Lebens- Und Werkchronik

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Lebens- Und Werkchronik 605 Lebens- und Werkchronik 1759 Tage im Musterungslager des Herzogs und be- Johann Christoph Friedrich Schiller wird am 10. kommt erste Eindrücke für Wallensteins Lager. November in Marbach am Neckar geboren. Der Vater gründet hinter der Wohnung in Lud- Der Vater, Johann Kaspar Schiller, ist Wundarzt wigsburg eine Baumschule. und Leutnant im Regiment von Herzog Karl 1768 Eugen von Württemberg, die Mutter, Elisabetha Während sommerlicher Wanderungen mit ei- Dorothea Schiller, geb. Kodweiß, ist Gastwirts- nem Schulfreund entdeckt der junge Schiller tochter. Schillers Schwester Elisabeth Christo- seine dichterischen Ambitionen. phine Friederike ist zu diesem Zeitpunkt zwei Am 20. November wird die dritte Schwester Jahre alt. Maria Charlotte geboren. 1762 1769 Die Familie Schiller lässt sich dauerhaft in Lud- Zu Neujahr schreibt Schiller für seine Eltern wigsburg nieder. Herzgeliebte Eltern, sein ältestes erhaltenes Ge- 1763 dicht. Schillers Vater wird als Werbeoffizier in die Freie Er besteht sein erstes Landexamen, das ihn be- Reichsstadt Schwäbisch Gmünd versetzt. rechtigt, später ins Tübinger Stift aufgenommen 1764 zu werden. Familie Schiller zieht zu Jahresbeginn nach 1770 Lorch. Im September besteht Schiller sein zweites Land- Schiller freundet sich mit Karl Philipp Conz und examen in Stuttgart. Christoph Ferdinand Moser an, dessen Vater, Herzog Karl Eugen gründet Mitte Dezember ein Pfarrer Philipp Ulrich Moser, ihm als Vorbild Militärwaisenhaus auf der Solitude bei Stuttgart, dient. Schiller will ebenfalls Geistlicher werden. das im kommenden Jahr zur Militär-Pflanz- In den Räubern setzt Schiller dem Prediger später schule erweitert wird (Hohe Karlsschule). ein Denkmal. 1771 1765 Schiller besteht sein drittes Landexamen im Sep- Schiller erhält regelmäßigen Elementarunterricht tember. in der Dorfschule in Lorch sowie Lateinunter- 1772 richt bei Pfarrer Moser. Am 26. April konfirmiert der Garnisonspfarrer 1766 Olnhausen Schiller in der Garnisonskirche. Am 23. Januar wird Schillers zweite Schwester Vermutlich unter Klopstocks Einfluss entstehen Luise Dorothea Katharina in Lorch geboren. die ersten nicht erhaltenen Trauerspiele Die Am 22. November kommt Charlotte von Lenge- Christen und Absalon. feld, Schillers spätere Frau, in Rudolstadt zur Im September besteht Schiller sein viertes Land- Welt. examen, wenn auch mit weniger guten Noten als Schillers Vater lässt sich gegen Jahresende nach bisher, zum Jahresende schließt er die Schule ab. Ludwigsburg zurückversetzen, die Familie zieht 1773 zusammen mit von Hovens in das Haus des Auf Drängen des Herzogs muss Schiller dessen Hofbuchdruckers Christoph Friedrich Cotta. Militär-Pflanzschule besuchen. Am 16. Januar 1767 zieht er dazu widerwillig auf die Solitude. Der Mit Friedrich Wilhelm von Hoven tritt Schiller Alltag in der Karlsschule ist einer strengen Dis- in die Ludwigsburger Lateinschule ein, wo beide ziplin unterworfen, die Schüler tragen Uniform, zu Geistlichen ausgebildet werden sollen. Besuche, auch solche der Eltern, und Urlaube Im Sommer verbringt er mit seinem Vater einige werden nur selten und in Notfällen gestattet, 606 Lebens- und Werkchronik Ferien gibt es keine. Schillers Schulzeit ist dar- 1776 über hinaus geprägt von immer wiederkehren- Abel übernimmt den Philosophie-Unterricht in den, zum Teil Wochen andauernden Krankhei- der medizinischen Fakultät. Schiller lernt in des- ten. sen Vorlesungen Shakespeare kennen und wid- Schiller knüpft Freundschaft mit Friedrich met sich intensiv der wieland-eschenburgschen Scharffenstein. Prosaübersetzung. Die Militär-Pflanzschule wird Mitte März zur Abels Ausführungen zum Fall Johann Friedrich Herzoglichen Militär-Akademie mit angeglieder- Schwan, dem Sonnenwirt, liefern Schiller den ter Oberstufe. Stoff für den Verbrecher aus verlorener Ehre. Am 4. Mai wird Schillers vierte Schwester Beata Im Oktober erscheint im Schwäbischen Magazin Friederike geboren, bereits am 22. Dezember sein erster gedruckter Text, das Gedicht Der stirbt sie. Abend. 1774 Während des gesamten Jahres widmet Schiller Schiller entschließt sich zum Jurastudium, nach- sich neben Shakespeare der Lektüre von Klingers dem eine juristische Fakultät an die Militär- Zwillingen, Leisewitz’ Julius von Tarent, er liest Akademie angeschlossen wird. Er macht nur Miller und vermutlich Rousseau, Young, Ossian geringe Fortschritte, interessiert sich aber ver- sowie Goethes Stella. stärkt für Literatur und verbringt viel Zeit mit Das Trauerspiel Cosmus von Medici entsteht, es heimlicher Lektüre neuester Dichtungen. bleibt unveröffentlicht. Am 29. März stirbt die sechsjährige Schwester 1777 Maria Charlotte. Der Eroberer, das zweite in der Klopstock-Nach- Seine Eltern erklären schriftlich, dass sie ihren folge stehende Gedicht, erscheint in Balthasar Sohn zum Dank für seine Ausbildung gänzlich Haugs Schwäbischem Magazin. den herzoglichen Diensten überlassen. Am 8. September wird die jüngste Schwester Nach der Lektüre von Goethes Roman Die Lei- Schillers Caroline Christiane (Nanette) geboren. den des jungen Werthers beschließen die Freunde In seiner Schlussprüfung disputiert Schiller im Schiller, Scharffenstein, von Hoven und Johann Dezember über Abels Ästhetische Sätze und über Wilhelm Petersen gemeinsam einen zweiten Johann Friedrich Consbruchs Fasciculus obser- Werther zu schreiben. vationum medicarum. 1775 Während des Jahres arbeitet Schiller intensiv an Philosophie wird auf Drängen von Jakob Fried- den Räubern und plant eine Dramatisierung der rich Abel zum Zentralfach des Unterrichts in der Autobiographie des Ritters Schertlin von Burten- Karlsschule. bach nach dem Muster von Goethes Götz von Im Januar erscheint Schubarts Erzählung Zur Berlichingen. Geschichte des menschlichen Herzens, die Schiller 1779 als Quelle für die Räuber verwenden wird. Am 11. Februar wird zu Karl Eugens Geburtstag Mitte November wird die Militär-Akademie in Schillers nicht überliefertes Festspiel Der Jahr- die ehemaligen Kasernengebäude hinter dem markt aufgeführt. Neuen Schloss in Stuttgart verlegt. Im Mai gründet der Herzog ein deutsches Natio- Schillers Vater wird zum Vorgesetzten der her- naltheater, das moralische Familienstücke auf- zoglichen Hofgärtnerei auf der Solitude. führen soll. Schillers späterer Freund Friedrich Haug tritt in Anfang Oktober wird das Mannheimer National- die Militär-Akademie ein. theater eröffnet. Die Leistungen Schillers werden zunehmend Schiller reicht eine medizinische Dissertation schlechter, er entschließt sich, seine juristische Philosophie der Physiologie in lateinischer Spra- Laufbahn zu beenden und im kommenden Jahr che ein, die abgelehnt wird. gemeinsam mit Wilhelm von Hoven ein Medi- Er liest Maler Müllers Gedichte, Wieland, Plu- zinstudium aufzunehmen. tarch, Lessings Laokoon sowie Herder. Lebens- und Werkchronik 607 Am 12. Dezember besucht Herzog Karl August Andreas Streicher sowie Henriette von Wolzo- von Weimar gemeinsam mit Goethe erstmals die gen, die Mutter eines damaligen Mitschülers, Militär-Akademie. kennen. 1780 Wolfgang Heribert Dalberg bittet Schiller, Die Nach einigen Wochen im Krankenzimmer Räuber für die Mannheimer Bühne zu bear- nimmt Schiller zum Sommerbeginn ernsthaft beiten. die Arbeit an den Räubern in Angriff. Meinungsverschiedenheiten mit dem Herausge- Am 13. Juni stirbt sein Freund August von Ho- ber des Schwäbischen Musenalmanachs Gotthold ven. Friedrich Stäudlin veranlassen Schiller im Im Sommer werden die Räuber vorläufig abge- Herbst, eine eigene Textsammlung, die Antho- schlossen, aber dennoch immer wieder geän- logie auf das Jahr 1782, zu publizieren. dert. Im Oktober sendet Schiller eine Räuber-Bühnen- Am 1. November reicht Schiller den zweiten bearbeitung an Dalberg. Versuch einer Dissertation ein, die Abhandlung Neben dem anonym als Einzeldruck erschie- De discrimine febrium inflammatoriarum et pu- nenen Gedicht Der Venuswagen zählen zu den tridarum (Über den Unterschied zwischen den weiteren Arbeiten dieses Jahres fast die gesamte entzündlichen und fauligen Fiebern), zu der seine Anthologie auf das Jahr 1782 sowie die begin- Lehrer ihn gedrängt haben. Auch diese Arbeit nende Niederschrift der Philosophischen Briefe. wird abgelehnt. Erst die dritte Schrift, Versuch 1782 über den Zusammenhang der tierischen Natur des Am 13. Januar werden die Räuber uraufgeführt. Menschen mit seiner geistigen, die Schiller am 30. Da Schiller ohne Urlaubsgenehmigung nach November vorlegt, wird schließlich als Disserta- Mannheim gereist ist, wohnt er der Aufführung tion angenommen und geht noch in diesem Jahr inkognito in einer eigenen Loge bei. bei Christoph Friedrich Cotta in Stuttgart in Ende des Monats beginnt Schiller mit den Re- Druck. cherchen für den Fiesko. Vor allem aus Geldnot sucht Schiller einen Ver- Mitte Februar erscheint die Anthologie auf das leger für die Räuber. Jahr 1782 bei Metzler in Stuttgart. Schiller schickt Am 15. Dezember wird Schiller aus der Militär- ein Exemplar der Räuber an Wieland. Akademie entlassen und als Regimentsmedikus Die mit Abel und Petersen gegründete und her- des Grenadierregiments Augé in Stuttgart ange- ausgegebene Zeitschrift Wirtembergisches Reper- stellt. torium der Litteratur erscheint am 31. März. 1781 Am 25. Mai reist Schiller zum zweiten Mal uner- Anfang Februar zieht Schiller in das Haus von laubt nach Mannheim und erhält dort von Dal- Balthasar Haug als Untermieter der Witwe Luise berg eine Macbeth-Übersetzung sowie Wagners Dorothea Vischer. Sie ist eines der Vorbilder für Kindermörderin. die Laura-Oden in der Anthologie auf das Jahr Ende Juni erfährt Herzog Karl Eugen von Schil-
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    Volker Riedel Zwischen Elegie und Idylle Spannungen und Widersprüche in Schillers AntikebildJ I. Schiller sagt in seinem - laut Thomas Mann - »tiefsten und glänzendsten Essay« 2: »Der Dichter L . .J ist entweder Natur, oder er wird sie suchen. Jenes macht den naiven, dieses den sentimentalischen Dichter.« Der naive Poet könne sich auf die »Nachahmung des Wirklichen« beschränken und habe deshalb »zu seinem Gegenstand auch nur ein einziges Verhältnih«; Aufgabe des sentimenta­ lischen Schriftstellers hingegen sei »die Darstellung des Ideals«, und hierfür gebe es »drei L . .J möglichelJ Arten«: »Satyre, Elegie und Idylle«. Schiller verwen­ det hier Bezeichnungen für literarische Gattungen, die aus der Antike stammen und im 18. Jahrhundert noch in hohem Ansehen standen, betont aber mehr­ fach, dah er diese Bezeichnungen »in einem weitern Sinne L . .J als gewöhnlich« verstehen wolle: nämlich als »Empfindungsweise/nl« oder »Dichtungsweiselnk Der satirische Dichter schildere »die Entfernung von der Natur und den Wider­ spruch der \Virklichkeit mit dem Ideale«; der elegische Dichter setze »die Natur der Kunst und das Ideal der Wirklichkeit L . .J entgegen« und stelle dabei die »Natur« als »verloren« und das »Ideal« als >>unerreicht« dar; der idyllische Dich­ ter schliehlich gestalte die »Uebereinstimmung« zwischen Ideal und Realität (20,436-467) Schiller hat damit den in den drei literarischen Gattungen dominierenden Merkmalen eine übergreifende Bedeutung gegeben. Gewih treten die einzelnen künstlerischen Verfahrensweisen nicht rein auf und sollten deshalb nicht ver­ absolutiert werden - der Dichter selbst hat in seinen Werken diese Elemente durchaus miteinander vermischt Dennoch hat er - wie schon bei der grund­ sätzlichen Unterscheidung zwischen »naiver« und »sentimentalischer« Dichtung1 - heuristisch äuhcrst fruchtbare Distinktionen getroffen.
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