Adolf Reichwein in Halle (Saale) Und Die Lehrerbildung
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ADOLF REICHWEIN IN HALLE (SAALE) UND DIE LEHRERBILDUNG Wolfgang Höffken (Hrsg.) Landesbüro Sachsen-Anhalt Wolfgang Höffken (Hrsg.) ADOLF REICHWEIN IN HALLE (SAALE) UND DIE LEHRERBILDUNG VON DER PÄDAGOGISCHEN AKADEMIE ZUR PÄDAGOGISCHEN FAKULTÄT Eine Veröffentlichung im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung 2020 FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG Impressum © 2020 by Friedrich-Ebert-Stiftung Landesbüro Sachsen-Anhalt Otto-von-Guericke-Str. 65 39104 Magdeburg Redaktion Prof. Dr. Hartmut Wenzel Wolfgang Höffken Lektorat Heiko Kastner Titelfoto: Adolf Reichwein (ca. 1941) © Reichwein-Familie (Wikipedia) Foto Rückseite: Burg Giebichenstein, im Hintergrund das Gebäude der Pädagogische Akademie Halle, heute: Giebichensteingymnasium „Thomas Müntzer“ © Privatarchiv Wenzel Layout Pellens Kommunikationsdesign GmbH, Bonn Druck Druckerei Brandt GmbH, Bonn ISBN 978-3-96250-591-2 Eine gewerbliche Nutzung der von der FES herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet. 2 ADOLF REICHWEIN IN HALLE (SAALE) UND DIE LEHRERBILDUNG Inhalt Inhalt Wolfgang Höffken Vorwort ........................................................................................................ 5 Hartmut Wenzel Einleitung ................................................................................................11 Wolfgang Werth Theorie und Praxis an der Pädagogischen Akademie in Halle/Saale 1930 – 33 .........................................................................29 Hartmut Wenzel Adolf Reichwein in Halle und die Lehrerbildung ...................................45 Hartmut Wenzel Elisabeth Blochmann als Lehrerbildnerin in Halle ................................67 Michael Ritter Herbert Kranz. Erlebnisorientierte Sprachbildung an der Pädagogischen Akademie Halle ...................................................89 Josef Walch Fritz Alexander Kauffmann, Hans Friedrich Geist, die Akademieschulen und die Kunst des Kindes an der Pädagogischen Akademie Halle ............................................................107 Malte Ebner von Eschenbach/Jörg Dinkelaker Adolf Reichweins Veranstaltung an der Volkshochschule Halle – zum Verhältnis von Einrichtungs- und Lebensgeschichten in der Erwachsenenbildung ......................................................................131 Edmund Fröse/Viola Schubert-Lehnhardt Adolf Reichwein und die Weltlichen Schulen in Halle ........................159 Berthold Ebert Von der Pädagogischen Akademie zur Pädagogischen Fakultät – Hans Ahrbeck (1890–1981) ...................................................................181 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ............................................200 3 FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG Adolf Reichwein der „fliegende Professor“ vor seinem Flugzeug (um 1930) © Bibliothek für bildungshistorische Forschung, Reichwein-Archiv, Berlin 4 ADOLF REICHWEIN IN HALLE (SAALE) UND DIE LEHRERBILDUNG Zusammenfassung Vorwort Wolfgang Höffken Die vorliegende Publikation widmet sich Adolf Reichweins herausragen- der Bedeutung in der Pädagogik und der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Sie ist das Produkt der Tagung „Adolf Reichwein in Halle und die Lehrerbildung. Von der Pädagogischen Akademie zur Pädago gischen Fakultät“ anlässlich seines 75. Todestages, organisiert von der Philosophischen Fakultät III – Erziehungswissenschaften der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg, den Franckeschen Stiftungen und dem Landesbüro Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung am 24. Ok- tober 2019 in Halle (Saale). Der Band versammelt alle Beiträge der Tagung und legt einen Schwerpunkt auf das (schul-)pädagogische Wirken von Adolf Reichwein. Gleichwohl ist die Arbeit von Adolf Reichwein untrennbar mit seiner persönlichen Geschichte verbunden, weshalb hier ein kurzer biogra- fischer Blick auf den am 3. Oktober 1898 in Bad Ems geborenen Reform- pädagogen geworfen werden soll. Sein Vater war Lehrer und Sozialdemo- 5 FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG krat. Er wächst naturverbunden auf und nimmt wichtige Impulse für sein späteres Wirken aus der kurz vor der Jahrhundertwende entstandenen Wandervogelbewegung mit. Später lässt er sich von der Kriegsbegeiste- rung mitreißen, macht 1917 ein Notabitur und geht an die französische Front, wo er gegen Ende des selben Jahres schwer verwundet wird. Dieses Kriegstrauma prägt ihn fortan. Anschließend studiert er, sein Ziel ist die Erwachsenenbildung, die seiner Meinung nach grundlegend reformiert werden muss. Adolf Reichwein liebte die Erziehung Heranwachsender und junger Erwachsener, so beschrieb seine Tochter Sabine Reichwein ihren Vater auf der Veranstaltung „Politiker, Reformpädagoge und Widerstandskämpfer“ des Landesbüros Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung im Novem- ber 2018 in Halle (Saale) anlässlich seines 120. Geburtstages. Er war glei- chermaßen ein vielfältig interessierter Theoretiker wie auch begabter Prak- tiker und Reichwein fand stets Wege, beides miteinander zu verbinden. Deutlich wird dies, wenn man Fotografien Reichweins mit seinen Schü- lern betrachtet. Er steht nicht vor ihnen am Pult oder an der Tafel, er befindet sich in ihrer Mitte. Eine Fotoaufnahme zeigt ihn im Freien, das Bild einer Eule in der Hand, von Mädchen und Jungen umgeben. Eine Schülerin hält eine ausgestopfte Eule, während Reichwein mit dem Fin- ger zeigend etwas erklärt. Als Reformpädagoge lag es ihm an einer breit an ge legten Vermittlung von Wissen, stets mit einer Verbindung in die Le benswirklichkeit seiner Schülerinnen und Schüler – mehr noch, die Mitbestimmung seiner Schüler war ihm außerordentlich wichtig. Doch auch mit seinen Studierenden unternahm er als Professor an der päda- gogischen Akademie in Halle (Saale) immer wieder Exkursionen, die zu- nächst willkürlich anmuten: auf dem Programm standen sowohl Fabriken wie landwirtschaftliche Betriebe, aber auch Arbeitsämter, Institutionen der Wohlfahrtspflege und Gefängnisse. Die von ihm unterrichteten zukünfti- gen Lehrerinnen und Lehrer sollten das gesellschaftliche Leben in seiner Gänze kennenlernen, neuen Methoden der Wissensvermittlung offen ge- genüber stehen und letztlich auch – vielleicht als wichtigster Punkt – die Lebensumstände kennen, mit denen ihre zukünftigen Schülerinnen und Schüler zurechtkommen mussten. All das was er lehrt, praktiziert er dabei 6 ADOLF REICHWEIN IN HALLE (SAALE) UND DIE LEHRERBILDUNG Unterricht im Freien an der von Adolf Reichwein geleiteten Landschule in Tiefensee 1930er Jahre. © picture alliance | VisualEyze | H. Nolte auch selbst. Ehemaligen Strafgefangenen gibt Reichwein beispielsweise eine zweite Chance und nimmt sie bei sich an der Volksschule in Jena auf. Ferner erkannte er die wichtige Rolle der Eltern im Schulalltag und schloss diese in seine Arbeit mit ein, fuhr zusammen mit ihnen und den Schü- lern in Landschulheime. Dabei zog es den Pädagogen, der 1923 zum Thema „China und Europa im 18. Jahrhundert“ promoviert wurde, auch selbst immer wieder in die Ferne – er unternahm Forschungsreisen nach Nordamerika, Mexiko, Lappland, heuert sogar als Offizier auf einem amerikanischen Handels- schiff an, bereist auf dem Seeweg Japan, China und die Philippinen. Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesen Reisen veröffentlicht er. Zusam - men mit seinen anderen Arbeiten sollten es letztlich gut 300 Publika tionen werden, die heute seinen Namen tragen. Gleichzeitig trieb es ihn wortwörtlich in die Höhe. Adolf Reichwein war leidenschaftlicher Flieger. Er besaß in den 1930er Jahren ein kleines Sportflugzeug vom Typ „Klemm L 25“. Während seiner Zeit als Leiter der 7 FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG von ihm gegründeten Volkshochschule in Jena hatte er sich dieses ge- kauft. Er pendelte mit seiner Klemm regelmäßig zwischen Jena, Halle (Saale), wo er 1930 als Professor an die Pädagogischen Akademie berufen wurde, sowie Berlin, wo zuvor im Jahr 1929 als persönlicher Referent des preu ßischen Bildungsministers arbeitete und immer wieder als versierter Pädagoge gefragt war. Dies brachte ihm bei seinen Studierenden an der Pädagogischen Akademie den Namen „Fliegender Professor“ ein. An der Akademie lernte er auch seine spätere Frau Rosemarie kennen, die er immer als furchtlos und mutig beschrieb. Diese Umschreibung geht auf ein Ereignis Anfang der 1930er zurück: Auf einer Feier der Hoch - schule trat Adolf Reichwein beim Tanzen seiner zukünftigen Frau auf die Füße, woraufhin diese einen Wunsch frei hatte. Rosemarie, die zu dieser Zeit als Dozentin für Gymnastik an der Akademie arbeitete, wollte den „Fliegenden Professor“ in Aktion erleben und so nahm dieser sie mit auf einen Flug nach Berlin. Unterwegs gerieten sie in ein heftiges Unwetter, doch Rosemarie hatte sichtlich Spaß und beeindruckte Adolf Reichwein mit ihrer Furchtlosigkeit. Die daraus entstehende Freundschaft mündete schließlich in einer Verlobung am 30. Januar 1933 – jenem Tag, an dem auch Adolf Hitler zum Reichkanzler ernannt wurde. Der große Erfolg der NSDAP bei den Wahlen drei Jahre zuvor im Septem- ber 1930 alarmierte den Reformpädagogen und er sah die Demokratie bedroht. Um sich gegen die Nationalsozialisten zu positionieren, trat er in die SPD ein. Er wurde kurze Zeit später als Hochschullehrer entlassen und arbeitete fortan mit gleichem Elan als Dorfschullehrer in Branden- burg. Das eingangs beschriebene Bild von ihm und seinen Schülern stammt aus dieser Zeit. Seinen eigenen Prinzipien als Reformpädagoge treu bleibend, entwickelte er zu dieser Zeit ein alternatives Schulmodell und widmete sich auch der Museumspädagogik. Gleichzeitig schloss er sich als Sozialdemokrat dem Widerstand an, wurde Mitglied des „Kreisauer