HURRA!HURRA!HURRA!HURRA! LITERATUR POLITISCHES BUCH 12 m2 Spielwiese Pfleger des eigenen Hasses Aufbruch – wohin? Das Konzept der Entwicklungsredaktion Von nun an werden alte Bücher neu gele- Wie viele Spaltungen hätten S’ denn gern? taz war: kein Konzept. Ins taz.mag sollten sen. Detlef Kuhlbrodt macht den Anfang Die Sozialwissenschaftler Stephan Lessenich Texte, die woanders nicht reinpassten. mit Dostojewskis „Dämonen“ – übrigens und Frank Nullmeier kennen im zerfallenden mag Ein Hoch auf die Freiheit SEITE IV & V auch etwas für die RAF-Debatte SEITE VI Land mehr, als einem lieb ist SEITE VII

DAS WOCHENENDMAGAZIN DER TAGESZEITUNG I SONNABEND/SONNTAG, 12./13. MAI 2007 19. WOCHE NR. 500

Das Porträt von Stephan Kaufmann hat sein Freund Sven gemalt. Bei der Beerdi- gung stellte Annelie Kaufmann das Bild neben den Sarg FOTO: JULIA BAIER

Warum? Ein Fassadenkletterer und Stuntman stürzt am 23. Oktober 2006 vom Dach eines „Selbstmörderhochhauses“ in Berlin. Einen Abschiedsbrief hinterlässt er nicht. Aber eine Mutter mit vielen Fragen

mehr als sonst freut, sie zu sehen. Aber Sportclubs, der eine besondere Förde- eine Zeugenaussage verpasst und sollte Boxkampf als Parabel auf das Leben. An AUS FREDERSDORF er wirkt auch bedrückt, abwesend. rung durch den Chef der Staatssicher- nun vorgeführt werden. diesem Tag im Mai, als die Polizei vor BARBARA BOLLWAHN Sie gehen auf dem Klinikgelände heit, Erich Mielke, genossen hat. Er ge- Stephan Kaufmann, der gelernte seiner Wohnungstür in Berlin stand, spazieren, essen Eis, sprechen mitein- hörte der Hooliganszene an. Ein harter Stahlbetonbauer, hatte sich nach seiner wollte er nach Wien fliegen. Um bei ei- ander. Sie will wissen, was mit ihm los Kerl, der austeilt und einsteckt. Haft aus der Türsteher- und Hooligan- ner Aufführung von „Adam Schaf hat Am 20. Oktober 2006 besucht Annelie ist. „Du kannst mir alles sagen. Du Im Krankenhaus weint er. Die Mutter szene zurückgezogen, einen Höhen- Angst“ zu boxen. Als ihn die Polizei mit- Kaufmann ihren Sohn Stephan im Un- musst mich nicht schonen.“ Wirklich will wissen, was ihn bedrückt. Ihr Sohn arbeiterschein erworben und als selbst- nehmen wollte, rastete er aus. fallkrankenhaus Berlin-Marzahn. Der schockieren kann sie nichts. Ihr Sohn erzählt ihr schließlich von einer Ge- ständiger Industriekletterer gearbeitet. Die Mutter spürt, dass ihn noch et- 33-Jährige hat sich als Stuntman in der ist ein trainierter Kickboxer mit Täto- fängnisstrafe, die er ihr bisher ver- was anderes belastet als das Gefängnis. Westernstadt „El Dorado“ in Templin wierungen von einem roten Fisch, ei- schwiegen hat. Bis zum März 2003 saß er gut aussehende junge Mann „Du musst mir nichts verheimlichen“, verletzt. Bei einer Cowboy-und-India- nem Teufel, einem Drachenkopf, einer er wegen gefährlicher Körperverlet- spielte als Statist im Film „Stalin- drängt sie. Aber er hat ihr nichts weiter ner-Show verpasste er den Absprung Frau und Blumen und einem Kapuzen- zung acht Monate in Haft. Unter Tränen grad“ mit, wurde für eine Werbe- zu sagen. Nach drei Stunden verab- von einem Saloondach. Er ist auf eine kopf auf Ober- und Unterarmen und spricht er über seine Angst vor einem Daktion „Die Stadt bin ich“ des schieden sie sich. Sobald er aus dem Gewehrattrappe gefallen und hat sich Brust. Mit 16 Jahren wurde er das erste bevorstehenden zweiten Gefängnisauf- Berliner Stadtmagazins zitty fotogra- Krankenhaus entlassen wird, haben sie das rechte Handgelenk gebrochen. Sei- Mal wegen gefährlichen Körperverlet- enthalt. Weil er gegen vier Polizeibeam- fiert und fand Zugang zum Theater. In beschlossen, wollen sie zusammen Ord- ne Mutter weiß, dass er Angst hat, dass zung verwarnt. Es folgten Wiedergut- te, die am 18. Mai 2003 morgens um dem Musical „Adam Schaf hat Angst nung in seine Papiere und in sein Leben die Hand vielleicht nicht wieder hun- machungsauflagen, Geld- und Bewäh- fünf einen Vorführungsbefehl der oder Das Lied vom Ende“ von Georg bringen, bevor er ins Gefängnis muss. dertprozentig einsatzfähig sein wird. rungsstrafen und weitere Vergehen. Ei- Amtsanwaltschaft vollstrecken wollten, Kreisler, das am Berliner Ensemble auf- Zum Abschied sagt sie, dass sie stolz auf Die Ärzte sagen, dass die Chancen gut nige Jahre hat er als Türsteher gearbei- Widerstand geleistet hatte, muss er sie- geführt wurde, stand er mit einem an- ihn ist. stehen. Der Sohn freut sich über ihren tet und war Anhänger des BFC Berlin, ben Monate ins Gefängnis. Wegen einer deren Boxer auf der Bühne. In den Ge- Besuch. Der Mutter fällt auf, dass er sich des früheren Ostberliner Dynamo- Theaterprobe hatte er einen Termin für sangspausen lieferten sie sich einen Fortsetzung auf Seite 2 ®® II SONNABEND/SONNTAG, 12./13. MAI 2007 warum? TAZ MAG

Annelie Kaufmann führt ein Wollgeschäft. „Stephan hatte viele, viele Freunde“, sagt sie. Der Sohn war Boxer, das Stadtmagazin „zitty“ fotografierte ihn für eine Werbekampagne FOTOS: JULIA BAIER (RECHTS); PROMO

® Fortsetzung von Seite 1 1,3 Prozent aller Todesfälle. Dazu Das Wort „Selbstmord“ umgeht sie. Gemeint ist Felix S., dem die Journa- fängnis gemusst. Nach einer Revision kommt eine Dunkelziffer sogenannter Sie sagt „es“ oder „das“. Sie ist hin- und listin Jana Simon mit ihrem Buch der Staatsanwaltschaft war die Bewäh- Es ist dunkel, als sie die etwa 30 Kilo- versteckter Selbstmorde: Menschen, hergerissen zwischen Verzweiflung, „Denn wir sind anders“ eine Art Denk- rung für die Haftstrafe aufgehoben meter nach Hause fährt, nach Freders- die in der Absicht, ihrem Leben ein Ohnmacht, Schuldgefühlen, Verdächti- mal gesetzt hat. Darin beschreibt sie ei- worden. In dem Urteil des Landgerichts dorf. Ein kleiner Ort mit 12.000 Einwoh- Ende zu bereiten, in ihren Wagen stei- gungen und Wut. Ihr Sohn hat keinen nen einerseits gewalttätigen und ande- heißt es, dass allein der Ausstieg aus sei- nern in Märkisch-Oderland östlich von gen oder eine Überdosis Drogen neh- Abschiedsbrief hinterlassen. Das macht rerseits liebenswerten jungen Mann, nem früheren Umfeld noch nicht die Berlin, wo sie mit ihrem Mann in einem men. Nach Angaben des Statistischen die Suche nach einer Erklärung so der in der DDR geboren ist und im wie- Erwartung zulasse, dass er künftig kei- Einfamilienhaus lebt, in dem sie ein Bundesamtes wählt etwa die Hälfte der schwer. Hat sie ihren Sohn wirklich ge- dervereinigten Deutschland nirgendwo ne neuen Gewalttaten begehen werde. Wollgeschäft betreibt. Während der Selbstmörder den Tod durch Erhängen kannt oder nur einen Teil von ihm? Ist seinen Platz findet. Es gibt viele Paralle- Auch die Tatsache, dass er die letzten Fahrt macht sich ein seltsames Gefühl oder Ersticken. Zehn Prozent springen er vielleicht nicht von dem Hochhaus len zwischen Felix S. und Stephan Kauf- drei Jahre nicht straffällig geworden ist, im Auto breit. „Das war es jetzt?“, fragt in die Tiefe, so wie Stephan Kaufmann. gesprungen, sondern wurde von je- mann. Beide sind in der DDR aufge- lasse „eine günstige Legalprognose sie sich immer wieder. Sicher ist sie in Hinterlassen sie kein Wort der Erklä- mandem hinuntergestoßen? Hat er wachsen. Beide trainierten im „Box- nicht nachvollziehbar erscheinen“. ihrer Unsicherheit nur in einem Punkt: rung, kommt zum schmerzvollen Ver- nicht wenige Tage vor seinem Tod die- tempel“ in Berlin-Weißensee, wo sie „Er hat mir etwas vorenthalten.“ Nur: lust eine quälende Ungewissheit. sen seltsamen Satz gesagt „Die wollen sich gegenseitig abgeklatscht haben. nnelie Kaufmann will Klarheit Was? Am liebsten wäre sie umgekehrt. Zwei Tage nach dem Tod von Stephan uns fertigmachen“? Haben Polizei und Beide waren Kickboxmeister und in der über die Umstände des Todes Aber sie sitzt nur ungern im Dunkeln Kaufmann wird seine Leiche zur Beer- Staatsanwaltschaft wirklich gründlich Berliner Kampfsportszene bekannt. ihres Sohnes. Sie legt Beschwer- am Steuer. Außerdem muss sie am digung freigegeben. Zur gleichen Zeit genug ermittelt, um ein Fremdver- Beide sahen in Bruce Lee ihr Vorbild. A de gegen die Einstellung der Er- nächsten Morgen ausgeschlafen sein. werden auch die Ermittlungen einge- schulden auszuschließen? Bei ihren te- Beide verdienten ihr Geld als Türsteher, mittlungen ein. Für sie gibt es zu viele Für die Steuererklärung, die sie für ihr stellt. Für die Behörden gibt es keinen lefonischen und schriftlichen Nachfra- drifteten in die Hooliganszene ab, wa- Widersprüche. Zum Beispiel der Leder- Wollgeschäft machen muss. Für ihren Zweifel an dem Selbstmord. Auf dem gen bei den Behörden fühlt sie sich „wie ren immer wieder in Schlägereien ver- gürtel, den der Sohn trug. Nach Anga- Mann, der an Alzheimer leidet. Friedhof in Fredersdorf erinnert ein ein lästiges Übel“,das man abwimmelt. wickelt und wurden verurteilt. Beide ben des Kriminalkommissars, der vor Drei Tage später ist Stephan Kauf- Grabstein mit fünf Buchstaben und Beruhigend ist das nicht. hatten Probleme mit einer gebroche- Ort war, ist der Gürtel am achten Loch mann tot. Am Montag, dem 23. Oktober zwei Jahreszahlen an ihn: „Kaufi 1973 – Sie fährt in die Westernstadt „El Do- nen Hand und immer wieder mit Geld. abgerissen. Der Notarzt dagegen proto- 2006, liegt er mit einem Schädelbruch, 2006“. Zur Beerdigung kommen etwa rado“ und spricht mit Kollegen und Eine weitere Gemeinsamkeit der bei- kolliert, dass der Gürtel neben der einem gebrochenen Fußgelenk, Rip- hundert Freunde – Stephan war beliebt, Freunden. Doch Antworten findet sie den, die keine Freunde, aber miteinan- Schnalle „sauber durchgetrennt“ ist. Er penbrüchen und einem Beckenbruch stand oft im Mittelpunkt. Die Mutter nicht. Sie macht sich auf den Weg zu der bekannt waren, ist ihr Ende: Felix S. weist in seinem Bericht auf ein Häma- vor einem 18-stöckigen Hochhaus in hat ein Lied ausgewählt, das ihm viel dem Hochhaus nach Lichtenberg und erhängte sich 2001 im Alter von 31 Jah- tom hin, auf das in der Leichenbesichti- der Dolgenseestraße in Berlin-Lichten- bedeutete. „Dieser Weg“ von Xavier Nai- verfasst ein Flugblatt. „Zeugen gesucht“ ren in der Untersuchungshaft in Berlin. gung der Polizei nicht eingegangen berg. Stephan Kaufmann, der seinen Le- doo, mit dem sich die deutsche Fußball- steht neben einem Foto ihres Sohnes, Stephan Kaufmann sprang mit 33 Jah- wird. Zudem kritisiert der Anwalt, dass bensunterhalt als Stuntman und Fassa- mannschaft zur WM Mut gemacht hat. auf dem er offen und sympathisch in ren in den Tod. die Polizei neun Stunden brauchte, um denkletterer in der Höhe verdiente, „Dieser Weg wird kein leichter sein. Die- die Kamera lacht. „Am 23. Oktober 2006 Jana Simons Buch hat Annelie Kauf- die Mutter über den Tod ihres Sohnes fand in der Tiefe den Tod. ser Weg wird steinig und schwer. Nicht stürzte mein Sohn Stephan Kaufmann mann gelesen. „Jetzt können sie sich zu informieren und der Ermittlungs- Zwei Hausmeister entdecken den mit vielen wirst du dir einig sein. Doch vermutlich vom Haus der Dolgensee- beide wieder abklatschen“,sagt sie und aufwand „deutlich unter dem Niveau Körper gegen 14.30 Uhr. Der herbeige- dieses Leben bietet so viel mehr.“ straße 43“,schreibt sie. „Die Polizei geht kämpft mit den Tränen. Das Buch be- ist“,das bei einem unnatürlichen Todes- rufene Notarzt führt ein EKG durch, bei Annelie Kaufmann, die Haare zu ei- davon aus, dass es Selbstmord war, und stärkt sie in ihrer Überzeugung, dass fall geboten sei. Die Generalstaatsan- dem er noch „leichte Aktivitäten“ fest- nem Pferdeschwanz gebunden und gro- hat wahrscheinlich deshalb keine wei- die Suche nach dem Platz im Leben für waltschaft prüft aufgrund der Be- stellt, wie er im Leichenbericht ver- ße silberne Ringe in den Ohren, will teren Ermittlungen unternommen. Da junge Menschen immer schwerer wird, schwerde den Vorgang erneut. Ende merkt. Äußere Lebenszeichen stellt er über den Tod ihres Sohnes sprechen. es keinen Abschiedsbrief gibt und ich dass Konkurrenzdenken und der Ein- März dieses Jahres teilt ihr die Behörde am noch warmen Leichnam nicht fest. Sie hat den Kontakt zur Presse gesucht. Zweifel daran habe, dass er so einen satz von Ellenbogen keine guten Vor- die Bestätigung der Einstellung mit. „Aufgrund der mit dem Leben nicht Weil es ihr hilft. Weil sie anderen Ange- Schritt getan hat, bin ich gezwungen, aussetzungen sind. „Wer heute keine „Wenn es, wie hier, keine Anhaltspunkte vereinbaren Verletzungen“, steht in hörigen sagen will, dass sie nicht allein eigene Ermittlungen zu unternehmen.“ Existenzangst kriegt, tickt nicht richtig“, für Feinde des Verstorbenen, die ihm dem Bericht, „wurde auf Reanimations- sind mit ihren Fragen. Die 56-Jährige Die Mutter fragt, wer Hinweise liefern sagt sie. Zum ersten Mal benutzt sie das nach dem Leben trachteten, gibt, ist maßnahmen verzichtet.“ Der Arzt stellt entschuldigt sich für die Unordnung im kann. Unterschrieben hat sie mit „Vie- Wort „Selbstmord“. „Wenn es wirklich auch nichts zu ermitteln.“ einen nicht natürlichen Tod fest. Haus. Es ist viel liegengeblieben seit len Dank, die Mutti“. Bei dem Netzan- Selbstmord war, dann ist Stephan an Der Pressesprecher der Berliner Weil sich keine Anhaltspunkte für dem 23. Oktober. Außerdem muss sie bieter des Handys ihres Sohnes fordert der Gesellschaft zerbrochen.“ Staatsanwaltschaft, Michael Grunwald, ein Fremdverschulden ergeben, wird sich um ihren alzheimerkranken Mann sie Listen mit den Gesprächen der letz- Im Unterschied zu Felix S. lebte ihr kann verstehen, dass sich Angehörige keine Obduktion angeregt. Stephan kümmern, der sich immer weniger in ten Tage an. Sie wählt die Nummern, Sohn bereits seit 1986 im Westen. Die mehr von den Ermittlungen erhoffen. Kaufmann ist schon acht Stunden tot, seinem Leben zurechtfindet. Und um die er gewählt hat, in der Hoffnung, den Kaufmanns waren mit ihrem damals „Aber wir sind weder in der Lage noch als seine Mutter einen Anruf aus der ihr Wollgeschäft mit den Strickrunden, Ansatz einer Erklärung zu finden. Doch 13-jährigen Jungen ausgereist. Damit gesetzlich befugt, einen Selbstmord Klinik bekommt. Man sagt ihr, dass ihr zu denen sie sich jede Woche aufrafft, die Freunde, Bekannten und Kollegen die Umstellung nicht zu schwer werden unzweifelhaft nachzuweisen“, sagt er. Sohn sein Zimmer morgens gegen 8.30 damit sie sich nicht in ihrem Kummer können nur ihr Beileid aussprechen. sollte, zogen sie von ihrem Ostberliner „Wenn keine Anhaltspunkte für Fremd- Uhr verlassen habe und nicht zurückge- verkriecht. Zu guter Letzt leidet sie un- Sie fährt in die Wohnung ihres Soh- Stadtteil Lichtenberg in das Westberli- verschulden vorliegen, muss das Ver- kehrt sei. Sie macht sich keine wirkli- ter den Wechseljahren. Ein beschisse- nes, um einige Sachen von ihm und sei- ner Neubaugebiet Märkisches Viertel. fahren eingestellt werden.“ Die voll- chen Sorgen. Sie glaubt, dass er sich ge- nes Alter, wie sie es nennt. nen alten Teddy zu holen. Da fällt ihr Doch Stephan Kaufmann gewöhnte kommene Aufklärung eines Suizids sei langweilt habe und möglicherweise auf, dass er in den letzten Monaten vor sich nur schwer ein. Er prügelte sich mit nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Freunde getroffen hat. Anderthalb s tut so weh, dass ich es nicht ver- seinem Tod fast täglich Zahlungsauffor- türkischen Jugendlichen, begann mit Zwischen den Familienfotoalben fin- Stunden später, gegen Mitternacht, hindern konnte“,sagt sie und blät- derungen oder Mahnungen in seinem Karate. Zwischen 14 und 18, erzählt die det Annelie Kaufmann ein Büchlein klingelt es an ihrer Haustür. Vor der Tür tert in Fotoalben. Auf die Rückseite Briefkasten hatte. „Er hätte seine Schul- Mutter, war es besonders schlimm. „Wir mit Texten aus „Adam Schaf hat Angst stehen zwei Polizeibeamte in Zivil. Sie Eeines Bildes, das ihren Sohn in ei- den peu à peu abzahlen können“,ist sie konnten nicht miteinander reden. Er oder Das Lied vom Ende“.Darin heißt es: überbringen die Nachricht, dass ihr nem russischen Soldatenmantel und überzeugt. Vorsichtshalber hat sie aber meinte, sich behaupten zu müssen.“ „Ja, das Bier wird teurer, das Papier wird Sohn von einem Hochhaus gesprungen mit blutverschmiertem Gesicht als Sta- das Erbe ausgeschlagen. Weil Stephan in der Schule nicht genug teurer, haben Politiker uns jetzt erklärt. ist, das als „Selbstmörderhaus“ bekannt tisten in dem Film „Stalingrad“ zeigt, Annelie Kaufmann sitzt auf ihrem lernte, verbot sie ihm den Sport. Heute Auch das Öl wird teurer und das Mehl sei. Bevor sie überhaupt realisiert, was hat er geschrieben: „Meine Gedanken Sofa und versucht, das Durcheinander fragt sie sich, ob das ein Fehler war, ob wird teurer. Nur der Mensch ist nach passiert ist, wird sie nach möglichen sind immer bei Dir, meiner geliebten in ihrem Kopf zu ordnen. Hätte sie er mit dem Sport ohne Waffen in den wie vor nichts wert.“ Sie kämpft mit den Gründen gefragt. Sie erzählt von den Mutti“. Zu dieser Zeit, erzählt Annelie strenger mit ihrem Sohn sein, ihm Händen vielleicht einen Halt gefunden Tränen. Bei der Premiere saß sie im Ber- Existenzängsten ihres Sohnes und ei- Kaufmann, hätten sie und ihr Sohn wie- mehr Vorhaltungen machen sollen? hätte. Das Hochhaus, von dem er ge- liner Ensemble im Publikum. Sie war so nem bevorstehenden Haftantritt. Als der zueinander gefunden. Auch wenn Hat er es nicht trotzdem geschafft, sich sprungen ist, liegt nur wenige Kilome- stolz, dass ihr Sohn eine sinnvolle Ver- die Beamten wieder gehen, bleibt An- sie sich manchmal monatelang nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ter von der Wohnung entfernt, wo er bis wendung für seine Fäuste gefunden nelie Kaufmann mit einem Informa- gesehen hätten, sei das Verhältnis sehr ziehen? „Ich sagte ihm immer, du zu seiner Übersiedelung nach Westber- hatte. Stephan Kaufmann wollte sich tionsblatt für Angehörige zurück. Und innig gewesen. „Wenn er sich nicht mel- musst deinen Weg selber finden. Das ist lin gelebt hat. durchboxen. Er hat es nicht geschafft. mit dem Schock über den unerklärba- det, geht’s ihm gut.“ Solche Sätze be- besser, als hinterherzurennen, Stullen Fehlt ein Abschiedsbrief, gewinnt die ren Verlust ihres einzigen Kindes. kommen jetzt, wo er nicht mehr lebt, ei- zu schmieren und Socken zu stopfen.“ Frage „Was wäre wenn?“ an Bedeutung, BARBARA BOLLWAHN, 43, ist taz-Reporterin. Zwischen 11.000 und 12.000 Men- nen kaum zu ertragenden Klang für die Wieder lacht sie dieses laute Lachen. „Es ohne eine Hilfe zu sein. Annelie Kauf- Sie schrieb bereits am 27. September 1997 schen nehmen sich jedes Jahr in Mutter. Annelie Kaufmann lacht laut war doch immer was los“,sagt sie plötz- mann fragt sich auch, was gewesen wä- im allerersten taz.mag die Ost-West-Titel- Deutschland das Leben. Das entspricht auf. Lieber würde sie schreien. lich mit leiser Stimme. „Wie bei Felix.“ re, hätte ihr Sohn nicht wieder ins Ge- geschichte „Es gibt kein Zurück“ TAZ MAG europa singt SONNABEND/SONNTAG, 12./13. MAI 2007 III

bernde Sängerin singt Leises, das bitte nicht überhört wird! Ihr Vater hat die bosnische Nationalhymne komponiert. 2. Spanien – D’Nash: I Love You Mi Vida. Ooops, they did it again! Könnte auch diesmal reichen für einen der letz- ten Plätze. Liebe Spanier, was habt ihr euch denn dabei gedacht? Wenn Boy- group, dann bitte richtig! Abstoßend. 3. Qualifikant vom Donnerstag. Kitsch & 4. Irland – Dervish: They Can’t Stop The Spring. Beim Rekordsieger Irland muss man immer etwas genauer hin- hören. Diesmal gibt es traditionelle un- verkitschte irische Musik. Ein bisschen Friedensbotschaft, ein bisschen Hand in Hand – und der Titel ist sogar ein Zi- Klasse tat von Dubček zum Prager Frühling. Aber alles so, dass es nicht wehtut. Fein! 5. Finnland – : Leave Me Alone. Hat was von Roxette, die mit Heute, 21 Uhr, ARD, 52. Eurovision Song so was Weltstars wurden, und auch was von Gracia, die damit den Grand Prix Contest aus . 24 Lieder sind im Finale Eurovision 2005 schändete. Finnland war oft Letzter. War Lordi nur ein Einzel- dabei – hier die Prognosen und Nachrufe fall? 6. Qualifikant vom Donnerstag. 7. Qualifikant vom Donnerstag. 8. Qualifikant vom Donnerstag. Debüt ihres Landes – machen auf böse 9. Litauen – : . VON IVOR LYTTLE & JOHANNES KRAM Rocker. Wer schon immer gegen die Eu- Warm-ums-Herz-Musik mit akusti- rovisionsosterweiterung war, wird sich schen Gitarren und einer Sängerin mit orrunde vom Donnerstag. Wel- jetzt bestätigt fühlen. Vaya-Con-Dios-Wehmut im Timbre. che zehn Songs es ins heutige 17. Portugal – Sabrina: Dança conmi- 10. Griechenland – : Yassou Finale schafften, stand bei Re- go. Sollen sich mal ein Vorbild an Finn- Maria. Nach einer neuen Studie sind V daktionsschluss noch nicht fest. land nehmen: Immer verlieren, plötz- die Griechen die Europäer mit dem Bitte in die Liste nachtragen! lich gewinnen. Das Lied macht alles zu- meisten Sex. Jetzt schicken sie uns den nichte. Süß! Portugal nutzt die drei Mi- heterosexuellen Bruder von Ricky Mar- 1. Bulgarien – & Stoy- nuten nur für die Präsentation einiger tin und wollen uns zeigen, wie’s geht. an Yankulov: Water. Ein Lied kann eine neuer Tanzschritte für die beginnende Shake It Up, Shake It Up? Trommel sein. Ethnotechno, der un- Cluburlaubsaison an der Algarve. 11. Qualifikant vom Donnerstag. ziemlich schnell auf den Geist geht! 18. Mazedonien – Karolina: Mojot 12. Schweden – The Ark: The Worrying 2. Israel – : Push The Button. svet. Eher gediegener Ethnopop. Tau- Kind. Eine Glamour-Rock-Show mit 25 Jahre ein bisschen Frieden haben sendmal gehört, tausendmal ist nix einem menschenfängerischem Front- nichts bewirkt. Jetzt rüstet Israel musi- passiert. Aber Karolina gibt nie auf: Sie mann mit Kajal um die Augen, Esprit, kalisch halbkrawallig auf: spaßig! ist das zweite Mal beim ESC dabei. Schmuselächeln, Pailletten und nackter 3. Zypern – : Comme çi, 19. Norwegen – Guri Schanke: Ven a Hühnerbrust. comme ça. Ohne Worte – als wär’s ein bailar conmigo. Der schwedische Kom- 13. Frankreich – : Stück von Ralph Siegel. Veteraninnen ponist Thomas G:son hat auch den spa- L’amour à la française. Liebe kennt verdienen unseren Respekt! nischen Beitrag geschrieben – und das keine Grenzen mehr, behaupten die 4. Weißrussland – Koldun: Work Your ist kein gutes Omen. Guri selbst müht Franzosen. Schöne Partynummer! Magic. Sänger Dmitrys Mutter, Grün- sich redlich und schreckt auch vor ei- 14. Qualifikant vom Donnerstag. derin des Lady-Di-Fanclubs von Minsk, nem tiefen Griff in die Federklamotten- 15. Russland – : Song #1. So was wollte immer eine Tochter wie Di – mit trickkiste nicht zurück. würde man eigentlich von den Briten ihrem Filius gelang ihr das fast. Der ge- 20. Malta – : Vertigo. erwarten. Aktueller Pop vom Feinsten! wann bei „Russland sucht den Super- Nerviges Ethnogetanze, -gefiedel und Einer der wenigen Songs, die es europa- star“: unbegreifliches Land. -rumgesinge. Aber wir wollen uns nicht weit in die Charts schaffen könnten. 5. Island – Eiríkur Hauksson: Valen- beschweren: Noch voriges Jahr hörte Letztes Mal war Russland Zweiter. Dank tine Lost. Wer die Scorpions mag, kann sich fast die Hälfte aller Beiträge so an. dieser drei spicigen Girls, die absolut jetzt die Augen zumachen und sich ein 21. Andorra – Anonymous: Let’s Save lampenfieberfrei auftreten werden, paar hässliche alte Männer vorstellen. The World. Britpop aus den Pyrenäen! könnte es diesmal zur Krone reichen. 6. Georgien – Sopho Khalvashi: Visio- Diese Teenieband (einer ist sogar so 16. Deutschland – : Frau- nary Dream. Kate Bush für Anfänger. jung, dass er gar nicht auf der Bühne en regier’n die Welt. Hätte dieser hand- Für einen dabei sein wird!) will mit ihrem Lied die werklich perfekte Jazzer mehr daran ge- (ESC) wohl zu schräg. Georgien, erst- Welt vor Umweltzerstörung retten. glaubt, dass er den deutschen Vorent- mals beim ESC dabei, will ihr ein strip- Idealismus, der belohnt werden muss. scheid gewinnen kann, hätte er wohl teasefähiges Kleid empfehlen. Ehrlich! ein anderes Lied ausgesucht. Wir wer- 7. Montenegro – Stevan Faddy: Ajde 22. Ungarn – Magdi Rúzsa: Unsub- den nie erfahren, was damit dann alles kroci. Einschläfernde Easy-Rider-Num- stantial Blues. Ja! Ja! Eine richtig gute möglich gewesen wäre. Ein krasser Auf- mer. Aber Stevan hat Charme und Bluesnummer beim ESC. Der Beitrag ist tritt wird’s wohl so und so. schottische Vorfahren. Vielleicht rockt exemplarisch für die große Bandbreite 17. Qualifikant vom Donnerstag. er ja wenigstens den Saal. guter Titel verschiedener Musikstile 18. Ukraine – : Dan- 8. Schweiz – DJ Bobo: Vampires Are beim diesjährigen Event. cing Lasha Tumbai. Der Beitrag, der am Alive. Auch über Untote sollte man nur 23. Estland – : Partners In meisten polarisiert: Ist das allerübels- Gutes sagen. Dem verdienten Kinder- Crime. Sie muss die unheilvolle Allianz ter Trümmertuntentrash? Oder ist technomacher wünscht man, dass er zwischen Komponist und Texter dieses das allerallerübelster Trümmertunten- das Event in Würde hinter sich lässt. Titels vortragen. Was ist bloß aus die- trash, also irgendwie schon wieder gut? 9. Moldawien – Natalia Barbu: Fight. sem Siegerland von 2001 geworden? 19. : Flying Die Dame rockt, geigt und schreit um 24. Belgien – The Krazy Mess Groo- The Flag. Bereits im letzten Jahr dachte ihr Leben. Wir sollten sie erhören! vers: Love Power. Nicht so richtig crazy, man, das Mutterland des Pop sei mit 10. Niederlande – : und so richtig grooven tun sie auch seinem singenden Schulmädchenre- On Top Of The World. Ihr Mann hat ihr nicht, „Mess“ ist jedoch treffend. port ganz unten angekommen. Doch ei- dies Lied gestrickt. Scheidungsgrund. 25. Slowenien – : Cvet z ner geht noch, hat man sich gedacht 11. Albanien – Frederik Ndoci: Hear juga. Alenka, mach sie alle platt! Klas- und verwundert nun ganz Europa mit My Plea. Hört sich an wie eine fiese Par- sikpop ist zwar schon ziemlich abge- einem äußerst merkwürdigem Flugbe- odie auf einen Eurovisionssong aus, sa- lutscht, aber diese Frau hat das Zeug, gleiterklimbim. gen wir, Albanien. Ist aber ernst ge- alle zu verblüffen. Hoffentlich bewäl- 20. Rumänien – Todomondo: Liubi, meint. Favorit für die rote Laterne. tigt sie ihr Lampenfieber: „It ain’t over Liubi, I Love You. Das kommt bestimmt 12. Dänemark – DQ: Drama Queen. till the fat lady sings.“ an: Jede Strophe dieses netten Schun- Love it or hate it. Die perfekte Dance- 26. Türkei – Kenan Dogulu: Shake it kellieds wird in einer anderen euro- nummer und Peter Andersen als Fum- up shekerim. Wer hinhört, könnte mer- päischen Sprache gesungen. Deutsch meldiva das perfekte neue Role Model ken, dass die Hälfte des Textes auf Eng- haben sie vergessen. Dürfen wir das für Europas Frauendarsteller. Viva La lisch gesungen wird. Ansonsten gut ge- durchgehen lassen? Diva könnte wieder mal gewinnen. Sein schüttelte Achtzigerdisco. 21. Qualifikant vom Donnerstag. Mann hat das Kleid geschneidert. 27. Österreich – : Get A 22. Qualifikant vom Donnerstag. 13. Kroatien – Dragonfly feat. Dado Life. Nie war es so leicht, dieses Land 23. Armenien – : Anytime You Topic: . Frauen re- nicht mal zu ignorieren. Eine Rockhym- Need. Frei nach Günther Oettinger gieren nicht die Welt. Wenn’s so wäre, ne? Bon Jovi hat nicht alle Jünger ver- könnte man behaupten, dass der Arme- dürfte die Sängerin von Dragonfly mit dient! nier als solcher keine schwülstigen, ihrer tollen Stimme allein auftreten 28. Lettland – Bonaparti.lv: Questa triefenden Liebesballaden mag. Ja, dass und müsste sich nicht neben den Altro- notte. Das Milk-and-Honey-Halleluja- er sogar ein regelrechter Gegner sol- cker Dado und seine Kumpels stellen. Prinzip: Bei jeder Strophe steigt ein zu- cher schwülstigen, triefenden Liebes- 14. Polen – : . sätzlicher Sänger dieser sechs Tenöre balladen sei. Könnte man behaupten. In Polen gedeihen nicht nur die Kartof- ein. Bombastisches Ende: Kitsch. Pa- Aber dann müsste man sich wohl später feln, auch die Musikproduktionen. Die- thos. Klasse. Könnte funktionieren. von sich selber distanzieren. se will zu viel: Manhattan Transfer 24. Qualifikant vom Donnerstag. meets Britney Spears meets Rap. Mal Finale, heute, 21 Uhr, ARD. Wer’s aus was anderes, sexy auf alle Fälle. der Vorrunde ins Finale geschafft hat, IVOR LYTTLE, 46, Hafenausrüstungsbetriebs- 15. Serbien – Marija Serifovic: . wird Kommentator Peter Urban mittei- manager, ist Herausgeber des Fanmagazins Was für eine Energie! Für Marija, keine len. Abstimmen dürfen später auch alle Euro Song News, lebt in Bremen; JOHANNES konventionelle Schönheit, mit ihrer in der Vorrunde gescheiterten Länder. KRAM, 40, Autor und Medienmanager, ent- kraftvollen Ballade könnte der Auftritt 2.436 Punkte stehen insgesamt zur Ver- wickelte 1998 Konzept und Realisation der der Durchbruch sein. Hoffentlich teilung an. Guildo-Horn-Kampagne („Kreuzzug der meint es die Bildregie gut mit ihr. Liebe“); 2001 und 2002 brachte er in den 16. Tschechische Republik – Kabát: 1. Bosnien-Herzegowina – Marija Roger Cicero (Deutschland), Drama Queen (Dänemark), Les Fatals deutschen Vorentscheidungen Joy Fleming Mála dáma. Diese Jungs liefern das ESC- Šestić: Rijeka bez imena. Eine bezau- Picards (USA, nein, Frankreich), Serebro (Russland) FOTOS: ESC 2007 jeweils auf den zweiten Platz. Er lebt in Berlin IV SONNABEND/SONNTAG, 12./13. MAI 2007 500 TAZ MAG

taz.mag 223 vom 5. Januar 2002, „Der Orter aus Leipzig“. Nike Breyers Inter- taz.mag 374 vom 4. Dezember 2004, „Warst du auch lieb?“. Andrea Roedigs taz.mag 3 vom 11. Oktober 1997, „Wir waren so unheimlich konsequent“. view mit dem Maler Neo Rauch bereitet den Boden für eine unverkrampftere intensives Interview mit einem SM-Paar bringt Eltern beim Frühstück in Auf- Petra Grolls und Jürgen Gottschlichs Interview mit Stefan Wisniewski ist ein Rezeption seines Werks. Der Boom folgte klärungsnot: Was tut die Frau auf dem Titel? Urtext der RAF-Aufarbeitung. Brisant: War der Ex-Terrorist Bubacks Mörder?

Die Entwicklungsredaktion war sich Volle vier Jahre nach besagtem An- am Telefon gesagt und „Adlon“ franzö- 1997 sofort einig, was auf den neuen schlag erschien mein Buch, und kein sisch ausgesprochen. „Die Fürstin hat Seiten stehen sollte – schöne Texte –, einziger der Rezensenten warf mir jetzt Zeit für Sie.“ Marianne Fürstin zu aber trotz heftigen Grübelns war das Fristversäumnis vor. Offenbar muss Sayn-Wittgenstein-Sayn hatte gerade 2 noch namenlos. So wiederhol- eine Zeitung, um mit der Zeit zu gehen, ein fulminantes Buch mit ihren Promi- te sich ein Stück taz-Geschichte: Wie bei auf manchen Seiten zeitlos sein. Schnappschüssen der 40er- bis 90er- der Gründung der Zeitung konnte sich RALPH BOLLMANN, Ressortleiter taz- Jahre veröffentlicht und gab Interviews 12 m der Verein der Freunde der tageszei- Inland („Thüringen im Teilungswahn“, für ihre erste Ausstellung. Allerdings tung auch diesmal partout auf keinen 21. August 2004; „Currywurst und Cap- saß sie, als ich im Hotel ankam, noch zu programmatischen Namen einigen, als puccino“, 6. Januar 2001) Tisch, in Begleitung eines Herrn. „Das der Hamburger Grafiker Wolfgang Ken- war der Siegfried“,sagte sie kurz darauf kel längst den Auftrag für ein Layout er- Nach einer Geschichte kommt immer bei der Begrüßung. Bitte? „Na, der Sieg- halten hatte. Mit dem Pragmatismus noch eine Geschichte. Vor zwei Jahren fried! Von Siegfried & Roy.“ Aha. Ich des Künstlers schaffte Kenkel Tatsachen schrieb ich im taz.mag über das Leben muss recht dumm geschaut haben. Spielwiese und entwarf den schwarzroten Schrift- meines polnischen Großvaters, der Die betagte Dame war groß in Form. zug „taz.mag“ kurzerhand nach seinem während des Zweiten Weltkriegs in der Gegen Ende fragte sie: „Von welcher Zei- persönlichen Geschmack. Fortan hatte Exilarmee aufseiten der Alliierten tung sind Sie eigentlich?“ „Vom taz.mag der schöne Inhalt eine schöne Form kämpfte. Kurz darauf erreichte mich – dem Magazin der tageszeitung.“ Jetzt Dies ist die 500. Ausgabe des taz.mags. und die quälende Suche nach einer ein Brief. Der Beitrag habe sie sehr an schaute die Fürstin mich an wie ich vor- (letztlich völlig überflüssigen!) Pro- die eigenen „verworrenen Zeiten“ erin- hin sie. „Eine linksalternative Tageszei- Ein prächtiger Anlass für 600 Zeilen grammatik ein Ende. nert, schrieb Regina Klettke, eine pen- tung“,schob ich nach – und sah, wie sie KLAUDIA WICK, seinerzeit Klaudia sionierte Lehrerin aus Bergheim. Sie sacht zurückschrak. Rückblicke, Gratulationen und Making-ofs Brunst und Chefredakteurin der taz, selbst wurde 1935 in Polen geboren, als Am Abend war eine Kollegin zur Af- heute Medienjournalistin („Faction TV“, Tochter eines Kaschuben und einer tershow-Party in der Paris Bar geladen. taz.mag vom 30. August 2003; „Gelieb- Danziger „Freistädterin“. Nach dem Und sie traute ihren Ohren kaum, als tes Bildarchiv“, 21. Dezember 2002) Überfall der Wehrmacht auf Polen wur- die Fürstin kundtat: „Und wissen S’ was? Des streitbaren Gesprächs. Die Tonbän- bekommt man dort nicht zu hören. de ihre Familie zu „Volksdeutschen“ er- Wissen S’, wer mir am besten g’fallen der sind gesprengt, drei große Seiten Hauptsache, die Geschichte ist es wert, Es ist schön, einen Ort für seine Ge- klärt – was ihre Mutter nicht daran hin- hat von all den Presseleuten? Der Mann längst gefüllt. Der Ärger ist program- erzählt zu werden. Ein einzelnes Schick- schichten zu haben, der einen nicht von derte, sich um die Frau und die Kinder von der linksradikalen tageszeitung!“ miert. Darf man mit solchen Leuten re- sal allein reicht, um relevant zu sein. So vornherein festlegt und bei dem einen eines Nachbarn zu kümmern, der auch REINHARD KRAUSE, taz.mag-Redakteur den? Ja. Im Magazin darf man das. konnte ich einen etwas durchgeknall- nur die eigenen Beschränkungen be- in die polnische Exilarmee eingetreten („Das Pathos devianter Frisuren“, 30. SUSANNE LANG, taz-zwei-Redakteurin, ten millionenschweren Immobilien- grenzen. Ich habe fürs taz.mag größere war. Als der Krieg zu Ende ging, flohen Oktober 1999; „Sexbombe im Kinder- („Ich-Kampfschriften pro familia“, 24. fritzen porträtieren, der sich für den Stücke gemacht über schwierige Mut- die Klettkes nach Schleswig-Holstein. zimmer“, 18. November 2006) März 2007; „So regiert Frank Schirrma- Thomas Mann des Proletariats hält. ter-Sohn-Beziehungen, Oberhemden Eines Nachmittags, sie sammelten ge- cher“, 24. Juni 2006) Oder zwei Jungs auf einer halb illegalen im Alltag, heterosexuellen Neid auf die rade Brombeeren, hielt plötzlich ein Fünfhundert, das ist ein halbes Tau- Tour auf der Suche nach mittlerweile existenzielle Wucht eines homosexuel- Jeep vor ihnen. Ein fremder Mann in send. Ein schöner Anlass, dem Magazin Es war im Juni vor sechs Jahren. Ich saß gut bezahltem Altmetall begleiten. Der len Coming-out oder den Schriftsteller englischer Uniform sprang heraus und mindestens fünfhundert weitere Aus- in meinem Garten im Brandenburgi- manchmal auftretende Verdacht, dass Dieter Wellershoff. umarmte die Mutter. Es war der polni- gaben zu wünschen und mich bei de- schen. Es war Samstag, in den Nachbar- sich das taz-mag mehr an Männer als Als ebenso seltsam wie lehrreich er- sche Nachbar. „Und es blieb nicht bei nen zu bedanken, die das Blatt machen. gärten sangen die Rasenmäher, ich las an Frauen wendet, verschwindet, wenn schien es mir immer, dass der Ort, an der Umarmung“, schreibt Regina Klett- Für die ausgezeichnete Betreuung mei- das taz.mag. „Ich habe Krebs“ lautete ich Geschichten lese wie Ende April die dem dieser weite Raum der unbegrenz- ke. „Schön, nicht?“ Ja, wirklich. ner Texte. Für die vielen Gespräche, un- der Titel, geschrieben hatte die Selbst- von dem taubblinden Mann und seiner ten journalistischen Möglichkeiten Wo- KOLJA MENSING, Autor („Last Exit Pro- ten im taz-Café, die mir als freiem Autor auskunft unser USA-Korrespondent Verständigung mit der Welt. che für Woche bebrütet, geplant und vinz“, 9. November 2002; „Solche Sachen Mut zum Weitermachen gegeben ha- Peter Tautfest. Er nahm mich mit auf BARBARA BOLLWAHN, taz-Reporterin schließlich hergestellt wird, das kleins- waren gewesen“, 26. November 2005) ben, und natürlich nicht zuletzt für das seine letzte Reise, durch deutsche Kran- („Nie war er so wertvoll wie heute“, te Büro im taz-Gebäude ist. Zwei Redak- Forum, das das taz.mag bietet. Dort kenzimmer und Arztpraxen. Zu seiner 28. Oktober 2006; „Ein Bier gegen die teure und ein Praktikant sitzen auf viel- An einem Wochentag im Winter 2004 habe ich meine erste Reportage über- Frau, seinen Kindern. Ganz in die Nähe Angst“, 19. April 2003) leicht zwölf Quadratmetern beieinan- saßen mein Kollege Jan Feddersen und haupt veröffentlichen können. Das ist des Todes. Peter Tautfest hatte Krebs, der, der dritte Kollege findet sich gleich ich mit dem Soziologen Heinz Bude für zwei Jahre her, und ich kann sagen, ich 18 Monate später würde er, der Nicht- Sobald ich mir einen kleinen Ruhm er- auf der anderen Seite der Glaswand. ein großes taz.mag-Interview im „Sale e fühle mich beim taz.mag wie zu Hause. raucher, an Lungenkrebs sterben. schrieben hatte, das wusste ich früh, Fast ein Lehrstück: Auch enge Räume Tabacchi“ unter der taz. Während dieses Es ist nie leicht, die richtigen Worte für Da waren sieben Seiten taz.mag. Sie- musste ich zur taz gehen. Aber erst können große Möglichkeiten eröffnen. Gesprächs erklärte uns Bude, dass und Jubiläumsgrüße zu finden, aber diese ben Seiten, auf denen sogar sein Rönt- dann. Ich wollte von meiner Lieblings- Ein Besucherstuhl wäre dann und wann warum Angela Merkel bald Deutsch- hier kommen von Herzen. genbild zu sehen war, der Tumor in sei- zeitung keine Absage aufgrund man- aber schon gut. land regieren würde. THOMAS FEIX, Autor („Bei Waldschrats“, ner Brust. Es war, ich muss das Wort ge- gelnder Erfahrung! Nach meinem ers- DIRK KNIPPHALS, Literaturredakteur Nicht oft hat mich ein Interviewpart- 4. Februar 2006; „Endlich Frau König“, brauchen, ergreifend. Und es machte ten Israelbesuch schrieb ich einen Be- der taz („Distanz, lebenslänglich“, 11. Mai ner so beeindruckt. Trotzdem dachte 12. August 2006) mir klar, was in der taz journalistisch richt über den Drogenkonsum der Sol- 2002; „Hemden wirken disziplinierend“, ich: Die Merkel? Na ja, Herr Bude, jetzt möglich ist. Weil es in diesem Blatt ei- daten, den ich dort beobachtet hatte, 6. Dezember 2003) lassen wir aber mal die Kirche schön im Karlsruhe. 18 Uhr. Das Taxi hält vor nen Platz wie das mag gibt. Ich habe und wusste, den würde nur die taz dru- Dorf. Am 28. Februar 2004 erschien dem Bundesverfassungsgericht. Nur mich bei Peter Tautfest nicht mehr für cken. Tatsächlich! Es wurde meine erste Damals dachte ich als notorisch kurz- „Und dann wird Merkel Kanzlerin“. Der noch wenige Beamte arbeiten. Nur ei- seinen Text bedankt. Schade. ganze Seite im taz.mag, und ich war sichtiges Mitglied einer tagesaktuellen Rest ist Geschichte – und bestätigt ein ner ist hellwach und empfängt uns neu- ANJA MAIER, Redakteurin taz-Repor- stolz. Leider kam keine weitere Mel- Redaktion, es sei für das Thema sowieso weiteres Mal die alte Weisheit: taz.mag gierig. Nicht ohne Skepsis. Die Linken – tage („Summer of Hope“, 2. August dung mehr von der taz, und so prostitu- zu spät. „Ist Amerika das neue Rom?“, – hier haben Sie es zuerst gelesen. da weiß man ja nie … 2003; „H - Ä - N - D - E - H - O - C - H“, ierte ich mich aufgrund von Schulden, fragte ich im taz.mag vom 31. August PETER UNFRIED, stellv. Chefredakteur Karlsruhe. 23 Uhr. Die Tische des ita- 18. Oktober 2003) wie sie junge freie Journalisten oft ha- 2002, immerhin fast ein Jahr nach dem der taz („Warum sind die Grünen so lienischen Restaurants leeren sich nach ben, in einer PR-Agentur. vielzitierten Anschlag von New York. ängstlich und sprachlos?“, 10. Februar und nach. Die letzten Gäste zahlen. Nur Das taz.mag ist eine verführerische Ich war sehr unglücklich, mein Chef Die Redaktion redete mir gut zu, und ir- 2007; „Leben im Widerspruch“, 24. Au- an einem Tisch sitzt noch er, der kon- Spielwiese mit allen Möglichkeiten die- drohte mit Kündigung. So fasste ich mir gendwann fiel beiläufig der Satz: War- gust 2002) servative, ja als reaktionär verrufene ser Medienwelt, die wirkliche Welt zu ein Herz und rief beim taz.mag an. Man um machst du daraus kein Buch? Das Verfassungsrichter Udo Di Fabio, und beschreiben, fernab von Zwängen der erinnerte sich gut an mich und freute nahm ich erst mal gar nicht ernst, dafür „Gehen Sie jetzt ins Adlon!“, hatte die sitzen wir, die Linken, bei Wein, Bier Aktualität. „Was ist der Aufhänger?“,„Wo sich, dass ich wiederaufgetaucht war. sei es erst recht zu spät – dachte ich. Pressedame nach diversen Fehlstarts und – der Fortsetzung des Gesprächs. ist die soziale Relevanz?“,solche Fragen Es kam noch besser: Gerade war eine TAZ MAG 500 SONNABEND/SONNTAG, 12./13. MAI 2007 V

taz.mag 222 vom 29. Dezember 2001. Die Nr. 222 stellt lauter Sach- und taz.mag 195 vom 16. Juni 2001, „In der Spaßfalle“. Mono.mags zum CSD taz.mag 386 vom 26. Februar 2005. Ein Undercover-Bericht aus einem Trai- Lachfragen. ©TOM sorgt für die Optik. Die 100. Ausgabe des taz.mag er- zählen zu den jährlichen Fixpunkten der taz.mag-Historie. Die Geschlechter- ningscamp für US-Soldaten in Bayern. Der Artikel erscheint unter Pseudonym schien experimentell im Querformat – die Kollegen im Haus tobten, vor Wut seite „der die das“ erscheint kursorisch – und wird mit einem CNN Award ausgezeichnet

oder nachforschen, warum Schlachter Einmal habe ich euch ein heikles In- ob er diese wütenden Stoßseufzer nicht Sonett auf das taz.mag menstruierende Frauen nicht in die terview angeboten. Nur die taz schien einmal fürs taz.mag aufschreiben wol- Schlachteküche lassen. Mit dem mir seriös, alternativ und mutig genug, le, beantwortete er mit einer Furcht- Beschrieb ich Deine teuren Seiten taz.mag im Hintergrund fällt es mir es zu drucken – ein Interview mit zwei falte am Kinn: „Mal sehen.“ Er traute die bald 500-mal die tageszeitung zieren leicht, heimatzeitungsfreundlich zu schwulen Sadomasochisten, in dem es sich doch nicht. Leider. Es hätte klasse so müsste ich unmäßig mich verbreiten sein. Was für ein Glück! darum ging, genau zu beschreiben, was sein können, einmal von einem hetero- und würde rasch die Lust am Lob verlieren CORNELIA KURTH, Autorin („Sie machen sie tun und was SM mit ihnen macht. sexuellen Mann aufgefächert zu be- ja alles falsch!“, 27. Dezember 2003; Ganz so unerschrocken wart ihr, lieber kommen, dass er das Klischee vom Ob Judith aus Damaskus den syrischen Tyrannen geißelt „Verdorbenes Blut“, 2. März 2002) Jan, lieber Reinhard, aber doch nicht, Mann, der nur auf Pornografisches Ob Reinhard uns aus Frankreich mit Dandy Katerine befremde denn ihr wolltet just die Stellen kürzen, steht, für Blödsinn hält. Das taz.mag hat Ob Jan den Terroropfern hierzulande einen späten Grabstein meißelt Er ist der Einzige in meinem Bekann- in denen es um Stromzufuhr für ge- oft Scheinblödsinn gedruckt. Es hat oft Stets geht die Fahrt des mags quer durchs erotisch-geografische Gelände tenkreis, der letztes Jahr nicht ein WM- wisse Mannesteile ging. Man hörte sehr gefallen. Uns erst recht! Spiel gesehen hat. Mit Fußball kann er euch förmlich unter Kastrationsängs- JAN FEDDERSEN, taz.mag-Redakteur, Dass man (von Zeit zu Zeit) Dich schmäht, soll nicht Dein Schaden sein nichts anfangen, Massenvergnügungen ten ächzen. Als alte Feministin musste („Ich jamme nicht mehr“, 12. Juli 2003; Stets war das Schöne der Verleumder Ziel stoßen ihn ab. Vielleicht interessiert ich schon schmunzeln, aber sei’s drum, „Alles, jetzt, sofort“, 17. August 2002) Verdächtigungen zier’n Dich ungemein sich Reinhard Krause deswegen für Ke- als neue Feministin verstehe ich euch Der Übelkrähen sind am Himmel viel ramik – auch als Einziger in meinem Be- ja! Ich wünsche dem taz.mag weiter vie- „Ihr müsst erkennbarer werden“, sagt kanntenkreis. Über seine Abneigung le gute Texte und AutorInnen und der Kollege bei der Konferenz. Würde er Den letzten Vierzeiler hab ich geklaut gegen das eine und seine Vorliebe für Strom an den geeigneten Stellen. das Magazin machen, stünde auf der Ein Gruß aus Stratford für die Geburtstagsbraut das andere hat er im taz.mag geschrie- ANDREA ROEDIG, Autorin („Erregtes Dritten Seite jeden Samstag ein Inter- ben. Vielleicht haben Sie die Artikel ja Warten“, 23. Dezember 2006; „Schluss view. „Das machen andere auch so.“ Die CHRISTIAN SEMLER gelesen – vom größten Teil seiner Ar- mit dem Sex“, 4. Oktober 2003) Kollegin sagt auf der Weihnachtsfeier: beit jedoch nehmen Sie als Leser nur „Für die Fünf muss eine Kolumne her!“ Notiz, wenn sie schludrig gemacht In einem gläsernen Verhau, der mit Außerdem Fotos von den Autoren – ver- wird. Also nie! Reinhard Krause ist Re- ein wenig gutem Willen an ein Aquari- lässlich, immer dieselben. Feste The- Hospitanz im Magazin frei, also kün- ner wunderbaren Freundschaft. So be- dakteur im taz.mag. Ein Unsichtbarer, um mit höchst exotischen Zier- und men, feste Genres, feste Texte, festge- digte ich den schlimmen PR-Job, war schert mir – size matters! – ein groß- der Spuren hinterlässt. In den Texten Kampffischen erinnert, sitzt das Ma- fahren. Nur das, was jede Woche er- fortan pleite, aber glücklich! Bis zum artiges taz.mag-Format (Interviews von anderer. Und damit das niemand be- gazin der taz. Einmal kam der Große scheint – die Letzten Fragen – sei ja nur heutigen Tag, denn sie gaben mir die drei Zeitungsseiten Länge! Wo gibt’s das merkt – auch nicht die Autoren –, streift Schlagerpiranha angeschossen und noch grässlich. „Weg damit!“ Doch auf Chance, meine Nahost-Affinität zu sonst?!) als Autorin bis heute immer er sich dabei deren Schuhe über und tut fragte, ob er mir einen lang gehegten der Treppe, im Lift, am Fahrradstand professionalisieren und spannende wieder aufs neue Lust und Leid. so, als wären es seine. Als wäre er schon Wunsch erfüllen dürfe bzw. ich denn oder am Nachbartisch im taz-Café sa- Storys zu schreiben. Dies sende ich aus NIKE BREYER, Autorin („Flachdach ist immer in diesem Text zu Hause gewe- nicht mal mit Cat Stevens plaudern wol- gen sie dann: „Wilde Mischung letztens. Beirut, wo ich gerade mit einem US- spießig“, 22. April 2006; „Comeback ei- sen. Er fremdelt nie. Reinhard Krause le, ich wisse schon, „Morning Has Bro- Gut!“ JUDITHLUIG, Fernsehteam drehe und endlich richtig nes Liebestöters“, 14. Februar 2004) lässt andere glänzen. Das ist sein Job. ken“ und so, der sich seit fast 30 Jahren taz.mag Redakteurin, („Kunststadt im Geld verdiene. (Keine Sorge: Das Und den macht er so gut, dass er ihn lei- Yusuf Islam nenne und seitdem mit kei- Probemodus“, 28. April 2007; „Same, taz.mag hat die Storys, um die es geht, In Wien, wo neuerdings wieder osteu- der bald woanders ausüben wird – gut, nem Christenmenschen mehr gespro- same – but different“, 16. August 2003) schon im letzten Jahr veröffentlicht.) ropäische Kollegen in den Kaffeehäu- dass er diese Zeilen vorher noch liest, chen habe, jedenfalls mit keinem Jour- JASNA ZAJCEK, Autorin („Kalte Fische im sern ihrer Melancholie nachhängen, und zwar nicht nur, weil sie dadurch si- nalisten, was aber kein Problem sei: Warum ich das taz.mag liebe: Haifischbecken“, 22. Juli 2006; „Check- hört man, sie schreiben ein Krockie. Die cher besser werden. „Hier, die Telefonnummer, das wird Original-taz.mag-Mail vom 13. März point Palästina“, 21. Januar 2006) Krockies gehören einem versunkenen DAVID DENK, Ex-taz-Volontär („Er und schon“,tätschel, tätschel. 2006 an mich: „ich weiß jetzt, worauf es Genre der Zeitungen des Ostens an, die ich“, 12. August 2006; „Saufen einmal Wenig später verbrachte ich etliche bei deinem freud-aufsatz ankäme. lass Man verfolgte in der westfälischen man liest, während man das Kipferl in ums Eck“, 7. Januar 2006) Stunden mit Cat Stevens alias Yusuf Is- uns morgen einen kaffee trinken.“ 29. Provinz trotz Drohungen „Sperma- den morgendlichen Kaffee tunkt. Um lam. Wir stritten über Folk und Pop und März: „meinst du, dass wir heute oder Abklatschspuren“ in einem Mordfall, Krockies zu schreiben, kommen die öst- Besonders liebe ich das taz.mag für das Bildverbot im Islam, streiften theo- montag zeit fänden, um über dein cruiste unerschrocken durch die Pi- lichen Kollegen nicht mehr ohne Note- seine Indiskretionen. Keine Schwäche, retische und theologische Themen. Am freud-thema zu sprechen? lass mich nienwälder der Adria und wurde fast books aus, weswegen Plätze mit Steck- die nicht geoutet würde in der Autoren- Ende bekniete ich ihn, doch bitte ein- rasch wissen, wie uns das gelingen von einem Stricher erwürgt, erkundete dosen rar sind. Im Café Westend am zeile. Oder glauben Sie, die Verfasserin fach wieder die Gitarre in die Hand zu kann.“ 8. August: „ich freue mich auf ohne Splitterschutzweste und mit der Westbahnhof gibt es eine einzige Steck- hätte je freiwillig zugegeben, ohne nehmen. Zwei Jahre später erschien deinen text am 22. august.“ 19. Septem- Notfallnummer der Deutschen Bot- dose, direkt am Eingang, wo es zugig ist. Putzfrau zu leben (damals!) oder auf „An Other Cup“ von Yusuf Islam, wofür ber: „bist du schon mit deinen beiden schaft in der Tasche die illegale Homo- Wer den ungemütlichen Tisch ergat- Musik „fern jeder Feurigkeit“ abzu- ich mich bei allen Cat-Stevens-Fans in texten weitergekommen: antisemitis- szene Beiruts. Doch das Schönste an der tern will, muss früh aufstehen oder sich fahren? Einmal, unter einem Porträt aller Form entschuldigen möchte. mus und freud?“ Reise ist immer das Nach-Hause-Kom- beim Ober einschleimen, der ein heim- des äthiopischen Langstreckenläufers ARNO FRANK, Redakteur taz zwei („Ein 29. September: „dein text ist ein ge- men: „Du musst das Thema aber auch tückischer Mensch ist. Eines schönen Haile Gebrselassie, stand da schwarz scheinheiliger Krieger“, 21. Mai 2005; lungener auftakt zu einem schönen re- wirklich durchdringen, mit kühlem Tages werde ich dort für das taz.mag ein auf weiß: „Heike Haarhoff braucht für „A steht für Allah“, 1. November 2003) daktionellen prozess. ich bitte um eini- Blick. Nicht wieder pischipuschi.“ Au Krockie schreiben. 10.000 Meter auf jeden Fall einen fahr- ge präzisierungen.“ 20. Oktober: „nach weia, wo sie einen wohl beim nächsten TILL EHRLICH, taz-Sättigungsbeileger baren Untersatz.“ Dabei habe ich das Das taz.mag ist indiskret. Sollen die dem quotenmäßig außergewöhnlich Mal hinschicken? Ich bin bereit. („Kochen ist Gold“, 3. März 2007; „Roth- noch nie ausprobiert. Ehrlich! Autoren doch mal erzählen, wie es wirk- erfolgreichen porno.mag brauchen wir MARTIN REICHERT, taz-Redakteur („Ein schild trifft Mapuche“, 21. Oktober 2006) HEIKE HAARHOFF, taz-Reporterin („To- lich zugeht. So kamen wir zu Bekennt- neue highlights. du sollst dabei sein. Schnitt fürs Leben“, 9. September 2006; Als es das taz.mag noch gar nicht gab, desmarsch in die Freiheit“, 23. April nissen von RAF-Leuten, Spektakeln aus kurz gesagt: antisemitismus? freud?“ „Adieu, Habibi!“, 29. Juni 2006) war ich eine Zeitlang Redakteurin in der 2005; „Die Zweifel bestehen fort“, 17. De- dem Alltag, hörten von Schmutz und 1. November: „freud? änderungen? taz Bremen für eine Kulturseite, die mit zember 2005) Dreck, von Sex und Erotischem. Die wann? du uns schwer unter druck set- Alles fing vor acht Jahren mit einer Ab- ihren wilden Themen durchaus als besten Ideen, fanden wir, entstanden, zen wollen? nein? na also! dann mal sage an, von der taz-Kultur: Das einge- kleine Vorläuferin des überbordenden Das taz.mag ist eine wunderbare Spiel- wenn andere dachten, sie erzählten et- rasch.“ 2. Dezember: „lass mich um reichte Interview sei „toll, aber viiiiel zu taz.mags gelten konnte. Dann zog ich wiese, und ihr lasst die AutorInnen was privat. Einer, neulich, aus einem deinen freud-fortschritt wissen.“ lang“.Ich solle es doch mal beim Maga- in ein Städtchen und lernte das rück- experimentieren. Ich durfte über Otto anderen Ressort, raunzte eine freie Der Text ist am 16. Dezember 2006 zin versuchen, die hätten dort – seufz! – sichtsvolle Schreiben für die Heimatzei- Weiniger und die neue Männerliteratur Journalistin an: „Mein Gott, kannst du im taz.mag erschienen. mehr Frei- und Spielraum auch für tung kennen. Wie wunderbar, dass we- bei euch schreiben, über päpstliche Per- nicht mal aufschreiben, dass dieser PHILIPP GESSLER, Redakteur im Schwer- „längere Sachen“. Es wurde der Auftakt nig später das taz.mag geboren wurde! versionen oder das Glück des Katholi- ganze Sexmist, dieses ‚größer, praller, punktpool der taz („Lasst euch nicht be- zu einer bis heute andauernden locke- Da konnte ich mich als eBay-süchtige zismus. Solche Texte entstehen oft nur, möpsiger‘ nicht mehr auszuhalten ist. tören“, 10. März 2007; „Wozu noch nach ren Interviewfolge und der Beginn ei- oder PC-Spiel-verrückte Mutter outen weil es das taz.mag gibt. Für mich schon gar nicht.“ Meine Frage, Israel“, 29. November 2003)