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cpo 777 432–2 Booklet Korrektur.qxp 06.05.2010 8:26 Uhr Seite 1 Carl Davidoff Cello Concertos 3 & 4 Wen-Sinn Yang Shanghai Symphony Orchestra Terje Mikkelsen cpo 777 432–2 Booklet Korrektur.qxp 06.05.2010 8:26 Uhr Seite 2 Carl Davidoff (1838–1889) Concerto for Violoncello & Orchestra 25'31 No. 4 op. 31 in E minor 1 Allegro 10'39 2 Lento 7'41 3 Finale. Vivace 7'11 Concerto for Violoncello & Orchestra 28'53 No. 3 op. 18 in D major 4 Allegro moderato 14'30 5 Andante 6'51 6 Allegro vivace 7'32 Terje Mikkelsen cpo 777 432–2 Booklet Korrektur.qxp 06.05.2010 8:26 Uhr Seite 4 Carl Davidoff Literatur für’s Violoncello, dessen Vertreter früher Rom- Cellokonzerte 3 & 4 berg, Duport u.A., später Servais, Davidoff, Popper u.A. sind, ist von noch weniger Bedeutung für die Kunst Pyotr Il’yich Tchaikovsky (1840–1893) »Was halten Sie von unserer jungen russischen Schu- im Allgemeinen als die der Violine,« heißt es beispiels- le?« – »Sie ist, im Instrumentalen, die Frucht des Einflus- weise bei Rubinstein, doch man überliest bereitwillig, 7 Nocturne op. 19 No. 4 4'03 ses von Berlioz und Liszt, mit Hinzufügung, für Clavier- wie sorgsam er zwischen der Virtuosität als Mittel und compositionen, Schumann’schen und Chopin’schen als Selbstzweck unterscheidet. Gesteigerte technische 8 Pezzo Capriccioso op. 62 6'39 Einflusses, dabei im Allgemeinen des reflectirten natio- Schwierigkeiten und Brillanz, die dem jeweiligen Instru- nalen Strebens. – Ihr Schaffen ist auch basirt auf voll- mente neues Leben einhauchten, seien durchaus 9 Andante cantabile 6'27 kommener Beherrschung der Technik und auf meisterli- berechtigt, weshalb man auch Künstler wie den Piani- chem Colorit – aber auch auf gänzlicher Abwesenheit sten Carl Tausig, den Geiger Henryk Wieniawsky, die T.T.: 71'39 der Zeichnung und auf vorherrschender Formlosigkeit. Sopranistin Pauline Viardot-Garcia und Carl Davidoff – Glinka, der einige Orchesterwerke über Volkslieder als letzte Vertreter einer echten Virtuosenzunft akzeptie- und Volkstänze geschrieben hat [...], zum Vorbilde neh- ren dürfte. Als »Frau von **« um eine Erklärung dessen Wen-Sinn Yang, Violoncello mend, schreiben sie auch meistens über Volkslieder und bittet, was sie sich unter »Virtuosenmusik« vorzustellen Volkstänze, documentiren dadurch ihre Armuth an eige- habe, versetzt Rubinstein: »Compositionen, in welchen Shanghai Symphony Orchestra nem Erfinden, bemänteln das aber mit dem Namen die ›Passage‹ als Persönlichkeit auftritt, – wo Glanz und ›Nationalkunst›, ›neue Schule‹ u.s.w.« Effekt selbst auf Kosten des musikalischen Inhaltes in Terje Mikkelsen Ein höchst bemerkenswertes kleines Buch, diese den Vordergrund treten ...« Unterredung, die Anton Rubinstein gegen Ende seines Und schon ist Carl Davidoff vom Vorwurf des reinen bewegten Künstlerlebens mit einer gewissen »Frau von Virtuosenkomponisten freizusprechen. Denn weder in **« über Die Musik und ihre Meister führte, voll prä- seinen vier Konzerten noch in dem Konzertallegro a- gnanter Definitionen, klar konturierter Anschauungen moll op. 11 erheben sich die Läufe, Sprünge und zur musikalischen Ethik und Ästhetik, dabei aber auch Kapriolen je wirklich zu Herren des Geschehens – ganz durchsetzt von mancherlei (selbsteingestandenen) Para- anders als etwa in dem exorbitant dahinsausenden doxa – und für unsere gegenwärtigen Zwecke auch Pezzo capriccioso op. 62, das Peter Tschaikowsky im insofern trefflich geeignet, als ausgerechnet Rubinsteins August 1887 komponierte und am 7. Dezember 1889 Attacke aufs hohle Virtuosentum uns praktisch alle nöti- in Moskau hat uraufführen lassen [Track 8]. Da ist die gen Mittel an die Hand gibt, um den neun Jahre jünge- Passage fürwahr Sinn und letzter Zweck der Vorfüh- ren Cellisten und Komponisten Carl Davidoff vom rung, wohingegen sie Davidoff immer ganz organisch Odium des rein spieltechnischen Neuerers und Genies in seine quasi symphonischen Architekturen integriert. zu befreien, das bis heute einer ernsthafteren Auseinan- Die Sorgfalt, mit der er seine Themen und Motive als dersetzung mit seinem beachtlichen Œuvre im Wege Hauptfiguren und -gedanken behandelt; die erfindungs- steht. reiche und überlegte, vielfach an deutsche Leitbilder Einmal getroffene Urteile wurden eben auch hier erinnernde Durchführungsarbeit; die ausgewogenen viel zu lange nachgebetet und zu selten überprüft: »Die Affektgehalte zwischen den jeweils drei Sätzen; und die 5 cpo 777 432–2 Booklet Korrektur.qxp 06.05.2010 8:26 Uhr Seite 6 Bemühung um den zyklischen Bogenschlag – all das Der erste der gewohnten drei Sätze bewegt sich in einer inmitten einer »Scène de concert« befinden, der es bei- tischen, zwischen 1886 und 1888 entstandenen Arran- sind unverkennbare Hinweise auf einen Charakter, der Sonatenform, wobei die Orchesterexposition in den leibe nicht um gleißnerische Artistik oder die wirksame gements zwar der Diktion des zwei Jahre älteren Kolle- etwas zu »sagen« hat und sicherlich Anton Rubinsteins beiden ersten Konzerten1) voll ausgeführt, in den hier Montage konzertanter Versatzstücke geht. Zu viele gen nahe, doch wem die Palme gebührt, mag jeder für spätes Credo unterschrieben hätte, demzufolge die vorliegenden Nummern 3 und 4 hingegen durch den Charaktere erscheinen aufs Stichwort wie die kleine rus- sich entscheiden – vielleicht ja erst nach näherem Kon- Instrumentalmusik »die Seele der Musik« sei. Diese deklamatorisch vorgezogenen Soloeinsatz abgekürzt sische Figur (3’45), von der Peter Tschaikowsky eine takt mit Davidoffs echten und pittoresken »Salonstüc- Seele, so heißt es weiter in der Unterredung, müsse wird – eine Variante, die mindestens bis zu Mozarts Kopie besessen haben muß; zu natürlich sind die dra- ken«, von denen das Duo Am Springbrunnen op. 20 »geahnt, gesucht, ergründet, gefunden werden«, wozu Jeunehomme-Konzert (KV 271) zurückgeht und damals matischen Steigerungen auch dann in den Verlauf ein- Nr. 2 bis heute das meistgespielte ist. der Masse jedoch die Geduld und das Sensorium fehle, längst auch bei Komponisten wie dem für Davidoff obli- gebettet, wenn es sich um »Importware« handelt (bei Im Vivace-Finale seines Opus 31 gibt Carl Davidoff weshalb sie in Scharen zur Oper dränge (oder sich, wie gatorischen Bernhard Romberg Einzug gehalten hatte. 4’20 klingt’s erneut nach reinstem Schumann); und zu seine bisherige Zurückhaltung auf, ohne aber in dem wir ergänzen dürfen, dem instrumentalen Blendwerk in An zweiter Stelle steht die stimmungsvolle Gesangssze- szenisch sind die radikalen Stimmungsumschwünge, die wilden, quasi slawischen Tanz den erzählerischen die Arme werfe). ne, und ein Sonatenrondo liefert den erwartungsgemäß rein formal nicht zu erklären wären: Wenn gegen Ende Faden oder die architektonischen Motive aus den Dem hier aufgestellten Ideal des schaffenden Musi- turbulenten Kehraus. des Satzes das dritte Thema in einer E-dur-Idylle auftritt, Augen zu verlieren. Der Schwung des »falschen« kers hätte Carl Davidoff in vielen seiner Werke entspro- Doch erstaunlich ist das Innenleben dieser Werke, über der sich jäh die Wolken verdichten (9’30), werden Orchestereinsatzes (auf C), die originell pochende chen. Er hielt sich, anders als Rubinstein, völlig von der die einen immer stärkeren Sog ausüben, je länger man wir wohl ein verstecktes Programm vermuten müssen. Pauke und die beiden gackernden Fagotte bereiten die Bühne fern, brach sein einziges Opernprojekt ab, bevor sich in sie versenkt. Und die Aufforderung dazu ist Auch mit seinen lyrischen Aufzügen kann sich Davi- Bühne für das Solo, in dem sich gleich zwei verwandte es sich materialisieren konnte, und wandte sich gegen unmißverständlich: Ein kräftiges, düster schmetterndes, doff hören lassen. Der langsame Satz des vierten Kon- Gedanken umschlingen, bevor nach kaum einer Minu- Ende seines recht kurzen Lebens den Regionen der gro- geradezu motto-artiges Thema der Hörner am Beginn zertes jedenfalls ist, wie nachher auch das entsprechen- te (0’50) das Orchester mit einem »all’ungarese« rhyth- ßen Kammermusik zu: Nach dem letzten der vier Cello- des e-moll-Konzerts, fortgesponnen durch eine vertrau- de Andante des zehn Jahre älteren Geschwisters, von misierten Thema nach vorne tritt, das allerdings schon konzerte entstanden das ausladende Streichsextett E- te Wendung, die wir probeweise als »Schumann beim einer derart erzählerischen Überzeugungskraft, daß vorher unmerklich den Cellisten begleitete, der sich dur op. 35, das Streichquartett A-dur op. 38 und das Wodka« untertiteln wollen – und schon stürzt sich Davi- man auch beim wiederholten Hören neugierig verfolgt, dann mit einer augenzwinkernden Kantilene präsentiert schon optisch massive, wiederum sehr breit angelegte doff ins Getümmel, das in immer neuen Schüben von wie die »Geschichte« um das punktierte Oktavsprung- (1’10), in der er sich durch einen koketten Sextsprung Klavierquintett g-moll op. 40. Das tut keiner, der die dem markanten Anfangsmotiv vorangetrieben wird, Motto denn wohl ausgehen werde: Das charakteristi- verführerisch einparfümiert – und schon sind wir erneut Meute bändigen oder pomadig »brillieren« will ... einem Leitgedanken, der das Allegro tatsächlich nach sche Motiv ist nicht nur die Formklammer, sondern auch in einer Durchführung (2’22), die nun mit einer beson- Betrachten wir nun die in seinen Werken handeln- Schumannschen Prinzipien durchzieht. Bei der Vorrede so etwas wie eine idée fixe, die weder im Piu moto (ab ders aufschlußreichen Wendung den Bogen zum zwei- den Figuren, so werden wir sicherlich den einen oder hält sich der Komponist des Werkes jedenfalls nicht 2’35) noch in der durchführungsartigen