Daniel Nicol Dunlop (1868–1935) – Ein «Nach Weiten Zielen
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Wer war D.N. Dunlop? Daniel Nicol Dunlop (1868 –1935) – ein «nach weiten Zielen schauender Anthroposoph» Die folgende Porträtskizze wurde von mir für das in diesem Jahr tiefte sich nachts in historische, philosophische und erscheinende und von Bodo von Plato herausgegebene Bio- okkultistische Literatur. grafien-Buch verfasst. Sie wurde etwas länger als vereinbart 1887 begegnete Dunlop bei einem Besuch in Irland und musste für diesen Sammelband leicht gekürzt werden. Sie seinem Lebensfreund George William Russell, der als erscheint im Europäer in ungekürzter Form. (Alle Zitate aus: «AE» – vom gnostischen Wort Aeon – zahlreiche Werke D.N. Dunlop – Ein Zeit- und Lebensbild, 2. Aufl. Basel 1996.) poetischen und visionären Inhalts schrieb und auch mal- In kommenden Nummern werden Porträtskizzen über E.C. te. Zwei Jahre später übersiedelte Dunlop nach Dublin, Merry, Astrid Bethusy-Huc, Helmuth und Eliza von Moltke zum wo er als Wein- und Teehändler arbeitete. Es bildete sich Abdruck kommen. ein Freundeskreis, zu dem auch W.B. Yeats gehörte, in Thomas Meyer dem die Werke H.P. Blavatskys und Mabel Collins’ stu- diert wurden. Bei einem Dantevortrag lernte er Eleanor aniel Nicol Dunlop wurde am 28. Dezember 1868 in Fitzpatrick kennen und lieben. Doch sollte ein unabhän- DKilmarnock, Schottland, als einziges Kind von Ca- giger Theosoph heiraten? In einem nächtlichen Schauer- therine und Alexander Dunlop, geboren. Der Vater war lebnis erscheint nach hartem Kampf widerstreitender Architekt und überzeugter Quäker, der leidenschaftlich Mächte auf dem inneren Seelenschauplatz das Gesicht ei- predigte. Nach dem Tod der erst 26jährigen Mutter im nes alten, weisen Mannes, «der mich zu lehren begann». Jahre 1873 (?) wuchs Daniel im Hause des Großvaters Der 1891 geschlossenen Ehe mit Eleanor entsprossen mütterlicherseits auf der an keltischen Steinkreisen rei- zwei Töchter und ein Sohn. Gemeinsam mit Russell gab chen Insel Arran auf. Daniel Nicol – so der Vor- und Dunlop zwischen 1892 und 1897 die theosophische Zeit- Nachname des Großvaters – war ein gälisch sprechender schrift The Irish Theosophist heraus. Fischer. So lernte der kleine Daniel früh fischen, Netze Im Herbst 1897 übersiedelte die Familie nach New herstellen oder reparieren. Bald nach dem Tod der Mutter York. Dunlop setzte sich in Wort und Tat weiterhin für begann er auf Geheiß des Vaters mit einer täglichen die theosophische Sache ein; er betätigte sich eine Weile Bibellektüre, was er das ganze Leben beibehielt. Mit als Privatsekretär der charismatischen Catherine Tingley. neun Jahren klärte er einen Kreis von zwölf Freunden Er machte die für ihn bedeutsame Bekanntschaft des an Sonntagen über den mit keinem anderen Menschen Okkultisten H.W. Percival, der alt-westliche kosmolo- vergleichbaren Christus auf, den er als «kristallisiertes gische Kenntnisse besaß. Nach einer Beschäftigung bei Wort» bezeichnete. Im Sommer 1882 – Daniel stand im der Maschinenfabrik Pierce & Miller wurde er 1899 zum 14. Lebensjahr – starb eines Nachts unerwartet der Groß- europäischen Verkaufsleiter der Firma Westinghouse er- vater, dessen Bett der Enkel teilte. Das furchtlos durch- nannt. Bald darauf zog die Familie nach London. lebte Ereignis öffnete dem jungen Mann das erste Tor Hier lernte er durch Vermittlung von Yeats 1903 James bewusster spiritueller Erlebnisse: In Joyce kennen. Er schrieb Artikel für einer inneren Schau sah er den Groß- die Theosophical Review und sah 1905 vater und sich in anderer Gestalt, oder 1906 auf einem theosophischen in anderen Erdenleben. Szenen aus Kongress erstmals das Antlitz Rudolf Ägypten und dem orphischen Grie- Steiners, das «einen unvergesslichen chenland zogen an ihm vorüber. Eindruck» machte. 1909 kündete «Damals bin ich erwacht», sagte er Dunlop im Vahan, dem offiziellen später. «Ich hatte eine Art Vision von Organ der Theosophischen Gesell- der Zukunft, alle meine Ideen gehen schaft, die Idee von Sommerschulen darauf zurück.» an, deren erste noch im gleichen Nach der Übersiedlung auf das Jahr stattfand. Im folgenden Jahr Festland und einer Lehrzeit in einer eröffnete er bei Manchester das Bla- Maschinenfabrik in Ardrossan kam vatsky-Institute, dem auch Annie Be- es wegen dessen autoritärer Natur sant einen Besuch abstattete. Zusam- zu einem Bruch mit dem Vater. Der men mit Charles Lazenby gab er die 17jährige fand in Glasgow eine Stelle Monatsschrift The Path heraus, die bei einem Fahrradhändler und ver- bedeutende Artikel aus seiner Feder Daniel Nicol Dunlop 18 Der Europäer Jg. 7 / Nr. 6 / April 2003 Wer war D.N. Dunlop? über praktische Magie, über den Tierkreis, die Funktion von Penmaenmawr, die das Thema Initiations-Erkennt- des Denkens oder zu christologischen Themen publizier- nis zum Gegenstand hatte, sagte Rudolf Steiner im Rück- te. Um die gleiche Zeit begründete er den britischen blick: «In außerordentlich tatkräftiger und innerlich ein- Wirtschaftsverband British Electrical And Allied Manu- sichtiger, ich möchte sagen, esoterischer Art hat Mr. facturer’s Association (BEAMA). Im Jahre 1912 forderte Dunlop gerade diese Sommerschule (...) in die Hand ge- Dunlop Alfons Baron Walleen, einen langjährigen Schü- nommen. War doch in Penmaenmawr von vornherein ler Rudolf Steiners. dazu auf, in der von ihm präsidierten erfüllt, was wir sonst niemals erfüllt gesehen haben.» Light-On-The-Path-Loge Vorträge über Steiners Christus- Im September 1923 wurde Harry Collison auf Vor- Auffassung zu halten – zu einem Zeitpunkt, in dem der schlag von englischen Mitgliedern – Rudolf Steiner selbst von Dunlop abgelehnte Krishnamurti-Humbug seinem hätte nach Ita Wegman Dunlop dafür vorgeschlagen – Höhepunkt zusteuerte. Dunlop war kein Mensch jäher zum Generalsekretär der britischen Landesgesellschaft geistiger Richtungswechsel, aber er ließ Steiner über gewählt. Dunlop traf bereits Vorbereitungen für die im Walleen wissen, dass man in England bereit sei, «seine Juli 1924 durch den Prince of Wales eröffnete erste Lehre mit offenen Armen aufzunehmen». Mitten im World Power Conference vor, der ersten internationalen Krieg veröffentlichte er die völkerpsychologische Studie Konferenz nach dem Krieg, an der auch Deutschland British Destiny; im gleichen Jahr publizierte er ein Buch teilnahm. So fuhr er am Ende des Jahres 1923 nicht nach über spirituelle Entwicklung mit dem Titel The Path of Dornach, wo die Anthroposophische Gesellschaft als Attainment. Die simultane Veröffentlichung dieser beiden «Allgemeine» neu begründet werden sollte (AAG), wobei Schriften zeigt, dass Dunlop die Betrachtung großer Zeit- sich Rudolf Steiner, der kein Mitglied der alten Gesell- fragen und die Frage der spirituellen Entwicklung des schaft gewesen war, angesichts von deren internen einzelnen als zwei Seiten einer Medaille betrachtete. Schwierigkeiten dazu entschlossen hatte, in der neu zu 1919 erschien The Science of Immortality, in dem sich bildenden sogar den Vorsitz zu übernehmen. Dunlop sah erstmals ein Hinweis auf Steiner befindet, und zwar Steiner in Torquay und darauf in London wieder. In ähn- auf dessen Geheimwissenschaft im Umriss. Im Dezember licher Art wie das Jahr zuvor äußerte sich Steiner auch 1920 wurde Dunlop Mitglied der Anthroposophischen über die Sommerschule von Torquay; und über beide Gesellschaft, zunächst ohne aus der Theosophischen Ge- Kurse sagte er: Sie «waren so veranstaltet, dass man sich sellschaft auszutreten; Bürge war der langjährige Schü- okkult angeheimelt fühlen konnte.» Er sprach von ihnen ler Steiners und Übersetzer Harry Collison. In der von als von «etwas, das in das Goldene Buch der anthropo- Dunlop geleiteten anthroposophischen Human Freedom sophischen Bewegung wird in besonderer Weise einge- Group begegnete er im Januar 1922 Eleanor C. Merry, der schrieben werden können.» Dunlop bezeichnete er dabei er bis zu seinem Tod verbunden blieb. als einen «feinfühligen, nach weiten Zielen schauenden Die erste persönliche Begegnung mit Rudolf Steiner Anthroposophen». Beim Abschied in London im August ereignete sich im Frühjahr 1922 in London. Rudolf Stei- 1924 sagte ihm Rudolf Steiner: «Wir sind Brüder.» ner ergreift, während Josef van Leer zu dolmetschen D.N. Dunlop setzte sich nach Steiners Tod in neuer Art suchte, im Schutz des seitlich herabhängenden Tisch- für die Ausbreitung der Geisteswissenschaft insbesondere tuchs Dunlops Hand, um sie minutenlang festzuhalten. im Westen ein. «Anthroposophie hat ein neues Organ Dunlop, der seit seiner ersten bewussten Beschäftigung in mir gebildet», sagte er und meinte damit, dass seine ei- mit Okkultismus den Wunsch gehegt hatte, einen wah- gene Schreib- und Vortragstätigkeit in den Hintergrund ren Eingeweihten im physischen Leib kennenzulernen, treten müsse und seine Hauptaufgabe nun darin bestehe, schrieb später: «Die erste Begegnung brachte die un- andere auf den richtigen Platz zu bringen. Er sorgte für mittelbare Erkenntnis: Hier ist der Wissende, der Einge- die englische Übersetzung des von Rudolf Steiner und weihte, derjenige, der den Geist in seine Zeit hinein- Ita Wegman gemeinsam verfassten medizinischen Bu- trägt.» Kurz nach dieser Begegnung trat er am Todestag ches; er organisierte 1927 eine weitere Sommerschule der von ihm nach wie vor verehrten H.P. Blavatsky aus in Schottland, 1928 die erste große anthroposophische der Theosophischen Gesellschaft aus. Im Herbst darauf Weltkonferenz in London. schlug er Steiner zur Stärkung des Impulses des Zentral- Er war zahlreichen Menschen behilflich, in England Anthroposophischen die Idee von anthroposophischen zu wirken oder Fuß zu fassen, so Willem Zeylmans van Sommerschulen