 °, illustr. Orig.-Pappbde. mit Einbandillustr. u.a. von John Heartfield u. George Grosz u. -Schuber mit mont. Schild. (Bestell-Nr. KNE29643) 2.500 € Vollständig mit Schuber und Werbeblatt selten. - I: Pottier u. Clément, Französische Revolutions - lieder aus der Zeit der Pariser Commune übertragen und eingel. von Walter Mehring. (1924; Ein - Seite 69

band: Bernhard Naudin. Hermann 304.) - II: Der Bürgerspiegel. Eine Sammlung satirischer Anek - do ten, Epigramme, Witze und Glossen. Eingel. von Friedrich Wendel. (1925; Einband: Honoré Daumier. Hermann 27.) - III: George Grosz u. Wieland Herzfelde, Die Kunst ist in Gefahr. Drei Aufsätze. (1925; Einband u. Illustr.: George Grosz. Hermann 167.) - IV: Alexander Guidony, Dizzy. Erzählung aus dem Jahre 1950. (1924; Herrman 177.) - V: Wladimir Majakowski, 150 Millionen. Autorisierte nachdichtung von Johannes R. Becher. (1924; Einband John Heartfield. Hermann 237.) - VI: André Marty, In den Kerkern der französischen Republik. Übers. u. eingel. von Paul Friedländer. (1924; Einband: Teophile Steinlen. Hermann 241.) - VII: Eugen Leviné, Stimmen der Völker zum Krieg. (1924; Einband: Bob Minor. Hermann 230.) - VIII: Albert Ehrenstein, China klagt. Nachdichtungen revolutionärer chinesischer Lyrik aus drei Jahrtausenden. (1924; Einband: John Heartfield. Hermann 69.) - IX: Victor Hugo, Der letzte Tag eines Verurteilten. Übertr. von Alfred Wolfenstein. (1925; Einband: George Grosz u. John Heartfield. Hermann 200.) - X: Wera Figner, Das Attentat auf den Zaren Alexander II. Einl. J. Jussow. (1926; Einband: Rudolf Schlichter. Hermann 75.) - XI: Georg Herwegh, Was macht Deutschland? Gedichte. Ausgew. u. eingel. von Karl Otten. (1924; Einband: Bob Minor. Hermann 185.) - XII: Upton Sinclair, Die Hölle. Drama in vier Aufzügen mit Kino-Einlagen. (1925; Einband: George Grosz. Hermann 333.) - XIII: Etienne de la Boetie, Über freiwillige Knechtschaft. (1924; Einband: George Grosz. Hermann 15.) - XIV: Georg Forster, Re vo - lutionsbriefe. Auswahl u. einl. von Kurt Kersten. (1923. Einband nach einem Kupferstich aus „Tableaux de la Revolution Francaise, Paris 1804“. Hermann 80.) - XV: Oskar Ameringer, Unterm Sternenbanner. Kleine Gedichte für große Kinder. (1924. Einband: Cornelia Barns. Hermann 2.) - XVI: Kurt Kersten, Fridericus und sein Volk. Dokumente aus dem alten Preußen. (1925. Einband: Adolph Menzel. Hermann 222.) - XVII: Tschechische Lieder. Übers. u. eingel. von F. C. Weiskopf. (1925. Einband: Theophile Steinlen. Hermann 425.) - XVIII: Upton Sinclair, Der Industriebaron. (1925. Einband: Frans Masereel. Hermann 339.) - XIX: F. Slang, Panzerkreuzer Potemkin. Der Matro sen - aufstand vor Odessa 1905 (1926. Einband: Fotomontage von John Heartfield. Hermann 394.) - XX: Maxim Gorki, Der 9. Januar. Die Ereignisse in Petersburg a, 9. Januar 1905. (1926. Einband: Fo to - montage von John Heartfield. Hermann 133.) - Beiliegend: Verlagswerbeblättchen für die Malik- Bücherei. - Rücken von Bd. 13 überklebt; Rücken teils etwas brüchig, Bll. vereinzelt stockfleckig. Seite 70

55. Graf, Oskar Maria. - Georg Schrimpf (Illustr.): Ua – Pua.! (Indianer-Dichtungen). Mit 30 Kreidezeichnungen von Georg Schrimpf. Franz Ludwig Habbel, Regensburg. 1921. 59 S., 2 Bll. Mit 30 Kornätzungen. 4°, handgbd. Orig.-Pergamentbd. mit goldenen Deckelfileten. (Bestell-Nr. KNE29584) 2.000 € Erste Ausgabe. - Entgegen dem Druckvermerk in Ganzpergament gebunden. - Eins von 200 handschriftl. nummerierten Exemplaren auf besonders feinem Hadernpapier. - Druckvermerk vom Verfasser und Künstler signiert. - In der Rustika von Fritz Helmuth Ehmcke auf Hadernpapier von Zanders. - Druck des Textes von Knorr und Hirth, der Kornätzungen von der Kunstanstalt Brend’amour, Simhart u. Co., München. - Mit der gedruckten Widmung „Dieses Buch gehört, in Erinnerung an meine beste Jugendzeit, meiner Schwester Nanndl“. - Enthält vier Indianer dich tun - gen in freirhythmischer Prosa, die als Reminiszenz an Grafs Jugendzeit mit seinen Geschwistern zu verstehen sind. - Graf (1894 - 1967) merkt über die Entstehung des Werkes an: „Ich schrieb, was mir gerade einfiel, sogar Indianergeschichten in Vers und gehobener Prosa, ohne die geringste Ahnung vom Leben dieser Rothäute zu haben; und ein Verlag brachte sie heraus, aber die Ho - norare und der Vorschuß zerschmolzen wie Butter an der heißen Sonne.“ (Zit. nach: Wilfried F. Schöller: Oskar Maria Graf. Odysee eines Einzelgängers. Frankfurt a. M., 194. S. 125.) - Der Münche - ner Maler und Vertreter der „Neuen Sachlichkeit“ Georg Schrimpf (1889 - 1938) schloss sich Erich Mühsams Gruppe „Tat“ an, zu der auch Franz Jung und Oskar Maria Graf gehörten. Mit letzterem verband ihn eine enge, langandauernde Freundschaft; 1913 reisten sie gemeinsam nach Ascona, beide am Anfang ihres Schaffens und mit dem festen Willen Schriftsteller bzw. Maler zu werden. - Vorsatz mit Exlibris, Vorsatzbll. leicht fleckig, sonst sehr schönes Exemplar. - Raabe/Hannich-B. 89.4. (verzeichnet nur die Halbpergamentvariante) - Lang, Expressionismus 307. Seite 71

56. Ottwalt, Ernst: Ruhe und Ordnung. Roman aus dem Leben der nationalgesinnten Jugend. Malik, Berlin. (1929.) 306 S., 3 Bll. 8°, Orig.-Leinenbd - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE29627) 800 € Erste Ausgabe. - Mit einer achtzeiligen Widmung des Verfassers an Maria Gresshöner, die als Zeichen ihrer Verbundenheit mit der Sowjetunion unter dem Pseudonym Maria Osten veröffent - lichte, signiert und datiert Berlin, im Dezember 1929: „Maria Gresshöner 1.) der erfolgreichen Konkurrentin, 2.) seiner heimlich geliebten Schwester in Apolline et musis, 3.) bloß so, ehrfurchts - voll und herzlichst ‚dargebracht ‘.“ - Die Schriftstellerin Maria Osten (eig. Greßhöner) arbeitete ab 1928 für den Malik-Verlag, mit dessen verheiratetem Gründer und Chef Wieland Herzfelde sie eine Liebesbeziehung unterhielt, und publizierte, ebenso wie Ottwald dort. Herzfelde verwende - te Ostens Fotoportrait für einen Unschlag von Ilja Ehrenburgs Roman „Die Liebe der Jeanne Ney“ (1930) (vgl. Ursula El-Akramy: Transit Moskau. Margarete Steffin und Maria Osten. Hamburg, 1998. S. 85 u. S. 91). 1942 wurde sie im Zuge der stalinschen Säuberungen erschossen. Zuvor war sie wegen des Versuches, ihren als Staatsfeind behandelten Partner Michail Kolzow aus diesem „Mißverständnis“ zu retten, selbst unter Verdacht geraten und wegen ihrer Kontakte zum Kreis um Heartfield 1936 als „Versöhnlerin“ diskreditiert worden (vgl. Simone Barck, in: Lex.soz.Lit. S. 364f). Ernst Ottwalt, der diese Beschuldigung während einer Parteiversammlung ausgesprochen hatte, wurde kurz darauf selber verhaftet und starb 1943 in einem sibirischen Lager (vgl. Dieter Schiller: Der Traum von Hitlers Sturz. Studien zur deutschen Exilliteratur 1933-1945. Frankfurt a. M., 2010. S. 166). - Ottwalt und Osten arbeiteten in den 1930er Jahren beide für die ab 1936 in Moskau im Geiste der Volksfrontpolitik der Komintern erschienene Exilzeitschrift „Das Wort“ unter der Redaktion von Willi Bredel, Brecht und Feuchtwanger. - Rücken mit Text zum Inhalt in Gold. - Sehr gut erhaltenes Exemplar. - Hermann 285. - Melzwig 543.1. Seite 72

57. Mann, Heinrich: Geist und Tat. Franzosen 1780 -1930. Gustav Kiepenheuer, Berlin. 1931. 301 S., 1 Bl. 8 °, Orig.-Leinenbd. (Entwurf: Georg Salter.) - Widmungsexemplar. (Bestell-Nr. KNE29626) 1.200 € Erste Ausgabe. - Erschienen in 5000 Exemplaren. - Mit der handschriftl. Widmung des Verfassers an André Gide „Tèmoignage de mon admiration et de ma reconnaissance“ [Als Zeichen meiner Bewunderung und Dankbarkeit], signiert und datiert avril 1931. - Mann war André Gide bereits 1923 in Frankreich begegnet, als er an den Sommergesprächen „Entretiens de Pontigny“ teil - nahm. Seit 1910 trafen sich europäische Schriftsteller, Intellektuelle und Politiker in der ehemali - gen Abtei in Burgund, um sich auf Einladung Paul Desjardins zehn Tage lang auszutauschen (vgl. Anne Kraume: Das Europa der Literatur. Berlin, 2010. S. 28). Manns ästhetische und politische Vorlieben galten zu diesem Zeitpunkt bereits länger Frankreich; so reiste der überzeugte Interna - tionalist, der zuvor Barbusses Clarté-Aufruf unterzeichnet hatte, 1922 zu den ersten „Entretiens d’Été“ nach dem Ersten Weltkrieg. - Vor allem französische Intellektuelle waren für Heinrich Mann Vorbild für die Herstellung demokratischer, kritischer Öffentlichkeit im Sinne der Aufklärung. Das Essay über Zola führte zu einem nie ganz aufgeklärten Zerwürfnis mit Thomas Mann, der in sei - nen „Betrachtungen eines Unpolitischen“ darauf antwortete. Für Heinrich Mann waren die Fran - zo sen das geistigste und tätigste Volk zugleich - sie amalgamierten Leben und Geist in der Tat (s. S. 11). - Beiliegend: Verlagswerbung für wichtige Neuerscheinungen der letzten Zeit (1931). - Einbandrücken schwach bestoßen, sonst gut erhaltenes Exemplar. - Holstein, Salter 101. Seite 73

58. Schickele, René. – Heinrich Mann. Zwei handschriftl. Briefe von René Schickele an Heinrich Mann mit gelaufenen Kuverts. 1. Zweiseitiger, handschriftl. Brief auf dem Briefpapier der „Weissen Blätter“ (Rascher & Cie, Zürich), sign. und dat. 9. November 1916; rückseitig mit einem halbseitigen sign., handschriftl. Antwortentwurf in Blei von Heinrich Mann. 2. Einseitiger, handschriftl. Brief von Schickele an Heinrich Mann, sign. und dat. 12. Dezember 1916. Mannenbach. 1916. 28,4 x 21,8 cm u. 21 x 13,5 cm. (Bestell-Nr. KNE29694) 1.800 € Die beiden Briefe geben Auskunft über eine Auseinandersetzung zwischen René Schickele und Heinrich Mann im Jahr 1916. Wie dem ersten Brief vom November zu entnehmen ist, ging es dabei um den Abdruck eines Dramas Manns in den „Weissen Blättern“, die Schickele herausgab und die daraufhin ausbleibende Honorarzahlung: „Ihr Brief an den Verlag Kurt Wolff, der, nicht ohne mein dazutun, unser gemeinsamer Verlag geworden ist, bleibt mir nach wie vor unver - ständlich. Sie erinnern sich vielleicht, dass Sie mir den Abdruck des Stückes in München freistell - ten, ohne daran irgend eine Bedingung zu knüpfen. Es tut mir leid, dass ich Ihrem Stück vor des - sen Erstaufführung – von der ich nichts wusste, und von der Sie mich auch nicht benachrichtigt haben – ‚einen Teil seines Neuigkeitswertes entzogen‘ habe, wie Sie sich ausdrückten, wenn auch nur so viel ‚wie die Auflage der Weissen Blätter mir erlauben...‘“ Schickele könnte sich auf den Abdruck des Dramas „Madame Legros“ in den „Weissen Blättern“ (Heft VIII, 1916) beziehen; aller - dings erschien das Stück 1913 bei Cassirer (vgl. W/G 28), 1917 wurde es vom Kurt Wolff Verlag übernommen, und in der Literatur wird als Jahr der Uraufführung meist 1917 (München) ange - geben. Das Heinrich-und-Thomas-Mann-Zentrum Lübeck datiert die Uraufführung aber auf 1916 Seite 74

und gibt als Ort Berlin an. Heinrich Mann muss sich in einem Brief an den Kurt Wolff Verlag, mit dem er zu dieser Zeit in Verhandlungen stand, sehr über Schickeles Vorgehensweise beschwert haben. Diesen Brief hatte der Verlag an Schickele weitergeleitet und die Art und Weise wie Mann seinen Unmut kundgetan haben muss, beschämt und kränkt Schickele nicht nur, er ist getroffen von dem „Mangel an Solidarität“ unter Kollegen: „Ich habe Sie von dem Abdruck nicht verstän - digt, auch Beleg- und Honorarsendung absichtlich verzögert – aus Vorsicht für Sie, versteht sich. Allerdings hätte ich mir bei dieser vielleicht törichten Unterlassung nie träumen lassen, dass Sie Seite 75

einem ‚Kollegen‘ gegenüber eine geschäftliche Vermittlungsstelle darauf hinweisen könnten.“ Schickele weist vehement den wohl aufgekommenen Vorwurf zurück, sich an dem Vorabdruck be reichert haben zu wollen und rückt immer wieder die persönliche Verbindung und seine Hochachtung, die er bis dato für Mann hatte, in den Vordergrund: „Ich habe Ihnen gesagt, was mich gekränkt, und was mich enttäuscht hat; ob Sie es nun annehmen oder zurückweisen. Wären Sie für mich nur Literat gewesen, so hätte mich Ihr Brief an den Verlag nicht einmal gewundert. Noch zuletzt, im Verfasser des ‚Zola‘ hatte ich mehr gesehen. Reine Kunstfertigkeit erscheint mir heute verächtlicher denn je. Die Angst, einem Seiltänzer […] das Herz geschenkt zu haben ver - wirrt mich zutiefst.“ - Rückseitig findet sich ein halbseitiger Antwortentwurf Heinrich Manns, der eher auf eine Versöhnung ausgerichtet scheint: „Was mich betrifft, ich gebe meinen Teil am Unrecht bereitwillig zu.“ Die Antwort, die Mann an Schickele sendete, scheint diesen nicht gänz - lich zufrieden gestellt zu haben und er greift einige der Vorwürfe Manns noch einmal auf: „[…] es ist so; ich habe mich, trotzdem ich mir redlich Mühe gab, über Ihren Brief an den Leipziger Verlag lange nicht beruhigen können. […] Kränken wollte ich Sie nicht. Habe ich es trotzdem getan, so bitte ich Sie um Entschuldigung. […] Hatte ich nicht Grund, wenigstens an eine gewisse Gemeinsamkeit in unseren Zielen zu glauben, und zu hoffen, dass sie, zumal in dieser Zeit, nicht über einer verzögerten Honorarwanderung in die Brüche ginge? Bitte, halten Sie mir zugute, dass gerade Sie es waren, der mich so überraschte, und dass ich sehr verwundert war, von Ihnen als eine Art Kriegsverehrer behandelt zu werden.“ Zumindest scheint sich das Verhältnis so weit ge - bessert zu haben, dass Schickele Heinrich Mann um die Zusendung einer Arbeit für die „Weissen Blätter“ bittet. Auf dem Kuvert wurde im Absender der Name Schickeles rot unterstrichen und mit dem Vermerk „Versöhnung“ versehen. - Bll. gut erhalten. Seite 76

59. Dinamov, Sergei. – André Gide. Einseitiger maschinengeschr. Brief von Sergei Dinamov an André Gide auf dem Briefpapier der „Internationalen Vereinigung der Revolutionären Schriftsteller“, sign. und dat. 31 Juillet 1935. Moskau. 1935. 1 Bl. 29,6 x 21 cm. (Bestell-Nr. KNE29709) 800 € Sergei Dinamov drückt in diesem französischsprachigen Brief an André Gide seine Bewunderung für den Schriftsteller und dessen Rede, die „einschlug wie ein Donnerschlag“, auf dem Ersten Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur in Paris im Juni 1935 aus. - Der russische Literaturkritiker und Autor Dinamov war neben Sergei Tretjakow Herausgeber der „Internationalen Literatur“ und hauptverantwortlich für die englische Ausgabe der Zeitschrift; redaktionell war er an allen Ausgaben, auch der russischen beteiligt. 1938 fiel er dem Stalinschen Terror zum Opfer und wurde 1939 erschossen (vgl. Discourses of Regulation and Resistance. Edinburgh University Press, 2015. u. Maas S. 311). - In der letzten Phase ihrer Existenz richtete die Internationale Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller ihre Anstrengungen darauf, die revo - lutionären Schriftsteller der Welt gegen den Faschismus zu mobilisieren und die Einheitsfront aller linken Autoren mit der Arbeiterklasse in internationalem Maßstab wurde zur vorrangigen Aufgabe (vgl. Paris 1935. Reden und Dokumente. Berlin, 1982. S. 9ff. u. Lit. Soz. Lit. S. 220ff). - Dem Aufruf zum „Premier Congrès de l ’Association Internationale des Écrivains pour la Défense de la Culture“ folgten 250 Schriftsteller aus 38 Ländern. Vorbereitet von André Gide, André Malraux, Ilja Ehrenburg, Jean-Richard Bloch und Paul Nizan, sollte dieser erste internationale Schrift stel - lerkongress ein breites Bündnis von Intellektuellen gegen die Barbarei darstellen, die sich mit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland, aber auch in diversen anderen faschistischen Bewe - gungen in Europa abzeichnete. - Gide hielt auf dem Kongress eine Rede, in der er u .a. den Natio - nalismus verurteilte und seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, sogleich Internatio nalist sein und doch Franzose bleiben, ebenso wie Individualist sein und den Kommunismus bejahen zu können: „Gerade in einer kommunistischen Gesellschaft kann sich jedes Individuum […] am Seite 77 vollständigsten entfalten. Oder, wie es Malraux kürzlich in einem bereits berühmten Vorwort gesagt hat: ‚Der Kommunismus gibt dem Individuum seine Fruchtbarkeit wieder‘ [...] Und ich be - wundere in der UdSSR nichts so sehr wie die große Sorge um Schutz und Achtung der Beson - derheiten jedes Volkes, jedes kleinen Staates in der großen Sowjetunion.“ (Zit. nach: Paris 1935. Reden und Dokumente. Berlin, 1982. S. 124.) - Dinamov legte ein Heft der Zeitschrift „Interna - tionale Literatur“ bei, in dem ein André Gide gewidmeter Artikel von Lejniev enthalten war. Die Zeitschrift war seinerzeit eine der wichtigsten marxistischen Literaturzeit schrif ten und der Ort für die maßgeblichen literarischen Debatten der kommunistischen Intellektuellen, damit wirkte sie stil- und theoriebildend (vgl. Lex.soz. Lit. S. 215ff). Die konstruktivistische Gestaltung des Titels war ein Entwurf von Alexander Rodtschenko. - Bl. am oberen Rand leicht knickspurig, sonst guter Zustand.

60. Mann, Tomas. – André Gide. Zweiseitiger maschinengeschr. Brief von Thomas Mann an Anrdé Gide, sign. und dat. 30. VIII. 37. Zürich. 1937. 1 Bl. 26,7 x 21,1 cm. (Bestell- Nr. KNE29721) 1.200 € Thomas Mann bedankt sich für das Vorwort, das André Gide für die französische Ausgabe seines Essaybandes „Achtung Europa“ (1937) beigesteuert hatte (vgl. Exilarchiv 3817): „Ich bin stolz auf all das Anerkennende und Gutheissende, was Sie über die Haltung sagen, welche ich instinktiv und meiner Natur gemäss in den letzten Jahren eingenommen habe, und, das darf ich hinzufü - gen, nicht nur um meinetwillen freuen mich Ihre Worte, sondern auch um Ihretwillen, insofern nämlich, als diese Ihre Aeusserung ganz danach angetan ist, gewisse unglücklich-alberne Miss - verständnisse zu zerstreuen, die sich über Ihr eigenes Denken, Fühlen und Wollen in gewissen Teilen der Oeffentlichkeit seit Ihren Schriften über Russland gebildet haben.“ Durch die hier er - wähnten Schriften über Russland, gemeint ist wahrscheinlich Gides kritischer Bericht über seine Reise in die UdSSR „Retour de l ’U.R.S.S.“, die 1936 bei Gallimard und noch im gleichen Jahr im Seite 78

Jean-Christophe-Verlag, Zürich erschienen war, wurde eine große Kontroverse unter den Schriftstellern der Volksfront ausgelöst. Gide, der auf dem Schriftstellerkongress 1935 in Paris noch das Regime gegen Angriffe trotzkistischer Deligierter verteidigt hatte, kehrte enttäuscht aus der Sowjetunion zurück und schilderte in seinem Bericht die sozialen Missstände und den Terror (hierzu und zum Folgenden vgl. Dieter Schiller: Der von Traum Hitlers Sturz. Studien zur deutschen Exilliteratur 1933 - 1945. Frankfurt a. M., 2010. S. 17). Lion Feuchtwanger bereiste Russland ebenfalls 1936 und konzipierte seinen Bericht als eine Art Gegendarstellung zu Gide. Die deutsche Volksfrontbewegung sah sich nun einem Entscheidungszwang ausgesetzt, denn von parteikommunistischer Seite wurde jeder Kritiker der stalinistischen Herrschaftspraxis als Helfershelfer Hitlers dargestellt. Gide galt als Abweichler und wurde von Parteischriftstellern wie Johannes R. Becher und Alfred Kurella regelrecht ideologisch exekutiert. - Des Weiteren be - schreibt Mann seine Arbeit an einem Roman: Diese neue Erzählung spielt in Weimar in den Alterstagen Goethes und basiert auf der Anekdote, dass Lotte Buff, die Heldin seines Werther, ihn als ältere Dame dort noch einmal besucht.“ Der Roman „Lotte in Weimar“ erschien erstmals 1939 in Stockholm (vgl. Potempa D 7). - Bl. mit zarten Faltspuren, sonst gut erhalten.

61. Mann, Golo. – André Gide. Zweiseitiger maschinengeschr. Brief von Golo Mann an André Gide auf dem Briefpapier der Zeitschrift „Mass und Wert“, sign. und dat. 29.X.39. Zürich. 1939. 2 Bll. Je 29,6 x 21 cm. (Bestell-Nr. KNE29729) 1.000 € Golo Mann bittet André Gide um einen Beitrag für die Dezembernummer des Heftes, wobei er unterstreicht, wie wichtig es in Kriegszeiten sei, Stimmen aus allen Ländern zu vereinen, um etwas Gutes oder doch wenigstens Symbolisches zu schaffen. Er sei der Einzige seiner Familie, der noch auf dem „alten Kontinent“ geblieben sei „mais le monde est uni, il n ’y a plus de continents“. Sein Vater Thomas Mann war seit 1938 an der Universität Princeton tätig, wo sich oft auch Klaus Mann aufhielt und Heinrich lebte in Nizza; Golo Mann gelang 1940 zusammen mit seinem Onkel Seite 79

Heinrich die Flucht über die Pyrenäen nach Spanien und weiter in die USA. Er beschreibt die Situation in den „kleinen, neutralen Ländern“ folgendermaßen: „L ’état de guerre, inévitablement, comporte avec lui un rétrécissement général; dans les petit pays neutres on se sent prisonnier et comme isolé On est courageux; mais on est énormément triste.“ - Die Zeitschrift „Maß und Wert“ bestehe nun bereits seit zwei Jahren und sei Gide wahrscheinlich schon einmal aufgefallen. Am Schluss des Briefes unterstreicht Golo Mann die gute Reputation des Blattes, indem er Gide die Herausgeber und Gründer in Erinnerung ruft, ohne dabei deren Namen zu nennen: „Il convient peut-être de rapeller qu’il s ’agit bien d ’une revue suisse dont l ’un des fondateurs est un auteur suisse et l ’autre celui que vous connaissez.“ - Die wichtige Exilzeitschrift „Mass und Wert. Zwei - monatsschrift für freie deutsche Kultur.“ wurde von Konrad Falke und Thomas Mann herausgege - ben und erschien von 1937 bis 1940 (vgl. Dietzel/Hügel 1907). Ab 1939 ersetzten Golo Mann und Emil Oprecht Ferdinand Lion als Chefredakteur. Im Briefkopf wurde dessen Name handschriftl. durchgestrichen. - Bll. am oberen Rand schwach knickspurig, sonst gut erhalten.

62. Mann, Klaus. – André Gide. Zweiseitiger, maschinengeschr. Brief von Klaus Mann an André Gide auf dem Briefpapier der Zeitschrift „Decision“, sign. und dat. December 27, 1940. New York. 1940. 1 Bl. 28,3 x 21,5 cm. (Bestell-Nr. KNE29727) 1.500 € Klaus Mann erwähnt gleich zu Beginn einen Brief, den André Gide seinem Vater Thomas Mann ge - schrieben hatte, in dem dieser Bezug nahm auf den Roman „Lotte in Weimar“ und durch den der Kontakt zwischen Gide und „seinem Haus“ („my house“) wieder hergestellt werden konnte. Mann möchte Gide als Mitarbeiter für seine neue Zeitschrift „Decision. A review of free culture.“ gewin - nen, deren erste Nummer zu diesem Zeitpunkt bereits im Druck war und im Januar 1941 erschien: „For the third issue, the irish critic Ernest Boyd has promised me a thorough analysis of your work and charakter. […] It would be wonderful if I could get, for the same issue, a contribution from you […] I leave it entirely to you, of course, what you want to send me […].“ Die Einzige Seite 80

Voraussetzung war, dass der Text schon ins englische übersetzt worden war, da die neue Zeitschrift auf Englisch erscheinen sollte. Mann fasst die Ausrichtung folgendermaßen zusam - men: „It is to be an international literary review – somewhat of the same style as ‚Die Sammlung‘ used to be, but not so specialized on the German exiles.“ Klaus Mann hatte die literarische Monatszeitschrift „Die Sammlung“ unter dem Patronat von André Gide, Aldous Huxley und Heinrich Mann von 1933 bis 1935 als offensiv antifaschistisches Blatt herausgegeben. In der poli - tischen Ausrichtung von „Decision“ sollte die Aufgabe nicht der Kampf gegen aktuelle Gege - benheiten, schließlich befand man sich ja schon mitten im Krieg, sondern vielmehr die mög liche Gestaltung einer Zukunft nach dem Krieg sein: „I may add that Decision is not a ‚political review‘ in the ordinary sence of this expression. We are going to publish short stories, poems, and essays on various philosophical and historical topics. As to politics, we shall be concerned with the futu - re – the shape of the Post-War world –, rather than with current events.“ André Gide steuerte Beiträge für „Decision“ bei, wie auch Hermann Kesten, Annette Kolb, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig u .a. Später konnte Klaus Mann die bei der Arbeit an „Decision“ geknüpften Kontakte zu vielen Schriftstellern und deren Artikel nutzen, um gemeinsam mit Hermann Kesten die Antho - logie „Heart of Europe“ (1945) herauszugeben (vgl. Archiv für Geschichte des Buchwesens. Red.: Monika Estermann u. Reinhard Wittmann. Band 54. Frankfurt a. M., 2001. S. 32). Die kurze Lebens - dauer von „Decision“ war für Mann eine bittere Niederlage und dies nicht nur wegen der finan - ziellen Schwierigkeiten. Vielmehr enttäuschte ihn maßlos das Schweitern seiner Ziele an der Realität. Dies beschreibt Mann in dem Aufsatz „The last Decision“ (1941): „Sie [Decision] bedeu tete mir ja so viel, als Zeugnis, als Waffe, als Verheißung. Ich wollte sie zu einem Forum internationaler Literatur werden lassen zum Sprachrohr einer künftigen Weltzivilisation. […] Ich muss sagen, es war eine gute Gelegenheit, die ‚Vorhut des Liberalismus‘ zu studieren und zu beobachten. Ich habe das Vergnügen gehabt, mit den meisten ihrer Vertreter in persönlichem Kontakt zu stehen. […] Sie sind gefühllos, snobistisch, egoistisch. Gelähmt von ihrer Eitelkeit, besessen von ihrer Sucht, Geld zu scheffeln.“ (Zit. nach: Friedrich Albrecht: Klaus Mann der Mittler. Bern, 2009. S. 310.) - Bl. am Rand mit schwacher Knickspur, sonst gut erhalten.