Thüringer Ministerium für Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt Umwelt und Geologie

Binnensalzstellen Mitteleuropas

Internationale Tagung

Bad Frankenhausen 8.–10. September 2005

1 2 Inhalt

Wolfgang Werres Grußwort ...... 4

Heinz Wiesbauer Salzlebensräume in Österreich ...... 7

Heinz Wiesbauer Dokumentarfilm „Das Salz der Steppe“ ...... 15

Szilvia GÅri Die Wiederherstellung der pannonischen Salzsteppen und Salzsümpfe im Nationalpark Hortobágy..... 20

Attila Molnár Die Halophyten des Karpatenbeckens...... 30

Jürgen Pusch Die naturnahen Binnensalzstellen Thüringens – ein aktueller Gesamtüberblick des Jahres 2005 ...... 37

Herbert Grimm Die Vogelwelt des Esperstedter Riedes – Nachruf oder Comeback einer bedrohten Tiergemeinschaft? ...... 41

Heiko Böttcher Das EU-LIFE-Natur-Projekt „Erhaltung und Entwicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ (2003–2008) ...... 54

Ursula Kurth und Uwe Riemann Vorstellung des EU-Life-Projektgebietes „Esperstedter Ried“ – besondere Rolle des Wasserregimes für den Erhalt und die Entwicklung der Binnensalzstellen ...... 63

Thomas van Elsen Das Potenzial primärer und sekundärer Binnensalzstellen in Thüringen für den Naturschutz – Zur Vegetation der Salzwiesen im Esperstedter Ried und an Kali-Rückstandshalden ...... 71

Heiko Sparmberg Laufkäfer-Monitoring an den Binnensalzstellen Nordthüringens ...... 86

Ronald Zur Limnofauna von Salzstellen in Thüringen (aquatische Coleoptera & Diptera: Dolichopodidae) ...... 102

Katrin Hartenauer, Berit Otto und Frank Meyer Binnensalzstellen im südlichen Sachsen-Anhalt ...... 117

Andreas Herrmann Binnensalzstellen in Brandenburg – Verbreitung und Zustand salzbeeinflusster Lebensräume ...... 135

Andreas Bettinger Die Binnensalzstellen in Lothringen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz ...... 143

Edgar Reisinger Visionen für die Entwicklung des Esperstedter Rieds ...... 149

Anschriftenverzeichnis der Autoren ...... 153

3 Grußwort

Vom 8. bis 10. September 2005 fand in Bad Fran- fe Gräben gezogen, kenhausen die Tagung „Binnensalzstellen Mittel- um in der Salzstep- europas“ statt. Sie wurde – wie auch der nun vor- pe bewässertes In- liegende Tagungsband – im Rahmen des EU-LIFE- tensivgrasland und Natur-Projektes „Erhaltung und Entwicklung der Reisfelder anzule- Binnensalzstellen Nordthüringens“ von der Europä- gen. Wir stehen ischen Kommission großzügig gefördert. heute vor der Auf- Mit der Tagung wurde das Ziel verfolgt, Erkenntnis- gabe, die verbliebe- se über die Entstehung, Erhaltung und Entwicklung nen Gebiete zu si- der Salzstellen in der kontinentalen und pannoni- chern und – soweit schen biogeographischen Region zusammenzutra- das erforderlich ist – gen und den Akteuren von Naturschutzprojekten nach den Erfordernissen des Arten- und Biotop- einen intensiven Austausch zu ermöglichen. Es be- schutzes aufzuwerten. Die vorgestellten LIFE-Na- stand dabei auch Gelegenheit, mit den Kolleginnen tur-Projekte belegen eindrucksvoll, dass nach und Kollegen der ungarischen Naturschutzverwal- biotopgestaltenden Maßnahmen, Einsaaten von tung, mit denen das Thüringer Ministerium für Halophyten und einer Optimierung des Wasser- Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt traditio- haushaltes oft schon nach wenigen Jahren eine Re- nell in engem Erfahrungsaustausch steht, Natur- generation der Salzstellen erfolgt. Aber auch die schutzfragen zu diskutieren. Die Tagungssprachen Einbindung in eine langfristige, durch Agrarumwelt- waren Deutsch und Ungarisch; es wurde simultan maßnahmen geförderte Bewirtschaftung ist für den gedolmetscht. Erhalt von großer Bedeutung. Die Tagungsbeiträge Die vorliegenden Beiträge geben einen Überblick zur Fauna wiederum verdeutlichen, dass selbst die über die wichtigsten Standorte der prioritären Le- kleinsten Salzgebiete wichtige Habitate für halo- bensraumtypen des Anhangs I der Fauna-Flora- bionte und halophile Insekten sind, die andernorts Habitat-Richtlinie „Salzstellen des Binnenlandes in der Kulturlandschaft nicht zu finden sind. Größe- (Code *1340)“ in Lothringen (Frankreich), Rhein- re Salzgebiete sind darüber hinaus als Rast-, Nah- land-Pfalz, im Saarland, in Thüringen, Sachsen-An- rungs- und Bruthabitat für gefährdete Vogelarten halt und Brandenburg (Deutschland) sowie der bedeutsam und oft als RAMSAR- und EG-Vogel- „Pannonischen Salzsteppen und Salzwiesen/Salz- schutzgebiete ausgewiesen. sümpfe (Code *1530)“ in Österreich und Ungarn. Einen breiten Raum nehmen die Tagungsbeiträge Bemerkenswert sind die unterschiedlichen geologi- zu den im LIFE-Projektgebiet liegenden Binnen- schen Ausgangssituationen, die zu Quellaustritten salzstellen Thüringens ein. Zum einen zählen sie zu und diffusen Salzwasseraufstiegen führen und sich den Hauptvorkommen in Deutschland und sind in individuellen Ausprägungen der Salzstellen, aber aufgrund ihrer Größe und Artausstattung von euro- auch in den sehr unterschiedlichen Flächengrößen, paweiter Bedeutung. Zum anderen sind sie gut die von weniger als einem Hektar bis mehrere Tau- untersucht und es liegen für alle Teilflächen des send Hektar reichen, widerspiegeln. Eines ist ihnen Projektgebietes, das etwa 850 ha umfasst, Mana- gemeinsam: ihre heutige Ausprägung verdanken gementpläne vor. sie der Nutzung durch den Menschen. Vor allem die Das LIFE-Projekt „Erhaltung und Entwicklung der extensive Beweidung mit Rindern oder Gänsen ha- Binnensalzstellen Nordthüringens“ hat eine Lauf- ben die Standorte geprägt. Aber auch die Sole- und zeit von 5 Jahren (2003–2008) und es stehen Kochsalz- sowie die Sodagewinnung haben ihre 2,4 Mio. Euro zur Verfügung. Es zählt zu den weni- Spuren hinterlassen, wie z. B. die künstlichen Sol- gen Projekten, denen die Europäische Kommission gräben bei und . Im eine 75-%-Förderung gewährt hat. Die Träger- 20. Jahrhundert – zum Teil auch früher – wurden schaft hat das Thüringer Ministerium für Landwirt- zahlreiche Salzstellen zerstört oder degradiert. In schaft, Naturschutz und Umwelt als oberste Natur- Thüringen sind Salzwiesen durch den Anstau des schutzbehörde: Die Umsetzung erfolgt über das Helmestausees und durch Ackernutzung verloren Projektbüro in Oldisleben unter der Leitung von gegangen, in der Hortobágy-Puszta wurden tie- Heiko Böttcher. Durch Biotopentwicklungsmaß-

4 nahmen, die Wiederherstellung des Entwässe- Ein besonderer Dank gilt dem Landrat des Kyff- rungssystems im Esperstedter Ried, die Ausdeh- häuserkreises, Herrn Hengstermann, der die Ta- nung der Beweidung mit Heckrindern und Koniks gung mit eröffnet hat. Der Landkreis setzt sich an der Numburger Westquelle und die Wiederan- schon viele Jahre in vorbildlicher Weise für Natur- siedlung von Halophyten, wie die vom Aussterben schutzbelange ein – trotz der vielen Probleme, die bedrohte Meeres-Salde, sollen die Binnensalz- es in der strukturschwachen, von hoher Arbeitslo- stellen Nordthüringens deutlich aufgewertet und sigkeit geprägten Region gibt. So ist der Landkreis auf brachliegende Flächen ausgeweitet werden. Träger des an die Binnensalzstellen angrenzenden Durch Flächenankauf und ein begleitendes Flur- Naturschutzgroßprojektes „Kyffhäuser“ (1997 bis neuordnungsverfahren soll sichergestellt werden, 2008), das die großflächige Aufwertung und Wie- dass alle wichtigen Binnensalzstellen in Landes- derherstellung von Gips-Steppenrasen zum Ziel besitz kommen. Das LIFE-Projekt wird von einer hat. Der Leiter dieses Naturschutzgroßprojektes, intensiven Öffentlichkeitsarbeit begleitet. Am Ta- Herr Dr. Jürgen Pusch, hat mit seinen langjährigen gungsort, dem Regionalmuseum im Schloss von botanischen Kartierungen und den Pflegeeinsätzen Bad Frankenhausen, gibt es eine interessante am Arterner Solgraben auch für das LIFE-Projekt Dauerausstellung, die in enger Kooperation mit der den Grundstein gelegt. Museumsleitung – hier sei Frau Weinert besonders gedankt – entstand. Eine Broschüre, eine Ton-Bild- Schau und ein Filmprojekt zählen ebenfalls dazu. Ich hoffe, dass die Tagung den Schutz der Binnen- An jedem Binnensalzstellengebiet steht eine Infor- salzstellen in Mitteleuropa ein gutes Stück voran mationssäule, die über den Lebensraum und die gebracht hat. Den Leserinnen und Lesern lege ich anzutreffenden Salzpflanzen Auskunft gibt. Der ans Herz: Lassen Sie sich von dem Tagungsband Erfolg des Projektes resultiert aus der engen Zu- inspirieren und überzeugen Sie sich selbst von sammenarbeit mit den örtlichen Agrarbetrieben den Besonderheiten des seltenen Lebensraumes und Landwirten, mit denen gemeinsam ein fairer „Binnensalzstellen“ und den Erfolgen des LIFE- Interessenausgleich gesucht wird. Projektes am Fuße des Kyffhäusers.

Wolfgang Werres Stellvertretender Leiter der Abteilung Naturschutz und Forsten des Thüringer Ministeriums für Land- wirtschaft, Naturschutz und Umwelt

5 6 Salzlebensräume in Österreich

Heinz Wiesbauer Ingenieurkonsulent für Landschaftsplanung und -pflege, Wien

Synopsis Ergänzend zum Beitrag „Das Salz der Steppe“ According to the EU Habitat Directive, the Pan- (siehe Seite 15–19), in dem das Leben auf Salz- nonic salt steppes and salt marshes are “priority standorten im pannonischen Raum anhand ausge- habitat types”. The salt steppes in are not wählter charakteristischer Tier- und Pflanzenarten very widespread, limited to northern Burgenland (in beschrieben wird, werden im Folgenden die öster- the area of Neusiedler See – Seewinkel) and to the reichischen Salzlebensräume kurz vorgestellt. east of Lower Austria (Zwingendorf and Baum- garten/March). The rapid decrease of these habi- tats is due to the melioration measures of the 19th 1. Lage der österreichischen Salzlebens- and 20th centuries. More than 80 % of the salt räume locations in Burgenland and in Lower Austria were Salzlebensräume gibt es in Österreich nur klein- destroyed or seriously damaged. With the drop in räumig, ihre Vorkommen beschränken sich im We- numbers of open land locations and the change in sentlichen auf das nördliche Burgenland und den habitat make-up, many characteristic and Osten Niederösterreichs. Der Umstand, dass sich plant species belonging to the Pannonic salt hier, abseits der Meeresküsten, Salzlebensräume steppes have become rare, and thus the number of ausbilden konnten, liegt u. a. an folgenden geologi- endangered species here has risen dramatically. schen, klimatischen, pedologischen und nutzungs- Maintenance programmes have been in existence bedingten Faktoren: for several years to preserve this habitat. Among the most important measures are the grazing of • Im Laufe der Erdgeschichte waren weite Teile livestock, the cutting of grass and the removal of des Burgenlandes und des östlichen Nieder- woods. österreichs vom Meer bedeckt. So wurden diese Bereiche im Tertiär vom Pannonischen Meer ein- Stichwörter: genommen, das sich über die ungarische Tiefe- Salzlebensräume, Burgenland (Neusiedler See – bene bis an den Karpatenbogen in Rumänien Seewinkel) Niederösterreich (Zwingendorf, und bis nach Bosnien im Süden erstreckte und Baumgarten an der March) sich im Jungtertiär allmählich zurückzog. Zeug-

Abb. 1: Pannonischer See vor etwa 12 Millionen Jahren (Quelle: Naturhistorisches Museum Wien, Geologisch-Paläon- tologische Sammlung). Aus dem Alpenvorland hatte sich das Meer gegen Ende des Mittelmiozäns endgültig zurückgezogen. Das Wiener Becken bildete im Jungtertiär eine große Bucht des Pannonischen Sees. Dieses erstreckte sich über die ungarische Tiefebene bis an den Karpatenbogen in Rumänien und bis nach Bosnien im Süden. Am Eisernen Tor, an der Nahtstelle von Karpaten und Balkangebirge, bestand nur mehr eine schmale Verbindung zum osteuropäischen Meer, so dass der Salzgehalt allmählich abnahm.

7 Abb. 2: Lage der Salzgebiete in Österreich (Kartengrundlage: NIKLFELD 1964, verändert)

nis davon geben salzhaltige Schichten im Unter- 2. Burgenländische Salzlebensräume grund, die das tertiäre Binnenmeer abgelagert hat. 2.1 Historischer Rückblick Die großflächigsten und naturschutzfachlich be- • Das salzhaltige Tiefenwasser kann heute vor al- deutendsten Salzlebensräume Österreichs befin- lem in Störungszonen und tektonischen Bruch- den sich im Osten des Landes an der Grenze zu linien aufsteigen und bei Vorliegen bindiger Sedi- Ungarn im Gebiet Neusiedler See – Seewinkel. Die- mente bis an die Oberfläche gelangen. Durch se Region stellt eine grenzübergreifende, weltweit den kapillaren Nachschub von salzhaltigem einzigartige Landschaft dar. Sie umfasst in Öster- Grundwasser reichern sich im oberen Boden- reich den Neusiedler See mit seinem breiten Schilf- horizont Salze wie Natriumkarbonat, Glauber- gürtel, das Seevorgelände und den Seewinkel. salz, Bittersalz und Kochsalz an. Eine Besonderheit des Seewinkels sind zahlreiche • Das warme und niederschlagsarme Klima trägt salzhaltige, etwa einen halben Meter tiefe und weit- wesentlich zur Verdunstung bei. Die österreichi- gehend zu- und abflusslose Gewässer. Sie werden schen Salzlebensräume liegen im Randbereich im Burgenland als „Lacken“ bezeichnet, einige des pannonischen Klimaraumes. Jahresnieder- unangenehm riechende auch als „Stinker“ (z. B. schlagsmengen von 450 bis 600 mm sind cha- „Oberstinker“ und „Unterstinker“ in Illmitz). Die rakteristisch (Seewinkel 570 mm NS, Pulkautal Salzseen trocknen im Sommer häufig aus und sind 470 mm NS). von einer charakteristischen Salzpflanzen-Vegeta- tion umgeben. • Doch auch die Nutzung hat wesentlichen Ein- Auch der Wasserhaushalt des schwach salzhalti- fluss auf die Dynamik der Salzlebensräume. Da- gen Neusiedler Sees wird vor allem von Nieder- mit die Salze oberflächlich ausblühen, sind schlägen und Verdunstungen bestimmt, Zu- und vegetationslose bzw. allenfalls lückig bewach- Abflüsse spielen nur eine untergeordnete Rolle. sene Standorte notwendig. Traditionelle Nut- Kennzeichnend für den Neusiedler See, dessen zungsformen wie die Beweidung oder Mahd Wassertiefe nur an wenigen Stellen 1,5 m über- können für die langfristige Erhaltung der spezifi- schreitet, sind starke Schwankungen des Wasser- schen Standortqualitäten eine entscheidende standes. So drohte dieser äußerst seichte Step- Rolle spielen, da sie das Mikroklima und die Ver- pensee im 19. Jahrhundert insgesamt drei Mal dunstung beeinflussen. trockenzufallen. Während solcher Niedrigwasser- perioden wurde das Westufer teilweise acker- Die folgende Kurzinformation gibt einen Überblick baulich genutzt und zwischen Illmitz und Rust ver- über die Salzlebensräume in Österreich. kehrten Fuhrwerke quer über den See. Zu dieser Zeit gab es auch Überlegungen, das Seebett durch

8 ein groß angelegtes „Meliorationsprojekt“ dauer- dank Nationalparkmanagements und der Fauna- haft landwirtschaftlich zu nutzen (SCHMID 1927). Flora-Habitat-Richtlinie der EU in vielen Teilberei- Doch schon damals bestanden starke Zweifel an chen wieder aufgewertet werden konnte. Der Raum der Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens, da die Böden Neusiedler See setzt sich aus einem Landschafts- wegen des hohen Salzgehalts nicht besonders schutzgebiet rund um den österreichischen Teil des fruchtbar waren, so dass das Projekt von den See- Sees, fünf Naturschutzgebieten, einem Geschütz- gemeinden schließlich abgelehnt wurde. ten Lebensraum und dem Nationalpark Neusiedler Andererseits gab es immer wieder Phasen mit ho- See – Seewinkel zusammen. Das Gebiet wurde fer- hen Wasserständen und die anliegenden See- ner zum Biosphärenreservat der UNESCO und zum gemeinden wurden fallweise überflutet. Aus die- RAMSAR-Gebiet erklärt. sem Grund wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der so genannte Einserkanal errichtet, der das See- 2.2 Salzlebensräume im Gebiet Neusiedler wasser bei höheren Wasserständen in die Raab abführt. Da die Gemeinden auch zahlreiche Draina- See – Seewinkel gen an dieses Gerinne anschlossen, griffen sie Die sodahaltigen Salz- oder Zickböden (szik [ung.] auch in den Wasserhaushalt der Salzseen des See- = Soda) liegen vorwiegend im Randbereich des winkelgebietes ein. Ein massiver Verlust natur- Neusiedler Sees und in den schotterfreien Flächen schutzfachlich wertvollster Gewässer war die Fol- des Seewinkels. Kleinräumige Salzflächen finden ge. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Zahl sich auch zwischen Oggau und Jois am Westufer der Lacken von mindestens 139 auf gegenwärtig des Neusiedler Sees. etwa 40 zurückgegangen (KOHLER et al. 1994). Heu- Im südlichen und zentralen Teil des Seewinkels mit te umfasst ihre Fläche mit 805 ha nur mehr etwa einer Fläche von rund 190 km² wechseln die 22 % des ursprünglichen Ausmaßes! An Stelle ex- Standortqualitäten in Abhängigkeit vom Relief und tensiver Nutzungsformen wie Hutweide oder Mahd von den vorherrschenden Sedimenten kleinräumig. traten intensiver Acker- und Weinbau mit negativen Das Spektrum an Lebensräumen umfasst Salz- Auswirkungen auf die noch bestehenden Salz- lacken, Salzsteppen, Wiesen, Schilfflächen, Sand- lebensräume (Fragmentierung der Kernbereiche, standorte und Elemente der intensiv genutzten Kul- Eintrag von Dünger und Spritzmitteln). turlandschaft. Trotz der oben angeführten massiven Eingriffe stellt Dort, wo der Salz führende Horizont bis an die das Gebiet Neusiedler See – Seewinkel noch immer Oberfläche reicht und nicht von einer Schotter- ein äußerst wertvolles Gebiet dar, das zuletzt auch oder Sandauflage bedeckt ist, konnten sich Weiß-

Abb. 3: Salzlebensräume am Ufer des Neusiedler Sees bei Illmitz

9 Abb. 4: Oberer Stinkersee in Illmitz Abb. 5: Oberer Stinkersee in Illmitz alkaliböden entwickeln – die so genannten Solon- chake. Insbesondere während längerer Trocken- perioden gelangen die Salze – es handelt sich vor allem um Natriumkarbonat (Na2CO3) – mit aufstei- gendem Wasser an die Bodenoberfläche und über- ziehen diese mit einer weißen Sodaschicht. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese Salz- ausblühungen abgekehrt und als Ausgangsprodukt zur Seifenherstellung genutzt. Auf Solonchakböden kann sich keine geschlossene Vegetationsdecke ausbilden. Nur wenige, hoch spezialisierte Halo- phyten wie die Salz-Kresse1 (Lepidium cartila- gineum), die Große Salzmelde (Suaeda pannonica) und die Kleine Salzmelde (Suaeda prostrata) kön- nen hier gedeihen. An den Ufern der Salzlacken führt das verdunstende Wasser zu starken Salzan- reicherungen an der Bodenoberfläche. Kurzlebige Strandgesellschaften mit Dorngras (Crypsis acule- ata), Graugrünem Gänsefuß (Chenopodium glau- cum), Flügel-Schuppenmiere (Spergularia maritima) Abb. 6: Salzstandorte am Ufer des Neusiedler Sees im Bereich der Hölle bei Illmitz

Abb. 7: Oberer Stinkersee in Illmitz

1 Anmerkung zu den Pflanzennamen: Diese orientieren sich an der 2. Auflage der „Exkursionsflora für Österreich, , Südtirol“ von FISCHER et al. (2005)

10 Abb. 8: Lage der Salzstandorte im Seewinkel (Auswertung auf Basis der Österreichischen Bodenkarte) oder das Pannonische Zyperngras (Cyperus pan- (Odontites vulgaris) und Gelber Spargelklee (Lotus nonicus) prägen diesen Extremstandort. maritimus). In der an den Strandbereich anschließenden, etwas In Gräben und Senken mit lange andauernder Näs- höher gelegenen Zone der Salzlacken gedeihen se und geringerem Salzgehalt sind Salzfeucht- Pannonien-Salz-Aster (Aster pannonicum), Neu- wiesen ausgebildet, Salz-Schwarzwurz (Scorzo- siedler See-Salzschwaden (Puccinellia peisonis), nera parviflora), Salz-Simse (Juncus gerardii) und Salz-Hornklee (Lotus tenuis), Meerstrand-Wegerich Salz-Löwenzahn (Taraxacum bessarabicum) zählen (Plantago maritima) und Lücken-Segge (Carex hier zu den charakteristischen Pflanzenarten. distans). Der am weitesten verbreitete Salzbodentyp des Wird der Salz führende Horizont von einer tonigen, Seewinkels ist ein Übergangstyp von Solonchak- salzarmen Schicht bedeckt, so kann sich hier ein Solonetz. Die verschiedenen Standorte wechseln Schwarzalkaliboden, der so genannte Solonetz, kleinräumig und bilden ein Mosaik an Gewässern, entwickeln. Der hohe organische Gehalt des obers- Salzlebensräumen, Halbtrockenrasen und Sand- ten Horizonts führt bei Trockenheit zu einer starken trockenrasen. Da der Wasserstand und die Salz- Schrumpfung des Bodens; es bilden sich harte konzentration von Jahr zu Jahr sehr schwanken, ist Schollen, die von tiefen Rissen durchzogen sind. die Vegetation sehr dynamisch. So können die Hier entwickeln sich mäßig salztolerante Arten wie Salzlacken in manchen Jahren völlig austrocknen Salzsteppen-Wermut (Artemisia santonicum), Salz- und in anderen Jahren ganzjährig mit Wasser be- Schwingel (Festuca pseudovina), Herbst-Zahntrost deckt sein.

11 Abb. 9: Beweidung mit Rindern im Bereich der Salzstandorte des Seewinkels (Zicklacke bei Illmitz)

2.3 Pflege

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war im See- tersalz (MgSO4) sind hier die dominierenden Salze. winkel eine traditionelle Form der Viehhaltung – die Die Salzlebensräume beschränken sich heute im Hutweidewirtschaft – üblich. Die Tiere wurden Tag Wesentlichen auf zwei Gebiete: die Salitterböden für Tag in gemischten Herden (Rinder, Ziegen, von Zwingendorf im Pulkautal (nördliches Wein- Schafe, Schweine) auf die gemeinschaftlichen viertel) und die Salzböden im Bereich von Baum- Weideflächen getrieben. Aus dieser über viele Jahr- garten an der March (östliches Weinviertel). hunderte gepflogenen Weidewirtschaft resultierte eine offene, mehr oder weniger baumlose Land- Zwingendorf im nördlichen Weinviertel schaft – die Puszta. Mit der Aufgabe der Viehzucht Die Zwingendorfer Salzböden im Pulkautal sind der im Seewinkel wurden die wertlos gewordenen Wei- Rest ehemals ausgedehnter Salzlebensräume im deflächen teilweise umgebrochen und als Äcker nördlichen Weinviertel. Der starke Rückgang der oder Weingärten genutzt. Die feuchteren Standorte Salzböden ging mit großflächigen Entwässerungen hingegen fielen größtenteils brach, da sie nicht und Meliorationen Ende des 19. und Anfang des mehr beweidet wurden. In dem Maße wie Offen- 20. Jahrhunderts einher. Durch die Absenkung des bodenstellen verschwanden, verschlechterte sich Grundwasserspiegels wurde der kapillare Hub- nicht nur das Lebensraumangebot für zahlreiche saum unterbrochen, so dass die Salze nicht mehr Bodenbrüter, sondern auch für viele hoch speziali- an die Bodenoberfläche gelangen konnten und im sierte Tiere und Pflanzen der Salzstandorte. oberen Bodenhorizont allmählich ausgewaschen Die Nationalpark-Verwaltung hat deshalb aus na- wurden. turschutzfachlichen Überlegungen die traditionelle Die beiden noch erhaltenen Salzstandorte mit einer Form der Hutweide seit einigen Jahren in einigen Fläche von etwa 15 ha wurden 1979 zum Natur- Teilgebieten wieder aufgenommen. Die Hutweide- schutzgebiet erklärt. wirtschaft fördert die mosaikartige Vielfalt des Ge- bietes. Aus der hohen Mobilität des Weideviehs und der variierenden Störungsintensität resultiert eine abwechslungsreiche Vegetationsstruktur, die durch hochwüchsige Weideunkräuter und kurz- rasige Trittstellen geprägt wird.

3. Niederösterreichische Salzlebens- räume Die niederösterreichischen Salzlebensräume unter- scheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer geringen Größe von den burgenländischen, sondern auch Abb. 10:Entwässerungen haben einen dramatischen bezüglich ihrer chemischen Zusammensetzung: Rückgang der Salzstandorte bewirkt (Gemälde

Nicht Soda, sondern Glaubersalz (Na2SO4) und Bit- von W. L. Kozlowsky, 1932)

12 Der nordwestlich gelegene Teil des Naturschutzge- fährdete Salzsteppen-Wermut (Artemisia santoni- bietes wurde künstlich vertieft und in Zeiten, als es cum) vor. noch keinen Kühlschrank gab, als Eisteich genutzt. Die Salzstandorte bei Baumgarten werden seit eini- Durch das uneinheitliche Relief hat sich hier ein gen Jahren durch eine Rinderherde beweidet. Die kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Standorte intensive Weidenutzung hat nicht nur die Gehölze ausgebildet. Die Palette reicht von Wasserflächen, zurückgedrängt, sondern auch gefährdete Salz- schlammigen Ufern, Schilfflächen, Feuchtwiesen arten. bis zu etwas trockeneren Bereichen am Rand des Naturschutzgebietes. In tiefer gelegenen Zonen fin- den sich kleinräumig Verlandungsflächen mit offe- 4. Zusammenfassung nen Bodenstellen. Hier gedeiht das Strandmilch- kraut (Glaux maritima), das in Zwingendorf sein ein- Salzlebensräume gibt es in Österreich nur klein- ziges österreichisches Verbreitungsgebiet hat, der räumig, ihre Vorkommen beschränken sich im We- Salz-Hornklee (Lotus tenuis) und der Meerstrand- sentlichen auf das nördliche Burgenland und den Wegerich (Plantago maritima). Osten Niederösterreichs. Regulierungs- und Melio- In den etwas höher gelegenen Salzwiesen kommen rationsmaßnahmen haben im 19. und 20. Jahrhun- neben diesen Arten auch Pannonien-Salz-Aster dert eine massive Abnahme salzbeeinflusster (Aster pannonicum), Gelber Spargelklee (Lotus Lebensräume bewirkt. So wurden im Burgenland maritimus), Salz-Steinklee (Melilotus dentatus), Ent- und in Niederösterreich mehr als 80 % der Salz- ferntährige Segge (Carex distans), Herbst-Zahn- standorte zerstört oder stark entwertet. trost (Odontítes vulgaris), Erdbeer-Klee (Trifolium Heute gibt der Umstand, dass Salzstandorte nach fragiferum) und Echter Eibisch (Althaea officinalis) der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie prioritäre Le- vor. In feuchteren oder schwer zugänglichen Berei- bensräume sind, zwar Anlass für Optimismus, da chen dominieren Schilf und Meerbinse (Bolbo- die Mitgliedsstaaten der EU zur Erhaltung dieser schoenus maritimus). Dieser Teil des Naturschutz- Lebensräume verpflichtet sind. Aufgrund der gebietes wird aufgrund der Kleinräumigkeit derzeit Kleinflächigkeit mancher Salzgebiete – etwa jener nicht beweidet, sondern durch Landschaftsgärtner in Niederösterreich – kommt die Trendwende je- gepflegt. doch schon sehr spät, vielleicht zu spät. Um die Der andere Teil des Naturschutzgebietes – die so Salzgebiete Niederösterreichs langfristig zu erhal- genannten Saliterwiesen – liegt östlich der Ort- ten, reicht entsprechendes Naturraummanagement schaft Zwingendorf. Da die Fläche derzeit weder in den verbliebenen Restflächen vermutlich nicht gemäht noch beweidet wird, verbrachen die Salz- aus. Notwendig wären auch ein Rückbau der Drai- standorte allmählich. Ein Großteil wird von einem nagen und eine Nutzungsextensivierung im nähe- einförmigen, stark verfilzten Rasen eingenommen, ren Umfeld der Gebiete. in dem die Salzarten mehr und mehr verdrängt wer- Wesentlich positiver erscheint die Situation der den. Eine Ausnahme bildet ein vor einigen Jahren burgenländischen Salzgebiete, da diese noch über gebaggerter Teich, an dessen Ufern sich eine typi- das nötige Hinterland verfügen. Das Naturraum- sche Salzvegetation entwickelt hat. Auf diesen management der letzten Jahre hat gezeigt, dass die nur lückig bewachsenen Standorten gedeihen u. a. Beweidung (z. B. Hutweidenutzung) wesentlich zur Salz-Hornklee (Lotus glaber), Gelber Spargelklee Erhaltung der Gebiete beitragen kann. Die Frage (Lotus maritimus) und Meerstrand-Wegerich (Plan- nach der anzustrebenden Beweidungsintensität tago maritima). Diese künstlich geschaffenen Be- hängt auch wesentlich von den Zielarten bzw. reiche sind aus faunistischer und vegetations- -gruppen ab. Was für die eine Art positiv ist, mag ökologischer Sicht besonders wertvoll, da es sich für eine andere letal sein. Deshalb ist bei der Um- um offenere Salzstandorte handelt. Aus natur- setzung von Pflegekonzepten eine kleinräumig schutzfachlicher Sicht ist eine Wiederaufnahme der differenzierte Vorgangsweise wichtig, die sich aus Beweidung mit Rindern in diesem Bereich anzu- den Habitatansprüchen der Charakterarten ablei- streben. tet.

Baumgarten an der March Die „Salzsteppe Baumgarten an der March“ mit ei- 5. Literatur ner Fläche von 11 ha wurde 1968 zum Natur- BERNHAUSER, A. (1962): Zur Verlandungsgeschichte des schutzgebiet erklärt, einige Jahre später folgte mit Burgenländischen Seewinkels – Wiss. Arb. Bgld. 29: der „Salzsteppe Kirchfeld“ ein Naturdenkmal. 143–171 Das Naturschutzgebiet weist ein kleinräumig diffe- FISCHER, M. A., Adler, W. & OSWALD, K. (2005): Exkursions- renziertes Kleinrelief mit häufig wechselnden flora für Österreich, Liechtenstein, Südtirol – 2. Aufla- Standortbedingungen auf. In den feuchteren, tiefer ge, 1380 S., Linz, Biologiezentrum der OÖ Landes- gelegenen Bereichen kommen mehrere stark ge- museen fährdete Salzarten wie Graue Aster (Aster canus), FISCHER, M. A. & FALLY, J. (2000): Pflanzenführer Burgen- Echter Haarstrang (Peucedanum officinale), Salz- land – 312 S., Deutschkreutz: Eigenverlag Mag. Dr. J. Hasenohr (Bupleurum tenuissimum) und der ge- Fally.

13 HIMMELBAUR, W. & STUMME, E. (2000): Vorarbeiten zu einer NIKLFELD, H. (1964): Zur xerothermen Vegetation im Osten pflanzengeographischen Karte Österreichs. XII. Die Niederösterreichs. – VErh. Zool.-bot. Ges. Wien, S. Vegetationsverhältnisse von Retz und Znaim. – Abh. 103-104: 152-181 Zoo. Bot. Ges. Wien, Bd XIV, Heft 2: 1–84 PAAR, M., SCHRAMAYR, G., TIEFENBACH, M. & WINKLER, I.

JURASKY, J. (1980): Die Flora des Westlichen Weinviertels. (1993): Burgenland, Niederösterreich, Wien. In: TIEFEN- Besonders der Umgebung von Hollabrunn. – 179 S., BACH, M. (ed.): Naturschutzgebiete Österreichs. – Unveröffentliches Manuskript 274 S., Umweltbundesamt Monographien Bd. 38A SAUERZOPF, F. (1959a): Die Pflanzengesellschaften des KOHLER, B., RAUER, G. & WENDELIN, B. (1994): Landschafts- Großraumes Neusiedlersee. In: Landschaft Neu- wandel. In: DICK, G., DVORAK, M., GRÜLL, A., KOHLER, B. siedlersee. – Wiss. Arb. Bgld. 23: 111–119 & RAUER, G. (eds.): Vogelparadies mit Zukunft? Ramsar-Gebiet Neusiedler See – Seewinkel. – Um- SAUERZOPF, F. (1959b): Die Pflanzengesellschaften des weltbundesamt, Wien, Ramsar-Bericht 3: 132–165 Großraumes Neusiedlersee. In: Landschaft Neu- siedlersee. – Wiss. Arb. Bgld. 23: 119–122 LÖFFLER, H. (1982): Der Seewinkel. Die fast verlorene Landschaft. – 160 S., St. Pölten: Niederösterreichi- SCHMID, TH. (1927): Die Zukunft des Neusiedlersees. – 30 sches Pressehaus S., Wien TAUBER, A. F. (1959): Geologische Stratigraphie und Ge- MAZEK-FIALLA, K. (1936): Die tiergeographische Stellung schichte des Neusiedlerseegebietes. – Wiss. Arb. und die Biotope der Steppe am Neusiedler See in Bgld. 23 bezug auf pontische, mediterrane und halophile Tier- formen. – Archiv f. Naturgeschichte 5: 449–482 WENDELBERGER, G. (1951): Zur Soziologie der kontinentalen Halophytenvegetation Mitteleuropas unter besonde- MAZEK-FIALLA, K. (1940): Der Einfluss der Kulturlandschaft rer Berücksichtigung der Salzpflanzengesellschaften auf die Tierwelt der Salzsteppe am Neusiedlersee. – am Neusiedlersee. – 180 S., Denkschr. Österr. Akad. Niederdonau 2: 2–26 Wiss., math.-nat. wiss. Kl. 108

14 Dokumentarfilm „Das Salz der Steppe“

Heinz Wiesbauer Ingenieurkonsulent für Landschaftsplanung und -pflege, Wien

Synopsis dort, wo Salz führende Horizonte nahe der Oberflä- The documentary film “Salt of the Steppes” (23 che liegen und die Salze mit dem aufsteigenden minutes, WIESBAUER 2002) describes life on salt Grundwasser allmählich an die Oberfläche gelan- locations based on selected characteristic gen können. Derartige Flächen sind aus natur- and plants in the Pannonic area, showing how they schutzfachlicher Sicht äußerst wertvoll, da hier vor- adapt to extreme conditions. The film was wiegend Lebensraumspezialisten vorkommen, die produced in the area of Neusiedler See (Austria) österreichweit äußerst gefährdet sind. So nutzen and Alföld (). Typical salt plants such as halophile Insektenarten die salzangereicherten Bö- Lepidium cartilagineum, Salicornia prostrata or den u. a. als Substrat für den Nestbau, als Habitat Suaeda pannonica are introduced along with their für die Larval- und Puppenphase oder als Lebens- adaptation to the high concentration of salt in the raum der Imagines. Die hier vorkommenden Le- soil. The film focuses on sequences about bensgemeinschaften sind nicht besonders arten- characteristic and spiders: Camptopoeum reich, die charakteristischen Arten weisen aber in friesei, Lindenius mesopleuralis, Bataconellus der Regel besondere Anpassungen auf. infuscatus, Tropidodynerus interruptus, Lophyridia Aus tierökologischer Sicht ist von besonderem In- lunulata nemoralis, Allohogna singoriensis. teresse, wie eng eine bestimmte Art an den Salz- lebensraum gebunden ist. Dabei kann zwischen Stichwörter: halobiont („salzbewohnend“: Anpassungen sind so Dokumentarfilm, Salzlebensräume, Camptopoeum weit fortgeschritten, dass ein Leben im salzfreien friesei, Lindenius mesopleuralis, Bataconellus Milieu nicht mehr möglich ist), halophil („salz- infuscatus, Tropidodynerus interruptus, Lophyridia liebend“: das physiologische Optimum liegt lunulata nemoralis, Allohogna singoriensis aufgrund von Anpassungen im Bereich höherer Salzkonzentrationen) und halotolerant (salzer- tragend: das physiologische Optimum liegt im salz- 1. Kurzzusammenfassung des Films „Das freien Medium, wenngleich mäßige Salzgehalte er- tragen werden) unterschieden werden. Eine ein- Salz der Steppe“ (23 Minuten, Wies- deutige Zuordnung der Arten in eine der Kategorien bauer 2002) ist in vielen Fällen schwierig, da der Kenntnisstand Der Dokumentarfilm „Das Salz der Steppe“ be- über ihre komplexen Lebensraumansprüche nur schreibt anhand ausgewählter charakteristischer selten ausreicht. Zudem haben viele Tierarten in- Tier- und Pflanzenarten das Leben auf Salz- nerhalb ihres Verbreitungsgebietes unterschiedli- standorten im pannonischen Raum und zeigt deren che Habitatpräferenzen. Deshalb basiert die Ein- Anpassungen an den extremen Lebensraum. Die stufung der Arten hinsichtlich ihrer Salztoleranz Aufnahmen entstanden am Neusiedler See und in meist auf einer Analyse ihres Verbreitungsgebietes, der Großen Ungarischen Tiefebene. Vorgestellt der Stetigkeit ihres Auftretens innerhalb bestimmter werden typische Salzpflanzen wie die Salz-Kresse Lebensraumtypen und den persönlichen Erfahrun- (Lepidium cartilagineum), der Pannonien-Queller gen des Beobachters. (Salicornia prostrata) oder die Große Salzmelde Für die österreichischen Salzstandorte im Neu- (Suaeda pannonica) sowie die Anpassungen dieser siedler See-Gebiet und Pulkautal (Zwingendorf) ist Pflanzen an den hohen Basengehalt der Salzbö- die Salz-Buntbiene Camptopoeum friesei eine den. Den Schwerpunkt des Filmes bilden Aufnah- besonders charakteristische Art. PITTIONI (1942), der men von charakteristischen Insekten und Spinnen nur den ersten Standort gekannt hat, stellt fest, wie der Buntbiene Camptopoeum friesei, der Grab- dass diese stenöke Art außerordentlich lokal ver- wespe Lindenius mesopleuralis, der Wegwespe breitet ist und neben Österreich nur in Sizilien, Sie- Bataconellus infuscatus, der Faltenwespe Tropi- benbürgen und Ungarn vorkommt. Aufgrund ihrer dodynerus interruptus, dem Salz-Sandlaufkäfer inselartigen Verbreitung stuft er sie als pontomedi- Lophyridia lunulata nemoralis oder der Süd- terran ein. Die Buntbiene nistet meist gesellig auf russischen Tarantel Allohogna singoriensis. vegetationslosen bzw. -armen Solonchak-Böden Salzböden gibt es im pannonischen Raum überall und sorgt während der Paarungszeit für eindrucks-

15 Tab. 1: Bindung ausgewählter, in Österreich vorkommender Hautflügler an den Salzlebensraum

Abb. 1: Blattschneiderbiene Megachile deceptoria Abb. 2:Kegelbiene Coelioxys polycentris (Kuckucks- biene von Megachile deceptoria) volle Momente: Die Männchen patrouillieren dann gebietes in ein anderes benachbartes überwandern in großer Zahl bei den Nestern. Schlüpft ein Weib- würde, da dies sonst auch heute schon geschehen chen, wird dieses von zahlreichen Männchen um- wäre.“ schwirrt und es folgt eine stürmische Paarung. Die Brutparasit der Buntbiene Camptopoeum friesei ist Buntbiene ist streng oligolektisch und sammelt vor- die Kraftbiene Parammobatodes schmidti, die wiegend auf Flockenblumen und Disteln Pollen. Da aufgrund ihrer Seltenheit erst 1935 beschrieben die Salzstandorte eine starke Grundwasser- wurde (PITTIONI 1942). Sie konnte beim Besuch der dynamik aufweisen und in manchen Jahren Nester von Camptopoeum friesei ebenfalls mehr- zumindest teilweise überflutet sind, ist es nicht aus- fach beobachtet und dokumentiert werden. zuschließen, dass die Biene bei ungünstigen Be- Eine weitere Charakterart unter den Hautflüglern dingungen überliegt und erst im darauf folgenden ist die Grabwespe Lindenius mesopleuralis, die Jahr schlüpft. ebenfalls im Bereich von Solonchak-Böden nistet. PITTIONI (1942) weist auf die besondere Bedrohung Diese Art ist nach DOLLFUSS (1991) in Südeuropa, der Buntbiene hin: „Es ist die Gefahr des Aus- der Türkei und in Zentralasien verbreitet und er- gerottetwerdens, die über dieser vielleicht interes- reicht im Neusiedler See-Gebiet ihre westliche santesten Biene unseres Gebietes im besonderen Verbreitungsgrenze. Die Weibchen nisten ebenfalls und darüber hinaus wahrscheinlich ganz Mittel- auf Solonchak-Böden und tragen hier Zuckmücken europas im allgemeinen schwebt! Und zwar nicht als Larven-Proviant ein. Die Nesteingänge befinden etwa eines Ausgerottetwerdens durch allzu eifriges sich meist im Nahbereich von Salzkresse-Pflanzen Sammeln seitens übereifriger Entomologen, son- oder Unebenheiten, wo sie günstigere Bedingun- dern ein Ausgerottetwerden im Gefolge der Intensi- gen zum Graben vorfinden. vierung der Landwirtschaft. Es bedarf nur der Vorgestellt wird auch die seltene Wegwespe Bata- Urbarmachung jener etwas feuchten Wiese (…). Es conellus lacerticida, die wohl zu den auffälligsten ist kaum anzunehmen, dass Camptopoeum friesei Erscheinungen unter den heimischen Hautflüglern im Falle einer Zerstörung seines heutigen Flug- zählt. Diese gelegentlich auch als „Eidechsentöter“

16 bezeichnete Art (zur irreführenden Namensgebung Tropidodynerus interruptus bei der Nestanlage. siehe JACOBI 2002) kommt auch in anderen Lebens- Das Nistverhalten dieser Art wird von ARENS (1999) räumen vor, erreicht aber auf Salzstandorten beschrieben. Sie verwendet für die Verprovian- aufgrund des günstigen Beute- und Nistplatzan- tierung Käferlarven und betreibt dabei eine bemer- gebotes eine vergleichsweise hohe Dichte (ZETTEL & kenswerte Form der Brutpflege: Sie holt die bereits WIESBAUER 2004). Das Nistverhalten wurde bereits eingelagerten Käferlarven während der Verprovian- von mehreren Autoren ausführlich beschrieben tierungsphase täglich für einige Stunden an die (OLBERG 1959, JACOBI 2002). Batozonellus lacerticida Erdoberfläche. Eine Filmsequenz zeigt, wie die Fal- trägt vor allem die Wespenspinne Argiope bruenni- tenwespe ein bereits verschlossenes Nest öffnet chi (SCOPOLI 1772), aber auch andere größere Rad- und insgesamt neun Larven an die Salzoberfläche netzspinnen (Araneidae) ein, die sie in den angren- befördert. Dabei kann es vorkommen, dass die pa- zenden Schilf- und Altgrasbeständen findet. Die ralysierten Käferlarven von anderen Tropidodyne- besondere Eignung der tonigen Salzböden als Nist- rus interruptus-Weibchen entwendet werden. Die standort liegt u. a. an der Verfügbarkeit feuchter, gelähmten, aber noch lebenden Tiere (pulsierende bindiger Erde, mit der das Nest optimal verschlos- Körperflüssigkeit) werden nach etwa einer Stunde sen werden kann – ein für den Naturbeobachter gereinigt und wieder in das zwischenzeitlich etwas eindrucksvoller Vorgang. Dabei verdichtet das tiefer gegrabene Nest getragen. Was der Grund für Weibchen die Tonkrümel mit raschen Bewegungen dieses Verhalten ist, konnte bislang nicht hinläng- der Hinterleibsspitze (15 Hiebe pro Sekunde) und lich geklärt werden. Eine Rolle könnten folgende tarnt anschließend das Nest mit abgestorbenen Aspekte spielen: Aussonderung vorzeitig verwester Pflanzenteilen. Der Umstand, dass der Eidechsen- Käferlarven (Schimmelbefall), Entfernung von Aus- töter in den letzten Jahren wieder häufiger im scheidungen, Kontrolle hinsichtlich Befall durch Burgenland und nach mehreren Jahrzehnten Ver- Brutparasiten wie Goldwespen (solche wurden im schollenheit auch in Niederösterreich beobachtet und am Nest gelegentlich beobachtet), schrittweise werden konnte, ist vermutlich auf die Ausbreitung Vertiefung des Nestes oder die Bestimmung der bzw. die Bestandszunahme der Wespenspinne zu- Menge an Larvenproviant vor dem endgültigen Ver- rückzuführen (ZETTEL & WIESBAUER 2004). schließen des Einganges. Der Film dokumentiert auch die in der Großen Un- Eine starke Bindung an den Salzlebensraum weist garischen Tiefebene vorkommende Faltenwespe der Salz-Sandlaufkäfer Lophyridia lunulata nemo-

Abb. 3: Buntbiene Camptopoeum friesei Abb. 5: Grabwespe Lindenius mesopleuralis beim Ein- tragen des Larvenproviants

Abb. 4: Kraftbiene Parammobatodes schmidti Abb. 6: Wegwespe Bataconellus infuscatus (Kuckucksbiene von Camptopoeum friesei)

17 Abb. 7: Faltenwespe Tropidodynerus interruptus Abb. 9: Südrussische Tarantel Lycosa singoriensis

Abb. 8: Salz-Sandlaufkäfer Lophyridia lunulata nemoralis Abb. 10: Die Nasenschrecke Acrida ungarica ist in den Salzgebieten Österreichs bereits ausgestorben. ralis auf. Die Larven leben in selbst gegrabenen Röhren, die sie meist im Randbereich vegetations- freier Zickflächen anlegen. Am fünften Hinterleibs- ring tragen sie zwei gekrümmte Haken, die ihnen den nötigen Halt im Loch verleihen. Kopf und Hals- schild sind so geformt, dass sie sich kaum von der Umgebung abheben. Kommt ein Beutetier in den Nahbereich ihrer Röhre, so wird es ergriffen und ausgesaugt. Der Film zeigt neben einer Paarung des Salz-Sandlaufkäfers auch die Larven beim Ver- größern der Röhre. Der Salz-Sandlaufkäfer steht auf dem Speiseplan der Südrussischen Tarantel Lycosa singoriensis, der mit 40 mm Körperlänge größten mitteleuropäi- Abb. 11:Tarnung der besonderen Art (Suchrätsel mit schen Spinne. Dieses eindrucksvolle Steppentier Nasenschrecke Acrida ungarica) erreicht im Neusiedler See-Gebiet ihr westlichstes Verbreitungsgebiet. Auch die Tarantel weist eine Die Salzlebensräume weisen eine starke Dynamik gewisse Bindung an offene Salzflächen auf, wenn- auf, sie sind im Frühjahr meist überflutet und trock- gleich sie auch andere Lebensräume besiedelt. Sie nen im Sommer völlig aus. Die temporären Gewäs- bevorzugt kurzrasige oder vegetationsfreie Zick- ser und Salzlacken bilden wertvollste Lebensräume flächen, wo sie eine etwa 30 cm tiefe Wohnröhre für Urzeitkrebse. Stellvertretend für zahlreiche be- gräbt. Der tonige Boden verleiht dem Bau im Ver- merkenswerte Arten dokumentiert der Film den gleich zu sandigen Sedimenten eine hohe Stabili- Sommer-Feenkrebs Branchipus schaefferi, der im tät. Aufgrund starker Grundwasserspiegelschwan- Bereich von Kleingewässern wie Wagenspuren kungen und geringer Flurabstände befindet sich die oder Pfützen anzutreffen ist. Nach EDER & HÖDL Wohnröhre meist auf etwas erhöhten Stellen. Nach (1996) handelt es sich dabei um eine eurytherme MILASOWSZKY & ZULKA (1996) ist der Eingangsbereich Art, die bisher nur im Sommer und Herbst nach- nach Süden orientiert, woraus höhere Sonnenein- gewiesen wurde. Feenkrebse (Anostraca) sind strahlung und günstigere Lebensraumbedingungen Rückenschwimmer, sie orientieren ihre Bauchseite resultieren. in Richtung des Lichteinfalls. Dabei filtrieren die

18 beborsteten Beine kontinuierlich Nahrungspartikel EDER, E. & HÖDL, W. (1996): Bestimmungshilfen zur Erken- – hauptsächlich Kleinstplankton, Mikroorganismen nung heimischer Anostraca, Notostraca und und organische Schwebstoffe – aus dem Wasser. Conchostraca. – Stapfia 42: 111–136 Der Nahrungsbrei wird in der Bauchrinne zum EDER, E. & HÖDL, W. (1996): Gräben, Lacken, Wagen- Mund transportiert. Eine Filmsequenz zeigt ein aus- spuren. Österreichische Vorkommen von Groß-Bran- gewachsenes Weibchen mit Brutsack, in dem die chiopoden außerhalb ihrer Hauptverbreitungsareale reifen Eier zur Sauerstoffversorgung mit eigenen March-/Donau-Auen und Seewinkel. – Stapfia 42: Muskeln rhythmisch hin- und herbewegt werden. 103–110 Die Dokumentation behandelt weitere Besonder- EDER, E., HÖDL, W. & MILASOWSZKY, N. (1996): Die Groß- heiten der Salzstandorte, etwa die auf vegetations- Branchiopoden des Seewinkels. – Stapfia 42: 93–101 losen Salzstellen häufig brütenden Säbelschnäbler JACOBI, B. (2002): Batozonellus lacerticida – Feldnotizen oder die im Binnenland seltenen Seeregenpfeifer mit einem augenzwinkernden Blick auf die Wahl des (vgl. dazu KOHLER & RAUER 1994). Thematisiert wer- Artnamens. – Bembix 15: 26–30 den aber auch die starke Gefährdung dieser Le- KOHLER, B. & RAUER, G. (1994): Limnikolen. In: DICK, G., bensräume sowie mögliche Erhaltungsmaßnah- DVORAK, M., GRÜLL, A., KOHLER, B. & RAUER, G. (eds.): men. Vogelparadies mit Zukunft? Ramsar-Gebiet Neu- siedler See – Seewinkel. – Umweltbundesamt, Wien, Ramsar-Bericht 3: 132–165 2. Zusammenfassung KOHLER, B., RAUER, G. & WENDELIN, B. (1994): Landschafts- wandel. In: DICK, G., DVORAK, M., GRÜLL, A., KOHLER, B. Ziel des Dokumentarfilmes „Das Salz der Steppe“ & RAUER, G. (Hg.): Vogelparadies mit Zukunft? ist es, das Leben auf Salzstandorten im pan- Ramsar-Gebiet Neusiedler See – Seewinkel. – Um- nonischen Raum anhand ausgewählter charakte- weltbundesamt, Wien, Ramsar-Bericht 3: 21–34 ristischer Tier- und Pflanzenarten in leicht verständ- LÖFFLER, H. (1982): Der Seewinkel. Die fast verlorene licher Form zu beschreiben. Den Schwerpunkt des Landschaft. – 160 S., St. Pölten: Niederösterrei- Filmes bilden Aufnahmen von charakteristischen chisches Pressehaus Insekten und Spinnen wie der Buntbiene Campto- MILASOWSZKY, N. & ZULKA, K. P. (1996): Verbreitung und poeum friesei, der Grabwespe Lindenius meso- Lebensraumtypen der Südrussischen Tarantel, Ly- pleuralis, der Wegwespe Bataconellus infuscatus, cosa singoriensis (Laxmann 1770), im Seewinkel: der Faltenwespe Tropidodynerus interruptus, dem Datengrundlagen für ein effektives Zielarten-Manage- Salz-Sandlaufkäfer Lophyridia lunulata nemoralis ment. – BfB-Bericht 85: 1–35 oder der Südrussischen Tarantel Allohogna singo- OLBERG, G. (1959): Das Verhalten der solitären Wespen riensis. Mitteleuropas. – 402 S.; Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften

PITTIONI, B. (1942): Die Bienen des Wiener Beckens und 3. Literatur des Neusiedlerseegebietes. – 326 S.; unveröffentlich- tes Manuskript in der Hymenoptera-Sammlung des ARENS, W. (1999): Zum Verhalten von Tropidodynerus interruptus (BRULLÉ 1832) (Vespoidea, Eumenidae) Naturhistorischen Museums in Wien, das voraus- und seines Brutparasits Chrysis jaxartis SEM. am sichtlich 2006/2007 veröffentlicht wird Nest. – Linzer Biologische Beiträge 31/1: 147–158 SCHMID, TH. (1927): Die Zukunft des Neusiedlersees. – 30 S.; Wien BELLMANN, H. (2001): Kosmos Atlas Spinnentiere Europas. – 304 S.; Stuttgart: Franck-Kosmos Verlag ZETTEL, H. & WIESBAUER, H. (2004): Neue Meldungen von fünf Wegwespenarten (Hymenoptera: Pompilidae) DOLLFUSS, H. (1991): Bestimmungsschlüssel der Grab- aus dem Osten Österreichs. – Beiträge zur Entomo- wespen Nord- und Zentraleuropas (Hymenoptera, faunistik, Band 5: 93–98 Sphecidae) mit speziellen Angaben zur Grabwespen- fauna Österreichs. – Stapfia 24: 247 S. ZETTEL, H., SCHÖDL, S. & WIESBAUER, H. (2004): Zur Kenntnis der Wildbienen (Hymenoptera: Apidae) in Wien, DOLLFUSS, H., GUSENLEITNER, J. & BREGANT, E. (1998): Grab- Niederösterreich und dem Burgenland (Österreich) – wespen im Burgenland (Hymenoptera, Sphecidae). – 1. Beiträge zur Entomofaunistik, Band 5: 99–124 Stapfia 55: 507–552 ZETTEL, H., SCHÖDL, S. & WIESBAUER, H. (2005): Zur Kenntnis EDER, E. & W. HÖDL (1996): Bestimmungshilfen zur Erken- der Wildbienen (Hymenoptera: Apidae) in Wien, nung heimischer Anostraca, Notostraca und Con- Niederösterreich und dem Burgenland (Österreich) – chostraca. – Stapfia 42: 111–136 2. Beiträge zur Entomofaunistik, Band 6: 111–130

19 Die Wiederherstellung der pannonischen Salz- steppen und -sümpfe im Nationalpark Hortobágy im Rahmen des LIFE-Natur-Projektes LIFE02NAT/H/8634 (2002-2005)

Dr. Szilvia GÅri Direktion Nationalpark Hortobágy, Debrecen

Synopsis • Favourable habitat conditions are provided on On the Hortobágy steppes irrigation systems were the long term for several species of flora and constructed for high yield grasslands and rice fields fauna of European importance. in the 1950-60ies. Majority of them never had been used, but the abandoned channels and dikes have The project improved the conditions for extensive fragmented the native grasslands and formed an grazing, which is the basic nature conservation obstacle to natural flow-path of surface waters. management tool of the area. Those natural processes which maintained naturally the ecological network of alkaline dry Stichwörter: grasslands and marshes became blocked, the na- Rehabilitation von natürlichen Oberflächenwasser- tural hydrology of wetlands suffered complete bewegungen und natürlichen Lebensraumzustän- change, leading to loss of biological diversity of the den, Damm- und Grabenrückbaumaßnahmen, area. Landschaftsrehabilitation The project aims at restoring pannonic salt steppes and marshes, a priority habitat of the Habitats Directive, to a favourable conservation state and 1. Einleitung ensuring long term conservation of it. Hortobágy is Das ökologische System NATURA 2000 fasst Ge- the largest coherent occurrence of this habitat type biete, die Naturwerte von europäischer Bedeutung in . The project was implemented with the beherbergen, zusammen. Die pannonischen Salz- contribution of the LIFE financial instrument of the gebiete werden von der EU-Richtlinie zum Schutz European Community. der Lebensräume (92/43/EEC) als prioritärer Le- bensraumtyp qualifiziert (Code: *1530), der beson- Hortobágy National Park covers 82.000 hectares, derer Schutzmaßnahmen bedarf. Das großflächigs- from which 10.000 hectares were directly affected te Gebiet in Europa, in dem diese Lebensräume lie- by the LIFE-project actions: gen, ist das Hortobágy. Ort des LIFE-Projektes ist • removal of the unused dikes and canals with der Nationalpark Hortobágy, welcher als Teil des canal filling and embankment levelling in total NATURA 2000 Netzwerkes aufgrund der Richtlinie length of 500 km, zum Schutz der Lebensräume als Gebiet von ge- meinschaftlicher Bedeutung und aufgrund der EU- • seeding Festuca pseudovina, the main native Vogelschutzrichtlinie als besonderes Vogelschutz- grass on some tracks to aid natural re- gebiet ausgewiesen wurde. colonisation process of vegetation, Der Nationalpark Hortobágy wurde 1973 gegrün- • building of water management structures to det, seine Fläche beläuft sich heute auf über 82.000 keep precipitation waters in the marshes, Hektar, wovon 52.000 Hektar UNESCO Bio- sphärenreservat sind. Das Hortobágy ist Teil des • monitoring. Weltkulturerbes und fast 24.000 Hektar stehen un- ter dem Schutz des Ramsar-Abkommens als Feuchtlebensraum von internationaler Bedeutung. Project results: Das Hortobágy ist ein Mosaik aus weitläufigen sal- • The fragmentation of grasslands is stopped, na- zigen Grassteppen und diversen Feuchtbiotopen. tural connections between dry grasslands and Es ist eine der größten zusammenhängenden na- wetlands re-developed. türlichen Wiesenlandschaften Europas. Seine Was- serwelt umfasst Tümpel, die sich nach heftigen Ge- • Natural processes maintaining the habitat wittern plötzlich füllen, aber nur einige Tage oder diversity of alkaline steppes became initiated Wochen bestehen, länger wasserführende salzige and ensure long term conservation of it. Sumpfwiesen und Bülten, dauerfeuchte und in der • Natural pattern of surface water flow is re- Sommerdürre austrocknende Salzsümpfe sowie established; the natural hydrology of marshes is künstliche Fischteiche, also viele Arten von Le- restored. bensräumen.

20 Die geologischen Untersuchungen und die Erfor- beim Herbstzug können bis zu 60.000–80.000 Ex- schung der Urumgebung der letzten 30.000 Jahre emplare beobachtet werden. Bis heute wurden hier beweisen ohne jegliche Zweifel, dass die Salzstep- 337 Vogelarten registriert, darunter solche vom pe nicht durch menschliche Einwirkung entstanden Aussterben bedrohte, wie die regelmäßig durchzie- ist (SÜMEGI & al. 2000, SÜMEGI 2005, VÖRÖS 1981, hende Zwerggans. Von den nistenden Arten sind es VÖRÖS 1983). Die als traditionelle Nutzung des Ge- die Moorente, die Zwergscharbe, die Trappe und bietes geltende Beweidung hat die Naturschätze der Seggenrohrsänger. Die in Europa sehr rar bewahrt und die Landschaft über die Jahrhunderte gewordenen und vielerorts bereits verschwunde- bis in unsere Zeit geformt. Doch sind im 20. Jahr- nen Rohrdommeln, Löffelreiher und Silberreiher hundert landschaftsfremde Nutzungsformen auf- brüten hier außerdem in großer Zahl. getaucht, die die natürlichen Lebensräume ernst- Die hydrologische Achse der Landschaft ist bis haft geschädigt haben. Die Puszta wurde durch heute der Fluss Hortobágy, der den Nationalpark in Bewässerungssysteme aufgegliedert. einer Länge von 55 Kilometern durchzieht. Die Ziel des LIFE-Projektes ist die Wiederherstellung Steppen von Hortobágy gehören komplett zu sei- des günstigen Naturzustandes der pannonischen nem Wassereinzugsgebiet. Die Geländestufen, zu Salzsteppen und Salzsümpfe sowie die langfristige denen der Fluss Hortobágy vor den Flussregulie- Bewahrung und Erhaltung ihrer Pflanzen- und Tier- rungen und dem Ausbaggern des Bettes die an- welt. Das Projekt hilft durch die Förderung der Be- schließenden Sümpfe und Wasserstände geflutet dingungen für die Beweidung, die traditionelle hat und die das Wasser nach Abzug des Hochwas- Flächennutzung zu erhalten und hierdurch die Na- sers abgeleitet haben, sind bis heute gut sichtbar. turschätze zu bewahren. All dies sorgte für das Entstehen des besonders abwechselungsreichen Systems aus trockenen, salzigen Steppen- und Wasserlebensräumen. 2. Ort des LIFE-Projektes Auf dem Solonetz verursachen Höhenunterschiede Der klassische Ort für das Auftreten von Halophy- von einigen Zentimetern die natürlichen Versal- ten in Europa ist das Karpatenbecken, wobei das zungsprozesse, die das mosaikartige System von großflächigste und an Bodentypen sowie ober- feuchten und trockenen Lebensräumen formen und flächlichen Mikroformen (Soleadern, Salzschwel- erhalten, denn wegen der dichten wasserab- len und nackten Salzstellen) abwechselungs- schließenden Bodenschicht ist die oberflächliche reichste Gebiet der Hortobágy ist. Wasserbewegung der charakteristischste hydrolo- Er ist hauptsächlich von kurzgrasigen Steppen- gische Prozess. Nach der Schneeschmelze zu pflanzen bedeckt, mit Grassalzsteppen- und Bei- Winterende oder nach den Frühlingsregenfällen fußsalzsteppenzonen (Achilleo-Festucetum, Arte- werden mehrere Tausend Hektar der Puszta durch misio-Festucetum), die durchzogen sind von hoch- seichtes Wasser bedeckt. Dann verursachen die grasigen Lössrasenfragmenten (Salvio-Festuce- von höheren Gebieten abfließenden lokalen Was- tum), Salzschwadengemeinschaften (Puccinellion serbewegungen schnell dauerhaft trockenfallende limosae), spärlich bewachsenen Salzstellen mit Salzschwellen und ein Netz an Salzadern. Es ent- Kampferkraut (Camphorosmetum annuae) und stehen verhältnismäßig lang überflutete, feuchte gänzlich unbewachsenen Salzstellen. Die Pflanzen- Salzstufen, die zum Schluss die Läufe von Salz- decke der wasserführenden Gebiete ist durch- vertiefungen, Mooren und Sümpfen füllen. Die Ge- setzt von offenen Wasserstellen mit Rasen und biete, auf denen das Projekt umgesetzt wurde, be- Schwimmblattfluren aus Seekanne, Teichrose, stehen nicht nur aus typischen kurzrasigen Step- Seerose und Laichkraut. Es gibt aber auch Schilf- pen und Schwellen, sondern bewahren auch die und Rohrkolbensümpfe, nur zeitweilig unter Was- schönsten Vertreter der letzten Fragmente der tem- ser stehende Bülten und Riedgründe, Salzwiesen porären Salzsümpfe. Vor langer Zeit war dieser und andere Biotoptypen. Lebensraum der typischste Vertreter der Feucht- Die von den im Anhang I der EU-Vogelschutz- lebensräume des Hortobágy. Die Bewahrung des richtlinie (79/409/EEC) aufgeführten Arten kommen Wasserhaushaltes und der besonderen Lebensge- zu einem Drittel auf dem Hortobágy vor (sowohl meinschaften von abflusslosen Salzsümpfen und Nist- als auch Zugvögel), hiervon dienten 54 Arten temporären Wasserstellen kann nur durch den voll- als Grundlage für die Festlegung des Vogelschutz- ständigen Schutz der Wassersammelgebiete, also gebietes. Das riesige Gebiet ist hervorragende der Wiesen, sichergestellt werden. Denn unter na- Nahrungs- und Raststätte für Arten wie den Kaiser- türlichen Umständen haben sie keinen direkten adler, den Steppenadler, den Adlerbussard, den Wassernachschub, sie werden nur von den Wäs- Würgfalken und den Rotfußfalken. Die feuchten sern genährt, die von den umliegenden Wiesen zu- Lebensräume sind Brut- und Nahrungsstätte für sammenfließen. zahlreiche geschützte oder gefährdete Vogelarten. Die abwechselungsreichen Lebensräume und der Der Hortobágy ist am ehesten für seine Schwärme Artenreichtum der pannonischen Salzgebiete kann an ziehenden Wasser- und Küstenvögeln bekannt, also ohne eine gut (natürlich) funktionierende Be- er ist ein wichtiges Zuggebiet der Mornellregen- ziehung zwischen den trockenen Salzsteppen und pfeifer. Hier ist der größte Rastplatz für den Kranich, den unterschiedlichen Feuchtlebensräumen nicht

21 bewahrt werden. Voraussetzung hierfür ist ein bar- rierenloser Ablauf der natürlichen Wasserbewe- gungen an der Oberfläche.

3. Warum war eine Wiederherstellung der Landschaft notwendig? Menschliche Eingriffe haben diese natürlichen Lebensraumzustände und hydrologischen Verhält- nisse verändert. Nach der 1846 begonnenen und zum Ende des Jahrhunderts abgeschlossenen Re- gulierung der Theiß erreichten die Überschwem- mungen den Hortobágy nicht mehr. Die Meliora- tionsmaßnahmen im 20. Jahrhundert, die unter an- derem zur Verhinderung der Binnenhochwässer dienten, die wiederholte Flussbettvertiefung des Hortobágy-Flusses sowie die drastische Umgestal- tung der natürlichen Wassersammelgebiete haben zusammen zu den Veränderungen der natürlichen Steppenlebensraumstruktur geführt. Nach dem Umbruch der Hortobágyer Steppen in den 1950-60er Jahren wurden Grabensysteme für die Oberflächenbewässerung von intensiven Wie- senlandschaften und Reisfeldern gezogen. Die klei- neren Gräben sind zwischen 50 und 100 cm tief und unter 2 m breit, aber die größeren waren teilweise bis zu 2 m tief und 5 m breit. Der fast 6 km lange, in rechtem Winkel häufiger eine gebrochene Spurlinie aufweisende, so genannte „Schifffahrtskanal“ sollte nach den ursprünglichen Plänen aus dem – viel tiefer liegenden – Fluss Hortobágy mit Hilfe von Pumpen geflutet werden. Das darauf verkehrende Bewässerungsschiff hätte die Salzweiden bewässern und ihren Ertrag stei- gern sollen. Der Großteil der erbauten Bewässe- rungssysteme, so auch der Schifffahrtskanal, wur- de nie benutzt. Jedoch haben die verschilften Grä- ben und die Dämme über Flurniveau nicht nur das Bild der urtümlichen Puszta gestört, sondern auch bedeutende Schäden in der Natur verursacht, denn sie haben die natürlichen Wasserablaufbewegun- gen an der Oberfläche grundlegend verändert. Die Salzsteppen wurden von gerade verlaufenden Gräben und Dämmen durchtrennt und versperrten dem Wasser seinen ursprünglichen Weg. Die natür- lichen Versalzungsprozesse, die das bunte Netz- werk an charakteristischen trockenen Lebens- räumen der Salzsteppen und der Feuchtgebiete schufen, wurden verhindert. Die Sümpfe, die tem- porären Wasserstände und die Bülten trockneten teilweise oder ganz aus, ihr Gebiet nahm ab, wo- durch ihre Flora und Fauna verarmte; ihre biologi- sche Vielfalt nahm ab. Für die Bewahrung der bunten Vielfalt der Tier- und Abb. 1: Der Fluss Hortobágy: auf der rechten Seite sieht Pflanzenwelt der Salzsteppengebiete und die Wie- man das frühere Bewässerungssystem im Jahre derherstellung des Naturreichtums der geschädig- des Rückbaus der Gräben und Dämme. Auf den beiden untersten Bildabschnitten sieht man ei- ten Lebensräume war der Rückbau dieser künstli- nen Abschnitt des Schifffahrtskanals, am Ende chen Objekte notwendig. Denn die Natur der tem- ein Pferchgebäude. Links ist die Puszta in natürli- porären Salzsümpfe wird vom künstlichen Wasser- chem Zustand, in der Mitte schließt an den Fluss nachschub zerstört. Ihre Rückführung in den natür- ein kurzer Nebenzweig an, über den früher die lichen Ursprungszustand ist nur durch die Korrek- Hochwässer die Puszta fluteten.(Foto: I. Zsoldos)

22 tur der Schäden an ihren Wassersammelstellen zu beiten unerlässlich (Technologieabfolge: Bulldozer, verwirklichen. Grundlage ihrer Bewahrung ist die Drehbagger, schwere Rolle, Autogräder, Glättung Sicherstellung von Wasserverhältnissen, die den und Ringwalze). natürlichen Wasserbewegungen entsprechen (GÅRI Entlang des Verlaufs größerer Gräben haben wir die et al. 2004). Hauptgrassorte der natürlichen Grasnarbe, den Salz-Schwingel (Festuca pseudovina) ausgesät und so die Rückkehr des Rasens erleichtert. Wir 4. Zielsetzungen des LIFE-Projektes haben die Läufe der aufgeschütteten Gräben aus- Mit der Unterstützung durch das LIFE-Programm gewählt, wo bessere Bodenbedingungen herrsch- der Europäischen Union bot sich zum ersten Mal ten, denn hier konnten wir durch die Grasansaat die die Möglichkeit, den Naturzustand nicht nur für ei- zu erwartende Unkrautansiedlung verhindern und nen ausgewählten Lebensraum, sondern für das die Regeneration der natürlichen Wiese beschleu- ganze abwechslungsreiche System von trockenen, nigen. Auf diesen Gebieten haben wir im Herbst salzigen, steppenartigen und sumpfigen Lebens- 2003 mit der Aussaat der aus natürlichen Rasen räumen im Rahmen eines Lebensraum-Rehabili- gesammelten Salz-Schwingelsamen begonnen. tationsprojektes wiederherzustellen. Eine Lebens- Auf manchen Teilgebieten war es notwendig, die im raum-Wiederherstellung von solchem Charakter Bereich der aufgeschütteten Gräben auftretenden und in diesem Ausmaß war in Ungarn bis dahin bei- Unkrautpflanzen mechanisch zu bekämpfen (Stän- spiellos. Diese Möglichkeit beschleunigte die Ver- gelquetschung) bzw. die angesäte Wiese zu pfle- wirklichung der seit der Gründung des National- gen. parks geplanten und in vielen Konzepten niederge- Die Objekte, die zur Rückhaltung der sich natürlich legten Naturschutzziele um Jahrzehnte. sammelnden Niederschläge dienen, haben wir sa- Das EU-LIFE-Projekt umfasst auf den Steppen des niert bzw. neue erbaut, wodurch der optimale Was- Nationalparks fast 10.000 ha NATURA 2000-Ge- serstand der Sümpfe nach Bedarf sichergestellt biete unmittelbar und zum Teil auch Ramsar-Gebie- werden kann. Diese Wässer sind zuvor wegen der te. Es hat aber auf ein wesentlich größeres, fast künstlich beeinflussten Wasserabflussbedingun- 20.000 ha großes Gebiet direkte Auswirkungen. gen nicht auf dem Gebiet verblieben. Ziel der Landschaftsrehabilitation ist die Wieder- Bei der Planung der Arbeiten und vor Beginn der herstellung des günstigen Erhaltungszustandes der Ausführung haben wir für das Projektgebiet eine pannonischen Salzsteppen und -sümpfe, welche detaillierte Zustandsaufnahme erstellt. Wir erarbei- auch in der Verordnung über den Schutz des teten ein Monitoring-Programm für mehrere Grup- Lebensraumes als prioritäre Lebensräume auf- pen von Lebewesen (Flora und Fauna), das den geführt sind (Code: *1530). Im Interesse der lang- Naturschutzerfolg der durchgeführten Maßnahmen fristigen Bewahrung ihrer Flora und Fauna sollen bewerten und die Veränderungen der Lebensraum- die entsprechenden Lebensraumbedingungen (tro- strukturen (Luftaufnahmen) mitverfolgen soll. cken und feucht) wiederhergestellt und bewahrt werden. 6. Ergebnisse

5. Die Umsetzung des LIFE-Projektes 6.1 Die Wiederkehr natürlicher hydrologi- scher Verhältnisse und die Regenera- Das zwischen 2002 und 2005 durchgeführte Pro- jekt wurde vom LIFE-Natur-Programm der EU mit tion von Feuchtlebensräumen einer Beteiligung von 70 % unterstützt, 30 % waren Die künstliche Gliederung der Wiesen und der na- der Eigenanteil des Ministeriums für Umweltschutz türlichen Wasserläufe wurde aufgehoben, die Re- und Wasserwesen beziehungsweise der Direktion generation der Lebensräume setzte ein. Nach den des Nationalparks Hortobágy. Schmelzwassern des Frühlings haben sich bereits In der Tiefebene haben wir ein Graben- und Damm- 2004 die früheren, zuvor durch Gräben geteilten system von über 500 km Gesamtlänge gänzlich an Läufe der Salzrinnsale wieder zusammenhängend die natürliche Oberfläche angeglichen und mehr als gezeigt. Zwischen ihnen begann die natürliche 800 m³ Bauschutt, bestehend aus Beton sowie frü- Oberflächenbewegung des Wassers. Durch die heren Schleusen- und Bauresten, zu Mülldeponien Wiederherstellung der Funktion der lokalen Was- abtransportiert. sersammelstellen sammelten sich die Niederschlä- Die Dämme wurden aus dem Erdaushub gebaut, ge wieder in den natürlichen Vertiefungen, den tem- der bei dem Grabenbau anfiel, so musste bei der porären oder dauerfeuchten Sümpfen. So wird sich Aufschüttung keine Erde angeliefert oder abtrans- deren Wasserhaushalt langfristig regenerieren. portiert werden. Da die Wasserbewegungen an der Die zuvor ausgetrockneten Salzsümpfe sind wieder Oberfläche bereits von Höhenunterschieden von bedeutende Brut- und Nahrungshabitate gewor- einigen Zentimetern grundlegend beeinflusst wer- den. Auch das unmittelbare Wassersammelgebiet den können, war eine sehr präzise Ausführung der des Tárkány-Rinnsals wurde vom Grabensystem Erdarbeiten der Schlüssel zum Erfolg. Für die eines Reisfeldes gestückelt. Nach dessen Auffüllen Sicherstellung der Wasserbewegung waren Feinar- im Jahre 2004 konnten die in die Sümpfe ablaufen-

23 lage II der FFH-Richtlinie aufgeführten Tier- und Pflanzenarten, wie zum Beispiel der Schlamm- peitzger (Misgurnus fossilis), der Otter (Lutra lutra), die Kurzkopf-Kratzdistel (Cirsium brachycephalum) und die Vogelarten gemäß Anhang I. der Vogel- schutzrichtlinie, wie die Rohrdommel (Botaurus stellaris), der Kranich (Grus grus) und der Seggen- rohrsänger (Acrocephalus paludicola), finden lang- fristig bessere Lebensraumbedingungen (VÉGVÁRI 2005). Von dem in Europa gefährdeten Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis) haben wir stabile, selbster- Abb. 2: Tárkány-Rinnsal-Sumpf, 2004 (Foto: I. Kapocsi) haltende Populationen gefunden und zwar in meh- reren feuchten Lebensräumen, deren Wiederher- den Niederschlagwässer den trockengefallenen stellung dank des Projektes gelungen ist (SALLAI Lauf wieder ungehindert auffüllen. Das Gebiet zog 2005). Im Frühjahr 2004 haben wir die Sumpf- im Herbst und im Frühjahr große Zugvogelscharen schildkröte (Emys orbicularis) in neuen Lebens- an. Während des gesamten Jahres war es bedeu- räumen entdeckt und bei den Erhebungen fanden tendes Nahrungshabitat für viele Vögel (Enten- sich auch neue Otterplätze (Lutra lutra) in Gebieten, arten, Gänse, Löffelreiher, Reiherarten, Ufervögel, die durch die Landschaftsrehabilitation betroffen Schwalben) und eine artenreiche Nistgemeinschaft waren. der Salzsümpfe bevölkerte das Gebiet. Während in Das Projektgebiet ist hervorgehobener Lebens- den Jahren zuvor nur einige Exemplare im Sumpf raum für Großtrappen (Otis tarda). Auf den Balz- zu beobachten waren, hielten sich dank der guten und Brutstätten der Trappen sind bessere Lebens- Nahrungsgrundlagen nach der Wiederherstellung bedingungen entstanden, und 2003–2004 sind während der gesamten Brutsaison eine bedeuten- auf Steppengebieten, welche vor der Projektarbeit de Anzahl von Löffelreihern (Platalea leucorodia) durch Gräben gegliedert waren und wo zuvor die auf. Die höchste zeitgleich beobachtete Anzahl der Trappe nicht präsent war, neue Balzplätze entstan- Exemplare war 350. Der Sumpf war zu der bedeu- den. 2005 haben sie sogar einen neuen Platz zum tendsten Nahrungsstätte für Löffelreiher auf dem Überwintern angenommen. gesamten Hortobágy aufgestiegen. Dank der sa- Auf den Gebieten, die durch die Umsetzung des nierten Objekte konnten die Sümpfe zur Zeit des Projektes direkt betroffen waren: Herbstzuges für die Kraniche (Grus grus) allein - ist der Bestand der Rohrdommel (Botaurus durch die Rückhaltung der Niederschlagswässer stellaris) um 53 % gewachsen, entsprechende Rastplätze bieten, ohne dass das - der Trappenbestand (Otis tarda) um 5 % gestie- Gebiet geflutet werden musste. In den Sümpfen, gen, die durch das Projekt unmittelbar betroffen waren, - die Anzahl der Exemplare der auf dem Gebiet rasteten 2005 17.0000 Kraniche (VÉGVÁRI 2005). übernachtenden Kraniche (Grus grus) stieg um Es ist gelungen, die Schmelz- und Niederschlags- 25 %, wässer des Frühjahres, die sich in den Salz- - der Bestand des Seggenrohrsängers (Acroce- sümpfen des Projektgebietes sammeln, auch auf phalus paludicola) stieg um 15 %. dem Gebiet zu halten. Dank dieses Umstandes sind stabile Brutstätten der Rohrdommel entstan- 6.3 Die natürliche Pflanzendecke regene- den. Das Wassersammelgebiet, die Wiesenzone und ein riert sich Teil des Beckens des Halas-Sumpfes (300 Hektar) Entlang der aufgeschütteten Gräben begann der waren ebenfalls von einem Bewässerungssystem Zuzug von Arten der Pflanzengemeinschaften aus zerstückelt. Dies hat die natürlichen Abfluss- der direkten Umgebung und die Regeneration der verhältnisse drastisch geändert und verhindert, natürlichen Pflanzendecke bereits im Jahr nach dass Niederschläge aus den Wiesen in den Sumpf dem Abschluss der Erdarbeiten. Dieser Prozess ablaufen. 2003 haben wir diese Gräben zugeschüt- wurde durch die Samenaussaat der wichtigsten tet, die Regeneration der geschädigten Rasen- Grassorte, dem Salz-Schwingel (Festuca pseudo- flächen und Wiesenzonen setzte ein. Heute erfüllt vina), beschleunigt. Bei vielen Grabenläufen war es die Wassersammelstelle wieder ihre Funktion. bereits im zweiten Jahr kaum wahrzunehmen, dass dort ein ehemaliger Graben verlief. Bei der Verdrän- 6.2 Trends bei der Bestandsveränderung gung der Pionierunkräuter hat der weidende Vieh- bestand eine sehr große Rolle gespielt. Hauptsäch- einiger geschützten Arten lich wurde mit Rindern beweidet. Eine starke Dank des Projektes sind für mehrere, auch nach Beweidung „regelt“ die Unkrautansiedlung bereits EU-Richtlinien geschützte Arten günstigere Le- von Anfang an und wirkt sich fortlaufend stark auf bensraumbedingungen entstanden. Die in der An- die weiteren Regenerationsschritte aus (MOLNÁR

24 2005). In der benachbarten Umgebung der ehema- (b) Die Beschreibung des neuen Zustandes 2003: ligen Gräben setzte dank der Erdarbeiten nirgends Der eingeebnete Gebietsabschnitt ist kärglich Unkrautbesiedlung ein. (5–10 % Gesamtbodendeckung), relativ homogene Gemäß den Erwartungen war eine Unkrautansied- Erscheinung, der ehemalige Graben- und Wall- lung nach den Erdarbeiten auf salzhaltigeren Bö- verlauf wird nicht angezeigt. den geringer, aber die entstehenden öden Lebens- räume verschmelzen nicht mit den benachbarten Achillea collina 1 Lepidium perfoliatum 4–8 Assoziationen, sie bleiben relativ stabil. Die Bedeu- Carduus nutans 2 Phragmites australis + tung dieser Ödländer für die Vogelwelt (bevorzugter Juncus compressus + Podospermum canum + Lebensraum für Glareola pratincola, Charadrius Lappula squarrosa + Polygonum aviculare 1 % morinellus usw.) ist sehr groß (MOLNÁR 2005). Auf In der Vegetation der engeren Umgebung gibt es den weniger salzigen Böden setzte ein intensiver keine nennenswerten Änderungen. Die Flora der Unkrautbefall ein, aber bis 2005 ist bereits eine eingeebneten Zone verunkrautet nicht. Abnahme oder der vollständige Rückzug zu beob- achten. Der Prozess der Regeneration weist in seinen ersten Schritten unvorhersehbare Sprünge (c) Zustandsbeschreibung 2004: bei den Dominanzverhältnissen der einzelnen Arten Die eingeebnete Bodenzone hat eine Gesamt- auf, er verläuft chaotisch (MOLNÁR 2005). deckung von 60–70 %, in Flecken homogener Be- Die Regeneration der Pflanzendecke wurde an 10 stand an Festuca pseudovina, noch relativ viele Probenpunkten untersucht, beziehungsweise wur- Unkräuter. de auch ein Kontrollgebiet festgelegt. Im Folgenden zitiere ich aus der Arbeit MOLNÁRS (2005) die gemes- Achillea collina 1 % Hordeum hystrix 1 % senen Veränderungen bei zwei Probenpunkten. Der Alopecurus pratensis 1 % Lepidium ruderale 5 % erste Lebensraum ist eine schwellige Beifuß-Salz- Atriplex littoralis 1 % Polygonum aviculare 7% steppe, die von einem Graben mit großem Durch- Festuca pseudovina 40 % messer durchzogen wird, der andere Lebensraum In der Vegetation der engeren Umgebung gibt es ist feuchter, der Graben zerschneidet eine Salz- keine nennenswerten Änderungen. Die Flora der wiesenlandschaft. Im ersten Fall wurde auch Sa- eingeebneten Zone verunkrautet nicht. men von Festuca pseudovina gesät. Hier also die Charakteristika der Messpunkte „3” und „5” zitiert nach MOLNÁR (2005): (d) Zustandsbeschreibung 2005: Die eingeebnete Bodenzone hat eine Gesamt- deckung von 60–70 %, in Flecken homogener Name des Messpunktes „3.”: Bestand an Festuca pseudovina, noch relativ viele „Abschnitt des Schifffahrtkanals, der eine schwel- Unkrautarten. lige, Beifuß-Salzsteppe durchquert“, 47° 30' 39.0" nördliche Breite; 21° 07' 20.2". Achillea setacea + Lotus tenuis + Alopecurus pratensis + Pholiurus pannonicus 2 % (a) Die Beschreibung des Grundzustandes 2002: Artemisia santonicum 1 % Phragmites australis 2 % Camphorosma annua + Podospermum canum + Der Kanal: Eryngium campestre + Polygonum aviculare 3 % Nord-südlich verlaufender Abschnitt des riesigen, Festuca pseudovina 30 % Puccinellia limosa 30 % für die Schifffahrt gebauten Kanals. Dominante Hordeum hystrix + Rumex stenophyllus + Pflanze der Aufschüttung ist Lepidium perfoliatum, Juncus compressus + Spergularia media + im Graben selbst Calamagrostis epigejos und Kochia prostrata + Trifolium hybridum + Phragmites australis. Die Pflanzendecke der Auf- Lepidium ruderale 1 % schüttung ist übrigens das von Unkräutern gepräg- In der Vegetation der engeren Umgebung gibt es te Artemisio-Festucetum mit wenig Artemisia san- keine nennenswerten Änderungen. Die Flora der tonicum. Weiterhin gibt es viel Carduus acan- eingeebneten Zone verunkrautet nicht. thoides, Carex stenophylla, Chenopodium glaucum und Plantago lanceolata. Im Graben selbst kommt Auswertung: in Flecken Calamagrostis epigejos, Cirsium vulgare Hier erfolgte Rasenaussaat, wodurch zwischen und Phragmites australis vor. 2003–2004 ein fast vollständiger Artenwechsel er- folgte. Von den damals vorhandenen Unkrautarten Seine Umgebung: lebt Hordeum hystrix auf einem Flecken bei der Schwelliger Salzboden, dominiert von Artemisio- Kreuzung einer Salzader. 2005 wird die Hegemonie Festucetum. Die Rolle der spärlich bewachsenen von Fectuca pseudovina durch Puccinellia limosa Salzstellen (Camphorosmetum annuae) ist unterge- gebrochen. Die Unkrautarten werden zurückge- ordnet. Es gibt ein wenig Salzspitzen (Puccinel- drängt, von den Salzlebensgemeinschaften der lietum limosae) und Salzwiesenfragmente (Agrostio Solonetzumgebung strömen auffällig viele Pionier- stoloniferae-Beckmannietum eruciformis). halophyten ein. Der Artenwechsel ist noch stark.

25 Name des Messpunktes „5.”: ra der eingeebneten Zone verunkrautet nicht. Es „Ost-westlich verlaufender Abschnitt des Schiff- sind keine nennenswerten Änderungen der umge- fahrtkanals, der eine Wiese durchquert, die beiden benden Rasenflächen festzustellen. Teile der durchtrennten Wiese weisen unterschied- liche Wasserversorgungen auf“, 47° 31' 12.9" nörd- (d) Zustandsbeschreibung 2005: liche Breite; 21° 07' 53.4" östliche Länge. Die eingeebnete Bodenzone hat eine Gesamt- deckung von 70 %. (a) Die Beschreibung des Grundzustandes 2002: Der Kanal: Alopecurus pratensis 3 % Lepidium ruderale 1 % Nord-südlich verlaufender Abschnitt des riesigen, Atriplex tatarica + Lotus tenuis 20 % für die Schifffahrt gebauten Kanals. Im Vergleich zu Bassia sedoides 1 % Mentha pulegium 2 % seiner Umgebung abweichende Vegetation. Im Bolboschoenus Phragmites australis 5 % maritimus 3 % Graben dominiert ein homogener Schilfbestand Plantago major 1 % Cirsium arvense + (Phragmites australis). Auf der Aufschüttung domi- Polygonum aviculare 7 % Cirsium vulgare + niert Calamagrostis epigejos, Carex hirta, Cirsium Puccinellia distans 1 % Crepis setosa + arvense, die Pflanzendecke ist trockener Rasen mit Puccinellia limosa 25 % Unkraut. Daucus carota + Rumex stenophyllus 3 % Festuca pseudovina 2 % Spergularia media 1 % Die Umgebung: Hordeum hystrix 3 % Trifolium hybridum 1 % Nördlich des Kanals feuchte Salzwiese mit Fuchs- Juncus compressus 1 % Trifolium repens 1 % schwanz. (Agrostio stoloniferi-Alopecuretum pra- tensi) mit Juncus conglomeratus-Bülten. Südlich Die eingeebnete Zone verunkrautet die benachbar- des Kanals ist die Wiese wesentlich trockener, ohne te Wiese weiterhin nicht. Bei den Wiesen ist aber Juncus conglomeratus, dies ist bereits Agrostio eine drastische Veränderung im Vergleich zu 2002 stoloniferi-Alopecuretum pratensi – Agropyretosum festzustellen: repentis. Nördlich des Kanals ist 2002 eine feuchtere Salz- wiese mit Fuchsschwanz (Agrostio stoloniferi- (b) Zustandsbeschreibung 2003: Alopecuretum pratensi) mit Juncus conglomera- tus-Bülten. 2005 dominiert ebenda Beckmannia Der eingeebnete Gebietsabschnitt ist kärglich (20 eruciformis, zumindest zur Hälfte wurde sie zur bis 30 % Gesamtbodendeckung), relativ homoge- Agrostio stoloniferae-Beckmannietum eruciformis- ne Erscheinung, der ehemalige Graben- und Wall- Gemeinschaft, worin Juncus conglomeratus nicht verlauf wird nicht angezeigt. enthalten ist. Es ist keine dominante Art an ihre Alopecurus pratensis 2 % Lepidium perfoliatum 5 % Stelle getreten, es gibt relativ wenig Agropyron Atriplex littoralis +-1 % Lotus corniculatus 2 % repens, Alopecurus pratensis, Inula britannica, Jun- Bassia sedoides + Tripleurospermum cus compressus, Lotus tenuis, Mentha pulegium. inodorum 3 % Carduus nutans 2 % Die Wiese südlich des Kanals war 2002 wesentlich Phragmites Chenopodium australis 2–3 % trockener als die Nordseite, eine Fläche ohne chenopodioides +-1 % Polygonum Juncus conglomeratus, dies ist bereits Agrostio Cirsium arvense 1 % aviculare 3–4 % stoloniferae-Alopecuretum pratensis – Agropyreto- Juncus compressus + Rumex sum repentis. Hier ist es 2005 noch feuchter als Lappula squarrosa 1–3 % stenophyllus 1–2 % ehemals die Nordseite (tiefes Wasser zum Zeit- In der Wiesenvegetation der engeren Umgebung punkt der Erfassung Mitte Sommer), Agrostio gibt es keine nennenswerten Änderungen. Die Flo- stoloniferae – Alopecuretum pratensis, darin ver- ra der eingeebneten Zone verunkrautet nicht. Es einzelt Phragmites australis und Schoenoplectus sind keine nennenswerten Änderungen der umge- lacustris. benden Rasenflächen festzustellen. Auswertung: (c) Zustandsbeschreibung 2004: Auch hier wurde ein sehr tiefer und breiter ost- westlicher Kanalabschnitt eingeebnet, der eine Die eingeebnete Bodenzone hat eine Gesamt- Solonetz-Salzwiese (in Nord-Süd Abflussrichtung) deckung von 40–50 %. durchtrennt hat. Die Wasserverhältnisse der Wie- Bolboschoenus Lepidium ruderale 5 % sen auf der Nord- und Südseite sind auf den ersten maritimus + Lotus tenuis 1 % Blick sehr unterschiedlich, aber botanisch ist die Cirsium arvense 3 % Phragmites australis 8 % Nordseite feuchter, bültiger Agrostio stoloniferi- Cirsium vulgare + Polygonum aviculare 12 % Beckmannietum eruciformis, die Südseite beher- Daucus carota 2 % Puccinellia limosa + bergt hiervon die Agropiretosum repentis Variante. Inula britannica 5 % Rumex stenophyllus 1 % 2004 zeigt sich noch keine erwähnenswerte Verän- derung. 2005 löst sich aber die Trennung in feuch- In der Wiesenvegetation der engeren Umgebung ten Nordteil und trockeneren Südteil auf, es ist so- gibt es keine nennenswerten Änderungen. Die Flo- gar der Südteil der Wiese, der feuchter ist, hierauf

26 deutet die mosaikartig auftretende Phragmites Der botanische Wert der Zám-Puszta ist wegen ih- australis und Schoenoplectus lacustris. Auf der res Reichtums an endemischen Halophyten-Arten Nordseite ist der Vormarsch der Agrostio-Beck- einzigartig. Hier ist die einzig richtige Halophyten- mannietum schwer zu begründen. Homogenisie- gemeinschaft der Hortobágy zu finden. Die Gräben rungstendenzen sind zwischen der Nord- und der und Dämme, die das Gebiet durchzogen, waren Südseite in der Wasserbewegung bereits eindeutig wegen der von den natürlichen Pflanzengesell- festzustellen. Was die Zone der Erdarbeiten betrifft, schaften abweichenden Unkrautarten aus der Sicht ist eine langsame Wiederbesiedlung zu beobach- des Naturschutzes wertlos. Die typischen Halophy- ten. 2004 ist die dominante Pflanzenart der Proben- tenarten der Salzsteppe, so zum Beispiel der Meer- entnahmestelle in der gestörten Pflanzendecke lavendel (Limonium gmelinii subsp. hungaricum), Polygonum aviculare. 2005 dominieren die 2004 der Queller oder Niederliegender Glasschmelz noch unbedeutenden Lotus tenuis und Puccinel- (Salicornia prostrata), die Strandsode (Sueda sali- lia limosa. Unkrautbefall ist nicht zu beobachten naria) und das Kampferkraut (Camphorosoma (MOLNÁR 2005). annua), erschienen bereits in dem zweiten Jahr Der einzige bekannte kontinentale Mauserplatz des nach den Erdarbeiten entlang der aufgeschütteten Mornellregenpfeifers (Charadrius morinellus) ist der Grabenverläufe. Der sogar nach nationalen Vor- Hortobágy, die bisher höchste Zahl an Tieren auf schriften geschützte, im Karpatenbecken endemi- dem Gebiet (514) wurde 2003 gezählt, die Scharen sche Ungarische Wegerich (Plantago schwarzen- verweilten regelmäßig auf dem zugeschütteten Bett bergiana) ist aus den benachbarten Pflanzengesell- des Schifffahrtskanals. schaften eingewandert.

Abb. 3: 2002. Der Abriss des Schifffahrtskanals. Aus Abb. 6: 2002. Zám-Puszta: die Gräben und Dämme wa- dem durchschnittlich von einem 5 m hohen ren von den natürlichen Gesellschaften abwei- Damm umgebenen, 5 m breiten Kanal mussten chend von Unkraut überwuchert. bei der Aufschüttung mehrere riesige Beton- (Foto: Sz. Göri) objekte entfernt werden. (Foto: Sz. Göri)

Abb. 4: 2003. Der Verlauf fügt sich nach einem Jahr in die natürliche Bodenoberfläche. Aufgrund der Erdarbeiten setzte kein Unkrautbefall der Umge- bung ein. (Foto: Sz.Göri)

Abb. 5: 2004. Im zweiten Jahr nach den Bodenarbeiten Abb. 7: 2003. Nach dem Auffüllen des Grabens setzten kehren bereits die charakteristischen Pflanzen die lokalen Wasserbewegungen ein. der Puszta zurück. (Foto: Sz. Göri) (Foto: Sz. Göri)

27 Abb. 8: 2005. Die typischen Halophytenarten der Salz- Abb. 9: 2005. Plantago schwarzenbergiana entlang des steppe besiedelten schnell den aufgeschütteten Grabenverlaufs. (Foto: Sz. Göri) Graben. (Foto: Sz. Göri)

Abb. 10: Die Bewässerungssysteme behinderten die Weidenutzung (Foto: Sz. Göri)

Abb. 11: Durch ihre Aufschüttung wurde die traditionelle Beweidung ermöglicht. (Foto: I. Kapocsi)

7. Das LIFE-Projekt und die traditionelle Beweidung ist einfacher geworden. Die Bewäs- Flächennutzung serungssysteme hatten die Weidenutzung einge- Die gesellschaftliche Akzeptanz der Projektdurch- schränkt. Durch ihre Aufschüttung wurden Fakto- führung war einstimmig positiv und hat wesentlich ren beseitigt, die die traditionelle Beweidung behin- zur Akzeptanz und zum höheren Ansehen des Na- derten. Die Behandlung der Flächen aus Sicht des turschutzes beigetragen. Die Fragen, die während Naturschutzes erfolgt in erster Linie durch Weide- der Durchführung auftauchten, haben wir laufend viehhaltung, hieran nehmen auch die örtlichen mit allen Betroffenen abgestimmt. Nach Meinung Landwirte teil. Deshalb war es wichtig, dass die ver- der Flächennutzer sind als Ergebnis des Projektes wirklichte Landschaftswiederherstellung auch ihre die Tierställe leichter zu erreichen und auch die Bedingungen verbesserte.

28 8. Erfahrungsaustausch hen des Umweltschutzes bei. Die Behandlung der Der Erfolg des Projektes ist nicht nur am Ort seiner Flächen aus der Sicht des Naturschutzes wird in Verwirklichung durch die Verbesserung der natürli- erster Linie durch weidende Viehhaltung gesichert, chen Lebensräume zu vernehmen, sondern bietet woran auch die örtlichen Landwirte teilnehmen. Erfahrungen, die auch anderenorts zur Bewahrung Das Projekt trug zur Verbesserung der Bewei- der NATURA 2000-Lebensräume und -Arten beitra- dungsbedingungen bei und unterstützte dadurch gen können. auch die traditionelle Flächennutzung, wodurch Vielen erschien es zunächst als unmöglich, den wiederum die Erhaltung der Naturschätze gesichert Rückbau und die Entsorgung der Erdbauten und wird. Betonobjekte von bedeutendem Ausmaß gemäß den Erwartungen des Naturschutzes abzuwickeln. In der Praxis erwies es sich aber, dass bei entspre- 10. Literarurverzeichnis chender Qualität der Ausführung durchaus ein sich der natürlichen Umgebung und den Bodenverhält- GÅRI, SZ., KAPOCSI, I., ARADI, CS. (2004): Restoration of na- nissen angepasster Geländeverlauf herzustellen tural hydrological systems in the Hortobágy National Park, case study: LIFE-Nature project. – Proceedings ist. Die Erfahrungen, die wir im Rahmen der Land- of III. International Conference on Hydrological schaftswiederherstellung sammeln konnten, haben Restoration of Wetlands, 19–22th. 10. 2004. Huelva, wir bereits bei anderen Lebensraumbehandlungen : 96–112 und Behebungen der Wunden in der Landschaft erfolgreich nutzen können, beziehungsweise konn- MOLNÁR, A. (2005): LIFE02NAT/H/8634 projektben kijelölt mintavételi helyek botanikai felémérése 2002–2005 – ten sie Dritte bei ähnlichen Projekten nutzen. Kutatási jelentés (Forschungsbericht), S. 73 Wir haben im Rahmen dieses Projektes eine „Rasenrückbesiedlungstechnologie“ ausgearbeitet SALLAI, Z. (2005): A Hortobágyi Nemzeti Park Igazgatóság und zum ersten Mal im Landschaftsmaßstab ge- LIFE-Nature LIFE02NAT/H/8634 projektterületének nutzt, die seitdem in mehreren LIFE-Projekten An- halfaunisztikai célú felmérése – Kutatási jelentés (Forschungsbericht), S. 15 wendung fand. SÜMEGI, P., MOLNÁR, A., SZILÁGYI, G. (2000): Szikesedés a Hortobágyon. – Természettudományi Közlöny 131. 5: 213–216 9. Zusammenfassung SÜMEGI, P. (2005): Loess and Upper paleolithic environ- Die bisherigen Ergebnisse des Projektes zusam- ment in Hungary. An introduction to the environmental menfassend kann man festhalten, dass der natürli- history of Hungary. – 1. Kiadás; S. 312; Nagykovácsi: che Wasserhaushalt und die natürlichen Pflanzen- Aurea beziehungen der salzigen Trocken- und Feucht- VÉGVÁRI, ZS. (szerk., 2005): The effects of the Restoration lebensräume der Steppe wiederhergestellt sind. of pannonic steppes, marshes LIFE02NAT/H/8634 Die Neuentstehung eines aus Sicht des Natur- project on the population dynamics of species of key schutzes günstigen Zustandes ihrer Flora und Fau- conservational importance in the Hortobágy National na setzte ein. Die Ablaufbedingungen der natürli- Park in Eastern Hungary 2002–2005. – Kutatási chen Prozesse der Oberflächenerosion und der jelentés (Forschungsbericht), S. 22 Versalzung, welche die Salzgebiete am Leben er- VÖRÖS, I. (1981): Wild Equids from the Early Holocene in halten, wurden wiederhergestellt, so dass langfris- the Carpathian Basin – Folia Archaeologica XXXII. tig das Bestehen einer abwechselungsreichen Budapest: 38–66

Salzlandschaft gesichert ist. Die gesellschaftliche VÖRÖS, I. (1983): Lion remains from the Late Neolithic and Akzeptanz des Projektes war einstimmig positiv Copper age of the Carpathian Basin – Folia Archaeo- und trug bedeutend zur Akzeptanz und zum Anse- logica XXXIV. Budapest: 33–50

29 Die Halophyten des Karpatenbeckens

Attila Molnár Nationalpark Hortobágy, Debrecen

Synopsis 1. Einführung The background of the relatively large area (appr. 2 6 % of Hungary) of alkaline and sodic soils and Von der 93.000 km großen Fläche Ungarns sind 2 habitats within the Pannonic region resulted in a ca. 6 %, also fast 5.500 km , von Salzboden be- scientific debate from the point of view of pedology, deckt. Dieses Verhältnis ist im kontinentalen Ver- geology, hidrology, botany in Hungary more than a gleich ausgesprochen hoch. hundred years ago. Der Anteil der Äcker auf diesen Böden liegt unter The origin of these habitats is also controversial. 1/3. Die verbleibenden 2/3 bis 3/4 sind heute zu ei- Are they artificial or native? Are they a new result of nem geringen Teil als Wohngebiet ausgewiesen an ecological degradation following the 19th centu- oder werden militärisch genutzt. Etwas höher ist ries’ river-regulation or their’s origin roots in the ice der Anteil der als landwirtschaftlich unfruchtbar ages? eingestuften salzigen Seebecken, des unter Was- Late Paleolithic sediment profiles show eviden- ser stehenden und/oder sumpfigen Riedgrundes, ces (e.g. carbonate-accumulation and palinological der wirtschaftlich nutzbaren Schilfbestände (um data) of large open alkaline grasslands and astatic nur auf die bedeutenden Schilfbestände des FertÅ- lakes, most abundantly in the Hortobágy region Sees zu verweisen, dessen Zustand sich aber nach where the recent large grasslands still occure. neueren Erkenntnissen deutlich verschlechtert hat), These habitats had changed drastically at the end oder der beständigeren freien Wasserfläche. Die of Pleistocene but without bigger expansion of am weitesten verbreitete Nutzung (immer noch auf forests. Amorphous quartz sediments indicate con- ca. 3.500 km2) ist die als Weideland und Heu- tinuous, large-scale alkalization processes up to wiesen, die sich zum größten Teil, also fast zu zwei the historical times. Drittel, in natürlichem oder naturnahem Zustand These geological results are in harmony with the befinden (MOLNÁR 1997). Sowohl für die unberühr- high ratio of endemic, specialist species of alkaline ten, beständig traditionell genutzten Salzwiesen als and sodic habitats (saline habitats are rare in the auch für die während des Sozialismus durch Gras- Pannonic region and confined to Transsylvania). einsaat, Kunstdüngung oder ähnliches erneuerten The first modern maps (in the 18th century and later) Gebiete, ist heute eine eher extensive Nutzung and descriptions of travellers from the 17th century charakteristisch, viel typischer ist noch ihre Un- emphasize an analmost treeless lowland with large genutztheit. Eine vorläufige, letztes Jahr erstellte grasslands and huge marshes. This was the feature Studie über die Umweltauswirkungen der einzelnen of the „ancient” Hungarian Puszta. Spurführungsvarianten der an der östlichen Grenze The main reasons for the important and long- Ungarns verlaufenden Autobahn hat ein Gebiet von lasting role of alkalization and sodification in the ca. 150 km Länge und 5 km Breite als Wirkungsbe- Carpathian Basin are as follows: reich untersucht. Als Ergebnis fanden sich auf die- ser ca. 750 km2 großen Fläche 100 dominant salzi- - The relatively dry (but not extremly dry), forest- ge Lebensräume, deren Größe zwischen 300 und steppe climate. 400 Hektar lag. Auf fünf von ihnen wurde noch - The very low unit discharge conditions of the aufgestallte, aber nicht eingepferchte Viehhaltung basin. betrieben, auf zweien Pferchhaltung mit Umtriebs- beweidung, einige wurden gelegentlich durch - The high amount of dissolved salts in the Panno- Schafe beweidet, und etwas mehr als die Hälfte nic rivers. wurde im Jahr der Erhebung gemäht. Auf 1/3 der - The tectonic lifting up of deepwaters with high untersuchten Wiesengebiete wurde bei kleinerer amount of salts. Ausdehnung und bei schlechter Erreichbarkeit die Nutzung gänzlich aufgegeben. Vor 50 Jahren wären die einzelnen Gebiete etwas größer gewesen und Stichwörter: auf einem Großteil von ihnen hätte die Erhebung Nationalpark Hortobágy, Geologie, Entstehung, extensive Beweidung mit untergeordneter Wiesen- Charakteristika mahd festgestellt.

30 1/3 der natürlichen oder naturnahen Wiesen Un- Dokutschajew hat die These aufgestellt, nach der garns liegt immer noch auf salzigen Böden. Hinzu für die Entstehung der einzelnen Bodentypen nicht kommt, dass die Durchschnittsgröße dieser Wie- nur das bodenbildende Gestein und seine Eigen- sen gar nicht mal so klein ist, die nicht umgepflüg- schaften, sondern auch das Klima verantwortlich ten und nicht zu Fischteichen umgewandelten zu- ist, und zwar aufgrund der Pflanzendecke, die das sammenhängenden Salzgebiete des bekannten jeweilige Klima überhaupt erst ermöglicht. Diese Hortobágy sind über 600 km2 groß. Aber es gibt auf die zonalen Böden bezogene These ist eindeu- auch zwei weitere zusammenhängende, salzige tig in den riesigen, zusammenhängenden Gebieten Wiesenflächen in Ungarn, die größer als 100 km2 von Osteuropa relevant, weiter westlich, in der Welt sind, wobei die Salzrasenflächen auch eine Durch- des Meso- und Mikroklimas, der mosaikartigen schnittsgröße von über 100 Hektar haben. Pflanzengürtel, weniger. Die Halophyten bilden Hieraus geht bereits hervor, dass die Naturschutz- aber auch im Osten keine eigenen Pflanzengürtel, bedeutung der salzigen Lebensräume in Ungarn mancherorts sind sie rar oder fehlen ganz, groß ist (das pannonische Salzgebiet genießt bei mancherorts treten sie häufiger auf. Während im der FFH-Richtlinie einen besonderen Schutz und kontinentalen Zentrum von Sibirien auf der bereits bekam die Annex I.* Einstufung – prioritärer trockenen Taiga weit ausgedehnte Halophyten- Lebensraumtyp). Obwohl keine exakten Daten zur streifen verbreitet sind, sogar am Rande des Per- Verfügung stehen, kann man davon ausgehen, mafrostgebietes, treten westlich des Uralgebirges dass 20 bis 25 % der national geschützten Gebiete Halophyten nur im Gürtel der Waldsteppe auf, von (die sich insgesamt auf fast 10 % des Landes, also wo aus eine Häufung im südlichen Bereich zu beo- 9.000 km2 belaufen) nicht umgepflügte, salzige bachten ist. Großflächige, zusammenhängende Lebensräume sind. Bei den meisten internationalen Halophytengebiete entstehen nur in südlichen, Abkommen, die Ungarn großflächiger betreffen kurzgrasigen Steppenzonen und in noch trockene- (Biosphären-Reservate, Ramsar-, Weltkulturerbe- ren Halbwüsten (wobei ihre grundlegende Pflan- und Natura 2000-Gebiete), sind unsere Salzböden zenzusammensetzung der im Karpatenbecken mit noch höheren Anteilen vertreten. sehr ähnlich ist).

Abb. 1: Salzerosionsformen im Frühherbst

Abb. 2: Botanische Studien über die Pflanzendecke der Salzpuszta im Frühherbst

31 Wie ist es möglich, dass die Salzgebiete des Kar- 2. Geologische Überlegungen patenbeckens so groß sind, sogar im Vergleich zu In der Mitte der Salzsteppe des Hortobágy, in ei- ihren osteuropäischen Nachbarn? Obwohl klima- nem Sumpfgebiet, das auf einem ca. 35.000 bis tisch betrachtet die Tiefebene des Beckens haupt- 40.000 Jahre alten Flussbett entstanden ist, haben sächlich aus Waldsteppe besteht und nur in ihrem Forscher der Universität von Newcastle (Großbri- Innersten ein kleiner Flecken als langgrasige Step- tannien) und Debrecen (Ungarn) im Winter des Jah- penzone typisiert werden kann, wenn man zum res 1997 eine Bohrung vorgenommen. Beispiel das Klimadiagramm von Walter oder das Klimasystem Köppens mit ihren Kriterien zur Be- Als Ergebnis fanden sie in 11–12 m Tiefe das kies- stimmung heranzieht? haltige Flusssediment. Darüber war eine 1 m dicke, Es ist wichtig festzuhalten: ein Großteil der Salz- sehr feinsandige Seeablagerung, was auf die län- gebiete des Karpatenbeckens liegt auf Sedimenten gere Existenz eines kalten, nährstoffarmen, Dauer- aus dem Pleistozän, seltener aus dem Holozän, auf wasser führenden, oligotrophen Sees hinweist. Die Flusssand oder äolischem Sand, Löss, auf Fluss- Flugasche in der Ablagerung zeigt wiederholte schlamm und in ihrer größten Ausdehnung auf Taigabrände an. Bei späteren Untersuchungen wie- Lehm. Die an spezielle geologische Gegebenheiten sen hier gefundene Holzreste mit der C14-Untersu- gekoppelten Salzstellen (wie zum Beispiel die Salz- chung ein Alter von ca. 35.000 Jahren auf. Weiter quellen in Thüringen) sind selten. Salzgebiete, die oben folgt eine etwas abweichende, aber grund- aus dem oberflächlich anstehenden Salzgestein sätzlich aus einem Kaltwasser führenden See mit Meeresursprung herrühren (Evaporite, die auch stammende Sedimentschicht von 4 Metern. Salzkarsterscheinungen zeigen), sind nur aus Sie- In diesen zwei Schichten blieben viele Baumpollen benbürgen (Gebiet von Praid) bekannt – da aller- erhalten, dominant waren Weide (Salix), Birke dings von bedeutender Ausdehnung. Gipskarst (Betula) und von den Nadelbaumarten die Kiefer und andere geologische Spezifika sind im Kar- (Pinus). Im oberen letzten Meter sank der Baum- patenbecken unbekannt. pollenanteil unter 40 % und immer häufiger trat Bei- Früher galt als Erklärung für die großflächige Ver- fuß (Artemisia) auf. Die lokalen Pflanzenfragmente breitung der Salzgebiete die offizielle, nationale beweisen, dass im See das Rohrkolben-Röhricht wissenschaftliche These, dass die Flussregulierun- (Typha) überhand nahm. Dies geschah vor etwa gen und Kanalisierungen der vergangenen 150 24.000–28.000 Jahren. Jahre für die Verbreitung verantwortlich sind. Dies Ab hier ist unter der Oberfläche bis 1,5 m eine mag wahr sein, aber es ist nur eine Teilwahrheit. Die 0,1–0,5 m dicke, in Sedimentstreifen karbonat- Wasserregulierung senkt den Grundwasserspiegel, haltige Seeablagerung zu finden, abwechselnd was sogar zur Verringerung der Versalzung beitra- mit limonithaltigem, aber auch karbonathaltigem gen kann, obwohl unumstritten ist, dass es für die Lehm. In beiden sind Einwaschungen von salz- Versalzung von Niedermoorböden mit guter Was- haltigem Infusionslöss aus der Umgebung zu fin- serversorgung viele Beispiele gibt, besonders im den. mittleren Landesteil, im Bereich zwischen den In der obersten Schicht wird die Umgebung eu- beiden Flüssen Donau und Theiß. Ein Teil der troph, dann schließen Sumpfablagerungen und strukturlosen, von hohem Grundwasserspiegel ge- Boden ab. Wir sind im Zeitalter der Holozänerwär- prägten Solontschakböden wurde durch das Sin- mung angekommen. ken des Grundwasserspiegels zu ausgelaugtem Was ist geschehen? Der Fluss, der aus den in den Solonetz mit Säulenstruktur. Ein Großteil der Solo- nördlichen Landesteilen Ungarns liegenden niedri- netzböden kann aber auch ihren salzigen Charakter gen Gebirgen kommt, hat das Hortobágy vor un- verloren haben, als das Grundwasser, das für den gefähr 30.000 Jahren verlassen. Im toten Flussbett Nachschub an Natriumsalzen gesorgt hat, nicht ist ein Kaltwassersee entstanden. Dieser Zustand mehr in Oberflächennähe gelangen konnte. In blieb Jahrtausende erhalten. Sein Ende wird durch diesem Fall setzt die Humusbildung ein. Dieser die Abnahme von Baumpollen angekündigt. Der Prozess wird Versteppung genannt, denn die Bo- Fluss hat sich entfernt, die ihn begleitenden Gale- denevolution weist in Richtung Tschernozjom riewälder sind verschwunden. Um den See ist eine (Schwarzerde) und Lösssteppen. salzige, kalte Beifußsteppe geblieben. Im letzten Jahrzehnt häuften sich aber die Beweise Da die Überschwemmungen immer weiter ausblie- dafür, dass die Salzgebiete des Karpatenbeckens ben, trocknete der See periodisch aus. Dann bes- nicht auf Grund von Flussbegradigungen entstan- serte sich seine Wasserversorgung (hierauf weist den sind. Seit dem Ende des Pleistozäns sind sie – das Karbonat hin) oder er versumpfte, aber durch- und zwar mit unterschiedlichen Typen und in unter- gehend in Steppenumgebung. In sein Bett gelangte schiedlichem Umfang – durchgehend in großer An- amorphe Kieselsäure von den salzigen Solonetz- zahl im Karpatenbecken vertreten. Welche Beweise oberflächen. Wegen des häufigen Trockenfallens sind gemeint? gibt es nur noch wenige oder keine Pollen. Dieser Zustand dauerte ca. 15.000 Jahre. Dann versumpf- te das alte Flussbett wegen der Holozänerwär- mung; ein Zustand, der noch heute anhält.

32 Hieraus folgt, dass ein Großteil des Hortobágy im sächlich aufgrund der Wasserregulierungen ent- oberen Bereich des Pleistozäns salzige Beifuß- standen sind und sich dann ausbreiteten, oder aber steppe war, ähnlich wie die Beifußsteppen heute in wesentlich früher entstanden. Die älteste Quelle, der kurzgrasigen Steppenzone Osteuropas auf auf die wir uns berufen können, ist Herodot. Er er- Solonetzboden, jedoch weniger kälteempfindlich. wähnte als erster schriftlich das Karpatenbecken. In dieser Hinsicht ist sie eher mit denen in In seiner Geographia von 450 v. Chr. beschreibt er Westsibirien zu vergleichen. Ein Wald konnte nur die Ebene nördlich der Donau in der Höhe des heu- entlang des Flusses bestehen. tigen Belgrad als „scheinbar baumlos“ (also als Später ist es gelungen, auch in den Holozän- waldfreie Landschaft). Als genauso karg beschreibt schichten Pollen zu finden (was eine glückliche Sel- der Raetor Priskos den südlichen Teil der Tiefebe- tenheit ist), hier dominieren bereits Laubbaum- ne, als er ungefähr ein Jahrtausend später zu dem arten: Eiche, Esche, Ulme und Ahorn sind vertreten, Ordu (Heerlager) Attilas, dem Kaghan (Herrscher) aber ihr gemeinsamer Anteil erreicht nicht einmal der Hunnen unterwegs ist. 5 %, während der Anteil der Steppenarten (haupt- Es ist wichtig zu erwähnen, dass Plinius der Ältere sächlich halophile Beifußsteppenarten) um die bereits über den Sodaabbau im Karpatenbecken 30 % beträgt. Die Waldbildung, die in den Hügel- berichtet. gebieten des Karpatenbeckens erfolgt, ist hier Robert Towson, ein Reisender aus dem 18. Jahr- nicht zu beobachten. Im späteren Abschnitt des hundert, befuhr die Hortobágy mit der Kutsche, als Holozän steigt der Anteil der Gräser noch weiter er aus Pest nach Debrecen unterwegs war. Er er- und zwar zusammen mit Halophyten! Die Abnahme wähnt nicht nur die soda- und salzhaltigen Seen der Baumpollen dauert seit 7.000 Jahren kontinu- und die überall sichtbaren, kahlen salzigen Flecken, ierlich bis heute an! Wiewohl es auch zutrifft, dass sondern auch einen damals weit verbreiteten (und die seit dem Neolithikum sesshaften Ackerbauern seitdem leider sehr selten gewordenen) Brutvogel auch die Abholzung der ohnehin kleinflächigen der Puszta, die Brachschwalbe (Glareola pratin- Wälder vorantrieben (SÜMEGI 2005). cola). Es ist wichtig festzuhalten, dass dieser Be- Dass die Versalzung durchgehend – auch während richt aus der Zeit weit vor den Flussbegradigungen des Holozäns – in der Region voranschritt, wird un- stammt. Die Beschreibung steht im Einklang mit ter anderem auch dadurch belegt, dass nördlich den zu dieser Zeit entstandenen ersten Militär- des Nationalparks Hortobágy bronzezeitliche Grä- karten, die eine waldlose, weideartige Landschaft ber entdeckt wurden, in denen in der neben den darstellen (SÜMEGI-SZILÁGYI-MOLNÁR 1999). Toten deponierten Erde bedeutende Mengen an Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien aus der amorpher Kieselsäure gefunden wurde: Dies be- Feder JÁNOS IRINYI bereits ein Fachartikel über die weist den Degradierungsprozess der Solonetz-Bö- Salzseen Ungarns, über die Technologie des Soda- den, den Prozess der Solodierung (Umwandlung abbaus und über die daran anknüpfenden geologi- zur Steppenbleicherde). schen Kenntnisse (IRINYI 1839). SÁMUEL TESSEDIK, ei- ner der Väter der ungarischen Agrarausbildung, hat in seinem Artikel 1804 die Salzgebiete Ungarns und 3. Historische Daten die vorliegenden Kenntnisse über sie systemati- Besonders wichtig sind die historischen Quellen, siert. die über die Salzsteppen vor den Flussbegra- Der Beginn der eigentlichen Flussbegradigungen digungen berichten. Denn wir müssen untersu- ist wesentlich später, nämlich erst in den Jahren um chen, ob die Salzsteppen im Karpatenbecken tat- 1850 erfolgt.

Abb. 3: In der Puszta haben in prähistorischen Zeiten große, pflanzenfressende Säugetiere eine Rolle innegehabt, die nach dem Auftreten der Zivilisation von Haustieren übernommen wurde. Wildpferde im Nationalpark Hortobágy.

33 4. Biogeographische Fakten

Wie verhält sich die Lebensgemeinschaft der salzi- gen Lebensräume Pannoniens zu denen der Mee- resküsten und wie zu denen der Steppenzonen (BODROGKÖZY 1966)? Die Familie der Gänsefußgewächse (Chenopodia- ceae) ist auf Salzböden gut repräsentiert, mit vielen Arten, die woanders als Unkraut angesehen wer- den (z. B. Atriplex tatarica) oder auf trockenen Gras- flächen vorkommen (z. B. Kochia prostrata). Unter ihnen ist eine Vielzahl von sukkulenten Halophyten, Abb. 4: Südrussische Tarantel (Allohogna singoriensis) in die nur auf salzigen Böden überleben. Von letzteren Artemisio-Festucetum pseudovinae, mit ihrem leben südlich und östlich der Karpaten bis zum Kokon Fluss Prut und bis zum Schwarzen Meer fünf Arten, die in das Karpatenbecken nicht mehr eindringen. Schwarzkäfer (Tenebrioniadae) und die Ölkäfer Innerhalb des Karpatenbeckens nimmt von Osten (Meloidae), von denen der bunte (rotgeränderte) Öl- nach Westen die Anzahl der Halophyten ab. Wäh- käfer (Meloë variegatus) einen besonders schönen rend auf den Salzböden des siebenbürgischen Be- Anblick bietet. ckens und östlich der Theiß acht Arten heimisch Die ephemeren Kleingewässer der Salzsteppen sind (Camphorosma annua, Salsola soda, Suaeda sind reich an kurzlebigen Arten wie den Kiemen- pannonica, Suaeda prostrata, Suaeda salinaria, füßlern und Urzeitkrebsen. So kommen zum Bei- Bassia sedoides, Salicornia prostrata und Petro- spiel der Teich-Kiemenfuß (Branchipus schaefferi), simonia triandra), kommen zwischen Donau und der Langschwänzige Flossenkrebs (Lepidurus a- Theiß nur sechs und westlich der Donau nur noch pus) und der Kurzschwänzige Flossenkrebs (Triops vier Arten vor (MOLNÁR 1997). cancriformis) vor. In biogeographischem Sinne ver- Diese Halophyten sind entweder kontinental, in bindet sie ein kontinentales Element, allerdings Steppen verbreitet, oder sie sind endemische Un- liegt keine Endemie vor. terarten bzw. Kleinarten. Halophyten, die identisch Was die Wirbeltiere betrifft, können wir über Ende- mit denen der Meeresküsten sind, sind im Kar- mie eigentlich nicht reden, abgesehen vielleicht von patenbecken nicht zu finden. Es ist wichtig zu er- einer umstrittenen Lerchen-Unterart, die Calandrel- wähnen, dass fast 15 % der heimischen Arten und la brachydactyla hungarica (ENDES 1972). Die Step- Unterarten der höheren Pflanzen der pannonischen penelemente dringen zum Teil bis in das Karpaten- Flora nur auf Salzböden vorkommt. Dies weist ein- becken (auf ihre Salzgebiete) vor, wie zum Beispiel deutig auf das höhere Alter dieser Lebensräume der osteuropäische Steppeniltis (Mustela evers- hin. Die Tatsache, dass die meisten Endemismen manni) und die Steppenstreifenmaus (Sicista eher bei Unterarten als bei den Arten abzugrenzen subtislis trizona). Das berühmte endemische Wir- sind, deutet auf eine nicht frühere Periode als die beltier des Karpatenbeckens, die ungarische Wie- letzte Vereisung im Pleistozän (Würm) hin. senotter (Vipera ursinii rakosiensis, oder aktueller: Wenn wir uns nun die Fauna anschauen, stellen wir Vipera renardi rakosiensis) ist nicht charakteristisch fest, dass die Lehrmeinungen wechselhaft und für salzige Lebensräume. nicht bei jeder Gruppe eindeutig sind. Während Die reiche Vogelwelt der Puszta ist zu Recht be- die kontinentale Schneckenfauna des Karpaten- rühmt; besonders zu den Zugzeiten beherbergen beckens im europäischen Maßstab mit dem Medi- die Salzwiesen und Salzweiden große Vogelscha- terraneum mithalten kann, sehr artenreich ist und ren. mehr als ein Drittel der Arten endemisch sind, sind Die biogeographischen Merkmale lassen also bei sie in Salzgebieten kaum repräsentiert. Schnecken den Salzgebieten Pannoniens einen an kontinenta- mögen im Allgemeinen diese extremen Lebens- len, endemischen Arten recht reichen, ziemlich ur- räume nicht. tümlichen Charakter vermuten. Die Eulenfalter (Noctuidae) und die Kleinmotten (Microlepidoptera) weisen dagegen bereits viele heimische Salzarten auf. Die Mehrheit ist nur 5. Weitere Charakteristika schwach flugfähig oder flugunfähig, monophag Zum Schluss noch einige allgemeine Charakterzü- und oligophag, also Futterpflanzenspezialisten. ge der pannonischen Salzgebiete: In einzelnen Gruppen ist das Vorkommen an konti- Es gibt zwei wesentliche Bodentypen: Der eine ist nental verbreiteten Arten auffällig hoch, so zum der bei höherem Grundwasserstand entstehende, Beispiel bei den Wolfspinnen (Lycosidae), um nur weder vertikal noch horizontal strukturierte Solont- die größte Spinne Europas, die Trochosa singo- schak mit einer eher gröberen Sedimentzusam- riensis zu erwähnen (die recht häufig vorkommt). mensetzung (Sand zweiter Typ) vor, aber wegen Außerdem bei den im Karpatenbecken in auffällig seiner großen Ausdehnung gibt es sehr spezielle hoher Artenzahl vertretenen Käfern, besonders die Untertypen, bei denen zum Beispiel das Anion Cl-

34 dominiert, oder bei denen wegen des höheren Hieraus folgt, dass die Mosaikbildung der Salzbö- Grundwassers und der gröberen Sedimentzusam- den in einem Maßstab von Kilometern, hundert Me- mensetzung (schlammiger Charakter) eher der tern und auch 10 Metern erfolgen kann, sowohl Solontschak-Charakter in den Vordergrund tritt. überirdisch (als Mosaike der Lebensräume und ih- Für die Salzgebiete ist ein hoher Grad an Mosaik- rer Mikromosaike erkennbar) als auch im Boden bildung charakteristisch. Dies sieht man auch her- und dem darunter liegenden Sediment. vorragend an der Pflanzendecke, ganz besonders aus der Vogelperspektive. Es fällt auf, dass eine ähnliche Vegetationsstruktur zum Beispiel auf den 6. Was ist also die Ursache für die nach- Flutwiesen des Wattenmeeres auftritt. weislich seit jeher wichtige Rolle der Vor kurzem wurde mitten auf dem Hortobágy auf pannonischen Salzgebiete? einem Mustergebiet von 800 x 300 m in Netz- form eine Boden- und Grundwasseruntersuchung Die Antwort kann nur lauten, dass die für die durchgeführt, deren Ergebnis einen unglaublichen Versalzung notwendigen Bedingungen „glücklich“ chemischen Abwechselungsreichtum zutage för- kombiniert waren. derte. Auf Grund der Leitfähigkeit variierte der Ge- halt an gesamten gelösten Salzen zwischen 1.000 1. Das Makroklima ist zwar keine trockene Steppe, und 12.000 mg/l, der pH-Wert des Bodens (und in aber doch trockener als das Waldklima. Es handelt tieferen Schichten des Grundwassers) lag 0,1 m sich um eine Waldsteppe, ein langgrasige Steppe. unter der Oberfläche zwischen 7,03 und 10,10 und Der hydrothermische Koeffizient (Qh) nach SELIANI- sogar in 3 m Tiefe bewegte er sich zwischen 8,11 NOV (der sich aus den Koeffizienten der Summe der und 9,38. Erst in 10 m Tiefe pendelte er sich bei 8,5 monatlichen Niederschlagsdaten einer Vegetati- ein. Die Ionenaufteilung war auch sehr vielfältig. Die onsperiode und aus der Summe der mittleren

Typen variierten von Na-Cl, Na-SO4 und Na-HCO3, Tagestemperaturwerte einer Vegetationsperiode aber auch Na-Ca-Mg-Cl kam als Typ vor (TÓTH-KUTI zusammensetzt) hat auf der Tiefebene des Kar- 1999). patenbeckens einen Wert um 0,87–1,0 (dies ist

Abb. 5: So ursprünglich die pannonischen Salzgebiete auch sind, für ihre Aufrechterhaltung ist die entsprechende Beweidung unerlässlich. Junge Graurinder

Abb. 6: Die Rolle der Brände ist bei den Naturschutzmaßnahmen in den Salzgebieten Ungarns noch umstritten. Nach einem Spontanbrand im Juli

35 typisches Waldsteppenklima, nach SELIANINOV be- Grundwasser auf den Rückengebieten entgegen ginnt das tatsächliche Steppenklima unter 0,80). In der Tiefenaufströmung wirken kann (MÁDLNÉ – SIMON Thüringen beträgt dieser Wert z. B. in 1,37, – TÓTH – POGÁCSÁS 2005). was dem mittleren Wasserversorgungsniveau des Laubwald-Klimas entspricht, trotz des ansonsten 7. Zusammenfassung recht niedrigen Jahresniederschlags von 530 mm. Bei der Mündung des Dons bei Rostov na Donu (in Die Salzgebiete des Karpatenbeckens gelten in Wirklichkeit liegt die Stadt inmitten der lang- Europa als außergewöhnlich groß. Das Hortobágy grasigen Steppenzone) beträgt der Wert 0,86. Dies ist das großflächigste Salzgebiet des gesamten eu- kommt den ungarischen Werten nahe, mit einem ropäischen Kontinents. Die neuesten geologischen Jahresdurchschnittsniederschlag von 485 mm. In Forschungen untermauern die frühere Vermutung, den inneren Tiefebenengebieten des Karpaten- dass die hiesigen Salzgebiete alt sind, schon seit beckens beträgt der Jahresdurchschnittsnieder- dem Pleistozän sind sie in großer Zahl im Karpaten- schlag zwischen 480 und 550 mm, der mittlere becken vertreten. Dies ist auch die Erklärung für die Temperaturwert im Juli 21 bis 22 oC. vielen Halophyten bzw. für die spezialisierten Pflan- zen- und Tierarten in der pannonischen Region. Die 2. Die Flüsse des Karpatenbeckens entspringen in wichtigsten Ursachen für die Versalzung sind das den schnell hochgehobenen, jungen Faltengebir- verhältnismäßig trockene Klima, der im Karpaten- gen (Karpaten, Alpen, Dinargebirge). Ihr Sediment- becken allgemein typische schlechte Oberflächen- gehalt, aber auch der Gehalt an gelösten Salzen ist abfluss, der hohe Gehalt an gelösten Salzen in den wesentlich höher, als der der Flüsse in Nord- und Flüssen und die aus tektonischen Gründen vieler- Osteuropa, die in sumpfigen Gebieten oder in orts aufströmenden Tiefenwässer, die ebenfalls ei- Waldgebieten entspringen und dann auch die tro- nen hohen Salzgehalt haben. ckensten Steppenzonen durchfließen. Die in das Karpatenbecken eintretenden Flüsse sind also Dauerlieferanten für den Nachschub an Natrium- 8. Literaturverzeichnis salzen. BODROGKÖZY GY. (1966): Ecology of the halophitic vegetation of the Pannonicum – Acta Botanica 3. Vielerorts bringt das Hinaufströmen der salz- Hungarica 12 reichen Tiefenwässer die fossilen Natriumsalze in BOHN, L. H. – MCNEAL, L. B. – O’CONNOR, A. G. (1979): Soil Oberflächennähe. Dieser Salzstrom ist an Sedi- Chemistry. – John Whiley & Sons: New York mentfenster, an tektonische Strukturen gekoppelt ENDES M. (1972): A revised description of the Hungarian (MÁDLNÉ – SIMON – TÓTH. – POGÁCSÁS 2005). race of the Short-toed Lark: Calandrella brachydac- tyla Leisler. Bull. Of the British Orn. Club 4. Im Karpatenbecken läuft viel Wasser zusammen, IRINYI J. (1839): A Konyári tó. Athenaeum, Budapest aber es findet nur einen Ausgang, das berühmte Ei- serne Tor, wo die Donau in Richtung Schwarzes MÁDLNÉ SZ. J. – SIMON SZ. – TÓTH J. – POGÁCSÁS GY. (2005): Meer austritt. Das Gefälle im Inneren des Beckens Felszíni és felszín alatti vizek kapcsolata a Duna-Tisza ist niedrig, es gibt viele Gebiete mit schlechtem közi Kelemenszék és Kolontó esetében – Általános oder auch ohne Abfluss. Becken von ähnlicher Földtani Szemle 30. p. 93–110 Hydrogeomorphologie gibt es in Europa nicht, MOLNÁR A. (1997): A füves területek típusainak jellemzése umso charakteristischer sind sie in Mittelasien, so és kezelése. Szikes gyepek – Irányelvek a füves zum Beispiel am Fuße des Pamir-Tienschan. Diese területek természetvédelmi szempontú kezeléséhez. Becken sind ebenfalls sehr salzhaltig. p. 129–167. A KTM Természetvédelmi Hivatalának Tanulmánykötetei 4. Természet BÚVÁR Kiadó. Buda- pest 5. Das Karpatenbecken hat in seinen tiefer liegen- den und schlechter abfließenden Gebieten, resul- SÜMEGI P. – M OLNÁR A. – SZILÁGYI G. (1999): Szikesedés a tierend aus seiner Auffüllung, einen höheren Grund- Hortobágyon – Természet Világa 131. 5. p. 213–216 wasserspiegel. Hier können die mit Natriumsalzen SÜMEGI P. (2005): Loess and Upper Paleolithic environ- angereicherten Grundwässer die Oberfläche leicht ment in Hungary. An Introduction to the Environmen- erreichen und sorgen so für den Nachschub an tal History of Hungary. – Aurea: Nagykovácsi

Salzen. Dies sichert in Zusammenhang mit den un- TÓTH T. – K UTI L. (1999): Összefüggés a talaj sótartalma és ter Punkt 3 beschriebenen Aufströmen, den not- egyes földtani tényezÅk között a hortobágyi „NyírÅ- wendigen geologischen Hintergrund, der aus der lapos” mintaterületen I.–II. – Agrokémia és Talajtan Beckenstruktur resultiert, obwohl ein verdünntes Tom. 48. No. 3–4. p. 431–459

36 Die naturnahen Binnensalzstellen Thüringens – ein aktueller Gesamtüberblick des Jahres 2005

Dr. Jürgen Pusch Landratsamt Kyffhäuserkreis

Synopsis: übersicht umfassend aktualisiert. Die im Vortrag On the actual situation of inland salt habitats in dargestellten Ergebnisse zu den einzelnen Salz- Thüringia stellen sind sowohl anhand von Lage- und Verbrei- The most important natural inland salt habitats of tungskarten als auch von Artenlisten und Vegeta- are situated in Thüringia and Saxony-An- tionsangaben bei PUSCH et al. (1997, Naturschutz- halt too. The relevant floristic situation of natural report 12) bereits ausführlich publiziert. Auf eine inland salt habitats is summarized in this publi- nochmalige Darstellung und Wiederholung wird cation. hier bewusst verzichtet. Vielmehr wird versucht, die Ergebnisse grob zusammenzufassen und neuere Stichwörter: Nachweise der Jahre 1997 bis 2005 mit zu berück- Binnensalzstellen Thüringens, Vegetation, sichtigen. EU-Life-Projekt 2. Zur aktuellen Situation 1. Einleitung In Thüringen existieren derzeit acht naturnahe Thüringen verfügt neben Sachsen-Anhalt über Binnensalzstellen. Die bedeutendsten unter ihnen die bedeutendsten naturnahen Binnensalzstellen konzentrieren sich auf Nordthüringen und liegen Deutschlands und trägt damit eine besondere Ver- alle im unmittelbaren Umfeld des Kyffhäuser- antwortung für ihren Schutz. Biogeographisch stel- gebirges. Hierbei handelt es sich um die Binnen- len diese mitteldeutschen Binnensalzstellen Binde- salzstellen zwischen Auleben und der Numburg glieder zwischen den Salzwiesen der Meeresküste (1.), die Salzstelle bei Kachstedt (2.), den Arterner im Norden und Westen Europas und den Binnen- Solgraben und dessen näheres Umfeld (3.), die z. T. salzstellen im pannonischen Raum dar. Aufgrund großflächigen Salzwiesen im Riedgebiet zwischen von Beobachtungen und Vergleichen mit histori- Bad Frankenhausen, Schönfeld und Oldisleben schen Beschreibungen kann man auf eine starke (4. = Esperstedter Ried) sowie die salzbeeinflussten Gefährdung und auch beträchtliche Verluste in Be- Bereiche zwischen Bendeleben und Bad Franken- zug auf die Fläche und das Arteninventar der natur- hausen (5.). Letztere wurden von PUSCH & BARTHEL nahen Salzstellen schließen. Daher erschien eine erst im Jahre 2000 genauer bearbeitet. Nur wenige Erfassung der Situation der naturnahen Binnen- Kilometer nördlich von Erfurt, also mitten im Thürin- salzstellen dringend notwendig. Aus diesem Grund ger Becken, existiert eine weitere interessante wurden im Jahre 1995 von der Thüringer Landes- Salzstelle, der Bereich nördlich Luisenhall bei anstalt für Umwelt und Geologie in Jena schwer- Stotternheim (6.). In Südwestthüringen und unmit- punktmäßig verschiedene Werkverträge zur The- telbar an der Werra gelegen sind zwei weitere kleine matik der Binnensalzstellen an erfahrene Botaniker Binnensalzstellen bekannt. Es handelt sich um und Zoologen vergeben. Deren Ergebnisse bieten Wilhelmsglücksbrunn bei Creuzburg (7.) und das ein weitgehend vollständiges Bild über die Verbrei- Umfeld des Erlensees bei Bad Salzungen (8.). tung, Situation und Bedeutung der thüringischen Tabelle 1 enthält die aktuellen und historischen Vor- Binnensalzstellen und wurden im Heft 12 (1997) kommen [nur Nachweise nach 1995, Stand Sep- vom Naturschutzreport (Hrsg.: Thüringer Landes- tember 2005] der 43 Salzpflanzenarten (vgl. PUSCH anstalt für Umwelt, Jena) unter dem Titel „Binnen- et al. 1997) an den acht oben genannten naturna- salzstellen in Thüringen – Situation, Gefährdung hen Binnensalzstellen. und Schutz“ umfassend dargestellt. Vergleicht man den aktuellen Zustand der Flora Der hier vorliegende Beitrag stellt zusammenfas- (Farn- und Blütenpflanzen) des Jahres 2005 mit der send einen aktualisierten Teil der o.g. Untersuchun- Situation aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, so gen zur aktuellen floristisch-vegetationskundlichen muss man folgendes für die naturnahen Binnen- Situation der naturnahen Binnensalzstellen Thürin- salzstellen Thüringens konstatieren: gens dar. Zudem wurden die bekannt gewordenen 1. Es ist ein deutlicher Rückgang der territorialen und eigenen Salzpflanzennachweise der Jahre Ausdehnung der Salzstellen zu verzeichnen (Flä- 1997 bis 2005 eingearbeitet und so die Gesamt- chenrückgang). Besonders augenscheinlich ist das

37 Tab. 1: Aktuelle Nachweise (nach 1995, Stand 2005) ausgewählter Salzpflanzen an den 8 naturnahen Binnensalz- stellen Thüringens; – historische Nachweise liegen vor; • – aktuell vorhanden; (•) – aktuell vorhanden aber nicht ursprünglich (angepflanzt) z. B. an den Salzstellen zwischen Auleben und der Artemisia rupestris und Halimione pedunculata im Numburg. Naturschutzgebiet „Arterner Solgraben“. 2. Es sind ganze Salzstellen verschwunden. Das 5. Einige Salzpflanzen sind von den naturnahen heißt, dass diese heute keine oder nur noch wenige thüringischen Binnensalzstellen völlig verschwun- halophile Arten aufweisen, so dass nicht mehr von den, so z. B. Artemisia laciniata, Centaurium litt- einer Binnensalzstelle gesprochen werden kann. orale und Hymenolobus procumbens. So sind Salzstellen z. B. bei , an der Was die Vegetation der acht untersuchten natur- Tretenburg bei Gebesee und am See bei Weißensee nahen Binnensalzstellen Thüringens betrifft, so gibt praktisch erloschen. die nachfolgende Tabelle 2 einen aktuellen Über- 3. An allen Binnensalzstellen ist ein z. T. krasser blick. Artenschwund zu verzeichnen. So sind z. B. im Na- Versucht man die einzelnen Binnensalzstellen in turschutzgebiet „Arterner Solgraben“ und im Be- Bezug auf die floristische Artenausstattung zu be- reich der Numburger Westquelle nur etwa 3/4 aller werten, indem man in Abhängigkeit vom Vorhan- einst vorgekommenen Salzpflanzen noch vorhan- densein der 43 untersuchten Salzarten diese mit den. Ein Großteil der vorhandenen Halophyten ist bestimmten Wichtungsfaktoren belegt (große Sel- laut der aktuellen Roten Liste Thüringens gefährdet tenheit bzw. starke Gefährdung laut Roter Liste oder vom Aussterben bedroht. Thüringens = hohes Gewicht; geringe Seltenheit 4. An den meisten Salzstellen ist außerdem eine bzw. schwache oder keine Gefährdung = geringes Rückläufigkeit der Populationsstärken, insbeson- Gewicht), so ergibt sich folgendes Bild der Bedeu- dere der selteneren Arten zu verzeichnen. Typische tung (von 1. zu 8. abnehmend) der einzelnen natur- Beispiele sind die Rückgänge bei Ruppia maritima, nahen Binnensalzstellen (Stand 2005):

38 1. Esperstedter Ried nagen im Bereich der Teichmühle westlich von Bad 2. Arterner Solgraben und Umfeld Frankenhausen (im ehemaligen Ried zwischen Bad 3. Kachstedt Frankenhausen und Bendeleben) zu größeren Wie- 4. Salzstellen an der Numburg (nur Westquelle) dervernässungen der seit etwa 30 Jahren acker- 5. Luisenhall bei Erfurt baulich genutzten Flächen. Hier konnten seit 1998 6. Bendeleben – Bad Frankenhausen u. a. Puccinellia distans, Atriplex prostrata, Bolbo- 7. Wilhelmsglücksbrunn bei Creuzburg schoenus maritimus und auch mehrere Horste der 8. Erlensee bei Bad Salzungen Gerstenährigen Segge (Carex hordeistichos) nach- gewiesen werden. Möglicherweise „regeneriert“ In Bezug auf die Vegetationsausstattung (siehe Ta- sich hier allmählich der historische salzbeeinflusste belle 2) besitzt das Naturschutzgebiet „Arterner Bereich am Westrand von Bad Frankenhausen (vgl. Solgraben“ mit großem Abstand die höchste Be- PUSCH 1995, S. 205, SCHULZ 1914, SCHEUERMANN deutung und Priorität. 1954 sowie PUSCH & BARTHEL 2000). Auch das Re- Seit den umfangreichen floristisch-vegetations- genwasser-Auffangbecken am Nordwestrand von kundlichen Untersuchungen im Jahre 1995 zu den Artern (eine Ausgleichmaßnahme für das nahe ge- Binnensalzstellen Thüringens sind mittlerweile über legene Gewerbegebiet) zur Aufnahme der Regen- 10 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit ist es an Oberflächenabwasser des Gewerbegebietes ent- den naturnahen Binnensalzstellen nur zu geringfü- wickelte sich seit seiner Anlage vor etwa 15 Jahren gigen Veränderungen gekommen. Pflegemaßnah- zu einer interessanten Salzstelle. Hier konnten sich men, so im Bereich des NSG „Arterner Solgraben“ wohl aufgrund aufsteigender salzhaltiger Grund- in den Jahren 1998 bis 2005, haben zur Stabilisie- wässer im Umfeld über zehn Salzpflanzen ansie- rung des Zustandes beigetragen. Probleme treten deln bzw. etablieren, u. a. Althaea officinalis, Jun- auch an einer der wertvollsten und großflächigsten cus gerardii, Melilotus dentata, Spergularia salina, Salzstellen Deutschlands, im Esperstedter Ried Spergularia maritima und Trifolium fragiferum (vgl. (östlich von Bad Frankenhausen), auf. Hier kam es BARTHEL & PUSCH 1998). durch Veränderungen am Wasserregime zu großflä- chigen Überschwemmungen, die die übliche Mahd Diese letzten Beispiele sollen verdeutlichen, dass und Rinderbeweidung z. T. einschränken und be- sich neben den zahlreichen neu entstandenen hindert haben. Mit Hilfe des EU-Life-Projektes Salzstellen, die sich in Thüringen und offenbar in „Erhaltung und Entwicklung der Binnensalzstellen ganz Deutschland explosionsartig im Umfeld der Nordthüringens“ wird nun versucht den Zustand in Kali-Industrie entwickelt haben, auch im naturna- diesem Riedgebiet und den anderen naturnahen hen Bereich ehemaliger Salzstellen sehr schnell Salzstellen Nordthüringens zu stabilisieren und zu Regenerationsprozesse durchsetzen können, wenn verbessern. Andererseits führte der Anstieg des das Artenpotential zumindest ansatzweise oder im Grundwasserstandes und die „Alterung“ der Drai- nahen Umfeld noch vorhanden ist.

Tab. 2: Überblick über die aktuelle Vegetationsausstattung an den 8 naturnahen Binnensalzstellen Thüringens (vgl. PUSCH et al. 1997, Stand 2005).

39 Eine erst in den letzten Jahren im Bereich der thü- 4. Literatur ringischen Binnensalzstellen genauer untersuchte BARTHEL, K.-J. & J. PUSCH (1998, „1999“): Die Salzfloren- Artengruppe stellen die so genannten Sumpf-Lö- stätten in der näheren Umgebung von Artern. – wenzähne (Taraxacum Sektion Palustria) dar. Diese Aratora 9: 49–65 sind nicht selten salztolerant und besiedeln die we- HORN, K. & L. MEIEROTT: Taraxacum. – In ZÜNDORF, H.-J., K.- niger salzbeeinflussten Riedbereiche und deren F. G ÜNTHER, H. KORSCH & W. WESTHUS: Flora von Thürin- Randzonen. In Thüringen sind aus der Sektion der gen. – Jena (in Vorbereitung, erscheint 2006) Sumpf-Löwenzähne (einschließlich der Taraxacum subalpinum-Gruppe) bisher insgesamt 14 Sippen PUSCH, J. (1995): Erfassung und Bewertung naturnaher bekannt geworden, 6 davon sind allein im Esper- Binnensalzstellen. – Unveröff. Manuskript; Studie im Auftrag der Thür. Landesanstalt für Umwelt Jena; stedter Ried vorhanden. Einen ersten Gesamtüber- 238 S. blick über die einzelnen Sippen in Thüringen und deren Verbreitung im Bereich der naturnahen PUSCH, J. (1997): Binnensalzstellen im weiteren Umfeld der Kali-Industrie. – Naturschutzreport 12: 118–130 Binnensalzstellen wird derzeit von HORN & MEIEROTT (2006) für die Flora von Thüringen (erscheint 2006) PUSCH, J., K.-J. BARTHEL & W. WESTHUS (1997): Naturnahe erarbeitet. Einige dieser Sippen besitzen nur ein Binnensalzstellen in Thüringen. – Naturschutzreport sehr kleines, auf das nördliche Mitteleuropa be- 12: 9–62 schränkte, Areal. Deutschland und Thüringen tra- PUSCH, J. & K.-J. BARTHEL (2000): Über historische und ak- gen daher für deren Erhalt eine große (weltweite) tuelle Vorkommen von Salzpflanzen in den Niederun- Verantwortung. gen zwischen Bad Frankenhausen und Bendeleben (Thüringen). – Veröff. Naturkundemuseum Erfurt 19: 185–198 3. Zusammenfassung SCHEUERMANN, R. (1954): Die Solstellen am Kyffhäuser und Thüringen besitzt neben Sachsen-Anhalt die ihre Pflanzenwelt in Vergangenheit und Gegenwart. – bedeutendsten naturnahen Binnensalzstellen Ber. Naturhist. Ges. Hannover 102: 39–47 Deutschlands. In der vorliegenden Bearbeitung SCHULZ, A. (1914): Über die Ansiedlung und Verbreitung wird die aktuelle Situation dieser Salzstellen kurz halophiler Phanerogamenarten in den Niederungen zusammengefasst. zwischen Bendeleben und Nebra. – Mitt. Thür. Bot. Ver. 31: 11–29

VAN ELSEN (1997): Binnensalzstellen an Rückenstands- halden der Kali-Industrie. – Naturschutzreport 12: 63–111

40 Die Vogelwelt des Esperstedter Riedes – Nachruf oder Comeback einer bedrohten Tier- gemeinschaft?

Herbert Grimm Naturkundemuseum Erfurt

Synopsis Diese Landschaft und ihre Organismen erlebten in The composition of the bird fauna of the Esper- den letzten Jahrhunderten eine wechselvolle Ge- stedter Ried changed several times in the last 250 schichte, die im Wesentlichen mit der Landnutzung years. It was a mirror image of different uses and in Zusammenhang stand. Als deren vorläufigen multiple intervention in the water regime. In former Tiefpunkt kann man die Zeit der intensivsten Nut- time in the marshy area occasionally with perma- zung von etwa 1970 bis in die späten 1980er Jahre nent water body (village name: Seehausen, i.e. ansetzen. Mit dem LIFE-Projekt „Erhaltung und living on a lake), predominated birds affecting reeds Entwicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ and waterfowls. In connection with the draining in bietet sich eine einzigartige Chance, auf die Ent- the beginning of the 20th century and the start of an wicklung des Gebietes im Sinne der Flora und Fau- extensive meadow culture, the area became na Einfluss zu nehmen. Mit der bewussten Steue- attractive for typical meadow-birds. Above all the rung des Wasserregimes wurden in den beiden Lapwing was breeding in high density until the end letzten Jahren bereits sichtbare Erfolge erzielt, of the 1960th. Growing intensification between wenngleich man hierbei noch immer in einer 1975 and 1989, above all sinking water table and Experimentierphase steckt. eutrophication made the area worthless for mea- Jedoch zeigen sich bereits neue Gewitterwolken dow birds. Today, after a short time with higher am Horizont und wir sind leichtfertig dabei, alle zu wader table and increasing reed growth until früh in dieses Projekt gesetzten Hoffnungen zu zer- 1990th there is tried to cultivate the area in this way stören. Anders als in der Vergangenheit ist es nicht that both halophytes and meadow-birds are pro- die Landwirtschaft – sie zeigt sich zunehmend als moted. The situation of the birds named in the Red kooperativer Partner. Es ist vor allem der Druck der Data Book of is descriped and recom- Freizeitindustrie und der regionalen Raumordnung, mendations for cultivation are given. The demand deren Forderung nach Aus- und Neubau von Rad- for further extension of country lanes would be lead und Wirtschaftswegen in einigen Fällen bereits to a further fragmentation and threat of endangered nachgegeben wurde und durch deren Voranschrei- species. Only if that could prevented, this habitat of ten eine beispiellose Fragmentierung dieser alten many endangered species will be survive. Kulturlandschaft bevorsteht. Zweifellos liegen die Prämissen des LIFE-Projektes auf botanischem Stichwörter: Gebiet und Halophyten können selbstverständlich Esperstedter Ried, Avifauna, Bewirtschaftung, auch dort überleben, wo Fahrzeugverkehr auf neu Gefährdung entstandenen Ortsverbindungswegen ebenso wie Freizeitsportler und Spaziergänger mit ihren frei- laufenden Hunden auf eigens für sie geteerten Pfa- den die Landschaft „verunruhigen“. Für störungs- 1. Einführung empfindliche Wirbeltiere jedoch ist dann kein Platz. Während die Flora der Niederung zwischen Bad Dafür gibt es eine Vielzahl gesicherter Untersu- Frankenhausen und Artern vor allem wegen ihres chungen (Zusammenfassung z. B. bei BAUER et al. Halophytenreichtums in der jüngeren Vergangen- 2005, dort auch weitere Quellen.) heit schon mehrfach Beachtung und Würdigung er- Nicht alles ist nur Ermessensfrage. Immerhin sind fuhr (z. B. BARTHEL & PUSCH 1992), blieben avifaunis- viele „Streng geschützte Arten“ nach Bundesarten- tische Nachrichten aus dieser Region bisher auf schutzverordnung betroffen und das Thüringer wenige, zumeist kurze Mitteilungen beschränkt. Naturschutzgesetz liefert mit dem § 6 (Eingriffs- Ungeachtet dessen bildet die noch relativ ausge- regelung) eine klare juristische Grundlage. Wenn- dehnte Riedlandschaft zwischen den Orten Es- gleich schon schwer gesündigt wurde, und noch perstedt, Oldisleben und Seehausen eine der letz- längst nicht alle Gefahren abgewendet sind, ten Zufluchtstätten für eine im Tal der einst scheint nicht alle Hoffnung verloren. Es bleibt je- weit verbreitete Vogelgilde, deren Vertreter sämtlich doch eine Gratwanderung und noch ist offen, ob es exponierte Positionen in den Roten Listen aller zumindest in Ansätzen ein Comeback für einige deutschen Bundesländer einnehmen. Wiesenvögel geben wird.

41 Abb. 1: Karte des Untersuchungsgebietes (aus BÖTTCHER 2003)

2. Datenquellen Schwarzburg-Rudolstädtischen Erbprinzen Fried- Neben den wenigen publizierten Daten zur Avi- rich Carl: fauna des Gebietes gibt es umfangreiche Aufzeich- „Den 12. Mai (1775): Ich ging auf die Seehäuser Großen nungen seit der Mitte der 1960er Jahre vom Verfas- Riede, allwo ich eine ungeheure Menge wilde Enten, die ser dieses Beitrages. Bedingt durch zeitweilig län- daselbst brüten, antraf. Man kann vor tiefem Schlamm gere Abwesenheit klaffen in den Datenreihen Lü- nicht weit hineingehen, und der Hund kommt durch das dicke Rohr nicht hindurch. So ist schwer ankommen. Au- cken und nicht alle Jahre wurde im Gebiet systema- ßerdem habe ich Rohrdommeln, Bleßenten, die sie hier tisch beobachtet. Dennoch liefert diese Daten- Horbeln nennen, Seemöven, Reiher und viele, ja fast alle sammlung aus nunmehr 4 Jahrzehnten ein recht mögliche Gattung von Wasservögeln gesehen. Ich schoß anschauliches Bild der Entwicklung der Brut- und eine Kriekente, eine Seemöwe und einen Kiebitz. Diese Rastvogelbestände. Ergänzt wird das Gesamtbild ansehnlichen Riede haben in nassen Jahren einem offen- durch Daten aus Gutachten und Tagebuchauf- baren See gleich gesehen...“ (ANONYMUS 1931)1 . zeichnungen anderer Beobachter. Bei allen nach- folgenden Angaben beziehe ich mich ausschließ- Noch heute bleibt dieser Eindruck nach starken lich auf die in Abb. 1 dargestellte Fläche. Die Karte herbstlichen Regenfällen und unterstreicht den entstammt der Arbeit von BÖTTCHER (2003). Die dort Ortsnamen „Seehausen“ (Abb. 2). vorgenommene Nummerierung der einzelnen Flä- Auf dem Urmesstischblatt (299 Frankenhausen) der chen wurde schon mehrfach für floristische, faunis- Preußischen Messtischaufnahme von 1853 gibt es tische und planerische Zwecke übernommen, so noch keine Entwässerungsgräben. Das jetzige dass es angeraten scheint, sie auch weiterhin bei- Grabensystem entstand erst in den 1920er Jahren zubehalten. Sie zeigt darüber hinaus die Verteilung und war in seiner endgültigen Form, inklusive der Binnensalzstellen, so dass leicht zu erkennen zweier Pumpwerke, im Jahre 1926 fertig gestellt. ist, wo sich floristisch und avifaunistisch interes- Es ist davon auszugehen, dass in der Folge die Zahl sante Flächen decken. der eigentlichen „Wiesenvögel“ zugunsten der Schilfbewohner zunahm. In gleicher Weise dürfte 3. Kurzer historischer Abriss 1 im Frankenhäuser Intelligenz-Blatt v. 28. Sept. 1855 er- Einen kleinen Einblick in den Zustand des Gebietes schien eine etwas abweichende, vermutlich jedoch zum ausgehenden 18. Jh. liefert der Bericht des fehlerhafte Version der Tagebuchnotiz.

42 diese Maßnahme die Ausdehnung der Halophyten- ab den 1970er Jahren eine intensive Nutzung des vegetation begünstigt haben (J. PUSCH, mdl.). Die Gebietes. Sie war vor allem mit großflächiger Wiesennutzung erfolgte je nach Witterungsverlauf Wasserabsenkung und hohem Nährstoffeintrag durch eine ein- oder zweischürige Mahd; in feuch- verbunden. Bildlich schilderte der Botaniker S. RAU- ten Jahren unterblieb sie auf einigen Flächen ganz. SCHERT (1980) den Zustand des Gebietes zu jener Bedingt durch die Vielzahl der Eigentümer mit un- Zeit: terschiedlichem Zeitplan entstand so ein vielfältig „Auf den großen Wiesenflächen, auf denen ich 1973 die strukturiertes Mosaik unterschiedlich hoher Be- größten Bestände beobachtete… fand ich 1980 nur noch stände. Dennoch gab es bereits zu dieser Zeit Be- eine äußerst artenarme, aus 2 – 3 Grasarten bestehende, fürchtungen, durch Wasserentzug Lebensraum von industriemäßig überdüngte Futterfläche vor, auf der nicht Pflanzen und Tieren vernichtet zu haben, wie uns ein einziges Exemplar von Scorzoneria parviflora oder ei- eine Meldung der Mitteldeutschen Zeitung vom 17. nes anderen Halophyten zu finden war.“ Dezember 1924 verrät: Nach 1989 änderte sich die Situation erneut radi- „Frankenhausen (Kyffh.). Durch die Trockenlegung des kal. Durch ungeklärte Finanzierung und Zuständig- Riedes, die das Thüringische Ministerium für Inneres und Wirtschaft in Angriff genommen hat, droht der heimi- keiten wurde das Pumpwerk nur noch unregelmä- schen Pflanzen- und Tierwelt eine ernste Gefahr. Deshalb ßig betrieben, was zu hohen Wasserständen bis ins plant man auf Anregung der thüringischen Beratungsstel- späte Frühjahr und Staunässe auch in den Som- le für Heimatschutz und Denkmalspflege, in der See- mermonaten führte. In der Folge konnten einige häuser Ecke des Riedes ein Naturschutzgebiet auszuspa- Flächen nicht mehr bewirtschaftet werden und es ren.“ bildeten sich großflächig Schilf- und Großseggen- bestände aus. Von diesem Plan wurde bis heute nichts verwirk- Mit dem Start des LIFE-Projektes im Jahre 2003 licht. Dennoch waren die wenigen Ornithologen, setzte eine auf die Erhaltung der Binnensalzstellen die das Gebiet auch später noch aufsuchten, be- und Förderung der Wiesenbrüter gerichtete Nut- eindruckt. SEMMLER (1958) berichtete von einem Be- zung ein. Davon scheinen einige Brutvogelarten such am 9. September 1956 begeistert: bereits zu profitieren. Doch ist es für ein gesichertes „Schon am frühen Morgen, als dichter Nebel noch jede Urteil noch zu früh und erst die nächsten Jahrzehn- Sicht unmöglich machte, hörten wir überall die Stimmen te werden zeigen, inwieweit diese Bemühungen von Grünschenkel, Dunklem Wasserläufer und Bruch- wasserläufer (Tringa nebularia, erythropus und glareola) von Erfolg gekrönt sind. und auf Schritt und Tritt gingen Bekassinen (Capella gallinago) vor uns hoch. Als dann der Nebel gefallen war, bot sich vor uns ein für Thüringer Verhältnisse ungewöhn- 4. Entwicklung der Vogelbestände liches Bild…“ 4.1 Brutvögel Mit der Entstehung großer Produktionseinheiten in Insgesamt wurden für das Gebiet seit 1965 84 Ar- der Landwirtschaft der DDR, einer ab Ende der ten als Brutvögel nachgewiesen. Das ist nahezu die 1960er Jahre einsetzenden Chemisierung und der Hälfte aller Arten, die seit 1950 zumindest einmal in Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion begann Thüringen brüteten.

Abb. 2: Das Esperstedter Ried im Frühjahr 1997. Im Vordergrund Seehausen (Foto: H. Grimm)

43 Sie alle vorzustellen ist in diesem Rahmen unmög- Ind. 18.07.1972; 26.04.1975 1 Ind. rufend – alle Be- lich, weshalb hier nur die Arten der Roten Liste Thü- obachtungen Tongrube in Wiese 65; G. HENSCHEL), ringens genannt werden. Reihenfolge und Nomen- z.T. überwinterten einzelne Tiere in den ruderalen klatur folgen BARTHEL & HELBIG (2005). Der Status in Säumen der Kiesgrube. Für 2005 gibt es begründe- der Roten Liste Thüringen (WIESNER 2001) RLTh so- ten Brutverdacht im Bereich der Kiesgrube. Der wie der Roten Liste der Vögel Deutschlands (BAUER Störfaktor ist hier jedoch durch Angel- und Bade- et al. 2002) RLD werden hinter dem wissenschaftli- betrieb sehr hoch. chen Namen angegeben. Zwergdommel Ixobrychus minutus Knäkente Anas querquedula (RLTh 2, RLD 2) (RLTH 0, RLD 1) Für diese zur Brutzeit sehr heimliche Schwimmente Sie galt zum Zeitpunkt der Erstellung der Roten Lis- gibt es aus mehreren Jahren Brutverdacht (1969, te Thüringens als ausgestorben. Jedoch gab es 1970, 1975, 1978, 1997, 2001). 1973 wurde eine 1992 Brutverdacht am Nordufer der Kiesgrube, wo Brut (8 Junge) auf der Tongrube in Wiese 65 nach- sich ein Paar zur Brutzeit aufhielt und das Männ- gewiesen (G. HENSCHEL). chen wiederholt die gleiche Stelle im Schilf anflog. Allerdings resümierten die Beobachter: „Durch den Wachtel Coturnix coturnix (RLTh 3, RLD -) gerade herrschenden regelmäßigen Angel- und Der Bestand der Wachtel hat nach einem Tief zwi- Badebetrieb wurden die Vögel jedoch später ver- schen 1985 und 1990 wieder deutlich zugenom- trieben“ (Gutachten 1993). Da die Zwergdommel men. In den Jahren 2001 bis 2005 lag er zwischen 2004 und 2005 wieder in Thüringen brütete, ist eine 5 und 11 Revieren. Noch auffälliger als in den generelle Rückkehr als Brutvogel auch hier nicht Wiesenflächen ist der Bestandsanstieg auf den an- auszuschließen, zumal sich die Bedingungen durch grenzenden Ackerflächen. Dies entspricht einem Ausweitung des Schilfgürtels insgesamt verbessert bundesweiten Trend (Daten nach DDA-Monitoring, haben und sich das Gros des Badebetriebes zu- FLADE, briefl.) der möglicherweise im verstärkten nehmend auf die, außerhalb der hier betrachteten Getreideanbau zu Ungunsten von Hackfrüchten Fläche liegende, neue Kiesgrube verlagert. eine Erklärung findet. Wasserralle Rallus aquaticus (RLTh 3, RLD -) Rebhuhn Perdix perdix (RLTh 2, RLD 2) Diese auf Röhricht angewiesene Ralle ist ziemlich Die Art war Brutvogel bis 1990 im Bereich der regelmäßiger Brutvogel, vor allem in feuchten Jah- Wirtschaftsweg-Säume im Westen („Bindstieg“ bei ren. In der Tongrube in Wiese 65 brüten jährlich 1–2 Seehausen), Süden (Oldisleber Weg) sowie im Paare, in mehreren Jahren war sie zur Brutzeit am Norden („Dünne“ zwischen Flut- und Solgraben). Wiesengraben zwischen Wiese 24 und 35 anzutref- Seither gibt es nur Einzelvorkommen am Bahn- fen. 2005 brüteten 3 Paare auf einer temporär über- damm im Norden, außerhalb der hier betrachteten stauten und stark verschilften Fläche zwischen Fläche. Bei einer Kartierung 1968 wurden noch Flut- u. Solgraben (nördlich an Wiese 14 angren- 8 Brutpaare registriert, 1987 nur noch zwei besetz- zend). te Reviere. Das Rebhuhn leidet im Untersuchungs- gebiet unter dem Verlust an Saumstrukturen und Wachtelkönig Crex crex (RLTh 1, RLD 2) der zunehmenden Störung, vor allem durch freilauf- Er ist sporadischer, nicht alljährlicher Brutvogel und ende Hunde. war auch in der 2. Hälfte des 20. Jh. nicht auffal- lend häufiger. Maximale Zahl: 3 rufende Männ- Zwergtaucher Tachybaptus ruficollis chen1998. (RLTh 3, RLD V) Er ist vereinzelter Brutvogel vor allem auf der Ton- Tüpfelralle Porzana porzana (RLTh 1, RLD 1) grube in Wiese 65 und der Kiesgrube (Bestand Diese Art brütete nur in Jahren mit hohem Was- schwankend, zwischen 2 und 6 Brutpaaren), auf serstand. Anwesenheit während der Brutzeit und dem Zug und im Winter halten sich einzelne Indivi- Balzverhalten machen Bruten in den Jahren 1968 duen auch auf den Entwässerungsgräben auf. (3 BP), 1969 (2 BP) sowie 1997 (3 BP) wahrschein- Auch in früheren Jahren waren die Brutbestände lich. In allen Fällen befanden sich die Brutplätze auf nicht höher. Wahrscheinlich haben sich die Brut- den Wiesenflächen 6, 7 u. 11. bedingungen durch Ausweitung des Schilfgürtels an der Kiesgrube verbessert. Dagegen ist die Zahl Teichralle Gallinula chloropus (RLTh 3, RLD V) rastender und z.T. überwinternder Zwergtaucher im Bis 1971 war die Teichralle vereinzelter Brutvogel Vergleich mit den 1970er Jahren zurückgegangen. auf den Wiesengräben, verschwand jedoch im Zu- ge der Intensivierung und Beseitigung des Schilf- Rohrdommel Botaurus stellaris (RLTh 1, RLD 1) bewuchses an den Grabenrändern. An der Kies- Diese Art, die sicher vor den großen Meliorations- grube brüteten 2002–2005 jeweils 2–3 Brutpaare. maßnahmen regelmäßiger Brutvogel war (siehe Seit 2004 ist sie wieder Brutvogel auf den Ried- MEY 1992), fehlte viele Jahrzehnte. Einzelbeobach- gräben (jährlich 1 BP). tungen gibt es seit 1971 (1 Ind. Ende Aug, 1971; 1

44 Rohrweihe Circus aeruginosus (RLTH 3, RLD -) Die Rohrweihe gehört zu den regelmäßigen Brut- vögeln der weiteren Umgebung (z. B. Altarme der Unstrut bei ), brütete aber auch in mehre- ren Jahren in der kleinen Tongrube auf Wiese 65. So z. B. 1972, 1974, 1985, 1987, (G. HENSCHEL, Tage- buch); 2002 und 2003.

Kiebitz Vanellus vanellus (RLTh1, RLD 2) Der Kiebitz war über Jahrhunderte hinweg Charak- tervogel dieser Landschaft. Noch bis zur Mitte der 1960er Jahre wurden Kiebitzeier (wenngleich zu dieser Zeit schon illegal) in großer Menge für den Verzehr gesammelt. Dazu reisten die betreffenden Abb. 3: Der Brutbestand des Kiebitz stieg in den letzten Personen z. T. weit (bis Erfurt) per Zug an. Jahren wieder leicht an. (Foto: B. Friedrich) Schon HEIDELCK (1928) beklagt, dass durch das Sammeln von Kiebitzeiern „Hunderte und Tausen- de von Vögeln vernichtet“ werden und nennt später als weitere Ursache für den Rückgang die Entwäs- serung des Riedes (HEIDELCK 1929). Es muss offen bleiben, inwieweit beide Faktoren im Falle des Esperstedter Riedes tatsächlich zu dem dramati- schen Rückgang der Art beitrugen, der bereits zu diesem Zeitpunkt großräumig in ganz Mitteleuropa eingesetzt hatte. Jedoch ist es durchaus möglich, dass die beiden 1926 installierten Pumpwerke gro- ße Flächen stark austrockneten (zwischen den beiden Weltkriegen soll nach Schilderung älterer Einwohner einige Jahre lang im Bereich der beiden Pumpstationen, von denen eine kurz darauf wieder Abb. 4: Bestandsentwicklung des Kiebitz im Espersted- still gelegt wurde, Kohl angebaut worden sein). ter Ried Insgesamt kann ich aus eigener Anschauung an- fügen, dass sowohl hinsichtlich der Wassersitu- ation als auch der Nutzung in den 1960er Jahren für den Kiebitz optimale Bedingungen herrschten, was zu einer sehr hohen Brutpaardichte führte (Abb. 4 u. 5). Ohne Zweifel kommt dabei der Wassersituation eine zentrale Bedeutung zu. Doch zeigt sich schnell das Dilemma, in dem man bei der Regulierung des Wasserregimes steckt. Unter anderen wies RÜPPEL (1938) bereits für Norddeutschland darauf hin, dass der Kiebitz dort kein Charaktervogel von Bruch- gebieten und Nasswiesen, sondern von kurz- rasigen Wiesenflächen und Viehweiden ist. Wenn er weiter schreibt: „Wo Wiesen vom Kiebitz besiedelt sind, ist es anscheinend vielmehr die im Frühjahr noch verhältnismäßig kahle Grasfläche, die den Vo- gel anzieht, als die vielleicht sumpfige oder bruchi- ge Beschaffenheit des Geländes“, so deckt sich Abb. 5: Brutplätze des Kiebitz im Jahre 1966 nach Nest- dies in vollem Umfang mit den Verhältnissen, die funden (!). Die Gesamtzahl der Brutpaare war ich aus den 1960er und 1970er Jahren vom Esper- noch deutlich höher und zeigt die hohe Sied- stedter Ried kenne. Der entscheidende Umwelt- lungsdichte zu dieser Zeit. faktor ist die verzögerte Vegetationsentwicklung auf den länger nassen Böden. Dort, wo im Verlaufe auf solchen lange überstauten Flächen zu finden. der Vegetationsentwicklung auf den Schlammflä- Wo die Vegetation zu dicht wird, durch ganzjährige chen die Wasserlachen langsam austrocknen, fin- Staunässe Schilf aufwächst oder die Nutzung aus- det er die idealsten Bedingungen (Abb. 6). Mehr- bleibt, verschwindet der Kiebitz als Brutvogel. Die- fach wurde für den Kiebitz eine Vorliebe für schwar- se Anforderungen sind nicht unähnlich derer, von ze, braune oder graugrüne Bodenfarbe erwähnt denen das Gedeihen der Halophyten abhängig ist, (z. B. GLUTZ V. BLOTZHEIM et al. 1984). Genau diese ist weshalb auch in der Vergangenheit die größten

45 Abb. 6: Am Rande von Wasserlachen oder trocken fallenden Schlammflächen findet der Kiebitz ideale Bedingungen. Aufnahme April 1994. (Foto H. Grimm)

stedter Ried (GRIMM 1970). Brutplatz war die zu die- sem Zeitpunkt bereits langjährig als Rinderweide genutzte Wiese 24, die schon damals eine ausge- prägte Halophytenflora trug.

Bekassine Gallinago gallinago (RLTh 1, RLD 1) Die Bekassine gehört zu den bundesweit hochgra- dig gefährdeten Arten. Anders als der Kiebitz benö- tigt sie anhaltend nasse und feuchte Flächen, was schon aus ihrer Schnabel-Morphologie (Abb. 6) deutlich wird. So waren auch in der Vergangenheit die Brutplätze auf feuchte Senken oder Ränder be- schränkt. Nach regelmäßigen Bruten bis Mitte der 1970er Jahre verschwand die Art als Brutvogel voll- Abb. 7: Wo der Kiebitz brütet muss die Vegetation spär- ständig aus dem Gebiet. Es kann als ein erster Er- lich sein. (Foto: B. Friedrich) folg der sinnvollen Regulierung des Wasserregimes in den letzten beiden Jahren angesehen werden, Kiebitzdichten auf den Salzwiesen (Wiesen 7, 9, 24, dass sie nun als Brutvogel zurückgekehrt ist (Abb. 25) anzutreffen waren (Abb. 5). 8). Die Brutplätze liegen sämtlich im südlichen Teil Es bedarf also eines feinfühligen Managements bei des Gebietes und wären durch einen geplanten, der Regulierung des Wasserregimes – abhängig aber möglicherweise noch zu verhindernden Aus- von der aktuellen und jährlich wechselnden Nieder- bau des Verbindungsweges Oldisleben – Seehau- schlags-Situation und unabhängig von formellen, sen hochgradig gefährdet. festgeschriebenen Regeln. Wer dies in Zukunft übernehmen kann, ist völlig offen. Rotschenkel Tringa totanus (RLTh -, RLD 2) Der Rotschenkel wird wegen seines nur sporadi- Flussregenpfeifer Charadius dubius schen Brütens in Thüringen nicht in der Roten Liste (RLTh 3, RLD -) geführt, gehört bundesweit jedoch zu den stark ge- 1998 und 2001 brütete der Flussregenpfeifer auf fährdeten Arten (BAUER et al. 2002). Im Jahre 1969 der an Wiese 5 nördlich angrenzenden Ackerfläche, brütete mit großer Sicherheit ein Paar auf Wiese 24. deren Südostecke im Frühjahr lange stark durch- Das balzende und später laut warnende Paar wur- feuchtet und dadurch vegetationsfrei war. 2002 er- de in enger Nachbarschaft zum Uferschnepfen- folgte eine Brut auf dem zuvor lange unter Wasser brutplatz festgestellt. stehenden Weg zwischen den Wiesenflächen 31 und 32. Von der Kiesgrube gibt es zwar mehrfach Raubwürger Lanius excubitor (RLTh 1, RLD 1) Beobachtungen zur Brutzeit, aber bereits im Gut- Das Esperstedter Ried und seine engere Umge- achten (1993) heißt es: „Aber da die Landzunge bung gehört zu einem alten, traditionellen Raub- dazu benutzt wurde, Boote ins Wasser zu lassen, würger-Brutgebiet. Inzwischen ist diese Art bun- dürfte die Brut ohne Erfolg geblieben sein.“ desweit hochgradig gefährdet, so dass diesen letz- ten Vorkommen besondere Beachtung geschenkt Uferschnepfe Limosa limosa (RLTh 0, RLD 1) werden muss. Leider wurde bereits durch Ausbau Der letzte Brutnachweis dieser in Thüringen inzwi- des Ölweges nördlich von Seehausen (Abb. 10 u. schen ausgestorbenen Art gelang 1969 im Esper- 11) ein wichtiges Brutgebiet völlig zerstört. Der

46 Brutbestand, der im gesamten Ried seit 1965 kon- würger der Fall (Abb. 12). In den 1960 und 1970er trolliert wird, ist von ehemals 12 (mit jährlichen Jahren brüteten Raubwürger auch inmitten der Schwankungen) auf aktuell 3 Brutpaare zurückge- Wiesenfläche, z. B. an einer Pappelreihe neben den gangen. Hauptursache ist die starke Zunahme von Wiesen 19–22, von der heute nur noch ein einziger Störungen, vor allem durch Fahrzeugverkehr und Baum existiert; 1996 auch am Flutgraben. Seither Freizeitaktivitäten. Davon sind unter den Busch- liegen die Brutplätze vor allem an den Wegen, die und Baumbrütern solche Arten besonders betrof- das Gebiet umspannen. Diesen letzten Vorkommen fen, deren Brutzeit in der Regel schon vor der Be- droht, wie im Falle des Ölwegs, bei weiterem Aus- laubung der Bäume einsetzt. Dies ist beim Raub- bau der Wege das völlige Verschwinden.

Abb. 8:Seit 2004 brütet die Bekassine wieder im Abb. 11: Dieser Weg gehörte bis 1999 zu den traditionel- Esperstedter Ried. Ihre Schnabelmorphologie len Brutplätzen des Raubwürgers. Hier brüteten zeigt die Bindung an weichen Boden. (Foto: J. bis zu 3 Paaren eng beieinander. (Foto: H. Blank) Grimm)

Abb. 9: Bestandsentwicklung der Bekassine im Esper- Abb. 12: Mit dem Ausbau des Weges im Jahre 2002 ver- stedter Ried schwand der Raubwürger aufgrund der perma- nenten Störungen als Brutvogel aus diesem Be- reich. (Foto: H. Grimm)

Abb. 10:Der in ganz Mitteleuropa stark gefährdete Abb. 13: Der Raubwürger brütet oftmals bereits vor dem Raubwürger brütet im Randbereich des Riedes Laubaustrieb der Gehölze. So sind die im Nest und hat im Kyffhäuser-Unstrut-Gebiet einen sitzenden Vögel leicht zu sehen und sehr störan- Verbreitungsschwerpunkt. (Foto: H. Grimm) fällig. (Foto: H. Grimm)

47 Uferschwalbe Riparia riparia (RLTh 3, RLD V) dort 2000 auf 4 Paare; 2003 sogar auf 6 Paare an. Eine Kolonie wechselnder und in den letzten Jahren Hierbei wird sowohl eine leichte Bestandserholung deutlich geschrumpfter Größe existiert mindestens nach einem Tief in den 1980er Jahren deutlich seit 1990 an der Kiesgrube. Dort wurden 1992 ca. (ROST & GRIMM 2004) als auch eine Verbesserung 70 Paare registriert (Gutachten 1993). Auf Grund des Lebensraumes durch Ausweitung des Schilf- der geringen Größe der Abbruchkante ist dieser saumes an der Kiesgrube. Nur unter den für diese Lebensraum jedoch suboptimal und es muss offen Art günstigen Bedingungen des Jahres 1997, mit bleiben, ob tatsächlich Störungen, wie im Gutach- hohem Wasserstand und großen Schilfflächen, brü- ten (1993) angegeben, für den Rückgang des Brut- teten auch 2 Paare Drosselrohrsänger an den Ried- bestandes verantwortlich sind. Bereits 1997 gab es gräben; seit 1991 jährlich dagegen 1 Paar am klei- nur noch 10 Brutpaare, 2005 noch 6. Möglicher- nen Teich in Fläche 65. weise fanden auch Umsiedlungen in benachbarte Gebiete statt (Kiesgruben nördlich ), wo Braunkehlchen Saxicola rubetra (RLTh 3, RLD 3) gegenwärtig unter optimalen Bedingungen kopf- Das Braunkehlchen ist regelmäßiger und alljährli- starke Kolonien existieren. cher Brutvogel; jedoch nur in geringer Zahl. Seine Bestände schwanken zwischen 2 und 8 Brut- Schilfrohrsänger Acrocephalus schoenobaenus paaren. Die Brutplätze, zumeist an Saumstrukturen (RLTh 2, RLD 2) mit entsprechenden erhöhten Sitzwarten, wurden Mit etwa 10 bis höchstens 20 Brutpaaren (ROST & vorwiegend auf trockeneren Parzellen gefunden. GRIMM 2004) ist der Schilfrohrsänger einer der sel- tensten thüringischen Brutvögel. Sein Bestand war Schwarzkehlchen Saxicola rubicola vor den großen Meliorationsmaßnahmen mit Si- (RLTH 2, RLD -) cherheit deutlich höher. In den letzten Jahrzehnten Zur Mitte des 20. Jh. war das Schwarzkehlchen als tauchte er immer nur als vereinzelter und nicht all- Brutvogel für mindestens drei Jahrzehnte in Thürin- jährlicher Brutvogel im hier betrachteten Gebiet gen verschwunden. Mit seiner Rückkehr ab Mitte auf. Seine höchsten Bestände erreichte er in den der 1980er Jahre tauchte es erstmals im Jahre Jahren nach 1994, als durch permanent hohen 1991 im hier betrachteten Gebiet auf (Übersicht bei Wasserstand große Flächen verschilften. Im Jahr GRIMM 2001). Seither ist es regelmäßiger Brutvogel, 1997, als große Bereiche lange Zeit unter Wasser wenngleich vor allem in den Randbereichen, mit ei- standen, wurden im Mai 23 singende Männchen nem vorläufigem Maximum im Jahre 2005 (4 Brut- kartiert. Mit der Absenkung des Wasserspiegels paare). und der Beseitigung der ausgedehnten Schilf- flächen verschwand der Schilfrohrsänger ebenso Blaukehlchen Luscinia svecica (RLTH 3, RLD -) rasch als regelmäßiger Brutvogel. Das auf Förde- Im Zusammenhang mit einer anhaltenden Be- rung der Wiesenvögel ausgerichtete Management standszunahme in ganz Thüringen (ROST & GRIMM begünstigt diese Art nicht, so dass sie auch in Zu- 2004), brütet das Blaukehlchen mindestens seit kunft nicht zu den regelmäßigen Brutvögeln gehö- 1999 im Esperstedter Ried. Während es zunächst ren wird. nur Einzelbruten gab, stieg der Bestand ab 2003 auf 3 Paare an. Im Jahre 2005 brüteten 3 Paare im Drosselrohrsänger Acrocephalus arundinaceus Ried (davon 1 Paar im Raps auf Fläche 73) sowie 3 (RLTh 2, RLD 2) weitere in einem südöstlich angrenzenden Raps- Im Schilfsaum der Kiesgrube brüteten zwischen feld. 1991 und 1999 konstant 2 Paare. Ihre Zahl stieg Steinschmätzer Oenanthe oenanthe (RLTh 1, RLD 2) Dieser Vogel offener Böden findet gegenwärtig – und wohl auch in Zukunft – keine Lebensbedin- gungen im Ried. Die letzte Brut erfolgte 1971 am Solgraben; später nur in Verbindung mit der Kies- gewinnung am Ostrand. Dort wurde die Art noch 1992 als Brutvogel nachgewiesen (Gutachten 1993). Da der Steinschmätzer in ganz Thüringen hochgradig gefährdet ist (GRIMM 2004), sollte auf den weiteren Auskiesungsflächen, die östlich der Straße Oldisleben – Esperstedt angrenzen, eine spätere Aufschüttung mit Muttererde und Bepflan- zung unterbleiben. Diese, einer allmählichen Suk- zession unterliegenden Rohböden, würden nicht nur ihm, sonder auch Braunkehlchen, Schwarz- Abb. 14: Das Braunkehlchen gehört zu den regelmäßigen kehlchen, Rebhuhn u. ä. Arten Lebensbedingungen Brutvögeln des Riedes. (Foto: B. Friedrich) bieten.

48 Wiesenpieper Anthus pratensis (RLTH 3, RLD -) raum 1971/72 ist demnach deutlich zu niedrig. Bis zur starken Intensivierung und Trockenlegung Aber auch hier verschwand die Art Ende der 1980er der Flächen in den 1980er Jahren war der Wiesen- Jahre völlig. Seit 1994 gibt es wieder Brutvor- pieper vereinzelter Brutvogel auf den Wiesen- kommen, deren Zahl bis 2005 auf 8 Brutpaare an- flächen, jedoch immer in geringer Zahl stieg; davon 4 am Ortsverbindungsweg Seehau- (8–7 Brutpaare). Danach verschwand er völlig und sen–Oldisleben, wo einzelne Sträucher und eine kehrte erst 1991 als Brutvogel zurück. Die Bestän- Elektroleitung Singwarten bieten. Der Grauammer de sind nach wie vor gering und schwanken zwi- kommt das trocken-warme Klima des Gebietes schen 5 und 7 Brutpaaren. entgegen.

Schafstelze Motacilla flava (RLTh 3, RLD V) Weitere Arten: Diese Art, die in Thüringen sehr ungleichmäßig ver- Zwischen 1965 und 1971 gab es mehrfach Brut- breitet ist und stellenweise völlig fehlt, hat im Kyff- verdacht (sehr stark 1969 und 1971) für den großen häuser-Unstrut-Gebiet einen Verbreitungsschwer- Brachvogel Numenius arquata, der aber nie bestä- punkt. Neben Bruten im Grünland gibt es zuneh- tigt werden konnte. So muss offen bleiben, ob die mend solche in Ackerflächen. Doch waren deshalb Art hier wirklich brütete oder ob es sich nur um den die Bestände auch bei früheren Erfassungen auf Aufenthalt von Nichtbrütern handelte. Im Jahr 2005 den Wiesen nicht wesentlich höher (1969: 22 BP; wurde erstmals eine Brut der Bartmeise Panurus 1971: 27 BP; 1975: 19 BP; 1991: 8 BP). Bei der biarmicus im Gebiet bekannt (1 Paar mit 7 Jungen; Erfassung von 1997 wurden 30–40 Brutpaare ver- Graben Westrand Wiese 43), nachdem bereits ab anschlagt (Gutachten 1997), was die bisherige 2001 einzelne Individuen im Winter an der Kiesgru- Höchstzahl darstellt. Diese Brutperiode fiel in einen be angetroffen wurden. Zeitraum hoher Wasserstände, was diesen Gipfel möglicherweise erklärt. Die Verteilung von 22 Brut- paaren im Jahre 2005 zeigt Abb. 16. Aus ihr wird eine Bevorzugung feuchter Flächen deutlich.

Grauammer Emberiza calandra (RLTh 3, RLD 2) Die Grauammer ist eine Bewohnerin extensiver Acker-Grünland-Komplexe, wo sie vor allem in den Saumbereichen anzutreffen ist. Sie war bis zu ihrem Bestandseinbruch, der in einigen thüringischen Landschaften schon ab 1960 einsetzte (HEYER 1986), ein häufiger Brutvogel im Randbereich des Gebiets. Bei einer Revierkartierung im Mai 1975 la- gen 33 Vorkommen in der hier betrachteten Fläche. Die Angabe von ca. 20 Brutpaaren für den gesam- ten Kyffhäuserkreis bei KÜHN (1995) aus dem Zeit- Abb. 15:Die Schafstelze ist ein häufiger Brutvogel im Esperstedter Ried. (Foto: B. Friedrich)

Abb. 16: Aus der Verteilung der Brutplätze der Schafstelze im Jahre 2005 wird die Bevor- zugung feuchter Flächen deutlich.

49 4.2 Nahrungsgäste und Durchzügler Mit der Vergrößerung der Wasserfläche der Kies- Auch hier kann nur eine kleine Auswahl aufgeführt gruben (zum Teil außerhalb der hier betrachteten werden, die vor allem seltene, sehr häufige oder Fläche) stieg seit 1998 die Zahl überwinternder auffällige Arten betrifft. Nicht erwähnt werden die Gänse deutlich an, die früher hier nur ausnahms- auf der Kiesgrube überwinternden oder durchzie- weise und in kleinen Zahlen registriert wurden. So henden Anatiden, von denen dort bisher 28 Arten hielten sich z.B. im Januar 2001 bis zu 5.000 Saat- nachgewiesen sind. Eine Übersicht des Durchzu- gänse und Dezember ca. 600 Blessgänse im Ge- samtgebiet auf. Bedingt durch die hohen Zahlen an ges von Enten zwischen 1952 und 1966 gibt KARL- Wasservögeln ist inzwischen auch der Seeadler ein STEDT (1977). Zu den auffälligsten Nahrungsgästen des Gebietes regelmäßiger Wintergast. gehört der Weißstorch Ciconia ciconia mit seinen Tab. 1 gibt einen Überblick über maximale Rast- Brutplätzen in Esperstedt und Ringleben (ausführli- zahlen von Watvögeln, die besonders dann günsti- ge Bedingungen vorfinden, wenn während ihres che Übersicht bei HIRSCHFELD 1980). Früher gab es solche auch in Seehausen, Oldisleben und in weite- Zuges die Flächen sehr feucht sind. ren Orten der Unstrutniederung. So wissen wir z. B. Von besonderer Bedeutung ist dabei die nahezu alljährlich hohe Zahl an rastenden Kampfläufern von R. FENK (1881–1953; Tagebuch) vom 03. Juli 1915, dass das Nest in Seehausen (Wagenrad auf Philomachus pugnax. Scheune) 5 Junge hatte, der Horst in Oldisleben zu dieser Zeit aber schon 3–4 Jahre nicht mehr be- 5. Die richtige Bewirtschaftung – ein setzt war. heikles Problem Seit den 1990er Jahren verweilen im Herbst, ab- Der Lebensraum der Wiesenvögel, der Sorgenkin- hängig vom Wasserstand auf den Wiesen, Kraniche der des Vogelschutzes, sind Wiesen- und Weide- Grus grus zeitweilig über mehrere Wochen im Ge- flächen. Diese sind Teil unserer Kulturlandschaft biet. Die seit 1990 angestiegenen Rastzahlen er- und Wirtschaftsraum der Bauern. So liegt es auf reichten im Jahr 2004 einen Höhepunkt mit etwa der Hand, dass ein wirkungsvoller Schutz der 5.000 Individuen. Wiesenvögel nur in enger Kooperation zwischen Zu den regelmäßigen Wintergästen gehört die Landwirtschaft und Naturschutz Erfolg haben Kornweihe Circus cyaneus, die von 1998 bis 2003 kann. Da eine extensive, auf die Belange des Natur- einen Schlafplatz im Ried hatte, an dem sich bis zu schutzes abgestimmte Wiesennutzung, Einschrän- 14 Individuen versammelten (Max: 17. 01. 2002: 4 kungen und Erschwernisse für den Landwirt zur Männchen, 10 Weibchen). Folge hat, müssen die Förderinstrumente effektiv eingesetzt und für den Landwirt attraktiv gestaltet werden. Auf das Problem des Wasserregimes wurde schon beim Kiebitz verwiesen. Darüber hinaus gibt es für „Wiesenvögel“ ein weiteres Dilemma (siehe dazu u. a. BÖLSCHER 1992). In der Vegetationszeit (Mai/ Juni) nimmt die Phytomasse stetig zu, die Bestän- de wachsen auf und werden dicht. Damit ist die Lo- komotion (vor allem der Jungvögel) sowie die Nahrungsverfügbarkeit für einige Arten stark einge- schränkt. Eine frühzeitige Mahd auf großer Fläche bedroht jedoch die Individuen direkt (durch Verlust Abb. 17:Der Weißstorch brütet in den Orten um das von Gelege, Jungvögeln, brütende Alttiere) oder hat Ried (hier das Nest in Ringleben) und gehört zu den Verlust jeglicher Deckung zur Folge. Auch der den regelmäßigen Nahrungsgästen. (Foto: H. Einfluss von Weidevieh ist erheblich; vor allem bei Grimm) hoher Besatzdichte. Nach Untersuchungen von BEINTEMA & MÜSKENS (1987) in Holland wird der Bruterfolg von 60 %, der für eine stabile Kiebitz- population nötig ist, bei einer Beweidungsdichte von 2 Jungrindern/ha oder 4 Milchkühen/ha nicht mehr erreicht und sinkt bei 6 Jungrindern/ha oder 10 Milchkühen/ha bereits unter 10 %. Ingesamt ist für den Wiesenvogelschutz eine flexib- lere Anwendung des Vertragsnaturschutzes nötig, wie ihn z. B. SÜDBECK & KRÜGER (2004) vorschlagen. Diese umfasst sowohl eine mögliche Vorverlegung der Nutzung (sofern die Wiesenvögel die Fläche Abb. 18: In nassen Jahren, wie hier 2004, übernachten verlassen haben) als auch eine Erweiterung der an- tausende Kraniche auf den überstauten Wiesen. gebotenen Vertragstypen (Stehenlassen von Rand-

50 streifen o. ä.). Die Möglichkeit einer flexibleren An- Die Brutzeit einiger Wiesenvögel, die im Esper- wendung des Mahdtermins, der auf KULAP-Flä- stedter Ried brüten oder zumindest dort potentielle chen in aller Regel auf die Zeit nach dem 15. Juli Brutvögel sind, ist in Abb. 19 dargestellt. Die Anga- festgelegt ist, wurde schon mehrfach diskutiert. So ben beziehen sich auf die Gesamtpopulation in schlagen z. B. WEISS et al. (1999) vor, dass in dem Deutschland und berücksichtigen die Spanne von Fall, wenn keine Brut gestört wird, einige Parzellen frühen bis späten Bruten; Extreme bleiben unbe- schon im Mai gemäht werden sollten und begrün- rücksichtigt. Für alle Arten kann man annehmen, den dies mit einem zweiten blütenreichen Auf- dass die Jungen ab einem Alter von etwa 10 Tagen wuchs, mit einer Erhöhung der Bodentemperatur, den Eltern folgen und damit ungünstige Lebens- einer besseren Entwicklung von Arthropoden-Be- räume verlassen können. Am problematischsten ständen und der Begünstigung von Ausmagerung sind die Verhältnisse beim Wachtelkönig, bei dem eutropher Flächen. Dieser Auffassung ist generell nicht selten eine 2. Brut stattfindet und dessen Auf- zuzustimmen. Sie bedarf allerdings einer engen Ko- zuchtszeit somit weit in den Herbst hineinreichen operation zwischen Landwirt und Naturschutz- kann. Gerade für solche Fälle ist oben erwähnte verantwortlichen. Abstimmung nötig.

Art Anzahl Datum Quelle *) Stelzenläufer Himantopus himantopus 2 01.05.1997 D. Stremke Kiebitzregenpfeifer Pluvialis squatarola 46 02.09.1998 Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria 130 22.03.1997 Kiebitz Vanellus vanellus 10 000 13.10.1996 Flussregenpfeifer Charadrius dubius 6 29.03.2004 Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula 10 09.09.1956 Semmler (1958) Großer Brachvogel Numenius arquata 31 02.09.2004 Uferschnepfe Limosa limosa 2 04.04.1969 Pfuhlschnepfe Limosa lapponica 6 02.10.1966 Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus 3 07.10.1997 A. Goedecke u. a. Bekassine Gallinago gallinago 50 04.03.1967 Flussuferläufer Actitis hypoleucos 28 30.07.1974 Dunkler Wasserläufer Tringa erythropus 30 09.09.1956 Semmler (1958) Rotschenkel Tringa totanus 5 02.10.1966 Teichwasserläufer Tringa stagnatilis 1 04.05.1997 Grünschenkel Tringa nebularia 9 02.10.2005 Waldwasserläufer Tringa ochropus 21 19.04.1997 Bruchwasserläufer Tringa glareola 40 16.08.1997 Kampfläufer Philomachus pugnax 81 31.03.2004 Steinwälzer Arenaria interpres 1 09.09.1956 Semmler (1958) Knutt Calidris canutus 1 09.09.1956 Semmler (1958) Tab. 1: Sanderling Calidris alba 1 05.10.1997 J. Synnatzschke Maximalzahlen ras- Zwergstrandläufer Calidris minuta 6 09.09.1956 Semmler (1958) tender Watvögel Sichelstrandläufer Calidris ferruginea 3 02.10.1966 (Charadriiformes) im Esperstedter Ried Alpenstrandläufer Calidris alpina 15 02.10.1966 *) alle nicht näher gekennzeichneten Beobachtungen stammen vom Autor

Abb. 19: Zeitliche Einordnung der Brut- und Auf- zuchtperiode einiger Wiesenbrüter

51 Abb. 20: Die Luftaufnahme von 1997 zeigt ein ausgeprägtes Mikro- relief mit einem Mosaik unterschied- licher Feuchtewerte. (Foto: D. Stremke)

Um Verluste durch Erntemaschinen zu minimieren, Konflikt zwischen Landwirtschaft und Naturschutz empfiehlt sich bei Wiesenmahd generell von der ist im Falle des Wiesenvogelschutzes durch Förder- Mitte zum Rand hin zu mähen. Das ermöglicht eini- instrumente deutlich entschärft worden, und das gen Arten mit ihren Jungen auf Nachbarflächen Verständnis der Landwirte im Falle des Espersted- auszuweichen. Für den Wachtelkönig hat sich die ter Riedes gehört zu den hoffnungsvollen Momen- Schaffung strukturreicher Säume entlang von ten – zweifellos gefördert durch das LIFE-Projekt Grabenrändern und Weideflächen bewährt. Diese und die damit betrauten Personen. All dies sollte Strukturen, meist mit Beständen der großen Brenn- nicht durch kurzsichtige Entscheidungen, die eine nessel oder anderer Stauden, wurden nach Unter- irreversible Schädigung des sensiblen Ökosystems suchungen von BRANDT & EULNER (2004) regelmäßig zur Folge haben, zerstört werden. vom Wachtelkönig als Rufplatz oder Tageseinstand Wildtiere benötigen auch ungestörte Räume. Wo gewählt. der Mensch bei jedem Wetter und zu jeder Zeit ein- Insgesamt muss als Idealbild einer jeden Nutzung dringen kann, ist für sie kein Platz. Dann aber bleibt das kleinflächige Mosaik unterschiedlich dichter auch unser berechtigtes Bedürfnis nach Natur un- und hoher Bestände angesehen werden, wie es befriedigt und letztlich ist damit Niemandem ge- der traditionellen extensiven Wiesenbewirtschaf- dient. tung entsprach. Der Schutz der Binnensalzstellen und der Wiesen- vögel hat viele gemeinsame Schnittmengen. Beide zusammen machen die Einzigartigkeit dieser alten 6. Ausblick Kulturlandschaft aus. Noch sind wir in unserem Be- Nach zwei Jahren „LIFE-Projekt“ im Esperstedter mühen um ihren Erhalt nicht im sicheren Hafen und Ried sind grundsätzliche, auch für Wiesenbrüter es werden noch manche Stürme zu überstehen günstige, Rahmenbedingungen geschaffen wor- sein. Doch es lohnt sich allemal! den. Es betrifft vor allem ein sinnvolles Wasser- regime, mit lange feuchten Flächen im Frühjahr und Austrocknung im Sommer, was eine Wiesennut- 7. Zusammenfassung zung ermöglicht und einer Verschilfung entgegen- Die Zusammensetzung der Vogelwelt des Esper- wirkt. Damit wurden für Wiesenvögel wieder attrak- stedter Riedes erfuhr in den letzten 250 Jahren tive Flächen geschaffen. Die Rückkehr der Bekassi- mehrfach Veränderungen. Sie waren vor allem ne als Brutvogel und die wieder gestiegene Zahl an Spiegelbild unterschiedlichster Nutzungen und Kiebitzbruten sind optimistische Signale. mehrfacher Eingriffe in das Wasserregime. In dem Auch in der Zukunft wird man sich auf dem engen ursprünglich stark versumpften Gebiet, das zeit- Grat zwischen zuviel und zuwenig Nutzung bewe- weilig auch permanente Wasserflächen aufwies gen – das liegt in der Natur der Sache und ist das (Ortsname: Seehausen) dominierten zunächst Grundproblem des Naturschutzes in Kulturland- Schilfbewohner und Wasservögel. Mit der weitge- schaften. henden Trockenlegung der Flächen zu Beginn des Wichtig erscheint es nun, klare Regeln und Verant- 20. Jahrhunderts und einer extensiven Wiesen- wortlichkeiten zu definieren, die auch über die Lauf- nutzung wurde das Ried für „Wiesenvögel“ attrak- zeit des LIFE-Projektes hinaus, diese Form der Be- tiv, unter denen vor allem der Kiebitz bis Ende der wirtschaftung garantieren. 1960er Jahre in hoher Dichte brütete. Eine Intensi- Wenn u.a. auch in der Roten Liste der Vögel Thürin- vierung der Nutzung zwischen 1975 und 1989 mit gens (WIESNER 2001) resümiert werden musste, weiterer Grundwasserabsenkung und hohem Nähr- dass der Rückgang bei den Wiesenbrütern „alar- stoffeintrag machte das Gebiet für Wiesenbrüter mierend“ ist, so sollten auch bei den politisch Ver- weitgehend wertlos. Nach kurzzeitiger stärkerer antwortlichen die Alarmglocken schellen. Der alte Verschilfung zur Mitte der 1990er Jahre wird ge-

52 genwärtig versucht, mit der auf Förderung der GRIMM, H. (2004): Der Brutbestand des Steinschmätzers Halophytenflora ausgerichteten Nutzung auch die Oenanthe oenanthe im Jahre 2002 in Thüringen mit Brutbestände von Wiesenbrütern anzuheben. Die Anmerkungen zur historischen Entwicklung der thü- Situation der in der Roten Liste Thüringens aufge- ringischen Kulturlandschaft und ihrer Eignung als Lebensraum für im Offenland brütende Vogelarten. – führten Arten wird dargestellt und Vorschläge zur Anz. Ver. Thüring. Ornithol. 5: 85–104 Bewirtschaftung der Flächen angefügt. Die Forde- rung nach weiterem Ausbau der Wirtschaftswege HEIDELCK, F. (1928): Allerlei über unsere heimische Tier- bedroht mehrere stark gefährdete Arten akut und welt. – Das Fränksche Land und sein Heimatmuseum würde zu starker Fragmentierung der Flächen füh- 1, Nr. 1 o. S. ren. Nur wenn dies zumindest in Teilen verhindert HEIDELCK, F. (1929): Pflanzen und Tiere der Riedgräben. – werden kann, bleibt der Lebensraum für viele be- Das Fränksche Land und sein Heimatmuseum 2, Nr. drohte Arten erhalten. 2, o. S. HEYER, J. (1986): Grauammer – Emberiza calandra L., 1758. – In: V. KNORRE, D.; G. GRÜN; R. GÜNTHER & K. SCHMIDT: Die Vogelwelt Thüringens – Bezirke Erfurt, 8. Literatur Gera, Suhl – 339 S., Jena: VEB Gustav Fischer Verlag

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53 Das EU-LIFE-Natur-Projekt „Erhaltung und Ent- wicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ (2003–2008), LIFE03 NAT/D/000005

Heiko Böttcher LIFE-Projektbüro, Oldisleben

Synopsis und Sachsen-Anhalt die Hauptvorkommen der Northern Thuringia in central Germany contains Binnensalzstellen in Deutschland (SSYMANK et al. outstanding inland salt marshes, links between the 1998, S. 133). Umfangreiche Untersuchungen in coastal salt marshes of northern and western den 1990er-Jahren (s. WESTHUS et al. 1997) ergaben, Europe and the Pannonic inland salt marshes of dass zwar die meisten Salzstellen in den ver- Hungary. gangenen 150 Jahren deutliche Artenverluste hin- The salt marshes in the Project area, in the vicinity nehmen mussten oder gar zerstört wurden, die ver- of the Kyffhäuser mountains, are the largest and bliebenen aber immer noch eine hohe Wertigkeit most biodiversity in Thuringia. They are the result of haben. In den Jahren 1999, 2000 sowie 2004 wur- a special hydro-geological situation, in combination den deshalb die wichtigsten Binnensalzstellen Thü- with appropriate land use. The project area ringens, das Esperstedter Ried, der Arterner Sol- comprises 853 ha. Most land within the project area graben, die Salzwiesen an der Numburger West- is nowadays used agriculturally, ranging from rela- quelle und bei Kachstedt sowie kleinere Salzstellen tively intensive over extensive grassland farming to in Mittel- und Südthüringen als FFH-Gebiete an die natural succession on abandoned land. Europäische Kommission gemeldet. In Thüringen The LIFE-Nature project focuses on the improve- liegen damit 98 % der Binnensalzstellen in FFH- ment, enlargement and conservation of the major Gebieten (WERRES et al. 2004). Das Gebiet Nr. 15 continental salt marshes. Regaining control over „Esperstedter Ried – Salzstellen bei Artern“ hat die the water regime in the Esperstedter Ried is a reichste Artenausstattung und zählt zu den größten central objective for the development of the salt Binnensalzstellen Mittel- und Westeuropas. Es wur- habitats of varying humidity and conditions. So de deshalb als Vorkommen von europaweiter Be- ditches have to be cleared and weirs have to be deutung eingestuft. renovated. Extensive grassland farming is also an aim in the entire project area. To make the local Mit der vorrangigen Zielstellung, Pflegedefizite ab- population, tourist and guests aware of this very zubauen und günstige Rahmenbedingungen für special habitat broad dissemination work has been eine an den FFH-Erhaltungszielen angepasste done (e.g. excursions, furnishing an information Grünlandbewirtschaftung zu schaffen, wurde im office in the regional museum in Bad Franken- April 2003 bei der Europäischen Kommission, hausen, publishing an information brochure) and Generaldirektion Umwelt, ein Antrag auf Förderung is planned (e.g. making a film for TV, building an nach dem LIFE (L’ Instrument Financier pour l’ En- observation tower). vironment) Natur-Programm gestellt. Das seit 1992 bestehende Programm dient der Entwicklung von FFH- und EG-Vogelschutzgebieten. Angesichts Stichwörter: des beunruhigenden Rückganges der Artenvielfalt LIFE-Projekt, Natura 2000, Binnensalzstellen, verabschiedete die Europäische Union 1997 die Managementplanung, Monitoring, Optimierung der „Vogelschutzrichtlinie“ und 1992 die „FFH-Richtli- Grünlandnutzung nie“ über die Erhaltung der natürlichen Lebens- räume und Arten. Das Natura 2000 Netz ist aus die- sen Richtlinien hervorgegangen. Mit dem Aufbau 1. Einleitung dieses europäisch ökologischen Netzes soll der Beim Aufbau und der Entwicklung des europäi- Artenrückgang innerhalb der Europäischen Union schen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 (s. WERRES bis 2010 gestoppt werden. et al. 2004) in Thüringen hat der Lebensraumtyp Im September 2003 wurde von der Europäischen „Salzwiesen im Binnenland“ (Code *1340) eine ge- Kommission der Antrag des Freistaates Thüringen wisse Sonderstellung. Einerseits gilt er aufgrund für das Projekt „Erhaltung und Entwicklung der seiner Seltenheit, Kleinflächigkeit und Gefährdung Binnensalzstellen Nordthüringens“ mit einem Ge- nach Anhang I der FFH-Richtlinie als „prioritärer samtvolumen von 2,44 Millionen Euro und einer Lebensraumtyp“, für den ein besonders strenges knapp fünfjährigen Laufzeit bis August 2008 bewil- Schutzregime gilt. Andererseits liegen in Thüringen ligt. Der EU-Anteil beträgt 75 %. Der Projektträger,

54 das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Na- Das Esperstedter Ried ist eine abflusslose turschutz und Umwelt, unterhält seit Januar 2004 Feuchtsenke, die durch Auslaugung der in ca. ein Projektbüro in Oldisleben. 300 m Tiefe liegenden Salzschichten entstanden ist. Über Jahrhunderte wurde das Gebiet als un- wegsames sumpfiges Gelände beschrieben, auf 2. Umsetzung des Projektes und erste dem hauptsächlich „Rohr“ (Schilf) wuchs. Ergebnisse Durch Meliorationsmaßnahmen, historischen Quel- Das LIFE-Projekt umfasst die vier Projektgebiete len zufolge begannen diese gegen Ende des 19. „Esperstedter Ried“ (ca. 800 ha), „Arterner Sol- Jahrhunderts, konnte das Ried nun regelmäßig graben“ (4,6 ha), „Salzwiesen bei Kachstedt“ (8 ha; landwirtschaftlich genutzt werden. alle im Kyffhäuserkreis) und die „Binnensalzstelle Die Verknüpfung historischer floristischer Aufzeich- an der Numburger Westquelle“ (44 ha; Landkreis nungen mit der Entwicklungsgeschichte der Ent- Nordhausen). Die Gesamtfläche beträgt ca. 857 wässerung des Esperstedter Riedes lässt die Hektar. Schlussfolgerung zu, dass sich die Binnensalz- Für die Projektgebiete wurden Managementpläne stellen mit Umwandlung der vorherrschenden Röh- erstellt, die im Jahr 2005 in abgestimmter End- richte zu extensiv genutzten Grünland ausbreite- fassung vorlagen. Sie enthalten eine aktuelle Be- ten. Es entstand hier eine artenreiche Kulturland- standsaufnahme der Halophyten (Salzpflanzen) schaft, in der sich nicht nur die an Salz angepass- und der Pflanzengesellschaften und konkretisieren ten Arten ausbreiteten, sondern auch heute gefähr- die Maßnahmevorschläge aus dem LIFE-Projekt- dete Stromtalarten, Wiesenbrüter und Wirbellose antrag. Die ergänzten und präzisierten Vorschläge ansiedeln konnten. Eine negative Wende nahm die- sind die Basis für die bis 2008 umzusetzenden se Entwicklung ab den 1960er und 1970er-Jahren Maßnahmen. Sie sind auch Grundlage für die lang- durch die einsetzende intensive Landwirtschaft, die fristige Gebietsentwicklung, die sich aus den Ver- bis ca. 1990 anhielt (BÖTTCHER 2003). pflichtungen der FFH-Richtlinie ableitet. In Abstim- Man muss also berücksichtigen, dass das Esper- mung mit den einzelnen Landwirtschaftsbetrieben stedter Ried aufgrund der geologischen und hydro- und unter Berücksichtigung der Rahmenbedin- logischen Gegebenheiten erst recht spät landwirt- gungen, die sich aus dem Programm zur Förderung schaftlich genutzt wurde und eine Sonderstellung von umweltgerechter Landwirtschaft, Erhaltung der in der Unstrutaue darstellt. Vor allem die hohen Kulturlandschaft, Naturschutz und Landschafts- Grundwasserstände, infolge der fehlenden natürli- pflege in Thüringen (KULAP) ergeben, werden Vor- chen Vorflut, sind der Grund weshalb die Grünland- schläge zur künftigen Nutzung und Pflege, aber bereiche im Ried nicht in Ackerflächen umgewan- auch zu verschiedenen Artenhilfsmaßnahmen un- delt werden konnten. Selbst die Installation von terbreitet. Wasserpumpen im Jahr 1926 konnte nur die re-

Abb. 1: Übersichtskarte der vier Projektgebiete in Nordthüringen

55 gelmäßige Grünlandnutzung gewährleisten. Auch Über das LIFE-Projekt stehen die Pflege des ver- heute noch ist das Ried über die Wintermonate bis nachlässigten Grabensystems, die Sanierung ein- in den Mai hinein mit Wasser gefüllt. Ein Abpumpen zelner Wasserbauwerke und die Verbesserung der der Wassermassen ist dann aufgrund der zumeist Steuerung im Mittelpunkt. Das gesamte Graben- hohen Wasserstände in der Unstrut, dem das Ge- system wurde neu vermessen und ein geohydrau- biet hydrologisch stark beeinflussenden Vorfluter, lisches Strömungsmodell entwickelt, aus dem sich nicht möglich. Es sprechen aber auch ökologische Empfehlungen für eine teilflächenbezogene und sowie ökonomische Gründe gegen ein frühzeitiges damit energiesparende Entwässerung ableiten las- Abpumpen der Wassermassen. sen. Entlang der Unstrutaue hatten die Meliorations- Die Notwendigkeit zur Entwässerung ergibt sich maßnahmen der vergangenen 150 Jahre jedoch aus der Tatsache, dass durch die regelmäßige land- nicht die Schaffung von artenreichem Grünland, wirtschaftliche Nutzung kurzrasige offene Stand- sondern eine starke Beeinträchtigung von diesem orte mit Bodenverwundungen entstehen, die auf- zur Folge. Im gleichen Zeitraum, als die sehr grund- grund der stärkeren Erwärmung und Verdunstung wassernahen „Rohrwiesen“ im Esperstedter Ried den kapillaren Salzwasseraufstieg begünstigen und in artenreiches Grünland umgewandelt wurden, von konkurrenzschwachen Halophyten leichter be- zerstörte man beispielsweise die weitflächig salz- siedelt werden können. Sowohl die Landwirte als beeinflussten Grünlandbereiche zwischen Artern, auch die Binnensalzstellen werden von der besse- Kachstedt und Borxleben durch deren Umwand- ren Steuerung des Wasserhaushaltes profitieren. lung in Ackerland (SCHEUERMANN 1954). Beispielge- Erste Arbeiten am Grabensystem wurden im Au- bend wurde dabei das Vorkommen von Schlitz- gust und September 2005 erfolgreich durchgeführt. blättrigen Beifuß (Artemisia laciniata) zerstört, der Zwei undichte Düker am Flutgraben, der für die heute in Deutschland als ausgestorben gilt. Die Steuerung des Wasserhaushaltes die zentrale Rolle heute noch vorzufindenden „Salzwiesen bei Kach- im Esperstedter Ried übernimmt, wurden saniert. stedt“ sind mit ca. 9 ha nur noch ein Fragment der An beiden Bauwerken kam es in den vergangenen ehemaligen Binnensalzstellen. Jahren zu Böschungseinbrüchen. Deutliche Sicker- Das Esperstedter Ried kann als letztes großflächi- wasserverluste waren die Folge und trieben die ges und zusammenhängendes Rückzugsgebiet für Kosten für die Wassersteuerung in die Höhe. Zwi- die Halophytenflora in Thüringen angesehen wer- schenzeitlich durchgeführte provisorische Repara- den, dass es unbedingt zu erhalten gilt. Auch wenn turen von Seiten der Landwirtschaft und der Kom- aufgrund der hydrologischen Bedingungen zukünf- munen führten zu keinem befriedigenden Ergebnis. tig immer Anstrengungen unternommen werden Im Jahr 2006 und 2007 sind weitere Maßnahmen im müssen die Riedflächen für die extensive Grün- Esperstedter Ried geplant. Der als „Seehäuser landnutzung bewirtschaftbar zu halten, die eine Sack“ bezeichnete Westteil des Riedes ist der wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Binnen- feuchteste und am tiefsten gelegene Bereich und salzstellen ist. weist größere Salzpflanzenbestände auf. Die hy-

Abb. 2: Überschwemmte Bereiche des Esperstedter Riedes im Spätherbst

56 draulische Abtrennung vom Entwässerungssystem Im Managementplan wurde ein idealisierter Verlauf des Gesamtgebietes soll eine bedarfsweise schnel- des Pumpregimes erarbeitet und dargestellt. Dabei lere Be- und Entwässerung ermöglichen. Beim bis- wurden die hydrologischen, ökologischen und herigen System wird der östliche, trockenere Teil landwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Er- des Esperstedter Riedes oft zu stark entwässert, fordernisse berücksichtigt. Trotzdem wird es immer und in niederschlagsreichen Jahren lässt sich der eines sensiblen Wassermanagements bedürfen, Seehäuser Sack selber nur teilweise entwässern, das sich an den Feuchteverhältnissen im Ried, dem was eine unzureichende Nutzung des Grünlandes Wasserstand der Vorfluter, den wechselnden Nie- mit negativen Folgen für die Halophytenbestände derschlagssituationen und den Belangen des Na- nach sich zieht. turschutzes sowie der Landwirtschaft orientiert. Dies wird immer eine Gratwanderung sein, zumal Das Pumpsystem soll so gestaltet werden, dass auch die Meinungen innerhalb der verschiedenen der westliche Teilbereich des Riedes, welcher über Interessengemeinschaften auseinander gehen. Die einen höheren Grundwasserflurabstand verfügt, in Tendenzen für die Zukunft sind dennoch positiv den Sommermonaten nicht mit beeinflusst wird. Es einzuschätzen, da ein Konsens aller Beteiligten für ist vorgesehen, insgesamt 6 Schieber an 5 vorhan- den Erhalt der extensiven landwirtschaftlichen Nut- denen Durchlassbauwerken zu erneuern bzw. neu zung und auch den Erhalt der Binnensalzflora und einzubauen. Über diese Regelorgane kann dann anderer gefährdeter Pflanzengesellschaften und gezielt der Abfluss über die Gräben der entspre- Tiergruppen besteht. In der Praxis hat zudem die chenden Flächen gesteuert bzw. Wasser zurückge- Steuerung des Wasserregimes in den letzten Jah- halten werden. ren zur überwiegenden Zufriedenheit aller Beteilig- Um dieses Wassermanagement gezielt durchfüh- ten funktioniert. ren zu können ist die Grabenräumung einzelner Hauptgräben erforderlich. Im nordwestlichen Teil des Projektgebietes wird Im Untersuchungsgebiet wurden 165 Gräben un- durch die Einleitung von Salzwasser aus dem von terschiedlicher Länge und Breite erfasst. Für die Bad Frankenhausen kommenden Solgraben neuer innerhalb des Untersuchungsgebietes liegenden Lebensraum für gefährdete Halophyten auf ca. 2 ha Gräben und Grabenabschnitte ergibt sich eine geschaffen. Dieser gesteuerte Eintrag von salz- Gesamtlänge von ca. 125,3 km. Die Gräben sind haltigem Wasser kommt den natürlichen Gegeben- bis auf den Solgraben generell unterschiedlich heiten vor Beginn der künstlichen Umlenkung über stark verkrautet, was teils zu einer starken Beein- den Solgraben in die Unstrut bei Schönfeld, wenn trächtigung des Abflussverhaltens der einzelnen auch nur auf relativ kleinem Raum, nahe. Gräben führt. Durch die Räumung der Hauptgräben Dazu wird eine Verbindungsleitung vom Solgraben wird das Abflussvermögen des gesamten Graben- zum „Seehäuser Sack“ gebaut, die die neu zu systems und damit die Steuerbarkeit des Grund- schaffenden Binnensalzstellen (Flutmulden) mit wasserstandes im Ried verbessert. Salzwasser versorgt. Die acht bis zu 70 cm tiefen

Abb. 3: Quellerflur mit Strand-Aster am Nordrand des Esperstedter Riedes im Herbstaspekt

57 Flutmulden haben eine Einzelfläche von 2.000 m² stelle großflächiger entwickeln kann. Nach gezielter und liegen räumlich voneinander getrennt. Durch Ausbringung von Halophyten-Samen aus den un- die Hintereinanderschaltung und Ausnutzung des gestörten versalzten Bereichen am Solgraben unterschiedlichen Höhenprofils sollen Mulden un- konnten sich Arten wie der Queller (Salicornia terschiedlicher Salzkonzentrationen geschaffen europaea ssp.ramosissimae), Strand-Sode (Suaeda werden, die salztoleranten Arten bzw. Lebensge- maritimae) und Stielfrüchtige Salzmelde (Halimione meinschaften, geeignete Lebensräume bieten. Ein pedunculata) erfolgreich etablieren. Eine Zielvor- positiver Nebeneffekt dieser Maßnahme wird die gabe der Managementplanung – Verbesserung Förderung der Vogelwelt sein. der Standortbedingungen und Ausdehnung der Im Frankenhäuser Solgraben ist die gezielte An- Strand-Soden-Queller-Flur (Salicornietum ramosis- siedlung der Meeres-Salde (Ruppia maritima) ge- simae Christ. 1955) konnte dadurch zeitnah ver- plant, die im Arterner Solgraben ihr letztes binnen- wirklicht werden. ländisches Vorkommen in Deutschland hat. Das Weiterhin soll künftig Salzwasser aus dem Sol- Pflanzgut soll dem Arterner Solgraben entnommen graben über drei Wasserbauwerke (Mönche) in die werden. Salzwiese eingeleitet werden, um den Salzgehalt des Bodens zu erhöhen und so die Lebensbedin- Am Arterner Solgraben wurde im Februar 2005 gungen für das Gesamtspektrum der halophilen die erste praktische Maßnahme des LIFE-Projektes Arten zu verbessern. Der Solgraben soll an eini- durchgeführt: Durch Abtragung von Bauschutt-Ab- gen Stellen entschlammt werden, um die Ausbrei- lagerungen aus den 1950er-Jahren wurde die Vor- tung der Meeres-Salde (Ruppia maritima) zu för- aussetzung geschaffen, dass sich die Binnensalz- dern.

Abb. 4: Ruderalflächen auf aufgeschütteten Bereichen am Arterner Solgraben, die von der Quecke (Elytrigia repens) dominiert werden – vor den Entwicklungsmaßnahmen

Abb. 5: Entfernung der Ruderalvegetation und der Auf- Abb. 6:Nach zwei Vegetationsperioden konnte sich schüttungen im Februar 2005 nach Räumung der Aufschüttungen ein Solont- schakboden entwickeln, auf dem der Queller beste Keimbedingungen vorfindet

58 Für das Projektgebiet „Salzwiesen bei Kach- stedt“ konnten bereits alle Maßnahmen umgesetzt werden, die im Managementplan erarbeitet wur- den. So konnten die Beweidungsflächen ausgewei- tet werden und die Grünlandnutzung in Bezug auf die Entwicklung der Binnensalzstellen optimiert werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür war neben intensiven Gesprächen mit dem Neben- erwerbslandwirt, der das gesamte Projektgebiet bewirtschaftet, die Anschaffung von Zaunmaterial über LIFE-Mittel. Weiterhin wurden bereits die Betonfundamente ei- ner alten Feldscheune, alte Bahnschwellen und Bauschuttablagerungen entfernt. Abb. 7: Die Heckrinder an der Numburger Westquelle In Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutz- sind neben der Bedeutung für die Landschafts- behörde des Kyffhäuserkreises und dem Land- pflege auch eine touristische Attraktion wirtschaftsamt Bad Frankenhausen konnte sicher- gestellt werden, dass seit dem Jahr 2005 dem Bewirtschafter der Flächen Fördermittel aus dem KULAP zufließen. Dies ist eine weitere wichtige Voraussetzung für die langfristige Sicherung der extensiven landwirtschaftlichen Nutzung, die in Teilbereichen aufgrund der feuchten bis nassen Bodenverhältnisse nur unter erheblichem Aufwand möglich ist.

Für die Binnensalzstelle an der „Numburger West- quelle“ ist ebenso wie in Kachstedt die Ausweitung und Optimierung der bisher stattfindenden Bewei- dung vorgesehen. Abb. 8: Neu geschaffene Feuchtmulden an der Numbur- Die seit dem Jahr 1998 mit Heck-Rindern bewei- ger Westquelle dete Fläche von ca. 24 ha kann ab dem Jahr 2006 um fast 20 ha ausgeweitet werden. Eine wichtige An verschiedenen Stellen des Projektgebietes wur- Voraussetzung dafür war der Ankauf von Grundei- de die Anlage kleinerer feuchter Senken vorge- gentum über LIFE-Fördermittel. nommen. Durch das Abschieben des Oberbodens Da es sich über die vegetationskundlichen Aufnah- konnten ideale Keimbedingungen für Halophyten in men im Zuge der Erstellung der Management- der ehemals vorkommenden Ruderal- oder Schilf- planung für das LIFE-Projekt herausstellte, dass vegetation geschaffen werden. Es wurden haupt- die Besatzstärke von 0,5 GV/ha nicht zu einer an- sächlich die Bereiche ausgewählt, in denen noch gestrebten Zurückdrängung der Schilfbereiche und bis in die 1980er-Jahre Halophyten wie der Queller Förderung der Halophyten führte, wurde eine Erhö- oder die Strand-Sode vorkamen. hung der Besatzstärke beschlossen. Zu diesem Im Quellbereich der „Numburger Westquelle“ ist Zweck werden drei Wildpferde (Koniks) und ein die gezielte Ansiedlung der Meeres-Salde (Ruppia Heckrind-Bulle angeschafft. Zusätzlich werden in maritima) geplant. Aus historischen Quellen ist er- der Hauptvegetationsperiode Milchrinder auf den sichtlich, dass die Meeres-Salde hier, wie auch am Weideflächen eingesetzt, um einen ausreichenden Frankenhäuser Solgraben, vorkam. Phytomasseentzug zu gewährleisten und günstige Ausgangsbedingungen für die Entwicklung der Neben den Maßnahmen zur Lebensraumverbesse- salzliebenden Arten zu schaffen. rung sollen die Binnensalzstellen durch Flächenan- Besatzdichten bis zu 3 GV/ha zeigen erste, deutli- käufe gesichert werden. Im Dezember 2004 waren che Verbesserungen. Mitten in ehemals dichten bereits 90 ha mit LIFE-Mitteln erworben. Ende 2006 Schilfbeständen, in denen in den vergangenen Jah- soll der geplante Ankauf von insgesamt ca. 120 ha ren niemals Halophyten kartiert wurden, sind Arten vorfristig abgeschlossen werden. Die Thüringer wie das Strand-Milchkraut (Glaux maritima) oder Landgesellschaft (ThLG) führte als Dienstleister die Salz-Hornklee (Lotus tenuis) zu finden. Ein positi- Abwicklung der Flächenkäufe erfolgreich durch. ves Ergebnis des geänderten Beweidungsregimes, Um im Esperstedter Ried die zerstreut liegenden das für eine Regeneration der Binnensalzstellen an landeseigenen Flächen zusammenzulegen und die der Numburger Westquelle hoffen lässt. Durch die Durchführung von flächenbeanspruchenden Maß- Schaffung niedriger Strukturen und kurzrasiger Ele- nahmen, wie z. B. das Anlegen von Flutmulden, zu mente inmitten der Schilfbereiche werden mit Si- gewährleisten, gibt es ein projektbegleitendes Flur- cherheit auch die Wiesenbrüter profitieren. neuordnungsverfahren „Esperstedter Ried“. Am

59 05.08.2004 erfolgte der Flurbereinigungsbeschluss obligater Halophyt nur auf stark salzhaltigen Böden und am 03.02.2005 wurde der Vorstand der Teil- existieren kann. Die Analyse der Bodenproben er- nehmergemeinschaft gewählt. Bis zum vierten gab einen Chlorid-Gehalt von nur 250 mg/l. Diese Quartal des Jahres 2006 soll der Wege- und geringe Chlorid-Konzentration würde ohne die Gewässerplan nach § 41 des Flurbereinigungs- auftretenden starken Bodenverwundungen durch gesetzes aufgestellt werden, in dem verschiedene Fahrzeuge nicht ausreichen, um den stark salz- LIFE-Projektmaßnahmen integriert sind. anzeigenden Arten, wie dem Queller, gesicherte Existenzbedingungen zu ermöglichen. Das projektbegleitende Monitoring begann 2004 mit der Erfassung der Halophyten und der Pflan- Einen breiten Raum für das LIFE-Projekt nimmt die zengesellschaften für die Managementpläne. 2005 Öffentlichkeitsarbeit ein. Wegen der geringen Be- wurden erstmalig verschiedene Käfergruppen (vor kanntheit der Binnensalzstellen wird dieser für den allem Laufkäfer und Wasserkäfer) sowie Langbein- europäischen Arten- und Biotopschutz bedeutsa- fliegen erfasst. Sie sind als Indikatoren für den Zu- me Lebensraum einer breiten Öffentlichkeit vorge- stand der Salzstellen besonders geeignet und sol- stellt. Weiterhin werden die Verknüpfungen zwi- len Anhaltspunkte für die Optimierung der Salz- schen landwirtschaftlicher Nutzung und Biotop- wiesen- und Solgraben-Lebensräume geben. entwicklung herausgestellt und die Ziele des LIFE- In den vier Projektgebieten wird von 2005 bis 2008 Projektes erklärt. Themen wie das europäische der Salzgehalt der Böden an verschiedenen Stellen Schutzgebietsnetz Natura 2000 und die LIFE-Na- analysiert, um Erkenntnisse über die jahreszeitli- tur-Förderung in anderen Ländern sollen das Pro- chen Schwankungen des Salzgehaltes zu gewin- jekt in den europäischen Kontext stellen. nen sowie neue Salzstellen aufzuspüren und durch Im Jahr 2004 wurde mit naturkundlichen Führun- gezielte Maßnahmen zu entwickeln. Erste Ergeb- gen begonnen und die Internetseite www.eu-life- nisse weisen darauf hin, dass in Teilbereichen der binnensalz.thueringen.de, die ausführlich über die Beweidungsflächen an der Numburger Westquelle vier Projektgebiete, den Projektstand und aktuelle mit einer Regeneration der dort ehemals vorkom- Führungen informiert, eingerichtet. menden Strandsoden-Queller-Flur gerechnet wer- Am 11. April 2005 eröffnete der Thüringer Minis- den kann. Einzelne Bodenproben ergaben einen ter für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, Chlorid-Gehalt von bis zu 1600 mg/l und entspre- Dr. Volker Sklenar, im Regionalmuseum Schloss chen somit den Werten auf dem der Queller noch Bad Frankenhausen eine Dauerausstellung über heute flächig im Esperstedter Ried und dem die Binnensalzstellen Nordthüringens und das Arterner Solgraben vorkommt. LIFE-Projekt. Dort sind in einem großen Diorama Aktuell gibt es nur einen Bereich in dem der Queller und mehreren Vitrinen aufwändig präparierte Salz- im Projektgebiet Numburger Westquelle vorkommt. pflanzen, wie sie für die einzelnen Salzstellen cha- Dabei handelt es sich um einen Feldweg der paral- rakteristisch sind, zu sehen. Die Dauerausstellung lel zum Solgraben verläuft, auf dem regelmäßig dient auch als LIFE-Projekt-Informationsstelle: An Fahrzeuge für ein Offenhalten der Vegetations- einem Terminal kann man den Fortgang des Projek- decke sorgen. Nur so konnte dort eine Vielzahl an tes verfolgen und sich über Führungen informieren. Halophyten überleben, erfreulicherweise auch der Ende des Jahres 2006 wird die Dauerausstellung konkurrenzschwache Queller, der als einjähriger, durch eine eindrückliche Ton-Bild-Schau ergänzt.

Abb. 9: Teile der Informati- onsstelle über die Binnensalzstellen im Regionalmuseum Bad Frankenhausen

60 Die Broschüre „Binnensalzstellen um das Kyffhäu- Seit Projektbeginn gibt es eine beachtliche Medien- sergebirge“ wurde ebenfalls am 11. April 2005 der resonanz: In mehreren Fernsehbeiträgen und zahl- Öffentlichkeit übergeben. Sie enthält detailgetreue reichen Pressebeiträgen wurde über den außerge- Graphiken zu Halophyten und Salzpflanzengesell- wöhnlichen Lebensraum der Binnensalzstellen und schaften und erlaubt durch genaue Karten ein si- das LIFE-Projekt berichtet. cheres Auffinden der Salzstandorte im Gelände. Zukünftig sollen zunehmend Veranstaltungen mit Die Broschüre liegt bei den Gemeinden, Landrats- Schulklassen dazu beitragen, das Life-Projekt mit ämtern und staatlichen Verwaltungsstellen aus. Sie seinen Zielen und den Anstrengungen der europäi- kann auch von der genannten Internetseite: The- schen Naturschutzpolitik in der Region noch stär- ma/Öffentlichkeitsarbeit, heruntergeladen werden. ker zu verankern. Dabei wird eine enge Zusammen- arbeit mit dem Naturpark Kyffhäuser erfolgen.

Der breiten Öffentlichkeitsarbeit und den regelmä- ßigen Kontakten zu Kommunen, Behörden und Landwirten ist es zu verdanken, dass das LIFE-Pro- jekt in der Region eine gute Akzeptanz findet. Für den weiteren Projektverlauf ist das ein gutes Vorzei- chen.

3. Zusammenfassung

Abb. 10: Auf der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen Informations- (UNO) in Rio de Janeiro 1992 hat sich die Europä- broschüre ische Union dazu verpflichtet, ihr vielfältiges Natur- erbe zu bewahren. Es wurde sich im Anschluss das Im Mai 2005 wurden an den vier Binnensalzstellen konkrete Ziel gesetzt, den Artenverlust in der Euro- wetterfeste, dreiteilige Informationssäulen zusam- päischen Union bis zum Jahr 2010 zu stoppen. Als men mit der Naturparkverwaltung Kyffhäuser er- Instrument dazu wurde die Fauna-Flora-Habitat- richtet. Sie geben detaillierte Informationen zu den richtlinie (FFH-Richtlinie) 1992 erlassen. In dieser Salzstellen und enthalten Abbildungen von Halo- wurde festgeschrieben, dass ein europaweites zu- phyten, die in der Umgebung der Schautafeln an- sammenhängendes Netz besonderer Schutzgebie- zutreffen sind. Damit erhält auch der interessierte te mit der Bezeichnung „Natura 2000“ errichtet Laie die Möglichkeit, einige Salzpflanzen, wie z. B. werden soll. Erstmalig wurden aus gesamt- den Wilden Sellerie (Apium graveolens), an seinem europäischer Sicht schützenswerte Lebensräume, natürlichen Standort kennen zu lernen. Tier- und Pflanzenarten betrachtet und ausgewählt. Ein Lebensraumtyp sind die „Salzwiesen des Bin- nenlandes“, denen durch ihre extreme Seltenheit und geringe Ausdehnung eine besondere, priori- täre Aufmerksamkeit zuteil wird. Das EU-Life-Natur-Projekt „Erhaltung und Entwick- lung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ hat das Ziel, diesen Lebensraumtyp in vier Projektgebieten für die Zukunft zu sichern und zu fördern. Die Schwerpunkte dabei sind die naturschutzfachliche Optimierung des Wasserregimes, Landkauf, die Förderung bzw. Etablierung einer extensiven Grünlandwirtschaft, biotopgestaltende Maßnah- men und die projektbegleitende Öffentlichkeits- arbeit.

Nach der Halbzeit des Projektes kann festgestellt werden, dass die zahlreichen Teilziele im überwie- genden Maße erfüllt werden konnten. Das Projekt befindet sich auf einem guten Weg. Vor allem die genaue Projektvorbereitung, die konstruktive Zu- sammenarbeit der Fachbehörden und der enge Kontakt mit den Bewirtschaftern sind als wichtige Bausteine dafür zu sehen. Abb. 11:Informationssäule an der Numburger West- quelle

61 4. Literatur

BÖTTCHER, H. (2003): Untersuchung der Auswirkung der Das europäische Schutzgebietsnetz NATURA 2000 – aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung auf die Halo- BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Ha- phytenflora und die Betrachtung der historischen Ent- bitat-Richtlinie (92/43/EWG) und der Vogelschutz- wicklung des „Esperstedter Riedes“ in Nordthüringen richtlinie (79/409/EWG). – Schriftenr. Landschaftspfle- sowie die Untersuchung der Vorkommen von Taraxa- ge u. Naturschutz 53: 1–560 cum sect. palustria. – Diplomarbeit im Studiengang WERRES, W., H. WENZEL, W. WESTHUS, F. FRITZLAR & A. HENKEL Landschaftsnutzung und Naturschutz, FH Ebers- (2004): Das FFH-Gebietsnetz in Thüringen. – Land- walde schaftspflege und Naturschutz Thür. 41 (Heft 3): SCHEUERMANN, R. (1954): Die Solstellen am Kyffhäuser und 68–85 ihre Pflanzenwelt in Vergangenheit und Gegenwart. – WESTHUS, W., F. FRITZLAR, J. PUSCH, T. VAN E LSEN & C. ANDRES 102. Bericht der Naturhist. Gesellsch. Hannover: (1997): Binnensalzstellen in Thüringen – Situation, 39–47 Gefährdung und Schutz. – Naturschutzreport 12/ SSYMANK, A., U. HAUKE, C. RÜCKRIEM & E. SCHRÖDER (1998): 1997: 1–193

62 Vorstellung des EU-Life-Projektgebietes „Esper- stedter Ried“ – besondere Rolle des Wasser- regimes für den Erhalt und die Entwicklung der Binnensalzstellen

Ursula Kurth und Uwe Riemann HGN Hydrogeologie GmbH Nordhausen

Synopsis und Oldisleben. Den zentralen Teil nehmen die ei- The results of the Management Plan „Esperstedter gentlichen Riedflächen (früher als Rohrwiesen be- Ried“ can be summarised as follows: zeichnet) östlich von Bad Frankenhausen, begin- - The prerequisites for a sustainable development nend ab Seehausen bis zur Straße L 1221 Oldis- of the salt habitates are strongly connected with leben – Esperstedt, ein. Im Osten schließt sich dann an ecological-orientated agriculture. ein schmaler Streifen zwischen dem Solgraben und - Retaining the agricultural land use is only pos- dem Binnenentwässerungsgraben (A-Graben) an, sible by keeping the trench and pumping system der bis zur Unstrut reicht. in operation. Das Projektgebiet stellt eine breite Niederung, das - The measures derived within the frame of the Frankenhäuser Tal, dar. Es ist flach und wenig LIFE project support the renewal of the system. strukturiert. Abbildung 1, ein aus aktuellen Vermes- - The experiences made in running the pumping sungsergebnissen erstelltes digitales Geländemo- system and the ecological objectives derived dell (DGM), zeigt dennoch Reliefunterschiede, die especially the dependencies illustrated should für die kleinräumige Betrachtung der Wasserfüh- be directly applied in the implementation of the rung von Bedeutung sind. management plan. In früherer Zeit war das Ried fast vollständig mit Schilf und Rohr bestanden. Erst das zu Beginn Stichwörter: des 20. Jahrhunderts geschaffene Entwässerungs- Erfassung Istzustand, Bauwerks- und Grabenkatas- system ermöglichte eine Nutzung als Wiese bzw. ter, geohydraulisches Modell, Pumpregime im östlichen Teil auch als Acker. Das Schilf wurde zurückgedrängt und die heute vorhandenen und zu schützenden Halophyten konnten sich entwickeln. 1. Zielstellung Die Böden weisen teilweise erhöhte Salzgehalte Im Projektantrag „Erhaltung und Entwicklung der auf, deren Ursache insbesondere im aufsteigen- Binnensalzstellen Nordthüringens“, TMLNU, April den, versalzenden Grundwasser liegen soll. In der 2003 wird für das Esperstedter Ried formuliert: Vergangenheit wurden auch über den Solgraben ...zur Aufrechterhaltung einer Landbewirtschaftung höher mineralisierte Wässer in das Ried eingetra- im Esperstedter Ried, wie sie für den Erhalt der Ha- gen. lophyten erforderlich ist, ist das Wasserregime nach naturschutzfachlichen Vorgaben zu managen. Ins- besondere durch Pumpen und Steuerung der Gra- 2.2 Klimabilanz/Wasserhaushalt bensysteme kann eine extensive Beweidung bzw. Das Projektgebiet befindet sich im Bereich des an trockeneren Abschnitten eine extensive Mahd- Mitteldeutschen Binnenlandklimas, wobei die geo- nutzung gewährleistet werden. Ohne eine natur- grafische Lage zwischen Kyffhäuser-Gebirge im schutzfachliche Steuerung des Wasserregimes Norden und Hainleite/Schmücke im Süden lokale würde eine vollständige Vernässung von Teilen des Besonderheiten bedingt. Wesentliches Merkmal Projektgebietes stattfinden, die mit großer Wahr- ist die Niederschlagsarmut des Gebietes. Die „Tro- scheinlichkeit zu einer erheblichen qualitativen und ckeninsel“ um Artern zählt zu den niederschlag- quantitativen Verarmung der Binnensalzflora führen ärmsten Regionen Deutschlands. Verursacht wird würde. dieses Defizit durch das Vorhandensein mehrerer Wälle in der Hauptregenwindrichtung, so dass nach Überwinden von Thüringer Wald, Hainleite 2. Charakteristik des Projektgebietes und und Schmücke die Luftmassen, die mit der süd- Ergebnisse westlichen Strömung herangeführt werden, infolge Abregnens einen Teil ihrer Regenfracht verloren ha- 2.1 Allgemeines (Lage, morphologische ben. Gleiches gilt auch bei westlichen und nord- Verhältnisse, Bodenverhältnisse) westlichen Windrichtungen, bei denen das Eichs- Das Projektgebiet befindet sich östlich Bad Fran- feld, der Harz und der Kyffhäuser als Hindernisse kenhausen in der Nähe der Ortschaften Esperstedt wirken.

63 Abb. 1: Digitales Geländemodell des Untersuchungsgebietes

Die Auswertung der Niederschlagsereignisse, auf- des jeweiligen Jahres gebildet wird, ergibt folgen- gezeichnet in der Station Artern, zeigt ein ausge- des Bild, wobei „Trockenjahre“ die Abschnitte sind, prägtes Sommermaximum. Über 48 % der Ge- bei denen die Linie unter der Nulllinie verläuft (u. a. samtniederschläge fallen in den Monaten Mai bis 1988 bis 1993) und „Feuchtjahre“ deutlich über der August. In dieser Zeit liegen auch das Maximum Nulllinie (1994 oder 2001 und 2002) liegen (Abb. 2). der Starkniederschläge und das Maximum der Auf der Basis der langjährigen klimatischen Was- Gewitterhäufigkeit, wobei infolge hochsommerli- serbilanz ist davon auszugehen, dass in den Be- cher Überhitzung außergewöhnlich hohe Nieder- reichen mit geringem Grundwasserflurabstand bei schlagsmengen auf engstem Raum niedergehen gleichzeitiger Auelehmbedeckung und hohen kapil- können. laren Aufstiegsraten nahezu die gesamte poten- Die klimatische Wasserbilanz, die aus dem Verhält- tielle Verdunstung als reale Verdunstung wirksam nis des Niederschlags zur potentiellen Verdunstung wird.

Abb. 2: Jahreswerte der klimatischen Wasser- bilanz im Unter- suchungsraum

64 2.3 Geologische/hydrogeologische Bedingungen Die Niederung, in der sich das Untersuchungsgebiet befindet, wird aus quartären Kiesen, Sanden und Tonen gebildet. Eine Übersicht über das vorhandene Grundwasserleiter (GWL) – Grundwasser- stauermodell (GWS) gibt nachstehende Tabelle.

Bezeichnung Zusammensetzung Mächtig- Charakteristik keit Ho Auelehm, Wiesenton, Feinsande, 0–5 m Saisonabhängige Schluffe (Holozän) Grundwasserführung Holozän

FW Sande und Kiese 3–11 m Oberer (1.) GWL (Kiesabbau) (Weichselkaltzeit) IE Tonige Schluffe (Eem-Warmzeit) 5–40 m GWS (Liegenstauer) fS (fSII Sande und Kiese (Saalekaltzeit 6–20 m Unterer (2.) Grundwasserleiter Quartär und fSI) i.e.S.) Ich Tonige Schluffe 5–15 m GWS

Pleistozän (Holsteinwarmzeit) fE2 Kiese (Elsterspätglazial) 0–50 m Unterer (3. und 4.) GWL, teilweise getrennt durch Bändertone, fE1 Sande, Kiese, Schluffe Geschiebemergel (Elster Früh- und Hochglazial) Tab. 1: Übersicht GWL-GWS

Die hydrogeologischen Bedingungen und Parameter, wie sie auch im für die Ableitung des Steu- erungsregimes erstellten geohydraulischen Strömungsmodell eingesetzt wurden, lassen sich wie folgt darstellen:

Abb. 3: Geländemorphologie Abb. 4: Quartär-Sohle

Grundwasserströmungsmodell (Berechneter Wasserspiegel Mittlere Verhältnisse)

kf-Werte / m/d 246,0000 172,0000 125,0000 86,4000 43,2000 35,6000 26,5000 17,2800 8,6400 4,3200 0,8640 0,0864 0,0009 Abb. 5: Verteilung der Durchlässigkeiten im Kieskörper Abb. 6: berechnete GW-Strömung

65 2.4 Wasserbeschaffenheit/Salinitätsver- stellung von Wasserkraft zur Förderung der Bad hältnisse Frankenhäuser Salzsole. Der insgesamt ca. 18 km lange Schwarzburger Flutgraben war zwingend er- Die Salinitätsverhältnisse der Böden des Untersu- forderlich, damit das Wasser aus den Niederungen chungsgebietes spielen für den Erhalt und die abgeführt werden konnte. Er verläuft ebenfalls am nachhaltige Entwicklung der Binnensalzstellen im Nordrand der Aue, ungefähr parallel zum Sol- Projektgebiet eine große Rolle. Mit Hilfe von Be- graben, nach Osten und mündet bei Schönfeld in rechnungen mit dem Bodenwasserhaushaltsmo- die Unstrut. Innerhalb des Rieds liegt der Graben dell HYDRUS wurde eine Bodensäule exemplarisch mit seiner Sohle stellenweise über den tiefer gele- untersucht. Hinsichtlich einer „Salzprognose“ ist genen Wiesen. Erst ab Esperstedt verläuft die Gra- aus den durchgeführten Berechnungen zusam- bensohle wieder unterhalb des Geländeniveaus. menfassend festzustellen: die klimatischen Verhält- In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (bis De- nisse bedingen eine hohe Verdunstungsrate und zember 1926) wurde im Ried ein ausgeklügeltes summarisch, über das hydrologische Jahr gese- Be- und Entwässerungssystem über eine Vielzahl hen, eine negative Grundwasserbilanz. von Gräben errichtet. Das 1926 erbaute Pumpen- Die grundwasserdynamischen Verhältnisse (gerin- haus am Flutgraben ist heute noch, jedoch mit er- ge Grundwasserflurabstände) verursachen, gekop- neuerten Pumpen, in Betrieb. Dieses Be- und pelt mit der klimatischen Wasserbilanz, eine be- Entwässerungssystem funktionierte über eine Viel- trächtliche reale Grundwasserzehrung. Die im zahl eingebauter Schieber, so dass Teilbereiche des Grundwasser gelösten Salze bilden in Verbindung Rieds unterschiedlich gesteuert werden konnten. mit dem geogen über die Grundwasserströmung Die in der Vergangenheit eingebauten Schrauben- ständig vorhandenen „Nachschub“ an Salzen die schauflerpumpen (die eine bei Ringleben leistete Grundlage für die in den Böden stattfindenden 1200 Liter pro Sekunde, die andere 600 Liter pro Mineralisationsprozesse. Sekunde) bewährten sich. Sie ermöglichten, selbst Eine Zufuhr von hoch mineralisiertem Solgraben- bei wolkenbruchartigen Niederschlägen innerhalb wasser, wie sie baubedingt in den Flutgraben mit kurzer Zeit das gesamte Ried, nötigenfalls auch zur weitläufiger Verbreitung über das Grabensystem in Rettung der Heuernte, auszupumpen. Über die das Ried stattgefunden hat, führt zu einer temporä- Folgejahre ist bemerkenswert hervorzuheben, dass ren Erhöhung der Mineralisation und begünstigt die das Grabensystem eine überaus bedeutsame Rolle Entwicklung salzliebender Pflanzen. Die permanen- in der Bewirtschaftung der Riedflächen spielte, es te Aufsalzung der Böden über das Grundwasser ist aber immer wieder hinsichtlich der aus den Unter- aber als deutlich nachhaltiger zu bewerten. haltungs- und Pflegemaßnahmen resultierenden Werden diese, im Prinzip „unveränderlichen“ Vor- Kosten zu Auseinandersetzungen zwischen den aussetzungen durch weitere Bedingungen, die die einzelnen Nutzern kam. Entwicklung einer vielfältigen Halophytenflora be- Mit der Auflösung der Meliorationsgenossen- günstigen, wie schaften 1990 wurde die Verantwortung für die Un- - günstige Lichtverhältnisse durch Zurückdrängen terhaltung der Gräben bzw. des gesamten Be- und schattenspendender Pflanzen (Schilf), Entwässerungssystems im Esperstedter Ried auf - Konkurrenzvorteile gegenüber Süßwasser lie- die Eigentümer bzw. im Fall des Flutgrabens auf die benden Pflanzen, Kommunen übertragen. Da diese sowohl finanziell - keine Verqueckung/Verfilzung der Oberfläche als auch organisatorisch diese Aufgabe nicht be- ergänzt, sind die Voraussetzungen für eine nach- wältigen konnten, kam es zu einem Verfall des Sys- haltige Entwicklung gegeben. tems und damit zu einer stark geminderten Daraus folgt, dass eine externe Zufuhr von Salz in Steuerungsfähigkeit des Wasserregimes. Erst all- das Untersuchungsgebiet – z. B. über eine Ein- mählich fand sich eine Interessengemeinschaft, die leitung von Solgrabenwasser – für den Erhalt und zumindest einen an den Bedürfnissen der Bewirt- die nachhaltige Entwicklung der Binnensalzstellen schafter orientiertes Pumpregime organisiert. nicht zwingend erforderlich ist. Eine Einleitung von Eine optimale Steuerung im Sinne einer natur- Solgrabenwasser kann aber als prozessfördernd schutzorientierten Grünlandbewirtschaftung aus und stimulierend für eine weitere Ausbreitung von der Sicht des Salzwiesenschutzes ist erklärtes Ziel Halophyten mit Erhöhung der Artenvielfalt bewertet des LIFE-Projektes. werden. 3.2 Beschreibung des derzeitigen Zustan- 3. Entwässerungs- und Pumpregime im des Projektgebiet Das heute vorliegende System wurde im Rahmen einer umfangreichen Ist-Standsanalyse erfasst. Es 3.1 Historischer Abriss wurden insgesamt 128 Bauwerke unterschiedlicher Der Solgraben wurde vermutlich schon zu Beginn Art und Größe aufgenommen: des 14. Jahrhunderts durch die Mönche des Göl- · 36 Brücken und Übergänge, linger Klosters angelegt. Hauptziel war die Bereit- · 8 Schützen- bzw. Wehranlagen,

66 · 69 Rohrdurchlässe und -einmündungen sowie 3.3 Ergebnisse der durchgeführten Feldar- sonstige Überfahrten (davon 23 mit Schütz), beiten · 15 Sonderbauwerke, · 4 Düker, Im Rahmen der Erstellung des Managementplanes · 2 Gewässerkreuze mit je 3 Rohrdurchlässen und wurden Durchflussmessungen im Grabensystem, 2 Schützen, eine begleitende Stichtagsmessung (Grund- und · 2 Stahlrohrleitungen DN 200, Oberflächenwasser) sowie Leitfähigkeitsmessun- · Kaskade Seehausen, gen im Grabensystem durchgeführt. Mit den Mes- · Überlauf Solgraben, sungen wurden die Wechselbeziehungen zwischen · Pumpenhaus mit 6 Pumpen, dem Grund- und Oberflächenwasser erfasst, ins- · Pumpensteg, besondere wurde ermittelt, in welchem Umfang der · Grobrechen, Flutgraben Wasser exfiltriert, d. h. als Input für das · Mündungsbauwerk Munchgraben, Esperstedter Ried wirksam wird. · Altanlage im Rechten Beiläufer des Flutgrabens. Bedingt durch Baumaßnahmen an einem Brücken- bauwerk wurde ab Anfang November 2004 der Sol- Insgesamt wurden 165 Gräben unterschiedlicher graben am Pumphaus (Bereich zwischen den bei- Länge und Breite vorgefunden. Die Gesamtlänge den defekten Dükern) in den Flutgraben eingeleitet. der innerhalb des Vorhabensgebietes liegenden Die Zufuhr des höher mineralisierten Solgraben- Gräben und Grabenabschnitte beträgt rd. 125 km. wassers muss sich zwangsläufig im Flutgraben als auch in dem Grabensystem im Ried widerspiegeln. Die Hauptgräben sind: Die durchgeführten Messungen der Leitfähigkeit zeigten, dass das Grabensystem im Esperstedter · ohne Unstrut (Hauptvorfluter), Ried als Gesamtsystem auf die erhöhten Leitfähig- · 1000 Solgraben (Randgraben), anteilige Länge keiten in Folge der Zuleitung des Solgrabens in den im Untersuchungsraum: 11.005 m Flutgraben reagiert. Der gemessene Anstieg des · 2000 Flutgraben (Vorfluter) anteilige Länge im Salzgehaltes belegt zudem die Infiltration von Was- Untersuchungsraum (ohne Beiläufer): ser aus dem Flutgraben in das angrenzende Ge- 9.447 m biet. · 3000 Munch- (oder Mönch-)graben (Sammel- graben), Länge im Untersuchungsraum (ohne Beiläufer): 1.678 m 4. Vorschläge für ein naturschutzfachlich · 4000 Binnenentwässerungsgraben bzw. A- orientiertes Steuerungsmanagement Graben (Vorfluter), Länge im Untersu- chungsgebiet (ohne Beiläufer): 8.618 m 4.1 Begründung der Notwendigkeit einer · 5000 Seehäuser (Grenz-)graben (Sammel- Steuerung durch Pumpen graben), Länge im Untersuchungsraum: Grundsätzlich ist festzustellen, dass das vorhande- 4.465 m ne Grabensystem (Fließrichtungen und Gefällever- · 6000 Pumpgraben zum Pumpwerk (Sammel- hältnisse) auf einen Pumpbetrieb ausgelegt wurde. graben), Länge im Untersuchungsraum: Neben dem Flutgraben ist der Binnenentwässe- 637 m rungsgraben das wichtigste Element für die Ablei- · 7000 Kummelrain (Sammelgraben), anteilige tung von Wasser in Richtung Unstrut. Die Gefälle- Länge im Untersuchungsraum: 1.704 m verhältnisse sind in Abbildung 7 dargestellt.

Höhen in m NN

mit Pumpgraben) mit

(Kreuzung A-Graben (Kreuzung

Esperstedter Ried Esperstedter

Bereich L 1221 L Bereich

Bretlebener Weg Bretlebener

Bauwerk 125 Bauwerk

Knickpunkt

Unstrutdüker

Anbindung an den an Anbindung

den Umflutkanal den Dükermündung in Dükermündung

Abb. 7: Gefällebedingungen Profil im Längsschnitt Gelände Grabensohle Wasserspiegel Vermessung im Binnenentwässe- OFW Feb 05 abges. Wasserspiegel Polynomisch (Grabensohle) rungsgraben Polynomisch (Wasserspiegel Vermessung) Polynomisch (OFW Feb 05) Polynomisch (abges. Wasserspiegel)

67 Es ist zu erkennen, dass im Binnenentwässerungs- mit über eine Infiltration von Grabenwasser in den graben, auch unter Hochwasserbedingungen, die Grundwasserleiter der Grundwasserflurabstand Gefällevoraussetzungen nicht gegeben sind, um positiv beeinflusst wird. das Wasser im freien Gefälle aus dem Esperstedter Unter Beachtung der unterschiedlichen Zeitpunkte Ried in Richtung Unstrut abführen zu können. der ersten Nutzung ausgewiesener Teilflächen ist Eine ausreichende Entwässerung des Gebietes in das zukünftige Pumpregime wie folgt zu gestalten: freier Vorflut in Richtung Unstrut wird daher auch Der als „Seehäuser Sack“ bezeichnete Westteil des zukünftig nicht möglich sein, so dass zur Errei- Esperstedter Rieds ist sein feuchtester und am chung der naturschutzfachlichen Zielstellungen ein tiefsten gelegener Teil und weist die größten Pumpbetrieb erforderlich ist. Salzpflanzenbestände auf. Die hydraulische Ab- trennung vom Entwässerungssystem des Gesamt- 4.2 Zukünftiges Pump- und Steuerungs- gebietes soll eine bedarfsweise schnellere Be- und Entwässerung ermöglichen. Beim bisherigen Sys- regime tem wird der östliche Teil des Esperstedter Rieds Unter Nutzung der Vermessungsdaten und der oft zu stark mitentwässert, und in niederschlagsrei- Grabenkontur konnte der Volumenanteil der Grä- chen Jahren lässt sich der Seehäuser Sack selbst ben im Esperstedter Ried ermittelt werden. Nach nur teilweise entwässern, was eine unzureichende den Vermessungsergebnissen hat das Graben- Nutzung des Grünlandes mit negativen Folgen für system des Esperstedter Rieds ein „Speicher- die Halophytenbestände nach sich zieht. volumen“ von ca. 63.000 m³. Das Pumpsystem soll so gestaltet werden, dass Über einen Verschnitt von definierten Wasserspie- Teilbereiche im Ried in den Sommermonaten nicht gellagen im Esperstedter Ried mit dem digitalen mit beeinflusst werden. Dies betrifft besonders das Geländemodell kann das freie Wasservolumen er- Gebiet südlich des Binnenentwässerungsgrabens, mittelt werden, welches nach einem hydrologi- welches topografisch höher liegt. Dafür ist vorgese- schen Winterhalbjahr im Ried vorhanden ist. Das hen, die dafür benötigten Schieber zu erneuern Ergebnis zeigt die Abbildung 8. bzw. das System durch einen neuen Schieber zu Die flächenhafte Darstellung der eingestauten Be- ergänzen. Über diese Regelorgane kann der Ab- reiche des Esperstedter Rieds ist in Abbildung 9 fluss gezielt aus den Gräben der definierten Flä- dargestellt. chen gesteuert bzw. Wasser zurückgehalten wer- den. Die dokumentierten Daten zeigen, dass im Frühjahr Bisher wurde versucht, mit der maximal verfügba- das im Ried stehende Wasser immer über die ren Pumpenleistung den Mahlbusen möglichst Pumpstation entfernt werden musste, da sonst die schnell abzusenken. Da das Wasser aus den an- geplante Bewirtschaftung nicht möglich war. grenzenden Gräben bzw. Flächen langsamer nach- Mit den sanierten Bauwerken (Schieber) im Ried floss, war somit keine kontinuierliche Pumpenarbeit soll erreicht werden, dass aus Teilbereichen im Ried erforderlich. Aus ökologischer Sicht ist dies eher kein bzw. weniger Wasser aus den Gräben abgezo- von Nachteil, weil Kleinstlebewesen i. d. R. keine gen wird. So liegen im Südostteil höhere Grund- Zeit haben, auf eine so erzeugte schnelle Was- wasserflurabstände vor, was in den Sommermona- serspiegelabsenkung entsprechend zu reagieren. ten, bei einem Ausbleiben von Niederschlägen, Daher wird eine geringere Pumpenleistung (über ei- Ernteverluste zur Folge hätte. Daher soll hier ein nen längeren Zeitraum) empfohlen, weil dies zu ei- höherer Grabenwasserstand gehalten werden, da- nem langsameren Absinken des Wasserspiegels

Abb. 8: Volumenbetrachtung des Esperstedter Rieds

68 Abb. 9: Wasserstandsspezifische Volumen führt. Auf den Gesamt-Stromverbrauch hätte das busen eingerammt wird und im oberen Bereich mit keine Auswirkungen, wie über Berechnungen des dem Steg verbunden ist. Der Pegelnullpunkt dieser Stromverbrauchs nachgewiesen wurde. Pegellatte wird auf eine Höhe von 119,50 m NHN festgelegt. Die Oberkante dieser Pegellatte ist dann 0,40 m höher als der Steg am Mahlbusen. Damit ist 4.3 Kontroll- und Steuermöglichkeiten des die Möglichkeit gegeben, dass das im Ried stehen- Pumpregimes de freie Wasservolumen über die Abbildung 8 er- Zum Betreten der Flächen wird für den westlichen mittelt und der erforderliche Zeitaufwand zur „Tro- Teil des Rieds ab April/Mai eine Absenkung des ckenlegung“ der Flächen entsprechend der ge- Wasserstandes auf ca. 0,80 m unter Gelände (d. h. planten Pumpenanzahl (Abbildung 10) abgeleitet auf i. M. 121,10 m NHN) notwendig. Die Stegober- werden kann. Mit diesen Pegellatten kann der ab- kante am Mahlbusen hat eine Höhe von 122,10 m gesenkte Wasserstand im Mahlbusen als auch die NHN. Damit muss hier der Wasserstand um Reaktion auf den Pumpbetrieb im beeinflussten mindestens 1 m abgesenkt werden, damit die Flä- Grabensystem ermittelt werden. chen in den genannten Zeiträumen betreten wer- Alle Pegellatten im Grabensystem sind so einzu- den können. Das dafür abzupumpende Wasser- richten, dass ihr Pegelnull den gleichen Wert hat. volumen (ohne Fremdzutritte) ergibt sich aus der Damit ist gewährleistet, dass bei einer laufenden Differenz des freien Abflusses über den Binnen- Ablesung sofort die Absolutwerte des Graben- entwässerungsgraben (bis zu einer Höhe von ca. wasserstandes durch den verantwortlichen Betrei- 121,95 m NHN) und dem genannten Absenkziel. ber ermittelt werden können und somit das Pump- Unter Bezug auf das Wasservolumen kann die er- regime optimal gesteuert werden kann. forderliche Pumpdauer in Wochen bei einem Ein- Unter Nutzung der laufenden Messungen des satz von ein, zwei oder drei Pumpen ermittelt wer- Unstrutwasserstandes am Pegel Oldisleben kön- den. Das entsprechende Diagramm zeigt Abbil- nen mit den installierten Pegellatten die Abfluss- dung 10. und Gefällebedingungen im Binnenentwässe- Zur Steuerung der Absenkung selbst ist eine Pegel- rungs- und Flutgraben weitergehend bewertet wer- latte im Mahlbusen erforderlich. Ausgehend von den. Durch laufende Messungen beim Pump- der bestehenden Stegoberkante (Höhe = 122,10 m betrieb können für die differenzierte Steuerung an NHN) sollte hier eine Pegellatte mit einer Länge von den Pegellatten weitere ergänzende Zielgrößen für 3 m angebracht werden. Diese kann an ein Stahl- die zu erreichenden Absenkbeträge gewonnen profil angeschraubt werden, welches in den Mahl- werden.

69 Abb. 10: Errechnete Pump- dauer in Bezug auf das Wasservolumen

5. Zusammenfassung 6. Literatur Die Untersuchungen, Berechnungen und Auswer- WITZENHAUSEN, R. (2000): Feststellung der Überschwem- tungen führten zu dem Ergebnis, dass mungsgebietsgrenzen der Unteren Unstrut. – HGN Hydrogeologie GmbH • die Voraussetzungen für den Erhalt und die nachhaltige Entwicklung der Binnensalzstellen BRANDT, R. (1993): Klimatologisches Gutachten Kies Oldisleben II. – HGN Hydrogeologie GmbH im Esperstedter Ried nur in Verbindung mit einer ökologisch ausgerichteten landwirtschaftlichen BÖTTCHER, H. (2003): Untersuchung der Auswirkung der Bewirtschaftung geschaffen werden können, aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung auf die Halo- phytenflora und die Betrachtung der historischen Ent- • für diese Nutzung eine gezielte Entwässerung wicklung des „Esperstedter Riedes“ in Nordthüringen der Flächen unter Bewirtschaftung des vorhan- sowie die Untersuchung der Vorkommen von Tara- denen Grabensystems einschl. der Pumpstation xum sect. palustria. – Diplomarbeit im Studiengang erforderlich ist, Landschaftsnutzung und Naturschutz, FH Ebers- walde • mit den Maßnahmen des Life-Projektes eine ziel- SCHÄFER U. & al. (1993): Hydrogeologisches Gutachten gerichtete Ertüchtigung dieses Systems erreicht Kies Oldisleben II. – HGN Hydrogeologie GmbH wird, ARGE PGNU/NATURPLAN (1995): Nutzungs- und Pflege- • die aus den Erfahrungen des bisherigen Pump- konzept für das geplante NSG „Esperstedter Ried“ betriebs unter Beachtung der naturschutzfach- zwischen Esperstedt und Bad Frankenhausen lichen Zielstellungen getroffenen Ableitungen, insbesondere die für eine konkrete Umsetzung des Steuerungsregimes in Diagrammen darge- stellten Abhängigkeiten, direkt für die praktische Umsetzung anwendbar sind.

70 Das Potenzial primärer und sekundärer Binnen- salzstellen in Thüringen für den Naturschutz – Zur Vegetation der Salzwiesen im Esperstedter Ried und an Kali-Rückstandshalden

Dr. Thomas van Elsen Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Deutschland) e.V., Witzenhausen Synopsis ten Binnensalzgebiete Deutschland, das biogeo- The salt marsh near Esperstedt is the largest inland graphisch zusammen mit weiteren Binnensalz- salt biotope in Thuringia and one of the most stellen Mitteldeutschlands ein Bindeglied „zwi- important inland salt marshes in Germany. Together schen den Salzwiesen der Meeresküste im Norden with some smaller inland salt biotopes it links the und Westen Europas und den Binnensalzstellen im salt marshes at the coast in the North with saline pannonischen Raum“ darstellt (WESTHUS et al. 1997, biotopes in the Pannonian region. The halophytes PUSCH et al. 1997). were mapped within the elaboration of the nature Im Zuge der Erstellung des naturschutzorientier- conservation management plan for the salt marsh ten Teils des Managementplans für das Esper- near Esperstedt in the EU-life-project „Preservation stedter Ried wurde auf Grundlage früherer Erfas- and development of inland saline biotopes of sungen (FORST et al. 1995, PUSCH 1995, BÖTTCHER northern Thuringia”. 2003) eine aktuelle Biotoptypen- und Salzpflan- The same region contains salt heaps as residues of zenkartierung im Gebiet durchgeführt. Die Unter- potassium mining. In their surroundings saline suchungen fanden in Hinblick auf die im Rahmen biotopes with lots of halophytes have developed. In des EU-Life-Projektes angestrebte Sicherung und 1995 these sites were mapped, too, their values for Förderung der Salzvegetation statt (VAN ELSEN et al. nature conservation were assessed and proposals 2005). Folgende Ziele dienen dem Erhalt und der for optimising were elaborated. Most heaps contain Förderung der seltenen Binnensalz-Lebensge- mainly out of salt (NaCl) that gets dissolved and meinschaften: leaves the heap as a salt solution. To preserve the • Sicherstellung der hohen Salzkonzentrationen: saline biotopes and their plants distinct measures Der hohe Salzgehalt im Esperstedter Ried speist are needed. sich zum einen durch diffus aufsteigendes salz- haltiges Grundwasser, zum andern fanden früher Stichwörter: Salzeinträge durch den damals undichten, nörd- Esperstedter Ried, Binnensalzstellen, Halophyten, lich am Gebiet vorbeigeleiteten Solgraben statt. Salzwiesen, Kali-Rückstandshalden, Naturschutz, Aktuelle Tendenzen zur Aussüßung resultieren Salzvegetation, EU-Life-Projekt außerdem aus Süßwassereintrag durch den un- dichten Flutgraben, aus abnehmender Entwäs- 1. Einleitung serungswirkung verschlammter und verschilfter Gräben, aber auch indirekt aus Veränderungen in Die Grundlage des vorliegenden Aufsatzes bilden der landwirtschaftlichen Nutzung oder aus deren zwei Untersuchungen: Zum einen die Erstellung Aufgabe. des naturschutzorientierten Teils des Management- plans für das „Esperstedter Ried“ im Rahmen des • Sicherstellung einer naturschutzfachlich opti- EU-Life-Projektes „Erhaltung und Entwicklung der mierten landwirtschaftlichen Nutzung: Die Bin- Binnensalzstellen Nordthüringens“ (VAN ELSEN et al. nensalzvegetation, aber auch die Tierwelt des 2005), zum anderen eine zehn Jahre zuvor durch- Gebietes sind existenziell auf Bewirtschaftungs- geführte „Erfassung und Bewertung schutzwür- maßnahmen der Landwirtschaft angewiesen. diger Biotope im näheren Einflussbereich von Eine zunehmende Vernässung der Grünland- Rückstandshalden der Kali-Industrie in Thüringen“ flächen zieht eine Kausalkette nach sich, die zu (VAN ELSEN 1995). Beide Untersuchungen beinhalten Nutzungsaufgabe, Brachfallen und Verschilfung floristische Bestandsaufnahmen, eine naturschutz- führt. Auch zu geringe Besatzdichten oder zu fachliche Bewertung und Vorschläge zur natur- später Beginn der Beweidung (in der Vergangen- schutzfachlichen Optimierung. heit teilweise durch ornithologisch motivierte Nutzungsauflagen gefördert) führen zu Verfilzung der Grasnarbe und zum Verlust der Salz- 2. Die Salzwiesen im Esperstedter Ried vegetation. Gleichzeitig bestehen Gefahren Das Esperstedter Ried ist als größte naturnahe durch Nutzungsintensivierung auf den trockene- Binnensalzstelle Thüringens eines der bedeutends- ren Randbereichen des Gebietes.

71 Folgende Strategien sollen diesen Erhaltungs- und Strandaster (Aster tripolium), Entwicklungszielen dienen: Strand-Milchkraut (Glaux maritima), Salzbinse (Juncus gerardii), • Sanierung des Grabensystems und Erhaltung Gemeiner Salzschwaden (Puccinellia distans), der Regulierungsmöglichkeiten: Die Steuerungs- Strand-Dreizack (Triglochin maritimum), möglichkeit zur Ent- und ggf. auch Bewässerung Gemeiner Queller (Salicornia europaea s. l), des Gebietes bildet die Grundlage, dass auch Salz-Schuppenmiere (Spergularia salina), weiterhin eine die Halophyten fördernde land- Flügelsamige Schuppenmiere (Spergularia wirtschaftliche Nutzung im Esperstedter Ried at- maritima). traktiv bleibt und sichergestellt wird. • Optimierung der landwirtschaftlichen Nutzung: Im Rahmen der aktuellen Bestandsaufnahme wur- Auf Grundlage der Bestandserfassung wurden de ein Bereich als Binnensalzstelle bzw. als „Salz- Vorschläge für ein naturschutzfachlich optimier- wiese“ (E 111) angesprochen, wenn mindestens tes Grünland-Bewirtschaftungskonzept erarbei- vier dieser acht „Kennarten“ vorkommen oder tet. Darüber hinaus ist die Umsetzung einer Rei- mindestens drei der „Kennarten“ und zusätzlich he konkreter Naturschutzmaßnahmen vorgese- drei weitere halophile Arten vorzufinden sind. In hen. Langfristig Erfolg versprechend erscheint wenigen Fällen wurde von dieser Einstufung abge- der Erhalt und die Entwicklung der wertvollen wichen, wenn die Artenzahl der Binnensalzstellen Binnensalzstelle Esperstedter Ried, wenn es ge- nicht erreicht wird, die vorhandenen Salzarten aber lingt, die Landwirtschaft aktiv und partizipativ in mit sehr hoher Deckung auftreten und somit eine die Naturschutzzielsetzungen einzubinden. eindeutige starke Salzbeeinflussung gegeben ist. Abb. 1 zeigt die Ergebnisse der Kartierung (vgl. • Beibehaltung bzw. Förderung einer Nutzungs- auch Tab. 1). diversität mit unterschiedlichen Beweidungs- rhythmen und Mahdzeitpunkten: Aufgrund der Flächengröße des Esperstedter Rieds besteht das Ziel, über der Förderung der Halophyten hin- 2.2 Halophytenarten im Esperstedter aus der Verantwortung für den Erhalt der Vielzahl Ried – Kartierung 2004 vorkommender Tier- und Pflanzenarten mit un- terschiedlichen Ansprüchen an die Bewirtschaf- 2.2.1 Durchführung der Kartierung und tung gerecht zu werden. Insbesondere betrifft Einstufung der Halophytenarten dies den Schutz und die Förderung von Boden- Die Kartierung der Halophyten (32 Arten) wurde pa- brütern, für die das Gebiet ebenfalls von heraus- rallel zur Biotoptypenkartierung durchgeführt. Die ragender Bedeutung ist. Parzellierung des Untersuchungsgebietes in einzel- ne Wirtschaftsflächen bildete die Kartiergrundlage. Die Angaben zu Fundort und Häufigkeit beziehen 2.1 Biotoptypen im Esperstedter Ried – sich auf diese Einzelflächen. Die Einstufung der je- Kartierung 2004 weiligen Art als Salzart erfolgte nach PUSCH et al. Im Zeitraum vom 29.06. bis 06.09.2004 wurden die (1997). Als Hauptanhaltspunkt für das Vorkommen Biotoptypen im Untersuchungsgebiet erfasst. Auf- der Halophyten dient die Kartengrundlage von grund des späten Kartierungsbeginns konnten nur SPARMBERG et al. (1996). Die dort angegebenen wenige Flächen vor der Mahd, also im optimalen Fundorte wurden genau abgesucht; meist konnten Zustand, kartiert werden. Die meisten Flächen die Angaben bestätigt werden. In den meisten Fäl- sind landwirtschaftlichen Förderprogrammen an- len, in denen einzelne Arten nicht gefunden wur- geschlossen und können ab dem 1. Juli genutzt den, konnten Herr H. Böttcher (Artern) und Herr werden. Das Auftreten charakteristischer Arten Dr. J. Pusch (Bad Frankenhausen) bestätigen, die (besonders der Salzarten) ließ dennoch eine siche- jeweilige Art (z. B. Plantago maritima, Hordeum re Ansprache der jeweiligen Biotoptypen zu. secalinum) in den letzten Jahren dort gefunden zu Die Geländearbeit wurde federführend von Dipl.- haben. Nur an einigen wenigen Standorten bleibt Biol. Carola Hotze unter Mitwirkung von Dr. Petra offen, ob die angegebenen Arten dort noch existie- Fischer und Dr. Bettina Günzl durchgeführt, denen ren. Das trifft beispielsweise für Arten zu, die sich an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Die Kartener- nicht durch einen auffallenden Blühaspekt hervor- stellung besorgte die HGN Nordhausen als feder- heben (z. B. Bupleurum tenuissimum, Scorzonera führender Auftragnehmer bei der Erstellung des parviflora, Samolus valerandi) und somit bei einem Managementplans. Vorkommen von nur einzelnen Exemplaren in einer Die Einstufung sowohl der Binnensalzstellen mehrere Hektar großen Wiesenfläche schwierig zu (Biotoptyp E 111 „Salzwiesen“) als auch der Halo- finden sind. phytenarten (s. u.) richtet sich nach der Einteilung Einige Arten, besonders Hordeum secalinum, ge- von PUSCH et al. (1997), bei der folgende acht Salz- langten nach der Mahd nicht mehr zur Blüte und arten als „Kennarten“ der naturnahen Salzstellen konnten aufgrund des späten Beginns der Kartie- Thüringens gewertet werden: rung nicht angesprochen werden. Es konnten aber

72 (Natura 2000-Code 1340) ThürNatG) nach § 18 ThürNatG) Ufervegetation (geschützt nach § 18 ThürNatG) (G101-G106) (G131-G134) (geschützt nach § 18 ThürNatG) (geschützt nach § 18 ThürNatG) (geschützt nach § 18 ThürNatG) junge Gehölzpflanzungen sen) (geschützt nach § 18 ThürNatG) ohne Schilfsaum mit Schilfsaum Graben ohne Schilfsaum Standorte und Siedlungsgebiete Nummer der Teilflächen Untersuchungsgebiet Projektgebiet Abgrenzung des Lebensraumtyps Salzstellen (Natura 2000-Code 1340) E 111E Salzwiese (geschützt nach § 18 E 112 Strandsimsen-Röhricht (geschützt E 113 und Salzwasserbeeinflusste Wasser- G10 Nass- und Feuchtgrünland G11G13 (G112-G115e) Frischgrünland Aufgelassenes Grasland G14 (G141) Staudenfluren S121 Unbeschattete Kleingewässer < 1 ha S162 Sand- und Kiesgruben L101 nasser Standorte Weidengebüsch L133 Strukturarme Feldgehölze, L170 Flächige Obstgehölze (Streuobstwie- L180L140 und Obstbaumreihen Obstbäume und Alleen Baumreihen F133F134 Schilfbestandener Graben F135 Graben (Überwiegend) Trockener Graben offener Wassergefüllter, F135a Graben offener Wassergefüllter, F136 offener Solgraben, wassergefüllter, UA stark überformte Anthropogen (A130-A140) Acker Tab. 1:Tab. Biotoptypen Legende Stand 2004(Salzvegetation) Sonderbiotope Salzstellen des Binnenlandes et al. (2005) LSEN E AN Abb. 1:V Erstellung: H. Braune, HGN. Aus Biotoptypen; Kartierung 2004 (Kartengrundlage: TK 10). Technische

73 auch neue Fundorte einiger bekannter Arten (z. B. Alle als Binnensalzstellen bzw. als Sonderbiotope Aster tripolium, Glaux maritima, Scorzonera parvi- (Salzvegetation) angegebenen Biotoptypen (vgl. flora, Triglochin maritimum) festgestellt werden. Be- Tab. 1) weisen in unterschiedlicher Ausprägung die sonderes Augenmerk wurde bei der Kartierung auf oben genannten Pflanzengesellschaften auf. Da die Kleinblütige Schwarzwurzel (Scorzonera parvi- eine Biotoptypenkartierung und keine Kartierung flora) und den Dickblättrigen Gänsefuß (Chenopo- der Pflanzengesellschaften vorgenommen wurde, dium botryodes) gerichtet. Innerhalb Thüringens ist eine genaue quantitative Aussage zur Verbrei- sind diese Arten nur hier im Untersuchungsgebiet tung der einzelnen Gesellschaften nicht möglich. nachgewiesen. Auftragsgemäß wurde eine genau- - Auf den als „E 111“ angeführten Salzwiesen- ere Bearbeitung der Gruppe der Sumpf-Löwenzäh- flächen sind die Strandsoden-Queller-Flur (nur ne (Taraxacum sect. Palustria) nicht vorgenommen, auf einer Fläche), der Schuppenmieren-Salz- zumal BÖTTCHER (2003) gerade erst die Verbreitung schwaden-Rasen (Strandaster-Salzschwaden- der Löwenzahn-Sippen im Gebiet bearbeitet hat. Rasen) und der Salzbinsen-Rasen zu finden. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die im Esper- - Das Strandsimsen-(Brackwasser)Röhricht (E stedter Ried vorkommenden Halophytenarten, de- 112) wird gesondert in der Biotoptypenkarte dar- ren Verbreitung im Gebiet in VAN ELSEN 2005 et al. gestellt. zusätzlich kartographisch dargestellt wird. - Die salzwasserbeeinflusste Wasser- und Ufer- Tabelle 3 gibt eine Übersicht über die 2004 im vegetation (E 113) setzt sich aus kleinräumig Untersuchungsgebiet festgestellten Salzwasser- wechselnden, häufig dominant auftretenden ver- und Salzboden-Gesellschaften (vgl. TLUG 2001). schiedenen Salzpflanzen zusammen.

Kürzel wissenschaftlicher deutscher Name Gefährdung Bemerkung Name A Althaea officinalis Echter Eibisch 3 § Ap Apium graveolens Echter Sellerie 2 As Aster tripolium Strandaster At Atriplex prostrata Spießmelde B Bolboschoenus maritimus Gemeine Strandsimse Bu Bupleurum tenuissimum Salz-Hasenohr 2 Cd Carex distans Entferntährige Segge 3 Ch Carex hordeistichos Gerstensegge 2 A V Cp Centaurium pulchellum Zierliches 3 § Tausendgüldenkraut Cb Chenopodium botryodes Dickblättriger Gänsefuß 2 Cg Chenopodium glaucum Graugrüner Gänsefuß Cr Chenopodium rubrum Roter Gänsefuß Eu Eleocharis uniglumis Einspelzige Sumpfsimse 3 G Glaux maritima Strand-Milchkraut 2 H Hordeum secalinum Wiesengerste 1 J Juncus gerardii Salzbinse 3 L Lotus tenuis Salz-Hornklee M Melilotus dentata Salz-Steinklee 3 Pm Plantago maritima Strandwegerich 2 P Puccinellia distans Gemeiner Salzschwaden (P) Puccinellia limosa Sumpf-Salzschwaden 2 V R Rumex maritimus Strandampfer Se Salicornia europaea Gemeiner Queller 3 Sv Samolus valerandi Salzbunge 2 St Schoenoplectus Salz-Teichsimse tabernaemontani Sp Scorzonera parviflora Kleinblütige Schwarzwurzel 1 A V Sm Spergularia maritima Flügelsamige 3 Schuppenmiere Ss Spergularia salina Salz-Schuppenmiere Tm Tetragonolobus maritimum Gelbe Spargelerbse 3 Tf Trifolium fragiferum Erdbeer-Klee 3 T Triglochin maritimum Strand-Dreizack 3 Z Zannichellia palustris Sumpf-Teichfaden Tab. 2: Halophytenarten im Esperstedter Ried (2004)

74

Pflanzengesellschaften Gefährdung(A/B/C) Bemerkung Strandsoden-Queller-Flur 3 § Salicornietum brachystachyae Christiansen 1955 3/1/- (Salicornietum ramosissimae Christiansen 1955, Salicornietum europaeae germanicum Altehage 1939) Vorkommen an naturnahen Binnensalzstellen 2 §

Schuppenmieren-Salzschwaden-Rasen § Spergulario-Puccinellietum distantis Feekes (1934) 1943 (inkl. Spergularietum salinae Tx. et Volk 1937, Astero tripoli-Puccinellietum distantis Weinert [1956] 1989) Ausbildungsformen an naturnahen Binnensalzstellen 3 § 3/-/2

Salzbinsen-Rasen 3 § Juncetum gerardii Nordhagen1923 nom. conserv. 3/2/2 propos.(Junco-Glaucetum maritimae R. Schubert et Mahn 1962)

Strandsimsen-Brackwasserröhricht 3 § Bolboschoenetum maritimi Van Landendonck 1931 3/2/2 Tab. 3: Übersicht Salzpflanzen-Gesellschaften im Esperstedter Ried (2004)

Gefährdung (TLUG 2001: 377ff.): - A = „Gefährdung durch Flächenrückgang“ - B = „Floristische Verarmung und Wandel in der Bestandesstruktur“ - C = Abnahme der Vielfalt an Ausbildungsformen“ 1: Vom Aussterben bedroht 2: Stark gefährdet 3: Gefährdet Bemerkung (gesetzlicher Schutz und Verantwortlichkeit) - §: nach § 20a Abs. 5 BNatSchG bzw. § 18 ThürNatG besonders geschützt - V: Verbreitungsschwerpunkt Thüringen (Arten, die innerhalb Deutschlands ihren deutlichen Verbreitungsschwer- punkt in Thüringen besitzen) - A: Arealrand (Arten, deren Arealrand Thüringen berührt, bzw. die ein isoliertes Teilareal [„Vorposten“] in Thüringen besitzen)

Die Strandsoden-Queller-Flur ist im UG nur auf 1996). Dieser Hemikryptophyt hat seinen Verbrei- einer Grünlandfläche mit geringer Flächenausdeh- tungsschwerpunkt nicht wie die meisten Halophy- nung zu finden. Der Schuppenmieren-Salzschwa- ten an den Küsten, sondern in kontinentalen Gebie- den-Rasen erreicht die bei weitem größte Ausbrei- ten. Das isolierte Vorkommen an nur wenigen wei- tung der Salzpflanzengesellschaften im UG. Durch teren Fundorten im Mitteldeutschen Trockengebiet sehr kleinräumigen Wechsel mit dem Salzbinsen- und die späten Erstfunde schließen eine Einschlep- Rasen ist eine Abgrenzung nicht immer sicher fest- pung nicht aus (SCHUBERT & WEINERT 1978, WEINERT zulegen. Der Salzbinsen-Rasen tritt meist klein- 1989 zit. in FORST et al. 1995). Scorzonera parviflora flächig auf; die Gesamtausdehnung der Gesell- scheint starken Bestandsschwankungen zu unter- schaft dürfte etwas geringer sein als bei dem liegen (PUSCH, J., mdl. Mitt. 16.09.04). WESTHUS & Strandsimsen-Brackwasserröhricht. ZÜNDORF (1993) geben die Kleinblütige Schwarzwur- Die Flächengröße des Strandsimsen-Brackwasser- zel in der Roten Liste Thüringens mit der Gefähr- röhrichts ist anhand der Biotoptypenkarte (Abb. 1) dungskategorie 0, also als ausgestorben, ausgerot- abzulesen, da die gut abzugrenzende Gesellschaft tet oder verschollen an. 1993 fand Herr J. Pusch gesondert dargestellt wird. nach intensiver Suche im Esperstedter Ried an mehreren Wuchsorten insgesamt etwa 1000 Pflan- zen (PUSCH et al. 1997). Bei der aktuellen Kartierung 2.2.2 Ergebnisse der Halophytenkartierung in 2004 sind einige tausend Pflanzen gefunden Die Kleinblütige Schwarzwurzel (Scorzonera parvi- worden. Die Fundorte liegen auf regelmäßig ge- flora, Abb. 2) wurde erst 1921 im Esperstedter Ried mähten oder beweideten Flächen; dagegen hat entdeckt; sie gilt bundesweit als stark gefährdet die Kleinblütige Schwarzwurzel in dichten Schilf- (Angaben zur bundesweiten Gefährdung nach BfN beständen keine Chance, sich zu etablieren. Erfreu-

75 grund der morphologischen Übergänge zwischen beiden Arten ist eine Angabe der Häufigkeit nicht genau möglich, zumal Chenopodium rubrum und Chenopodium botryodes i. d. R. gemeinsam in dichten Herden auftreten. Festzustellen ist aber, dass beide Arten verhältnismäßig häufig im Gebiet vertreten sind. Es ist zu vermuten, dass die Verbrei- tung von Chenopodium botryodes ungenügend bekannt ist und diese Art sicher auch an weiteren Orten in Thüringen vorkommt (FORST et al. 1995). Die Gerstenährige Segge (Carex hordeistichos), die bundesweit als stark gefährdete Art eingestuft ist, konnte nur noch am Ufer der Kiesgrube gefunden werden. Frühere Angaben über das Vorkommen di- rekt im Esperstedter Ried können nicht bestätigt werden. Diese Art wurde jedoch 1981 von der Uni- versität Halle an der Kiesgrube ausgepflanzt. Es ist unklar, ob die heutigen Exemplare autochthon sind, oder ob sie auf die ausgepflanzten Individuen zu- rückgehen (FORST et al. 1995). Das Salz-Hasenohr (Bupleurum tenuissimum) ist bundesweit stark gefährdet. Im Esperstedter Ried selbst konnte diese Art nicht gefunden werden, aber am Ufer bzw. Damm des Solgrabens zwischen Esperstedt und Ringleben kommt sie stellenweise in größeren Beständen vor. Auch auf den Wiesen- flächen zwischen diesen beiden Orten ist das Salz- Abb. 2:Die Kleinblütige Schwarzwurzel (Scorzonera Hasenohr mit einzelnen Exemplaren vertreten. parviflora), eine floristische Besonderheit im Bundesweit ist der Strand-Wegerich (Plantago Esperstedter Ried (Foto: C. Hotze) maritima) als stark gefährdet eingestuft. Das von (FORST et al. 1995) genannte Vorkommen auf einer licherweise gelangte Scorzonera parviflora auch Fläche konnte selbst nach intensiver Suche nicht nach der Mahd (Anfang Juli) noch zur Blüte. gefunden werden. Jedoch bestätigen Herr Dr. J. Der Dickblättrige Gänsefuß (Chenopodium botryo- PUSCH, (mdl. Mitt. 16.09.04) und Herr H. BÖTTCHER des) lässt sich im Gelände nur schwer vom Roten (mdl. Mitt. 24.07.04), Plantago maritima dort im Vor- Gänsefuß (C. rubrum) unterscheiden. War die ein- jahr noch in wenigen Exemplaren gesehen zu ha- deutige Zuordnung nicht möglich, wurde die jewei- ben. Im Rahmen der vorliegenden Kartierung konn- lige Fläche nach Exemplaren mit eindeutigen Merk- te der Strand-Wegerich zwischen Esperstedt und malen abgesucht. Nur dann erfolgte eine Fundort- Ringleben im Bereich von Flächen auf dem Gras- angabe für Chenopodium botryodes, wenn sicher weg zwischen Solgraben und südöstlicher Wiese bestimmbare Exemplare vorhanden waren. Auf- nachgewiesen werden.

Abb. 3: Salicornia europaea auf offenen Bereichen der Rinderweidefläche östlich des Pumpenhäuschens

76 Abb. 4: Das Ufer des Solgrabens ist von Halophyten gesäumt.

Wenige Individuen des Echten Selleries (Apium graveolens), einer bundesweit stark gefährdete Art, konnten am Solgraben gefunden werden, hier ins- besondere im Bereich von Esperstedt. Der bundesweit stark gefährdete Gemeine Queller (Salicornia europaea) konnte zeitweise im Unter- suchungsgebiet, außer am Solgraben, nicht mehr nachgewiesen werden (FORST et al. 1995). Die Art ist auf das Vorhandensein offener Böden angewiesen und tritt außerdem nicht jedes Jahr gleichermaßen auf. In 2004 konnte Salicornia europaea nur auf ei- ner von Rindern stark genutzten Fläche in großer Zahl nachgewiesen und somit bestätigt werden (Abb. 3). Auf einer weiteren Fläche mit früheren Nachweisen konnte Salicornia europaea bei der Kartierung (21.7.2004) dagegen nicht wiedergefun- den werden, hier konnte sich die Art aufgrund der vorherrschenden dichten Vegetationsstruktur nicht entwickeln. Da die späte (ab ca. 23.07.04) Bewei- dung auf dieser Parzelle recht intensiv war, ist nicht auszuschließen, dass der Queller später im Jahr 2004 noch aufgetreten ist. Am Ufer des Solgrabens (Abb. 4) ist der Queller mit unterschiedlicher Häu- figkeit vertreten. Südwestlich von Schönfeld be- deckt Salicornia den Uferrand des Solgrabens (Abb. 4) abschnittsweise flächendeckend. Im Esperstedter Ried besitzt der Echte Eibisch (Althaea officinalis), eine bundesweit gefährdete Art, seinen Verbreitungsschwerpunkt im Rand- bereich der Gräben (Abb. 5). Meist vereinzelt ist er auch auf den Wiesenflächen zu finden, jedoch scheint die Mahd dort eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Im südlicheren Bereich des Riedes tritt Abb. 5: Echter Eibisch (Althaea officinalis) im Rand- der Echte Eibisch deutlich seltener auf. bereich der Gräben

77 Die Arten Salzbinse (Juncus gerardii), Gemeiner distans) kommen am Kiessee stellenweise häufig Salzschwaden (Puccinillia distans), Spießmelde vor. Diese Arten treten darüber hinaus verstreut in (Atriplex prostata) und Gemeine Strandsimse (Bol- anderen Bereichen des Untersuchungsgebietes boschoenus maritimus) kommen sehr häufig im Un- auf. Lediglich von Carex distans wurde nur ein wei- tersuchungsgebiet vor. Der Sumpf-Salzschwaden terer Fundort in einem Graben nachgewiesen. (Puccinellia limosa), bundesweit eine gefährdete Der Strandampfer (Rumex maritima) tritt mit einzel- Art, ist für das Esperstedter Ried angegeben (BAR- nen Individuen an den Gräben, seltener auf den THEL & PUSCH 1999), ist jedoch im Gelände nicht ein- Wiesenflächen, auf. Das Vorkommen der bundes- deutig vom Gewöhnlichen Salzschwaden (Pucci- weit gefährdeten Gelben Spargelerbse (Tetragono- nellia distans) unterscheidbar. Es wird davon aus- lobus maritimum) beschränkt sich auf den Bereich gegangen, dass diese Art besonders im westlichen um den Kiessee. Der Sumpf-Teichfaden (Zanni- Riedbereich noch vorkommt. chellia palustris) kommt in vielen größeren Gräben Ziemlich regelmäßig in den Salzwiesen vertreten und im Kiessee vor. Die bundesweit gefährdete sind Strand-Milchkraut (Glaux maritima), Strand- Wiesengerste (Hordeum secalinum) ist an mindes- aster (Aster tripolium), Graugrüner Gänsefuß (Che- tens drei Stellen im Esperstedter Ried zu finden. nopodium glaucum), Einspelzige Sumpfsimse (Ele- Die Art gelangte jedoch nach der Mahd nicht mehr ocharis uniglumis), Salz-Hornklee (Lotus tenuis), zur Blüte, somit könnten zum Kartierzeitpunkt nach Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum), der bundesweit der Mahd vorhandene Pflanzen leicht übersehen gefährdete Strand-Dreizack (Triglochin maritimum, worden sein. Abb. 6), Salz-Schuppenmiere (Spergularia salina) Im Esperstedter Ried kommen eine Reihe weiterer und Flügelsamige Schuppenmiere (S. maritima). bemerkenswerter Pflanzenarten vor, die keine Der bundesweit gefährdete Salz-Steinklee (Melilo- deutliche Bindung an salzhaltige Böden aufwei- tus dentata) ist etwas seltener. sen. Vom Breitblättrigen Merk (Sium latifolium) wurden nur wenige Exemplare gefunden. Die Kleine Malve (Malva pusilla) wurde mit wenigen Exemplaren am Solgraben und außerdem auf einer Wirtschafts- fläche gefunden. Gelegentlich tritt die Falsche Fuchs-Segge [Carex cuprina (otrubae)] im Gebiet auf. Der Krähenfuß (Coronopus squamatus) und das Hartgras (Sclerochloa dura) kommen im Unter- suchungsgebiet auf unbefestigten Wegen vor. Die Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum) tritt nur außerhalb salzbeeinflusster Standorte und hier meist in Horden auf. Das Echte Eisenkraut (Verbena officinalis) wurde mit wenigen Exemplaren am östli- chen Ufer des Kiessees und am Solgraben gefun- den. Als Fundorte des Trespen-Federschwingels (Vulpia bromoides) wurden das Ostufer des Kies- sees und ein Wegrand am Solgraben festgestellt. Im Gebiet zerstreut aufzufinden ist der Wiesen- Alant (Inula britannica), der hier bevorzugt in Grup- pen auftritt. Die Pflanze gelangt auch nach der Mahd Anfang Juli noch zur Blüte. Das Niedrige Veilchen (Viola pumila) findet sich auf einer Fläche (PUSCH, J., mdl. Mitt. 16.09.04) ebenso wie der Kantige Lauch (Allium angulosum), der auch an wenigen weiteren Wiesenrandbereichen gefunden wurde. Gegenüber den Angaben von 1997 (PUSCH et al.) wurden nicht gefunden: die in Thüringen gefährde- te (TLUG 2001) Rosen-Melde (Atriplex rosea) – auch Herr Dr. J. PUSCH (mdl. Mitt. 16.09.04) konnte keine aktuellen Fundorte benennen; und der bun- Abb. 6: Triglochin maritimum desweit und in Thüringen vom Aussterben bedroh- te (BfN 1996, TLUG 2001) Felsen-Beifuß (Artemisia Die Salz-Teichsimse (Schoenoplectus tabernae- rupestris). Angaben der zuletzt genannten Art exis- montani), die bundesweit stark gefährdete Salz- tieren vom Westufer des Kiessees, wo der Felsen- bunge (Samolus valerandi), das Zierliche Tausend- Beifuß um 1980 angepflanzt wurde (FORST et al. güldenkraut (Centaurium pulchellum) und die bun- 1995). 1996 fand sich nur noch ein sehr spärliches desweit gefährdete Entferntährige Segge (Carex Vorkommen (BARTHEL & PUSCH 1999).

78 2.3 Perspektiven für den Erhalt der Salz- vegetation durch Kooperation des Naturschutzes mit der Landwirtschaft Für die Flächen im Esperstedter Ried wurden auf Grundlage der Kartierungen flächenspezifische Vorschläge zur naturschutzfachlichen Optimierung der Bewirtschaftung erarbeitet. Im Management- plan sind für jede Parzelle zu entnehmen: Name des Bewirtschafters, Besonderheiten, Salzarten fördernde Nutzung, aktuelle Nutzung, aktuelle För- derung (und Zeitraum) durch KULAP, vorgeschla- gene Förderung durch KULAP, Bemerkungen zur derzeitigen Nutzung (VAN ELSEN et al. 2005). Folgen- Abb. 7: Sanierungsmaßnahmen am Grabensystem stel- de Förderprogramme werden aktuell auf Flächen len künftig die Regulierung des Wasserstandes im Esperstedter Ried in Anspruch genommen: im Ried sicher. A1: Ökologischer Landbau; Grünland: 205 €/ha derzeit nicht realisierbar. Die befragten Landwirte zeigten Vorbehalte wegen der regelmäßigen Win- B22: Dauergrünland: 180 €/ha terüberschwemmungen, die für die Gesundheit der B43: Umwandlung Ackerland in Grünland bis Tiere nicht zuträglich sind und der Notwendigkeit zu AZ 45 in Wiesenbrütergebieten/Überflu- der Zufütterung im Winter. Die derzeit im Gebiet zur tungsbereich: 485 €/ha Beweidung als Weidetiere gehaltenen Rinder und Pferde (-rassen) eignen sich nicht für eine ganzjäh- C44: Wiesenbrüter/Mahd ab dem 1.7.: 405 €/ha. rige Beweidung; die Umstellung auf ein solches Nutzungssystem wäre für die Landwirte mit hohen Auf vielen Flächen des Esperstedter Rieds wäre Investitionen verbunden. zum Schutz der Salzpflanzen eine frühere Nutzung Das naturschutzfachliche Leitbild für das Esper- als beim bisherigen KULAP C44 mit dem ersten stedter Ried lässt sich in der Formulierung „Vielfalt Schnittzeitpunkt 1. Juli vorteilhaft, um den Salz- durch optimierte und differenzierte Nutzung“ zu- pflanzen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. sammenfassen. Vordringliches Ziel dabei muss es Durch neue Vertragsvarianten soll diese Möglich- sein, eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit keit künftig gegeben sein, was bezogen auf die Be- den Landwirten zu entwickeln. Die vorgeschlage- wirtschaftung eine Intensivierung bedeutet, die nen Maßnahmen sind dazu geeignet, die Halophy- sich generell auf eine häufigere bzw. frühere Weide- ten in ihrem Bestand langfristig zu erhalten und und/oder Mahdnutzung bezieht. gleichzeitig die weitere Nutzung des Gebietes Die sicherlich nur in trockenen Jahren realisierbare durch die Landwirtschaft attraktiv zu gestalten – frühere Nutzung würde der Verschilfung entgegen was auf lange Sicht unabdingbar ist, denn Nut- wirken und die Bedingungen für Salzpflanzen ver- zungsaufgabe und Brachfallen hätten fatale Aus- bessern. Vertragsvarianten, die das Stehenlassen wirkungen auf die schützenswerte Salzpflanzen- von 5–20 % des Aufwuchses auf der Fläche bis zu vegetation. einem späteren Zeitpunkt (15.7., 15.8.) beinhalten, sind weiterhin zur Förderung der Habitatvielfalt für 3. Binnensalzstellen an Kali-Rück- Wiesenbrüter möglich. Eine Beweidung im Esper- stedter Ried ist vorteilhaft für die Entwicklung der standshalden in Thüringen Salzpflanzen, da die Bodenverwundung die Ent- 3.1 Halden der Kali-Industrie als Ursache wicklung insbesondere der annuellen Pionierarten fördert. sekundärer Binnensalzstellen Wesentliche Voraussetzung für die Weiterführung Außer primären Binnensalzstellen entstanden in der landwirtschaftlichen Nutzung ist die bereits den letzten hundert Jahren zahlreiche anthropoge- 2005 eingeleitete Sanierung des Grabensystems ne Binnensalzstellen durch den Abbau von Kalisal- und Erhaltung der Regulierungsmöglichkeiten zen im Umland von Produktionsanlagen der Kali- (Abb. 7). Die Akzeptanz der Landwirte zur Fortset- Industrie. Die Nutzung von Flüssen und Bächen zung der Nutzung der Flächen im Esperstedter als „Vorfluter“ für salzhaltige Abwässer, die Ver- Ried unter Einbeziehung der KULAP-Auflagen wur- pressung von Salzwasser in den Untergrund sowie de im Rahmen der Betriebsleiterbefragungen im die Aufhaldung salzhaltiger Produktionsrückstände Rahmen der Erstellung des Managementplans be- führten zu Umweltbelastungen – aber auch zur Ent- stätigt. Das von REISINGER (2005) vorgeschlagene stehung neuer Lebensräume. In der Werraaue kam Konzept einer extensiven Ganzjahresbeweidung, es zur Ansiedlung spezieller Salzpflanzen-Gemein- dessen naturschutzfachlicher Erfolg (Förderung der schaften als Folge salzhaltiger Abwässer (KRISCH Salzvegetation) von einem differenzierten Manage- 1968 u. 1970, BÖNSEL 1989, VOLLRATH & BETTINGER ment der Besatzdichte abhängt, ist zumindest 1991).

79 Anthropogene Salzstellen mit typischen Halophy- An Wasseraustrittsstellen am Haldenfuß (Abb. 8) ten haben sich auch im unmittelbaren Umfeld von konzentrieren sich Vorkommen der Salzsoden- Kali-Rückstandshalden entwickelt. Im Bundesland Queller-Flur (Salicornietum ramosissimae Christ. Thüringen hinterließ der seit 1896 bis zum Anfang 1955), deren Arten die hohen Salzgehalte dieser der 90er Jahre dieses Jahrhunderts betriebene Bereiche vertragen. Auch Böschungsränder von Kalisalz-Bergbau zahlreiche Rückstandshalden in Abflussgräben und frisch geschobene Wege im zwei Regionen – dem „Werra-Kali-Revier“ und dem Vorfeld des Haldenfußes werden bei ausreichender „Südharz-Kali-Revier“. Die größten der Halden er- Feuchte besiedelt. Nur in einem Fall (Roßleben reichen über 100 m Höhe und bedecken eine Nord) wurde der Queller (Salicornia europaea, RL 2) Grundfläche von bis zu 65 ha (HAUSKE & FULDA 1990, auch auf randlichen Teilen einer Rückstandshalde SCHAEF & LIEBMANN 1991); daneben existieren weite- gefunden. Die stark gefährdete (RL 2) Gesellschaft re, oft seit vielen Jahrzehnten ungenutzte Klein- (in der zuvor publizierten Fassung der Roten Liste halden. Die sechs Großhalden des Südharz-Kali- sogar als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft) reviers bei den Orten Bischofferode, Bleicherode, konzentriert sich auf Pionierstandorte mit hohen Menteroda, Roßleben, Sollstedt und Sondershau- Salzgehalten und fehlt daher im Einflussbereich sen bestehen zu rund 75 % aus Steinsalz (NaCl). An der meisten Kleinhalden. Mit dem Queller als vor- ihrer Oberfläche bildet sich durch niederschlags- herrschender Art ist die Strand-Sode (Suaeda bedingte Auswaschung des Salzes eine nach 20 maritima, RL 2) vergesellschaftet. Die Pionier- Jahren etwa 30 cm mächtige Schicht, die zu über gesellschaft tritt – z. T. mit Massenbeständen des 90 % aus Gips und Anhydrit sowie Tonmineralen Quellers – an den sechs Großhalden auf; weitere besteht (HEINZE & FIEDLER 1979, HEINZE & LIEBMANN Fundorte befinden sich im Werra-Kalirevier, an den 1991). Die Halden im Werra-Revier sind erheblich Kleinhalden kommt die Gesellschaft nur punktuell kleiner, da das Abfallprodukt Steinsalz in gelöster vor. Bemerkenswert ist das Fehlen der Strand- Form in den „Vorfluter“ Werra abgegeben oder Sode an der Großhalde Volkenroda, während die auch in Bohrlöcher verpresst wurde – z. B. besteht Art am wenige Kilometer weiter südlich befindli- die Rückstandshalde Dorndorf zu fast 80 % aus chen Schacht Pöthen auftritt. Gips und zu 12 % aus Magnesiumsulfat; der Natri- umchlorid-Gehalt liegt bei 0,2 % (Analyse der Kali- Werra AG 1992). Nach LIEBMANN & HEINZE (1980) laufen auf die Halden auftreffende Niederschläge kaum oberflächig ab. Nur etwa 10–20 % des Niederschlagswassers ver- dunstet; bei schütterer Vegetation verdoppelt sich diese Rate bereits. Der Rest versickert im Halden- körper und löst vor allem das leichtlösliche Natri- umchlorid, wodurch an der Haldensohle eine „ge- sättigte Salzlösung von rund 340 g Salz im Liter und mehr“ (LIEBMANN & HEINZE 1980) austritt. Der Anteil des unter der Halde versickernden Salzwassers ist abhängig von der Durchlässigkeit des geologi- schen Untergrundes – keine der Steinsalzhalden im Südharz-Kalirevier besitzt eine künstliche Basisab- dichtung. Heute ist mit dem Werk Unterbreizbach im Werra-Revier nur noch ein Kalibergwerk in Thü- ringen in Betrieb. Nach der Stilllegung des letzten Schachtes mit Großhalde im Jahr 1993 (Bischoffe- rode) hat eine Altlasten-Sanierung begonnen – mit dem Ziel, die von den ehemaligen Produktionsan- lagen ausgehenden Umweltgefährdungen zu redu- zieren.

3.2 Die salzbeeinflusste Flora und Vegeta- tion an Produktionsanlagen der Kali- Industrie in Thüringen Die Erfassung der Vegetation von Salzbiotopen sowie spontaner Pflanzenbestände auf Haldensub- strat in Thüringen erfolgte in der Vegetationsperio- de 1995 durch insgesamt 185 pflanzensoziologi- sche Aufnahmen nach der Methode von BRAUN- Abb. 8: Typischer Standort von Queller und Strand-Sode BLANQUET (1964). am Haldenfuß

80 Als weitere Salzpflanzen-Gesellschaften treten Der sehr seltene Wilde Sellerie (Apium graveolens, meist artenreich ausgebildete Schuppenmieren- RL 1) wurde – jeweils kleinflächig begrenzt auf ei- Salzschwaden-Rasen (Spergulario salinae – Pucci- nen (Bischofferode, Bleicherode) bzw. zwei (Dorn- nellietum distantis Feekes (1934) 1943) und Strand- dorf, Anhydrithalde) Wuchsorte – an drei Rück- aster-Salzschwaden-Rasen (Astero tripoli – Pucci- standshalden entdeckt. Weitere, sehr selten gefun- nellietum distantis Weinert (1956) 1989) auf. Beide dene Halophyten sind der Strand-Wegerich (Plan- als „gefährdet“ (RL 3) eingestufte Gesellschaften tago maritima, RL 2, 1 Fundort, Pöthen), und der sind floristisch eng verwandt; ihre Arten werden im Schlitzblättrige Stielsame (Podospermum lacinia- Folgenden zusammen vorgestellt: tum, RL 2, Roßleben und Kleinhalden Berka und Nach dem weit verbreiteten Salzschwaden (Pucci- Wolkramshausen). Das Salztäschel (Hymenolobus nellia distans) ist die Salz-Schuppenmiere (Spergu- procumbens) wurde am südöstlichen Fuß der Roß- laria salina) der zweithäufigste Halophyt der unter- lebener Halde, der im Bundesland Sachsen-Anhalt suchten Wuchsorte. Teilweise tritt sie gemeinsam liegt, von PETZOLDT (geb. Hiller, 1994) und im Früh- mit der nahe verwandten, deutlich selteneren Flü- jahr 1995 von PUSCH auch etwas weiter westlich auf gelsamigen Schuppenmiere (Spergularia maritima) thüringischem Gebiet gefunden, wo die Art als ver- auf, die als „vom Aussterben bedroht“ (RL 1) gilt. schollen galt (RL 0). Über neue Funde der Art wird Letztere findet sich nur an vier der sechs Groß- auch von Binnensalzstellen in Niedersachsen und halden; die Standorte in Bleicherode und Roßleben Hessen berichtet. Weitere Arten (Bolboschoenus (hier nur ein Fundort, auf der Halde Nord) sind akut maritimus, Juncus gerardii, Rumex maritimus, Son- von Überdeckung bedroht. Interessant ist, dass die chus palustris (RL 2), Artemisia maritima (RL 2A)) Art gelegentlich auch auf relativ trockenen Standor- wurden ausschließlich im weiteren Einflussbereich ten um und auch auf Kleinhalden gefunden wurde – von Halden in der Werraaue bzw. der Salzwiese bei besonders zahlreich auf der Halde bei Wolkrams- Roßleben gefunden. hausen sowie einer unmittelbar hinter der thüringi- Die Glanzmelden-Gesellschaft (Atriplicetum niten- schen Landesgrenze in Sachsen-Anhalt gelegenen tis Knapp (1945) 1948) ist auf nährstoffreichem Kleinhalde bei Lossa, deren Arteninventar zusätz- Substrat im Haldenumfeld verbreitet, etwa auf lich erfasst wurde. frisch mit Klärschlamm überdeckten Böschungen. Die auffällige Strand-Aster (Aster tripolium) bildet Neben der Glanz-Melde (Atriplex nitens) bevorzu- nur an zwei Rückstandshalden größere Bestände gen solche Standorte an den am weitesten östlich aus (Bischofferode, Roßleben, Abb. 9); außerdem gelegenen Großhalden Roßleben und Sonders- kommt sie zahlreich entlang einer die Werraaue hausen auch die Langblättrige Melde (Atriplex durchquerenden Seilbahn-Trasse bei Dorndorf vor. oblongifolia) und die Rosen-Melde (Atriplex rosea, Auf Gräben konzentriert sich der Strand-Dreizack RL 3). Diese Arten kommen im Umfeld der weiter (Triglochin maritimum, RL 2), der meist nur in weni- westlichen Großhalden eher zerstreut vor, was u. U. gen Exemplaren auftritt; größere Bestände finden auf klimatischen Ursachen (Kontinentalitätsgradi- sich nur entlang der o. g. Seilbahn-Trasse. ent) beruhen kann.

Abb. 9: Strandasterbestände vor der Halde Roßleben

81 Am Fuß der Großhalde Volkenroda wurde ein Gän- alten Halden (-Teilen) entwickelten sich (überwie- sefußgewächs gefunden, bei dem es sich wahr- gend spontane) Gehölzbestände, die einzelne scheinlich um die bisher in Thüringen nicht nachge- Rückstandshalden harmonisch in das Land- wiesene Strand-Melde (Atriplex littoralis) handelt, schaftsbild einfügen (Bernterode-Schacht, Kraja, was jedoch anhand der noch nicht fruchtenden Ex- Neubleicherode, Nordwestteil der Halde Häm- emplare nicht endgültig geklärt werden konnte. bach). Weiterhin bemerkenswert ist das gelegentliche Auf- treten folgender Arten: 3.3 Bewertung der Haldenstandorte als • Echte Mondraute (Botrychium lunaria, RL 3, §), anthropogene Binnensalzstellen Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense, RL Bei den meisten anthropogenen Salzstellen im Um- 3) und Rotbraune Stendelwurz (Epipactis atroru- feld der Südharzer Großhalden handelt es sich um bens) auf der nördlichen der beiden Kleinhalden Pionierstandorte, die aufgrund von mechanischen bei Neubleicherode, Störungen durch Fahrzeuge sowie der begonnenen • Wiesen-Alant (Inula britannica, RL 3) in Hoch- Umgestaltung des Haldenumfeldes im Rahmen staudenfluren des Haldenvorlandes bei Roßle- von Sanierungsmaßnahmen einer großen Dynamik ben und Bischofferode, unterliegen. Daneben existieren fortgeschrittene Sukzessionsstadien mit hohen Anteilen der Strand- • Wiesen-Trespe (Bromus commutatus, RL 3) am Aster (Aster tripolium) oder punktuell auftretenden Haldenfuß (Roßleben, Kraja), Seltenheiten wie dem Wilden Sellerie (Apium • Schwarzwurzelblättriges Gipskraut (Gypsophila graveolens). Die Übergänge der Schuppenmieren- scorzonerifolia) als Neophyt aus dem Kaukasus Salzschwaden-Rasen und der Strand-Aster-Salz- auf der Halde Roßleben Nord und den Klein- schwaden-Rasen sind fließend. Die Gesellschaften halden Neubleicherode (südliche Halde) und bleiben bezüglich ihres Arteninventars in den meis- Wolkramshausen sowie am Haldenfuß der ten Fällen fragmentarisch. In welchem Maße die Anhydrithalde Dorndorf, Salzstellen einer Entwicklung unterliegen, zeigt das Beispiel der Großhalde Volkenroda, in deren Um- • Schmalblättriges Greiskraut (Senecio inaequi- feld vor vier Jahren noch kein Queller (Salicornia dens) auf einer mit Klärschlamm-Kompost be- europaea) gefunden wurde (REUTHER, schr. Mitt.), grünten Haldenböschung in Volkenroda, während 1995 Massenbestände auftraten. Das be- • Acker-Ziest (Stachys arvensis, RL 1) auf einer merkenswerte Fehlen einzelner Arten an bestimm- planierten kiesigen Fläche an der nördlichen der ten Halden – z. B. fehlt die Flügelsamige Schuppen- Roßlebener Halden. miere (Spergularia maritima) im gesamten Umfeld der 68 ha umfassenden Großhalde Bischofferode, An der spontanen Besiedlung der längerfristig wächst aber am Fuß der wenige Kilometer südlich durch Aussalzung immer chloridärmer werdenden gelegenen, winzigen Kleinhalde Neubleicherode – Haldenoberflächen (Abb. 10) sind Halophyten nur zeigt, dass das Arteninventar noch keineswegs in Ausnahmefällen beteiligt. Die pflanzliche Besied- „floristisch gesättigt“ ist (vgl. auch BAUER et al. lung beginnt in Rinnen, die durch Subrosions- und 1983). Als wahrscheinlichster Hauptfaktor für die Erosionsprozesse entstehen; ein weniger extremes Verbreitung kommen Vogelarten in Betracht, wobei Mikroklima und einsetzende Humusanreicherung die Ursachen für die teilweise plötzliche Zunahme erleichtern hier die Ansiedlung erster Arten. an Halophyten noch unklar sind. Die oft schon Jahrzehnte ungenutzten Kleinhalden Aus zwei Gründen stellen die anthropogenen Salz- sowie ältere Hangbereiche von Großhalden weisen stellen im Umfeld der Großhalden naturschutz- aufgrund ihres differenzierten Reliefs meist eine fachlich wertvolle Lebensräume dar: Zum einen Vielfalt an Kleinstandorten auf, die die spontane bieten sie gerade solchen Halophyten, die als Sukzession begünstigen. Auf mehrere Jahrzehnte Pionierarten an zahlreichen naturnahen Binnen- salzstellen stark rückläufig oder gänzlich ver- schwunden sind, einen Lebensraum. Darüber hin- aus stellen die Salzstellen potentielle Standorte für zahlreiche weitere bedrohte Arten dar – nicht zu- letzt ist die künftige Weiterentwicklung der Vegeta- tion und die eventuelle Einwanderung solcher Halo- phyten, die bisher nur an naturnahen bzw. älteren Binnensalzstellen vorkommen, ein wertvolles Un- tersuchungsobjekt für die Sukzessionsforschung. Gleiches gilt für die Salzstellen bei Dorndorf und Hämbach im Werra-Kali-Revier. Im Vorland von Kleinhalden stellen Quellerfluren dagegen die Aus- Abb. 10: Jüngere Haldenteile sind völlig vegetationslos nahme dar: lediglich an den Halden Bernterode- (Großhalde Bischofferode) Schacht, Pöthen und Wolkramshausen existieren

82 kleinflächig offene und vernässte Salzböden, die lichkeiten, in notwendige Sanierungsmaßnahmen von Queller und Strand-Sode besiedelt werden. Die naturschutzfachliche Belange einzubeziehen, wur- Vergrasung des Umlandes der anderen Kleinhalden de bereits früher hingewiesen (VAN ELSEN 1997, ist weiter fortgeschritten; augenscheinlich finden PFÜTZENREUTER et al. 1997). dort auch kaum Salzausträge statt, letzter verblei- Die aus der Sicht des Naturschutzes wertvollsten bender Halophyt ist meist der Salz-Schwaden Salzpflanzen-Bestände finden sich am Fuß von (Puccinellia distans). Als schutzwürdige Art besie- Kali-Rückstandshalden in Bereichen, an denen es delt die Flügelsamige Schuppenmiere (Spergularia zum Austritt von salzhaltigem Wasser kommt. Die maritima) selbst auf trockenen Substraten Standor- ersten Sanierungsmaßnahmen gelten einer gere- te, die sich durch eine noch nicht geschlossene gelten Fassung der austretenden Salzwässer am Grasnarbe auszeichnen. Haldenfuß in befestigten Ringgräben, in denen das zuvor teilweise diffus versickernde Salzwasser ge- 3.4 Perspektiven für den Erhalt und die sammelt wird. Verrohrungen, die Abdeckung des Haldenvorlandes mit einem Gemisch aus Boden- Entwicklung sekundärer Binnensalz- aushub und „Klärschlamm-Kompost“ sowie die stellen Einsaat mit handelsüblichen Gräsermischungen lie- Ein Ziel der Sanierung der Kali-Produktionsstand- ßen bereits 1995 befürchten, dass trotz des Vor- orte in Thüringen ist die Verringerung des Salzaus- kommens zahlreicher schutzwürdiger Arten viele trages aus den Rückstandshalden und damit eine Halophytenstandorte in nahester Zukunft quantita- Minderung der Gefährdungen für Oberflächen- tiv beseitigt sein werden. gewässer und das Grundwasser. Durch das Auf- Bei der Sanierung der Haldenstandorte wird Ziel- bringen einer speicherfähigen Schicht und die setzungen des Gewässerschutzes höchste Priori- nachfolgende Begrünung soll die Salzlösungs-Bil- tät eingeräumt. Die angerissene Problematik der dung aus versickernden Niederschlagswässern Aufbringung hypertropher und mit Industrieabfällen verringert werden; als Materialien zur Abdeckung vermischter Substrate zur Begrünung relativiert die sind Bauschutt, Erdaushub und sonstige Erdbau- durch die Maßnahmen erreichbare Verringerung stoffe wie z. B. Klärschlamm vorgesehen. Dabei ist des Salzaustrages, die teilweise weit unter der nicht nur die vollständige Abdeckung des Halden- Salzschüttung natürlicher Solequellen in Thüringen körpers vorgesehen, sondern dezidiert auch die liegt. Die Haldenlösungsfassung böte viele Gestal- Entwässerung der Feuchtzonen am Böschungsfuß. tungsansätze – bei einer Fassung ohne Beton- Seit der zehn Jahre zurückliegenden Kartierung der gräben und unterirdische Verrohrung lassen sich Halden unterstreichen weitere in anderen Bundes- Salzwasserabflüsse zu naturschutzfachlich wert- ländern durchgeführte Untersuchungen an Halden- vollen Biotopen entwickeln. Anzustreben wäre, un- standorten (GUDER et al. 1998, GARVE 1999, 2001; ter Berücksichtigung des Gewässer- und Grund- GARVE & GARVE 2000, JOHN 2000, SCHMIDT 2004) die wasserschutzes entstandene Salzbiotope weitest- Bedeutung solcher Wuchsorte als Rückzugsgebie- gehend in ein Sanierungskonzept zu integrieren te gefährdeter Pflanzen- und Tierarten, die als Ver- und zu erhalten – und damit das Entwicklungs- mehrungs- und Ausbreitungszentren sowie Tritt- potential ursprünglich durch anthropogene Um- steine für eine Neu- und Wiederbesiedlung natur- weltzerstörung verursachter Binnensalzstellen als naher oder anthropogener Salzstellen fungieren Lebensraum für spezialisierte Tier- und Pflanzen- können. Auf die sich abzeichnende Gefährdung der arten in seinem naturschutzfachlichen Wert anzuer- sekundären Binnensalzstellen, aber auch auf Mög- kennen.

Abb. 11: Spergularia salina, eine der häufigsten Halophyten-Arten an Rückstandshalden

83 4. Zukunftsperspektiven für Halophyten – nonischen Raum“ darstellt. Seine Pflanzenwelt eine Perspektive der Wertschätzung wurde im Rahmen der Erstellung des naturschutz- orientierten Teils des Managementplans für das Durch das EU-Life-Projekt, den erarbeiteten Mana- „Esperstedter Ried“ im Rahmen des EU-Life-Pro- gementplan und die Sanierung des Grabensystems jektes „Erhaltung und Entwicklung der Binnensalz- bestehen gute Chancen, die vertrauensvolle Zu- stellen Nordthüringens“ erfasst. sammenarbeit zwischen Projektbüro und Bewirt- Im gleichen Naturraum existieren durch den schaftern über den Projektzeitraum hin weiter zu inzwischen erloschenen Kali-Bergbau Rückstands- entwickeln, so dass sich die Landwirte als Ko- halden, in deren Umfeld sich anthropogene Halo- operationspartner ernstgenommen fühlen und die phyten-Standorte entwickelt haben. 1995 wurden „Produktion bedrohter Arten“ immer mehr zu ihrem hier ebenfalls floristische Bestandsaufnahmen, eigenen Anliegen wird. Zukünftig ist durch die eine naturschutzfachliche Bewertung und Vor- EU-Agrarreform zu erwarten, dass durch Cross schläge zur naturschutzfachlichen Optimierung er- Compliance und „Honorierung ökologischer Leis- arbeitet. Viele Halden bestehen vorwiegend aus tungen“ die Verantwortung für die „Produktion bio- Steinsalz, das durch Niederschläge gelöst wird, logischer Vielfalt“ mehr und mehr in die Hände der versickert und an der Haldensohle als Salzlösung Bewirtschafter gelegt werden wird; erste Länder- austritt. Um die dort entstandenen Halophyten- programme, die z. B. die Honorierung artenreichen wuchsorte zu erhalten, ist die Einbeziehung von Grünlandes mit Naturindikatoren beinhalten, wobei gezielten Schutzmaßnahmen in das Sanierungs- Landwirte selber die Artenvielfalt auf ihren Flächen konzept erforderlich. mittels einfach zu erkennender Indikatorarten erhe- ben, sind hier zukunftsweisend. Projekte wie das Esperstedter Ried, in denen eine Zusammenarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft aufgebaut 6. Literatur wird, können auch für solche Entwicklungen eine BARTHEL, K.-J. & PUSCH, J. (1999): Flora des Kyff- Vorreiterrolle übernehmen. häusergebirges und der näheren Umgebung. – 465 Während hier Grundlagen gelegt sind, dass die S.; Bad Frankenhausen Wertschätzung für die durch geeignete Maßnah- BAUER, J., BLUMRICH, H., FRANK, D., KLOTZ, S., KÖCK, U., men produzierten „Naturwerte“ zunimmt, besteht KREBS, G., LUCAS, S., MÜCKE, S., SCHOKNECHT, T. zum Erhalt und zur weiteren Entwicklung der SCHUBERT, B. (1983): Flora und Vegetation der Salz- Halophytenstandorte im Umfeld der Kali-Rück- stelle Teutschenthal (Saalkreis). – Mitt. flor. Kart. Halle, standshalten Handlungsbedarf. Pionierarten wie 9 (1/2): 8–17 Salicornia und Suaeda finden hier großflächig BFN (Bundesamt für Naturschutz) (Hrsg.) (1996): Rote besiedelbare Lebensräume, „die an den naturna- Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands. Schriftenr. hen Binnensalzstellen durch ‚Aussüßung’, fehlende Vegetationsk. 28: 1–739, Bonn – Bad Godesberg oder zu geringe Nutzung und Nährstoffeinträge ver- BÖNSEL, D. (1989): Entstehung und Vegetation des Salz- loren gegangen sind oder erheblich reduziert wur- quellgebietes NSG „Rohrlache von Heringen“. – Beitr. den“ (WESTHUS et al. 1997: 164). Aufgrund von Naturkde. Osthessen, 25: 31–103

Sanierungsmaßnahmen an den Halden, bei denen BÖTTCHER, H. (2003): Untersuchung der Auswirkung der Zielsetzungen des Gewässerschutzes oberste Pri- aktuellen landwirtschaftlichen Nutzung auf die Halo- orität haben, ist die dauerhafte Sicherung dieser phytenflora und die Betrachtung der historischen Salzpflanzenstandorte fraglich bzw. lässt konkrete Entwicklung des „Esperstedter Riedes“ in Nord- Schutzmaßnahmen auch hier wünschenswert er- thüringen sowie die Untersuchung der Vorkommen scheinen. Sinnvoll wäre eine erneute Bestandser- von Taraxacum sect. palustria. – Diplomarbeit im Stu- fassung zur aktuellen Situation der Salzstellen im diengang Landschaftsnutzung und Naturschutz, FH Eberswalde Umfeld der Rückstandshalden und deren Einbin- dung in das Schutzkonzept, das dem Erhalt und BRAUN-BLANQUET, J. (1964): Pflanzensoziologie. – 3. Aufl., der Entwicklung der naturnahen Binnensalzstellen 865 S., Wien, New York: Springer in Thüringen dient. Gerade wegen der hier vorkom- HAUSKE, K.-H. FULDA, D. (Hrsg.) (1990): Kali: Das bunte, menden zahlreichen Pionierarten läge darin eine bittere Salz. – 253 S., sinnvolle Ergänzung des Schutzkonzeptes. FORST, M., BÖGER, K., PUSCH, J. (ARGE PGNU/Naturplan) (1995): Nutzungs- und Pflegekonzept für das geplan- te NSG „Esperstedter Ried“ zwischen Esperstedt und 5. Zusammenfassung Bad Frankenhausen. – Unveröffentlichte Studie im Das Esperstedter Ried ist als größte naturnahe Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Jena Binnensalzstelle Thüringens eines der bedeutends- GARVE, E. (1999): Zur Flora der Kalihalden in der Region ten Binnensalzgebiete Deutschlands, das biogeo- um Hannover. – Berichte der Naturhistorischen Ge- graphisch zusammen mit weiteren Binnensalzstel- sellschaft Hannover 141: 197–218 len Mitteldeutschlands ein Bindeglied „zwischen GARVE, E. (2001): Bemerkenswerte Pflanzenarten an der den Salzwiesen der Meeresküste im Norden und Kalihalde Buggingen in Südbaden. – Carolinea 59: Westen Europas und den Binnensalzstellen im pan- 67–72

84 GARVE, E., GARVE, V. (2000): Halophyten an Kalihalden in SCHMIDT, K. (2004): Ansiedlung, Ausbreitung und Be- Deutschland und Frankreich (Elsass). – Tuexenia 20: standssituation des Gewöhnlichen Queller (Salicornia 375–417 europaea s.l.) an Binnensalzstellen in der thüringi- schen Werraaue. – Veröff. Naturhist. Mus. Schleusin- GUDER, C., EVERS, C., BRANDES, D. (1998): Kalihalden als gen 19: 75–82 Modellobjekte der kleinräumigen Florendynamik, dar- gestellt an Untersuchungen im nördlichen Harzvor- SCHUBERT, R., WEINERT, E. (1978): Karten der Pflanzen- land. – Braunschw. naturkdl. Schr. 5 (3): 641–665, verbreitung im Hercynischen Florengebiet. – Hercynia Braunschweig N.F. 15: 321–398, Leipzig

HEINZE, M., FIEDLER, H. J. (1979): Versuche zur Begrünung SPARMBERG, H., PUSCH, J., GRIMM, H. (1996): Riedgebiet von Kalirückstandshalden. 1. Mitteilung: Gefäß- zwischen Bad Frankenhausen und Schönfeld. versuche mit Bäumen und Sträuchern bei unter- Schutzwürdigkeitsgutachten zur Ausweisung als Na- schiedlichem Wasser- und Nährstoffangebot. – Arch. turschutzgebiet „Esperstedter Ried“. – Unveröff. Gut- Acker- u. Pflanzenbau u. Bodenk., 23 (5): 315–322 achten im Auftrag des Staatlichen Umweltamtes HEINZE, M., LIEBMANN, H. (1991): Freilandversuche zur Begrünung von Kalirückstandshalden im Südharz- THÜRINGER LANDESANSTALT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE (2001): gebiet. – Hercynia N. F., 28 (1): 62–71 Rote Liste der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, JOHN, H. (2000): Zur Ausbreitung von Halophyten und Pflanzengesellschaften und Biotope Thüringens. – salztoleranten Pflanzen in der Umgebung von Kali- Naturschutzreport (18), Jena Rückstandshalden am Beispiel des FND „Salzstelle VAN ELSEN, T. (1995): Erfassung und Bewertung schutz- bei Teutschenthal-Bahnhof“ (Saalkreis). – Mitt. florist. würdiger Biotope im näheren Einflussbereich von Kart. Sachsen-Anhalt (Halle) 5: 175–197 Rückstandshalden der Kali-Industrie in Thüringen. – LIEBMANN, H., HEINZE, M. (1980): Erste Ergebnisse von Un- 132 S., Arbeit im Auftrag der Thüringer Landesanstalt tersuchungen an Kalirückstandshalden im KBS. – Kali für Umwelt Jena Steinsalz Spat 10: 209–212, VEB Kombinat Kali. VAN ELSEN, T. (1997): Binnensalzstellen an Rückstands- Sondershausen halden der Kaliindustrie. – In: Binnensalzstellen in KRISCH, H. (1968): Die Grünland- und Salzpflanzengesell- Thüringen – Situation, Gefährdung und Schutz. – Na- schaften der Werraaue bei Bad Salzungen. Teil II: Die turschutz-Report 12: 63–117, Jena salzbeeinflussten Pflanzengesellschaften. – Hercynia VAN ELSEN, T., HOTZE, C., FISCHER, P., GÜNZL, B., HIMSTEDT, M., N.F., 5 (1): 49–95 LAKNER, S., MORSCHEL, K. (2005): Managementplan für KRISCH, H. (1970): Versalzungsschäden in der Werraniede- das Projektgebiet „Esperstedter Ried“ – Teil I: rung bei Bad Salzungen und ihre Auswirkungen auf Naturschutzorientierter Managementplan. – 105 S., die Vegetation. – Landsch.pflege u. Nat.schutz in Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Natur- Thüringen, 7 (1/2): 26–34 schutz und Umwelt

PFÜTZENREUTER, S., VAN ELSEN, T., WESTHUS, W. (1997): VOLLRATH, H., BETTINGER, A. (1991): Initiale Halophyten- Schutzmöglichkeiten für Binnensalzstellen an Rück- vegetation nach Quellenversalzung bei Bad Hersfeld standshalden der Kaliindustrie. – In: Binnensalzstellen und ihre Ursachen. – Beitr. Naturk. Osthessen, 27: in Thüringen – Situation, Gefährdung und Schutz. – 17–52 Naturschutz-Report 12: 182–185, Jena WEINERT, E. (1989): Salztektonik, Solquellen und Salz- PUSCH, J. (1995): Erfassung und Bewertung naturnaher pflanzenareale im Mansfelder Seen-Gebiet. – Hercy- Binnensalzstellen in Thüringen. – Unveröffentlichte nia N. F. 26: 216–226, Leipzig Arbeit im Auftrag der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Jena WESTHUS, W., FRITZLAR, F., PUSCH, J., VAN ELSEN, T. (1997): Binnensalzstellen in Thüringen – Situation, Gefähr- PUSCH, J., BARTHEL, K.-J., WESTHUS, W. (1997): Naturnahe dung und Schutz. – In: Binnensalzstellen in Thüringen Binnensalzstellen in Thüringen. – In: Binnensalzstellen – Situationen, Gefährdung und Schutz. – Natur- in Thüringen – Situation, Gefährdung und Schutz. – schutz-Report 12: 7–8, Jena Naturschutzreport 12: 9–62, Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Jena WESTHUS, W., PUSCH, J., VAN ELSEN, T. (1997): Räumlich- zeitliche Dynamik der Binnensalzstellen. – In: Binnen- REISINGER, E. (2005): Ausgewählte naturschutzfachliche salzstellen in Thüringen – Situation, Gefährdung und und sozioökonomische Anforderungen für die Etab- Schutz. – Naturschutz-Report 12: 163–169, Jena lierung großflächiger Weidesysteme. In: Finck, P.; Härdtle, W.; Redecker, B., & Riecken, U. (Bearb.) WESTHUS, W., ZÜNDORF, H.-J. (1993): Rote Liste der Farn- Weidelandschaften und Wildnisgebiete – Vom Experi- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatopha) ment zur Praxis. – Schr. R. f. Landschaftspfl. u. Thüringens. 3. Fassung, Stand 1992. – Naturschutz- Natursch.: 78 report 5: 1–215, Jena

85 Laufkäfer-Monitoring an den Binnensalzstellen Nordthüringens

Heiko Sparmberg Ingenieurbüro Sparmberg, Erfurt

Synopsis immer wieder faszinierend zu beobachten, wie ins- In the frame of a EU-LIFE project „Preservation of besondere Wirbellose diesen extremen Lebens- the inland salt habitats of northern Thuringia“, the raum für sich nutzen können. Neben Käfern unter- aim of the present study was to establish and schiedlichster Familien gibt es auch Spinnen, Wan- to evaluate the current status of carabid- as- zen, Ameisen, Fliegen, Mücken, Zikaden u.a. „Salz- semblages on 15 study plots at salt-meadow sites arten“. Da Binnensalzstellen in Mitteleuropa nur near Numburg (Kelbra), Esperstedt, Artern and sehr kleinräumig auftreten, sind ihre Besiedler und Kachstedt. Furthermore the study should work out Nutzer, die halobionten und halophilen Arten, be- suitable measures to preserve the habitats of the sonders gefährdet. Darüber hinaus sind die Bin- respective endangered carabid species. Field data nensalzstellen natürlichen Veränderungen unter- were collected between 27 April and 23 September worfen, die meist zum Nachteil für Salzarten sind. 2005. In total, 128 carabid species were recorded Rascher als die Flora reagieren bodenbewohnende among which 4 are halophilous and 9 are halobio- Insekten, wie z. B. die Laufkäfer, auf diese Verände- tic. With high population sizes and high incidences rung durch Abwandern, verminderte Populations- across the study plots, the three species Anisodac- größe sowie in der Zusammensetzung der Arten- tylus poeciloides, Pogonus calceus, Acupalpus ele- gemeinschaft. gans and Bembidion aspericolle could be estab- Salzstandorte bieten für terrestrische und aquati- lished as characteristic carabids of salt habitats in sche Organismen besondere Bedingungen, die northern Thuringia. The faunistic evaluation of the spezielle Anpassungen erfordern. Die hier vorkom- study plots and sites shows that the highest menden Arten sind abhängig von Höhe und Vertei- diversity is reached at the salt meadows near lung des osmotischen Wertes der betreffenden Esperstedt („Esperstedter Salzwiesen“) and near Böden. Sie sind entweder als Spezialisten streng Artern („Arterner Solgraben“) with 11 halophilous or an bestimmte Intensitätsbereiche des Salzgehaltes halobiotic species each. At the salt meadows in the gebunden (halobiont), oder zeigen zumindest in Numburg area, however, the typical species of in- Teilen ihres Areals bzw. an den Arealgrenzen eine land salt habitats declined over the past 10 years deutliche Präferenz für diese Standorte (halophil). already. This site is presently primarily important as Hinzu kommen ein Großteil von Arten, die in der habitat of hygrophilous beetle species. Lage sind, die extremen Bedingungen an einer First measures to improve the inland salt habitats Salzstelle zu tolerieren (halotolerant) und den kon- already show positive results. Several halophilous kurrenzarmen Bereich zumindest zeitweise für sich and halobiotic species which had been disappea- zu nutzen (SCHULZE & MÜLLER-MOTZFELD 1995). Die im red for decades could be found again at the salt Folgenden verwendeten ökologischen Präferenzen meadows near Artern („Arterner Solgraben“). Du- beziehen sich auf Ergebnisse jahrzehntelanger en- ring the present study, carabid proved to be tomologischer Freizeitforschung in Thüringen, die very good indicators for monitoring and performan- in der MAGIC-Datenbank des Naturkundemuse- ce control of conservation measures at inland salt ums Erfurt zusammengetragen wurden. habitats. Due to their high mobility, carabid beetles Das Ziel der vorliegenden Untersuchungen be- indicate changes in the ground-near habitats earlier stand darin, im Rahmen eines Monitorings zum EU- than it would be possible with vegetation analyses. LIFE-Projekt „Erhalt der Binnensalzstellen Nord- thüringens“ den Ist-Zustand der Laufkäfergemein- Stichwörter: schaft auf 15 Untersuchungsflächen im Bereich der Binnensalzstellen, Monitoring Laufkäfer, Coleop- Salzwiesen an der Numburg (Kelbra), von Esper- tera, Carabidae, Phänologie, Bewertung stedt, Artern und Kachstedt zu dokumentieren und zu bewerten sowie geeignete Maßnahmen zum Er- halt dieser Lebensräume gefährdeter Käferarten 1. Einleitung abzuleiten. Aufgrund von vergleichbaren Untersu- Salzstellen, ob an der Meeresküste oder im Binnen- chungen aus den Jahren 1995/1996 (FRITZLAR & land, sind für Entomologen schon immer eines der SPARMBERG (1997), SPARMBERG, et al. (1997), SPARM- interessantesten Betätigungsfelder gewesen. Es ist BERG & SACHER (1997), SPARMBERG, H. (1999)) ergab

86 sich darüber hinaus die Möglichkeit, sowohl Verän- qualitativer und quantitativer Daten zur Laufkäfer- derungen in der Artengemeinschaft in den vergan- fauna mittels standardisierter Bodenfallenfänge genen 10 Jahren als auch eine erste Einschätzung nach BARBER (1931). Eingesetzt wurden 400 ml-Glä- zur Wirksamkeit eingeleiteter Maßnahmen durch- ser mit einem Öffnungsdurchmesser von 7,5 cm. zuführen. Ergänzend werden Ergebnisse zu halo- Als Fangflüssigkeit kamen jeweils 250 bis 300 ml bionten und halophilen Käferarten aus anderen 1–2%-iger Formalinlösung mit Detergenzmittel zum Familien mit vorgestellt. Einsatz. Die Menge verhinderte insbesondere in den Sommermonaten ein Austrocknen der Fallen. Mit Bodenfallen werden alle aktiv in der Boden- und 2. Untersuchungsgebiete und Methoden teilweise auch in der Krautschicht umherlaufenden Die Untersuchungen zur Laufkäferfauna erfolgten Individuen verschiedenster Tiergruppen nachge- auf 15 Referenzflächen, deren Entwicklungspoten- wiesen. Auf allen Teilflächen wurden Bodenfallen- zial im Rahmen des LIFE-Projektes geprüft und für gruppen zu je 3 Fallen eingesetzt. Die Fallen wur- ein Monitoring vorgesehen war. Eine Übersicht zur den je nach Größe der Untersuchungsfläche in ei- Struktur und Nutzung der Untersuchungsflächen nem Abstand von ca. 5 m bis 10 m aufgestellt. Es gibt Tab. 1. Die Lage ist aus Abb. 1 zu entnehmen. erfolgten 5 Fallenleerungen im Zeitraum vom 27.04. Schwerpunkt der Untersuchung war die Erhebung bis zum 23.09.2005.

Abb. 1: Übersicht zur Lage der Untersuchungs- gebiete und -flächen

87

Untersuchungsgebiete UF* vorgefundene Vegetation und Nutzung 2005 (Gesamtfläche) 1) Salzwiesen Numburg, A Schilfgebiet, extensive Nassweide mit Rindern (ca. 44 ha) B trocken bis feuchte Ruderalfläche (Ackerbrache) C vernässter Weg an Schilfflächen D Numburg Westquelle, verschilfter Graben 2) Salzwiesen Esperstedt A Quellerfläche zwischen Solgraben/Flutgraben, zeitweise beweidet (ca. 870 ha) B zeitweise überflutete Mähwiese C Feuchtweide, Jungrinderbesatz im gesamten Zeitraum D Frischwiese, Mähwiese E Nass-/Feuchtwiese, teilweise verschilft, Mähwiese 3) Solgraben Artern A geschobene Fläche, vegetationslos, ohne Nutzung (ca. 2 ha) B dichter Artemisia-Bestand, ohne Nutzung Tab. 1: C floristisch artenreiche Salzstelle, ohne Nutzung Untersuchungsflä- 4) Salzwiesen Kachstedt A Mähweide, strukturarme Frischwiese chen im Bereich der (ca. 8 ha) B Nassweide mit Schilfbestand, späte Beweidung Binnensalzstellen C schilfreiche Salzstelle am Bahndamm/Weg, zeitweise beweidet Nordthüringens *UF – Untersuchungsfläche.

Die Ausfallquote an (nicht auswertbaren) Boden- Deutlich wird bei den gefährdeten Arten auch die fallen lag insgesamt bei 8 %. Am stärksten waren enge Verknüpfung von Salzstellen und Feucht- die Störungen der Bodenfallen auf den Espersted- gebieten. Temporär oder permanent vernässte Bö- ter Wiesen (16 %) infolge Beweidung und Mahd, den sind eine grundlegende Voraussetzung für am geringsten am Solgraben von Artern (0 %). Die beide Lebensräume. Hohe Salzgehalte der Böden weiteren Flächen lagen bei 5 % Ausfall. sind zwar für die angepassten Salzarten von Vorteil, Bei jeder Begehung erfolgten stichprobenhafte führen aber zu einer Reduzierung der Artdiversität, Handaufsammlungen. Ergänzend wurden Eklektor- wie sich aus dem Vergleich der Salzwiesen der fänge (Esperstedt Fläche D, Numburg Fläche A, Numburg mit der Salzstelle Artern sehen lässt. Kachstedt Fläche B) sowie ein Lichtfang (Esper- Beide Gebiete haben trotz annähernd gleicher Zahl stedt Fläche A) durchgeführt. von gefährdeten Arten (14 bzw. 15) deutliche Unter- Die Bestimmung der Laufkäfer erfolgte nach FREU- schiede in der Gesamtartenzahl. Mit 90 Arten sind DE, H., K. W. HARDE & G. A. LOHSE (2004). Die Nomen- die Wiesen an der Numburg am artenreichsten, klatur anderer Käfergruppen folgt KÖHLER & KLAUS- weisen aber gegenüber der Salzstelle Artern (11 NITZER (1998). Salzarten) die geringste Zahl an halobionten/halo- Die Einstufung der Gefährdung nach der Roten Lis- philen Laufkäfern (5 Salzarten) auf. te Thüringens (RT) und Deutschlands (RD) wurde Der „Wert“ einer Salzstelle bemisst sich daher nicht nach FRITZLAR & WESTHUS (2001) bzw. BINOT et al. vorrangig nach ihrer Artenvielfalt insgesamt, son- (1998) durchgeführt. dern nach ihrem Anteil an halobionten und halophi- len Arten. 3. Diskussion der Ergebnisse Bereits das gefährdete Artenspektrum der Tab. 2 lässt erkennen, dass 3.1 Laufkäferuntersuchungen • im UG Numburg die Anzahl der bedrohten hygro- philen Arten höher ist als die der Salzarten, Im Untersuchungszeitraum 27.04. bis 13.09.2005 • im UG Artern die halophilen und halobionten Ar- konnten insgesamt 128 Laufkäferarten ermittelt ten die überwiegende Zahl an bedrohten Arten werden (Anlage 1). Davon entfallen auf die stellen, • Salzwiesen der Numburg 90 Arten, • in den UG Esperstedt (und mit Einschränkungen • Salzwiesen Esperstedt 75 Arten, auch Kachstedt) beide ökologische Anspruchs- • Salzstelle Artern 50 Arten, typen gleichermaßen das Spektrum bedrohter • Salzwiesen Kachstedt 61 Arten. Arten bestimmen.

Von diesen haben 13 Arten eine mehr oder weniger Es gilt daher in den Entscheidungsprozess zur Ver- starke Bindung an Salzstellen (Tab. 2). Während 9 besserung von Lebensräumen für Salzkäfer auch halobionte Arten in Thüringen bisher nur an Salz- das gefährdete Spektrum der hygrophilen Arten im stellen nachzuweisen waren, wurden 4 halophile Blick zu behalten. Arten (B. varium, B. minimum, A. convexiuscula, A. Im aktuellen Vergleich zu den Untersuchungser- strenua) auch in anderen Habitaten angetroffen. gebnissen 1995/96 haben sich für die Fauna Nord- Beide Anspruchsgruppen unterscheiden sich deut- thüringens im Artenspektrum der Salzkäfer keine lich im Grad der Gefährdung nach den Roten Listen einschneidenden Veränderungen ergeben. Aller- Thüringens bzw. Deutschlands. Von den halobion- dings konnten auch keine in der Literatur erwähn- ten Arten sind bis auf Bembidion fumigatum alle in ten und seit längerer Zeit verschollenen Arten Thüringen vom Aussterben bedroht. Die meisten wieder entdeckt werden. Für die Nordthüringer dieser Artengruppe (8 Arten) beherbergen die UG Salzstellen ist somit insgesamt die Situation bezüg- Esperstedt und Artern. lich dieser Artengruppe konstant geblieben. Bezo-

88 RT RD EDV halobionte, halophile, halotolerante Arten ökol. Num- Esper Ar- Kach- („Salzarten“) burg -stedt tern stedt 1 1 016.010 11. Dyschirius chalceus ERICHSON, 1837 hb D E A,C B,C 1 V 016.013 12. Dyschirius salinus SCHAUM, 1843 hb A A,C 029.019 13. Bembidion varium (OLIVIER, 1795) ht A,C,E A B 2 3 029.079 14. Bembidion fumigatum (DUFT., 1812) hb A A B 1 2 029.083 15. Bembidion aspericolle GERMAR, 1812 hb A,C A - C B,C 029.086 16. Bembidion minimum (FAB., 1792) ht A - D A - E A - C A - C 1 V 031.003 17. Pogonus chalceus (MARSHAM, 1802) hb A A,C B 1 2 037.004 18. Anisodactylus poeciloides (STEPH., 1828) hb A,C A,C,E C B,C 1 1 043.002 19. Dicheirotrichus obsoletus (DEJ., 1829) hb A 1 2 046.001 10. Acupalpus elegans DEJEAN, 1829 hb A,C,D A A,C A - C 1 2 065.003 11. Amara strenua ZIMM., 1832 ht E 1 D 065.002 12. Amara strandi LUTSCHNIK, 1933 hb A,C,E C 065.058 13. Amara convexiuscula (MARSHAM, 1802) ht A,D C C Summe 5 12 11 9 Arten ohne Bindung an Salzstellen 2 004.016 14. Carabus auratus L., 1761 mp B,E 1 2 011.001 15. Blethisa multipunctata (L., 1758) hp A,B 1 2 012.001 16. uliginosus F., 1775 hp A 2 D 016.0072 17. Dyschirius agnatus MOTSCH., 1844 hp D E A 2 0271.001 18. Paratachys bistriatus (DUFT., 1812) hp C,D C,E A A,B 2 038.001 19. Diachromus germanus (L., 1758) hp D A 2 V 041.046 20. Harpalus luteicornis (DUFT., 1812) mp B,D B 2 0411.011 21. cordatus (DUFT., 1812) xp A 3 0411.016 22. Ophonus rupicola STURM, 1818 xp B A,B C Tab. 2: 2 3 0412.003 23. Pseudoophonus calceatus (DUFT., 1812) xp A Nachweise bedroh- 3 3 046.010 24. Acupalpus exiguus (DEJEAN, 1829) hp A,B E A - C ter Laufkäferarten an 3 047.001 25. Anthracus consputus (DUFT., 1812) hp D B,C,E B den Binnensalzstel- 3 051.020 26. Pterostichus anthracinus (ILLIGER, 1798) hp A B,E 2 3 051.021 27. Pterostichus gracilis (DEJEAN, 1828) hp B len Nordthüringens 3 056.002 28. Calatus erratus (SAHLB., 1827) mp A 2005 auf den jeweili- 3 064.001 29. Zabrus tenebrioides (GOEZE, 1777) xp A,B,D C gen Untersuchungs- 1 2 066.004 30. Chlaenius tristis (SCHALLER, 1783) hp A,B,C flächen A, B, C, D 2 2 070.008 31. Badister peltatus (PANZER, 1797) hp B und/oder E Summe 11 11 6 5 ökologische Anspruchstypen: hb – halobiont, ht – halophil/halotolerant, hp – hygrophil, mp – mesophil, xp – xerophil gen auf die Untersuchungsgebiete traten jedoch (Tab. 5/S. 95) die größte Diversität und zugleich mit teilweise signifikante Verschiebungen im Artenbe- 1314 Individuennachweisen die höchste Abun- stand auf. danz. Je nach Witterungslage ist sie Ausweichraum Im Folgenden sollen Besonderheiten der einzelnen für xerophile (z. B. Ophonus rupicola), aber auch für Untersuchungsflächen und deren Entwicklungspo- hygrophile Arten aus benachbarten Schilfflächen tenziale und -trends anhand der bedrohten Arten (z. B. Blethisa multipunctata, Chlaenius tristis). und insbesondere der „Salzarten (Tab. 2 und 3) er- Beherrschend sind jedoch kommune Arten meso- läutert werden. philer Grünlandstandorte wie Pterostichus melana- rius und Poecilus cupreus. Für Salzkäfer ist die Fläche im gegenwärtigen Zustand nicht als Le- 3.1.1 Salzwiesen an der Numburg bensraum geeignet, da nur ein Individuum vom Die ganzjährig extensiv beweidete Fläche A ist halophilen B. minimum im gesamten Untersu- überwiegend mit Schilf bedeckt und weist an vielen chungszeitraum nachgewiesen wurde. Stellen beständig salzhaltiges Oberflächenwasser Die sich in nördliche Richtung anschließende Un- auf. Die Einwirkungen der Rinderbeweidung auf die tersuchungsfläche C erstreckt sich entlang eines Fläche sind im Untersuchungszeitraum sehr gering. Feldweges durch dichtes Schilfgebiet. Die aufkom- Es wurden dennoch 4 Salzarten, allerdings in gerin- mende Salzvegetation zeigt, dass grundsätzliche ger Individuenzahl, nachgewiesen. Als Hauptursa- Voraussetzungen für eine Salzstelle vorhanden che hierfür wird die dichte Bodenvegetation ange- sind. Vegetation und Nachweise von halobionten sehen. Neben den Salzkäfern sind vor allem die für Laufkäfern konzentrieren sich aber auf einen Sumpfgebiete charakteristischen Laufkäfer Bleth- schmalen, lichtoffenen Randbereich des Weges. isa multipunctata und Chlaenius tristis erwähnens- Der dominante Einfluss der hygrophilen Käferfauna wert. Die Arten wurden überall in den verschilften des angrenzenden Schilfgebietes ist deutlich im Flächen nachgewiesen. Artenspektrum (siehe Übers. S. 96) erkennbar. Trotz Fläche B ist durch einen Graben von Fläche A vorhandenem Entwicklungspotenzial ist ohne Ma- getrennt, hat einen größeren Grundwasserabstand nagementmaßnahmen die Existenz der Fläche nur und wurde vormals als Acker genutzt. Die vorge- vom landwirtschaftlichen Fahrverkehr abhängig. fundene Brache ist ein überwiegend frischer bis Die Salzkäferfauna an der klassischen Salzstelle, trockener Lebensraum und besitzt mit 56 Laufkä- der Numburg-Westquelle (Fläche D), weist nur fernachweisen von allen 15 Untersuchungsflächen noch 3 Salzarten B. minimum, A. elegans und D.

89 chalceus auf. Bei gleichzeitig geringen Individuen- und Ruderalstellen. Beide Artengruppen besitzen zahlen ist die Entwicklung der Populationen äu- offensichtlich eine ähnliche invasive Besiedlungs- ßerst gefährdet. Geht man davon aus, dass die his- strategie. Der Einfluss der Rinderbeweidung auf die torischen Angaben zu 15 Salz-Laufkäfern sich vor- Käferpopulationen des Gebietes in den Monaten rangig auf das Quellgebiet bezogen, so sind die Juni/Juli kann nach vorliegenden Zwischenergeb- Veränderungen besonders deutlich zu Ungunsten nissen noch nicht eingeschätzt werden, da sowohl von Salzarten verlaufen. Dominant sind gegenwär- die höchste als auch die niedrigste Abundanz der tig auf der Fläche hygrophile Arten, darunter auch Salzkäfer in beiden Monaten ermittelt wurde. Ne- stark gefährdete wie Diachromus germanus, Para- ben der Salzstelle Artern (Fläche C) ist Esperstedt tachys bistriatus und Dyschirius agnatus. (Fläche A) gegenwärtig die faunistisch bedeutends- Fazit: Insgesamt weist die Fauna der Numburg mit te Salzstelle in Thüringen. 5 Salz-Laufkäferarten die geringste Arten- und Indi- Die Grünlandfläche B ist im zeitigen Frühjahr über- viduenzahl aller 4 Untersuchungsgebiete auf! 6 flutet. Im Untersuchungszeitraum war der Boden Salzarten (A. convexiuscula, A. strandi, D. salinus, jedoch frisch bis trocken, die Vegetation dicht und B. varium, N. salina, B. semipunctatum) konnten im hoch. Dominant sind die im Grünland weit verbrei- Vergleich zu 1995/95 nicht wieder nachgewiesen teten Wiesenarten Poecilus cupreus und Pterosti- werden. Dem steht ein Wiederfund (Dyschirius chus melanarius. Im vorgefundenen Zustand ist die chalceus) gegenüber. Insgesamt ist gegenwärtig Wiese für Salzlaufkäfer nicht bedeutsam, da nur ein die Bedeutung der Untersuchungsflächen als Exemplar von B. minimum nachgewiesen werden Feuchtgebiet höher einzuschätzen als die der Salz- konnte. stellen. Die Entwicklung des Gebietes deutet auf Die Fläche C befindet sich südlich der bedeutsa- eine fortschreitende Aussüßung der Salzstellen hin. men Fläche A und wurde im gesamten Unter- Als Ursachen für den Rückgang des Salzarten- suchungszeitraum mit Jungrindern beweidet. Mit bestandes benennen KUPETZ & BRUST (1994) den dem Nachweis von 3 halobionten und 2 halophilen Bau des Stausees Kelbra sowie bergbauliche Maß- Laufkäferarten und einem Anteil von 37 % der Lauf- nahmen zur Verminderung von Wassereinbrüchen käfer-Individuen weist sie ein hohes Entwicklungs- nach der Stilllegung. Hinzu kommen weitere um- potenzial für Salzarten auf. Durch die Beweidung fangreiche Maßnahmen zur Bannung der Hoch- wurden lückige, lichtoffene Bodenstrukturen initi- wassergefahr in der 4 km breiten Helmeaue bereits iert, die sich als vorteilhaft für die bodenbewoh- im Zeitraum 1957 bis 1975. Wesentliche Ziele des nenden Käfer erweisen können. Weitere Unter- 1969 in Betrieb genommenen Stausees waren suchungen sind hierfür notwendig. Unabhängig darüber hinaus eine Niedrigwassererhöhung in der davon deutet sich an, dass auf den Esperstedter Trockenzeit, die Verbesserung der Fischzucht, Wiesen der Bereich A–C das größte Potenzial zur Naherholung und die Errichtung eines Vogelschutz- Entwicklung eines für Salzkäfer optimalen Lebens- gebietes raumes bietet. (www.karstwanderweg.de/kyff/stausee.htm). Die Mähwiese Fläche D ist mit der Fläche B aus coleopterologischer Sicht vergleichbar, wobei die strukturelle Homogenität der Fläche D eine noch 3.1.2 Salzwiesen von Esperstedt geringere Artenzahl (mit 27 Artnachweisen die Mit 6 halobionten Laufkäferarten aus Bodenfallen niedrigste im Gebiet) zur Folge hat. Lediglich 2 und dem Nachweis des halobionten Bembidion halophile Arten lassen kein Entwicklungspotenzial fumigatum im Lichtfang beherbergt Fläche A die für Salzarten an dieser Stelle erkennen. meisten stenotopen Salz-Laufkäferarten aller un- Auf Fläche E liegt eine enge Verzahnung von tersuchten Flächen und weist mit 1261 Individuen- zeitweise bewirtschaftetem Nassgrünland, Röh- nachweisen zugleich die zweithöchste Abundanz richtflächen und trockenen Mähwiesenflächen vor. neben der Ackerbrache (Numburg B) auf. Kenn- Die kleinräumigen Gradienten von Nutzung und zeichnend ist die größte flächige Ausdehnung des Feuchte sind die Ursache für das Auftauchen be- Quellers (Salicornia europaea). Bis Anfang Mai dau- merkenswerter Salzstellen- und Sumpfbewohner. erte die Frühjahrsüberschwemmung auf der Fläche Darüber hinaus führt die kleinräumig strukturelle an. Im gesamten Untersuchungszeitraum war der Vielfalt dazu, dass hier mit 44 Arten die höchste Anteil halobionter und halophiler Laufkäfer-Indivi- Zahl an Laufkäfern der 5 Esperstedter Unter- duen 73 %. In den Monaten Mai/Juni stieg der An- suchungsflächen nachgewiesen wurde. Mit dem teil sogar auf 93 % an, so dass fast ausschließlich Nachweis von 4 halobionten und 3 halophilen Lauf- halobionte Arten wie Pogonus chalceus und käferarten ist die Ausstattung an Salzarten sehr Anisodactylus poeciloides die Artengemeinschaft gut, die Individuenzahl jedoch gering. dominierten. Es war jedoch auch zu beobachten, Fazit: Im Bereich der Salzwiesen von Esperstedt dass nach Austrocknen des Oberbodens bis zum wurden alle Artnachweise von 1995 wieder bestä- September die Zahl der Salzarten auf 56 % zurück- tigt. Die Populationen der Salzkäfer konnten in indi- ging und nur noch der halophile Amara convexiu- viduenreicheren Populationen nachgewiesen wer- scula dominant war. In der Laufkäfergemeinschaft den. Damit wurde die Gefahr von Artenverlusten im etablierten sich verstärkt kommune Arten der Äcker Gebiet geringer.

90 Die Salzwiesen von Esperstedt beherbergen ge- gemeinsam mit Kachstedt B, die geringsten Arten- genwärtig neben der Salzstelle Artern den größten zahlen ermittelt werden. Artenbestand, aber darüber hinaus das größte Indi- Die Untersuchungsergebnisse von Fläche B bele- viduenpotenzial an Salzlaufkäfern in Nordthürin- gen, dass es notwendig ist, den dichten Beifuß-Be- gen. stand stark aufzulichten oder wie auf Fläche A ge- schehen, ganz zu beseitigen. Fläche C ist der bisher unveränderte Bereich der 3.1.3 Salzstelle Artern historisch bekannten Salzstelle Artern. Das Arten- Die Salzstelle am Solgraben von Artern gehört spektrum und die zugehörigen Individuenzahlen ebenso wie die „Numburger Westquelle“ zu den weisen eine noch weitestgehend intakte Salzstelle „klassischen“ Salzstellen. aus. Der Verlust, bzw. der fehlende Nachweis 2005, Fläche A wurde bereits vor Beginn der faunisti- von D. obsoletus an dieser Stelle kann jedoch schen Untersuchungen im Rahmen von Manage- bereits als Anhaltspunkt für eine fortschreitende mentmaßnahmen beräumt und der Oberboden ab- Veränderung der Habitatverhältnisse gedeutet wer- geschoben. Es konnten jedoch bereits bei den ers- den. Der Individuenanteil Salzkäfer an der Gesamt- ten Auswertungen der Bodenfallen Aktivitäten von individuenzahl der Laufkäfer liegt mit 90 % sehr Laufkäfern festgestellt werden. hoch und kann als Maßstab für eine intakte Binnen- Mit 60–90 % hatten die Salzkäfer in den einzelnen salzstelle für den Nordthüringer Raum dienen. Fangperioden Anteil an den Gesamtindividuen. Fazit: am Solgraben von Artern gelang 2005 ein Diese Zahl liegt im gleichen Bereich wie an der be- Zugewinn von zwei, aus der Literatur bekannten, deutsamen Salzstelle Esperstedt A. Mit 8 Salz- halobionten (!) Arten (Dyschirius chalceus, Bembi- käfer-Arten weist Fläche A die gleiche Artenzahl auf dion fumigatum). B. fumigatum wurde das letzte wie die ungestörte Fläche C am Solgraben und ist Mal 1907 durch O. THIEME und D. chalceus am wesentlich artenreicher als Fläche B (Abb. 2). 07.06.1984 durch L. ZERCHE (Quelle: MAGIC-Daten- Die Schaffung von vegetationsfreien Salzboden- bank, Museum Erfurt) nachgewiesen. Es ist zu ver- flächen wirkt sich somit deutlich auf eine Erhöhung muten, dass diese Entwicklung bereits mit den der Diversität gegenüber dem ursprünglichen Zu- durchgeführten Managementmaßnahmen im Zu- stand (vgl. Fläche B) aus. Darüber hinaus ist sammenhang steht, da D. chalceus direkt auf der besonders bemerkenswert, dass 2005 nur auf die- vegetationslosen Fläche A und B, fumigatum auf ser Fläche der Nachweis von Dicheirotrichus der unmittelbar angrenzenden Fläche B nachge- obsoletus gelang. Die halobionte Art hat in Thürin- wiesen wurde. Dem entgegen ist die hier vorkom- gen an der Salzstelle Artern ihr einziges Vorkom- mende, einzige Population von D. obsoletus in men. 1996 konnten auf Fläche C noch mehr als Thüringen jedoch sehr individuenschwach und 10 Individuen nachgewiesen werden, 2005 hinge- damit bei Verschlechterung der Habitatbedin- gen gelang dort keine Beobachtung mehr. Es bleibt gungen in der Existenz äußerst gefährdet. Durch daher zu hoffen, dass mit der Managementmaß- die Untersuchungen wurden die negativen Auswir- nahme die Population vor dem Erlöschen gerettet kungen der dichter werdenden Vegetation auf Indi- wurde. viduen und Artenzahlen deutlich. Die vollständige Fläche B weist einen sehr dichten Beifuß-Bestand Beräumung von Versuchsflächen führte bereits zu auf. Im Ergebnis der Untersuchung konnten auf der einer raschen Besiedlung durch Salz-Laufkäfer Fläche mit Abstand die wenigsten Individuen- und, (Abb. 2).

Abb. 2: Individuenentwicklung von Salzlaufkäfern im Jahresverlauf auf den Untersuchungsflächen am Solgraben Artern

91 3.1.4 Salzwiesen Kachstedt 3.2 Anmerkungen zu den halophilen und Fläche A ist eine relativ monotone, frische bis nas- halobionten Arten se Mähwiese (Mahd Anfang Juli), die positiv vor al- Acupalpus elegans (DEJ., 1829) lem durch randliche Einflüsse aus Schilfgebieten Die Art kommt an der Meeresküste und im Binnen- und Gräben profitiert (Elaphrus uliginosus, Parata- land vor. Bevorzugt werden feuchte Salzböden. chys bistriatus, Diachromus germanus). Die Vegeta- Meist wird die Art unter Genist am Rande salziger tion ist recht dicht und weist kaum die erforderli- Gewässer gefunden. Es werden sowohl natürliche chen Störstellen auf, die für die Salzkäferfauna von als auch anthropogene Salzstellen aufgesucht. Bedeutung sind. Mit 2 Artnachweisen sind die Salz- A. elegans wird meist nur in geringer Individuen- käfer unterrepräsentiert. Die Entwicklung einer zahl, aber regelmäßig nachgewiesen. Im Untersu- Salzstelle ist durch den relativ grundwasserfernen chungsraum besitzt A. elegans mit Nachweisen auf Standort aufwändig, aber nicht unmöglich, falls sal- 9 von 15 Untersuchungsflächen die höchste Stetig- zige Wässer anstehen. keit unter den halobionten Arten. Sie gehört daher Die Fläche B charakterisiert einen Übergang von gemeinsam mit A. poeciloides, B. aspericolle und einem Feuchtgebiet mit dichtem Schilfbestand zu D. chalceus zur Artengemeinschaft einer weitest- salzbeeinflussten Feuchtwiesen. Durch die Rinder- gehend intakten Binnensalzstelle Nordthüringens. beweidung (im Untersuchungsjahr ab August bis Ende Untersuchungszeitraum festgestellt) entstan- Amara convexiuscula (MARSM., 1802) den im Ökoton vegetationsarme Bereiche, in denen A. convexiuscula ist eine paläarktisch verbreitete 7 Salzkäferarten mit einem Anteil von 84 % an Salz- Art an Küsten und Binnensalzstellen. Nach LINDROTH individuen nachgewiesen werden konnten. Im Ver- (1945) ist sie halophil. Die Vielzahl an Nachweisen gleich zu den anderen Untersuchungsflächen han- unterstützt die Annahme auch für Thüringen. Die delt es sich hierbei um eine Salzstelle mit sehr guter Art ist flugfähig und soll Queller fressen können Arten- und Individuenausstattung. Die 236 nachge- (HANDKE 1997). Die Annahme könnte sich mit den wiesenen Salzkäfer-Individuen, darunter allein 200 individuenreichen Nachweisen (224 Individuen) die- A. poeciloides und 16 P. chalceus deuten auf eine ser Art auf der Fläche Esperstedt A, der größten positive Entwicklung der Fläche hin. Inwieweit die Quellerfläche Thüringens, decken. Rinderbeweidung hier einen Anteil hat, bleibt weite- ren Untersuchungen vorbehalten. Die Fläche kann Amara strandi (Lutsch., 1933) als zentraler Bereich für die Salzkäferfauna von Die Art wurde früher unter Amara tricuspidata ssp. Kachstedt angenommen werden. Ähnliche Voraus- pseudostrenua (KULT, 1946) geführt. setzungen liegen auf der südöstlich liegenden Sie wurde seit 1933 jahrzehntelang nicht belegt. Nasswiese (Mähwiese) vor. Erst intensivere Untersuchungen an den Binnen- Die kleine Salzstelle Fläche C zwischen Weg und salzstellen in den 90er-Jahren brachten neue Nach- altem Bahndamm von Kachstedt war im Juli Be- weise dieser Art auf den Salzwiesen der Numburg standteil einer Rinderweide. Ein deutlicher Einfluss und dem Esperstedter Ried. Alte Funde von auf Arten- oder Individuenzahlen ist hier jedoch Kachstedt, Bad Frankenhausen und Artern konn- nicht erkennbar gewesen, obwohl die Salzstelle ten allerdings in diesem Zeitraum nicht wieder be- nach Beendigung der Weide starke Zeichen der stätigt werden. Die Nachweise 2005 auf 3 Unter- Beanspruchung aufwies. suchungsflächen von Esperstedt (A, C, E) und in Kachstedt (B) sind daher besonders bemerkens- Fazit: auf den Salzwiesen von Kachstedt halten wert. Die Nachweisflächen sind gekennzeichnet sich im Vergleich zu 1995/96 Gewinn (Pogonus durch zeitweise Vernässung im Frühjahr (Grund- chalceus) und Verlust (Dyschirius salinus) an halo- wasser über Flur) und räumlichen Übergängen vom bionten Laufkäferarten die Waage. Witterungs- und Grünland zu Röhrichten. Drei Flächen wurden zeit- nutzungsbedingte Fluktuationen von Arten treten in weise mit Rindern beweidet. Per Handfang konnten allen Habitaten auf und entsprechen einer natürli- Tiere vor allem unter Pflanzenresten nachgewiesen chen Dynamik innerhalb einer Artengemeinschaft. werden. Wie sich andeutet, wird die Art durch eine Aus dem fehlenden Nachweis von D. salinus kann extensive Bewirtschaftung von Feucht- bzw. Nass- daher gegenwärtig noch keine Tendenz abgeleitet grünland gefördert. Fehlende Nachweise auf den werden. Negative Auswirkungen durch die vorge- Numburger Salzwiesen sind dadurch zu erklären, fundene Nutzung (zeitlich begrenzte Rinderbewei- dass die Beweidung der Untersuchungsfläche dung) waren nicht erkennbar. Insbesondere die 2005 zu extensiv war, d. h. dass sich die dichte Ve- sehr starken Störungen der Bodenvegetation wäh- getation, wie bei allen Salzarten, negativ auf die rend der Beweidung von Fläche C ließen keinen Population ausgewirkt hat. Einfluss auf die Käferpopulation erkennen. Eine deutlich positive Auswirkung auf die Individuenzahl Anisodactylus poeciloides (STEPH., 1828) (Aktivitätsdichte) hatte die Beweidung auf die Po- Nach KOCH (1989) ist A. poeciloides eine Art der pulation des halobionten Anisodactylus poeciloides Strandseen, Brackwassertümpel, Salzquellen und (Fläche B). Salzwiesen. Die Art ist in Thüringen ein charakteris- tischer Vertreter von Binnensalzstellen. Sie wurde

92 mit der höchsten Individuenzahl (656) aller Salz- Dicheirotrichus obsoletus (DEJ., 1829) käferarten auf 8 Untersuchungsflächen nachgewie- Der Käfer ist ein Uferbewohner salziger Gewässer sen und weist gemeinsam mit Acupalpus elegans an Meeresküsten und im Binnenland. Nach HORION die höchste Stetigkeit von Salzlaufkäfern im Unter- (1959) sind die Binnenlandvorkommen pontisch- suchungsraum auf. Die Stetigkeit ist doppelt so pannonischen Ursprungs.Nach Deutschland dringt hoch wie beim halobionten Pogonus chalceus, der die Art nur spärlich vor. Die Nordgrenze der Verbrei- die zweithöchsten Individuenzahlen halobionter Ar- tung liegt im Bereich der Salzstelle Sülldorf (Sach- ten aufweist. sen-Anhalt). Gegenwärtig kommt die Art in Thürin- A. poeciloides wird nicht so oft wie z. B. der Pionier- gen nur noch am Solgraben von Artern vor! Der besiedler Pogonus chalceus auf vegetationslosen Käfer gehört mit zu den größten Besonderheiten Salzflächen angetroffen, sondern die Art bevorzugt der Thüringer Salzkäferfauna. eine entwickelte, aber lückige Salzvegetation. Ihre 1929 wurde die Art noch auf den Salzwiesen der Verbreitung beschränkt sich nicht nur auf den Numburg (Nachweis LENGERKEN) und 1933 (Nach- Nordthüringer Raum. Weitere Nachweise liegen weis PETRY) auf den Salzwiesen von Kachstedt ge- aus dem Werragebiet bei Bad Salzungen in Süd- funden, ohne aber in den weiteren Jahren noch- westthüringen und dem Thüringer Becken (Salz- mals bestätigt zu werden. Seit 1910 (Nachweis stelle Luisenhall bei Erfurt) vor. Entsprechend der LIEBMANN) wurde die Art jedoch regelmäßig, aber nur Stetigkeit und Individuenzahl (Tab. 5, S. 95) kann in Einzelexemplaren am „Solgraben“ von Artern A. poeciloides neben Pogonus chalceus als eine nachgewiesen (HORION 1959, MAGIC-Datenbank der Leitarten für die Salzstellen Thüringens angese- NME). Wie die Untersuchungen von 1995 belegen hen werden. (Nachweis von 10 Individuen), ist die Art im Jahres- verlauf erst im September besonders aktiv. Bembidion aspericolle (GERM., 1812) Bei den aktuellen Untersuchungen konnte nur noch Auch B. aspericolle ist ein charakteristischer Vertre- ein Exemplar (Bodenfalle 13.09.2005) auf der Rena- ter halobionter Salzkäfer des Binnenlandes. Die turierungsfläche A am Rande eines neu angelegten Verbreitung in Thüringen ist analog der von A. Flachgewässers nachgewiesen werden. Es bleibt poeciloides. Er bevorzugt allerdings an den Thürin- zu untersuchen, ob die Revitalisierungsmaßnahme ger Salzstellen stärker die Ufer salziger, vegeta- zum Erholen der Population führt. tionsarmer Gewässer bzw. stark durchfeuchtete Böden. Er tritt zwar nicht so individuenstark auf wie Dyschirius chalceus (ER., 1837) z. B. A. poeciloides, ist aber ebenfalls eine gute Die halobionte Art wurde in allen 4 Projektgebieten Indikatorart für Binnensalzstellen. mit 34 Individuen nachgewiesen, kommt aber nur auf 6 der 15 Untersuchungsflächen vor. Individuen- Bembidion fumigatum (DUFT., 1812) reichere Nachweise liegen nur von den „klassi- Die Art ist nach KOCH (1989) stenotop und halo- schen“ Salzstellen „Numburger Westquelle“ (15 In- biont. Es ist eine typische Art der Salzwiesen, die dividuen – Fläche D) und dem „Arterner Solgraben“ an Brackwasser, auf Binnenlandsalzstellen sowie (11 Individuen – Fläche C) vor. Die enge Bindung an auf Küstensalzwiesen vorkommt (SCHULTZ & MÜLLER- historisch alte Salzstellen ist erkennbar. In Thürin- MOTZFELD 1995). Mit zwei Nachweisen (Numburg A, gen liegen bisher für alle natürlichen Salzstandorte Artern B), jeweils 1 Individuum, hat die Art im Nachweise vor. Lediglich ein Fund stammt von ei- Untersuchungsraum geringe indikatorische Bedeu- ner sekundären Salzstelle, der Kalihalde Sollstedt tung für die Bewertung der Salzstellen. Mit weniger (WESTHUS et al. 1997). Die Art zeigt seit Jahren eine als 20 Nachweisorten in Thüringen ist B. fumigatum allgemeine Rückgangstendenz. Es war daher er- recht selten und wurde meist nur in Einzelindivi- freulich, dass die Art nach Jahren wieder an der duen, im Einzelfall auch ohne Bezug zu Salzstellen Numburg und bei Kachstedt aktuell bestätigt wer- nachgewiesen. den konnte. Bevorzugte Habitate sind Salzgrünland und bindige Bembidion minimum (F., 1792) Böden in Quellfluren, was besonders durch den Die Art ist halophil und weist in Thüringen neben Nachweis von 15 Individuen an der Numburger- Salzstellen noch eine Vielzahl an Nachweisen in Westquelle, als dem individuenreichsten Fundort, feuchten Lebensräumen auf. Nach MÜLLER-MOTZ- belegt wird. FELD (1990) ist es die häufigste halophile Art an Salz- stellen, was sich auch bei den vorliegenden Unter- Dyschirius salinus (SCHAUM, 1843) suchungen bestätigte. Diese Salzart wurde als ein- D. salinus ist eine halobionte Art, die an Binnensalz- zige mit der maximalen Stetigkeit auf allen 15 stellen und Meeresküsten vorkommt. Allgemein ist Untersuchungsflächen nachgewiesen. Mit 441 In- sie verbreitet, aber seltener als D. chalceus. Die Art dividuennachweisen ist sie allerdings nicht so konnte mit 13 Individuen nur auf 3 Untersuchungs- individuenreich wie die halobionten Arten Pogonus flächen von Esperstedt und Artern nachgewiesen chalceus und Anisodactylus poeciloides. Als Indi- werden. Frühere Untersuchungen belegen auch katorart für Salzstellen ist sie daher nicht vorrangig zahlreiche Nachweise von Kalihalden Nordthürin- zu bewerten. gens (WESTHUS et al. 1997), so dass man die Art zu

93 den Pionierbesiedlern von Salzstellen zählen kann. fumigatum mittels Handfang weist die Fläche noch Ein deutlicher Hinweis hierfür sind die Flächen eine sehr gute Ausstattung an Salzarten auf. Auffäl- Esperstedt A sowie Artern A und C, die sich durch lig ist jedoch, dass bis auf B. minimum die Indi- lichtoffene und vegetationsarme Lebensräume viduenzahl in dieser Artengruppe sehr gering ist. bzw. lockere Queller-Bestände auszeichnen. Die Dominant hingegen treten bereits charakteristische Lebensraumbindung ist im Untersuchungsraum Wiesenarten wie Poecilus cupreus auf. Arten- und wesentlich enger an Salzstellen und weicht von der Individuenzahl deuten daher bereits auf einen ver- Einschätzung bei KOCH (1989) ab, der sie als „eury- ringerten Salzeinfluss hin. tope“ Art angibt. Der Erhalt von Binnensalzstellen ist verbunden mit Pogonus chalceus (MARSH., 1802) dem Erhalt der charakterischen Pflanzen- und Tier- P. chalceus ist eine europäische und halobionte Art gemeinschaften. Es spielt bei der Pflege von Salz- der Küsten und Binnensalzstellen. Die Art ist neben wiesen nicht nur die Methode, sondern auch der Anisodactylus poeciloides eine der charakteristi- Zeitpunkt eine Rolle, wie Diagramm 2 beispielhaft schen Indikatorarten der Binnensalzstellen Thürin- zeigt. gens. Ihre thüringische Hauptverbreitung liegt ein- deutig im Projektgebiet Nordthüringens, wobei In Abb. 3 ist die Individuenzahl von A. poeciloides auch auf Sekundärstandorten wie den Kalihalden und P. chalceus sowie des ebenfalls individuen- von Bischofferode und Wolkramshausen (WESTHUS reich auftretenden halophilen A. convexiuscula dar- et al. 1997) Nachweise gelangen. Der Käfer scheint gestellt. Stellvertretend für die meisten Salzstellen- bevorzugt salzbeeinflusste Pionierhabitate und vor besiedler erkennt man ein deutliches Aktivitäts- allem Queller- und Salzschuppenmieren-Flächen maximum im Frühjahr bzw. Frühsommer. Die Sum- aufzusuchen. Die Art weist offensichtlich eine be- menkurve der Salzkäferindividuen an den drei cha- sondere Resistenz gegenüber hohen Salzkonzen- rakteristischen Untersuchungsflächen Esperstedt trationen auf und ist auf 4 Untersuchungsflächen Fläche A, Artern Fläche C und Kachstedt Fläche B mit 461 Individuen vertreten. bestätigt diesen Zeitraum der Hauptaktivitäten, zeigt aber auch, dass Salzkäfer bei entsprechen- Amara strenua (ZIMM., 1832) den Voraussetzungen über das gesamte Jahr anzu- Bisher gab es in Thüringen nur 4 Nachweise (Num- treffen sind. Im Spätsommer- und Herbstaspekt burger Salzwiesen, Arterner Solgraben sowie Flut- können weitere Arten mit einem Aktivitätsmaximum graben Wiehe und Seehausen) dieser seltenen, hinzukommen wie z. B. A. convexiuscula und der halotoleranten Art, davon die letzten beiden 1996 seltene D. obsoletus. Daraus ist zu schlussfolgern, (H. BUSTAMI) und 2000 (H. GRIMM). Der aktuelle Fund dass jahreszeitlich differenzierte Bewirtschaftun- erfolgte auf der Fläche E Esperstedt. Mit dem gen sich unterschiedlich auf die Artengemeinschaft Nachweis von 6 Salzarten über Bodenfallen und B. der Salzkäfer auswirken können.

Abb. 3: Phänologie von Salz-Laufkäferarten und Artengemeinschaften

94 3.3 Käfer-Beifänge Erfurt. Weitere Nachweise erfolgten bei den Unter- Im Rahmen der Laufkäferuntersuchungen wurden suchungen 1998 an Salzstellen Südthüringens bei in den Bodenfallen bzw. bei den Begehungen wei- Vacha und Merkers. Aktuell konnte auf den Esper- tere Käferarten als Beifänge registriert. Es wurden stedter Wiesen am 17.06.2005 (Fläche A) und am folgende Zwischenergebnisse erzielt: 10.08.2005 (Fläche C) je ein Individuum in Boden- fallen nachgewiesen werden. Beide Flächen wur- UG Numburg 90 Arten aus 25 Käferfamilien den zum Nachweiszeitpunkt mit Rindern beweidet. UG Esperstedt 130 Arten aus 30 Käferfamilien Aphodius plagiatus (L., 1767) UG Artern 44 Arten aus 15 Käferfamilien UG Kachstedt 77 Arten aus 34 Käferfamilien Die überwiegende Anzahl der Scarabaeiden, zu de- nen die Gattung der Aphodien gehört, sind Dung- Unter den Beifängen befanden sich 13 halobionte bewohner. Einige von ihnen sind aber nicht streng bzw. halophile Arten (Tab. 3). Die meisten der Arten an die Exkremente der Weidetiere gebunden, son- wurden bereits bei den Untersuchungen der Bin- dern nutzen auch andere faulende, verrottende Ve- nensalzstellen 1995 als Beifänge nachgewiesen. getabilien, Genist, Detritus etc. Aphodius plagiatus Zu den bemerkenswerten aktuellen Funden 2005 ist einer dieser Vertreter. Er hat sich zusätzlich die gehören 3 Arten aus drei unterschiedlichen Käfer- ökologische Nische auf salzbeeinflussten Flächen familien: Atholus praetermissus, Aphodius plagia- erobert. Allgemein wird A. plagiatus als selten oder tus und Paracymus aeneus. nur in Einzelexemplaren vorkommend charakteri- siert (z. B. BLANK & SPITZBERG 2001). Die Nachweise Atholus praetermissus (Peyron., 1856) nach 1950 waren nur sporadisch. Zwischen 1991/ Ein großer Teil der Stutzkäfer ist an Dung/Kot/Aas 92 gelangen Nachweise im Esperstedter Ried. gebunden. Nach PESCHEL (2004) sind es jedoch wei- 1955 war der letzte Nachweis am Solgraben von tere Standortfaktoren, die den Lebensraum der Artern. 1998 konnten auf mehreren Salzwiesen Histeriden bestimmen. Unter anderem gibt es Ar- Südthüringens Nachweise erbracht werden (RÖSS- ten, die mehr oder weniger an Salzstellen gebun- NER 1999). Bei Bodenfallen-Untersuchungen 1995/ den sind, wie A. praetermissus. Die Art wird allge- 1996 an 16 Binnensalzstellen (SPARMBERG et al. mein sehr selten gefunden und tritt vor allem in 1997) wurde die Art jedoch nur bei Bad Franken- Wärmegebieten auf (ERBELING & SCHULZE 1988). Für hausen festgestellt. 2005 konnte sie hingegen in al- Deutschland liegen bisher 16 Funde vor, davon 5 in len aktuellen Untersuchungsgebieten, jedoch nicht Thüringen. Die ersten Funde nach 1950 gelangen auf allen Untersuchungsflächen, nachgewiesen 1993 (leg. A. WEIGEL) an der Salzstelle Luisenhall bei werden, wie Tab. 4 zeigt.

( ) Nu Es Ar Ka Familie Art 1995 2005 1995 2005 1995 2005 1995 2005 parallelogrammus 95 05 Ochtebius marinus 95 95 05 95 05 Enochrus bicolor L 95 05 L 05 Tab. 3: Paracymus aeneus L 05 Aktuelle Nachweise Histeridae: Atholus praetermissus 05 halobionter und halo- Staphylinidae Bledius tricornis L 05 95 05 L 05 05 Bledius unicornis L L 05 05 philer Käferarten 2005 Pselaphidae Brachygluta helferi 95 95 05 95 05 05 (ex Carabidae) im Ver- Heteroceridae Heterocerus flexuosus L 95 L 05 gleich zu 1995 Malachidae Clanoptilus strangulatus 95 05 95 05 95 05 (WESTHUS et al. 1997), Coccinelidae Coccinella undecimpunctata 95 95 05 L – Literatur: RAPP Anthicidae Cyclodinus humilis 95 05 95 05 1933, HIEBSCH 1961 Scarabaeidae Aphodius plagiatus 05 05 05 05

Untersuchungs- UF* Indiv. Vegetation/Nutzung 2005 gebiete 1) Numburg, A 2 Nasswiese schwach beweidet B - trocken bis feuchte Ruderalfläche (Ackerbrache) C - vernässter Weg an Schilfflächen D 1 Numburger Westquelle, verschilfter Graben 2) Esperstedt A 13 Quellerfläche am Solgraben, zeitweise beweidet B 1 zeitweise im Frühjahr überflutete Mähwiese C 16 Feuchtweide D 14 Frischwiese, Mähwiese E 167 Nass-/Feuchtwiese teilweise verschilft, Mähwiese 3) Artern A 1 geschobene Fläche, vegetationslos, ohne Nutzung B 1 Artemisia-Bestand, ohne Nutzung Tab. 4: C - artenreiche Salzstelle, ohne Nutzung Nachweise des halo- 4) Kachstedt A - Mähweide bionten Aphodius B - Nassweide mit Schilfbestand, späte Beweidung plagiatus C 1Hf Salzstelle am Bahndamm/Weg, zeitweise beweidet *UF – Untersuchungsfläche. 95 Abb. 4: Phänologie der Salz- stellenbesiedler Aphodius plagiatus und Paracymus aeneus

Höchste Individuenzahlen wurden räumlich in Öko- 4. Bewertung der Salzstellen tonen zwischen nassen und feuchten Böden und Zur Bewertung einer Untersuchungsfläche können zeitlich im Mai/Juni erreicht (Abb. 4). aus den „Urdaten“ der quantitativen Bodenfallen- A. plagiatus gehört im Untersuchungsgebiet nach fänge (Individuen- und Artenzahlen aus Tab. 5, S. vorliegenden Beobachtungen zu den Käfern, die 95) Bewertungsmaßstäbe abgeleitet werden: nach den Frühjahrsüberschwemmungen die frei- werdenden, mit Salz und Detritus angereicherten 1. Der Anteil aller „Salzlaufkäfer-Individuen“ an Schlammflächen, rasch besiedeln bzw. nutzen den Gesamtindividuen (AS) im Untersuchungs- können. Die Art konnte über die gesamte Fang- zeitraum kann als ein vereinfachtes Qualitäts- periode nachgewiesen werden, tritt aber wie die merkmal für eine Salzstelle gelten. Folgende Rang- meisten Salzarten im Frühjahr mit hoher Individuen- folge kann hieraus abgeleitet werden: zahl auf. Rang Fläche AS Paracymus aeneus (Germ. 1824) 1 Artern C 90 % Bereits bei RAPP (1933) wird der „Wasserkäfer“ für 2 Kachstedt B 84 % die Salzstelle am Solgraben bei Artern aufgeführt, 3 Esperstedt A 73 % jedoch lagen aktuell keine Nachweise mehr vor. 4 Artern A 70 % Der zur Familie der Hydrophiliden gehörende Käfer 5 Kachstedt C 40 % ist einer der streng halobionten Arten der mittel- 6 Esperstedt C 37 % europäischen Fauna. Nach DIETZE (2004) besiedelt 7 Numburg D 21 % die Art in Sachsen-Anhalt sowohl primäre als se- 8 Numburg A 9 % kundäre Binnensalzstellen. Die Art bevorzugt dort 9 Esperstedt E 7 % Kleinstgewässer, wie Fahrspuren und seichte La- 10 Numburg C 6 % chen. In Thüringen ist die Salzstelle Artern bisher 11 Artern B 5 % der einzige Fundort. Im Rahmen des Monitorings 12 Esperstedt D 2 % konnten bereits im Mai im Bereich an den neu an- 12 Kachstedt A 2 % gelegten Kleinstgewässern (Fläche A) 15 Individu- 13 Esperstedt B <1 % en über Bodenfallenfänge nachgewiesen werden 13 Numburg B <1 % (Abb. 4). Weitere Nachweise gelangen in den Folge- monaten auch auf der unbeeinflussten Salzstelle Bemerkenswert ist, dass die Revitalisierungsfläche (Fläche C). Die höchsten Individuenzahlen (Fläche Artern A bereits einen sehr hohen Anteil an Salz- A 95 Indiv., Fläche C 52 Indiv.) wurden im Juni er- individuen aufweist, während der dichte Artemisia- reicht. Es liegt die Vermutung nahe, dass mit der Bestand (Artern B) für die Salzlaufkäfer-Fauna fast flächigen Beseitigung der Vegetation und der Anla- bedeutungslos ist. Deutlich wird aber auch der ge von Kleinstgewässern die Population dieser sel- qualitative Verlust an den Salzstellen im Gebiet der tenen Art wieder günstige Entwicklungsmöglich- Numburg bei Kelbra. Lediglich im unmittelbaren keiten erhält. Umfeld der Quelle (Numburg D) wird noch ein Bemerkenswert ist bei P. aeneus und A. plagiatus Individuenanteil an Salzkäfern über 10 % erreicht. wie auch bei den meisten anderen Besiedlern von Die Untersuchungsgebiete Artern, Esperstedt und Salzstellen die Übereinstimmung in ihrer Phänolo- Kachstedt weisen alle Kerngebiete mit einem Salz- gie (Tab. 4). Trotz unterschiedlicher Lebensrauman- käferanteil über 70 % auf. sprüche bestimmt das Vorhandensein von salzigen Wässern ihren gemeinsamen Jahresrhythmus. 2. Weiterhin ist eine differenziertere Flächenbewer- tung nach gewichteten Anteilen der Zahl halobion- ter (hb) Arten (Wichtungsfaktor 1) und halophiler/ halotoleranter (ht) Arten (Wichtungsfaktor 0,5) und

96 Tab. 5: Bewertung der 15 Untersuchungsflächen auf Basis der ermittelten halobionten (hb) und halotoleranten/halo- philen (ht) Arten- und Individuenzahlen mittels standardisierter Bodenfallenfänge, ohne Berücksichtigung Handfang (Hf), Lichtfang (Lf), Zeitraum: 27.04. bis 13.09.2005 deren Verknüpfung mit dem Individuenanteil (AS) ökologischen Ansprüchen, wie z. B. für Feucht- zu einem „Salzstellen-Faktor“ möglich: gebiets- und Moorbesiedler, eine hohe Bedeutung Σ besitzen. Bei der Erarbeitung von Managementziel- S = Salz-Indiv./Gesamtindiv. x 100 x hb-Arten + (Σ ht-Arten x 0,5) stellungen und -maßnahmen sollte daher auch ein flächenbezogener Abgleich mit den Ansprüchen Der Faktor würdigt in stärkerem Maße die Qualität, anderer, naturschutzfachlich bedeutsamer Ziel- d. h. den Anteil halobionter Arten, einer Salzstelle. arten erfolgen. Die Rangfolge der Salzstellen auf Basis des S-Fak- tors ist in Tab. 5 zusammengestellt. Hiernach ergibt sich, entsprechend den Jahres- 5. Zusammenfassung ergebnissen 2005, die gegenwärtige Bedeutung Das Ziel vorliegender Untersuchungen bestand der Salzstellen für Laufkäfer. Im weiteren Monito- darin, im Rahmen eines Monitorings zum EU-LIFE- ring können auf dieser Basis Veränderung in der Projekt „Erhalt der Binnensalzstellen Nordthürin- Laufkäfergemeinschaft deutlicher erkannt werden. gens“ den Ist-Zustand der Laufkäfergemeinschaf- Bei Anwendung der üblicherweise in der Planungs- ten auf 15 Untersuchungsflächen im Bereich der praxis benutzten 4-stufigen Bewertungsskala kann Salzwiesen an der Numburg (Kelbra), bei Esper- die Bedeutung der Untersuchungsflächen als Le- stedt, Artern und Kachstedt zu dokumentieren und bensraum für die Salz-Laufkäferfauna wie folgt ein- zu bewerten sowie geeignete Maßnahmen zum Er- gestuft werden: halt dieser Lebensräume gefährdeter Laufkäfer- Bedeutung Untersuchungsflächen arten abzuleiten. Die Datenerhebungen fanden im sehr hoch Artern C, Esperstedt A, Zeitraum 27.04. bis 23.09.2005 statt. Es wurden Kachstedt B insgesamt 128 Laufkäferarten erfasst, darunter be- hoch Artern A, Kachstedt C, fanden sich 4 halophile und 9 halobionte Laufkäfer- Esperstedt C arten. Als charakteristische Salzstellenbesiedler mittel Numburg D, Esperstedt E, Nordthüringens mit hoher Stetigkeit und teilweise Numburg A, Numburg C hohen Individuenzahlen erwiesen sich Anisodacty- gering bis keine Artern B, Kachstedt A, lus poeciloides, Pogonus calceus, Acupalpus ele- Esperstedt D, Numburg B, gans und Bembidion aspericolle. Esperstedt B Die Bewertung der Untersuchungsflächen und -ge- biete nach ihrer faunistischen Ausstattung ergab, Es muss jedoch betont werden, dass eine Bewer- dass gegenwärtig mit je 11 Salzarten im Bereich tung für unterschiedliche Tiergruppen oder für die der Esperstedter Salzwiesen und des Arterner Sol- Vegetation eine andere, flächenbezogene Beurtei- grabens die größte Artenvielfalt erreicht wird. Auf lung ergeben kann. Darüber hinaus kann eine Flä- den Salzwiesen an der Numburg wurde für die ver- che zwar als „Salzstelle“ geringe bis keine Bedeu- gangenen 10 Jahre ein starker Rückgang an halo- tung haben, jedoch durchaus für Arten mit anderen bionten Arten festgestellt. Das Gebiet besitzt ge-

97 genwärtig vorrangig eine hohe Bedeutung für hy- Laufkäfer erwiesen sich im Rahmen des Monito- grophile Käferarten. rings und der Erfolgskontrolle als sehr gute Indika- Erste Maßnahmen zur Verbesserung der Lebens- toren zur Bewertung von Salzstellen. Durch ihre räume an Binnensalzstellen führten bereits am Sol- Mobilität sind sie in der Lage, Veränderungen im graben von Artern zum Nachweis jahrzehntelang bodennahen Raum zeitnaher zu indizieren, als es verschwundener Salzarten. mit Vegetationsanalysen möglich ist.

Anhang Übersicht zu den Laufkäfernachweisen an den Binnensalzstellen Thüringens (Numburg, Esperstedt, Artern, Kachstedt) im Erhebungszeitraum 27.04.2005 bis 23.09.2005 fett halobionte/halophile Arten, RT Rote Liste Thüringens, RD Rote Liste Deutschlands, BArt streng geschützt nach Bundesartenschutzverordnung

RT RD EDV Art Num Esp Art Kach BArt § 004.012 1. Carabus granulatus L., 1758 x x 2 § 004.016 2. Carabus auratus L., 1761 x § 004.026 3. Carabus nemoralis O.F.MUELLER, 1764 x x x 006.009 4. Leistus ferrugineus (L., 1758) x 007.006 5. Nebria brevicollis (F., 1792) x x x x 1 2 011.001 6. Blethisa multipunctata (L., 1758) x 1 2 012.001 7. Elaphrus uliginosus F., 1775 x 012.002 8. Elaphrus cupreus (DUFT., 1812) x 012.003 9. Elaphrus riparius (L., 1758) x 013.001 10. Loricera pilicornis (F., 1775) x x x x 015.001 11. Clivina fossor (L., 1758) x x x V 015.002 12. Clivina collaris (HERBST, 1786) x 2 D 016.0072 13. Dyschirius agnatus MOTSCHULZKY, 1844 x x x 1 1 016.010 14. Dyschirius chalceus ERICHSON, 1837 x x x x 1 V 016.013 15. Dyschirius salinus SCHAUM, 1843 x x 016.016 16. Dyschirius luedersi WAGNER, 1915 x 016.032 17. Dyschirius globosus (HERBST, 1784) x x x x 0201.001 18. Epaphius secalis (PAYK., 1790) x 021.006 19. Trechus quadristriatus (SCHRANK, 1781) x x x x 2 0271.001 20. Paratachys bistriatus (DUFT., 1812) x x x x 0272.003 21. Elaphropus parvulus (DEJ., 1831) x 029.010 22. Bembidion lampros (HERBST, 1784) x x x x 029.011 23. Bembidion properans (STEPHENS, 1828) x x x 029.018 24. Bembidion obliquum STURM, 1825 x x 029.019 25. Bembidion varium (OLIVIER, 1795) x x x 029.054 26. Bembidion tetracolum SAY, 1823 x x 029.058 27. Bembidion femoratum STURM, 1825 x 029.0671 28. Bembidion tetragramm. illigeri NETOL., 1916 x x V 029.078 29. Bembidion gilvipes STURM, 1827 x x 2 3 029.079 30. Bembidion fumigatum (DUFT., 1812) x x x V 029.080 31. Bembidion assimile GYLLENHAL, 1810 x x 1 2 029.083 32. Bembidion aspericolle GERMAR, 1812 x x x 029.086 33. Bembidion minimum (FABRICIUS, 1792) x x x x 029.090 34. Bembidion quadrimaculatum (L., 1761) x x x V 029.091 35. Bembidion quadripustulatum SERV., 1821 x 029.095 36. Bembidion obtusum SERV., 1821 x x 029.098 37. Bembidion biguttatum (F., 1779) x 029.101 38. Bembidion mannerheimii SAHLB., 1827 x V 029.102 39. Bembidion guttula (F., 1792) x x 029.103 40. Bembidion lunulatum (FOURCROY, 1785) x x x x 1 V 031.003 41. Pogonus chalceus (MARSHAM, 1802) x x x 032.003 42. Patrobus atrorufus (STROEM, 1768) x x 037.001 43. Anisodactylus binotatus (F., 1787) x x x x 1 2 037.004 44. Anisodactylus poeciloides (STEPH., 1828) x x x x

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RT RD EDV Art Num Esp Art Kach BArt yp () 2 038.001 45. Diachromus germanus (L., 1758) x x 041.020 46. Harpalus signaticornis (DUFT, 1812) x 041.030 47. Harpalus affinis (SCHRANK, 1781) x x x x 041.031 48. Harpalus distinguendus (DUFT., 1812) x x 041.045 49. Harpalus latus (L., 1758) x 2 V 041.046 50. Harpalus luteicornis (DUFT., 1812) x x 041.049 51. Harpalus rubripes (DUFTSCHMID, 1812) x x x x 0411.009 52. Ophonus rufibarbis (F., 1792) x 0411.010 53. Ophonus schaubergerianus PUEL., 1937 x 2 0411.011 54. Ophonus cordatus (DUFT., 1812) x V 0411.014 55. Ophonus puncticollis (PAYK., 1798) x x 0411.015 56. Ophonus melleti HEER, 1837 x 3 0411.016 57. Ophonus rupicola STURM, 1818 x x x 0411.017 58. (STEPHENS, 1828) x 0412.001 59. Pseudoophonus rufipes (DEGEER, 1774) x x x x 2 3 0412.003 60. Pseudoophonus calceatus (DUFT., 1812) x 042.001 61. Stenolophus teutonus (SCHRANK, 1781) x x x 042.004 62. Stenolophus mixtus (HERBST, 1784) x x x 1 1 043.002 63. Dicheirotrichus obsoletus (DEJ., 1829) x 1 2 046.001 64. Acupalpus elegans DEJEAN, 1829 x x x x 046.002 65. Acupalpus flavicollis STURM, 1825 x 046.004 66. Acupalpus meridianus (L., 1761) x V 046.006 67. Acupalpus parvulus (STURM, 1825) x x x x 3 3 046.010 68. Acupalpus exiguus (DEJEAN, 1829) x x x 3 047.001 69. Anthracus consputus (DUFT., 1812) x x x 049.001 70. Stomis pumicatus PANZER, 1796 x 050.007 71. Poecilus cupreus (L., 1758) x x x x 050.008 72. Poecilus versicolor (STURM, 1824) x x 051.011 73. Pterostichus strenuus (PANZER, 1797) x x x V 051.012 74. Pterostichus diligens (STURM, 1824) x x 051.015 75. Pterostichus vernalis (PANZER, 1796) x x x 051.019 76. Pterostichus nigrita (PAYKULL, 1790) x x x 051.0191 77. Pterostichus rhaeticus HEER, 1837 x 3 051.020 78. Pterostichus anthracinus (ILLIGER, 1798) x x 2 3 051.021 79. Pterostichus gracilis (DEJEAN, 1828) x 051.022 80. Pterostichus minor (GYLLENHALL, 1828) x x 051.023 81. Pterostichus macer (MARSHAM, 1802) x x 051.026 82. Pterostichus niger (SCHALLER, 1783) x x 051.027 83. Pterostichus melanarius (ILLIGER, 1798) x x x x 052.001 84. Molops elatus (F., 1801) x 053.002 85. Abax parallelopipedus (PILL.& MITT., 1783) x 055.001 86. Synuchus vivalis (ILL., 1798) x x 056.001 87. Calathus fuscipes (GOEZE, 1777) x x x x 3 056.002 88. Calathus erratus (SAHLB., 1827) x 056.006 89. Calathus melanocephalus (L., 1758) x x x 3 056.007 90. Calathus cinctus (MOTSCH.,1850) x 062.008 91. Agonum marginatum (L., 1758) x x x 062.009 92. Agonum muelleri (HBST., 1784) x 062.012 93. Agonum viduum (PANZ., 1797) x x 062.013 94. Agonum afrum (DUFTSCHMID, 1812) x x 062.028 95. Agonum fuliginosum (PANZER, 1809) x 062.029 96. Agonum thoreyi DEJEAN, 1828 x x 0622.001 97. Anchomenus dorsalis (PONTOP., 1763) x 3 064.001 98. Zabrus tenebrioides (GOEZE, 1777) x x 065.001 99. Amara plebeja (GYLLENHAL, 1810) x x x x 1 D 065.002 100.A. strandi LUTSCHNIK, 1933 x x (Amara tricuspidata ssp. pseudo-strenua KULT, 1946) 1 2 065.003 101. Amara strenua ZIMM., 1832 x

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RT RD EDV Art Num Esp Art Kach BArt 065.009 102. Amara ovata (F., 1792) x x x 065.013 103. Amara convexior STEPHENS, 1828 x x x 065.014 104. Amara communis (PANZER, 1797) x x x 065.018 105. Amara lunicollis SCHDTE., 1837 x x 065.021 106. Amara aenea (DEGEER, 1774) x x x 065.026 107. Amara familiaris (DUFT., 1812) x x x 065.036 108. Amara bifrons GYLLENHAL, 1810 x x x x 065.053 109. Amara consularis (DUFTSCHMID, 1812) x 065.055 110. Amara apricaria (PAYK., 1790) x 065.057 111. Amara aulica (PANZ., 1797) x x 065.058 112. Amara convexiuscula (MARSHAM, 1802) x x x 065.063 113. Amara equestris (DUFT., 1812) x x 1 2 066.004 114. Chlaenius tristis (SCHALLER, 1783) x V 066.005 115. Chlaenius nigricornis (F., 1787) x 066.008 116. Chlaenius vestitus (PAYKULL, 1790) x x 068.001 117. Oodes helopioides (F., 1792) x x 070.002 118. Badister bullatus (SCHRANK, 1798) x x x 070.005 119. Badister sodalis (DUFTSCHMID, 1812) x 2 2 070.008 120. Badister peltatus (PANZER, 1797) x 076.001 121. Demetrias atricapillus (L., 1758) x 077.006 122. Nebria brevicollis (F., 1792) x 0791.001 123. Calodromius spilotus (ILL., 1798) x 0792.003 124. Philorhizus notatus STEPHENS, 1827 x 080.002 125. Syntomus foveatus (FOURCROY, 1785) x x x x 082.002 126. Microlestes maurus (STURM, 1827) x V 086.001 127. Brachinus crepitans (L., 1758) x 086.003 128. Brachinus explodens DUFT., 1812 x Gesamtarten pro Gebiet: 90 75 51 61

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SCHULTZE, R. & G. MÜLLER-MOTZFELD (1995): Faunistisch- ökologische Untersuchungen auf Salzstandorten bei Greifswald. – Z. Ökologie u. Naturschutz 4: 9–19

101 Zur Limnofauna von Salzstellen in Thüringen (aquatische Coleoptera & Diptera: Dolichopodidae)

Ronald Bellstedt Museum der Natur Gotha

Synopsis SPARMBERG et al. 1997). Hier lag der Schwerpunkt In 2005 as part of the LIFE-project „Erhaltung und bei der Auswertung der Laufkäfer (Carabidae). Als Entwicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ Begleitfauna wurden die übrigen Käferfamilien so- (conservation and development of internal salt- wie die Webspinnen zum großen Teil mit ausgewer- areas in northern thuringia) has been the fauna of tet. Innerhalb der Spinnenfauna fanden sich 3 waterbeetles (aquatic Coleoptera) and Dolichopo- „Salzarten“ (SPARMBERG & SACHER 1997). didae recorded in four areas: Esperstedter Ried, Nach den Käfern (Coleoptera, insbesondere Lauf- Arterner Solgraben, Numburger Westquelle and käfer, Kurzflügler, Wasserkäfer s. lat., Blatt- und Kachstedter Salzwiesen. Rüsselkäfer) eignen sich insbesondere einige Fami- Altogether are 91 species of aquatic and semi- lien der Zweiflügler (Diptera) als Bioindikatoren und aquatic Coleoptera known from these saltareas. Descriptoren von Salzstellen. Hier sind vor allem The halobiont waterbeetle Paracymus aeneus is die Langbeinfliegen (Dolichopodidae) zu nennen considered to be a leading species for a high (siehe BELLSTEDT 2001, BELLSTEDT & WAGNER 1998, salinity – current proofs are only available from the STARK 1993, 1996, 2004). Das ermittelte Arten- nature reserve “Solgraben” in Artern. spektrum zeigt die Unverfälschtheit oder Schädi- To the fauna of Dolichopodidae belong 58 species. gung des Lebensraumes an, bzw. die erreichte Remarkable is the dominant occurrence of the fol- Qualität durch Pflegemaßnahmen. lowing halobiont species: Micromorphus albipes, Binnensalzstellen beherbergen als Extrem-Lebens- Syntormon filiger, Dolichopus clavipes, Dolichopus räume spezielle Zönosen, welche meist kleinflächig diadema und Dolichopus sabinus. vorkommen und durch größere Entfernungen von- einander isoliert sind. In diesen Artengemeinschaf- Stichwörter: ten sind sowohl die – aus Naturschutzsicht beson- Wasserkäfer, Langbeinfliegen, historische und aktu- ders bedeutsamen – hoch spezialisierten Arten, als elle Nachweise an Thüringer Binnensalzstellen, Hin- auch solche, die in verschiedensten Biotopen leben weise zur Landschaftspflege können, vertreten. Die Bindung der einzelnen Arten an Salzstandorte wird über die Zuordnung zu den ökologischen Anspruchstypen gekennzeichnet: halobiont – halophil – halotolerant (FRITZLAR & 1. Einleitung SPARMBERG 1997). Es liegen bislang nur wenige Studien bzw. Publika- tionen zur aquatischen Tierwelt von Salzgewässern Ökotypen Kriterien in Thüringen vor (u. a. HAAKE 1962, KAISER 1974, für die Zuordnung SCHULZ & BELLSTEDT 2002). In den letzten 3 Jahrzehnten wurden durch den Ver- halobiont salzgebunden Funde sind ausschließ- fasser sporadisch einige naturnahe Binnenland- lich von Salzstellen salzstellen auf das Vorkommen halophiler bzw. bekannt halobionter Wasserinsekten hin untersucht, unter halophil salzbevorzugend Funde vorrangig von anderen der Solgraben bei Artern, die Salzstelle Salzstellen bekannt, Luisenhall bei Nöda/Stotternheim und die Sol- aber auch aus anderen wiesen an der Numburg bei Kelbra. Daneben fan- Biotoptypen den sich „Salztiere“ auch bei intensiveren For- halotolerant salzertragend Arten, die wesentliche schungen in den frischen Kalksandabbaugruben im Teile ihres Lebens- Herbslebener Teichgebiet in der Unstrutaue (BELL- zyklus an salzbeein- STEDT 1994, BELLSTEDT et al. 1991) sowie in den flussten Biotopen Alperstedter Kiesgruben bei Stotternheim (BELL- absolvieren können, STEDT et al. 1992). aber auch andernorts Bei neueren Gutachten zur Erfassung der Tierwelt auftreten thüringischer Salzstellen kamen überwiegend Bo- Tab. 1: Ökotypen der Arten der Salzstellen und Zu- denfallen zum Einsatz (FRITZLAR & SPARMBERG 1997, ordnungskriterien

102 Abb. 1: Luftbild Solgraben Artern, 27.08.2005 (Foto: R. Bellstedt)

Im Rahmen des LIFE-Projektes „Erhaltung und Ent- wicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ wurde von April bis Oktober 2005 die Fauna der Wasserkäfer (aquatische Coleoptera) und der Langbeinfliegen (Dolichopodidae) in vier Gebieten erfasst: Esperstedter Ried (ca. 870 ha), Arterner Solgraben (ca. 2 ha), Numburger Westquelle (ca. 44 ha) und Kachstedter Salzwiesen (ca. 8 ha). Eine aktuelle Gebietsbeschreibung nebst Angaben zur Flora gibt BÖTTCHER (2005). Es handelt sich hier um naturnahe Binnensalzstellen im Bereich des Kyff- häusergebirges, für die ein formaler gesetzlicher Schutz zur Erhaltung der Lebensraumqualität nicht ausreicht. Von den gewonnenen faunistisch-ökolo- gischen Kenntnissen sollen deshalb Empfehlungen für Pflegemaßnahmen und Habitatoptimierungen abgeleitet werden.

Abb. 2: Solgraben Artern, 21.08.2005 (Foto: R. Bellstedt)

103 Abb. 3: Luftbild Salzstelle Kachstedt, 27.08.2005 (Foto: R. Bellstedt)

Abb. 4: Salzstelle Kachstedt, 16.05.2005 (Foto: R. Bellstedt)

104 Abb. 5: Luftbild Esperstedter Ried, 27.08.2005 (Foto: R. Bellstedt)

Abb. 6: Solgraben am Esperstedter Ried, 16.05.2005 (Foto: R. Bellstedt)

105 Abb. 7: Luftbild Numburger Salzstelle, 27.08.2005 (Foto: R. Bellstedt)

Abb. 8: Numburger Salzstelle, Graben der Westquelle, 16.05.2005 (Foto: R. Bellstedt)

106 2. Limnofauna Allen „Salzkäfern“ ist eine hohe Ausbreitungsfähig- keit gemeinsam, d. h. sie können weite Strecken 2.1 Wasserkäfer (aquatische Coleoptera) fliegend überbrücken und werden deshalb relativ Aus Thüringen sind insgesamt 269 aquatische oft an warmen Sommerabenden auch am Licht be- Coleoptera (s.str. und noch ohne Einbeziehung obachtet (siehe u. a. FICHTNER 1971). Diese Flug- der Sägekäfer, Heteroceridae) bekannt (BELLSTEDT aktivitäten sind auch immer wieder bei vielen ande- 2001a). Seit der ersten Check-Liste der Wasserkä- ren Wasserinsektengruppen und hier besonders fer Thüringens (BELLSTEDT 1993) und den Nachträ- bei den so genannten Pionierbesiedlern, wie den gen (BELLSTEDT 1994 & 1997) haben sich einige Än- Ruderwanzen (Heteroptera, Corixidae), zu beob- derungen ergeben, welche bei BELLSTEDT (1999) zu- achten. sammenfassend publiziert worden sind. So konn- Im Anhang (Tabelle 2) wird eine Übersicht der his- ten etliche Neufunde für die Thüringer Fauna ver- torischen und aktuellen Nachweise von Wasser- zeichnet werden (BELLSTEDT & SKALE 1998, CUPPEN et käfern der vier Untersuchungsgebiete gegeben. al. 1998). Weiterhin brachte die Überprüfung fragli- Insgesamt sind 91 Arten an aquatischen und semi- cher Arten im Rahmen der Arbeiten zur Entomo- aquatischen Coleoptera von diesen Salzstellen be- fauna Germanica (BELLSTEDT & HARTMANN in KÖHLER & kannt. KLAUSNITZER 1998) einen neuen Kenntnisstand. Die Beispielhaft seien hier nachfolgend einige faunis- Systematik und Nomenklatur folgen der aktuellen tisch bemerkenswerte, halophile bzw. halobionte Liste von HESS et al. (1999), wo für Deutschland 388 Arten aquatischer Coleoptera herausgegriffen: Arten aquatische Coleoptera aufgeführt sind. Wegen relativ guter Kenntnisse der Biologie, Öko- Hygrotus confluens (F., 1787) logie wie Faunistik eignen sich Wasserkäfer Nach HEBAUER (1976) als „silicophil“ eingestuft, mit besonders zur Beurteilung des Gütezustandes der Nachweisen in Kiesgrubenpfützen, Baggerweihern Gewässer. Eine solide Bestimmbarkeit durch den und Lehmteichen in der Donauebene (Bayern). Spezialisten ist mit Hilfe moderner Bestimmungs- Dennoch kann auch eine gewisse halophile Le- bücher, Auflichtmikroskop und Vergleichskollektion bensweise beobachtet werden (Vorkommen in gegeben (HENDRICH & BALKE 1993). Dazu kommen Brackwasser an Nord- und Ostsee sowie am Neu- eine hohe Artenfülle sowie die Tatsache, das ein siedler See). In Thüringen in temporären Klein- großer Teil aquatischer Coleopteren stenök an be- gewässern, insbesondere auf Truppenübungsplät- stimmte Habitate (z. B. Moore, Fließgewässer- zen („Kindel“, jetzt innerhalb Nationalpark Hainich zonen und Salzgewässer, siehe FICHTNER 1971) und und TÜP Ohrdruf). Wasserqualitäten angepasst ist (HESS et al. 1999). Dabei ist die Erfassung eines weitgehend vollstän- Hygrotus nigrolineatus (STEVEN, 1808) [= Coe- digen Artenspektrums der Wasserkäfer nur durch lambus lautus (SCHAUM, 1843)] verschiedene Sammelmethoden und durch einen Nach HORION (1941): „Das heutige Vorkommen in erfahrenen Spezialisten möglich. Bislang wurde an Deutschland ist sehr fraglich.“ den Salzstellen in Thüringen diesbezüglich nur Die zwischenzeitlichen sporadischen Funde in Mit- „oberflächlich“ gesammelt und das Artenspektrum teleuropa fasste SCHÄFLEIN (1987) zusammen. Alte insbesondere an halophilen und halobionten aqua- Funde vom Solgraben bei Artern stammen bereits tischen und semiaquatischen Coleoptera ist noch von SONDERMANN (1869). Ein halophiler Schwimmkä- lückenhaft! Insbesondere den rheophilen Käfern fer mit offensichtlich hoher Ausbreitungstendenz. der Fließgewässer wurde noch zu wenig Beach- Im Jahre 1991 gelangen Bellstedt mehrere Nach- tung geschenkt. Eigene Aufsammlungen in salz- weise des flugtüchtigen Pionierbesiedlers am Licht, belasteten Flüssen und Bächen stammen von der Werra in Südthüringen, dem Urbach und der Wip- per bei Sondershausen bzw. verschiedenen Grä- ben im Thüringer Becken (SCHULZ & BELLSTEDT 2002). Die Salzgewässer-Habitate im allgemein gewässer- armen Binnenland Thüringen liegen meist weit ver- streut (SPARMBERG et al. 1997, WESTHUS et al. 1997). Neben den hier im Freistaat nur wenigen „natürli- chen“ und „künstlichen“ Salzstellen werden von den Salz-Wasserkäfern oft auch besonnte, zum Teil recht nährstoffreiche Süßwassertümpel als Zwischenquartiere angenommen. Bereits HEBAUER (1984) wies auf die besonderen thermischen und chemischen Verhältnisse dieser Habitate hin. In den letzten Jahren fanden sich in temporären Ge- wässern von Sand- und Kiesgruben des Thüringer Abb. 9: Ein halobionter Schwimmkäfer vom Arterner Sol- Beckens zahlreiche Salzkäfer (BELLSTEDT 1994, BELL- graben: Hygrotus nigrolineatus (Foto: Dr. F. He- STEDT et al. 1991, BELLSTEDT et al. 1992, CUPPEN et al. bauer) 1998). 107 Abb. 10: In den salzhaltigen Kleingewässern des Esper- Abb. 11: An allen Salzstellen häufig anzutreffen: Der halo- stedter Rieds nicht selten anzutreffen: Der bionte Wasserkäfer Ochthebius marinus (Foto: halobionte Schwimmkäfer Hygrotus paralello- Dr. F. Hebauer) grammus (Foto: Dr. F. Hebauer) wie am Kyffhäuser bei Rottleben, am Seeberg bei Ochthebius nanus (STEPH., 1829) Gotha und auf dem TÜP Ohrdruf (BELLSTEDT in Die halophile Art kommt in Deutschland und in Mit- CRAMER et al. 1995). Bodenständig ist die nicht nur teleuropa nur in Thüringen vor. in Thüringen seltene Art in den frisch ausgehobe- Hier existieren auch nur 3 Fundorte, so die Alper- nen Kalksandgruben im Herbslebener Teichgebiet stedter Kiesgruben bei Stotternheim (BELLSTEDT et (BELLSTEDT et al. 1991). al. 1992). HORION (1949): West- und Südwesteuro- päische, anscheinend halophile Art, „Bisher nicht in Hygrotus parallelogrammus (AHR., 1812) Deutschland!“, in coll. KRAATZ (Deutsches Entomo- Thüringer Nachweise u. a. in der Kalksandgrube im logisches Institut) 1 Ex. mit Zettel: Thüringen – si- Herbslebener Teichgebiet (BELLSTEDT et al. 1991) cher Fundortsverwechslung. Nach unseren Befun- und im Esperstedter Ried bei Seehausen (1995, den erweist sich die Art seit Jahrzehnten als boden- leg. H. GRIMM, Erfurt, det. BELLSTEDT), wo jetzt auch ständig in Thüringen. Es wurden bereits von M. einige aktuelle Funde aus flachen Kleingewässern NICOLAUS, Ronneburg, am 10.VI.1936 in einem der Rinderweiden vorliegen (2005). Fischteich bei Frießnitz in Ostthüringen einige Exemplare gesammelt. Die Belege dazu befinden Dytiscus circumflexus (F., 1801) sich im Naturkundemuseum Gera (det. BELLSTEDT). Nach HEBAUER (1976) eine subhalophile Art, die an Weiterhin konnte am 05.VI.1978 von BELLSTEDT ein Nord- und Ostsee häufig in Brackwassertümpeln Weibchen in einem Fischteich im Ölknitzer Grund anzutreffen ist. Aktuelle Funde aus Thüringen stam- bei Jena erbeutet werden. Die Nachweise in Fisch- men von Kleingewässern in der Kalksandgrube im teichen deuten einerseits auf anthropogene Herbslebener Teichgebiet und von einem Tümpel Verschleppung, andererseits auf hohe Mobilität der auf der Südabdachung des Großen Seeberges bei Tiere hin. Gotha (jeweils leg. BELLSTEDT). Eine stabile Populati- on ist im Bereich des ehemaligen Salzigen Sees in Enochrus bicolor (F., 1792) Sachsen-Anhalt zu beobachten (DIETZE 2000). Kürz- Diese in Thüringen nicht seltene, halo- und thermo- lich gelang der Erstnachweis der expandierenden phile Hydrophiliden-Art fanden wir außer an Salz- Art für Schottland im Nordwesten Europas (FOSTER stellen auch in Sand- und Kiesgruben. Dieser Was- & BELLSTEDT 2005). serkäfer ist sehr oft schwärmend am Licht zu be- obachten. Bereits BENICK (1926) weist Enochrus Ochthebius auriculatus (REY, 1885) bicolor als häufigsten Salzwasserkäfer (Larven und Dr. Lothar ZERCHE, Müncheberg, sammelte am Imagines in Algenwatten) bei Oldesloe in Schles- 01.VI.1984 einige Exemplare dieser, in Thüringen wig-Holstein aus. An allen 4 untersuchten Salz- zwischenzeitlich als verschollen geltenden, halo- stellen (Artern, Esperstedt, Numburg, Kachstedt) bionten Art am Solgraben bei Artern (0,2 in coll. die dominante Wasserkäferart, welche mit Ochthe- BELLSTEDT). Inzwischen gelangen aktuelle Nachwei- bius marinus vergesellschaftet ist! se im Solgraben Esperstedt im Jahre 2005. Paracymus aeneus (GERM., 1824) Ochthebius marinus (PAYK., 1798) SPITZENBERG (1988, 2001) meldet neue Funde von An allen Binnenlandsalzstellen in Thüringen aufge- Paracymus aeneus aus dem benachbarten Sach- funden und dort in Kleingewässern dominant. Be- sen-Anhalt: Salzstelle Sülldorf. Hier belegt er sonders häufig trat diese halobionte Art 2005 im weiterhin Enochrus halophilus (BEDEL, 1878), wel- Esperstedter Ried auf (Solgraben, Kleingewässer cher auch aus Thüringen nachgewiesen werden Quellerweide östlich des Pumpwerkes). konnte (Herbslebener Teichgebiet, Kalksandgrube,

108 Heterocerus paralellus (GEBL., 1830) Neben alten Funden von Artern (Solgraben, RAPP 1933-35) jetzt auch aktuelle Nachweise durch JOACHIM WILLERS, Berlin von den Salzwiese Kach- stedt (28.VI.2001, 4 Ex.).

Heterocerus flexuosus (STEPH., 1828) Nachweise stammen von LIEBMANN 1955: Auleben u. Frankenhausen, MOHR 1963: Esperstedt 1955, leg. DIECKMANN und MESSNER 1973: Artern 1963 so- wie aktuell von WILLERS: Salzwiese Kachstedt 1 Ex. am 30.VI.2001.

Abb. 12: Der Wasserkäfer Paracymus aeneus ist ein Indi- Heterocerus obsoletus (CURTIS, 1828) kator für einen hohen Salzgehalt und kommt ak- Diese ebenfalls halophile Art fehlte noch im tuell nur am Solgraben Artern vor (Foto: Dr. F. Faunenverzeichnis von RAPP (1933-35). Bekannt ist Hebauer) diese inzwischen von der Solwiese an der Numburg (jeweils 3 Ex. am 04. und 06.VIII.1995, leg. KOPETZ) Brackwassertümpel mit einem Salzgehalt von sowie von der Salzstelle Luisenhall bei Nöda 136,3 mg/l nach CUPPEN, VORST & BELLSTEDT 1998). (KOPETZ) und der Salzstelle Schönfeld (SPARMBERG). Paracymus aeneus ist eine Leitart für einen hohen Salzgehalt – aktuelle Nachweise aus dem Jahre Heterocerus intermedius (KIESW., 1843) 2005 liegen nur aus dem NSG „Solgraben“ Artern ANDREAS KOPETZ, Kerspleben, fand die Art erstmals vor, wo die thermophile Art in Anzahl die flachen in Thüringen (mdl. Mitt. 1996, aktueller Fund an der Pfützen der Quellerwiese besiedelt. Zurückliegend Salzstelle Luisenhall bei Stotternheim)! Ein weiterer wurde die halobionte Art auch an der Numburg ge- Fundort liegt in der Unstrutaue (Kalksandabbau- funden (HAAKE 1962). Ihr aktuelles Fehlen bezeugt grube Herbsleben, u. a. CUPPEN et al. 1998). die geschwundene Habitatqualität der Numburger Kürzlich gelang der Erstnachweis von Heterocerus Salzstelle, u. a. durch Flächenverlust (Stausee Kel- intermedius für Sachsen-Anhalt in der Saale-Aue bra) und Grundwasserabsenkung. bei per Lichtfang (28. Juni 2003, leg. et det. BELLSTEDT). Berosus spinosus (STEVEN, 1808) Es existieren nur wenige alte Belege dieser streng halobionten Wasserkäferart aus Thüringen. An der 2.2 Langbeinfliegen (Diptera: Dolichopodi- Ostseeküste (STÖCKEL et al. 1991) sowie im ponti- schen Raum (Niederösterreich, Neusiedler See und dae) Ungarn, z. B. Kiskunsag National Park, BELLSTEDT & In der Check-Liste der Langbeinfliegen der Bun- MERKL 1987) tritt Berosus spinosus dagegen relativ desrepublik Deutschland sind 356 Arten belegt stetig auf. (BELLSTEDT et al. 1999) und es ist bei weiterer Intensi- vierung der Forschungen insgesamt mit einem Berosus frontifoveatus (KUWERT, 1888) Artenbestand von mehr als 400 zu rechnen. Der Am 21. Juni 1998 flog an der Hörsel oberhalb faunistische Untersuchungsstand in den einzelnen Hörselgau im Landkreis Gotha ein Weibchen zum Bundesländern ist recht unterschiedlich. Eine gute Licht (5029/IV, 295 m ü. NN). Kenntnis besitzen wir von den Faunen der Lang- Es gab bislang keine Belege dieser halophilen beinfliegen in Sachsen-Anhalt (u. a. STARK 1997, Wasserkäferart aus Thüringen (BELLSTEDT & HART- 1999, 2004) und Schleswig-Holstein (u. a. MEYER & MANN 1998). SCHÖDL (1991) gibt bei seiner Revision HEYDEMANN 1990, MEYER et al. 2000). Mit mehr als der Gattung Berosus (1. Teil: UG Enoplurus) zwar 220 in Thüringen nachgewiesenen Dolichopodi- Thüringen an, doch liegt der dort verzeichnete den-Arten dokumentiert sich ebenfalls ein ver- Fundort in Sachsen (Erzgebirge). Erst kürzlich mel- gleichsweise hoher Bearbeitungsstand in Deutsch- det DIETZE (2004) die Art als neu für Sachsen-Anhalt land (BELLSTEDT 1997, 2000, 2001b). (1 Ex., Teufe bei Röblingen, 18.VIII.1999). Alte Daten liegen im zusammenfassenden Werk „Die Fliegen Thüringens“ von RAPP (1942) vor. An den Salzstellen sammelte Ende des 19. Jahrhun- derts insbesondere der Erfurter Dipterologe Adolf Heteroceridae (Sägekäfer) FRANK (1849-1921), siehe BÄHRMANN (2004). Einen Die Sägekäfer leben als Imago und Larve in selbst wesentlichen Beitrag zur Kenntnis der Dipteren- gegrabenen Gängen an Ufern von Gewässern aller fauna (insbesondere Dolichopodidae) von Salz- Art. Einige Spezies leben bevorzugt an Salzstellen stellen in Thüringen und Sachsen-Anhalt verdan- und gelten als halophil bzw. halobiont (BELLSTEDT ken wir den Herren Prof. Dr. Rudolf Bährmann, Jena 1996): und Dr. Andreas Stark, Halle/Saale.

109 Wegen ihrer Artenfülle und Spezialisierung eignen ringen als verschollen (BELLSTEDT 2001b). Bei unse- sich die meist 2 bis 10 mm langen, überwiegend ren aktuellen Erhebungen im Jahre 2005 war diese metallic grün gefärbten Langbeinfliegen als Bio- Art an allen vier Salzstellen zu beobachten. Ebenso descriptoren vor allem aquatischer Lebensräume. die nachfolgende Spezies, Dolichopus sabinus BÄHRMANN (1993) publizierte eine Zusammenstel- (HALIDAY, 1838), welche bislang nur vom Solgraben lung der ökologischen Einnischung einheimischer bei Artern (RAPP 1942) und an der Numburg bei Dolichopodiden-Arten. Der überwiegende Teil der Kelbra (2,0 am 10.VII.1977, leg. BÄHRMANN; BÄHR- Spezies besitzt sowohl im Larven- als auch im MANN 1993, BELLSTEDT & BÄHRMANN 1989) bekannt Imaginalstadium eine enge Bindung an aquatische war. In der Roten Liste der Dolichopodiden Sach- Habitate. sen-Anhalts wird die Art als gefährdet eingestuft Die mehr oder weniger enge Einnischung innerhalb (STARK 1993, 2004), in Thüringen ist diese vom Aus- aquatischer Habitate bedingt ihre spezielle Gefähr- sterben bedroht (Kategorie 1, BELLSTEDT 2001b). dung, die in erster Linie durch Lebensraumzer- Von den Salzstellen an der Numburg und von Artern störung verursacht wird. Intensive Agrarwirtschaft, ist weiterhin die halobionte und nach BELLSTEDT verbunden mit Melioration und Eutrophierung der (2001) und STARK (2004) vom Aussterben bedrohte Feuchtgebiete spielte in den letzten Jahrzehnten Dolichopus latipennis belegt. hier eine entscheidende Rolle. Stark gefährdet sind Vom Solgraben bei Artern (RAPP 1942) sowie von insbesondere Spezialisten unter den Langbein- der Salzstelle Luisenhall bei Stotternheim (1,1 am fliegen, die in Thüringen eng an Salzstellen (z. B. 12.VII.1988, leg. BELLSTEDT, BELLSTEDT & BÄHRMANN Syntormon filiger und Thinophilus spec.) gebunden 1989) ist die halobionte Langbeinfliege Thinophilus sind, da diese Biotope im 20. Jahrhundert zuneh- flavipalpis (ZETTERSTEDT, 1843) bekannt geworden. mend zerstört wurden und verinselten (BELLSTEDT Diese Art wird in Thüringen als besonders gefähr- 2001, BELLSTEDT & WAGNER 1998). det angesehen (BELLSTEDT & ZIMMERMANN 1989) und Langbeinfliegen (Dolichopodidae) wurden mit ver- ist in der Roten Liste der Dolichopodiden Sachsen- schiedenen Methoden an den vier Salzstellen Anhalts in Kategorie 3 („gefährdet“) eingestuft nachgewiesen, in erster Linie aber mit Kescher- (STARK 1993, 2004). Wir fanden die in der Roten fängen (Streifnetz). Die gewonnenen Daten bieten Liste der Bundesrepublik Deutschland als stark eine gute Grundlage zur Beschreibung der Salz- gefährdet eingestufte Art aktuell an 3 Salzstellen stellen, wie auch zur Effizienzkontrolle von Pflege- (Artern, Esperstedt, Numburg). maßnahmen. Im Anhang gibt Tabelle 3 einen Über- Zur stenöken Salzfauna zählen weiterhin Syntor- blick zur Fauna der Langbeinfliegen der vier unter- mon filiger VERALL, 1912, welche in Thüringen suchten Salzstellen. Bislang konnten 58 Arten bislang nur von der Salzstelle an der Numburg bei nachgewiesen werden. Bemerkenswert ist das do- Kelbra (2,0 am 10.VII.1977, leg. BÄHRMANN, BELL- minante Auftreten folgender halobionter Arten an STEDT & BÄHRMANN 1989) bekannt geworden ist und allen vier Salzstellen: Micromorphus albipes, Melanostolus nigricilius (LOEW, 1869), welche da- Syntormon filiger, Dolichopus clavipes, Dolichopus selbst und noch am Solgraben bei Artern von FRANK diadema und Dolichopus sabinus. (RAPP 1942) gefangen wurde. Auch diese Arten führt Dabei galt die halobionte Dolichopus diadema, wel- STARK (1993, 2004) für Sachsen-Anhalt als gefähr- che auch an den Meeresküsten lebt (u. a. Insel Oie det bzw. stark gefährdet an. In der Roten Liste von im Darßer Bodden/Ostsee, leg. BELLSTEDT), in Thü- Thüringen ist Syntormon filiger in Kategorie 1 auf- geführt (BELLSTEDT 2001), in den letzten Jahren ge- langen zudem auch Nachweise an Kalirückstands- halden in Südthüringen (leg. et det. BÄHRMANN & BELLSTEDT). Im Esperstedter Ried erwies sich Syntormon filiger als eine dominante Art auf der Quellerweide unterhalb des Solgrabens im Jahre 2005.

3. Hinweise zur Landschaftspflege Neben den besonderen geologischen und klimati- schen Gegebenheiten im Kyffhäusergebiet kommt der traditionellen landwirtschaftlichen Nutzung der Salzgebiete eine fundamentale Bedeutung zur Er- haltung der Artenvielfalt und Biotopqualität zu. Ohne andauernde Beweidung würden die Salz- habitate überwiegend verschilfen und typische halobionte Tierarten keinen Lebensraum mehr fin- Abb. 13:Die halophile Langbeinfliege Campsicnemus den. Zu hohe und dichte Vegetation vermindert die magius lebt an der Numburger Salzstelle. (Foto: Austrocknung des Bodens durch Sonneneinstrah- Dr. A. Stark) lung und Wind, was einer Salzanreicherung der Ha-

110 bitate entgegensteht. Ausbleibende Nutzung und Arterner Solgraben, Numburger Westquelle und Pflege würde zu einem Artenschwund der kon- Kachstedter Salzwiesen. kurrenzschwachen, xerothermophilen und helio- Insgesamt sind 91 Arten an aquatischen und se- philen Salztiere führen. miaquatischen Coleoptera von diesen Salzstellen Zur Vorbereitung einer Beweidung ist in den Unter- bekannt. Der halobionte Wasserkäfer Paracymus suchungsgebieten, insbesondere im Bereich der aeneus kann als Leitart für einen hohen Salzgehalt Numburger Westquelle und im Esperstedter Ried, gelten – aktuelle Nachweise liegen nur aus dem die Mahd von etablierten Schilfbeständen sowie NSG „Solgraben“ Artern vor. eine temporäre Wiedervernässung einzelner Flä- Zur Fauna der Dolichopodiden gehören 58 Spezies. chen zu begrüßen. Dazu gehört auch die regelmä- Bemerkenswert ist das dominante Auftreten fol- ßige Entschilfung von Gräben zur optimalen Ge- gender halobionter Arten an allen vier Salzstellen: staltung des Grundwasserstandes. Micromorphus albipes, Syntormon filiger, Dolicho- Nur mit dem Offen- und Kurzhalten der Vegetation pus clavipes, Dolichopus diadema und Dolichopus durch Beweidung mit menschlichen Nutztieren sabinus. (Schafe, Rinder und Pferde) sind diese im europäi- schen Maßstab für den Naturschutz äußerst wert- vollen und seltenen Lebensräume einer uralten Kul- Dank turlandschaft für nachfolgende Generationen zu er- Herrn Heiko Böttcher, Oldisleben, Projektmanager halten. des EU-LIFE-Projektes, danke ich sehr herzlich für seine stetige und sehr hilfreiche Unterstützung bei der Erforschung der Limnofauna der Salzstellen. 4. Zusammenfassung Herr PD Dr. Franz Hebauer, Plattling, stellte Im Rahmen des LIFE-Projektes „Erhaltung und Ent- freundlicherweise Fotos einiger Arten von Salz- wicklung der Binnensalzstellen Nordthüringens“ Wasserkäfern zur Verfügung. Den Herren Prof. Dr. wurde 2005 die Fauna der Wasserkäfer (aquatische Rudolf Bährmann, Jena und Dr. Andreas Stark, Hal- Coleoptera) und der Langbeinfliegen (Dolichopo- le/Saale sei für Ihre vielfältige dipterologische Un- didae) in vier Gebieten erfasst: Esperstedter Ried, terstützung gedankt.

Anhang

Tabelle 2: Artenliste aquatische Coleoptera naturnaher Thüringer Salzstellen fett = halobionte Arten, grau = halophile Arten, o = ältere Funde nach Rapp 1935 u. a.; x = aktueller Nachweis Nr. Taxa Art Esp Num Kach RLT RLD Wassertreter (Haliplidae) 01 Peltodytes caesus x 02 Haliplus lineatocollis ox ox x 03 Haliplus ruficollis 04 Haliplus fluviatilis xx 05 Haliplus heydeni x 06 Haliplus immaculatus ooxox Taumelkäfer (Gyrinidae) 07 Gyrinus marinus o3 08 Gyrinus substriatus x Schwimmkäfer (Dytiscidae) 09 Hyphydrus ovatus x 10 Hydroglyphus pusillus x 11 Bidessus unistriatus x 12 Hygrotus impressopunctatus xo 13 Hygrotus parallelogrammus oxx 33 14 Hygrotus nigrolineatus (= lautus) ox33 15 Hygrotus confluens o 16 Hygrotus inaequalis ox o

111 Nr. Taxa Art Esp Num Kach RLT RLD 17 Hydroporus palustris xox 18 Hydroporus marginatus o 19 Hydroporus planus xox 20 Hydroporus memnonius xx 21 Nebrioporus elegans (= Potamonectes depressus)o 22 clavicornis x 23 Noterus crassicornis x 24 Laccophilus minutus xx 25 bipustulatus xxxx 26 Agabus paludosus xx 27 Agabus nebulosus xx 28 Agabus sturmii x 29 Agabus undulatus xx 30 Ilybius fuliginosus xxx 31 Rhantus suturalis xxx 32 Rhantus notatus xx 33 Rhantus exoletus x 34 Colymbetes fuscus xxx 35 Hydaticus seminiger x 36 Acilius sulcatus x 37 Dytiscus semisulcatus x12 38 Dytiscus marginalis x Langtasterwasserkäfer (Hydraenidae) 39 Ochthebius auriculatus oxo 12 40 Ochthebius minimus xx 41 Ochthebius marinus ox x ox x 3 42 Limnebius crinifer ox x 43 carinatus x Wasserfreunde (Hydrophilidae) 44 nubilus x 45 Helophorus grandis xx 46 Helophorus aquaticus ox 47 Helophorus brevipalpis xxx 48 Helophorus obscurus xx 49 Helophorus granularis xx 50 Helophorus minutus xxoxx 51 Helophorus griseus x 52 Coelostoma orbiculare xx 53 Cercyon ustulatus xxx 54 Cercyon marinus xox 55 Cercyon lateralis x 56 Cercyon laminatus 57 Cercyon unipunctatus x 58 Cercyon tristis xx 59 Cercyon convexiusculus xx 60 Cercyon sternalis x 61 Megasternum cicinnum xoxx 62 Paracymus aeneus ox o 1 2 63 Hydrobius fuscipes xxox 64 limbata xxoxx

112 Nr. Taxa Art Esp Num Kach RLT RLD 65 Anacaena lutescens xx 66 Anacaena bipustulata x 67 Anacaena globulus x 68 Laccobius striatulus o 69 Laccobius bipunctatus xxoxx 70 Laccobius minutus xxx 71 Helochares obscurus x 72 Enochrus testaceus o 73 Enochrus quadripunctatus xx 74 Enochrus bicolor ox ox ox x 75 Cymbiodyta marginella xx 76 Chaetarthria seminulum x 77 Berosus spinosus oo1R Hakenkäfer (Dryopidae) 78 Dryops ernesti o 79 Dryops auriculatus oo 80 Dryops griseus x1 Sumpfkäfer () 81 Cyphon coarctatus xxxx 82 Cyphon laevipennis xxxx 83 Cyphon palustris x 84 Scirtes hemisphaericus x Sägekäfer (Heteroceridae) 85 Heterocerus parallelus o x2 86 Heterocerus flexuosus ox ox ox x 87 Heterocerus obsoletus x3 88 Heterocerus marginatus o 89 Heterocerus fusculus x 90 Heterocerus fenestratus oo Klauenkäfer (Georissidae) 91 Georissus crenulatus x33 36 60 56 20 10 9

Tabelle 3: Artenliste der Langbeinfliegen (Dolichopodidae) naturnaher Thüringer Salzstellen fett = halobionte Arten, grau = halophile Arten

Nr. Taxa Art Esp Num Kach RLT RLD 01 Sciapus longulus xxx 02 Rhaphium antennatum xx3 03 Rhaphium fasciatum x2 04 Rhaphium laticorne x 05 Rhaphium zetterstedti xx 06 Micromorphus albipes xxxx3 07 Achalcus flavicollis x 08 Thinophilus flavipalpis xxx 12 09 Thinophilus ruficornis xx12 10 Schoenophilus versutus x 11 Hydrophorus praecox xx

113 Nr. Taxa Art Esp Num Kach RLT RLD 12 Sympygnus aeneicoxa x 13 Sympygnus pulicarius xx 14 Syntormon denticulatus xx 15 Syntormon filiger xxxx12 16 Syntormon monilis x 17 Syntormon pallipes xxxx 18 Syntormon pumilus x 19 Syntormon rufipes xx 20 Campsicnemus curvipes x 21 Campsicnemus magius x33 22 Campsicnemus picticornis xxx 23 Campsicnemus scambus x 24 Teuchophorus spinigerellus x 25 Argyra argentina x 26 Argyra vestita x 27 Melanostolus nigricilius xxx 28 Chrysotus cupreus xx 29 Chrysotus grammineus xx 30 Chrysotus suavis x 31 Tachytrechus notatus x13 32 Hercostomus aerosus xxx 33 Hercostomus assimilis x 34 Hercostomus chalybaeus x 35 Hercostomus chrysozygos xx 36 Hercostomus fulvicaudis x 37 Hercostomus nanus x 38 Hercostomus rusticus xx 39 Poecilobothrus comitialis xx 40 Poecilobothrus infuscatus xx 41 Poecilobothrus nobilitatus xx 42 Dolichopus acuticornis x 43 Dolichopus brevipennis xx 44 Dolichopus campestris x 45 Dolichopus cilifemoratus x 46 Dolichopus clavipes xxxx23 47 Dolichopus diadema xxxx03 48 Dolichopus latilimbatus x 49 Dolichopus latipennis xx13 50 Dolichopus longicornis xx 51 Dolichopus nubilus xxxx 52 Dolichopus pennatus xx 53 Dolichopus plumipes xxx 54 Dolichopus sabinus xxxx12 55 Dolichopus ungulatus x 56 Medetera glauca x 57 Medetera truncorum x 58 Thrypticus bellus x3 24 19 50 16 13 10

114 5. Literatur

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116 Binnensalzstellen im südlichen Sachsen-Anhalt

Katrin Hartenauer, Berit Otto und Frank Meyer RANA – Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer, Halle (Saale)

Synopsis Stichwörter: The inland salt meadows (priority natural habitat Binnensalzstellen, Halophyten, Salzvegetation, type *1340) of Saxony-Anhalt play an important role Entomofauna, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, within the European Natura 2000 network. The Lebensraumtyp *1340, Management, Sachsen- main occurrence can be found in the central and Anhalt southern part of this federal state. Although some of the sites are still almost unknown and only poorly studied they host remarkable and top-ranking 1. Einleitung populations of various rare plant and invertebrate In Mitteldeutschland befinden sich die bedeu- species, e.g. halophytes such as Carex secalina or tendsten Binnensalzstellen Mitteleuropas, so dass Apium graveolens. Most of the locations have been hier auch die Hauptverantwortung für den entspre- declared as nature reserves, however, the favou- chend der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie priori- rable conservation status of the habitat type is tären Lebensraumtyp *1340 wahrgenommen wer- often alarming. The main endangering factors are den muss. In Sachsen-Anhalt liegen die Salzstellen the salinity decline due to the lowering of ground- vor allem in den mittleren und südlichen Landestei- water levels as well as the adverse trend of pro- len. Die erstgenannten werden durch Lokalitäten gressive conversion of grassland areas into fallow im Aschersleben-Staßfurter Raum (z. B. Salzstelle land. An extensive form of grazing can be regarded Hecklingen) und in der Magdeburger Börde (z. B. as the optimal form of land use in the majority of Sülzeniederung bei Sülldorf) repräsentiert, welche cases. To maintain or restore the species and hinsichtlich ihrer Ausstattung derzeit zu den bedeu- biotope potential of the inland salt meadows in a tendsten Deutschlands gehören. Gegenstand des sustainable way an ad-hoc task force has to be vorliegenden Beitrages soll die Charakteristik wich- launched immediately. On the basis of a priority list, tiger, teilweise auch noch weniger bekannter Salz- appropriate management plans have to be carried stellen im Süden Sachsen-Anhalts sein, deren Lage out for all Natura 2000 sites and implemented into in Abb. 1 dargestellt ist. Die hier verwendeten Num- practice. Apart from that, a system of habitat mern finden sich bei den entsprechenden Text- monitoring has to be established. stellen wieder.

Abb. 1: Lage und Nummerie- rung der beschriebe- nen Binnensalzstellen im südlichen Sachsen- Anhalt

117 Grundsätzlich lassen sich vier voneinander ab- Funde von Salicornia euroaea, Suaeda maritima grenzbare Vorkommensschwerpunkte erkennen: und Tetragonolobus maritimus gelten müssen. die -Unstrut-Niederung (Nr. 1) mit den Salz- Entsprechend aktuellen Befunden (RANA 2002a) stellen am Hackpfüffler See, welche auch jenseits werden als obligate Salzpflanzen mit Bindung an der Landesgrenze, im thüringischen Kachstedt, Böden mit sehr hohem Chlorid-Gehalt entlang ei- ihre Fortsetzung finden, das Gebiet der Mansfelder nes kleinen trockengefallenen Grabens eine relativ Seen zwischen Eisleben und Halle (Saale) ein- große Population von Triglochin maritimum sowie schließlich des Salzatals bis zu seiner Einmündung einige Exemplare von Glaux maritimum festgestellt. in die Saale (Nr. 2–8), die Querfurter Platte mit An diesen stark von Phragmites australis über- linkssaalischen Zuflüssen (Nr. 9, 10) sowie mehrere wachsenen Bereich schließt sich in nördlicher Rich- in die Lützen-Hohenmölsener Platte eingesenkte, tung eine hauptsächlich von Bolboschoenus mari- rechtssaalische Bachtälchen östlich timus geprägte Vergesellschaftung an (Bolbo- und Bad Dürrenberg (Nr. 11, 12). schoenetum maritimi [Br.Bl. 1931] R.Tx. 1937), dem Die einzelnen Salzstellen werden nach einheitli- als weitere salzertragende Pflanzen u. a. Juncus chem Schema steckbriefartig beschrieben sowie gerardii, J. compressus sowie Carex otrubae und Verweise auf weiterführende Quellen angeführt. Die Potentilla anserina beigesellt sind. Nomenklatur der Pflanzenarten richtet sich nach Unter den Laufkäfern gelten zwei Arten – Bembi- der von Rothmaler begründeten „Exkursionsflora dion lunulatum und Stenolophus mixtus – als halo- von Deutschland“ (Band 2: BÄSSLER et al. 1996, tolerant, wobei insbesondere das Vorkommen der Band 4: SCHUBERT & VENT 1982). Die Ansprache der erstgenannten, stenotopen Art ein Argument bildet, Vegetationseinheiten folgt der Syntaxonomie von auf ein Vorhandensein weiterer halophiler Käfer- SCHUBERT (2001). arten zu schließen.

Gefährdung und Schutz Insbesondere im Südteil des NSG, also südlich 2. Steckbriefartige Beschreibung der der Straße Hackpfüffel-Riethnordhausen, befinden Binnensalzstellen sich die Salzstellen in einem äußerst kritischen Zu- stand, welcher in erster Linie auf Pflegerückstände Nr. 1: Hackpfüffler See zurückzuführen ist und an vielen Stellen zu einer massiven Verschilfung führt. Das Eindringen u. a. Landkreis, Lage:, zwischen den Orts- von Cirsium arvense, Urtica dioica und Elytrigia lagen Hackpfüffel und Riethnordhau- repens weist zudem auf eine stärkere Ruderali- sen sierung hin. Insgesamt scheint eine drastische und Naturraum: Helme- und Unstrutniederung sowie schnell voranschreitende Verarmung der Salz- Helme-Unstrut-Buntsandsteinland vegetation dieses Standorts eingetreten zu sein, da Schutzstatus: NSG, Bestandteil des FFH-Gebietes einige in den vergangenen Jahren noch nachgewie- „Gewässersystem der Helmeniede- sene Arten aktuell nicht mehr festgestellt werden rung“ konnten. Dies betrifft z. B. Eleocharis uniglumis, Atriplex prostrata und Scorzonera parviflora. Von Kurzbeschreibung: letztgenannter Art konnten im Jahr 1994 etwa 100 Das Gebiet um den Hackpfüffler See stellt einen und im Jahr 1996 etwa 30 Individuen gezählt wer- Komplex durch Subrosion unterlagernder Zech- den (vgl. PUSCH & BARTHEL 1996), während sie heute steinschichten entstandener, heute wassergefüllter nicht mehr nachweisbar ist. Die im Management- Erdfälle dar. Im Umfeld der Gewässer dominieren plan für das FFH-Gebiet dargestellten Pflege- und Röhrichte, Feuchtgebüsche und -gehölze sowie Nutzungshinweise sind dringend kurzfristig umzu- Feuchtwiesen, wobei Ackerflächen von verschie- setzen. Das Gebiet besitzt eine wichtige Trittstein- denen Seiten angrenzen. Die wichtigsten Flächen funktion zu den nahe gelegenen Salzstellen im thü- sind als NSG festgesetzt, wenngleich salzgetönte ringischen Kachstedt. Vegetation auch außerhalb desselben, v. a. am westlichen Ortsrand von Riethnordhausen, zu fin- den ist. Nr. 2: „Salziger See“ Landkreis, Lage: Mansfelder Land, zwischen Aseleben Salzflora und -vegetation sowie Fauna und Röblingen am See Eine umfassende, Anfang bis Mitte der 1990er Jah- re durchgeführte Inventarisierung der floristischen Naturraum: Östliches Harzvorland Ausstattung wurde von PUSCH & BARTHEL (1996) be- Schutzstatus: NSG „Salziger See“, FFH-Gebiet „Sal- schrieben, wobei auch der historische Kenntnis- ziger See nördlich Röblingen am See“ stand dokumentiert ist. Danach ist die Salzstelle bereits seit mehr als 100 Jahren bekannt und bear- Zwischen den Städten Halle (Saale) und Eisleben beitet worden, wobei als besonders bemerkens- befindet sich das Niederungsgebiet der Mansfelder werte Nachweise die heute nicht mehr existenten Seen. Von den ursprünglich zwei Mansfelder Seen

118 Abb. 2: Mansfelder Mulde mit Süßem See (oberer Bildteil) sowie See- boden des ehemali- gen Salzigen Sees mit durch Grundwasser- anstieg entstandenen Flachseen (Foto: F. Meyer)

„Salziger See“ und „Süßer See“ existiert heute nur Erfassung und Bewertung des Erhaltungszustan- noch letzterer (Nr. 3). Das Wasser beider Seen ist des der Lebensraumtypen (v.a. des LRT 1340) ein salzig, die Namen weisen lediglich auf unterschied- flächendetaillierter Managementplan zu erarbeiten liche Konzentrationen hin (LAU 2000a). Der Salzige und umzusetzen. See wurde am Ende des 19. Jahrhunderts, nach- dem es zu starken Wassereinbrüchen in die Schächte des Mansfelder Kupferschieferreviers Nr. 3: NSG „Salzwiesen bei Aseleben“ und einem rapiden Abfall des Wasserspiegels kam, Landkreis, Lage: Mansfelder Land, Südufer des Süßen bis auf Restwasserflächen trockengelegt. Mit dem Sees Ende des Bergbaus um 1970 wurde auch die Zwangswasserhaltung eingestellt und die bis da- Naturraum: Östliches Harzvorland hin entwässerten Zechstein- und Bundsandstein- Schutzstatus: NSG, FFH-Gebiet „Röhrichte und Salz- schichten konnten sich wieder mit Wasser füllen. wiesen am Süßen See“ Der Grundwasserspiegel des Salzigen Sees be- gann zu steigen und in den tiefsten Ackersenken Kurzbeschreibung: bildeten sich flache Seen. Das aus zwei Teilen bestehende NSG befindet sich Im Jahre 1996 fasste der Landtag des Landes östlich und westlich der Ortschaft Aseleben und Sachsen-Anhalt den Beschluss, den Salzigen See hat eine Größe von 37 ha. Es umfasst flache Ufer- wiederentstehen zu lassen, den Wasserspiegel im bereiche, die in den See hineinragen und kaum Verlaufe mehrerer Jahre anzuheben und die See- über dem Seespiegelniveau liegen. Durch salz- fläche in der vollen Größe wiederentstehen zu las- haltiges Quellwasser und in Abhängigkeit von der sen. Im Zeitraum von 1996-1999 erfolgten im Rah- Höhe des Grundwasserstandes und Dauer der men von Voruntersuchungen umfangreiche natur- Überstauung ist ein standörtliches Mosaik gege- schutzfachliche Erhebungen zur Bestandssituation ben. Im Bereich der Salzwiesen werden die Seeab- und vor allem Prognose der Arten und Lebens- lagerungen (Kalkmergel) von mind. 2 m mächtigem räume (OEKOKART 1997, RANA 1998b, 1999a). Die Er- Flachmoortorf überlagert (LAU 1997). gebnisse der Studien sind in komprimierter Form in Aufgrund der Aufgabe der Mähwiesennutzung in einem Sonderheft (Der Salzige See. – Naturschutz i. den 1970er und 1980er Jahren wurden die hier Land Sachsen-Anhalt 37. Jg., Sonderheft) publi- ehemals großflächig ausgebildeten Salzwiesen von ziert. Zur Salzflora liegt zudem eine umfassende Schilf überwachsen und es verblieben nur noch Publikation von JOHN et al. (2000) und zur Laufkäfer- Reste der ursprünglichen Vegetation. Auf der Teil- fauna von TROST et al. (1996, 1999) vor. Inzwischen fläche östlich der Ortschaft lässt sich eine Vege- erscheint die Realisierung dieses Vorhabens je- tationszonierung erkennen (Abb. 3). Mit steigen- doch eher unwahrscheinlich. Für den Salzigen See dem Salzgehalt gehen die Glatthaferfrischwiesen in als eines der bedeutendsten Binnensalzgebiete Salzaster-Salzschwadenwiesen (Puccinellio-Sper- Deutschlands ist auf der Grundlage einer aktuellen gularion) und die Salzbinsen-Gesellschaft (Junce-

119 Abb. 3: NSG „Salzwiesen bei Aseleben“ (Foto: K. Hartenauer) tum gerardii) über, an die sich in Richtung Seeufer taurium littorale angegeben. Letztere ist mit ziemli- Brackwasser- und Schilfröhrichte (Bolboschoe- cher Sicherheit im Gebiet der Mansfelder Seen er- netum maritimi, Phragmitetum australis) anschlie- loschen. ßen. Die Erfassung der Laufkäferfauna (Büro Dr. PHILIPPI 1995) erbrachte den Nachweis einer halophilen Salzflora und -vegetation sowie Fauna (Bembidion minimum) und zweier halobionter Arten Aktuell kommen im NSG 21 Salzpflanzenarten vor. (Bembidion aspericolle, B. tenellum). Letztgenann- Bedeutsam sind vor allem die Vorkommen von Or- te gelten bundesweit als extrem selten, letztere ist chis palustris, Scorzonera parviflora sowie Horde- sogar vom Aussterben bedroht (TRAUTNER et al. um secalinum. Von Orchis palustris existiert in 1997). Sachsen-Anhalt nur noch ein Vorkommen am Sü- ßen See (vgl. Salzstelle Nr. 4). Durch die Aufgabe Gefährdung und Schutz der Mähwiesennutzung verschilften die Salzwiesen Das größte Problem stellt im NSG die Verschilfung und die Art war 1990 fast ausgestorben (nur noch der Salzwiesen dar. Durch die Wiederaufnahme 2 Exemplare!). Der Bestand erholte sich jedoch einer regelmäßigen Pflegemahd, deren Kontinuität schnell, nachdem das Schilf gemäht und der Bo- unbedingt abzusichern ist, konnte sich auf Teilflä- den an einigen Stellen verwundet worden war. In- chen eine artenreiche Salzvegetation reetablieren. nerhalb weniger Jahre zählte der Bestand über 400 Individuen (JOHN et al. 2000), im Jahr 2002 waren es bereits über 2000 blühende Exemplare (LAU 2003). Nr. 4: Strandbad Seeburg Scorzonera parviflora kommt im Gebiet der Mans- Landkreis, Lage: Mansfelder Land, Nordufer des Süßen felder Seen nur östlich und westlich von Aseleben Sees, nordwestlich von Seeburg (vor allem innerhalb des NSG) vor und erreicht hier die Nordwestgrenze ihrer Verbreitung. Der Bestand Naturraum: Östliches Harzvorland umfasst mehrere hundert Exemplare. In Sachsen- Schutzstatus: LSG „Süßer und Salziger See“ Anhalt hat sie nur noch ein weiteres Vorkommen auf kalzium- und magnesiumkarbonathaltigen Ablage- Kurzbeschreibung rungen bei Köchstedt (GROSSE & JOHN 1987). Bemer- Bei dem Standort handelt es sich um einen kleinen kenswert ist im NSG mit mind. 1000 Exemplaren Uferabschnitt im Nordwesten des Süßen Sees, der weiterhin das sehr individuenreiche Vorkommen bereits seit Jahrzehnten als Badestrand und Liege- von Hordeum secalinum, bei dem es sich um das wiese genutzt und dazu mit Sand aufgeschüttet individuenreichste im Gebiet der Mansfelder Seen wurde. Der Bereich ist durch eine intensive Erho- handelt. Weiterhin befindet sich im NSG das einzi- lungsnutzung geprägt (Wochenendsiedlung, Cam- ge Vorkommen von Salicornia europaea am Süßen pingplatz, Gaststätte, Segelboothafen). Durch See (JOHN 2000). Historisch wurden für die Salz- ständigen Tritt und regelmäßige Mahd werden wiesen bei Aseleben Puccinellia limosa und Cen- neben den Trittrasenarten niedrigwüchsige, kon-

120 Abb. 4: Liegewiese des Strandbades von Seeburg (Foto: K. Hartenauer) kurrenzschwache Salzpflanzen gefördert, welche in Nr. 5: Sportplatz zwischen Lüttchendorf und den zurückliegenden Jahren sprunghaft zunahmen Wormsleben (JOHN et al. 2000). Durch diese Form der Nutzung Landkreis, Lage: Mansfelder Land, unmittelbar westlich hat sich eine Vegetation ausgebildet, wie sie ver- des Süßen Sees mutlich entlang der Ufer des ehemaligen Salzigen Sees regelmäßig zu finden war. Naturraum: Östliches Harzvorland Schutzstatus: LSG „Süßer und Salziger See“ Salzflora und -vegetation sowie Fauna Die Vegetation der Liegewiese ähnelt der Vegetati- Kurzbeschreibung on auf Wiesen und an Badestränden der Ostsee- Der Sportplatz befindet sich unmittelbar nördlich küste (JOHN et al. 2000). Es handelt sich um einen der Bösen Sieben, welche von Westen kommend Trittrasen, der je nach Feuchtegrad von Blysmus ihr Wasser dem Süßen See zuführt. Entsprechend compressus oder Agrostis stolonifera dominiert dem Strandbad von Seeburg (Salzstelle Nr. 4) wird wird. Bemerkenswert sind die hohen Deckungs- durch ständigen Tritt und regelmäßige Mahd die grade von Carex distans und Glaux maritima, wel- Vegetation kurz und lückig gehalten, so dass hier che vielfach sogar dominant auftreten. Häufig sind Ersatzstandorte für Arten lückiger Trittrasen ent- als typische Art der Trittrasen Trifolium fragiferum standen sind, die früher auf Wegen und betretenen sowie Triglochin maritimum. Ersterer besitzt im Be- Plätzen auf Salzböden vorkamen und inzwischen cken des ehemaligen Salzigen Sees nur noch fast überall verschwunden sind. Einzelvorkommen und hat aktuell nur am Süßen See und im Salzatal bei Langenbogen (Salzstellen Salzflora und -vegetation sowie Fauna Nr. 6 und 7) noch individuenreiche Vorkommen. Im Auf dem Spielfeld sowie dem Vorplatz befinden Jahr 2001 wurde hier erstmalig Orchis palustris be- sich Massenbestände von Plantago maritima und obachtet (blühend), welche sich wahrscheinlich Bupleurum tenuissimum, wobei es sich um die durch die Populationsvergrößerung bei Aseleben individuenreichsten Vorkommen dieser beiden (vgl. Nr. 3) angesiedelt hat (JOHN & STOLLE 2001). Arten im Gebiet der Mansfelder Seen handelt Insgesamt kommen 9 Salzpflanzenarten auf der (VOLKMANN 1990, JOHN et al. 2000). Plantago mari- Liegewiese vor. tima ist hier mit mehreren Tausend Exemplaren ver- treten. Bupleurum tenuissimum ist bis auf ein wei- Gefährdung und Schutz teres Vorkommen im Salzatal (Salzstelle Nr. 7) im Eine mögliche Gefährdung ist in einer erneuten Auf- Mansfelder Seengebiet ansonsten verschollen. schüttung des Strandes mit Sand zu sehen. Allerdings tritt es nicht jedes Jahr auf bzw. bleibt in seiner Entwicklung so kleinwüchsig, dass es über- sehen wird. Erwähnenswert ist zudem der reiche Bestand von Hordeum secalinum mit mind. 100 Ex- emplaren.

121 Gefährdung und Schutz drei letztgenannten gelten dabei bundesweit als Aktuell können keine Beeinträchtigungen beobach- sehr selten (nach TRAUTNER et al. 1997). tet werden. Mögliche Gefährdungsursachen sind in einer Düngung, Raseneinsaat oder Beregnung des Gefährdung und Schutz Sportplatzes zu sehen, welche gegenwärtig jedoch Aufgrund fehlender Pflege/Nutzung sowie zuneh- noch nicht durchgeführt werden. mender Aussüßung infolge Grundwasserabsen- kung, sind große Teile der Salzrasen und offenen Schlammflächen verschilft. Hier ist die Erstellung Nr. 6: FND „Salz- und Trockenrasenvegetation eines Pflegekonzeptes sowie die kurzfristige Um- bei Langenbogen“ setzung praktischer Maßnahmen dringend zu emp- fehlen. Landkreis, Lage: Saalkreis, westlich der Ortschaft Lan- genbogen zwischen Salza und alter B 80 Nr. 7: NSG „Salzatal zwischen Langenbogen Naturraum: Östliches Harzvorland und Köllme“ Schutzstatus: FND, FFH-Gebiet „Salzatal bei Langen- Landkreis, Lage: Saalkreis, Talraum zwischen den Ort- bogen“ schaften Langenbogen und Köllme Kurzbeschreibung Naturraum: Östliches Harzvorland Bei diesem Standort handelt es sich um eine histo- Schutzstatus: NSG, FFH-Gebiet „Salzatal bei Lan- rische Salzstelle am Fuße eines Buntsandstein- genbogen“ hanges. Unmittelbar entlang des Hangfußes ver- läuft der sogenannte Stollengraben, der die stark Kurzbeschreibung salzhaltigen Sickerwässer der Kalihalde Teutschen- Die Salza als Fließgewässer gehört zum System der thal (Salzstelle Nr. 13) der Salza zuführt. Allerdings Mansfelder Seen, bildet den natürlichen Abfluss ist die Salzkonzentration der Sickerwässer hier derselben und mündet bei Salzmünde in die Saale. bereits deutlich geringer (JOHN 2000). Bei hohen Da sie ein Zechsteinauslaugungsgebiet entwäs- Wasserständen werden die angrenzenden Salz- sert, weist sie eine natürliche Salzlast von 300 mg/l wiesen überflutet und mit Salz angereichert. Die Chlorid auf (SCHUBERT 1992). Zudem werden mit Salzwiesen und -röhrichte wurden in der Vergan- Salzen angereicherte Sickerwässer der Zechstein- genheit zur Offenhaltung der Quellerfluren gele- halde in Teutschenthal eingeleitet (diese durchflie- gentlich gemäht. ßen auch das Gebiet Nr. 6). Aufgrund des sumpfi- Ein Versuch der Ansalbung von Artemisia rupestris gen Geländes war und wird der Talraum im wesent- und Carex hordeistichos (welche im Gebiet der lichen durch Feucht- und Nasswiesen geprägt, Mansfelder Seen fehlen) in den 1980er-Jahren im welche als Viehweiden und Mähwiesen genutzt und Stollengraben war nicht erfolgreich. Die Pflanzen stellenweise von Röhrichtflächen unterbrochen aus Köchstedt und Artern hielten sich etwa fünf werden. Das NSG umfasst einen Ausschnitt des Jahre und sind wieder verschwunden. Salzatales zwischen den Ortschaften Langenbo- gen und Köllme, welcher stark anthropogen ge- Salzflora und -vegetation sowie Fauna prägt ist und eine sehr wechselvolle Nutzungs- Der Florenbestand des FND wurde durch GROSSE (in geschichte aufweist. Besonders hervorzuheben ist EBEL & SCHÖNBRODT 1988) aufgenommen, der hier 20 die Rinderweide westlich Köllme, auf der mit Aus- Salzpflanzen notierte. Bemerkenswert ist das Vor- nahme von Carex secalina und Zannichellia kommen von Salicornia europaea ssp. brachys- palustris alle in Tab. 2 aufgeführten Salzpflanzen zu tachya (JOHN 2000), welcher den Stollengraben finden sind. Bei dem Standort handelt es sich um galerieartig säumt, aber auch innerhalb der Salz- den Teichboden des ehemaligen Köllmer Teichs, rasen entwickelt ist. Nennenswert sind weiterhin der in der ersten Hälfte des 19. Jh. abgelassen wur- die reichen und stabilen Bestände von Spergularia de und relativ stark salzhaltig gewesen sein muss. maritima (sonst nur im ehemaligen Seebecken, bei Danach war die Fläche ein ertragreiches Grünland, Teutschenthal und Köchstedt), Triglochin maritim- welches zeitweilig stark verschilfte. Mitte der um, Samolus valerandi und Glaux maritima. Von 1980er-Jahre wurde das Schilf zurückgedrängt und Chenopodium botryodes sind im Gebiet der Mans- die Fläche mit Rindern und Pferden beweidet. Seit- felder Seen nur Einzelvorkommen zu verzeichnen. dem erschienen sukzessive insgesamt 26 Arten Im FND kam er auf den ehemals relativ großen (HARTENAUER & JOHN 1998, RANA 1998a). Die Binnen- Schlammflächen bis vor ca. 10 Jahren sehr indivi- salzstelle gehört zu den artenreichsten und am duenreich vor. besten ausgebildeten Salzwiesenbiotopen im Ge- SCHNITTER (in EBEL & SCHÖNBRODT 1988) untersuchte biet der Mansfelder Seen. Kleinere Bestände von die Laufkäferfauna und wies eine halophile Art Salzpflanzen sind innerhalb des Mäanders, auf (Amara convexiuscula) und vier halobionte Arten dem ehemaligen Bahndamm sowie am Nordufer (Dyschirius salinus, Acupalpus elegans, Anisodac- des östlichen Teiches der „Teiche am Ried“ zu fin- tylus poeciloides, Bembidion aspericolle) nach. Die den.

122 Abb. 5: Pferdebeweidung von Salzwiesen im NSG „Salzatal zwischen Langen- bogen und Köllme“ (Foto: K. Hartenauer)

Salzflora und -vegetation sowie Fauna Gefährdung und Schutz Das NSG beherbergt mit 28 Arten eine äußerst Die regelmäßige Nutzung des Salzgrünlandes ist artenreiche Salzflora. Darunter befindet sich C. se- aktuell gegeben. Allerdings wurde bei der Öffnung calina, die in Mitteleuropa nur im Binnenland vor- eines Meliorationsgrabens bislang nicht die gefor- kommt und bundesweit nur in Sachsen-Anhalt ver- derte Staustufe eingesetzt, welche einen Mindest- breitet ist. Im NSG ist sie an trittbeeinflussten Ufer- wasserstand auf den Flächen gewährleisten sollte. stellen und auf Anglerpfaden zu finden. Andere Ar- Durch den abgesunkenen Grundwasserspiegel ten zählen bundesweit zu den Seltenheiten wie konnten in den letzten Jahren einige Arten, wie Tri- Apium graveolens und Plantago maritima. Im Jahr glochin maritimum und Chenopodium botryodes, 2004 konnte erstmalig Bupleurum tenuissimum auf nicht mehr gefunden werden. der Rinderweide beobachtet werden (JOHN & STOLLE 2004), das im Mansfelder Seengebiet nur noch ein weiteres rezentes Vorkommen hat (vgl. Salzstelle Nr. 8: Salzawiesen zwischen Benkendorf und Nr. 5). Die Salzpflanzenvorkommen konzentrieren Salzmünde sich auf der Rinderweide in den tiefer gelegenen, Landkreis, Lage: Saalkreis, südlich der Salza zwischen feuchten und schlammigen Bereichen. den genannten Ortschaften Im Rahmen der Erstellung des Pflege- und Entwicklungsplanes (RANA 1998a) gelangen Nach- Naturraum: Östliches Harzvorland weise von halophilen Arten bei den Wasser- und Schutzstatus: FND „Salzawiese in Salzmünde“ (teil- Laufkäfern sowie den Zweiflüglern. Von den Was- weise), FFH-Gebiet „Salzatal bei Lan- serkäfern waren Enochrus bicolor sowie der genbogen“ halobionte Spezialist Ochthebius marinus in großer Zahl zu finden, wobei letzterer sonst nur an den Kurzbeschreibung Meeresküsten vorkommt. Bei den Zweiflüglern Diese beiden alten, bereits historisch angegebenen stellt der Fund von Dolichopus austriacus eine Be- Salzstellen befinden sich innerhalb der Salzaaue sonderheit dar, da das Gebiet um den Salzigen See und zwar ausschließlich südlich der Salza. Die grö- der bislang einzige Fundort dieser Art in Deutsch- ßere der beiden Salzstellen ist südlich der B242 ge- land ist. legen und hat eine Größe von ca. 1 ha. Die kleinere Von den 13 aktuell im Gebiet der Mansfelder Seen umfasst das FND „Salzawiese in Salzmünde“ mit vorkommenden halobionten und halophilen Lauf- einer Größe von nur 0,2 ha und grenzt unmittelbar käferarten wurden im NSG 8 Arten festgestellt. Als nördlich an die B242. besonders wertvoll sind die Vorkommen der auch Die Binnensalzstelle südlich der B 242 erstreckt bundesweiten extrem gefährdeten Vertreter Bembi- sich in Nord-Süd-Richtung zwischen einem Graben dion minimum, Anisodactylus poeciloides und Acu- und der Salza. Sie besteht aus einem Komplex von palpus elegans anzusehen, die auf höhere Salz- Salzwiesen (Ononido spinosae-Caricetum distan- konzentrationen im Boden angewiesen sind. tis, Juncetum gerardii) und Salzröhrichten (Bolbo-

123 schoenetum maritimi, Phragmitetum australis), Gefährdung und Schutz welche entsprechend der Feuchteverhältnisse und Eine Nutzung oder Pflege findet nicht statt, beide Salzbeeinflussung kleinflächig miteinander ver- Flächen sind daher verbracht und werden von zahnt sind (RANA 2004). Im Bereich von Wild- Queckenpionierrasen überwachsen (vor allem Ely- schweinwühlstellen, treten Rasen mit Puccinellia trigia intermedia und Pulicaria dysenterica). Auch distans und Spergularia salina auf. Obwohl inner- das Schilf dringt allmählich auf die Flächen vor und halb der vergangenen 20 Jahre keine oder nur eine Calamagrostis epigejos tritt in kleinflächigen Her- sporadische Nutzung stattgefunden hat, ist der Be- den auf. stand stabil. Bei der dringend zu empfehlenden Wiederaufnah- me einer entsprechenden Nutzung oder Pflege Salzflora und -vegetation sowie Fauna (Mahd, Weide) hätte die Salzvegetation eine größe- Auf der größeren der beiden Salzstellen südlich der re Ausbreitung und die einzelnen Vegetations- B242 kommen aktuell 15 Salzpflanzen vor, wobei einheiten (vor allem die Salzwiesen (Ononido vor allem Arten weniger stark salzbeeinflusster spinosae-Caricetum distantis) kämen besser zur Standorte dominieren und z. T. in Massenbestän- Ausprägung. Es ist bekannt, dass nach entspre- den vorkommen (Apium graveolens, Melilotus den- chenden Maßnahmen die Salzpflanzen selbst nach tata, Centaurium pulchellum, Samolus valerandi, jahrzehntelangem Aussetzen der Nutzung reakti- Aster tripolium, Atriplex prostrata var. salina). Be- viert werden (ABTS 1994, HARTENAUER & JOHN 1998). merkenswert ist das reiche Vorkommen von A. Ein Beispiel hierfür ist die Rinderweide westlich graveolens innerhalb der Salzröhrichte mit sehr üp- Köllme (siehe Salzstelle Nr. 7), die aktuell die arten- pig entwickelten Exemplaren (mehr als 1 m Höhe). reichste Salzstelle im Salzatal darstellt. Diese bundesweit sehr seltene Art besitzt im Gebiet der Mansfelder Seen einen Verbreitungsschwer- punkt, wobei sie vor allem im Salzatal und deren Nr. 9: Kliagrabenniederung westlich Merse- Seitentälern reiche und stabile Populationen auf- burg weist. Auch Althaea officinalis ist im Bereich des Landkreis, Lage: Merseburg-, Kliatal zwischen Salzigen Sees nur sporadisch anzutreffen und hat Geusa und Zscherben vor allem im Salzatal große Bestände. Die Salzstelle erstreckt sich bis an den Rand eines Naturraum: Querfurter Platte Ackers, auf dem ebenfalls noch eine Anzahl von Schutzstatus: LSG „Geiselaue“ (anteilig, im Ostteil) Salzpflanzen zu finden ist, z. B. Apium graveolens, Aster tripolium, Spergularia salina, Trifolium fragi- Kurzbeschreibung ferum, Centaurium pulchellum, Atriplex prostrata Der Klia- (oder auch Klye-)graben durchfließt eine var. salina u.a. in den umgebenden, meist flachwelligen Land- Im FND kommen nur drei Salzpflanzen vor: Apium schaftsraum eingesenkte west-ost-gerichtete Tal- graveolens, Hordeum secalinum und Althaea offici- niederung mit gering geneigten Hangpartien und nalis. Bemerkenswert ist hier das Vorkommen von mündet bei Zscherben in die (Gebiet Nr. 10). H. secalinum, welche 1995 hier erstmals seit Die schmale Bachaue ist zur nördlichen Acker- GARCKE (1848) beobachtet wurde (JOHN & ZENKER ebene hin von Altgeusa bis Merseburg durch eine 1996). klare Hangkante abgegrenzt, während das südliche Talrelief flachwellig in die Beunaer Ackerebene übergeht. Die gesamte Niederung ist durch einen kleinräumigen Wechsel stark durchgrünter Sied- lungsbereiche mit einer Vielzahl naturschutzfach- lich wertvoller Lebensräume, wie artenreiche, teil- weise salzgetönte Feuchtwiesen und reliktäre Feuchtwaldbestände, geprägt. Das Gebiet wurde in den Jahren 2001 und 2002 einer naturschutz- fachlichen Würdigung unterzogen (RANA 2002c).

Salzflora und -vegetation sowie Fauna Mäßig salzbeeinflusste Grünlandbereiche wurden in drei Teilbereichen der Klianiederung festgestellt, mitunter sind sie jedoch nur relativ kleinflächig aus- gebildet. Durch den Einfluss aufsteigenden salz- haltigen Grundwassers sind hier innerhalb von Wechselfeucht- und Feuchtgrünländern geeignete Siedlungsbedingungen für verschiedene mehr oder weniger stark salzertragende Arten gegeben. Bö- Abb. 6: Wilder Sellerie (Apium graveolens) (Foto: K. Har- den mit hohem bis sehr hohem Chloridgehalt be- tenauer) vorzugen beispielsweise Juncus gerardii und Tri-

124 glochin maritimum, die an mehreren Stellen der Kurzbeschreibung Bachaue nachgewiesen werden konnten. Ihnen Den hinsichtlich des Vorkommens von Binnensalz- sind teilweise weitere salzertragende Arten beige- stellen interessantesten Bereich stellt der Abschnitt sellt, deren Vorkommensschwerpunkt auf mäßig der Geiselaue unterhalb Kötzschen und dabei vor bis schwach salzhaltigen, teilweise auch trittbeein- allem die bei Zscherben aufgeweitete Niederung flussten Böden liegt. Erwähnt seien Carex distans, dar, welche vom Unterlauf der stark begradigten Eleocharis uniglumis, Bolboschoenus maritimus Geisel und des Kliagrabens durchflossen wird. und Trifolium fragiferum. Diese Vergesellschaftun- Abgesehen von einigen Erlenbruch- und Erlen- gen zeigen Anklänge an die für salzhaltige Sand- Eschenwald-Relikten handelt es sich um einen vor- und Schlickböden charakteristischen Strandnel- rangig offenlandgeprägten Landschaftsraum, der ken-Salzwiesen des Verbandes Armerion mariti- vor allem von weitflächigen Röhrichten dominiert mae. wird, in welche einige Feuchtwiesen, Großseggen- Die Arachno-Entomofauna ist teilweise überra- rieder, Feuchtgebüsche und Kleingewässer (z. B. schend divers vertreten, wobei insbesondere unter wassergefüllte Bombentrichter) eingestreut sind. den Zweiflüglern auch Vertreter mit einer Bindung an salzgetönte Biotope nachweisbar waren. Her- Salzflora und -vegetation sowie Fauna vorzuheben ist dabei z. B. Stilpon lunatus, eine Erste Erwähnungen der Salzflora und -vegetation Tanzfliegenverwandte (Überfamilie Empidoidea) datieren auf die Mitte des 19. Jh. zurück, als hier (siehe Abb. 7). Ernst Haeckel – damals Einwohner der Stadt Merseburg – botanisierte und auch entsprechende Unterschutzstellungsbestrebungen initiierte (LAU 2003). Wichtige floristische Angaben stammen weiterhin von RETTELBUSCH (1916/17). Der Regie- rungslandmesser Stephan mahnt im Jahr 1924 an, die noch bestehenden wertvollen Flächen zu schützen: „... unbedingt erhaltenswert wäre eine eigenartige Pflanzengemeinschaft dicht am Dammwege, der vom Ex- erzierplatz nach Zscherben führt. Wie am salzigen Mee- resstrand eine besondere salzliebende Flora gedeiht, so auch hier im Binnenland, wo es im Untergrunde Salz gibt. Da blühen Meerstandsaster und Meerstandsdreizack, - Wegerich und andere Salzpflanzen. Daneben gibt es auch seltenere Sumpfpflanzen wie Eibisch, Tetragonolobus siliquosus, Menyanthes trifoliata ...“ Vor dem Hintergrund der geplanten Festsetzung ei- Abb. 7: Männchen der Tanzfliegenverwandten Stilpon nes LSG durch den Regierungspräsidenten zu lunatus. Flügellänge 0,7 mm (Foto: A. Stark) Merseburg als höhere Naturschutzbehörde führte der Biologielehrer und Beauftragte für Naturschutz Gefährdung und Schutz im Regierungsbezirk Merseburg Carl Altehage eine Auf den überwiegend privatwirtschaftlich genutz- vegetationskundliche Untersuchung durch (ALTE- ten salzbeeinflussten Wechselfeucht- und Feucht- HAGE 1938). grünlandbereichen erfolgte bisher regelmäßig eine Angaben zur aktuellen Artausstattung von Teilbe- Mahd, so dass primär keine Gefährdung der Salz- reichen des Gebietes – vor allem der inzwischen als vegetation erkennbar ist. Potentiell kann es jedoch NSG festgesetzten Fläche – finden sich bei LEHMANN (besonders bei der Fläche westlich des Sportplat- (1996), dem u. a. Nachweise von Aster tripolium, zes) bei einer unregelmäßigen Nutzung bzw. bei Tetragonolobus maritimus, Trifolium fragiferum, Aufgabe der Bewirtschaftung zu einer Verschilfung Triglochin maritimum, Althaea officinalis, Carex kommen. distans, Glaux maritima, Juncus gerardii, Plantago maritima und Spergularia salina gelangen. Vor dem Hintergrund starker standörtlicher und Nutzungs- Nr. 10: Untere Geisel bei Zscherben änderungen im Gebiet wären aktualisierende floris- Landkreis, Lage:Merseburg-Querfurt, Geiseltal zwi- tisch-vegetationskundliche Erhebungen ebenso schen Kötzschen und Merseburg (Süd- wie eine detaillierte Erfassung des faunistischen park) Inventars (indikatorisch wichtige Gruppen der Naturraum: Querfurter Platte Arachno-Entomofauna) dringend anzuraten. Schutzstatus: LSG „Geiselaue“, FND „Salzwiese und Erlenbruch bei Zscherben“, NSG „Un- Gefährdung und Schutz tere Geiselniederung“ sowie FFH-Ge- Eigentlich werden nur noch kleine Wiesenflächen biet 144 „Geiselniederung westlich unmittelbar östlich der Ortslage Zscherben ge- Merseburg“ pflegt, während der größte Teil des Gesamtge-

125 bietes einer Nutzungsaufgabe und den daraus re- ehemaliger Kohlegruben nordwestlich Ragwitz bis sultierenden Prozessen wie Verbrachung und Ver- hin zur Autobahn BAB A9 erstreckt. Im Untergrund schilfung unterliegt, was zur sukzessiven Verdrän- stehen hauptsächlich Gesteine des Zechsteins gung der konkurrenzschwachen Salzpflanzenarten (Kalksteine, Gipse, Anhydrite, Halite und Tonsteine) führt. Viele wertgebende Vertreter, wie z. B. Apium an, wobei die auch noch heute auftretenden Sole- graveolens, Artemisia maritima und Salicornia euro- austritte als Relikte der ehemaligen Auslaugung paea, können schon seit Jahrzehnten nicht mehr aufgefasst werden können. Bereits seit dem 16. nachgewiesen werden. Empfindliche Verluste ent- Jahrhundert wurde in Teuditz unterirdisch Salz ge- standen auch durch die größerflächige Verbrin- wonnen, im 19. Jahrhundert produzierte eine che- gung von Geiselschlammaushüben auf benach- misch-pharmazeutische Fabrik verschiedene Er- barten, hoch wertvollen Salzgrünländern. Dieser zeugnisse, wie Natrium, Soda und Salmiak. Gegen allgemein ungünstigen Entwicklung ist dringend Ende des Jahrhunderts kam die Salzgewinnung sowohl durch entsprechende Nutzungsregelungen und -verarbeitung zum Erliegen, eine Soleförde- als auch die kurzfristige Einleitung praktischer rung findet heute nur noch zur Belieferung des Gra- Maßnahmen zur Instandsetzung wertvoller Flächen dierwerkes in Bad Dürrenberg statt. Im Rahmen der Einhalt zu gebieten. Im Zusammenhang mit der Würdigung des geplanten LSG „Ellerbachtal“ fan- Flutung der Bergbaurestlöcher des Geiseltals muss den umgangreiche floristische und faunistische Er- eine Mindestwasserführung gewährleistet werden, hebungen statt (RANA 2003). welche einen stabilen Wasserhaushalt im FFH-Ge- biet sicherstellt. Für selbiges ist ein flächendetail- Salzflora und -vegetation sowie Fauna lierter Managementplan zu erarbeiten und abzu- Salzstandorte und die entsprechende Halophyten- stimmen. vegetation sind besonders für den Bereich um Teuditz und Kauern bereits seit längerem bekannt und untersucht. ALTEHAGE & ROSSMANN (1939) be- Nr. 11: Ellerbachtal östlich Bad Dürrenberg schreiben beispielsweise eine sehr sumpfige Landkreis, Lage: Merseburg-Querfurt, Ellerbachtal zwi- Strandastern-Wiese südwestlich des Ellerbaches schen Tollwitz, Ragwitz und Kauern dicht vor der Mühle in Kauern, die sich hier durch östlich der Stadt Bad Dürrenberg den Austritt von salzhaltigem Quellwasser entwi- ckeln konnte sowie ein etwas weiter ostwärts lie- Naturraum: Lützen-Hohenmölsener Platte gendes ebenfalls salzbeeinflusstes Wiesenstück Schutzstatus: LSG (im Ausweisungsverfahren) bei Kauern. Bei Berücksichtigung der nicht immer ortskonkret zuordenbaren historischen Fundanga- Kurzbeschreibung ben von GARCKE (1848) ist insgesamt ein deutlicher Die Salzstellen befinden sich in einem Niederungs- Rückgang der ursprünglich im Gebiet entwickelten bereich des Ellerbaches, der sich, ausgehend von Salzpflanzenvegetation zu verzeichnen. Die nach- dem zur Stadt Bad Dürrenberg gehörenden Ortsteil folgende Tab. 1 gibt eine Übersicht über die von Balditz, in südöstliche Richtung zwischen den Ort- GARCKE (1848) bzw. ALTEHAGE & ROSSMANN (1939) für schaften Tollwitz und Teuditz bzw. Kauern und Rag- den betreffenden Bereich des Ellerbachtales noch witz unter Einschluss der hier befindlichen Sied- aufgeführten salzertragenden bzw. salzliebenden lungsrandbereiche, eines größeren Gehölzkomple- Arten, die im Untersuchungszeitraum (2002–2003) xes zwischen Tollwitz und Kauern sowie zweier nicht mehr nachgewiesen werden konnten.

Art Lokalität Quelle Angaben lt. BENKERT et al. (1998) Althaea officinalis bei Teuditz Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Apium graveolens bei Teuditz Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Atriplex latifolia var. salina bei Teuditz Garcke (1848) keine Angabe Blysmus compressus Balditz Gutte & Köhler (1973) Nachweis im MTBQ ab 1950 Lactuca saligna bei Dürrenberg Garcke (1848) Nachweis im gesamten ostdeutschen Raum nur bis 1949 Lavatera thuringiaca bei Teuditz Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Plantago maritima bei Teuditz, Kauern Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Podospermum laciniatum bei Teuditz, Kauern Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Salicornia herbacea bei Teuditz Garcke (1848) Nachweis im MTBQ nur bis 1949 Tab. 1: Übersicht der im Untersuchungszeitraum 2002–2003 nicht mehr nachgewiesenen Salzpflanzenarten im Eller- bachtal

126 Die Tabelle verdeutlicht, dass für die Mehrzahl der cetum distantis) auf. Ein weiterer Bestand von aktuell nicht mehr beobachteten Arten bereits seit T. maritimum befindet sich in einem ebenfalls relativ langer Zeit im Gebiet keine Nachweise mehr schon bei ALTEHAGE & ROSSMANN (1939) beschrie- publiziert wurden. Eine Wiederansiedlung beson- benen Feuchtgrünlandbereich östlich der Straße ders der obligaten Halophyten im PG ist – v. a. Ragwitz–Kauern, in dem u. a. Chenopodium rub- aufgrund der häufig in der näheren Umgebung rum und Festuca arundinacea als Begleiter auftre- ebenfalls erloschenen Vorkommen sowie der zu- ten. Feuchte, regelmäßig überschwemmte Stand- nehmenden Aussüßung der Standorte – zumeist orte mit geringem bis mäßigem Salzgehalt werden als relativ unwahrscheinlich anzusehen. Daher u. a. durch Lotus glaber und Triglochin palustre kommt der Sicherung der derzeit noch vorhande- sowie Samolus valerandi besiedelt, wobei letztge- nen Vergesellschaftungen bzw. Arten eine außeror- nannte Art mit einem großen Bestand im flach über- dentlich große Bedeutung zu. Im Gebiet wurden stauten Verlandungsbereich eines Abbaugewäs- lokal mehrere deutlich salzliebende Pflanzenarten sers (ehemalige Kohlegrube?) nachgewiesen wer- in größerer Individuenzahl festgestellt. Erwähnt sei den konnte. in erster Linie das polyhaline Glaux maritima, von welchem in dem bereits von ALTEHAGE & ROSSMANN Gefährdung und Schutz (1939) beschriebenen Nassgrünlandbereich west- Die beschriebenen salzbeeinflussten Bereiche wer- lich Kauern eine relativ große Population entwickelt den aktuell durch Mahd bzw. Beweidung regelmä- ist. Als weitere halotolerante bis halophile Arten ßig genutzt, so dass sie sich in einem vergleichs- sind hier u. a. Juncus compressus und Eleocharis weise guten Zustand befinden. Für ihren weiteren uniglumis zu finden, im Jahr 2005 wurden auch Erhalt ist daher die Fortführung der derzeit prakti- mehrere Exemplare der hier ehemals in einem zierten Nutzungsweise sehr wichtig, insbesondere reichblütigen Bestand vorkommenden Strand-As- ist dies im Fall der westlich der Straße Kauern-Rag- ter (Aster tripolium) festgestellt. Weitere Halophy- witz befindlichen Salzstelle essentiell, da an dem ten-Vorkommen befinden sich auf Feuchtgrünland hier entwickelten Vegetationsmosaik auch kleinere nordöstlich des Sportplatzes Tollwitz. Hier siedeln Schilfbestände beteiligt sind (siehe Abb. 8). Durch in kleinen Geländesenken u. a. Trifolium fragiferum, eine unregelmäßige oder ganz ausgesetzte Nut- Triglochin maritimum und Carex distans, als Beglei- zung besteht die Gefahr einer raschen Verschilfung ter treten beispielsweise Potentilla anserina und des gesamten Bereiches und der Beeinträchtigung Agrostis canina auf. Diese Bestände weisen Bezie- der eigentlichen Salzstellenflora. Entscheidend ist hungen zu dem sich auf schwach salzhaltigen, zudem die weitere Gewährleistung geeigneter hy- feuchten, nicht überschlickten Hauhechel-Lücken- drologischer Verhältnisse zur Verhinderung einer seggen-Salzkriechrasen (Ononido spinosae-Cari- weiteren Aussüßung der Standorte.

Abb. 8: Ellerbachtal westlich der Straße Kauern– Ragwitz (Foto: B. Otto)

127 Nr. 12: Floßgrabenniederung bei Kötzschau Auch Puccinellia distans und Glaux maritima wei- sen auf stark salzhaltige Substrate hin. Während Landkreis, Lage: Landkreis Merseburg-Querfurt, Umfeld sich die Vorkommen von Glaux aktuell nur auf einen der Ortslagen Kötzschau und Schlade- bach kleinen Randbereich des ausgedehnten Schilf- röhrichts südwestlich von Kötzschau beschränken, Naturraum: Lützen-Hohenmölsener Platte gelangen von T. maritimum mehrere Nachweise Schutzstatus: LSG „Floßgraben“, anteilig auch als (u. a. im FND und südlich des „Eiskellers“). FND „Schilfgebiet im Tal südlich Schla- Bemerkenswerte faunistische Nachweise wurden debach“ gesichert im Rahmen von Beifangauswertungen aus Boden- fallen erbracht (A. STARK), wobei mehrere Arten aus Kurzbeschreibung der Gruppe der Tanzfliegenverwandte (Diptera, Die Salzstellen liegen in der niedermoorgeprägten Empidoidea) hervorzuheben sind. Dabei ist z. B. Aue des Floßgrabens – eines Kanals, mit dessen Stilpon lunatus eine im Binnenland selten gefan- Bau im Jahr 1579 auf Befehl des Kurfürsten begon- gene Art, von der aktuelle Vorkommen aus dem nen wurde, um die Weiße Elster bei Krossen mit der Gebiet des Salzigen Sees bekannt sind (STARK, Luppe bei Wallendorf zu verbinden und somit den unpubl., Abb. 7). Offensichtlich weist S. lunatus Transport von Brennholz für die ehemaligen Salz- eine Präferenz für salzbeeinflusste Biotope auf. werke bei Teuditz und Kötzschau zu ermöglichen. COLLIN (1961) vermutete sogar, dass es sich um eine Von Kötzschau wird 1572 erstmalig ein Salinen- ausschließlich an Meeresküsten vorkommende Art betrieb erwähnt, jedoch soll dort bereits im 14. handele. Aufgrund des derzeitigen Kenntnisstan- Jahrhundert Sole gefördert worden sein. Salz- des kann man sie durchaus als halophil bezeich- stellen sind im Gebiet zumeist nicht sehr artenreich nen. Die Langbeinfliege Micromorphus albipes ist und nur sehr lokal ausgebildet, so im Bereich der eine Charakterart der Salzwiesen, insbesondere ehemaligen Saline Kötzschau sowie im südöstli- auch im Küstenbereich von Nord- und Ostsee. Ihr chen Teil des FND „Schilfgebiet im Tal südlich Vorkommen am Floßgraben lässt für diesen Be- Schladebach“. Eine umfassende naturschutzfach- reich den Einfluss einer höheren Salzfracht vermu- liche Würdigung des Gebietes erfolgte in den Jah- ten. Gleiches ist aus dem Vorkommen der Tanzflie- ren 2001 und 2002 (RANA 2002b). ge Rhamphomyia caliginosa abzuleiten, die eben- falls als halophil bezeichnet werden muss und auch Salzflora und -vegetation sowie Fauna am Salzigen See in großer Zahl nachweisbar ist. Die salzertragenden bzw. -liebenden Arten des untersuchten Teils der Floßgrabenniederung treten Gefährdung und Schutz derzeit sowohl in Salzwiesen und -röhrichten als Die vor reichlich 150 Jahren nahe der Saline auch in anderen, zumeist offenen Pioniergesell- Kötzschau noch vorhandenen, ausgedehnten Flu- schaften auf und können dann als Zeiger für poten- ren von Salicornia europaea sind nach TÄGLICH tielle Salzstandorte angesehen werden. Die aktuel- (1956) bereits Mitte des 20. Jahrhunderts ver- le Artenzusammensetzung differiert zum Teil in Ab- schwunden. Eine Ursache für die vergleichsweise hängigkeit von den edaphischen Faktoren und der Artenarmut der Bestände ist in der zunehmenden Bewirtschaftungsweise sehr kleinräumig. Als oligo- Auslaugung (Aussüßung) des salzhaltigen Unter- haline Arten gelten beispielsweise Bolboschoenus grundes zu suchen. Allerdings kann durch eine ex- maritimus, Juncus inflexus, J. compressus sowie tensive Bewirtschaftung des Grünlandes, wie im Centaurium pulchellum. Feuchte, + regelmäßig FND, die Entwicklung der Salzstellenflora in gewis- überschwemmte Standorte mit geringem bis mäßi- sem Umfang gefördert werden. Auf jeden Fall ist die gem Salzgehalt werden u. a. durch Lotus glaber, Tri- Nutzungs- oder Pflegekontinuität sicherzustellen folium fragiferum, Triglochin palustre und Samolus und einer Aufgabe oder einer grundsätzlichen Än- valerandi besiedelt. Dabei ist letztgenannte Art auf derung der Nutzung sowie einer Verschlechterung nasse, periodisch überflutete Schlickböden ange- des Wasserhaushaltes entgegen zu wirken. wiesen und wurde im Gebiet lediglich am Rand ei- nes kleinen Grabens südwestlich des „Eiskellers“ bei Kötzschau nachgewiesen. Von T. fragiferum be- Nr. 13: FND „Salzstelle bei Teutschenthal- findet sich ein größerer Bestand z. B. südlich der Bahnhof“ Ortsrandbebauung von Kötzschau, der sich vege- Landkreis, Lage: Saalkreis, unmittelbar südlich der B80 tationskundlich dem für feuchte, schwach salz- bei Langenbogen haltige Standorte typischen Deschampsio-Carice- tum distantis zuordnen lässt. Es können aber auch Naturraum: Östliches Harzvorland mehrere deutlich salzliebende Vertreter in größerer Schutzstatus: FND Individuenzahl festgestellt werden, wie beispiels- weise Triglochin maritimum, Juncus gerardii, Carex Kurzbeschreibung distans sowie Eleocharis uniglumis. Die von den Neben den natürlichen Binnensalzstellen entstan- drei erstgenannten Arten geprägte Vergesellschaf- den durch die Kalisalzförderung im Gebiet der tung wird als Juncetum gerardii angesprochen. Mansfelder Seen auch Salzstellen mit rein anthro-

128 Abb. 9: Das FND „Salzstelle bei Teutschenthal- Bahnhof“ wird von der Kalihalde (links oben) mit stark salz- haltigem Sickerwas- ser versorgt, welches unter der B 80 nach Norden der Salza zufließt. (Foto: F. Meyer) pogener Genese. Nachfolgend soll der bedeu- europaeae) und offenen, stark salzbeeinfluss- tendste Sekundärstandort im Süden Sachsen- ten Salzrasen (Spergulario-Puccinellietum distan- Anhalts vorgestellt werden, welcher durch einen tis) im gesamten südlichen Sachsen-Anhalt (TROST hohen Artenreichtum gekennzeichnet ist. Das FND 2003). befindet sich südlich der Kaliabraumhalde bei Bislang konnten im FND 34 Salzpflanzen festge- Teutschenthal-Bahnhof, wo von 1907 bis 1982 Ka- stellt werden, womit es sich um die reichste lisalze abgebaut wurden. Das Auftreten salzhaltiger Binnensalzstelle des südlichen Sachsen-Anhalt Sickerwässer und die ersten Salzpflanzenfunde handelt. Die Salzstelle weist eine hohe Floren- und wurden in den 1960er-Jahren verzeichnet. Eine Vegetationsdynamik auf: zum einen erscheinen ei- Besonderheit stellt der extrem hohe Salzgehalt dar, nige Arten aufgrund der sich ändernden Standort- so dass neben großen vegetationsfeindlichen und verhältnisse mehr oder weniger unregelmäßig (z. B. somit unbesiedelten Flächen im zentralen Teil auch Bupleurum tenuissimum), zum anderen konnten re- für den mitteldeutschen Raum extrem großflächige gelmäßig Neuansiedlungen beobachtet werden. Halophytenbestände etabliert sind, welche sich bis Als Besonderheiten gelten aktuell die halophilen zur heutigen Zeit ohne größere Pflegeeingriffe be- und teilweise gefährdeten Pflanzenarten Plantago haupten konnten (RANA 1999b). Eine detaillierte maritima, Salicornia europaea ssp. brachystachya, dieser sowie weiterer Kalirückstandshalden im Sü- Spergularia maritima, Suaeda maritima und Hyme- den Sachsen-Anhalts einschließlich ihrer Flora fin- nolobus procumbens. Von diesen haben sich die det sich in der Publikation von JOHN (2000). beiden letztgenannten erst in einer seit 1995 zu be- obachtenden neuen Besiedlungswelle etabliert, in Salzflora und -vegetation sowie Fauna der auch Gypsophila perfoliata, Triglochin maritim- Die vegetationsfreien Flächen stehen je nach um und Cochlearia danica erstmalig erschienen. Nässegrad teilweise unter Wasser. Auf den häufig Suaeda maritima galt bis dahin im Gebiet der überstauten Bereichen sind je nach Salzgehalt Mansfelder Seen als ausgestorben. Bei H. procum- Quellerfluren (Salicornietum europaeae) oder die bens handelte es sich um einen Erstnachweis für Salzbinsen-Gesellschaft (Juncetum gerardii) aus- das Gebiet der Mansfelder Seen, Leontodon gebildet (Abb. 10). An diese schließen sich auf saxatilis kommt hier nur noch an einem weiteren den feuchten-nassen Standorten Schilfröhrichte Standort vor (am Südufer des ehemaligen Salzigen (Phragmites australis ssp. humilis) an. Auf den fri- Sees). schen-feuchten Salzböden stehen die Quellerfluren TROST (2003) untersuchte in den Jahren 1998–2001 in engem Kontakt mit den Salzrasen (Spergulario- die Laufkäferfauna des FND und bescheinigt die- Puccinellietum distantis), auf schwach salzhaltigen, sem eine herausragende regionale Bedeutung für frisch-feuchten Standorten sind Agrostis stolo- halobionte und halophile Arten. In den Salz- nifera-Dominanzbestände mit Althaea officinalis biotopen konnten alle 13 aktuell im Gebiet der etabliert. Die Salzstelle verfügt gegenwärtig über Mansfelder Seen noch vorkommenden halobionten die großflächigsten Quellerfluren (Salicornietum und halophilen Laufkäferarten nachgewiesen wer-

129 Abb. 10: FND „Salzstelle bei Teutschenthal- Bahnhof” (Foto: K. Hartenauer) den. Aufgrund der einmalig guten und großflächi- 3. Fazit und Ausblick gen Ausprägung von Quellerfluren und Salzrasen Innerhalb der Kulisse des Schutzgebietsnetzes muss davon ausgegangen werden, dass halobion- Natura 2000 besitzen die Binnensalzstellen Sach- te Arten mit enger Biotopbindung im FND die sen-Anhalts eine bundes- bis europaweite Bedeu- stärksten Bestände im Süden Sachsen-Anhalts tung. Auch in den hier betrachteten südlichen aufweisen (vor allem Dicheirotrichus obsoletus und Landesteilen befinden sich Standorte mit einer her- Pogonus chalceus). Ersterer gilt bundesweit als ex- vorragenden Ausprägung des prioritären Lebens- trem selten und ist vom Aussterben bedroht raumtyps *1340. In Tab. 2 sind die Nachweise (TRAUTNER et al. 1997). Mit Amara pseudostrenua, größtenteils LRT-typischer Halophyten und halo- Dyschirius chalceus und Bembidion tenellum kom- toleranter Arten kumuliert dargestellt. men drei weitere, bundesweit vom Aussterben be- drohte Arten vor. SCHÖPKE (1996 in RANA 1998a) nennt den halobionten Wasserkäfer Ochthebius marinus (vgl. Gebiet Nr. 7).

Gefährdung und Schutz Aufgrund der hohen Salzkonzentration der Sicker- wässer ist innerhalb der Quellerfluren und Salz- rasen (Spergulario-Puccinellietum distantis) keine Nutzung oder Pflege für den Erhalt des weitaus überwiegenden Teil der Salzpflanzen erforderlich. Voraussetzung für deren langfristigen Erhalt ist allerdings der weitere Zufluss der Haldensicker- wasser. Eine Abdeckung der Halde mit Boden, wie dies vielfach praktiziert wird oder das Auffangen und Ableiten des Sickerwassers stellen potentielle Gefährdungen für die artenreiche Salzflora und -fauna dar. Das FND ist ein gutes Beispiel dafür, welche hohe Bedeutung anthropogene Binnensalzstellen für den Arten- und Biotopschutz haben können. Standorte mit charakteristisch ausgeprägter Biotopstruktur leisten einen sehr wichtigen Beitrag zum kontinuier- lichen Erhalt der regionalen Salzflora und -fauna und sind im Gebiet der Mansfelder Seen dafür Abb. 11: Strand-Wegerich (Plantago maritima) bereits unverzichtbar (TROST 2003). (Foto: K. Hartenauer)

130 1 Hackpfüffler See 10 Untere Geisel westlich Merseburg 2 Salziger See 11 Ellerbachtal östlich Bad Dürrenberg 3 NSG „Salzwiesen bei Aseleben“ 12 Floßgrabenniederung bei Kötzschau 4 Liegewiese des Strandbades von Seeburg 13 FND „Salzstelle bei Teutschenthal-Bahnhof“ 5 Sportplatz zwischen Lüttchendorf und Wormsleben 6 FND „Salz- und Trockenrasenvegetation bei Langenbogen“ 7 NSG „Salzatal zwischen Langenbogen und Köllme“ x – Art aktuell vorhanden (Nachweise bis 1990) 8 Salzawiese zwischen Benkendorf und Salzmünde (x) – Art historisch angegeben, aktuell jedoch fehlend 9 Kliagraben westlich Merseburg (N) – Neophyt

Pflanzenart Nummer der Salzstellen 12345678910111213 Althaea officinalis x xxx x(x) x Apium graveolens x x x (x) (x) Artemisia maritima (x) (x) (x) Aster tripolium xx xxx xx(x)x Atriplex prostrata var. salina xxx xxx (x)(x) x Atriplex rosea xx x Blysmus rufus (x) (x) Bolboschoenus maritimus xxxx xxxxxxxx Bupleurum tenuissimum (x) x x (x) Carex distans xxxx xxxxxxx Carex hordeistichos (x) Carex secalina xx Centaurium littorale (x) (x) Centaurium pulchellum xx x xx xxxx Chenopodium botryodes xxx Chenopodium glaucum xxxxxx Chenopodium rubrum xxxxx Cochlearia danica (N) x Eleocharis parvula (x) (x) Eleocharis uniglumis xxx x x(x)xx Glaux maritima xxxx xxx xxxx Gypsophila perfoliata (N) x x Gypsophila scorzonerifolia (N) x Hordeum secalinum (x) x x x Hymenolobus procumbens x Juncus gerardii xxxxxxxxxx(x) x Leontodon saxatilis x (x) Lotus tenuis xxx xxxxx(x)xxx Melilotus dentata xx xxx x xx Orchis palustris xx Plantago maritima (x) x x x x x (x) x Podospermum laciniatum x (x) Puccinellia distans xxx xxxxxxxxx Puccinellia limosa (x) Rumex maritimus xxx x Ruppia maritima (x) (x) Salicornia europaea agg. (x) x x x (x) (x) (x) (x) x Salsola kali ssp. tragus (N) (x) x Samolus valerandi xxx xxx xxx Schoenopl. tabernaemontani xxxx x xxxxx Scorzonera parviflora xx Sonchus palustris xx xxx x Spergularia maritima x x x (x) x Spergularia salina xx xxxx xx(x)x Suaeda maritima (x) (x) (x) (x) x Taraxacum palustre (x) (x) Tetragonolobus maritimus (x) x x x x x x Trifolium fragiferum xxxxx xxxxxx Triglochin maritimum xxxxxxx xxxxx Zannichellia palustris xxxx Arten aktuell 17 34 24 8 10 18 29 17 9 15 17 13 27 (erloschen) (5) (11) (2) (1) (8) (6) (7) (3) (1) Tab. 2: Halophyten und ausgewählte halotolerante Arten an Binnensalzstellen im südlichen Sachsen-Anhalt

131 Folgende verallgemeinerbare Schlussfolgerungen bereits erfassten natürlichen Binnensalzstellen sys- zur Situation der Binnensalzstellen im Betrach- tematisch zu aktualisieren, andererseits auch Er- tungsgebiet lassen sich ziehen: fassungsdefizite in bisher weniger bearbeiteten Landschaftsräumen abzubauen. Verdachtsflächen • es herrscht ein hoher Grad des hoheitlichen Ge- befinden sich in weiteren Talniederungen der östli- bietsschutzes, d. h. die wichtigsten Flächen sind chen Querfurter Platte (z. B. Laucha- und Schwarz- als NSG, mindestens jedoch als LSG und/oder eichetal), in der Saale-Elster-Aue (z. B. Saale-Els- FND festgesetzt; ter-Kanal bei Zöschen) und im Saaletal südlich • Nutzungsaufgabe oder zumindest eine starke Merseburg. Beispielsweise hier konnte im Rahmen Unternutzung mit daraus resultierender Verschil- einer aktualisierenden Schutzwürdigung für das fung oder Verbrachung stellt einen Hauptgefähr- LSG „Saale“ ein bisher in der vorgefundenen Arten- dungsfaktor der Binnensalzstellen dar, welcher ausstattung noch nicht bekannter deutlich salz- durch einen teilweise massiven Verlust LRT-typi- beeinflusster Bereich festgestellt werden (RANA scher Arten belegbar ist; 2005). Dieser wird besonders durch ein Massenvor- kommen von Samolus valerandi geprägt, dem • ein weiterer Hauptgefährdungsfaktor ist die zu- schon nach jetzigem Kenntnisstand zahlreiche wei- nehmende Aussüßung der Standorte infolge der tere salzertragende bzw. -liebende Arten beigesellt Grundwasserabsenkung; die Solen können nicht sind, wie z. B. Glaux maritima, Juncus gerardii und mehr in ausreichender Menge aufsteigen und die Lotus glaber. Standorte werden durch Niederschlagswasser Stärker als bisher müssen faunistische Aspekte in und den stärkeren Einfluss der Oberflächenge- die Würdigung der Flächen einbezogen werden. wässer (süßwasserführende Bäche) zunehmend Dies trifft auch auf einige weitere, bisher kaum ausgesüßt; untersuchte Kalihalden zu (z. B. Köchstedt, Johan- • der günstige Erhaltungszustand des Lebens- nashall und Roßleben), denen eine bedeutende raumtyps ist mit Ausnahme der extrem salz- Funktion als Sekundär- und Trittsteinhabitat zu- haltigen Böden (Salzquellaustritte, Salzgräben, kommt. Haldenfüße) an eine Nutzung und/oder Pflege gebunden, welche ein für Halophyten günstiges Konkurrenzgefüge schafft; 4. Literatur ABTS, U. W. (1994): Neue und bemerkenswerte Blüten- • durch die Kombination von Verbiss und Tritt pflanzen des Niederrheins unter besonderer Berück- (Bodenverwundung) ist die tiergebundene Pflege sichtigung kritischer und schwer unterscheidbarer auf den meisten Flächen die Methode der Wahl, Sippen. – Flor. Rundbr. (Bochum) 28 (1): 6–24 wobei in Ermangelung von Rindern auch andere ALTEHAGE, C. (1938): Die Geiseltalniederung zwischen Weidegänger (z. B. Pferde) verstärkt in Betracht Merseburg und Kötzschen. – Merseburger Land, Heft gezogen werden sollten; 34

• wo eine Beweidung nicht etabliert werden kann, ALTEHAGE, C. & B. ROSSMANN (1939): Vegetationskundliche sollten – zumindest kleinflächig – andere Wege Untersuchungen der Halophytenflora binnenländi- beschritten werden, um offene Rohböden zu scher Salzstellen im Trockengebiet Mitteldeutsch- schaffen (z. B. durch Plaggen des Oberbodens) lands. – Beih. Bot. Centralblatt 60B: 135–180 und somit den Fortbestand wertgebender Arten BÄSSLER, M., JÄGER, E. J. & K. WERNER (1996): Exkursions- zu sichern; flora von Deutschland. – Bd. 2., 16. Aufl., Jena- Stuttgart • in einigen Gebieten sind umgehend Maßnahmen zur Stabilisierung des Wasserhaushaltes umzu- BÜRO Dr. PHILIPPI (1995): Pflege- und Entwicklungsplan für setzen (z. B. Weide bei Köllme im NSG „Salzatal das eNSG „Salzwiesen bei Aseleben“. – unv. Gutach- zwischen Langenbogen und Köllme“); ten i.A. Regierungspräsidiums Halle, Obere Natur- schutzbehörde, 99 S. • auf Landesebene sollte ein Prioritäten- und COLLIN, J. E. (1961): Empididae. – British Flies 6: 1–782; Handlungskonzept zum langfristigen Erhalt des Cambridge University Press Arten- und Biotoppotentials der Binnensalzstel- len erarbeitet und umgesetzt werden; FRANK, D., HERDAM, H., JAGE, H., JOHN, H.; KISON, H.-U., KORSCH, H. & J. STOLLE (2004): Rote Liste der Farn- und • Maßnahmen zur Sicherung – bzw. wenn erfor- Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) des derlich – Wiederherstellung des günstigen Er- Landes Sachsen-Anhalt. – Ber. Landesamt für Um- haltungszustandes des LRT *1340 in den FFH- weltschutz 39: 91–110 Gebieten müssen im Rahmen der Erstellung GARCKE, A. (1848): Flora von Halle. Erster Teil. Phaneroga- von Managementplänen mit den Flächeneigen- men. – Halle tümern und -bewirtschaftern abgestimmt wer- GROSSE, E. & H. JOHN (1987): Zur Flora von Halle und Um- den. gebung. – Mitt. flor. Kart. Halle 13 (1/2): 85–114

In den nächsten Jahren sollten die Bemühungen GUTTE, P. & H. KÖHLER (1973): 1. Beitrag zur Flora von einerseits dahin gehen, den Kenntnisstand zu den Mitteldeutschland, insbesondere zur Flora von Leip-

132 zig. – In: ARBEITSGEMEINSCHAFT HERCYNISCHE FLORISTEN RANA – BÜRO FÜR ÖKOLOGIE UND NATURSCHUTZ FRANK MEYER (1973): Floristische Beiträge zur geobotanischen (1998a): Pflege- und Entwicklungsplan für das einst- Geländearbeit in Mitteldeutschland (XIV). – Wiss. Z. weilig sichergestellte NSG „Salzatal bei Langen- Univ. Halle XXII ‘73 M, Heft 6: 7–17 bogen“. – unveröff. Gutachten i. A. Regierungs- präsidiums Halle, Obere Naturschutzbehörde, 184 S. HARTENAUER, K. & H. JOHN (1998): Einfluß der anthropoge- nen Landschaftsdynamik auf die Entwicklung der - (1998b): Naturschutzfachliche Untersuchungen am Salzflora am Beispiel historischer Binnensalzstellen ehemaligen Salzigen See. Flora und Vegetation. – im einstweilig gesicherten Naturschutzgebiet „Salza- unveröff. Gutachten i. A. Landesamt f. Umweltschutz tal bei Langenbogen“. – Mitt. flor. Kartierung Sach- Sachsen-Anhalt, 182 S. sen-Anhalt 3: 109–122 - (1999a): Naturschutzfachliche Untersuchungen am JOHN, H. (2000): Zur Ausbreitung von Halophyten und ehemaligen Salzigen See. Fauna – unveröff. Gutach- salztoleranten Pflanzen in der Umgebung von Kali- ten i.A. Landesamt f. Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Rückstandshalden am Beispiel des FND ‘Salzstelle 276 S. bei Teutschenthal-Bahnhof‘ (Saalkreis)“. – Mitt. florist. - (1999b): Flora und Vegetation der sekundären Bin- Kart. Sachsen-Anhalt 5: 175–197 nensalzstelle im Flächennaturdenkmal „Salzstelle bei - & J. STOLLE (1998): Bemerkenswerte Funde in der Teutschenthal-Bahnhof“ (FND0036SK_Saalkreis). – Umgebung von Halle (S.). – Mitt. flor. Kart. Sachsen- unveröff. Gutachten i. A. Landesamt Umweltschutz Anhalt. 3: 145–157 Sachsen-Anhalt, Halle - (2002a): Managementplan für das FFH-Gebiet DE - & J. STOLLE (2001): Bemerkenswerte Funde im südli- chen Sachsen-Anhalt unter besonderer Berücksichti- 4533-301 „Gewässersystem der Helmeniederung“ gung der Elster-Luppe-Aue. – Mitt. flor. Kart. Sach- (Landkreis Sangerhausen). – unveröff. Gutachten i. A. sen-Anhalt. 6: 61–74 Landesamt Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle - (2002b): Naturraumpotential der Floßgrabenniede- -& J. STOLLE (2004): – Mitt. flor. Kart. Sachsen-Anhalt. 9: 47–59 rung unter besonderer Berücksichtigung des Biotop- verbundes. – Unveröff. Gutachten i. A. Landkreis -& E. ZENKER (1996): Funde und Beobachtungen von Merseburg-Querfurt, Untere Naturschutzbehörde höheren Pflanzen im südlichen Sachsen-Anhalt. – - (2002c): Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der Mitt. flor. Kart. Sachsen-Anhalt 1: 49–57 Kliagraben-Niederung Geusa-Atzendorf (Landkreis -, MEYER, F., RAUCHHAUS, U. & G. WEISS (2000): Historie, Merseburg-Querfurt). – Unveröff. Gutachten i. A. aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven der Landkreis Merseburg-Querfurt, Untere Naturschutz- Salzflora am ehemaligen Salzigen See (Mansfelder behörde Land). – Hercynia N.F. 33: 219–244 - (2003): Arten- und Biotoppotential des Ellerbachtals KORNECK, D., SCHNITTLER, M. & I. VOLLMER (1996): Rote (Landkreis Merseburg-Querfurt). – Unveröff. Gutach- Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et ten i. A. Landkreis Merseburg-Querfurt, Untere Natur- Spermatophyta) Deutschlands. – Schr.-R. Vegeta- schutzbehörde tionskde 28: 21–187 - (2004): Voruntersuchungen zur Durchführung der LAU – LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (Hrsg.) Verträglichkeitsprüfung gemäß Art. 6 der FFH-Richtli- (1997): Die Naturschutzgebiete Sachsen-Anhalts. – nie 92/43/EWG für die Querung des pSCI 124 Jena: Gustav Fischer „Salzatal bei Langenbogen“ durch die L 159 bei Salz- münde: Helm-Azurjungfer (Coenagrion mercuriale) - (2000a): Die Landschaftsschutzgebiete Sachsen-An- und Binnensalzstellen LRT *1340. – unv. Gutachten i. halts. – Ministerium f. Raumordnung U. Umwelt Lan- A. Ökologiezentrum Christian-Albrechts-Universität des Sachsen-Anhalt; 494 S. Kiel - (2000b): Der Salzige See. – Naturschutz i. Land Sach- - (2005): Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des sen-Anhalt 37. Jg., Sonderheft neu zu verordnenden Landschaftsschutzgebietes - (2003): Die Natur- und Landschaftsschutzgebiete „Saale“. – Unveröff. Gutachten i.A. Landkreis Merse- Sachsen-Anhalts. Ergänzungsband. – i. A. Ministeri- burg-Querfurt, Untere Naturschutzbehörde um f. Raumordnung u. Umwelt Landes Sachsen-An- RETTELBUSCH, G. (1916/1917): Verzeichnis der Blütenpflan- halt; 457 S. zen von Merseburg. – Monatsbl. Merseb. Heimat- LEHMANN, B. (1996): Untersuchungen zur Schutzwürdig- kundeverein keit der Unteren Geiselniederung zwischen Merse- SCHNITTER, P. & M. TROST (2004): Rote Liste der Laufkäfer burg-Süd und Zscherben als Naturschutzgebiet (Coleoptera: Carabidae) des Landes Sachsen-Anhalt. (NSG). – Unveröff. Dipl.-Arb. FH Erfurt, Fachbereich – Ber. Landesamt f. Umweltsch. Sachsen-Anhalt 39: Landschaftsarchitektur 252–263

OEKOKART (1997): Grundlagenerhebungen des Natur- SCHUBERT, R. (1992): Naturwissenschaftliche Studie zur schutzes zur Problematik des wiederentstehenden Renaturierung des Salzketales zwischen Langen- Salzigen Sees. – unveröff. Gutachten i.A. Landesamt bogen und Köllme. – unveröff. Studie des Instituts für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle landwirtschaftliche Forschung und Untersuchung e.V. Halle/S., i.A. des StAU Halle PUSCH, J. & K.-J. BARTHEL (1996): Zur floristischen Situati- on des salzbeeinflußten Gebietes zwischen Rieth- SCHUBERT, R. (2001): Prodromus der Pflanzengesellschaf- nordhausen und Hackpfüffel. – Mitteilungen zur floris- ten Sachsen-Anhalts. – Mitteilungen zur floristischen tischen Kartierung Sachsen-Anhalt 1: 38–42 Kartierung Sachsen-Anhalt, Sonderheft 2

133 SCHUBERT, R. & W. VENT (Hrsg.) (1982): Rothmaler, Exkur- TROST, M., SCHNITTER, P. H. & E. GRILL (1996): Zur Bedeu- sionsflora von Deutschland. – Bd. 4., Kritischer Band., tung von Salzhabitaten am ehemaligen Salzigen See 5. Aufl. aus entomofaunistischer Sicht am Beispiel der Lauf- käfer (Coleoptera, Carabidae). – Entomologische Mit- TÄGLICH, H.-D. (1956): Die Wiesen- und Salzpflanzen- teilungen Sachsen-Anhalt 4 (1): 22–27 gesellschaften der Elster-Luppe-Aue. – Diss., Univ. Halle - (1999): Untersuchungen zur aktuellen Laufkäferfauna (Coleoptera: Carabidae) des ehemaligen Salzigen TRAUTNER, J.; MÜLLER-MOTZFELD, G. & M. BRÄUNICKE (1997): Sees im Mansfelder Land (Sachsen-Anhalt). – Her- Rote Liste der Sandlaufkäfer und Laufkäfer Deutsch- cynia N.F. 32: 275–301 lands. (Coleoptera: Cincindelidae et Carabidae), 2. VOLKMANN, H. (1990): Pflanzenverbreitung im Mansfelder Fassung, Stand Dezember 1996. – Natursch. u. Seengebiet und seiner näheren Umgebung – ein Bei- Landschaftsplanung 29: 261–273 trag zur pflanzengeographischen Raumgliederung. – Diss. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg TROST, M. (2003): Die Laufkäferfauna des Flächen- naturdenkmals „Salzstellen bei Teutschenthal-Bahn- WEINERT, E. (1989): Salztektonik, Solequellen und Salz- hof“ im Süden Sachsen-Anhalt. – Natursch. i. Land pflanzenareale im Mansfelder-Seen-Gebiet. – Hercy- Sachsen-Anhalt 40. Jg., Heft 1: 19–32 nia N. F. 26: 216–226

134 Binnensalzstellen in Brandenburg – Verbreitung und Zustand salzbeeinflusster Lebensräume

Andreas Herrmann Landesumweltamt Brandenburg, Potsdam

Synopsis Meerwasser geprägten Lebensräume der Küsten Inland salt marshes of Brandenburg are caused by suchen wir in Brandenburg vergeblich. Das Rot des subsoil salt layers affecting freshwater circulation Quellers verschwand schon vor mehr als einhun- of glacial aquifers. Diversity of plant communities dert Jahren aus dem Havelländischen Luch und es and number of typical species are reduced com- ist Jahrzehnte her, dass die Strandaster noch große pared to coasts and central german territories. Flächen mit einem blauen Schimmer überzog. However there are some species fixed to salty Schon immer waren die hiesigen Salzwasseraus- areas to a lesser extent but of an outstanding tritte mehr an ihrer eher unscheinbaren Pflanzen- interest for nature conservation because of their welt zu erkennen als dass sie durch ausblühende limited distribution or of their global threat. Mea- Kristalle oder vegetationsfreie Flächen aufgefallen sures to protect and to regenerate vegetation of wären. Die Palette der Halophyten Brandenburgs natural salt marshes will be enhanced by European umfasst den Grundbestand der mitteleuropäischen network NATURA 2000 and a following LIFE Salzflora, es fehlen vor allem die Arten der hochgra- project, started in 2005. dig salzführenden Böden. Die vorrangige Bedeu- tung der regionalen Salzaustritte liegt in ihrer Tritt- Stichwörter: steinfunktion zwischen den Küsten und den nieder- Binnensalzstellen, Brandenburg, Vegetation, schlagsarmen Binnenländern. Halophyten, LIFE-Projekt Eine einfache Auswertung der botanischen Kar- tierung Brandenburgs (BENKERT et al. 1996) durch Summierung der Salzzeigerwerte (ELLENBERG 1992) 1. Einleitung innerhalb der Kartierungsfelder vermittelt einen ers- Farbenfülle und Artenreichtum mitteldeutscher Bin- ten Eindruck über die mögliche Verbreitung eines nensalzstellen oder die strukturelle Vielfalt der vom Salzeinflusses (Abb. 1). Die floristisch belegten Bin-

Abb. 1: Binnensalzstellen und Salzpflanzen-Vorkom- men in Brandenburg

135 nensalzstellen sind erwartungsgemäß gut erkenn- Oberfläche dringende Sole vom umgebenden bar. Hohe Zeigerwertsummen entlang der Oder und Süßwasserkörper gleichsam gestützt. Wir finden in in anderen, nicht durch historische Salzpflanzen- Brandenburg keine einzige Binnensalzstelle außer- Vorkommen bekannt gewordenen Räumen zeigen, halb der pleistozänen Schmelzwassertäler. Inner- dass die erste Auswertung durchaus fehlerhafte halb dieser Niederungslandschaften besteht eine Schlussfolgerungen zulässt und der weiteren Diffe- weitgehende Bindung an Moorböden, oft in Verbin- renzierung bedarf. Mehr oder weniger große Räu- dung mit unterlagernden Kalkmudden oder Ton- me mit erhöhten Summenwerten im Umfeld der schichten. Sind die genannten Voraussetzungen eigentlichen Salzstellen und die Ausbildung be- erfüllt, kann die in den pleistozänen Locker- stimmter Muster aus sich vom Umfeld abhebenden gesteinen über große Strecken verdriftende Sole zu Rasterfeldern führen aber auch zu der Frage, ob ein großflächigen und in ihrer Intensität weit gestuften irgendwie gearteter Einfluss der natürlichen Versal- Versalzungen führen. Ob das Vorkommen be- zungen auf die Vegetation doch sehr viel weiter stimmter Tier- und Pflanzenarten auch durch gerin- reichen kann als allgemein angenommen. ge Salzgehalte bestimmt wird, ob es salz- beeinflusste Artenkombinationen auf sorptions- schwachen, sandigen Nassstellen gibt und wie sich 2. Geologische und standörtliche Grund- das Thema der vom Salz in irgendeiner Weise be- lagen einflussten Vegetation für unseren Raum begrenz- Den geologischen Rahmen der Salzwasseraustritte en lässt, sind bislang unzureichend untersuchte Brandenburgs bilden der Aufstieg von im Wasser Fragestellungen. Zumindest zeigen verschiedene, gelösten Salzen durch Fehlstellen im tertiären aufgrund ihrer mitteleuropäischen Arealbindung für Rupelton und Ablaugungen an aufgepressten Salz- den Naturschutz bedeutsame Arten in ihrem regio- stöcken. Im ersten Fall besteht oft ein Zusammen- nalen Verbreitungsmuster eine Affinität zu den hang mit rinnen- bis netzförmig verlaufenden Tief- durch Versalzungen geprägten Räumen, ohne dass lagen der Quartärbasis. Beteiligt sind Salze aus eine direkte Bindung an die Salzstellen besteht. dem tiefliegenden Zechstein und aus jüngeren me- sozoischen Schichten (Abb. 2 und 3). Die stand- örtliche Voraussetzung für vegetationswirksame 3. Die Salzpflanzen-Gesellschaften Bodenversalzungen ist das Eindringen der Sole in Zahl und Abgrenzung der Salzpflanzen-Gesell- oberflächennahe Grundwasserkörper, wobei sich schaften des Gebietes sind je nach Sichtweise un- unter schwankenden Wasserständen und im terschiedlich. Für die naturschutzfachlichen Fragen Jahresverlauf wechselnden Verdunstungsraten un- kann eine grobe Darstellung der wichtigsten Asso- terschiedlich hohe Salzkonzentrationen im Boden- ziationen genügen. Die Nomenklatur folgt SCHUBERT wasser ergeben. Unter steigender Süßwasserauf- et al. (2001). Die eigentlichen Salzwiesen sind last erfolgt eine Verminderung des oberflächen- aufgrund ihres geringen Artenbestandes meist nahen Salzeinflusses, andererseits wird die an die schwach charakterisiert:

Fläming Pommerscher Landrücken Ostsee

Quartäre Ausräumungszonen Grundwasserneubildung Quartäre Grundwasserstauer Abb. 2: Hydrodynamisches Rupelton Modell der nordost- Süßwasserzirkulation Rupelbasissand deutschen Senke Mesozoische Salze (nach ZIESCHANG (1974) aus Zechsteinsalze Salzwasserzirkulation HANNEMANN u. SCHIRRMACHER (1998))

136 Zeichenerklärung

Schema der quartären Ausräumungszonen a - Rupelton reduziert b - Rupelton ausgeräumt c - Prätertiär

kro Oberkreide kru Unterkreide j Jura k Keuper m Muschelkalk s Buntsandstein

Zechsteinausbiss Südgrenze des tonigen Rupels Südgrenze zusammenhängender Salzwasserverbreitung Salzwasser oberhalb des Rupeltons Salzwasser oberhalb NN

Natürliche Salzwasseraustritte: hydrogeologisch-hydrochemisch nachgewiesen botanisch nachgewiesen oder ohne nähere Angaben Grundwasserischypsen des quartären Grundwasserleiter-Komplexes; sehr stark schematisiert Autor: W. Schirrmeister 1998

Abb. 3: Versalzungen und Salzwasseraustritte in Brandenburg (aus: HANNEMANN u. SCHIRRMACHER (1998))

Schuppenmieren-Salzschwaden-Gesellschaft bewirtschafteten oder gepflegten Grünland, doch (Spergulario-Puccinellietum distantis Feek. auch als artenarme, aber stabile Gesellschaft inner- (1934) 1943)) halb aufgelassener Röhrichte. Hydrologisch wenig Gegenwärtig stark verarmt und manchmal auf beeinträchtigte Standorte. Eutrophe Ausbildungen Puccinellia distans reduziert. Typische Bestände mit Aster tripolium und Agrostis stolonifera bis hin mit Spergularia salina nur noch auf kleinster Fläche. zu gering nährstoffversorgten Formen mit Orchis Oft in Mulden und von regelmäßigen Störungen palustris. Glaux maritima, Juncus gerardi und durch Befahren, Überflutung oder Viehtritt abhän- Triglochin maritimum sind regelmäßig, aber in un- gig. Standorte frisch bis nass, verdichtet und zeit- terschiedlicher Häufigkeit vertreten. weilig stark austrocknend. Meist ausschließlich aus Halophyten aufgebaut, darunter Glaux maritima Salz-Kriechrasen (Ononido spinosae-Caricetum und Samolus valerandi. distantis (R. Tx. 1955) Pott 1995)) Auf leicht erhöhten, wechselfeuchten Standorten Salzbinsen-Gesellschaft (Juncetum gerardii oder über abgelassenen Kalkmudden eine arten- Nordh. 1923) reiche und mitunter bunte Gesellschaft mit weitem Bestimmende Gesellschaft der brandenburgischen Spektrum der Nährstoffversorgung. Stark rückläu- Salzstellen und je nach Nährstoffversorgung mit fig und durch Entwässerungen sowie Umbrüche sehr unterschiedlicher Artenzusammensetzung. In stark betroffen. Im Artenbestand neben Carex der Ausdehnung und im Erhaltungszustand eben- distans, Lotus tenuis und Carex cuprina häufig Tri- falls stark eingeschränkt, aber noch großflächige folium fragiferum, nur noch sehr selten Ononis Vorkommen mit hervorragendem Artenbestand. Im spinosa und Orchis palustris.

137 Große Flächen auf sehr nassen oder von zeitwei- cken hat Bolboschoenus maritimus neben Teich- liger Staunässe geprägten Böden werden von ufern und feuchtem Grünland staunasse Äcker als Brackwasser-Röhrichten besiedelt. Je nach Domi- kaum beherrschbares Unkraut erobert und in ande- nanz der beiden wichtigsten Arten werden sie dem ren Teilen des Landes kann sie sich unter einer mä- Strandsimsen-Röhricht (Bolboschoenetum mariti- ßig intensiven Grünlandnutzung gut behaupten. mi van Langend. 1931) oder dem nicht immer als Als Gesellschaften, die innerhalb wie außerhalb der eigenständige Assoziation akzeptierten Salzteich- Salzstellen-Komplexe regelmäßig salzholde und simsen-Röhricht (Scirpetum tabernaemontani Soó salztolerante Pflanzenarten beherbergen, sind be- (1927) 1947) zugeordnet. Beide namensgebende stimmte Ausbildungen der durch Rohrschwingel Arten sind in den betreffenden Niederungsland- (Festuca arundinacea), Erdbeerklee (Trifolium fragi- schaften weit verbreitet und in der Verlandungs- ferum) oder Platthalm-Binse (Juncus compressus) vegetation wird Schoenoplectus lacustris zum Bei- gekennzeichneten Flut- und Trittrasen für den Na- spiel in der Nuthe-Notte-Niederung weitgehend turschutz bedeutsam und schutzwürdig (Potentil- durch S. tabernaemontani ersetzt. Im Luckauer Be- lo-Festucetum arundinaceae Nordh. 1940, Junco

Abb. 4: Lage der Projektteilgebiete des EU-LIFE-Projektes „Sicherung und Entwicklung der Binnensalzstellen Bran- denburgs“

138 compressi-Trifolietum repentis Eggl. 1933). Cha- 4. Verbreitung und Bestandsentwicklung rakteristisch für die meisten Salzstellenkomplexe der Salzpflanzen-Arten ist eine enge Verzahnung mit streuwiesenartigen Beständen der Pfeifengraswiesen und mit Klein- Tabelle 1 zeigt eine Auswahl der in Brandenburg seggenrieden sowie Kalkniedermoor-Gesellschaf- nachgewiesenen Halophyten und weiterer salz- ten. Entlang der Mittleren Havel und in deren weite- holder bis salzertragender Pflanzenarten. Tabelle 2 ren Umfeld sorgen die auf tonreichen Standorten zeigt die Entwicklung einiger weniger Arten über hinzutretenden Arten der Auenwiesen für eine noch längere Zeitspannen. Das Havelländische Luch, die weiter gehende Vielfalt. Eingehende Untersuchun- im 19. Jahrhundert nach Fläche und Intensität am gen zur versalzungsbedingten Gliederung dieser stärksten vom Salzaufstieg geprägte Landschaft Gesellschaften stehen bislang aus und könnten Brandenburgs, hat durch die frühen und tief grei- wichtige Bewertungsgrundlagen für den Biotop- fenden Entwässerungen die stärksten Einbußen in schutz und für artbezogene Erhaltungskonzepte seiner Salzflora erlitten. Die in großen Flächen auf- liefern. gezehrte Torfauflage eröffnet nur geringe Aussich-

Salzflorengebiete Ucker- Havellän- Mittlere Nuthe- Dahme- Luckauer mark disches Havel Notte- Seen- Becken Luch Niede- gebiet rung Arten Halophyten Salicornia europaea 0 Spergularia salina 000110 Aster tripolium 0311 Triglochin maritimum 2 1 oo oo oo 0 Plantago maritima 0 Puccinellia distans oo 3 oo oo 3 3 Glaux maritima 02211 Juncus gerardii 2 1 oo oo 3 1 Atriplex hastata oo oo oo oo oo oo Blysmus rufus 0 Carex distans 213222 Centaurium littorale 2221 0 Eleocharis uniglumis oo oo oo oo oo oo Salzholde u. Salztolerante Agrostis stolonifera oo oo oo oo oo oo Apium graveolens 1 011 Samolus valerandi 22332 Juncus ranarius ?????? Trifolium fragiferum oo3 oooooo3 Lotus tenuis 223322 Orchis palustris 212210 Bupleurum tenuissimum 0 Schoenoplectus oo oo oo oo oo oo Tab. 1: tabernaemontani Salzpflanzen-Arten Taraxacum palustre agg. 2(1) 0? 2(1) 2(1) 1 2(0) an den brandenbur- gischen Binnensalz- Althaea officinalis 00r r00 stellen (Auswahl). Carex disticha oo oo oo oo oo oo Ein aktuelles Vorkom- Bolboschoenus oo oo oo oo oo oo men im jeweiligen maritimus Versalzungsgebiet ist Sagina nodosa farblich unterlegt. Centaurium pulchellum In bestimmten Vergesellschaftungen möglicherweise Die Angabe der regio- Blysmus compressus einen Salzeinfluss anzeigend, insbesondere nalen Gefährdung Teucrium scordium auf sandigen oder nur flach moorigen Standorten. beruht auf überschlä- Hippuris vulgaris giger Einschätzung Gentianella uliginosa des Autors. Rückzug auf Regionen mit verbreitetem Salzeinfluss Serratula tinctoria Der Salz-Zeigerwert ohne Bindung an eigentliche Salzstellen. der Arten verringert Apium repens sich mit abnehmen- dem Blauton. 0 - erloschen / 1...3 gefährdet / oo - ungefährdet / - aspektbildendes Vorkommen

139 ten auf eine teilweise Regeneration ehemaliger dung gebrachter Arten oder Gesellschaften detail- Salzstellen. Dem gegenüber stellen sich die Ver- liert zu prüfen. So sind anhand der hochwertigen hältnisse in anderen Teilen des Landes besser dar. Halophyten keine Hinweise für Salzwasseraustritte Dennoch darf der Erhalt des kompletten Arten- auf sandigem Untergrund zu erhalten. Die geringe spektrums in der Nuthe-Notte-Niederung und an- Kapillarität, die gegenüber Torfen und Tonböden nähernd auch im Dahme-Seengebiet oder im Raum veränderten Sorptionseigenschaften der Böden der Mittleren Havel nicht darüber hinweg täuschen, und die schnelle Ausdünnung durch Niederschläge dass bei den Halophyten im engeren Sinne jeweils lassen keine höheren Salzkonzentrationen zu. Die nur noch minimale Restbestände erhalten geblie- Kenntnis eventueller Soleaustritte ist aber auch an ben sind. solchen Stellen aus geowissenschaftlicher Sicht und für die Trinkwassersicherung bedeutsam und Vorkommen historisch um 1960 aktuell bestimmte Artenzusammensetzungen, aber auch Ehemals häufige und charakteristische Arten der innerartlich differierende Standortbindungen könn- Salzstellen mit extremem Rückgang ten wichtige Hinweise geben. Aster tripolium 17 10 3 Spergularia salina 21 10 3 Glaux maritima 27 12 7 5. Erforschung und Schutz der branden- Arten, die auch historisch nur selten belegt wurden burgischen Binnensalzstellen Apium graveolens 11 2 3 Die ersten Salzstellen-Verzeichnisse stammen aus Plantago maritima 100dem 18. Jahrhundert und waren geologisch, wirt- Salicornia europaea 1 00schaftlich oder allgemein landeskundlich motiviert, Tab. 2: Änderungen in der Häufigkeit ausgewählter Ha- doch schon in diesem Stadium wesentlich auf lophyten Nachweise der wichtigsten Halophyten gestützt. Ab dem 19. Jahrhundert finden wir Arbeiten, die Vor dem Hintergrund des möglicherweise weit rei- vorrangig auf die botanischen Aspekte ausgerich- chenden und differenzierten Salzeinflusses in sehr tet sind, mit ASCHERSON (1859) eine erste vollständi- verschiedenen Substraten rücken neben den strik- ge Übersicht der bis dahin bekannt gewordenen ten Halophyten Arten ins Blickfeld, die bei sehr ge- Salzstellen Brandenburgs. Die letzte zusammen- ringen oder fehlenden Salz-Zeigerwerten dennoch fassende Bearbeitung von MÜLLER-STOLL und GÖTZ eine auffällige Bindung an die von salzhaltigen (1962) ist in ihren Grundzügen bis heute gültig und Bodenwässern beeinflussten Regionen zeigen. Für wurde durch die spätere Veröffentlichung der den praktischen Naturschutz werden sie dann be- Vegetationstabellen und Vegetationskarten kom- deutsam, wenn es sich um Sippen mit vorwiegend plettiert (MÜLLER-STOLL und GÖTZ (1987, 1993)). Seit- mitteleuropäischer Verbreitung oder gar um regio- dem wurden weitere Salzstellen gefunden, die das nale Endemiten handelt. Dazu gehören der Sumpf- damalige Bild verfeinern und ergänzen, den Rah- Enzian (Gentianella uliginosa) und die verschiede- men der großen Versalzungsgebiete und deren nen Sumpf-Löwenzähne (Taraxacum-palustre-Ag- Artenbestand aber bestätigen. gregat), von denen Taraxacum geminidentatum als Bemühungen zum Schutz der Salzflora setzen er- auf Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern staunlich spät ein und verkennen nicht selten die beschränkte Sippe besonders hervorzuheben ist. enge Bindung an eine landwirtschaftliche Nutzung Das in seinem gesamten Areal immer nur selten der Flächen. Die mehr berühmte als bedeutende auftretende Sumpf-Knabenkraut (Orchis palustris) Salzstelle am Mellensee bei Zossen, 1936 auf sehr zeigt eine eindeutige Konzentration auf die nähr- kleiner Fläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen, stoffärmeren Standortkomplexe der Salzstellen ist als eine der ersten in der nach Auflassung auf- und ihrer Randlagen. Hier besitzt sie heute noch schießenden Gehölzsukzession versunken (SUKOPP individuenreiche und manchmal ausgedehnte 1959). Andererseits widerspiegelt die Literatur aus Populationen, die unter konsequent betriebenen den Fünfziger und Sechziger Jahren des 20. Jahr- Pflegemaßnahmen eine bemerkenswerte Dynamik hunderts eindrucksvoll den gravierenden Wandel entfalten können. D. Benkert (mdl.) verweist darauf, durch die anlaufende Intensivierung der landwirt- dass sich auch die Färberscharte (Serratula tinc- schaftlichen Nutzung. Bis dahin war noch keine der toria) zunehmend auf Räume mit gehäuftem Auf- eigentlich bedeutenden Binnensalzstellen mit ei- treten salztoleranter Pflanzenarten zurück zu zie- nem wirksamen Schutzgebietsstatus versehen. Die hen scheint. Wesentliche Teile ihres Arealzentrums Marstallwiesen bei Storkow wurden erst 1967 unter liegen in Deutschland und es ist wichtig zu wissen, Schutz gestellt, was sie nicht vor späteren Umbrü- ob der regionale Fortbestand der Art maßgeblich chen bewahrte und 1974 zur ersatzweisen Siche- an versalzungsbedingte Standorteigenschaften ge- rung der benachbarten Luchwiesen bei Philadel- knüpft ist. phia führte. Typisch für die Schutzgebietsentwick- Für geowissenschaftliche Fragestellungen kann es lung der Siebziger und Achtziger Jahre ist, dass von Bedeutung sein, den Zeigerwert weiterer, nur gerade einmal die Ränder großer Salzstellen- nachrangig mit dem Standortfaktor Salz in Verbin- komplexe vom Schutzstatus für ornithologisch

140 wertvolle Feuchtgebiete profitieren, während die nutzung erforderlich. In den meisten Fällen wird Kernbereiche nicht gegen landwirtschaftliche Nut- eine über den aktuellen Zustand hinaus gehende zungsinteressen verteidigt werden konnten. Selbst Anhebung des gebietseigenen Grundwassers im der erhebliche Flächenzuwachs der brandenburgi- Winter und Frühjahr die Entwicklung der Salzstellen schen Schutzgebietskulisse nach 1990 erfasst die begünstigen. Das kann die weitere landwirtschaftli- Salzstellen eher beiläufig. Der besondere Wert der che Nutzung erschweren oder bei fehlender Tech- Gebiete war bei weitem nicht nur den Botanikern nik unmöglich machen. Die Förderung technischer bewusst und der zähe Kampf zahlreicher Einzel- Möglichkeiten zur Nutzung sehr nasser Moorstand- personen und örtlicher Naturschutzgruppen um ih- orte muss demnach neben der Unterstützung ex- ren Erhalt kann heute nicht hoch genug geschätzt tensiver Beweidungsregime ein Schwerpunkt der werden. So bildeten die Salzstellen einen nicht un- behördlichen Maßnahmen sein. Ein weiterer, oft nur erheblichen Anteil der ab 1980 in der DDR zahlreich mit sehr flächenscharfen und kleinteiligen Maßnah- ausgewiesenen Flächennaturdenkmale, die nach men zu bewältigender Handlungsschwerpunkt ist der landwirtschaftspolitisch motivierten Blockade die Sicherung derjenigen Pflanzenarten, die bei neuer Naturschutzgebiete als praktikable Kleinst- sehr begrenztem, mitteleuropäischem Areal eine schutzgebiete zum Einsatz kamen. Zahlreiche be- regionale Bindung an salzbeeinflusste Lebens- sonders artenreiche Flächen werden seit langem in räume zeigen. mühevoller Arbeit mit Landschaftspflegemaßnah- Erhebliches Entwicklungspotenzial bieten Flächen, men erhalten. Immerhin sind heute alle wichtigen die durch die Sukzession ihren Salzstellen-Charak- brandenburgischen Ausbildungen des Lebens- ter verloren haben. Bei meist geringer hydrologi- raumtyps Bestandteil des europäischen Netzes der scher Beeinträchtigung und bislang unterbliebener FFH-Gebiete, so dass eine gute Grundlage für Nutzungsintensivierung sind die standörtlichen wirksame Schutzmaßnahmen und für den gezielten Voraussetzungen für die Ausbildung nutzungs- Mitteleinsatz gelegt ist. abhängiger Salzpflanzen-Gesellschaften erhalten Künftiger Untersuchungsbedarf richtet sich vor geblieben. Es bedarf aber erheblicher Anstren- allem auf die Wirkung von Nutzungsweisen und gungen zur Wiederherstellung grünlandartiger Be- Pflegemaßnahmen auf die Salzpflanzen-Gesell- stände, deren anschließende Nutzung die natür- schaften und auf bestimmte Zielarten. Von beson- liche Standortqualität nicht durch intensive Nut- derem Interesse ist die Klärung der standörtlichen, zungsweisen überprägen darf. Damit wird es ge- speziell der hydrologischen Dynamik der Binnen- lingen, die Vielfalt an Lebensraumstrukturen in salzstellen und der damit zusammenhängenden den betroffenen Landschaften aufzuwerten und Möglichkeiten zur Regeneration meliorativ geschä- vordergründig entstehende Verluste, wie etwa an digter oder zerstörter Flächen. Die meist irreversib- Brutplätzen der röhrichtbewohnenden Vogelarten, le Schädigung der Moorböden bereitet in dieser durch neu gewonnene Habitatqualitäten auszu- Beziehung besondere Probleme. Für einzelne, be- gleichen. sonders bedrohte oder uns eine besondere Das im August 2005 begonnene LIFE-Projekt zur Erhaltungsverantwortung auferlegende Arten sind „Sicherung und Entwicklung der Binnensalzstellen artspezifische Erhaltungskonzepte erforderlich. Brandenburgs“ wird über einen Zeitraum von mehr Populationsdynamische und -genetische Grundla- als vier Jahren die Entwicklung, manchmal auch die gen sind darin ebenso von Interesse wie praktische Wiedergewinnung der oft schwer geschädigten Fragen der zweckmäßigen Pflege oder Nutzung der Salzstellen vorantreiben und damit die Basis für besiedelten Standorte. Im Hinblick auf die unzurei- langfristige Sicherungsmaßnahmen im Rahmen der chend geklärte Reichweite und Intensität von Ver- Agrarumweltprogramme oder regional und lokal salzungen in den brandenburgischen Niederungs- umzusetzender Pflegemaßnahmen schaffen. Die landschaften sind geohydrologische und geobota- sich auf etwa 800 Hektar erstreckenden Maßnah- nische Untersuchungen zum vegetationswirksa- men verteilen sich auf fünf der sechs großen men Salzeinfluss und zu deren Bedeutung für die Versalzungsgebiete (Abb. 4). Im Mittelpunkt stehen Tier- und Pflanzenwelt außerhalb der eigentlichen der Rückbau lokaler Binnenentwässerungssys- Binnensalzstellen wünschenswert. Es gibt eine Rei- teme, die Anpassung von Stauhaltungen, die Rück- he von Nachweisen halobionter bis halophiler Wir- führung von Gehölzsukzessionen und Hochstau- bellosen-Arten, doch fehlen sowohl eine zusam- denfluren in bewirtschaftbares Grünland, die Anla- menfassende Übersicht über das vorhandene Ma- ge dauerhafter Koppelzaunsysteme sowie die loka- terial wie auch eine Feststellung der wichtigsten le Neuschaffung von Kleingewässern und flach- Defizite. gründigen Oberbodenabträgen. Vorbereitende und Eine angepasste landwirtschaftliche Nutzung ver- begleitende Maßnahmen, wie die Management- bliebener Salzstellen unter Gewährleistung der na- planung für Flächen mit besonderen, komplexen türlichen Vernässung ihrer Standorte ist vorrangi- Entwicklungsanforderungen, ein vorbereitendes ges Ziel der praktischen Schutzbemühungen. Da- und begleitendes Monitoring oder die öffentlich- bei ist eine extensive Beweidung, auf nährstoff- keitswirksame Darstellung der Salzstellen und ihres armen und flachgründig kalkunterlagerten Standor- Schutzes sind ebenfalls in erheblichem Umfang ten, aber in der Regel eine streuwiesenartige Mäh- vorgesehen.

141 6. Zusammenfassung 7. Literatur

Die brandenburgischen Binnensalzstellen verdan- ASCHERSON, P. (1859): Die Salzstellen der Mark Branden- ken ihre Entstehung tiefliegenden Salzlagern, deren burg, in ihrer Flora nachgewiesen. – Z. dt. geol. Ges. gelöste Salze auf verschiedene Weise in eiszeitlich 11: 90–100 angelegte Grundwasserleiter und in das oberflä- BENKERT, D., FUKAREK, F., KORSCH, H. (1996): Verbreitungs- chennahe Grundwasser eindringen können. Ge- atlas der Farn- und Blütenpflanzen Ostdeutschlands. genüber den Küsten und dem mitteldeutschen Tro- – 1. Aufl., 615 S., Jena: G. Fischer ckengebiet sind Vegetation und Artenbestand der ELLENBERG, H., WEBER, H. E., DÜLL, R., WIRTH, V., WERNER, Salzaustritte deutlich verarmt. Einige Arten mit be- W., PAULISSEN, D. (1992): Zeigerwerte von Pflanzen in grenzter mitteleuropäischer Verbreitung oder global Mitteleuropa. – Scripta Geobotanica 18: 258 S. gefährdete Arten, die eine Bindung an schwach HANNEMANN, M. U. W. SCHIRRMEISTER (1998): Paläohydrogeo- salzbeeinflusste Standorte haben, unterstreichen logische Grundlagen der Entwicklung der Süß-/ die besondere Bedeutung der Standorte für den Salzwassergrenze und der Salzwasseraustritte in Erhalt der biologischen Vielfalt in Mitteleuropa. Brandenburg. – Brandenburgische Geowiss. Beitr. 5 Schutz und Entwicklung der Binnensalzstellen wer- (2): 61–72 den durch die Einbeziehung in das europäische LGRB (1997): Geologische Übersichtskarte des Landes Schutzgebietsnetz NATURA 2000 und ein daran Brandenburg 1:300.000. – 1. Aufl., Faltkarte, Pots- anschließendes LIFE-Projekt eine erhebliche Stär- dam: Landesamt für Geowiss. u. Rohstoffe Branden- kung erfahren. burg

MÜLLER-STOLL, W. R., GÖTZ, H. G. (1962): Die märkischen Salzstellen und ihre Salzflora in Vergangenheit und Gegenwart. – Wiss. Z. Päd. Hochsch. Potsdam, Math.-Naturw. R. 7 (1/2): 243–296

MÜLLER-STOLL, W. R., GÖTZ, H. G. (1987): Pflanzengesell- schaften der Salzsümpfe und halophilen Moorwiesen in Brandenburg. – Limnologica 18 81: 183–224

MÜLLER-STOLL, W. R., GÖTZ, H. G. (1993): Vegetations- karten von Salzstellen Brandenburgs. – Verh. Bot. Ver. Berlin Brandenburg 126: 5–24

SUKOPP, H. (1959): Die Salzstelle am Mellensee. – Heimat- kalender für den Kreis Zossen 2: 160–168

142 Die Binnensalzstellen in Lothringen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz

Dr. Andreas Bettinger Landesamt für Umweltschutz, Zentrum für Biodokumentation des Saarlandes, Landesweiler-Reden

Synopsis Relevant ist für diese Betrachtung lediglich das The subjects of the publication are the continental Binnendeutsche Salzflorengebiet. Die deutschen salt marshes in Lorraine, in Saarland and in Rhein- Gebiete mit Vorkommen von Binnensalzstellen hat land-Pfalz. Following typical examples of salt sites bereits SCHULZ (1901) in die folgenden regionalen were described: the salt meadows near by Marsal Bezirke aufgeteilt: (Lorraine), the salt spring by Bietzen (Saarland) and • Saalebezirk, the salt site in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz). The vascular plants and the vegetation of the salt sites • westlicher und östlicher Weser-Ems-Bezirk, were presented. Furtherly the historical and often • Jeetze-Salzbezirk um Salzwedel, just disappeared vegetation was described. Finally was agreed to the development from the past two • Salzbezirk der Wetterau, centuries to today, to the risk of losing the salt sites • Rhein-Nahebezirk. and to the possibilities of their protection. Die hier beschriebenen Binnensalzstellen (Lothrin- Stichwörter: gen, Saarland, Rheinland-Pfalz) sind dem Rhein- Binnensalzstellen, Lothringen, Saarland, Rhein- Nahe-Bezirk zuzuordnen. land-Pfalz, Flora, Vegetation, Erhaltungszustand Die Lage der beschriebenen Salzstellen geht aus der Übersichtskarte (Abb. 1) hervor: 1. Einleitung Binnensalzstellen können überall dort vorkommen, wo die entsprechenden petrografischen und tekto- nischen Voraussetzungen gegeben sind. Das ist im Wesentlichen das Vorhandensein tertiä- rer tektonischer Bewegungen (Sattelbildungen, Verwerfungen, Faltungen) in der Erdkruste im Zu- sammenspiel mit mesozoischen und salzreichen Sedimenten. Salzstellen entstehen demnach dort, wo Verwerfungen und andere tektonische Störun- gen das Gestein im Untergrund durchschnitten ha- ben. An solchen Bruchflächen kann das unter Druck stehende Tiefenwasser aufsteigen („artesi- scher Brunnen“). Das Tiefenwasser hat vorher salzhaltige Gesteinsschichten ausgelaugt und bringt somit Salzwasser an die Erdoberfläche. WENDELBERGER (1950) hat die europäischen Salz- stellen (inkl. Meeresküsten) wie folgt eingeordnet und beschrieben:

• Mediterranes Küstengebiet, • Atlantisches Küstengebiet einschließlich Ostsee, • Binnendeutsches Salzflorengebiet mit den polni- schen Salzfluren, • Pannonischer Raum einschließlich Siebenbür- gen, Abb. 1: Salzstellen in Lothringen, Rheinland-Pfalz und im Saarland: • das Rumänische Salzflorengebiet. 1 Château-Salins; 2 Bietzen; 3 Bad Dürkheim

143 Abb. 2: Ehemalige Salzwiesen im Seille-Tal, heute landwirtschaftliche Nutzflächen

2. Standörtlich-floristische Charakterisie- lothringischen Salzstellen durchgeführt. Das Pro- rung der Salzstellen jekt lief etwas mehr als vier Jahre zwischen 1992 und 1996. Ziel des Projektes waren die Erfassung 2.1 Salzstellen in Lothringen und naturschutzfachliche Bewertung der Salz- stellen sowie die Erstellung und Umsetzung eines Die lothringischen Binnensalzstellen finden sich Erhaltungs- und Entwicklungskonzeptes. Die Er- schwerpunktmäßig im Bachauesystem der Seille in gebnisse des Projektes sind im Internetportal von einem Dreieck zwischen den Orten Château-Salins, life-nature nachzulesen. Dieuze und Lezey. Dort deuten die Namen vieler Flora und Vegetation der lothringischen Binnen- Orte auf die frühere wirtschaftliche Nutzung des salzstellen sind bereits in den 1960er-Jahren von Salzes in diesem Gebiet hin. Kleinere Salzstellen DUVIGNEAUD (1967) ausführlich beschrieben und do- kamen früher auch an einem südwestlich von Metz kumentiert worden. Wer sich näher darüber infor- gelegenen Aueabschnitt der französischen Nied mieren will, sollte sich dieser umfassenden Publika- vor. Die genannten Salzstellen liegen im direkten tion annehmen. Übergangsbereich zwischen den geologischen An dieser Stelle soll nur beispielhaft auf eine noch Formationen Muschelkalk und Keuper. Die Salz- recht gut erhaltene Salzstelle bei Marsal (südöstlich wässer stammen somit vorwiegend aus Keuper-, von Château-Salins) eingegangen werden. Das Ge- aber auch aus Muschelkalk-Sedimenten. biet um die Ortschaft ist gleichzeitig gut für den Früher gab es im Aubereich der Seille zahlreiche naturkundlich Interessierten erschlossen worden. Solquellen, die von salzhaltigem Grundwasser ge- In Marsal gibt es auch ein Museum, das die histori- speist wurden. An vielen Stellen der Seille-Bachaue sche Salzgewinnung didaktisch recht gut aufberei- traten obligate und fakultative Salzpflanzen auf. tet, darstellt und dokumentiert. Allerdings wurden diese Auenstandorte bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts melioriert und einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Die Absenkung des Grundwasserspiegels hatte zur Folge, dass der Oberboden nicht mehr mit salzhaltigem Wasser durchfeuchtet wurde. Heute herrscht in den Aubereichen intensive Acker- und Grünlandnutzung vor (vgl. Abb. 2). Aus der anthropogenen Veränderung der Standorte folgte eine starke flächenmäßige Dezimierung der ehemaligen Salzstellen auf nur noch wenige gut ausgebildete Restvorkommen. Binnensalzstellen gehören gemäß der FFH-Richtli- nie (Anhang I) europaweit zu den prioritär zu schüt- zenden Lebensraumtypen und werden deshalb im Rahmen von EU-weiten Programmen schwer- punktmäßig berücksichtigt. So hat der Parc Naturel Regional de Lorraine als Trägerorganisation ein life- Abb. 3: Das Museum über die historische Salzgewin- nature-projekt zur Erhaltung und Förderung der nung in Marsal

144 Die Salzstelle in Marsal zeigt folgende typische Vegetations- zonierung (vgl. Abb. 4):

Zone 1 = Salicornia ramosissima Zone 2 = Puccinellia distans Zone 3 = Juncus gerardii Zone 4 = Hordeum secalinum Zone 5 = Phragmites australis Zone 6 = Althaea officinalis

Die folgenden Bilder zeigen die wichtigsten Pflanzenarten der Salzstelle: Abb. 4: Schautafel am Salzlehrpfad von Marsal

Abb. 5: Strand-Aster, Aster tripolium Abb. 7: Echter Eibisch, Althaea officinalis

Abb. 6: Ästiger Queller, Salicornia ramosissima Abb. 8: Bodden-Binse, Juncus gerardii

145 Abb. 9: Salzstellen im Saar- land und im lothringi- schen Rosseltal

2.2 Salzstellen im Saarland werden. Bei Odontites litoralis handelte es sich seinerzeit um das einzige Binnenlandvorkommen in Die Lage der ehemals im Saarland vorhandenen Deutschland und gleichzeitig um das einzige Vor- Salzquellen geht aus der folgenden Übersichtskar- kommen in Frankreich. te (Abb. 9) hervor. Für Plantago major ssp. winteri wird das Vorkom- Die Salzlaugen der saarländischen Salzquellen men in Emmersweiler als locus classicus bezeich- stammen aus den Sedimenten des Mittleren Mu- net. schelkalks sowie aus dem Unteren Karbon. Die bedeutsamste Salzquelle im Saarland lag ehe- Die beiden folgenden Abbildungen 10 und 11 zei- mals bei Emmersweiler im Rosseltal nahe der fran- gen die beiden Arten als Original-Herbar-Belege zösischen Grenze. Sie wies fast 5.000 m2 Quellen- aus dem Bonner Herbarium. versalzung auf. Ab den 30er-Jahren wurden die Flächen melioriert (GW-Absenkung) und landwirt- schaftlich genutzt (intensive Beweidung). Die Salz- pflanzen sind rasch verschwunden. Bereits ab den 50er-Jahren gab es in Emmersweiler keine Halo- phyten mehr! Auch die weniger bedeutsamen Salzstellen sind mittlerweile in Folge von Melioration oder Über- bauung fast alle verschwunden. Übrig geblieben ist alleine die Salzstelle bei Bietzen nahe der Kreis- stadt Merzig im West-Saarland. Bevor auf die aktuelle Vegetation der Bietzener Salzstelle eingegangen wird, soll zumindest ein kleiner Eindruck der hervorragenden Flora der ehe- maligen Salzstelle von Emmersweiler vermittelt werden. Folgende Arten kamen dort vor: Spergularia salina, Triglochin maritimum, Aster tripolium, Juncus ge- rardii, Puccinellia distans, Samolus valerandi, Trifoli- um fragiferum, Lotus tenuis, Schoenoplectus taber- naemontan, Bolboschoenus maritimus, Blysmus compressus, Alopecurus rendlei, Salicornia ramo- sissima, Odontites litoralis und Plantago major ssp. winteri. Salicornia ramosissima wurde nicht direkt in Em- mersweiler, sondern in dem direkt benachbarten Gebiet bei Cocheren nachgewiesen. Cocheren liegt bereits in Frankreich. Als floristische Besonderheiten können Odontites litoralis und Plantago major ssp. winteri genannt Abb. 10: Salz-Zahntrost, Odontites litoralis

146 Die ursprüngliche Quelle der einzig noch verbliebe- 2.3 Salzstellen in Rheinland-Pfalz nen Salzstelle in Bietzen war ab dem 14. Jahrhun- Salzstellen kommen in Rheinland-Pfalz vor allem in dert als Heilquelle eingetragen. Die Salzgehalte wa- Bad Kreuznach und Bad Dürkheim vor. Mit die inte- ren von jeher gering, weshalb dort keine obligaten ressantesten waren die Salzstellen in Bad Dürk- Halophyten vorkamen. Nach Abschluss des Saar- heim. Sie wurden von LANG (1973) ausführlich be- ausbaues wurden die Flächen dieser ursprüngli- schrieben Auch hier wird ausschließlich auf die chen Quellenversalzung Anfang der 80er-Jahre mit Salzvegetation in Bad Dürkheim eingegangen. Die Erdmaterialien überschüttet. Danach wurde eine Dürkheimer Solquellen befinden sich auf Schutt- wenig südlicher gelegene Bohrung aus den 60er- fächern des Flüsschens Isenach direkt im Stadt- Jahren reaktiviert. Diese ist heute wieder als Heil- bereich von Bad Dürkheim. Die Quellen liegen in quelle anerkannt. der Übergangszone zwischen Haardt und Rhein- ebene, also am Rand des Rheintalgrabens. Das Aktuelle Artenliste an der Salzstelle von Bietzen: salzhaltige Tiefenwasser stammt aus den Sedi- Atriplex prostrata, Puccinellia distans, Pulicaria dy- menten des Tertiärs. Eine Tiefenbohrung von mehr senterica, Plantago major ssp. intermedia, Juncus als 350 m reicht bis in die Sedimente des Zech- compressus, Centaurium pulchellum, Schoeno- steins (Perm) hinein. plectus tabernaemontani, Trifolium fragiferum, Cy- Die Dürkheimer Solquellen sind seit dem 12. Jahr- perus fuscus hundert bekannt und wurden lange zur Salz- Die Salzstelle von Bietzen wird jedes Jahr floristisch gewinnung genutzt. Ähnlich wie im Auesystem der untersucht. In den letzten Jahren wurden auch Seille in Lothringen wurde das Grundwasser in den Renaturierungsmaßnahmen wie Offenhaltung des Isenach-Auen ehemals durch Solquellen mit Salz- Bodens und flächiges Berieseln zur Förderung der wasser angereichert. Hier entwickelte sich folglich Salzflora durchgeführt. eine reichhaltige Salzflora. Allerdings erfuhren auch Außer der Salzquelle in Bietzen kommen im Saar- diese Flächen bereits Ende des 19. Jahrhunderts/ land wie in anderen Regionen spontane sekundäre Anfang des 20. Jahrhunderts umfangreiche Melio- Salzstellen an Straßenrändern und am Fuß von Ab- rationsmaßnahmen. Darüber hinaus wurde im Zuge raum- bzw. Kohlehalden vor. Darauf wird in diesem der Stadtentwicklung ein weiterer Anteil überbaut. Beitrag nicht näher eingegangen. Heute gibt es nur noch Reste einer Salzflora direkt Flora und Vegetation der Saarländischen Salz- im Bereich der Saline. stellen wird von Peter WOLFF in BETTINGER & WOLFF (2002) ausführlich beschrieben.

Atriplex hastata, Polygonum aviculare, Plantago major, Puccinillia distans Lolium perenne, Trifolium repens

Puccinellia distans Spergularia marina

Abb. 12: Vegetationszonierung an der Saline in Bad Dürk- heim

LANG (1973) hat in seiner Publikation auch die histo- rische Ausstattung der Salzflora im Isenachaue- gebiet recherchiert. Folgende Arten kamen vor: Althaea officinalis, Apium graveolens, Atriplex lati- folia (=prostrata), Glaux maritima, Juncus gerardii, Lotus tenuis, Plantago maritima, Puccinellia dis- tans, Samolus valerandi, Schoenoplectus tabernae- montani, Spergularia marina (=salina), Triglochin maritimum. Dagegen ist die noch verbliebene aktuelle Arten- ausstattung an der Saline eher bescheiden: Atriplex prostrata, Puccinellia distans, Spergularia salina, Spergularia media, Apium graveolens. Es ist interessant zu erwähnen, dass Apium graveolens erst in neuerer Zeit wieder entdeckt Abb. 11:Salzwiesen-Wegerich, Plantago major ssp. wurde. Spergularia media wurde im Jahre 2000 winteri sogar neu für das Gesamtgebiet nachgewiesen.

147 3. Zusammenfassung 4. Literatur

Die Salzstellen in Lothringen, im Saarland und in DUVIGNEAUD, J. (1967): Flore et Végétation halophiles de la Rheinland-Pfalz hatten ihren „floristischen Höhe- Lorraine Orientale (Dép. Moselle, ). – In: punkt“ allesamt in der ersten Hälfte des 19. Jahr- Mémoires de la Société Royale de Belgique 3, 122 S., hunderts. Sie sind ab Ende des 19. Jahrhunderts Bruxelles bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch Meliorations- LANG, W. (1973): Die Salzflora von Bad Dürkheim. – Mitt. maßnahmen oder durch Überbauen großteils zer- Pollichia III, R. 20: 87–98, Bad Dürkheim stört worden. Im Saarland und in Rheinland-Pfalz WENDELBERGER, G. (1950): Zur Soziologie der kontinentalen sind die ehemals reichhaltigen Bestände komplett Halophytenvegetation Mitteleuropas unter besonde- verschwunden; es verblieben nur noch wenige rer Berücksichtigung der Salzpflanzengesellschaften artenarme Reliktvorkommen. In Lothringen ist die am Neusiedler See. – Österr. Akad. Wiss. Math.-nat. Gesamtfläche erheblich dezimiert worden; aller- Kl., Denkschr., 108 (5): 1–180, Wien dings sind kleinflächige Bestände mit noch typi- WISSKIRCHEN, R. & H. HAEUPLER [Hrsg.] (1998): Standardliste scher Flora erhalten geblieben. der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands. – 765 S., Stuttgart

WOLFF, P. (2002): Die Salzvegetation und die Salzquellen des Saarlandes – In: BETTINGER, A. & P. WOLFF [Hrsg.]: Vegetation des Saarlandes und seiner Randgebiete – Teil 1, S. 151–171, Saarbrücken (Ministerium für Um- welt Saarbrücken)

148 Visionen für die Entwicklung des Esperstedter Rieds

Edgar Reisinger Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, Jena

Synopsis schloss sich die Thüringer Naturschutzverwaltung The publication describes the situation of one of ein groß angelegtes Schutzprogramm, finanziert the most outstanding salt marshes in Thuringia in durch die EU, speziell zur Bestandssicherung die- the year 2014. In an optimistic outlook into the ser Binnensalzpflanzen zu initiieren. Die Antragstel- future the success of an old approved but in our ler wandten sich an die EU und waren erfolgreich im days new developed concept of large-scale, low- Einwerben von Fördermitteln für ein bis ins Detail intensity pastoral systems were portrayed. The ausgearbeitetes Schutzprogramm das diese Pflan- concept of all year grasing by cattles and horses zenarten des großen Rieds im Mittelpunkt stellt. with a stockingrate of 0.5 animals per hectare is not Kernpunkt aller Maßnahmen war die Integration der only successful to enrich the flora and fauna, but Landwirte in eine Form der Bewirtschaftung des also create attractive landscape for tourists. The Grünlandes, das diese hochbedrohten Salzpflan- success of the vision depends largely on decision zen förderte. Als erfolgreich erwies es sich, große by the Common Agricultural Policy of the European Teile des einstigen Überschwemmungsgebietes Union due to subsidiaries for farmers to protect entlang der Unstrut – wie schon früher üblich – biodiversity. As a result of this development the re- durch Rinder beweiden zu lassen. Unterstützung gional conservation concept in the salt marshes of erhielten die Hornträger durch robuste Pferderas- Esperstedt could become a model for farming in sen, die den Rindern in Bezug auf Widerstandskraft flood plains. gegenüber Witterungsunbilden und Genügsamkeit in der Futterwahl in nichts nachstanden. Eine Kom- bination von Weidetieren von der seit langem be- Stichwörter: kannt ist, dass sie sich zur Pflege des Grünlandes Binnensalzstellen, Thüringen, Nutzungskonzept, ideal ergänzen. Heute bilden die großen Tierherden Naturschutzerfolge, Vision, Landschaftsästhetik, von Rindern und Pferden einen Anziehungspunkt in Tourismus, Revitalisierung von Feuchtgebieten der Landschaft zu allen Jahreszeiten.

1. Einleitung 3. Vom Wirtschaftsgrünland zur Augen- Versetzen wir uns in das Jahr 2014 und versu- weide chen uns das Esperstedter Ried vorzustellen als Vom nahen Parkplatz am Rande des Rieds erreicht Ausflugsziel, dass faszinierende Naturbeobach- der Besucher Aussichtstürme, von denen aus er tung wie den Anblick großer Vogelschwärme und die gesamte 1000 Hektar große Weidelandschaft Herden großer Tiere in der Landschaft ermöglicht. überblicken kann. Die mit Mitteln des Naturschut- In der Ornithologenszene ist das Feuchtgebiet zes geschickt platzierten Türme vermitteln den mittlerweile von der Liste der Geheimtipps in zahlreichen Besuchern einen wohltuenden Kon- die Kategorie der Vogelbeobachtungspunkte mit trast zu der durch intensiven Ackerbau gleichförmig Erlebnisgarantie aufgestiegen. Das dieser kleine wirkenden Landschaft des Thüringer Beckens. In Ort am Rande des Thüringer Beckens einen weit der Vegetationszeit erinnert die Weidefläche an über die Grenzen Thüringens hinaus reichen- eine Urlaubslandschaft Süd- oder Süd-Ost-Euro- den Bekanntheitsgrad errungen hat, lässt es inter- pas. Das Bild der Pflanzendecke wird zur Vegeta- essant erscheinen, auf die Entstehung dieses tionszeit nicht nur durch Grünvarianten verschiede- Natureldorados aus Menschenhand zurück zu bli- ner Grasarten bestimmt, sondern gerade die Salz- cken. vegetation steuert reizvolle braune bis rote Farbtö- ne mit allen Übergängen bei. Das unregelmäßige Muster mit streifen- und punktförmigen Konturen 2. Das Pflegekonzept der Salzvegetation im Ried wird durch die teils jah- Anlass und Ausgang für diese erfreuliche Entwick- reszeitlich wechselnden Quellaustritte salzhaltigen lung war der Schutz von unscheinbaren Pflanzen, Wassers bestimmt, das die Wuchsbedingungen für die auf die Existenz von Salz im Boden angewiesen diese schützenswerten Pflanzenarten erst ermög- sind. Am Anfang des letzten Jahrzehntes ent- licht. Die Unterschiede in Höhe und Struktur der

149 Grünlandvegetation insgesamt, mit fließenden gehalt einen Magneten für die Vogelwelt. Darunter Übergängen von fast rasenartig kurz gehalten Be- sind in der Zugzeit eine Vielzahl von Limikolenarten reichen bis zu Hochstauden, werden wiederum mit Seltenheitswert für Thüringen, die das Esper- durch den Rhythmus der Nahrungsaufnahme von stedter Ried als willkommenes Rastgebiet zur Er- den großen Pflanzenfressern bestimmt. Die Vielfalt gänzung der Energiereserven für den weiten Flug in der Ausformung der Vegetation erfreut aber nicht nutzen. nur das Auge der menschlichen Betrachter, son- Zur Zugzeit im Frühjahr und Herbst kann der dern ist zugleich Grundlage für den Reichtum des Besucher Hunderte von Kranichen, Gänsen und Feuchtgrünlandes an Lebewesen der Tier- und Reihern, darunter die herrlich weißen Silberreiher Pflanzenwelt. bewundern. Die großen Vögel fühlen sich an- scheinend geborgen inmitten der beeindrucken- den Weidetiere, die durch ihr wehrhaftes Aus- 4. Wasser und Salz als Lebensgrundlage sehen zudringliche Beobachter auf Distanz hal- Einen zusätzlichen Blickfang bilden die zahlrei- ten. chen Kleingewässer und Tümpel im Ried. Zur Auch zur Brutzeit hat sich durch die geschickte Verbesserung der Lebensbedingungen der Salz- Steuerung des Wasserregimes in Verbindung mit pflanzen wird periodisch Salzwasser in das Ried dem extensiven Weidemanagement eine reiche geleitet. Dieses stammt aus einer natürlichen Salz- Vogelwelt an Feuchtwiesenbrütern eingestellt. Er- quelle aus Bad Frankenhausen, das vor Beginn des folge stellten sich aber nicht nur bei der Vogelwelt Projektes in einem Graben um das Schutzgebiet ein. Die penibel geplanten Maßnahmen zum Schutz abgeleitet wurde. Heute kann bei Bedarf salz- und Erhalt der Binnensalzvegetation wurden be- haltiges Wasser in die Senke eingeleitet werden. lohnt durch einen Artenzuwachs in diesem Bereich, Vor allem im naturschutzfachlich wertvollsten Be- der in den Jahrzehnten davor von 42 nachgewiese- reich, im so genannten „Seehäuser Sack“ entstan- nen Salzpflanzenarten auf 35 abgesunken war. den so salzhaltige Tümpel und Feuchtflächen, von Heute kann erfolgreich bilanziert werden, dass denen gefährdete Salzpflanzen aber auch bedroh- auch die verschwundenen und verschollen ge- te Tiere profitieren. Durch die natürliche Ver- glaubten Arten wieder zur Flora des Esperstedter dunstung bilden die periodisch gestauten Gewäs- Riedes gehören. ser mit unterschiedlichem Wasserstand und Salz-

Abb. 1: Kraniche auf der Rast – ein Blickfang für Vogelbeobachter (Foto: Heiko Menz)

150 5. Integriertes Wassermanagement für Agrarförderung durch die Europäische Union. Wie Mensch und Natur schon am Beginn des Jahrhunderts beschlossen, erhielt ab dem Jahre 2013 jeder Landwirt unabhän- Die Manager des Esperstedter Riedes haben gig ob für Ackerland oder Grünland den gleichen mittlerweile eine Methode der Wassersteuerung für Betrag für seine genutzte Fläche als Grundprämie. die Weidewirtschaft entwickelt, die die berechtig- Es gelang dabei die Höhe der Grundprämie so zu ten Ansprüche der Landbewirtschafter mit natur- gestalten, das noch ausreichend Finanzmittel zur schutzfachlichen Zielen gut in Deckung bringen Verfügung standen, um den Landwirten attraktive lässt. Von November bis in die ersten Tage im April Förderprämien zur Vergütung von zusätzlichen werden große Teile des „Seehäuser Sackes“ unter ökologischen Leistungen anzubieten. Mit diesem Wasser gesetzt bzw. das natürliche Aufkommen an Hintergrund war es nicht schwer, die Bewirtschafter Niederschlagswasser nicht in die Unstrut durch zu überzeugen kleinere Flächen an höher gelege- Pumpen abgeleitet. Durch Bau und Erneuerung nen Standorten, die nicht im Winter überstaut wer- von Staueinrichtungen gelang es zwischen intensiv den, den Weidetieren als Rückzugsareale in Form und weniger intensiv landwirtschaftlich genutzten von umgewandelten Ackerland, zur Verfügung zu Bereichen des „Esperstedter Riedes“ getrennte stellen. Mechanismen zur Steuerung des Wasserregimes einzusetzen. Auf großen Teilen des „Seehäuser Sa- ckes“ waren die Landwirte einverstanden mit der 7. Vom Augenschmaus zum Rinderbraten Überstauung der Flächen in der vegetationsfreien Die geschäftstüchtigen Landwirte verstanden es, Zeit und die Weidetiere erhielten hochwasser- das Interesse der Besucher neben der attraktiven sichere Rückzugsareale am Rande des Riedes. Landschaft und der vielfältigen Tier- und Pflanzen- welt auch auf die Vermarktung ihrer Produkte zu richten. Viele Kurgäste des nahen Bad Franken- 6. Honorierung der ökologischen Leis- hausen, wie auch andere Besucher des Esper- tung der Landwirte stedter Riedes verlangen nach dem visuellen Das Einverständnis der Landwirte mit diesem raffi- Naturgenuss in einer der Gaststätten vor Ort aus- nierten Wassermanagement basiert nicht zuletzt drücklich nach dem Rinderbraten oder Rinder- auf ökonomischen Entwicklungen im Rahmen der schinken lokaler Herkunft. Diesen Produkten sagt

Abb. 2: Bekassinen nutzen kleine Tümpel zur Nahrungsaufnahme (Foto: Heiko Menz)

151 man auf Grund der Nahrungsgrundlage mit der be- gerechte Nutzung des Esperstedter Riedes durch sonderen Vegetation eine schmackhafte Würze eine nachhaltige Grünland- und Weidewirtschaft nach. einen durchaus nennenswerten Zugewinn an Retentionsflächen. Durch das Zurückhalten von großen Wassermengen im Esperstedter Ried 8. Vom regionalen Schutzkonzept zu gelang es die Spitzen des Hochwasserabflusses landesweiten Modellen für die Unterlieger an der Unstrut merklich zu Diese besondere Form der Vergütung der ökologi- senken und Schäden an Hab und Gut der anlie- schen Leistung der Landwirte in einem Feucht- genden Einwohner zu mindern. Sowohl das Kon- gebiet auf Grundlage eines Interessenausgleichs zept der Landnutzung, als auch der im Esper- zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zeigte stedter Ried praktizierte gemeinsame Weg zum Erfolge in einem Bereich, der primär gar nicht im Interessenausgleich der Akteure bot Anlass zu ei- Blickpunkt bei der Umsetzung des Nutzungskon- ner thüringenweiten Diskussion über Retention von zeptes stand. Deutschlandweit Aufsehen erregen- Wasser auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. de Hochwasserereignisse, die 1996 an der Oder in Es besteht Hoffnung dieses Konzept auch in weite- Brandenburg, 2002 und 2005 an Elbe und Mulde in ren Bereich von Tieflandauen nicht nur in Thüringen Sachsen und Sachsen-Anhalt auftraten, fanden anzuwenden. Damit wäre einer der größten Kon- ihre Fortsetzung in Thüringen. Bei einem der größ- fliktpunkte zwischen Landwirtschaft, Wasserwirt- ten Hochwässer der letzten 50 Jahre in den Flüssen schaft und Naturschutz einer Lösung näher ge- des Thüringer Beckens ermöglichte die standort- bracht.

152 Anschriftenverzeichnis der Autoren

Heinz Wiesbauer Dr. Thomas van Elsen Ingenieurkonsulent für Landschaftsplanung Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL und -pflege Deutschland) e.V. Kaunitzgasse 33/14 Nordbahnhofstraße 1a A-1060 Wien D-37213 Witzenhausen Tel. 05542/ 981655 Dr. Szilvia GÅri E-mail: [email protected] Direktion Nationalpark Hortobágy Projektwebsite: www.fibl.org H-4024, Debrecen, Sumen u. 2. Tel.: +36 52 529 920 Heiko Sparmberg E-Mail: [email protected] Ingenieurbüro Sparmberg Projektwebsite: www.hnp.hu/~life2002, Büro für Landschaftsplanung und ökologische www.hnp.hu/life2002 Studien Brühler Herrenberg 9 Attila Molnár D-99092 Erfurt Naturschutzinspektor Direktion des Nationalpark Hortobágy Ronald Bellstedt Debrecen, Sumen u. 2 Brühl 2 H-4002 Debrecen, Postfach: 216 D-99867 Gotha Tel.: +36 (52)/529-938 E-Mail: [email protected] Mobil: +36 (30)/383-1621 Fax: +36(52)/529-940 Katrin Hartenauer, Berit Otto und Frank Meyer E-Mail: [email protected] RANA – Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer Dr. Jürgen Pusch Mühlweg 39 Landratsamt Kyffhäuserkreis D-06114 Halle (Saale) Amt für Umwelt, Natur und Wasserwirtschaft Markt 8 Andreas Herrmann D-99706 Sondershausen Landesumweltamt Brandenburg Arten- und Biotopschutz Herbert Grimm Berliner Straße 21-25 Naturkundemuseum Erfurt D-14467 Potsdam Große Arche 14 E-Mail: [email protected] D-99084 Erfurt Dr. Andreas Bettinger Heiko Böttcher Landesamt für Umweltschutz LIFE Projektbüro Oldisleben Zentrum für Biodokumentation des Saarlandes Frankenhäuser Straße 67 Am Bergwerk 10 D-06578 Oldisleben D-66578 Landsweiler-Reden Tel.: 034673/7 8550 E-mail: [email protected] Edgar Reisinger Projektwebsite: Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie www.eu-life-binnensalz.thueringen.de Göschwitzerstr. 41 D-07745 Jena Ursula Kurth, Uwe Riemann HGN Hydrogeologie GmbH Nordhausen Grimmelallee 4 D-99734 Nordhausen

153 Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Natur- schutz und Umwelt herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kom- munalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorste- henden Wahl darf die Druckschrift nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Die genannten Beschränkungen gelten unabhän- gig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Druckschrift dem Empfänger zugegangen ist. Den Parteien ist es jedoch gestattet, die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder zu verwenden.

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Redaktionsschluss: 28.09.2006

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März 2007

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