Ausland

Die Schimpansen-Methode USA Im Wahlkampf können die TV-Duelle zwischen und die Entscheidung bringen. Wie bereiten sich die Kandidaten darauf vor?

S R E T U E R

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M I J Kontrahenten Trump, Clinton: Streithahn gegen Staatsanwältin

86 DER SPIEGEL 35 / 2014 s ist nur eine Fernsehsendung, aber Howard Dean, der 2004 als Präsident - publikanischen Vizepräsidenten Richard eine, von der Hillary Clintons frühe - schaftsbewerber der Demokraten ins Ren - Nixon und John F. . Erer Berater Paul Begala sagt, sie wer - nen ging. „Ich habe meine Debatten da - Kennedy gewann nach Ansicht der Be - de aufsehenerregender als einst die Mond - mals mit vier oder fünf Leuten geplant, obachter, weil er – braun gebrannt aus dem landung. Es geht nur um eine Debatte, die meine Gegner gespielt haben.“ Er rät Urlaub zurückgekehrt – telegener wirkte. aber Donald Trumps Freund und Berater Clinton, sich auf wenige zentrale Themen Nixon hingegen begann im Studio zu Roger Stone erwartet, dass sie in einem zu fokussieren. „Das Publikum erinnert schwitzen, er wirkte ungepflegt. Zuhörer „Blutbad“ endet. sich am Ende höchstens an drei Punkte. am Radio, die die Kandidaten nicht sahen, Das Format ist in monatelangen Ver - Es darf nicht zu kompliziert werden.“ Um hatten jedoch einen gänzlich anderen Ein - handlungen bis in die letzten Details fest - dem Unbehagen vieler Menschen zu be - druck: Ihnen erschien der außenpolitisch gelegt worden, aber natürlich hat Trump gegnen, müsse sie sich von ihrer weichen bewanderte Nixon als Gewinner. Die Fern - das Ergebnis bereits als „manipuliert“ be - Seite zeigen. Sie sei „am besten, wenn sie sehbilder aber wirkten stärker. zeichnet. Die Raumtemperatur darf 19,5 über emotionale Themen wie Kinder re - 1984 musste Ronald Reagan die Frage Grad Celsius nicht überschreiten, Notizen det“, glaubt Dean. beantworten, ob er mit seinen 73 Jahren sind den Kandidaten in den anderthalb Wie unterschiedlich die Persönlichkeiten nicht zu alt für das Amt sei. Seine Antwort Stunden verboten. Das handverlesene Pu - der beiden Kandidaten sind, zeigt sich brachte selbst seinen Konkurrenten Walter blikum ist angewiesen zu schweigen, wenn nicht nur in den inhaltlichen Fragen, son - Mondale, damals 56, zum Lachen: Reagan Clinton und Trump an diesem Montag an dern auch darin, wie sie sich auf den Show - sagte schlagfertig, er wolle „die Unerfah - der Hofstra University in einem New Yor - down in der Universität vorbereiten. renheit meines Konkurrenten nicht aus - ker Vorort zur ersten von drei großen Fern - Clinton studiert seit Monaten dicke schlachten“ – und gewann die Wiederwahl. sehdebatten aufeinandertreffen. Transkripte von Trumps Reden, akribisch Die Debatten zwischen Clinton und Die Bedeutung der TV-Debatten ist und detailversessen, wie sie schon immer Trump fallen in eine Phase, in der sich für kaum zu überschätzen. Dies werden wohl Politik betrieben hat. Nur ein kleiner Kreis den republikanischen Kandidaten ein be - die wichtigsten Stunden im US-Wahl - von Vertrauten hat Zugang zu ihr, geführt reits verloren geglaubtes Rennen wieder ge - kampf, denn rund 20 Prozent der Wähle - wird ihr Team von Ronald Klain und Ka - öffnet hat. Trump konnte in den nationalen rinnen und Wähler geben an, sie hätten ren Dunn, zwei langjähri - Umfragen fast aller Institu - sich noch nicht entschieden. gen Helfern. te aufschließen; in wichti - In einer zersplitterten Mediengesell - Sie bereite sich auf die Umfrage gen Swing States wie Ohio, schaft zählen die Duelle zu den wenigen Debatten vor wie auf „Wen würden Sie wählen, Florida oder North Caroli - Gelegenheiten, bei denen die Kandidaten ein entscheidendes Bewer - wenn Sie die Wahl na ist der Ausgang kaum ungefiltert die kollektive Aufmerksamkeit bungsgespräch für einen zwischen Hillary Clinton vorherzusagen. Ein guter des Volks erfahren. Es kommt auf Körper - neuen Job, sagt ihr Spre - oder Donald Trump Auftritt kann die Weltpoli - sprache, Tonfall und Selbstvertrauen an – cher Brian Fallon. Sie wer - hätten?“ tik der nächsten Jahre ent - mehr noch als auf die Inhalte. Seine un - de „mit großer Ernsthaftig - scheidend beeinflussen. konzentrierte, übellaunige Performance in keit“ auftreten – und zu - 45,6 45,5 Für Trump liegt die wohl der ersten Debatte hätte gleich immer im Kopf ha - größte Herausforderung 2012 fast die Wiederwahl gegen seinen He - ben, dass Trump alles zu - Clinton paradoxerweise darin, we - rausforderer Mitt Romney gekostet. zutrauen ist. Notfalls wird niger Streithahn zu sein. Trump, der einstige Star der Fernseh - sie Angriffe scharf parieren. Er ist mit einem simplen, serie „The Apprentice“, weiß Kameras so Ihre Leute beschreiben sie aber brutalen Verhaltens - effizient wie kaum ein anderer Kandidat als „Staatsanwältin“. Trump muster erfolgreich gewor - für sich zu nutzen. Seine live übertragenen Trump hat ebenso dicke 43,4 den: Trump erniedrigt sei - Auftritte haben ihn populär gemacht, seine Ordner mit Material vorlie - 22. Sept. ne Gegner, er demütigt und einfache und oft vulgäre Sprache funktio - gen, aber, so heißt es jeden - 42,8 dominiert sie. Sein Verhal - 8. Sept. Quelle: realclearpolitics.com; niert gut im Fernsehen, wenn es darum falls in seinem Umfeld, er Durchschnittswerte aus ten, sagt die Anthropologin geht, potenzielle Protestwähler zu errei - lese sie kaum. Stattdessen Umfragen vom 8. bis 22. September; und Primatenforscherin chen. Aber er muss sich gleichzeitig präsi - lädt er seine Berater auf Angaben in Prozent Jane Goodall, gleiche dem diabel geben und darf sich keine Patzer seinen Golfplatz in New Dominanzverhalten männ - leisten. Jersey zum Plausch bei Cheeseburger, Hot - licher Schimpansen, die randalierten, um Für Clinton birgt das erste politische dogs und Coca-Cola. ihre Nebenbuhler einzuschüchtern. Aufeinandertreffen mit Trump viele Risi - Zur Golfplatzrunde zählen der frühere Mit der Schimpansen-Methode demü - ken. Nach ihrem Zusammenbruch am 11. Bürgermeister von New York, Rudy Giu - tigte Trump im Vorwahlkampf seine inner - September ist sie eine Wahlkämpferin auf liani, die konservative Radiomoderatorin parteilichen Rivalen, indem er sie „Niedri g- Bewährung. Das Publikum wird ihr Kos - und der ehemalige Chef energie-Jeb“, „kleinen Marco“ oder „Lü - tüm, ihr Make-up und ihre Gesten genau des Fernsehsenders , Roger Ailes. gen-Ted“ schimpfte. Trump betrachte sich beobachten, sie darf sich keine weitere Trump, sagt seine Kampagnenmanagerin in den Debatten „als Publikumsliebling im Schwäche leisten. Clinton muss dem Pro - Kellyanne Conway, sei der „X-Faktor“, römischen Kolosseum oder bei WrestleMa - vokateur Trump standhalten und dabei zu - sein Auftritt für alle unvorhersehbar. Sein nia“, sagt sein ehemaliger Berater Sam gleich versuchen, das Misstrauen zu zer - Freund Stone nennt ihn einen „Streithahn“. Nunberg. Aber kann diese Strategie auch streuen, das viele Amerikaner gegen sie Die Staatsanwältin gegen den Streit - gegen Clinton funktionieren? hegen. Sie muss stark wirken, aber auch hahn, das also ist die Schlachtordnung. Das Trumps größtes Problem bestehe darin, warmherzig. Sie habe schon an vielen De - Aufeinandertreffen der beiden setzt eine dass er als Macho dastehe, dem die Men - batten teilgenommen, sagt Clinton, aber amerikanische Tradition fort, die seit mehr schen zwar Durchsetzungsstärke attestier - diese sei „die wichtigste von allen“. Wie als einem halben Jahrhundert besteht und ten, aber nicht den Posten im Weißen Haus bereitet man sich darauf vor? schon so manchen Wahlkampf entschei - zutrauten, sagt der demokratische Berater „Man muss wahnsinnig viel üben“, sagt dend gedreht hat. 1960 kam es erstmals zu Tad Devine, der den Demokraten Bernie der ehemalige Gouverneur von Vermont, einem TV-Duell, damals zwischen dem re - Sanders vor den Debatten gegen Clinton

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trainiert hatte. Die Menschen sehen in verän: „Die Frauen haben sehr genau ge - Clinton wählen, in den Umfragen führt sie Trump zu sehr den Schimpansen und zu hört, was Mr Trump gesagt hat.“ Trump mit bis zu 14 Prozent. „Für Trump darf wenig den Präsidenten. stand auf der Bühne wie ein Schuljunge, sich eine Situation wie mit Kelly nicht wie - Der Wahlforscher Douglas Schoen ver - den die Lehrerin vor der Klasse gemaß - derholen“, sagt der Demoskop Douglas gleicht Trumps Situation mit Reagans Auf - regelt hatte, er lief rot an und nahm seine Schoen. „Er braucht die Frauen. Allein mit tritt 1980, der als Außenseiter gegen den Worte zurück. Der Dialog zählt zu den der Unterstützung weißer Männer aus der damaligen Präsidenten Jimmy Carter an - Glanzmomenten des Wahlkampfs. Mittel- und Arbeiterklasse kann er nicht trat und die Leute davon überzeugen muss - Die zweite Szene betraf ein Interview Präsident werden.“ te, dass er als Exschauspieler das Land füh - mit der Fox-Moderatorin , Auf dem Golfplatz haben seine Berater ren könne. „Für Trump kommt es darauf der Trump mehrfach grobe Beleidigungen deshalb Verhaltensweisen mit ihm trai - an, über den Dingen zu stehen, er darf um die Ohren gehauen hatte. So verbrei - niert, die normalerweise im trumpschen sich nicht in einen Kleinkrieg vor laufender tete er via Twitter eine Beschimpfung, in Repertoire nicht vorgesehen sind: Mäßi - Kamera verwickeln lassen.“ Und der ehe - der sie „Bimbo“ genannt wurde. Kelly gung und Zurückhaltung. In den Runden malige republikanische Präsidentschafts - fragte Trump, warum er so hart über sie warfen sie ihm Beschimpfungen an den kandidat Bob Dole, der 1996 gegen Bill getwittert habe. Trump lachte und ant - Kopf, sie provozierten ihn, aber zwangen Clinton antrat, hat Trump in einer Mail wortete: „Sie wären verblüfft, was für ihn, ruhig zu reagieren. Er soll ein cooles einen Tipp gegeben: Das Wichtigste sei, Sachen ich nicht retweetet habe.“ Kelly Bild vermitteln: Trump, der Souveräne. dass er „aufhört zu schreien“. Dole ist setzte nach: „Und Bimbo?“ Ein sichtlich Zugleich solle er hart in der Sache argu - überzeugt, dass Trump aus den Fehlern verlegener Trump entschuldigte sich vor mentieren, bei der Einwanderungspolitik etwa, bei der er versuchen wird, Clinton als naiv darzustellen. Seine Leute hoffen, dass Trump auch die Furcht vor Terroristen in die Hände spielt, befördert durch den Anschlag vom vergangenen Wochenende, als ein Einwanderer aus Afghanistan meh - rere Bomben in New York und New Jersey legte, 35 Menschen wurden verletzt. Der ehemalige Gouverneur von New Hampshire, Judd Gregg, der George W. Bush als Sparringspartner auf dessen Auf - tritte vorbereitete, glaubt allerdings, dass die Inhalte nur eine untergeordnete Rolle spielen werden: „Alles dreht sich um die Präsentation.“ Gregg hatte für Bush 2000 den Demokraten Al Gore simuliert, er er - F

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T auf Bush zukam, lächelte der nur und igno - Moderatorin Kelly: Trump ist auf die Frauen angewiesen rierte ihn. Gore stand verloren im Studio, die Attacke verpuffte. der vergangenen Monate gelernt hat: „Er laufender Kamera. Kelly hatte ihn auf ein Zu den in Washington am heißesten dis - hat verstanden, dass er sich um das höchste Terrain gezwungen, auf dem er nicht do - kutierten Fragen zählt, wie die beiden Kan - Amt im Staat bewirbt.“ minieren konnte, sondern zurückweichen didaten, die mit 68 und 70 Jahren nicht Hinzu kommt ein Faktor, dessen Ein - musste. mehr die Jüngsten sind, mit dem straffen fluss auch erfahrene Debattentrainer kaum Trump mag zwar grobschlächtig auftre - Ablauf zurechtkommen. Geplant sind vorhersehen können: Es ist das erste Prä - ten, aber anders als bei männlichen Kon - sechs Themenblöcke von jeweils 15 Minu - sidentschaftsduell in der amerikanischen trahenten schwankt er bei Frauen zwi - ten Dauer, ohne Werbung, unterbrochen Geschichte, bei dem eine Frau auf der Büh - schen Beleidigungen und dem Versuch, ga - nur durch Fragen der Moderatoren. ne steht. Für Trump macht es das nicht lant zu erscheinen. Er agiert bösartig aus In den Vorwahldebatten, als bis zu elf leichter. Seit dem Beginn seiner Kampagne der Distanz, aber zurückhaltender im Nah - Bewerber auf der Bühne standen, konnte im Juni 2015 gab es vor allem zwei Situa - kampf. „Bei zu offensiven Attacken gegen Trump sich manchmal entspannen. In den tionen, in denen er schwach aussah – und Clinton geht Trump ein großes Risiko ein“, Werbepausen ließ er sich mitunter von sei - beide hatten mit Frauen zu tun. sagt Demokratenberater Tad Devine. „Er nem Wahlkampfmanager briefen. Im Vorwahlkampf hatte Trump über sei - darf sie nicht so angreifen, dass es körper - Und Hillary Clinton ist bekannt für ihre ne Kontrahentin Carly Fiorina auf diese lich wirkt oder bedrohend, das fällt auf schwache Blase: Während der Fernseh- unnachahmlich böse, ungenierte Trump- ihn zurück.“ debatten mit ihrem Rivalen Bernie Sanders Art gelästert, die sich kein Politstratege Für Trump könnte der Eindruck, den er nutzte sie gelegentlich die Werbeunter- ausdenken kann: „Schauen Sie sich dieses bei Frauen hinterlässt, wahlentscheidend brechungen, um kurz zu verschwinden. Gesicht an, würde irgendjemand für dieses sein. Denn Männer würden Trump zwar Diesmal werden beide 90 Minuten lang Gesicht stimmen?“ zum Präsidenten küren, in den Umfragen durchhalten müssen. Aber Fiorina, in der nächsten Fernseh - liegt er mit rund zehn Prozent in Führung. Gordon Repinski, Holger Stark debatte darauf angesprochen, konterte sou - Frauen aber würden mit großer Mehrheit Twitter: @GordonRepinski, @holger_stark

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