(Füllseite) Inhalt Editorial I So kann es gehen: Vor 20 Jahren schuf die DB mit dem Spruch "Alle reden vom Wetter. Wir nicht" einen heute zwar nicht mehr ver- Anhalter Bahnhof b wendeten, dennoch aber noch weithin bekannten Werbeslogan. Erinnerungen an den Berliner Fernbahnhof Zur Jahreswende 1996/97 bekam ihn die Bahn in Fernsehen und Die künftigen S-Bahn-Baureihen 423, 424, 425 und 426 Presse jedoch gleichsam um die Ohren gehauen. Minustemperatu- Neue Formen, neue Technik 16 ren um die 20" in ganz Deutschland und Eisregen in verschiedenen Altenhundem - Welschen-Ennest 20 Landesteilen führten teilweise zu kräftigen Zugverspätungen. Au- Schiebedienst auf der Ruhr-Sieg-Strecke ßerdem paßt es schlecht zum "Unternehmen Zukunft", wenn Die ICE-Familie wächst Fahrgäste eines ICE bei Baden-Baden stundenlang frierend im Rollout des ICE 2-Steuerwagens 26 mangels Oberleitungskontakt lahmgelegten High-Tech-Flitzeraus- Selb-Plößberg - Holenbrunn 28 Aufstieg U. Niedergang einer Fichtelgebirgsstrecke (Teil 2) harren müssen - eine Peinlichkeit, die bundesweit die Runde Frankreich: TGV Duplex 34 machte. Start des Doppelstock-TGV auf dem Sud-Est-Ast Bei Licht betrachtet, muß man der Bahn aber ein im großen und Hochgeschwindigkeitszügein Europa 37 ganzen gutes Zeugnis ausstellen - jedenfalls ein besseres als der Die Feldbahn im Torfwerk Faltermeier 38 Nachbarverwaltung SNCF. Für sie hieß es im Rhonetal einige Tage Bahn-Technik, Teil 4: lang "Rien ne va plus", frei übersetzt: "Alle Räder stehen still." Als Dieselelektrische Kraftübertragung 40 verkehrstechnischer Offenbarungseid darf der dortige Aufruf gel- Seltene Bahndienstfahrzeuge:Tunnelwagen 42 ten, wegen des Schienenchaos doch bitte nicht mit der Bahn zu fahren. I Bei der DB jedenfalls beschränkten sich die Pannen im wesentli- chen auf Fahrzeugausfälle (die durch Ersatzmaschinen zu bewäl- Die HO-Clubanlage des HMBC 70 tigen waren) und Verspätungen durch eingefrorene Weichen. Be- Anlage mit Faller-Car-System sonders häufig schlapp machte dem Vernehmen nach die über 30 Anlagenvorschlag nach Nürnberger Vorbild Mit Zug und Tram durch Nürnbergs Osten 76 Jahre alte, heruntergewirtschaftete BR 103. Sie mußte z.B. zwi- schen München und Nürnberg teilweise durch österreichische Sachsen-Renner par excellence 80 Sächs. I T und 111 b in HO von Kleinserienhersteller SEM 1044 ersetzt werden. Auch die Veteranen-Baureihe 110 mit ihren Unterhalb der Felsenburg 82 40 Dienstjahren kam so wieder zu IC-Ehren - und bewältigte ihre Eine große TT-Anlage im Korridor Aufgabe angeblich nicht einmal so schlecht. So hatten DB-Fahrgä- Nur eine Nebenstraße ... 88 ste ohne engen Terminplan vor allem unter Komforteinbußen zu HO-Kleindiorama eines Bahnübergangs leiden. Schuld war auch hier in vielen Fällen veraltete Technik: Fast alles Eigenbau! 89 Waggon-Heizungen kapitulierten vor der Kälte, Toiletten-Fallroh- v- '' Uberaus wirklichkeitsgetreue N-Module re froren zu und mußten ganz archaisch mit brennender Fackel Neue Bausätze: Weinerts BR 64 in HO 90 wieder aufgetaut werden. Unsere N-Einsteigeranlage wird aufgerüstet (7) 94 Daß Bahn und Bahnbenutzer zwischen Rhein und Oder relativ Quattro Stagioni 8: BahnsteigeIDrahtzugkanäle 98 glimpflich davonkamen, war freilich nicht so sehr der vielzitierten Brawas erste Ellok: die BR 242 der Reichsbahn in HO deutschen Tüchtigkeit oder robusterem Material zu verdanken. DR-Arbeitstier 102 Die Franzosen hatten einfach mehr Pech: Wie inoffiziell aus SNCF- Kreisen zu hören war, mißglückte ihnen zunächst ein Versuch, die von einem gut 10 cm dicken Eispanzer umgebenen Fahrleitungs- drähte durch Uberspannung freizuschmelzen - es habe sich ledig- Bahn-Notizen 45 lich ein hervorragend isolierender Luftkern innerhalb der Eisstan- Fachhändler-Adressen 50 ge um den Draht herum gebildet. Abschleppversuche mittels Die- Impressum 52 selloks hätten auch dort festgefrorene Weichen verhindert. Deren Bücherecke 53 Gasflaschen für die Weichenheizung habe man im Rahmen des Übersicht Über die Verlags-Neuheiten 54 Antiterrorismus-Programms "Vigi-Pirate" ausgebaut, weil sie für Jahres-Inhaltsverzeichnis 1996 57/67 Anschläge mißbraucht hätten werden können. Typenblatt: Baureihe 84 59 Besser hatte es also in jedem Fall, wer in diesen Tagen zu Hause Typenblatt: Baureihe 85 65 bleiben und seinem Hobby frönen konnte - beispielsweise der Schaufenster der Neuheiten 104 Modelleisenbahn. Diese Fraktion der Eisenbahnfans war vor Weih- Auto-Neuheiten 110 nachten ja noch mit einer erklecklichen Zahl von Neuheiten ver- Modellbahn-Notizen 110 wöhnt worden. Die wichtigsten davon haben wir für Sie getestet. Bahn-Post 111 Was dabei herausgekommen ist, lesen Sie in dieser Ausgabe. Mini-Markt 112 Ein kleines Lob wollen wir an dieser Stelle übrigens der Firma Piko zukommen lassen: Anstatt wie angekündigt dem Brawa-Modell Sonderfahrten und Veranstaltungen 121 der DR-Baureihe 242 einen "Zwilling" folgen zu lassen, präsentier- Titelbild: Winterdampf anno 1971: Mit einem Güterzug von te die Firma in diesen Tagen die Schwesterbaureihe E 11. Was die Lichtenfels nach Hof hat 050 599 gerade die Schiefe Ebene erklommen und fährt nun in den Bahnhof Marktschorgast ein. DR-Schnellzuglok als 1:87-Modell zu bieten hat, lesen Sie in der Abb.: J. Nelkenbrecher April-Ausgabe des Eisenbahn-Journals. Ihre EJ-Redaktion

5 * Eisenbahn-Journal 2/1997 A I" "1 11l r 9

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doch obpn im Sonnenschein wachst

Man kann sich mit eine Ladune oder eine useemusterte Lo otive nach der Station ‘Derlin Anhalter Dhfmhof’” bestellen, aber Fernfahrkartendorthin werden schm seit &er vier Jahrzenten nicht mehr verkauft. .. . Bild 4: Typische P 8 (Halle 2433) I,' . umi1914 am Anhalter Bahnhof. Vor dem Portikus erkennt man teilwhise die "Kommandobrücke" I

Berlin. Rund um den neuen Anhalter Bahnhof sie- viertel, der Berliner Wilhelmstraße, war es Bild 7: Eine delten sich zahlreiche Hotels der Gründer- nur ein Katzensprung. Deshalb kamen am Fahrkarte vom 20. Juli 1906. jahre an, darunter so bekannte Namen wie "Anhalter" schon zu Kaisers Zeiten häufig Wurde dem das "Excelsior" oder der "Habsburger Hof". die Sonderzüge mit den Mächtigen jener Käufer dieser Zum preußisch-deutschen Regierungs- Tage an. Fahrkarte zum Ab- schied ge- Bild 6: Ankunft in Berlin. Vom Askanischen Platz ging es per Droschke hinein ins Zentrum der winkt? Wer alten Reichshauptstadt (um 1910). Abb. 2 bis 6: Sammlung Gottwaldt weiß1 Er hat den "Anhalter" ' jedenfalls "erlebt". Abb.: sig. DTM

Ein Jahrzehnt nach der Eröffnung des An- halter Bahnhofs liefen auf seinen sechs Bahnsteiggleisen täglich 24 Schnellzüge, 27 Personenzüge sowie 85 Vorortzüge ein und aus. Die Anlage platzte schon zur i Jahrhundertwende aus allen Nähten. Die Königliche Eisenbahndirektion Berlin ver- legte daher ab 1. Dezember 1901 den i 1 Vorortverkehr von der Anhalter und der Dresdener Bahnstrecke in den Potsdamer 1.1 Ringbahnhof. Das machte den "Anhalter" noch mehr als zuvor zum verklärten "Feri- enbahnhof" für Süddeutschland und die 9 Eisenbahn-Journal U1997 E

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Alpenländer. Zünftige Hochzeitsreisen der Oberschicht in der zeitgenössischen Lite- ratur - etwa bei Theodor Fontane und bei Julius Stinde- begannenam Anhalter Bahn- hof und führten von dort nach , Basel oder Venedig. Vor dem Ersten Welt- krieg starteten von dieser Bahnstation auch der Nord-Süd-Brenner-Expreß nach Can- nes und Verona, der Ägypten-Expreß nach Neapel, der Tirol-Rom-Expreß, der Rivie- ra-Expreß nach Nizza und Ventimiglia so- wie der Marienbad-Expreß in die böhmi- schen Kurorte. Während des Ersten Welt- kriegs ging vom Anhalter Bahnhof ein Zweig des “Balkanzuges” in Richtung Konstanti- nopel ab. Bisher wurden die weiteren zwischen 1875 und 1880 errichteten Betriebsteile des An- halter Bahnhofs noch nicht genannt: der umfangreiche Anhalter Güterbahnhof mit Bild 9: Von einem Balkon des Europahauses geht der Blick entlang der Bahnsteighalle nach dem Kopfbau von Franz Schwechten am Süden, die Gleise der Anhalter Bahn hinunter. Abb.: H. Meyer Tempelhofer Ufer des Landwehrkanals, dazu das BahnbetriebswerkAnhalter Bahn- Bild 8 (oben): Im Zuge des Baues der Nord-Süd-Bahn war der “Anhalter” von den Bauarbeiten betroffen. Anderungen am Fundament waren notwendig, so nah kam die S-Bahn an den hof mit den beiden Halbrundschuppen für Schwechten-Bau heran. Abb.: Landesbildstelle Berlin 40 Lokomotiven von Paul Faulhaber an der 1

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Trebbiner Straße, und Dresdener Abstellbahnhof mit seinen weitläufigen Gleisharfenfür ganze Zuggar- nituren. Zusammen mit dem fast gleichgro- ßen Potsdamer Außenbahnhof war hier im Berliner Süden zwischen und Schöneberg eine kilometerbreitekeilförmi- ge Eisenbahnlandschaft entstanden, de- ren Ansicht von der 1902 erbauten Hoch- bahnstrecke mit dem Bahnhof “Gleisdrei- eck herab sich Generationen von Fahrgä- sten einprägte. Schon 1910 entstandenin dem stadtplane- rischen “Wettbewerb Groß-Berlin” allerlei Projekte, nach dem Vorbild der ost-west- lich verlaufenden Stadtbahnstrecke auch eine nord-südliche Durchmesserlinie für die Fernzüge der Eisenbahn zu errichten. Eine solche Tunnelbahn hätte die Anhalter und Potsdamer Bahnhöfe im Süden mit den Stettiner und Lehrter Bahnhöfen im Norden verbunden und wohl auch ersetzt. Auch in den Jahren der Weimarer Republik weils bis zu 60 000 Menschen vom Anhal- Ihre Realisierung unterblieb zwar infolge war der Anhalter Bahnhof, wenngleich in- ter Bahnhof ab. des Ersten Weltkriegs, doch der Plan ver- zwischen verrußt und verraucht, ein wich- Prominente Züge hatte der “Anhalter“ auch ankerte sich ziemlich fest in den Köpfen. tiges Ausfalltor der Stadt Berlin nach Sü- nach dem Ersten Weltkrieg noch aufzubie- den. An normalen Tagen benutzten 20 000 ten. Seit dem 3. Januar 1931 wurde wieder Personen seine Züge, an Ferientagen so- ein “Riviera-Neapel-Expreßder ISG vom gar 40 000 Reisende. Während der Leip- Anhalter Bahnhof abgelassen. Ab 15. Au- Ziger Messe fuhren um 1930 pro Tag je- gust 1935 verkehrte der Schnelltriebwa-

Bild 11 (oben): Eine Hallenser 03 und eine Wittenberger P 10 haben an ihre Züge gesetzt und warten auf Abfahrt. An den Puffertellern stehen die Zugnummern ihrer Leistungen. Bild 12 (Mitte): Ein Fernzug rauscht auf der Möckernbrücke über den Landwehrkanal in den “An- halter“. Oben die Hochbahn. Großstadtverkehr um 1935 am Schnittpunkt der vier Verkehrswege! Bild 10: Der Gleisverlauf der Fernstrecken von Halle, und Dresden hinein in den Perso- nenbahnhof des “Anhalters”.Abb. 10 und 11: Sammlung Gottwaldt; 12: H. Hartz

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