Christian Krachts Faserland Im Kontext Der Neuen Deutschen Popliteratur
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Nutzungshinweis: Es ist erlaubt, dieses Dokument zu drucken und aus diesem Dokument zu zitieren. Wenn Sie aus diesem Dokument zitieren, machen Sie bitte vollständige Angaben zur Quelle (Name des Autors, Titel des Beitrags und Internet-Adresse). Jede weitere Verwendung dieses Dokuments bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung des Autors. Quelle: http://www.mythos-magazin.de Christian Krachts Faserland im Kontext der neuen deutschen Popliteratur Magisterarbeit von Claudia Hasbach 2 Christian Krachts Faserland im Kontext der neuen deutschen Popliteratur Magisterarbeit zur Erlangung des Grades Magistra Artium der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf von Claudia Hasbach Prüfer im Hauptfach: Prof. Dr. Peter Tepe August 2010 3 1. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Definition und Herkunft des Begriffs „Popliteratur“ 9 3. Die Geschichte der Popliteratur 11 3.1. Internationale literarische Vorläufer 11 3.2. Die 1960er: Erste Phase der deutschsprachigen Popliteratur 12 3.3. Die 1980er: Zweite Phase der deutschsprachigen Popliteratur 13 3.4. Die 1990er: Dritte Phase der deutschsprachigen Popliteratur 14 4. Merkmale der neuen deutschen Popliteratur 17 5. Christian Krachts Faserland 24 5.1. Basisanalyse von Faserland 25 5.1.1. Textzusammenfassung 25 5.1.2. Formale Texteigenschaften 27 5.1.2.1. Titel, Überschriften und Motto 27 5.1.2.2. Gattung, Aufbau und Einschübe 27 5.1.2.3. Erzählhaltung, Stil und Sprache 30 5.1.2.3.1. Merkmale der literarisierten Oralität 31 5.1.2.3.2. Merkmale der Jugend- und Szenesprache 35 5.1.2.3.3. Rhetorische und stilistische Figuren 36 5.1.2.3.4. Merkmale des Labelcrashings 37 5.1.3. Inhaltliche Textaspekte 38 5.1.3.1. Textweltcharakterisierung 38 5.1.3.2. Konzeption des Ich-Erzählers 39 4 5.1.3.3. Nebencharaktere 41 5.1.3.4. Themen und Leitmotive 44 5.1.3.5. Deutungshypothesen 52 5.2. Basisinterpretation von Faserland 52 5.2.1. Das Textkonzept (TK) von Faserland 53 5.2.1.1. Bedeutung des Titels 53 5.2.1.2. Bedeutung der Sprache und des Stils 55 5.2.1.3. Bedeutung des Inhalts 58 5.2.2. Das Literaturprogramm (LP) von Faserland 81 5.2.3. Das Überzeugungssystem (ÜS) von Faserland 82 5.2.4. Zusammenfassung der Basisinterpretation 88 5.3. Aufbauarbeit 89 5.3.1. Untersuchung der Prototypenfunktion von Faserland 89 6. Fazit und Ausblick 99 Literaturverzeichnis 104 5 2. Einleitung Seitdem Literatur existiert gibt es wohlgesinnte wie ablehnende Kritiker, die darüber diskutieren, wie „gute“ und „schlechte“ Literatur auszusehen habe. 1995 hallte jedoch ein derart heftiger Aufschrei durch Deutschland, der die literarische Szene teilte und dessen Ausmaß seines Gleichen suchte, denn die Reaktionen reichten von lobender An- erkennung bis hin zu Abscheu und Angst vor einem literarischen Sittenverfall: Auslöser war das Erscheinen des Erstlingswerks Faserland von Autor Christian KRACHT, Jahr- gang 1966, welches ihn gleichzeitig zum Begründer einer neuen literarischen Phase in Deutschland erklärte. Man versah sie mit dem Begriff „neue deutsche Popliteratur“. In Faserland irrt ein namenloser, unkommunikativer sowie unsicherer Ich-Erzähler aus gutem Hause durch das Deutschland der 1990er Jahre. Auf seiner dekadenten Reise be- obachtet er Menschen und Orte, trifft vermeintliche Bekannte und erlebt Enttäuschun- gen, die ihn bis in die Schweiz fliehen lassen. Eine genaue Textanalyse schließt an. Von Beginn an wehte dem Roman sowie der Gattung ein eisiger Wind von den Feuille- tons entgegen. Die neue Popliteratur wurde als Geschäftemacherei abgetan, die rein af- firmativ 1, unpolitisch sowie naiv banale Oberflächen und jugendliche bzw. (post-) ado- leszente 2 Alltagsthematiken behandele sowie eine qualitative und moralische Zumutung darstelle.3 Anerkannte Kritiker taten sich schwer damit die Werke, aufgrund unterstell- ter Minderwertigkeit, als Literatur zu betiteln. Sie fühlten sich, wegen des einsetzenden Booms der Popliteratur, vor den Kopf gestoßen. Man beäugte den sich abzeichnenden Generationenwechsel in der literarischen Szene kritisch, da die jungen Schriftsteller mit ihren, angeblich, provokanten, unpolitischen sowie sinnentleerten Erstlingstexten auch noch Aufmerksamkeit ernteten sowie Erfolge feierten: „Die ,Jungen‘ machen es sich zu leicht – und haben auch noch Erfolg damit“ 4 war die verbreitete Meinung. Mit Widerwillen beobachtete man, dass KRACHTS Debüt sowie nachfolgende Popro- mane bei einer großen, vorwiegend jugendlichen, Leserschaft Anklang fanden, obwohl 1 Affirmation bezeichnet eine zustimmende, bejahende oder bestätigende Haltung. 2 Adoleszenz bezeichnet die Phase des Erwachsenwerdens eines jugendlichen Menschen, bis zum Errei- chen des 18. Lebensjahres, mit den damit verbundenen Themen- und Problemkomplexen. Postadoles- zenz hingegen herrscht vor, wenn ein Mensch vom Alter her erwachsen ist, aber sich geistig, emotional sowie bezüglich seines Lebensstils noch im Übergangsbereich zwischen Jugend und Adoleszenz befindet. 3 Vgl. Wagner, Annette: Die Postmoderne im Adoleszenzroman der Gegenwart – Studien zu Bret Easton Ellis, Douglas Coupland, Benjamin von Stuckrad-Barre + Alexa von Hennig-Lange . In: Ewers, Hans-Heino (Hrsg.) u.a.: Reihe: Kinder- und Jugendkultur, -literatur + -medien. Theorie – Geschichte – Didaktik. Bd. 48. Peter Lang. Frankfurt a.M. 2007. S.15. 4 Degler, Frank; Paulokat, Ute: Neue Deutsche Popliteratur . Wilhelm Fink/UTB. Paderborn. 2008. S.8. 6 in einer Art und Weise erzählt wurde, die zuvor als nicht literaturfähig galt. Die klassi- sche Literatur hatte stets Schwierigkeiten, vor allem in der medial bestimmten Welt, die junge Generation an das „unspektakuläre“ Buch heranzuführen – was den Popliteraten gelang. Ferner missfiel den Kritikern die mediale Selbstinszenierung sowie - vermarktung der snobistischen Schriftsteller. 5 Deren Verhalten passte nicht zum Selbst- verständnis des klassischen Autors, der zurückgezogen arbeitet, sondern brachte einen Imagewechsel dessen mit sich. Die jungen Literaten provozierten, indem sie die Unter- haltungsfunktionen nutzten. Mit Argwohn nahm man zur Kenntnis, dass die Popautoren das Aufsehen, welches um ihre Werke gemacht wurde, zusätzlich verhöhnten. KRACHT äußerte sich auf die Aussage, dass er ein Popliterat sei, wie folgt: „Ich habe keine Ahnung, was das sein soll: Popliteratur.“ 6 Mit dem Definitionsproblem hatte die Popliteratur seit Beginn an zu kämpfen, denn „der“ Poproman entstand in den 1950er Jahren. Deshalb werden Popwerke der 90er Jah- re auch als „Pop II“ und ihre Vorläufererscheinungen als „Pop I“ betitelt. Die Popwerke wandelten sich zudem im Laufe der Zeit hinsichtlich stilistischer sowie inhaltlicher Merkmale und es handelte sich nie um eine homogene 7 Strömung. Bis in die 1990er sah man diese Literaturform als Gegenteil zur Höhenkammliteratur 8 an. Heute herrscht eine unvoreingenommenere Sichtweise und Popliteratur wird in akademischen sowie wis- senschaftlichen Diskursen rezipiert - aber das Definitionsproblem besteht nach wie vor. 9 Mitte der 1990er versah man Literatur leichtfertig mit dem Etikett „Pop“, wenn sie von jungen Autoren stammte sowie hip, kontrovers und anstößig war. Zudem kategorisierte man Werke als Popliteratur, die Adoleszenz-Themen Heranwachsender in der Erlebnis- gesellschaft 10 alltagsnah thematisierten sowie Marken-, Musik- und Mediennamen auf- griffen. Die Geschichte und Merkmale von Popliteratur werden nachstehend erläutert. 5 Vgl. Wagner: Postmoderne im Adoleszenzroman . 2007. S.15. 6 Kracht, Christian: Wir tragen Größe 46 . In: DIE ZEIT Online. 37/1999. URL: http://www.zeit.de/1999/37/199937.reden_stuckrad_k.xml [Stand: 29.4.2010]. 7 Wenn etwas gleichartig ist, ist es homogen. Ist etwas uneinheitlich, wird es als heterogen bezeichnet. 8 Höhenkamm- bzw. Hochliteratur bezeichnet Literatur, die von Wissenschaft und Bildungsbürgertum als hochstehend und elitär angesehen wird. Hierzu zählen Klassiker der Weltliteratur. Die Hochliteratur steht im Gegensatz zur Trivial- bzw. Schemaliteratur, die einfache Themen und Handlungen enthält. 9 Vgl. Degler, Frank; Paulokat, Ute: Neue Deutsche Popliteratur . Wilhelm Fink/ UTB. Paderborn 2008. S.8. 10 Die Erlebnis-, Spaß-, Konsum-, Risiko- bzw. Überflussgesellschaft existiert in (post-) modernen Indust- rienationen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Einzelne egoistisch auf das Erreichen von mög- lichst viel Genuss aus ist. Man frönt dem Konsum, ist geduldfeindlich, gegenwartsorientiert und konven- tionelle Tugenden rücken in den Hintergrund. Man will einen individuellen Lebensstil ausformen, was auf Bastelidentitäten, die sich aus unterschiedlichen Lebenskonzepten und Wertvorstellungen zusam- mensetzen können, hinauslaufen kann. 7 Wenige betrachteten Faserland genauer und erkannten, dass sich unter der kritisierten Oberfläche Zeitdiagnosen und kritische Aussagen über die Erlebnisgesellschaft der 1990er Jahre verbergen. Moritz BAßLER betitelte den Roman jedoch als Wendepunkt für die deutsche Literaturgeschichte. 11 Autor Florian ILLIES feierte Faserland in Gene- ration Golf als Ausdruck seiner Generation: „[…] die Ernsthaftigkeit, mit der Kracht Markenprodukte einführte und als Fundament des Lebens Anfang der neunziger Jahre vor Augen führte, wirkte befreiend.“12 Überdies äußerte er sich anerkennend zu dem Poproman: „Christian Kracht schrieb mit dem Roman Faserland einen der wichtigsten und traurigsten Texte der deutschen Literatur der neunziger Jahre.“ 13 Viele Rezensenten popliterarischer Werke prognostizierten der Phase, aufgrund des Be- zugs auf die schnelllebige Postmoderne 14 sowie des fortschreitenden Alters von Autoren