DNA-Barcoding Von Schmetterlingen (Lepidoptera) in Waldstandorten Südtirols (IT01 Ritten Und IT02 Montiggl)
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
forest observer vol. 6 2012 75 - 98 DNA-Barcoding von Schmetterlingen (Lepidoptera) in Waldstandorten Südtirols (IT01 Ritten und IT02 Montiggl) Peter Huemer, Paul D. N. Hebert Abstract DNA-Barcoding butterflies and moths (Lepidoptera) in forest sites of South Tyrol (IT01 Ritten and IT02 Montiggl) A barcode library based on the mtDNA COI-Gen (Barcodefragment 5´, 658bp) is presented for 597 species of Lepidoptera from two forest sites in the Italian Alps. Altogether 766 specimens have been successfully sequenced, 695 specimens with the full barcode length of 658bp. The medium distance to the nearest neighbour is 8.06 % in the fully barcoded species whereas intraspecific divergence (based on few samples) is low with a mean distance of 0.26 %. Deep genetic splits are restricted to 3 species, but this number may increase with further samples. Only 11 species have identical or overlapping barcodes with a divergence < 1 %. The effectiveness of barcoding for identification of difficult taxa is exemplarily demonstrated and finally potential cases of cryptic diversity are briefly discussed. 1 Einleitung - Zielsetzung Geschätzte 1,7 Mio. Tierarten sind bis heute weltweit Bestimmungsarbeit herauskristallisiert (HEBERT beschrieben worden und vermutlich deutlich über ET AL. 2003). Besonders vielversprechend scheint dreißigtausend kommen in Südtirol vor (HELLRIGL die Forschungsinitiative iBOL (International Bar- 1996). Die eindeutige Bestimmung dieser Arten ist code of Life), zentriert an der Universität Guelph eine Grundvoraussetzung für alle mit Naturthemen in Kanada, die für sämtliche Organismen in einer Befassten und zählt zu den Kernaufgaben natur- öffentlichen Datenbank (BOLD, Barcode of Life relevanter Fragestellungen. Diese Aufgabe wird Data Systems) genetische Signalsequenzen, die aber durch einen bedrohlichen Mangel an Spezialis- sogenannten „Barcodes“ weltweit verfügbar ma- ten zunehmend in Frage gestellt. Besonders routine- chen will. Die Sequenzierung einer 658 Basenpaare mäßige Determinationsarbeiten sind vielfach nur umfassenden Region des mitochondrialen Gens (noch) von wenigen Experten durchführbar, deren COI, Untereinheit 1, umfasst den 648 Basenpaare Kapazitäten somit oft ineffizient eingesetzt wer- langen und für Eumetazoen signifikant spezifischen den müssen und in anderen wichtigen Forschungs- Barcode (HEBERT ET AL. 2003). Über diese nach bereichen fehlen. Initiativen für eine standardi- bisherigen Erfahrungswerten bei Schmetterlingen sierte Erfassung von Lebewesen sind daher eine (HAUSMANN ET AL. 2011a, 2011b) aber auch bei der wesentliche Möglichkeit zukünftige Bestimmungen großen Mehrzahl anderer Tierordnungen zumeist vereinfacht und mit hohem Zuverlässigkeitsgrad arttypischen genetischen „Fingerabdrücke“ sollen durchführen zu können und somit Spezialisten zu Arten zukünftig einfach und zweifelsfrei bestimmt entlasten. In den letzten Jahren haben sich gene- werden bzw. Determinationen objektiv überprüft tische Methoden als eine bedeutende Alternative werden können. Die Vorteile einer derartig standar- bzw. Ergänzung zur klassischen morphologischen disierten Determination liegen auf der Hand und 75 sind weitreichend. So kann z. B. der Forstexperte unabhängige Qualitätssicherung bei faunistischen zukünftig rasch eine schädliche Larve bestimmen, Studien sowie die Kontrolle möglicher klimatisch der Lebensmitteltechniker die Zusammensetzung oder anthropogen bedingter Veränderungen des Ar- von fragwürdigen Produkten analysieren oder der tenbestandes wie z.B. der Einführung von Neobiota. Zollbeamte den Schmuggel einer geschützten, aber Dass sich die Methode des Barcodings auch für die schwer erkennbaren Art belegen, und das a priori Differenzierung von artenreichen Gruppen eignet, ohne über das sonst nötige Expertenwissen zu ver- wurde vielfach nachgewiesen, neulich auch für ei- fügen. Aber auch die Taxonomen profitieren durch nen nahezu kompletten Datensatz der Großschmet- freiwerdende Kapazitäten für beispielsweise das terlinge Deutschlands (HAUSMANN ET AL. 2011b). Aufspüren und die Beschreibung bisher unerkann- Zielsetzung des aktuellen Forschungsprogramms ter oder unbekannter kryptischer Arten (HUEMER war die erstmalige Ermittlung von Barcodes eines 2011a, SEGERER ET AL. 2011) oder die korrekte möglichst großen Artensets an Schmetterlingen in Zuordnung von unterschiedlichen Entwicklungs- den Langzeitmonitoringflächen in Südtirols Wäl- stadien und Geschlechtern zu einer bestimmten dern als innovative zukünftige Datengrundlage Art (GOSSNER & HAUSMANN 2009). Darüber hin- zur eindeutigen Wiedererkennung der jeweiligen aus ermöglichen die Barcodes zukünftig eine Spezies. 2 Material und Methodik Aufsammlungen von genetischen Proben die Daten im Programm BioOffice digitalisiert. Als Basis für die genetischen Untersuchungen dien- Schließlich wurden Gewebeproben (Bein- oder Teil ten ausschließlich rezent gesammelte Proben von eines Beines) in standardisierter Form verpackt und Schmetterlingen, die möglichst umgehend genadelt an die Sequenzierungslabors in Kanada verschickt. und getrocknet wurden. Älteres Sammlungsmate- Das den genetischen Proben zugrundeliegende Be- rial war auf Grund der vor allem durch Feuchtig- legmaterial befindet sich in den Naturwissenschaft- keitseinwirkung (Aufweichen zu Präparations- lichen Sammlungen des Tiroler Landesmuseums zwecken u.ä.) einhergehenden Degradierung der Ferdinandeum in Innsbruck, vereinzelte faunistisch DNA nur bedingt oder überhaupt nicht verwertbar, relevante Belege in den Sammlungen des Forst- weshalb zusätzliche gezielte Aufsammlungen von inspektorates Bozen. Belegexemplaren von basaler Bedeutung waren. Das Probenmaterial wurde daher im Rahmen der DNA-Sequenzierung periodischen Erhebungen der Schmetterlinge in Die PCR Amplifikation sowie die anschließende den Langzeitbeobachtungsflächen IT – 01 Ritten DNA-Sequenzierung folgte den bei IVANOVA ET und IT – 02 Montiggl im Jahre 2010 aufgesam- AL. (2006) beschriebenen Standardprotokollen. melt (zur Gebietsbeschreibung und Methodik vgl. Mit Hilfe dieser Methode wurde eine 658 Basen- HUEMER 2011 b). Ziel war eine möglichst weitge- paare umfassende Region der mitochondrialen hende Abdeckung des aktuell nachweisbaren Arten- Cytochrom C Oxidase I (COI) einschließlich der spektrums. Letztlich sollte von möglichst vielen 648 Basenpaare des Barcodes isoliert und verviel- Arten wenigstens ein sequenzierfähiges Beleg-ex- fältigt. Die Untersuchungen wurden am Canadian emplar gesammelt und nach den technischen Erfor- Centre for DNA Barcoding (University of Guelph, dernissen konserviert werden. Die Proben wurden Kanada) durchgeführt wo auch die genetischen nach entsprechender Etikettierung und morphologi- Proben aufbewahrt werden. sche basierter Erstbestimmung photographiert und 76 Abb. 1: Objektspezifische Daten werden in der webbasierten Datenbank BOLD gespeichert 77 Abb. 2: „Sequence page“ in BOLD mit Informationen zu den ermittelten Sequenzen 78 Datenanalyse Gen Bank Zugangsnummern und BOLD Prozess Sämtliche objektspezifischen Daten sowie ge- IDs sind über die Funktion Project Summary des netische Signalsequenzen werden im Rahmen Projektes PHLAC in BOLD als PDF verfügbar. der speziell für diese Zwecke entwickelten, ex- Durch die öffentliche Zugänglichkeit wird eine trem leistungsfähigen webbasierten Datenbank sichere zukünftige Bestimmung der erfassten Taxa BOLD (http://www.barcodinglife.org/) verwaltet ermöglicht. BOLD bietet darüber hinaus umfangrei- (Abb. 1-2). Hier findet sich der gesamte Datenbe- che Tools zur Datenanalyse, und die Auswertungen stand einschließlich Objektdaten und Bildmaterial in dieser Arbeit nutzen primär diese Möglichkeiten. im Projekt PHLAC „Lepidoptera of the Alps 3“. Für die Erstellung der Baumdiagramme wurde das Programm TreeGraph 2 (STÖVER & MÜLLER 2010) verwendet, die Berechnungen basieren auf dem Kimura-2-Parameter (K2P). 3 Ergebnisse 3.1 Sequenzierter Artenbestand - Überblick somit von allen anderen Arten des Gebietes un- terscheidet. Auch die wenigen derzeit bekannten Insgesamt wurden von 808 Individuen Gewebe- Arten des Erhebungsgebietes mit einer tiefen in- proben sequenziert, bei 766 (94,8 %) Individuen traspezifischen Differenzierung können hierher mit dem Ergebnis einer Gensequenz und bei 695 gerechnet werden, weil ihre Bestimmung trotzdem Individuen (86,0 %) mit einem vollständigen Bar- zweifelsfrei ist. Lediglich 6 Artenpaare in 11 Arten code von 658 Basenpaaren. Von den insgesamt weisen völlig oder weitgehend identische Barcodes 618 untersuchten Arten wurden bei 597 Taxa Se- auf (Divergenz < 1 %) (s.unten). quenzen des mtDNA COI-Gens ermittelt, mit einer Die mittlere Distanz zum nächsten Nachbarn be- Ausnahme durchwegs > 600 bp. Auch hier liegt die trägt für alle vollständig bargecodeten Taxa 8,07 % Erfolgsquote mit 96,6 % ausgesprochen hoch. Die bei einem Maximum von 21,1 %. Die mittlere in- Anhangstabelle gibt einen Überblick über diese tragenerische Distanz (basierend auf der Analyse erfolgreich sequenzierten Proben. von Individuen mit komplettem Barcode) beträgt Für zahlreiche Arten wurde der Barcode erstmalig 9,06 %, intrafamiliär 12,38 % und interfamiliär ermittelt und die Proben aus den IMP-Monitoring- 15,66 % bei einer maximalen Distanz von 36,89 %. flächen sind somit bisher die einzigen derzeit ver- Die intraspezifische Divergenz ist vergleichsweise fügbaren genetischen Informationsquellen. viel niedriger und liegt bei 109 Taxa mit mehr als Von 19 Arten konnten bisher keine Sequenzen er- einem bargecodetem Individuum zwischen 0 % und mittelt werden, bei zwei weiteren waren die Proben