Und Tausendfüßer (Myriapoda: Chilopoda, Diplopoda) Bayerns
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Rote Liste gefährdeter Hundert- und Tausendfüßer (Myriapoda: Chilopoda, Diplopoda) Bayerns Bearbeitet von Jörg Spelda Einführung Der Kenntnis der Fauna Bayerns muß im gesamt- europäischen Rahmen eine besonders hohe Prio- Mit der provisorischen Roten Liste der in Bayern rität eingeräumt werden, denn dank den Pionier- gefährdeten Hundert- und Tausendfüßer wird arbeiten von Carl Ludwig Koch sind zahlreiche nach der Bearbeitung der Arten Baden-Württem- mitteleuropäische Hundert- und Tausendfüßerar- bergs (SPELDA 1999a) nun zum zweiten Mal für ten (und ebenso zahlreiche Arachniden) erstmals den mitteleuropäischen Raum eine Rote Liste die- aus Bayern beschrieben worden. Bedauerlicher- ser Tiergruppen vorgelegt. Trotz des schlechteren weise ist Bayern bislang nicht in dem selben faunistischen Kenntnisstandes ist eine Rote Liste Maße flächendeckend kartiert, wie das benach- dringend erforderlich, da die Hundert- und Tau- barte Bundesland Baden-Württemberg (SPELDA sendfüßer nicht nur zahlreiche, in einem sehr 1999b), Großbritannien (BLOWER 1985), die Nie- kleinen Gebiet vorkommende, sogenannte en- derlande (BERG 1995a, 1995b) oder die Schweiz demische Arten enthalten, sondern auch eine (PEDROLI-CHRISTEN 1993). Jedoch ist die Kenntnis herausragende funktionelle Rolle einnehmen. So eine wesentlich bessere als z. B. in Hessen oder sind die Tausendfüßer besonders wichtige Zer- Niedersachsen, weil durch die Untersuchungen setzer der Laubstreu, während die Hundertfüßer des Autors (SPELDA 1999b) der westliche Teil Bay- als Raubarthopoden wichtige Regulatoren inner- erns bei der Kartierung Südwestdeutschlands mit halb der Ökosysteme darstellen. erfasst und zudem die Bayerischen Alpen sowie der südliche Bayerische Wald umfangreicher kar- Im Gegensatz zu bekannteren Tiergruppen wie tiert wurden. Zudem liegen dank dem Umstand, Vögeln oder Schmetterlingen wurden die dieser dass der berühmte deutsche Tausendfüßerfor- Roten Liste zugrunde liegenden Daten, das heißt scher Karl Wilhelm Verhoeff seine späten Lebens- die Auswertung der für Bayern relevanten Litera- jahre in München verbrachte, zahlreiche histori- turstellen und Determination zahlreicher Auf- sche Nachweise aus Bayern vor. Es bestehen sammlungen, in einem Ein-Mann-Unternehmen jedoch noch immer große regionale Lücken, so durchgeführt. Mein besonderer Dank gilt in die- vor allem im nordwestbayerischen Schichtstufen- sem Zusammenhang meinem Kollegen Theo land (Fränkische Alb), im nördlichen und mittleren Blick (Hummeltal), der in stets hilfsbereiter Weise Teil des ostbayerischen Grundgebirges sowie im ihm vorliegende Beifänge von Hundert- und Tau- tertiären und pleistozänen Hügelland. Doch auch sendfüßern an mich weitergeleitet hat und so in die alpine Vegetationsstufe ist äußerst unzurei- besonderem Maße die Kenntnis der bayerischen chend erfasst. Fauna erweitern half. Berücksichtigte Datenbasis Faunistischer Kenntnisstand Insgesamt wurden über 1.000 Datenbankeinträge Dank der derzeitigen internationalen Aktivitäten aus dem bayerischen Raum berücksichtigt. Zu- im Rahmen der EIS (European Invertebrate Sur- sätzlich mussten Geländelisten und faunistische vey) und dem Fauna Europaea Projekt (www. Publikationen herangezogen werden, da momen- faunaeur.org) nimmt unsere Kenntnis der Ver- tan nur ein Teil der bayerischen Nachweise in der breitung, insbesondere bei den Tausendfüßern eigenen Datenbank enthalten ist. So ergab sich europaweit immer mehr zu. Gerade wegen der insgesamt eine Datenbasis von mehreren tau- vielen hochendemischen Arten in dieser Tiergrup- send ausgewerteten Individuen. Die Regionali- pe haben die einzelnen Staaten eine besonders sierungsspalten der Roten Liste wurden dazu hohe Verantwortung für deren Erhaltung. verwendet, die Verbreitung der Arten innerhalb Bayerns zu dokumentieren. Die Nomenklatur Im Gegensatz zu Baden-Württemberg gibt es kei- richtet sich nach dem derzeitigen aktuellen For- ne Hundert- oder Tausendfüßer, die in ihrer Ver- schungsstand, der auch in der Fauna Europaea breitung ausschließlich auf Bayern beschränkt Anwendung finden wird. Die Neuerungen gegen- sind. Es gibt jedoch einige hochendemische Ar- über der baden-württembergischen Checkliste ten, die Bayern mit Österreich bzw. Baden-Würt- (SPELDA 1999a) werden kommentiert. Hervorzu- temberg gemeinsam hat, und zwar vor allem heben sind insbesondere die Änderungen bei der aufgrund der Tatsache, dass sowohl das Salz- Gattung Glomeris (HOESS 2000). kammergut wie auch die Berchtesgadener Alpen Teil eines wichtigen glazialen Überdauerungs- gebietes im Bereich der Nordostalpen waren Gefährdungssituation (SPELDA 1996). Abgesehen von den wenigen Bewohnern gefähr- deter Biotope (im wesentlichen Halbtrockenrasen BayLfU/166/2003 334 Rote Liste gefährdeter Hundert- und Tausendfüßer (Myriapoda: Chilopoda, Diplopoda) Bayerns und Wacholderheiden) ist es besonders der Hang Diskussion zu Endemismen, der für diese Tiergruppen ein Gefährdungspotenzial darstellt. Die kleinräumig Mit 90 Diplopoden- und 46 Chilopodenarten ist auftretenden Populationen können durch größere die bayerische Fauna die reichhaltigste von ganz menschliche Eingriffe, wie Straßenbau oder einen Deutschland. Insbesondere bei den Chilopoden ökologisch unverträglichen Tourismus (Skipisten) ist noch mit Artenzuwachs zu rechnen, denn die geschädigt werden und schlimmstenfalls ausster- Chilopoden sind in Bayern wesentlich schlechter ben. Als besonders negatives Beispiel ist dem bearbeitet als die Diplopoden. Dies betrifft nicht Autor in diesem Zusammenhang die italienische die eigenen Bearbeitungen, wohl aber die Litera- Seite des Matterhorns (Cervinia) bei seinem dorti- turangaben. Umfangreichere Arbeiten über die gen Besuch in Erinnerung geblieben. bayerischen Chilopoden fehlen weitgehend bzw. sind regional beschränkt ist (z. B. FRÜND 1983). Aufgrund der besonderen Bedeutung der ende- Das gilt in besonderem Maße für die bodenbe- mischen Arten erschien es notwendig, die Ge- wohnenden Erdläufer. fährdungsstufe R weiter zu unterteilen, wie dies schon bei SPELDA (1999a) praktiziert wurde. Wie Dass die Hundert- und Tausendfüßer bisher in Ro- auch bei SCHNITTLER et al. (1994) wurden jene Ar- ten Listen nur selten Berücksichtigung gefunden ten, für deren Schutz Deutschland in hohem haben, liegt im Wesentlichen an den selben Grün- Maße verantwortlich ist (Endemiten), besonders den, welche GRÜNWALD (1990) in einem Vorschlag berücksichtigt und gekennzeichnet. Die Stufen für eine Rote Liste der Landasseln Bayerns auf- R1–R2 entsprechen dabei der Einschätzung „!!“ führt: = „in besonderem Maße verantwortlich“, R3 der • kleine Gruppe wenig attraktiver Arten Stufe „!“ = „stark verantwortlich“ bei SCHNITTLER • stets nur wenige Bearbeiter, welche sich mit et al. (1994). Um die allgemeine Form der Roten diesen Tieren beschäftigten Listen zu wahren, werden die Arten gemeinsam • früher wurde kaum quantitativ gearbeitet unter der Rubrik „R“ aufgeführt. • zu wenig Informationen über die aktuelle Ver- breitung Einteilung: R1 = das bekannte Gesamtareal umfasst weniger Bei den Chilopoden und Diplopoden sind es von als 100 Quadratkilometer. Eine solche Art ist aus den bei SCHNITTLER et al. (1994) genannten Krite- Baden-Württemberg bekannt (Rhymogona serra- rien vor allem die biologischen Risikofaktoren, ta, vgl. SPELDA 1999a, 1999b). Bis vor kurzem welche die Gefährdung der einzelnen Arten be- wäre Alpityphlus seewaldi in diese Kategorie ge- stimmen. Hier ist die mangelnde Ausbreitungsfä- fallen (STRASSER 1967), neuere Nachweise zeigten higkeit dieser Tiergruppen zu erwähnen, welche jedoch glücklicherweise, dass die Art weiter ver- durch einen verhältnismäßig hohen Spezialisie- breitet ist (FRITSCH 1998). rungsgrad (Stenökie) noch verstärkt werden kann. R2 = Das bekannte Gesamtareal umfaßt zwi- schen 100 und 10.000 Quadratkilometern, also Besonders problematisch sind die Arten der Kate- weniger als 1/7 der Landesfläche von Bayern. gorie G. Da es sich bei Ommatoiulus rutilans und R3 = Das bekannte Gesamtareal umfaßt etwa Megaphyllum unilineatum um verhältnismäßig eine Fläche von maximal 100.000 Quadratkilome- auffällige Arten handelt, liegen relativ viele Funde tern. Dies entspricht etwas mehr als der Fläche vor. Lediglich Mastigona bosniense ließe sich von Bayern (70.533 km²). auch in die Kategorie R4 einordnen. Viele dieser R4 = Extrem selten nachgewiesene Arten mit ei- Funde stammen zudem aus anthropogen beein- nem Gesamtverbreitungsgebiet, welches größer flussten Biotopen, so dass theoretisch keine Ge- als die Fläche von Bayern ist. In Anlehnung an fährdung angenommen werden sollte. Tatsächlich MÜLLER-MOTZFELD & TRAUTNER (1994) wird eine wurde jedoch keine dieser Arten in Bayern vom Rasterfrequenz von unter 1 % als Maßstab ange- Autor selbst nachgewiesen. Lediglich von M. uni- legt. Damit wäre für Bayern eine gegenüber Ba- lineatum liegen einzelne Tiere aus Beifängen an- den-Württemberg höhere Nachweiszahl gerecht- derer Kollegen vor, ganz im Gegensatz zu dem fertigt (Nachweise auf maximal 6 angeblichen Massenauftreten dieser Art, wie es Meßtischblättern). Mit der Beibehaltung von ma- sich in der Literatur findet. Unter Berücksichti- ximal 3 Nachweisen soll jedoch der geringeren gung der in Südwestdeutschland ermittelten Be- faunistischen Kenntnis Rechnung getragen wer- funde ist anzunehmen, dass alle 3 Arten einst- den. In dieser Kategorie finden sich auch Arten, mals extensiv genutzte Biotope besiedelten, deren geringe Nachweisdichte durch ihre ver- heute jedoch durch die zunehmende Intensivie- steckte Lebensweise verursacht sein dürfte (z. B. rung der Landwirtschaft