Fjnsb 2006 3
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Neue Soziale FORSCHUNGSJOURNAL Bewegungen POPMODERNE UND PROTEST Musik zwischen Subversion und Aneignung Heft 3 – Oktober 2006 € 14,- Inhalt Forschungsjournal NSB, Jg. 19, 3/2006 1 EDITORIAL 75 Tagungsankündigung .................................................................................................................................... Unbeschreiblich weiblich? 2 Popmoderne und Protest Mädchen und junge Frauen in Musik zwischen Subversion Jugendkulturen und Aneignung 77 Tagungsankündigung ESSAY .................................................................................................................................... Bürgergesellschaft – 8 Norbert Seitz Wunsch und Wirklichkeit Eine Art ozeanisches Gefühl 82 Workshophinweis Nachbetrachtung zum neuen Konsumenten und Unternehmen Fußball-Patriotismus als Bürger THEMENSCHWERPUNKT .................................................................................................................................... 84 Alte Journalhefte zum Versandkostenpreis 13 Jürgen Reiche TREIBGUT Mythos Rock .................................................................................................................................... Politik und Rockmusik 85 Materialien, Notizen, Hinweise 20 Jörg-Uwe Nieland LITERATUR From Music to Politics or from Politics to .................................................................................................................................... 89 50 Jahre Bravo – 50 Jahre kommerziali- Music? sierte Jugendkultur 30 Alexander Zollondz (Stephanie Schmoliner) Hip Hop – durch Ausgrenzung zum Erfolg? 90 Eine Kulturgeschichte des Protestes in den Interview mit Hannes Loh und USA (Simon Teune) Murat Güngör 92 Feminismus in der Popmusik (Stephanie 39 Stephanie Schmoliner Schmoliner) Let’s riot – Riot Grrrls zwischen Feminismus, Subkultur und 93 Der Pudding bleibt nicht hängen – sozialer Bewegung Zur Zivilgesellschaft in Südostasien (Jan Rohwerder) 47 Christian Dornbusch/Jan Raabe RechtsRock 96 Soziale Ungleichheit und Geschlechterver- hältnisse im multi-ethnischen Zusammen- 54 Susann Witt-Stahl leben (Anja Löwe) Pop und Krieg – eine hemmungslose Eskapade 98 Gramsci und der Postanarchismus (Jens Kastner) PULSSCHLAG .................................................................................................................................... 99 ANNOTATIONEN 62 Rosemarie Reitsamer .................................................................................................................................... Who are the ‚Boyz in the Hood‘? Gewalt, 102 LITERATUR ZUM THEMENSCHWERPUNKT Geschlecht und Ethnizität in urban music .................................................................................................................................... Videoclips 104 AKTUELLE BIBLIOGRAPHIE .................................................................................................................................... 69 Gabriele Rohmann 108 ABSTRACTS Zwischen vielen Grenzen .................................................................................................................................... Jugendkulturen in Mexiko 112 IMPRESSUM .................................................................................................................................... 2 Forschungsjournal NSB, Jg. 19, 3/2006 Popmoderne und Protest Frage, was das Subversive, das Widerständige Musik zwischen Subversion und in der Musik ausmacht, wurde neu verhandelt. Aneignung Zwar war klar, dass Pop keine homogene Sache ist, die man gleichförmig diskutieren kann, aber Die bekannteste deutsche Jugendzeitung wird die politische Wirkungskraft wurde Pop nicht in diesen Tagen 50 Jahre. Alle feiern die Ju- abgesprochen. Aussagen wie ,Sag mir was du gendzeitschrift mit ihren Erinnerungen zwischen hörst, und ich sag dir wer du bist‘ verdeutlichen Popkultur und Pubertät. Und das Forschungs- den aktuellen Stand. Aber die Frage nach dem journal macht – ohne den Gedanken einer Re- ,Was‘ wurde bereits vor fünfzehn Jahren ge- miniszenz an die ‚Bravo‘ – ein Themenheft zu stellt. Schien die Popmusik der 1970er und Pop und Musik. 1980er Jahre noch eindeutiger politisch, ist die Pop, so lässt sich feststellen, ist heutzutage Frage nach explizit politischen Inhalten heute alles – und alles ist Pop. Überall ist von diesem schwieriger denn je. Aufforderungen im Stil schillernden Begriff die Rede und alles Neue, Bob Marleys mit ,Get up, stand up, stand up for alles kulturell Aufregende soll Pop sein: Von der your rights‘ waren der Soundtrack einer ganzen Harald Schmidt Show über Gerhard Schröders Generation. Musik wurde als ernstzunehmen- Neujahrsrede und Westerwelles Auftritt im Big des Medium in Bezug auf Identitätsgestaltung Brother-Container zur nächsten Kunstausstel- verhandelt. lung und dem neuen Literaturereignis. Und nichts Dass Pop als politisch wahrgenommen wur- scheint mehr ohne das wichtige Präfix auskom- de, hat nicht zuletzt mit damaligen Debatten zu men zu können: Man redet vom ‚Pop-Journalis- tun. Musik war für politische Inhalte attraktiv, mus‘, von ‚Pop-Malerei‘ oder von der ‚Pop- weil sie die herrschenden Diskurse unterstüt- Politik‘ der Berliner Republik. Nach der Post- zen konnte. Politik wurde als unübersichtlich moderne also die Popmoderne? Doch auch wenn und vielfältig verstanden, Musik konnte in sich Pop somit vom ‚musikrevoltierenden Kul- Schubladen eingeteilt werden. Verlässliche Orte, turelement‘ zum allgemeinen Ausdruck gewan- an denen man fand, was man suchte. delt hat und längst nicht mehr ausschließlich mit Der Grund für diese Wahrnehmung lag an musikalischen Mitteln besetzt ist, so soll es in den sich zunehmend etablierenden ,cultural stu- diesem Heft um Pop als musikalische Form ge- dies‘, einem Konzept, ,Kultur als Lebensweise‘ hen. Popmoderne und Protest – die Pop-Musik zu verstehen (Bonz 2002). zwischen Aneignung und Subversion. Die Kritische Theorie mit Adornos und Hork- heimers pessimistischen Thesen zur Kulturin- Cultural Studies vs. dustrie schien ausgedient zu haben, und mit neu- Kritische Theorie? en Ideen sollte die Funktion der Kultur in ge- Die Begriffskreation ‚Popmoderne‘ ist hier je- sellschaftlichen Transformationsprozessen un- doch kein Novum. Bereits in den 1990er Jahren tersucht werden. Bestand die Kritische Theorie machte die Zeitschrift ,links‘ ein gleichnamiges noch auf den Gegensatz Kultur – Ökonomie Heft und setzte bei der Frage nach ,dem Ende und deren Trennung, so wurde dieser Gegen- der Jugendkultur-Debatte‘ an. Sie griff die ge- satz in den cultural studies für untauglich er- rade so populären Diskussionen um die Mög- klärt. Man ging dazu über, alles, auch Kultur, lichkeiten politischer Codierung ästhetischer im ökonomischen, oder besser kapitalistischen Symbole auf. Damals wurden Ausdifferenzie- System zu verstehen. Die Kritik an dem Kultur- rungen in einigen Musikstilen immer deutlicher, verständnis der Kritischen Theorie und deren neue Identitätsmöglichkeiten entstanden und die Vertretern liegt größtenteils in der Theorie selbst. Editorial 3 Der von Adorno und Horkheimer geprägte Be- moderne-Heft‘ soll nicht nur einen Überblick griff ,Kulturindustrie‘ bezeichnet zunächst nur über aktuelle Zusammenhänge zwischen Bewe- die industrialisierte Produktion von Kultur in gungen und musiktheoretischen Auseinander- Form ihrer Güter. Doch der inflationäre Ge- setzungen bieten, sondern auch anschließen an brauch dieses Begriffes und dessen angebliche das Heft Jg. 8, 2/1995: Subkultur und Subver- ,Kampfkraft‘, beispielsweise bei den Studen- sion. Hier wurde der Zusammenhang von sub- tenprotesten der 1970er Jahre, war es, der die kulturellen Kontexten und Mobilisierungspro- Diskussionen zu den cultural studies brachte zessen untersucht und jugendliche Teilkulturen (Klein 1999). Zu Beginn der 1980er Jahre wur- abgebildet. Doch innerhalb der Musik haben de die Debatte um Kulturindustrie an einen lin- sich Stile vielfältiger entwickelt. Klassische ken Pop-Diskurs gekoppelt, was gleichzeitig Subkulturen finden sich kaum noch. Daher war dazu führte, den Ideen und Theorien einen poli- es an der Zeit, der Frage nachzugehen, welche tischen Anstrich zu geben. Es war die Frage Ressourcen für soziale Bewegungen in der Pop- nach dem Subversiven, und ob daraus folgend moderne denn noch zu finden sind? Popkultur nicht doch so große Werte wie Freiheit stehen ist heute eben alles. Underground oder Inde- können, die die Debatte formte. pendent als Gegensatz zum Mainstream greift Die SubkulturforscherInnen verorteten die heute so nicht mehr. Schließlich verkünden Kri- Kultur nicht mehr außerhalb kapitalistischer tikerInnen der Popkultur, dass Massenkultur Verhältnisse, sondern bewerteten diese als Ge- alles Subversive vereinnahmt. genkultur zum Mainstream innerhalb der öko- Und hier gelangen wir zu unserem Ausgangs- nomischen Verwertbarkeit – dort sollte das sub- beispiel. 50 Jahre Bravo zeigt auch die Geschichte versive Potential liegen, welches in Folge zu von 50 Jahren Popkultur, Kultur, die bestens einem besseren Leben führen könne. geeignet ist zur ökonomischen Verwertbarkeit. Doch auch hier schienen sich Hoffnungen, Selbst wenn 2006 der Künstler Peter Licht das die in die Musik gelegt worden sind, nicht zu ‚Lied vom Ende des Kapitalismus‘ als neue Lo- erfüllen. Die aktuellen Debatten um Pop unter- sung ausgibt: Alles wird verkauft. Vorbei sind scheiden daher wieder zwischen beiden Theo- die Zeiten, in denen der Inhalt als das wichtigste rien: Kritische Theorie vs. cultural studies – empfunden wurde und die musikalische