Die Darstellung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes im Geschichtsunterricht der Zweiten Republik

Vergleichende Analyse in Österreich zugelassener Schulbücher und Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe II

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

eines Magisters der Philosophie (Mag. phil.)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

Vorgelegt von

Gregor Weissensteiner

am Institut für Geschichte

Begutachter: Univ.-Dozent Dr. Martin Moll

Graz, Juni 2018

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

2

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich einigen Menschen danken, die mich während meines Studiums unterstützt haben.

Herr Univ.-Dozent Dr. phil. Martin Moll: Danke für die großartige Betreuung meiner Diplomarbeit!

Viola: Danke, dass du meine schlechten Launen erträgst und mit mir meine guten genießt.

Mama und Papa: Danke, dass ihr mich immer unterstützt und mir den richtigen Weg zeigt.

Dank gilt auch allen anderen Wegbegleitern, die mir meine Studienzeit verschönert haben.

3

Zusammenfassung:

Diese Diplomarbeit befasst sich mit der Darstellung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in den Geschichtsbüchern für die Sekundarstufe II der Zweiten Republik in Österreich. Dabei wird versucht, Veränderungen in der Darstellung dieser Phase der österreichischen Geschichte auf politische, gesellschaftliche oder auf fachdidaktische Gegebenheiten zurückzuführen. Im ersten Schritt wurden die zahlreichen Kontroversen, welche die Geschichtswissenschaft zum Dollfuß-/Schuschnigg-Regime beschäftigen, in groben Zügen wiederzugeben. Besonders die Diskussion, ob das Regime dem Faschismus zuzuordnen ist und wie die Abgrenzung zu ungleich grausameren Regimen wie jenem des italienischen Faschismus oder des Nationalsozialismus zu treffen ist, wird in den Fokus gefasst. Das für die großkoalitionär geprägte Zweite Republik emotionale Thema der Februarkämpfe von 1934 wird mit Blick auf die aktuelle Geschichtswissenschaft und auf ältere Standardwerke zu diesem Thema beleuchtet. Desweiteren wurde eine Erläuterung des Mediums Schulbuch und dessen Bedeutung für Politik, Gesellschaft und Schule vorgenommen. Das Zusammenspiel zwischen Schulbüchern und Lehrplänen nimmt dabei bedeutenden Raum ein – dazu wird auch die Entwicklung der Lehrpläne für den Geschichtsunterricht an der Sekundarstufe II im Laufe der Zweiten Republik verdeutlicht, um die Schulbuchanalyse darauf aufzubauen. Bei dieser wird eine vergleichende Schulbuchanalyse im Sinne von Werner Wiater vorgenommen, wobei nicht Bücher aus unterschiedlichen geographischen Räumen sondern aus unterschiedlichen Zeitspannen miteinander verglichen werden. Es wurden formale Aufbereitung, Sprache und vor allem die Darstellung der Kontroversen untersucht und verglichen. Die formale Darstellung entwickelt sich von durchgehenden Sachtexten zu heterogenerem Aufbau (Sachtexten, Quellen, Bildern). Zu den Kontroversen fällt vor allem auf, dass diese vor 1970 kaum in den Lehrbüchern behandelt wurden, dann jedoch immer mehr in den Fokus gerückt wurden.

4

Abstract:

This thesis deals with how the Dollfuß/Schuschnigg-Regime is portrayed in Austrian schoolbooks for secondary school II of the Second Republic of . It is attempted to show how changes in the depiction of this stage of Austrian History can be traced back to political, social or didactical conditions. In a first step the several controversies related to the Dollfuß/Schuschnigg-Regime, which task the science of history, are described in broad outline. In particular, the discussion whether the regime can be correlated to Fascism and how it can be distinguished from other more barbaric fascist regimes, like Italian Fascism or National Socialism, will be focused. For the Second Republic of Austria, which for decades was governed by “big coalitions”, the bloody fights of February 1934 were an emotional topic. Thus, this is also discussed with a look on the newest publications and older standard references. Furthermore, this thesis contains a portrayal of schoolbooks and their political, social and didactic relevance. The relationship between schoolbooks and the curriculum will take a major part in this analysis; therefore, the development of the curriculum for history lessons in the course of the Second Republic of Austria for secondary school II is portrayed in order to base the analysis of schoolbooks on it. This analysis is a comparative analysis of schoolbooks in the sense of Werner Wiater, however, the schoolbooks do not differ in a geographical sense but timewise. The thesis continues with a look at the formal and linguistic characteristics of the schoolbooks and (above all) at the depiction of the main controversies. It is shown that the topic’s formal presentation developed from a continuous text to a heterogenic layout consisting of text, primary sources and pictures. Concerning the historiographical controversies, it is remarkable that these are barley being considered in the books before 1970, but after that they are increasingly portrayed.

5

Inhalt 1 Einleitung ...... 8

2 Der historische Kontext ...... 10

2.1 Die Faschismuskontroverse ...... 10

2.2 Die Eckpunkte des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes ...... 15

2.2.1 Die Konstituierungsphase ...... 15

2.2.2 Die Konsolidierungsphase ...... 22

2.2.3 Niedergang und Anschluss ...... 24

2.3 Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in der Politik der Zweiten Republik ...... 28

2.3.1 Die Rolle der „Austro-Fascists“ in der Entfaschisierung ...... 28

2.3.2 Opferschutz und Rückgabegesetz ...... 30

2.3.3 Rehabilitierung und Aufhebung ...... 31

2.4 Fazit ...... 34

3 Das Schulbuch ...... 35

3.1 Definition ...... 35

3.2 Bedeutung und Funktion ...... 38

3.3 Arten von Schulbüchern ...... 40

3.3.1 Lehr- und Lesebücher im traditionellen Sinn ...... 40

3.3.2 Das Arbeitsbuch...... 41

3.3.3 Lesebuch und Arbeitsbuch kombiniert ...... 41

3.3.4 Vernetzte Schulbücher ...... 42

3.4 Der Forschungsstand ...... 42

3.5 Forschungsansätze und Forschungsschwerpunkte ...... 46

3.6 Anforderungen an und Wirkung von Schulbüchern ...... 49

3.7 Zulassungsverfahren ...... 51

3.8 Lehrpläne ...... 53

3.8.1 Lehrpläne allgemein ...... 53

3.8.2 Die Verbindung zwischen Lehrplan und Schulbuch ...... 55

6

3.8.3 Die Lehrplanentwicklung zum Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime ...... 56

4 Methodik und Analysegegenstand ...... 61

4.1 Der Analysegegenstand ...... 61

4.2 Die Methodik ...... 62

5 Die Analyse ...... 65

5.1 Der Zeitraum 1945 bis 1970 ...... 65

5.2 Der Zeitraum 1970 bis 1989 ...... 67

5.2.1 Geschichte und Sozialkunde – Lern- und Arbeitsbuch ...... 67

5.2.2 Geschichte für die Oberstufe ...... 71

5.2.3 Zeiten Völker und Kulturen ...... 74

5.3 Der Zeitraum 1989 bis 2002 ...... 77

5.3.1 Zeitbilder ...... 78

5.3.2 Aus Geschichte Lernen ...... 81

5.4 Schulbücher seit 2002 ...... 85

5.4.1 Durch die Vergangenheit zur Gegenwart ...... 85

5.4.2 Zeitbilder 7...... 88

5.4.3 Zeitfenster ...... 91

6 Ergebnisse und Schlüsse ...... 94

6.1 Relevanz ...... 94

6.2 Themensetzung und Personenschwerpunkte ...... 96

6.3 (Begriffs-)Kontroversen ...... 99

7 Fazit ...... 102

8 Bibliographie...... 103

8.1 Schulbücher/Primärliteratur ...... 103

8.2 Sekundärliteratur ...... 105

8.3 Lehrpläne und Gesetze ...... 111

8.4 Onlinequellen ...... 112

7

1 Einleitung Jeder österreichische Bürger und jede österreichische Bürgerin kommen unweigerlich in engen Kontakt mit Schulbüchern – sie prägen die Schulzeit jedes und jeder Lernenden. Vor allem das Fach Geschichte gilt als eines jener Fächer, die am intensivsten auf das Lehr- und Lernmittel Schulbuch zurückgreifen. Dies wirft die Frage auf, welches Wissen den Weg in approbierte Schulbücher findet. Schulbuchwissen gilt als staatlich institutionalisiertes Wissen und spiegelt gesellschaftliche Bedingungen wider. Das macht Schulbücher zu einer wertvollen und aussagekräftigen historischen Quelle. Diese Quelle soll in dieser Arbeit in Bezug auf ein bedeutendes Stück österreichischer Geschichte analysiert werden: das Dollfuß/Schuschnigg-Regime von 1933 bis 1938. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime war in der Zweiten Republik ein kontrovers diskutiertes historisches Thema, das stets in einem politischen Spannungsfeld zwischen den beiden Großparteien ÖVP und SPÖ stand und steht. Helmut Konrad spricht in diesem Zusammenhang treffend von „politisch vermintem Gelände“.1 Sowohl wissenschaftlich als auch politisch wurde die Endphase der Ersten Republik ab 1933 vom für Österreich und Europa prägenderen Nationalsozialismus überschattet. Folglich erhielt das Dollfuß/Schuschnigg-Regime auch in den Lehrplänen und Schulbüchern der Zweiten Republik weniger Raum als die große Katastrophe des 20. Jahrhunderts: der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg. Doch gerade aufgrund der zweifachen Narration, jener der Volkspartei und jener der Sozialdemokratie, die sich allerdings im Lauf der Zweiten Republik immer weiter einander angeglichen haben, lohnt es sich zu analysieren, wie dieses Thema in den Geschichtsbüchern nach 1945 dargestellt wurde. Um die vereinfachende Darstellung in Schulbüchern analysieren und interpretieren zu können, braucht es zuvor eine Erläuterung des historischen Kontexts, der für die Lernenden der Sekundarstufe mittels des Mediums Schulbuch aufbereitet wird. Danach wird eine genauere Betrachtung des Mediums Schulbuch vorgenommen, um dessen Bedeutung für Gesellschaft, Politik und Schule darzustellen. Im dritten Teil soll eine vergleichende Analyse von neun ausgewählten Schulbüchern, die während der Zweiten Republik im Unterricht eingesetzt wurden, vorgenommen werden. Im Zentrum wird dabei vor allem die Frage stehen, ob und inwieweit politische Gegebenheiten die Darstellung dieses Themas in den Schulbüchern

1 Helmut Konrad (2014): 1933/34 in der Geschichtswissenschaft. In: Werner Anzenberger/Heimo Halbrainer (Hg.). Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz. Clio. S. 38. 8

beeinflussen oder ob die festgestellten Veränderungen lediglich durch fachdidaktische Entwicklungen und Erkenntnisse der Geschichtswissenschaft zu erklären sind.

9

2 Der historische Kontext Bei der Darstellung des historischen Kontexts werden folgende Punkte hinsichtlich ihrer Betrachtung in der Geschichtswissenschaft zentral behandelt: die Kontroverse um die begriffliche Einordnung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes, die Ausschaltung des Parlaments 1933, die Februarkämpfe 1934 und die Frage, welche Rolle das Dollfuß/Schuschnigg-Regime im Zusammenhang mit dem letztlich gescheiterten Kampf gegen den „Anschluss“ an das nationalsozialistische Deutschland gespielt hat.

2.1 Die Faschismuskontroverse

Das Kontroverse rund um die Jahre 1933 bis 1938 beginnt schon mit der Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten – insbesondere des Begriffs Faschismus. Die Geschichtswissenschaft ist sich bis heute nicht vollends darüber einig, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime als Faschismus eingestuft werden kann. Auf sozialdemokratischer Seite hatte schon in seinem Schreiben an Josef Stalin vom 15. April 1945 (ohne eine Unterscheidung zu treffen) von der „Herrschaft des Dollfuß- und Hitlerfaschismus“ gesprochen.2 Dies wurde auch politisch seitens der Sozialdemokratie verwendet, indem man beispielsweise 1945 Wahlplakate mit dem Slogan „11 Jahre Faschismus“ (Abbildung 1)3 versah, wodurch man wie Renner das Dollfuß/Schuschnigg-Regime mit dem nationalsozialistischen Hitlerregime quasi gleichsetzte. Dies mag politischer Strategie geschuldet gewesen sein, es eröffnete aber die Faschismusdiskussion in der

Geschichtswissenschaft. Abbildung 1

2 Vgl. Helmut Wohnout (2014): Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus. Anmerkungen zur österreichischen Kanzlerdiktatur 1933/34-1938. In: Werner Anzenberger/Heimo Halbrainer (Hg.). Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz. Clio. S. 20. 3 https://rotbewegt.at/#/epoche/1945-1955 [30.1.2018]. 10

Den Begriff „Austrofaschismus“ prägte vor allem der Historiker Emmerich Talos, der auch ein gleichnamiges Werk verfasste.4 Das bürgerliche ÖVP-nahe Lager verwendete eher Begriffe wie „autoritärer Ständestaat“ zur Charakterisierung des Regimes von Engelbert Dollfuß und . Daran, dass es sich um ein diktatorisches Regime handelte, besteht zumindest innerhalb der Geschichtswissenschaft kein Zweifel mehr. Werner Anzenberger unterstützt hier Helmut Wohnouts Beschreibungen als „Regierungsdiktatur“ oder „Kanzlerdiktatur“, wobei Letzteres treffender ist, da der Bundespräsident in der Realverfassung keine Rolle spielte und sich der Herrschaftsanspruch in der Person des Kanzlers manifestierte. Auch der ehemalige Vorsitzende der ÖVP, Reinhold Mitterlehner, verwendete diesen Begriff anlässlich der 70-Jahr-Feier seiner Partei. Die Bezeichnung Kanzlerdiktatur schließt jedoch den Faschismus nicht aus, da ja auch das NS-Regime in Deutschland als solche bezeichnet werden kann und unstrittig einen faschistischen Charakter aufwies.5 Stanley Payne weist darauf hin, dass die grundsätzliche Definition des Begriffs Faschismus sich schon sehr schwierig gestaltet und der Terminus ein häufig verwendetes politisches Schimpfwort ist, das mit den Eigenschaften „gewalttätig“, „brutal“, „repressiv“ oder „diktatorisch“ assoziiert wird, was jedoch keine ausreichende Definition darstellt, da dadurch kommunistische Regime wie jenes von Stalin als faschistisch bewertet werden müssten.6 Payne versucht daher eine genauere Definition zu formulieren, die hier als Orientierung herangezogen wird. Ideologisch tritt der Faschismus für eine idealistische, vitalistische und voluntaristische Philosophie ein, verbunden mit dem Versuch eine moderne, säkulare Kultur zu schaffen. Man will einen neuen nationalistischen autoritären Staat schaffen, der wahlweise als nationalkorporativistisch, nationalsozialistisch oder nationalsyndikalistisch bezeichnet werden kann. Krieg und Gewalt werden in der faschistischen Ideologie positiv bewertet und man strebt in der Regel Expansion an. Abgelehnt werden vom Faschismus der Liberalismus, der Konservatismus und der Kommunismus. Faschismus definiert sich auch durch den Versuch der Massenmobilisierung und Militarisierung. Es wird eine Art politische Liturgie mit emotionalen und mystischen Aspekten geschaffen. Männlichkeit und

4 Vgl. Emmerich Talos/Wolfgang Neugebauer (Hg.) (2014): Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933- 1938. Wien. Lit. 5 Vgl. Werner Anzenberger (2017): Die österreichische Diktatur – ein faschistisches Gewaltregime? In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 42. 6 Vgl. Stanley Payne (2001): Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung. Berlin. Propyläen. S. 11. 11

Verherrlichung der Jugend sind ebenfalls als Stilmittel des Faschismus zu nennen. Ein weiteres zentrales Merkmal ist die spezifische Neigung zu einem autoritären, charismatischen, persönlichen Stil der Befehlsgewalt – also das Führerprinzip. Paynes Definition ist eher deskriptiv und will keine streng verdinglichten Kategorien aufstellen, sondern lediglich der vergleichenden Analyse dienen.7 Payne unterscheidet außerdem drei Gesichter des autoritären Nationalismus: Faschismus, radikale Rechte und konservative Rechte. In Bezug auf Österreich führt er nur die NSDAP als faschistisch an, kategorisiert die Heimwehr als radikale Rechte und die Christlichsoziale Partei sowie die Vaterländische Front (VF) als konservative Rechte.8 Talosʼ Befund, dass die Kategorisierung „Austrofaschismus“ gerechtfertigt sei, fußt hauptsächlich darauf, dass dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime ein weitgehend einheitliches ideologisches Konzept zugrunde liege. Hierbei berücksichtigt er laut Wohnout zu wenig, dass es sich beim Dollfuß/Schuschnigg-Regime um ein Konglomerat verschiedener, teils rivalisierender Gruppierungen handelte, aus welchem eine Koalition zwischen der Christlichsozialen Partei und der Heimwehr mit teilweiser Einbindung des Landbunds resultierte.9 Gerhard Botz versucht die Faschismusfrage genauer zu beantworten, indem er das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in vier Abschnitte gliedert und einzeln dahingehend untersucht. Er teilt wie folgt ein: 1. Phase der parlamentarischen Regierung (bis März 1933), 2. Phase der Halbdiktatur und zunehmenden partiellen Faschisierung (bis Jänner/Februar 1934), 3. Phase der halbfaschistisch-autoritären Diktatur (bis etwa Oktober 1935) und 4. Phase der partiellen Defaschisierung, der bürokratischen Erstarrung und eines begrenzten Verbände-Pluralismus (bis März 1938).10 In der dritten Phase erscheinen die faschistischen Tendenzen am stärksten ausgeprägt gewesen zu sein. Auf dem Höhepunkt der Einwirkung von Benito Mussolini auf die österreichische Innenpolitik musste Dollfuß dem Heimwehrminister temporär alle staatlichen Gewaltmittel überantworten. , der sich besonders auf ehemalige kaiserliche Offiziere stützte, gelang es, die gesamte Polizei und Gendarmerie, einschließlich des Sicherheitswesens und der halboffiziellen, meist aus Heimwehrmitgliedern gebildeten Hilfspolizeiformationen, zu kontrollieren. Nur Dollfuß‘ geschicktes gegenseitiges Ausspielen der Rivalen Fey und Ernst Rüdiger Starhemberg konnte

7 Vgl. ebda. S. 15. 8 Ebda. S. 28. 9 Vgl. Wohnout (2014): Ständestaat. S. 35. 10 Vgl. Gerhard Botz (2017): „Christlicher Ständestaat“: Austrofaschismus oder autoritäre Diktatur? In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 15. 12

Feys weiteres machtpolitisches Vordringen stoppen. Diese Taktik führte Kurt Schuschnigg nach Dollfuß‘ Ermordung fort. Dadurch kommt Botz auch für diese Phase zu keiner klaren Faschismuskategorisierung, sondern spricht von einer halbfaschistischen autoritären Diktatur.11 Einen massiven Kritikpunkt an einer klaren Kategorisierung als Faschismus stellt der Pluralismus dar, den es zumindest in eingeschränkter Form in Österreich zwischen 1933 und 1938 gab. Als Beleg hierfür kann das Verhältnis zwischen Kurt Schuschnigg und Ernst Rüdiger Starhemberg gesehen werden. Schuschnigg, der aus der Christlichsozialen Partei kam, und Starhemberg als Repräsentant der Heimwehren teilten sich nach Dollfuß‘ Ermordung dessen Macht – Schuschnigg wurde Regierungschef und Starhemberg Führer der Vaterländischen Front. Nach dem Juliabkommen von 1936 setzte sich Schuschnigg hinsichtlich einer Annäherung an den NS-Staat gegenüber Starhemberg durch, der dies ablehnte, obwohl er in seiner Jugend selbst Nationalsozialist gewesen war und am Hitler-Putsch 1923 teilgenommen hatte. Starhemberg verlor seine politische Macht, wahrte aber sein Gesicht, indem er zumindest die Führung des Dachverbandes aller österreichischen Sportverbände übernahm. Anton Pelinka stellt hierzu vergleichend fest, dass ähnliche Machtkämpfe im NS- Regime oder in der KPdSU anders zu enden pflegten.12 Mit Talos‘ Austrofaschismus-Begriff setzt sich ferner Lothar Höbelt auseinander. Seine Argumentation, warum dieser Begriff nicht oder nur bedingt zutreffend ist, stützt sich vor allem darauf, dass der Wille für ein faschistisches Regime durchaus vorhanden gewesen sei, insbesondere innerhalb der Heimwehren, die sich ja auch selbst als „Austrofascisten“ bezeichneten, jedoch die Umsetzung aus verschiedenen Gründen scheiterte. Talos beschreibt laut Höbelt genau das in seinem Buch „Austrofaschismus“, er bleibt jedoch laut Höbelt mit einer vagen Argumentation beim Begriff Austrofaschismus.13 Die Rolle faschistischer Massenbewegungen, wie sie in eindeutiger als faschistisch eingestuften Regimen vorkommen, ist bezüglich der Heimwehr und der Vaterländischen Front zu beleuchten. Die Heimwehren galten vor 1933 durchaus als schillernde Massenpartei, verloren jedoch schon bis 1932 viel von ihrer Anhängerschaft. Sie nahmen eine Art Zwitterstellung zwischen paramilitärischer Formation und „ziviler“ Partei an, die sich

11 Vgl. ebda. S. 18. 12 Vgl. Anton Pelinka (2017): Die gescheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918-1938. Wien. Böhlau. S. 148f. 13 Vgl. Lothar Höbelt (2017): Austrofaschismus? Die Suppe ist zu dünn. In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 68. 13

ab 1931 entfremdeten, da die paramilitärische Bewegung den christlichsozialen Parlamentsclub mehr oder weniger fallenließ. Der Beitrag der Heimwehren zum Übergang zur Diktatur erscheint, trotz des klaren Willens dazu, als sehr gering – selbst in den Februarkämpfen konnten sich die Heimwehren kaum profilieren. Innerhalb des Systems, also von 1933/34 bis 1938, kämpften die Heimwehren zwar „um die uneingeschränkte Durchführung der faschistischen Ideenwelt in einer unserem Vaterland entsprechenden Weise“, doch war diese Art des Faschismus seinerseits ein Kompromiss, eine Art k. u. k. Faschismus, der sie im Sinne des italienischen Faschismus vermutlich nur zu „fiachegiatorrie“, also Begleitern und nicht zu „puro e duro“ (hart und rein) gemacht hätte.14 In noch deutlicherer Form scheiterte die Vaterländische Front daran, als Einheitspartei dem Anspruch einer Massenbewegung gerecht zu werden. Die zwei Millionen Mitglieder kann man als Sammelsurium von Zwangsbekehrten und Karteileichen bezeichnen, was mit den Strukturen, die beispielsweise innerhalb der NSDAP herrschten, nicht zu vergleichen ist. Unter dem Deckmantel problembezogener Fachausschüsse verbargen sich innerhalb der VF politische Organisationen, deren Tätigkeiten man als verstohlenen Pluralismus werten kann. Von einer schlagkräftigen Einheitspartei konnte bei der VF keine Rede sein, so blieb dem Regime die „Regierungsdiktatur“, deren Wesen mit dem Ausnahmezustand der Monarchie verglichen werden kann.15 Dem Befund, dass die VF daran scheiterte, eine politische Monopolorganisation faschistischen Typs zu sein, stellt Florian Wenninger entgegen, dass sie trotz alledem klar als solche entworfen worden war. Spreche man also aufgrund des Scheiterns und des mangelnden Durchdringungsgrades nicht von Faschismus, so hieße dies, man würde Erfolg zu einem faschistischen Definitionskriterium machen. Daher sieht Wenniger wenige stichhaltige Einwände, die es plausibel erscheinen ließen, hier nicht von einem Faschismus zu sprechen.16 Die Debatte rund um die Einordnung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes als Faschismus beinhaltet also Argumente für beide Seiten; die Frage lässt sich nicht eindeutig klären. Für die Schulbuchanalyse bleibt festzuhalten, dass eine Verwendung des Begriffs „Austrofaschismus“ durchaus eine Rechtfertigung in der Geschichtswissenschaft findet, jedoch ist es zu empfehlen, auch in Lehrwerken für die Sekundarstufe II zumindest

14 Vgl. ebda. S. 62ff. 15 Vgl. ebda. S. 65f. 16 Vgl. Florian Wenninger (2017): Die Scheu vor dem F-Wort. Anmerkungen zur Verortung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes. In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 59. 14

anzuschneiden, wie kontrovers die Einordnung dieses Regimes unter Historikern diskutiert wird.

2.2 Die Eckpunkte des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes

Für die Analyse der Geschichtsbücher der Zweiten Republik erscheint es notwendig, zuvor die Eckpunkte des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes geschichtswissenschaftlich darzustellen. Zentral behandelt werden hierbei die Machtergreifung, das turbulente und blutige Jahr 1934 sowie der Weg in den Anschluss ausgehend vom Wegfall Italiens als Schutzmacht über das Juli-Abkommen von 1936 bis zum tatsächlichen Anschluss 1938.

2.2.1 Die Konstituierungsphase

Die politische Polarisierung der 1920er Jahre, die den Weg in das autoritär-diktatorische Dollfuß/Schuschnigg-Regime stark beeinflusste, sei hier ausgeklammert. Doch auch ein unmittelbares Einsetzen mit dem 4. März 1933, dem Tag der Ausschaltung des Nationalrates, erscheint etwas zu kurz gegriffen. Aus der Nationalratswahl vom November 1930 ging die Sozialdemokratie als stärkste Kraft hervor. Von Bundespräsident Wilhelm Miklas wurden jedoch die Christlichsozialen mit der Regierungsbildung beauftragt, da diese zusammen mit Landbund und Heimatblock eine Mandatsmehrheit hatten. Bis 1933 kam es immer wieder zu Annäherungen oder zu einem Zusammenarbeiten zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokratie. Es wurden Konzentrationsregierungen aller Parteien in den Raum gestellt, welche die wirtschaftlichen Probleme lösen sollten. Doch lautete trotz einiger Abweichungen die Grundhaltung der Sozialdemokraten, dass die Annahme eines der eher halbherzigen Angebote auf Regierungsbeteiligung der eigenen Partei schaden würde. Otto Bauers Generalkurs lag eher darin, das Ende des kapitalistischen Systems abzuwarten, um den Sozialismus durchzusetzen.17 Es blieb also zeitweise bei partieller Kooperation. Rückwirkend betrachtet ist anzuzweifeln ob dies seitens der Sozialdemokratie der beste Weg für sie war. Ernst Hanisch meint, dass bis zur Regierung

17 Vgl. Werner Anzenberger (2004): Demontage einer Demokratie. In: Werner Anzenberger/Martin Polaschek (Hg.). Widerstand für eine Demokratie. 12. Februar 1934. Graz. Leykam. S. 75ff. 15

Dollfuß Verhandlungschancen vertan wurden und man es so verpasst hatte, der ökonomischen Krise demokratisch zu begegnen.18 Somit entschied sich die rechtskonservative Seite teils auch auf Drängen der Industrie für die durchaus im europäischen Zeitgeist der 1930er Jahre liegende autoritäre Richtung. Nach den Landtagswahlen in Wien, Niederösterreich und Salzburg 1932 mit starken Zugewinnen der Nationalsozialisten (größtenteils auf Kosten der Großdeutschen Volkspartei) kam es zu einem Drängen auf Neuwahlen, wogegen sich die Regierung unter wehrte.19 Franz Schausberger, der frühere ÖVP-Landeshauptmann von Salzburg, kritisiert hinsichtlich der Forderung von Neuwahlen bei erwarteten Zugewinnen der klar demokratie- und staatsfeindlichen Nationalsozialisten, man habe durch diese Forderung wissentlich die Demokratie gefährdet.20 Sowohl Christlichsoziale als auch Sozialdemokraten schätzten offenbar in dieser Phase die Gefahr der Nationalsozialisten nicht richtig ein, auch wenn es realpolitisch keines der beiden Lager wagte, mit den Nationalsozialisten zu kooperieren. Nach einer skurrilen Entscheidung im Verfassungsausschuss kam es dann am 11. Mai 1932 dazu, dass der Nationalrat zwar aufgelöst wurde, jedoch kein Wahltermin beschlossen werden konnte, sodass die Gesetzgebungsperiode fortdauerte. Dies führte zu Bureschs Rücktritt, worauf Bundespräsident Miklas den anfangs unterschätzten Agrarfachmann Dollfuß mit der Regierungsbildung beauftragte. Ein Konsens zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten konnte hinsichtlich einer Regierungsbildung nicht gefunden werden und auch die Großdeutschen konnte Dollfuß nicht für eine Beteiligung gewinnen. So blieb schließlich nur eine Regierung aus Christlichsozialen, Landbund und Heimatblock übrig, die nur über eine wackelige Mehrheit von einem Mandat verfügte. Die Handlungsfähigkeit der Regierung war stark eingeschränkt, da einerseits Mitglieder des Heimatblocks oft gegen die Regierung stimmten und man anderseits im Bundesrat seit den Landtagswahlen keine Majorität mehr hatte, was das Inkrafttreten vieler Gesetze mittels Einspruchs des Bundesrates verzögerte.21 Schon vor Dollfuß‘ Antreten plädierten Vertreter der Industrie für ein autoritäres Vorgehen, was genauso wie der Druck von außen durch Italiens Mussolini, der Reformen im

18 Vgl. Ernst Hanisch (1994): Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Herwig Wolfram (Hg.). Österreichische Geschichte 1890-1990. Wien. Überreuter. S. 301f. 19 Vgl. Anzenberger (2004): Demokratie. S. 79f. 20 Vgl. Franz Schausberger (1993): Letze Chance für die Demokratie. Die Bildung der Regierung Dollfuß I im Mai 1932. Bruch der österreichischen Proporzdemokratie (= Studien zur Geschichte der christlich-sozialen Partei, Bd. 1) Wien-Köln-Weimar. Böhlau. 21 Vgl. Anzenberger (2004): Demokratie. S. 86ff. 16

entschieden faschistischen Sinn forderte, jegliche Möglichkeit auf einen Konsens mit dem linken Lager verhinderte. Darüber hinaus bröckelte die Christlichsoziale Partei ab und man ging davon aus, dass eine Koalition mit der Sozialdemokratie die Partei zerstört hätte. Die Gefahr des Nationalsozialismus führte zu keinem Konsens, sondern polarisierte die beiden Großparteien noch weiter. Dollfuß wollte dem Nationalsozialismus beikommen, indem man in eine ähnliche Richtung gehen – es war gar die Rede von „überhitlern“22 – und so die Abwanderung in Richtung NSDAP verhindern wollte. Hanisch spricht in diesem Zusammenhang von „Präventivfaschismus“. Dass man dann tatsächlich die Möglichkeit für ein autoritäres Experiment hatte, bei dem man anfangs selbst nicht wusste, in welche Richtung man gehen werde, kam unerwartet.23 Schon seit ihrem Antreten agierte die Regierung Dollfuß als autoritätszentrierte Regierung, wie die Anwendung des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes aus dem Jahr 1917 zeigte, die einen klaren Verfassungsbruch darstellte.24 Den Schritt zur autoritären Halbdiktatur ermöglichte die Sondersitzung des Nationalrates am 4. März 1933. Es kam zu einem Formalfehler und zu Geschäftsordnungsproblemen, woraufhin alle drei Präsidenten des Nationalrats zurücktraten. Eine ordnungsgemäße Schließung der Sitzung war somit nicht mehr möglich. Eine Bereinigung der Situation wäre aber bei entsprechendem Willen mittels des rechtlichen Instrumentariums möglich gewesen. Die Regierung Dollfuß erkannte aber diesen „Glücksfall“25 und die Möglichkeit, sich der parlamentarischen Kontrolle zu entledigen und so auch Neuwahlen zu verhindern. Während man propagandistisch von einer „Selbstausschaltung“ des Parlaments sprach, verhinderte man mittels der Exekutive ein neuerliches Zusammentreten des Parlaments. Auf Basis des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes beschloss die Regierung in der Folge im Ministerrat Versammlungs- und Aufmarschverbote sowie Einschränkungen der Pressefreiheit. Auf den Versuch, sich durch Wahlen legitimieren zu lassen, verzichtete die Regierung. Mitte März unternahm die Opposition wieder einen Versuch zur Aktivierung des Nationalrats mit dem Ziel, die Sitzung vom 4. März 1933 formell zu schließen, doch wieder

22 Protokolle des Klubvorstandes der Christlichsozialen Partei, 7. März 1933, S. 204. Zitiert nach Hanisch (1994): Schatten. S. 304. 23 Vgl. Hanisch (1994): Schatten. S. 304. 24 Vgl. Anzenberger (2004): Demokratie. S. 92f. 25 Die beste Analyse des Umfeldes bei Botz, Der „4. März 1933“. S. 12-35. Zitiert nach Hanisch (1994): Schatten. S. 304.

17

verhinderte die Regierung mittels der Polizei ein Zusammentreten. Der Nationalrat war dadurch faktisch ausgeschaltet.26 Ernst Hanisch resümiert die Gründe für das Ende der Demokratie dahingehend, dass vor allem die triste ökonomische Lage die Grundvoraussetzung für die Aushebelung der noch jungen Demokratie darstellte. Die Distributionskrise zwischen Arbeit und Kapital wurde in den 1930er Jahren mittels eines autoritären Kurses vorläufig zugunsten des Kapitals gelöst. Als weiteren signifikanten Grund nennt Hanisch die andauernde Legitimationskrise der Ersten Republik, welche die Christlichsozialen durch die Verwirklichung eines Ständestaates mit österreichischer Identität, eingebettet in das deutsche Volkstum, lösen wollten. Ebenfalls genannt sei die fehlende integrative Kraft nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie. Deren Fehlen führte zu verfestigten ideologischen Lagern, deren militärische Aufrüstung das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellte. Gelöst wurde dieses Problem nicht demokratisch und im Konsens, sondern von oben und einseitig, indem man die Exekutive stärkte und sowohl das sozialdemokratische als auch das deutschnationale Lager ausgrenzte.27 Nach der Ausschaltung des Parlaments dachte die Regierung noch nicht daran, diese Situation als dauerhaft anzustreben. Man wollte den Freiraum für energische Maßnahmen nutzen und unter Umständen das Parlament mit einer neuen Geschäftsordnung und einer Verfassungsrevision nach rechts reaktivieren. Doch der Weg des Verfassungsbruches entwickelte seine eigene Logik und endete in der Diktatur, die mithilfe des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes betrieben wurde. Man traf Maßnahmen in zwei Richtungen. Einerseits wollte man die ökonomische Krise bekämpfen, was zu vielen Benachteiligungen der Arbeiterschaft führte, während man auf der anderen Seite die liberalen Freiheitsrechte einschränkte. Hier wandte man sich massiv gegen die Sozialdemokratie und löste den Republikanischen Schutzbund auf; man suchte permanent nach Waffen im sozialdemokratischen Milieu und versuchte das „Rote Wien“ finanziell abzuwürgen. Die Regierung ging dabei langsam und Schritt für Schritt vor, um die Sozialdemokratie ruhig zu halten, sie aber in die Ecke zu drängen, was schlussendlich doch in blutigen Auseinandersetzungen endete.28

26 Vgl. Emmerich Talos (2017): Das austrofaschistische Österreich 1933-1938. (= Politik und Zeitgeschichte. Bd. 10) Wien. Lit. S. 16ff. 27 Vgl. ebda. S. 306ff. 28 Vgl. Hanisch (1994): Schatten. S. 304f. 18

Auch hinsichtlich der Ereignisse vom Februar 1934 gibt es terminologische Debatten. In der Fachliteratur finden sich Begriffe wie Bürgerkrieg, Februarkämpfe, Aufstände oder Unruhen. Es erscheint sinnvoll, den Ausführungen von Frank Höppel zu folgen, der sich in seinem Beitrag „Gewaltexzesse im Bürgerkrieg“29 auch mit der Terminologie beschäftigt. Nach dieser juristischen Betrachtung ist die Terminologie des Bürgerkriegs fragwürdig, da auf einen solchen die folgenden Kriterien zutreffen müssten: Länger andauernde gewaltsame Auseinandersetzungen; hierarchische Strukturen der Konfliktparteien; ein Teil des staatlichen Territoriums muss in der Hand einer anderen Partei sein, sodass das Gewaltmonopol in Frage gestellt ist. Sowohl betreffend die Intensität und Dauer als auch die Kontrolle eines Gebietes werden die Ereignisse des Februars dem Terminus Bürgerkrieg nicht gerecht – der Begriff „(bewaffneter) Aufstand“ ist daher treffender.30 Bezüglich der seit 1934 umstrittenen und heftig debattierten Opferzahlen wird hier auf die Forschungen von Kurt Bauer aus dem Jahr 2015 Bezug genommen.31 Doch zuvor soll der unmittelbare Weg in den bewaffneten Konflikt kurz erläutert werden. In diesem Kontext ist vor allem die Verteilung der Schuld interessant – die (vor allem im konservativen Lager) vielfach propagierte „geteilte Schuld“ wird beim heutigen Forschungsstand trotz Fehlverhaltens beider Seiten von den meisten Historikern als nicht haltbar empfunden. Der tatsächliche Ausbruch der Kämpfe in Linz kann als Verzweiflungsakt der Linzer Sozialdemokratie gesehen werden, ohne dass dieser durch die Parteiführung gestützt worden wäre. Konrad sieht die Sozialdemokratie als eine für die Regierung berechenbare Organisation, deren Möglichkeiten bloß in einem Verbalradikalismus bestünden, während das rechtskonservative Lager auch in der Tat radikal wäre, wie die Vorgeschichte der Februarkämpfe (Ausschaltung des Parlaments, Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofs, Einführung der Todesstrafe etc.) zeigte.32 Die konservative Historikerin Gundula Walterskirchen stellt dem gegenüber, dass es im Schutzbund seitens des Chefstrategen und Stabschefs Major Alexander Eifler konkrete Pläne für einen bewaffneten Staatsstreich

29 Vgl. Frank Höppel (2012): Gewaltexzesse im Bürgerkrieg: Zur juristischen Aufarbeitung von Verbrechen während eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg- Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 129-139. 30 Ebda. S. 130. 31 Vgl. Kurt Bauer (2015): Die Opfer des Februars. Url: http://www.kurt-bauer- geschichte.at/PDF_Forschung_Unterseiten/Kurt-Bauer_Opfer-Februar-34.pdf. [16.4.2018]. 32 Vgl. Helmut Konrad (2004): Der 12. Februar 1934 in Österreich. In: Günther Schefbeck (Hg.). Österreich 1934. Vorgeschichte – Ereignisse – Wirkung. Wien. Verlag für Geschichte und Politik. S. 93f. 19

gegeben hat, die durchaus auf Unterstützung im Schutzbund gestoßen sind und den gemäßigteren Plänen von Theodor Körner vorgezogen wurden.33 Walterskirchen versucht ferner die Waffensuchen und Verhaftungen der Führungskräfte des Schutzbundes nicht als Provokation, sondern als verständliche Reaktion nach dem Auffliegen des Eifler-Plans zu sehen.34 Emil Feys Aussage vom 11. Februar, man werde morgen an die Arbeit gehen und ganze Arbeit leisten, sowie die Tatsache, dass man das Quartier des als Hardliner geltenden Richard Bernaschek wählte, lassen aber vor allem im Kontext der stückweisen Zurückdrängung der Sozialdemokratie die Absicht einer gezielten Provokation seitens des Regimes erkennen.35 Auch Hanisch unterstützt diese These und meint, die Sozialdemokratie wurde im Vorfeld des Aufstands im Februar bis aufs Äußerste gereizt und man hinterließ den Schutzbund durch die zahlreichen Verhaftungen als Armee ohne Kopf.36 Am 12. Februar 1934 versuchte die Parteiführung der Sozialdemokratie von Wien aus mit allen Mitteln, die Basis von bewaffneten Aufständen abzuhalten, da man hoffnungslos unterlegen war, doch Bernaschek reagierte auf die Durchsuchungen des Hotels Schiff mit Waffengewalt. Ausgehend von Linz kam es auch in Wien und in Industriegebieten in Oberösterreich und der Obersteiermark zu kämpferischen Auseinandersetzungen. Doch scheiterte sowohl ein Generalstreik noch konnte die Sozialdemokratie nennenswerten Widerstand leisten. Es blieb bei partiellen Aufständen, von denen der Westen Österreichs völlig unberührt blieb. An die Möglichkeit eines Sieges glaubten nicht einmal die Kämpfer des Schutzbundes.37 Die Sozialdemokratie hätte zwar mit Reaktionen lokaler Einheiten des Schutzbundes, wie sie in Linz erfolgten, rechnen müssen, sie war aber auf die Auseinandersetzung nicht vorbereitet. Pelinka meint, die Sozialdemokratie wurde zum Opfer ihrer selektiven Wahrnehmung – sie hatte sich von der Wirklichkeit isoliert und ließ sich in eine Konfrontation treiben, für die sie nicht gerüstet war und die sie nicht gewinnen konnte.38 Hanisch resümiert die Kämpfe folgendermaßen:

„Die Regierung Dollfuß siegte. Der Weg in die ständestaatlich drapierte Diktatur war frei. Zurück blieb ein emotionales Trümmerfeld: glühender Hass, die Schaffung des Mythos vom

33 Gundula Walterskirchen (2017): Blinde Flecken in der Geschichte. Wien. Kremayr & Scheriau. S. 57. 34 Ebda. S. 61. 35 Vgl. Anzenberger (2004): Demokratie. S. 122. 36 Vgl. Hanisch (1994): Schatten. S. 306. 37 Vgl. Konrad (2004): Der 12. Februar 1934. S. 94f. 38 Vgl. Pelinka (2017): Republik. S. 135. 20

Aufstand der Arbeiter gegen den Faschismus, das schlechte Gewissen der Sieger. Bis weit in die Zweite Republik fiel der Schatten des 12. Februar 1934.“39

Bezüglich dieses von Hanisch angesprochenen Mythos vom Kampf gegen den Faschismus sei hier erwähnt, dass man diesen Kampf immer wieder als Kampf für die Demokratie ansieht. Dieses Narrativ wird häufig angezweifelt, da auch die demokratische Gesinnung der Sozialdemokraten im Lauf der Ersten Republik nicht immer als lupenrein bezeichnet werden kann. Gundula Walterskirchen bezweifelt, dass die Februarkämpfe seitens der Sozialdemokratie ein Kampf für die Wiederherstellung der liberalen Demokratie gewesen sind. Für sie handelt es sich bei diesem Narrativ um eine nach 1945 entstandene Fiktion – vielmehr habe man im Sinne des Austromarxismus für eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel und für die Diktatur des Proletariats gekämpft, was Walterskirchen aus diversen Äußerungen von zentralen Figuren der Sozialdemokratie schließt.40 Als besonders prekäre Folge des Aufstandes der Schutzbündler kann die Verhängung des Standrechts, die schon am Nachmittag des 12. Februars erfolgte, angesehen werden. Das Standrecht ist ein außerordentliches strafrechtliches Verfahren, das sich vom ordentlichen Verfahren vor allem dadurch unterscheidet, dass es möglichst schnell durchgeführt wird und die angedrohten Strafen sehr hoch – bis zur Todesstrafe – sind.41 Das Standrecht galt auch vor dem 12. Februar und wurde dann mittels Notverordnung auf das Verbrechen des Aufruhrs ausgeweitet. Insgesamt wurden 24 Personen zwischen 14. und 26. Februar zum Tode verurteilt, wobei neun Todesurteile vollstreckt wurden.42 Insgesamt sind laut Kurt Bauer den Februarkämpfen 356 Personen zum Opfer gefallen. Diese genaue Zahl wird nicht überall so übernommen, sie fällt jedoch in den Rahmen anderer aktueller Forschungen, da meist von 350 bis 360 Opfern gesprochen wird. Bauer versucht die Opfer in drei Gruppen einzuteilen: 1. Aufständische (Schutzbund und Verbündete), 2. Exekutive/Regierungskräfte (Bundesheer, Polizei, Genarmerie, Freiwilliges Schutzkorps) und 3. Nicht-Kombattant/-innen (Unbeteiligte, Zufallsopfer). Hierbei stellt vor allem die Unterscheidung zwischen 1. und 3. eine Schwierigkeit dar. Bauer geht davon aus, dass jeweils etwas mehr als 31 % der Opfer

39 Hanisch (1994): Schatten. S. 306. 40 Vgl. Walterskirchen (2017): Flecken. S. 101f. 41 Vgl. Martin Polaschek (2004): Der Februar 1934 und die Justiz. In: Werner Anzenberger/Martin Polaschek (Hg.). Widerstand für eine Demokratie. 12. Februar 1934. Graz. Leykam. S. 196. 42 Vgl. Winfried Garscha (2012): Opferzahlen als Tabu. Totengedenken und Propaganda nach Februaraufstand und Juliputsch. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 117. 21

den beiden kämpfenden Lagern zuzuordnen sind und rund 38 % als zivile Opfer klassifiziert werden können. Regional gab es die meisten Toten im Zuge der Kämpfe in Wien (57 %). Bauer widerlegt mit seinen Forschungen die von 1934 bis heute hartnäckig lancierten stark überhöhten Opferzahlen, bei denen von bis zu 2.000 getöteten Sozialdemokraten die Rede ist. Er beruft sich auf vorherige seriöse Schätzungen anderer Historiker (Stadler, Botz, Garscha u.a.). Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime war auf der anderen Seite bemüht, die Opferzahlen in Berichten niedrig zu halten. Insgesamt liegen die Regime-Zahlen rund 20 unter Bauers Ergebnissen, wobei einerseits einige zivile Opfer den Regierungskräften zugeordnet wurden und auch generell bei zivilen Opfern und Opfern der Aufständischen tiefgestapelt wurde.43 Für die Schulbuchanalyse wird es also von Bedeutung sein, wie die jeweiligen Lehrwerke Motive, Vorgänge und Handlungen der beiden Lager rund um die Ausschaltung des Parlaments und die Kämpfe des Februars 1934 beleuchten. Auch die Bezeichnung der Februarkämpfe – Stichwort Bürgerkrieg – soll anhand von Höppels Beitrag analysiert werden. Ebenfalls interessant wird sein, ob in den Lehrwerken überhaupt Opferzahlen angegeben werden und ob es zwischen den Lehrwerken dahingehend signifikante Unterschiede gibt.

2.2.2 Die Konsolidierungsphase

Nach den Februarkämpfen kam es zu einem institutionellen Ausbau und zu konkreter Politikgestaltung seitens des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes. Für die Schulbuchanalyse ist dieser Bereich eher nebensächlich, da es kaum strittige Fragen gibt. Lediglich die Rolle der Vaterländischen Front in dieser Zeit soll etwas genauer beleuchtet werden. Mit der Maiverfassung von 1934 wurden für das Regime wichtige Institutionen geschaffen. Praktisch alle politischen Mandate auf sämtlichen Ebenen des politischen Systems wurden nun von oben besetzt, wobei Systemloyalität das zentrale Kriterium war. Dieser Vorgang wurde von der Vaterländischen Front kontrolliert.44 Grundsätzlich stellte die Maiverfassung von 1934 einen tiefen Bruch mit der demokratischen Verfassung des Jahres 1920 und dem ihr zugrundeliegenden Gedanken der Volkssouveränität dar. Es kam zu einer Dominanz der

43 Vgl. Bauer: Opfer. S. 17f. 44 Vgl. Talos (2017): Das austrofaschistische Österreich. S. 29f. 22

exekutiven Gewalt, die sich vor allem in der Hand des Bundeskanzlers konzentrierte, weshalb man von einer Kanzlerdiktatur sprechen kann, die Dollfuß auf- und Schuschnigg ausbaute. Wichtig war ferner der Aufbau einer berufsständischen Gesellschaft, der jedoch wenig bis gar nicht gelang. Das ständestaatliche Konzept geht auf die christliche Soziallehre zurück und ist Teil der Ideologie des politischen Katholizismus des 19. Jahrhunderts, welcher durch die 1931 formulierte Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ einen neuen Impuls erhielt. Allerdings kam es vielmehr zu einer Versteifung des Systems der Interessengruppen entlang der Trennlinien der Arbeitsmarktparteien.45 Ein weiteres Ziel des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes, das scheiterte, war die Bildung einer Massenbasis, welche die Vaterländische Front bilden sollte. Sie sollte mittels eines Monopol- und Totalitätsanspruchs faschistischen Musters möglichst alle Lebensbereiche der Bevölkerung organisieren und kontrollieren. Bis 1938 hatte die VF rund drei Millionen Mitglieder, jedoch bedeutete die Mitgliedschaft nicht immer volle Loyalität mit dem Regime.46 Die Vaterländische Front war im Grunde bloß „eine bürokratische Organisationshülse der Regierung, ohne Eigendynamik und Eigengewicht“.47 Unter dem Deckmantel der Fachausschüsse herrschte innerhalb der VF ein gewisser Pluralismus. Ziel war es, möglichst alle zu integrieren, doch ist es treffender, von Unterwanderung anstatt von Integration zu sprechen. Die Reaktion darauf erfolgte erst im Jahr 1937, als man einen Aufnahmestopp für die VF verhängte.48 Offiziell wollte man hier die Trennung zwischen Regimetreuen und jenen, die nach Jahren immer noch abseits standen, vollziehen, doch ging es realpolitisch eher um ein Verhindern des Einströmens illegaler Nationalsozialisten. Im Berchtesgadener Abkommen 1938 wurde diese Bemühung jedoch konterkariert, da Schuschnigg zugestehen musste, nationalsozialistisch Gesinnte zur VF zuzulassen.49 Trotz der Schwächen der VF und der mangelnden Umsetzung anderer Ziele bildete das Dollfuß/Schuschnigg-Regime über eine innenpolitisch stabile autoritäre Kanzlerdiktatur, die außenpolitisch gegenüber Hitler-Deutschland unter dem Schutz des faschistischen Italiens unter Benito Mussolini stand.

45 Vgl. Helmut Wohnout (2017): Das autoritäre Österreich 1933/34-1938. In: Stefan Karner (Hg.). Die umkämpfte Republik. Österreich von 1918-1938. Innsbruck-Wien-Bozen. Studienverlag. S. 53. 46 Vgl. Talos (2017): Österreich. S. 30. 47 Vgl. Walter Goldinger/Dieter A. Binder (1992): Geschichte der Republik Österreich 1918-1938. Wien- München-Oldenburg. Verlag für Geschichte und Politik. S. 292. 48 Vgl. Höbelt (2017): Austrofaschismus. S. 66. 49 Vgl. Talos (2017): Österreich. S. 63. 23

2.2.3 Niedergang und Anschluss

Emmerich Talos bezeichnet die Zeit nach der Konsolidierung als Phase der Defensive und des Niedergangs, die letztlich im sogenannten Anschluss an NS-Deutschland mündete, welcher das Ende des Ständestaats bedeutete. In diesem Kapitel sollen einerseits der Weg in den Anschluss und die Gründe dafür beschrieben werden und andererseits soll ermittelt werden, inwieweit der Ständestaat eine Abwehr gegen den Nationalsozialismus darstellte bzw. ob man ihn gar als Wegbereiter und unfreiwilligen Helfer Hitlers sehen kann. Mit Blick auf den nationalsozialistischen Terror, der im Juliputsch 1934 mitsamt Ermordung von Bundeskanzler Dollfuß seinen Höhepunkt fand, erscheinen die erheblichen Spannungen zwischen dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime und dem nationalsozialistischen Deutschland als logisch. Inwieweit Hitler Druck auf den österreichischen Staat, dessen Selbstständigkeit er untergraben wollte, ausüben konnte, hing vor allem von einem anderen faschistischen Staat ab – Italien. Mussolinis Italien galt als große Schutzmacht für das Dollfuß/Schuschnigg- Regime. Doch ab 1936 änderte sich die Lage mit der Achse Berlin-Rom grundlegend. Aufgrund der neuen Interessenlage war Mussolini daran gelegen, dass der Konflikt zwischen Deutschland und Österreich entschärft wurde, da er die deutsch-italienischen Beziehungen belastete. Zuvor gab es auch Bemühungen seitens des tschechoslowakischen Außenministers Edvard Beneš, den Donauraum zu stabilisieren. Er sprach sich für einen mitteleuropäischen Nichteinmischungspakt aus, um den Staaten Zeit zu geben, aus ihren krisenhaften Lagen herauszukommen. Dabei genoss er französische Unterstützung und britisches Wohlwollen. Er brachte Verständnis für Österreichs Verträge mit Italien auf und wollte Österreich mit Handelsverträgen gewinnen, doch blieben die Bindungen Österreichs an die Römischen Protokolle stärker. Zudem waren die politischen Interessen wie die ökonomischen Nachfrage-Verhältnisse im Donauraum zu verschieden. Der Donauraum verkam somit neuerlich zur bloßen Hülle einer mitteleuropäischen Schicksalsgemeinschaft.50 Daher war Schuschnigg gezwungen, mit NS-Deutschland einen Ausgleich zu suchen. Nach dem Wegfall der Schutzmacht Italien waren andere Bündnispartner schwer zu finden, da Österreich eben aufgrund seiner Beziehungen zu Italien und der damit einhergehenden Nichtbeteiligung an den Sanktionen des Völkerbunds gegen Italien international isoliert war.

50 Vgl. Michael Gehler (2017): Zwischen allen Stühlen – Österreichs Außenpolitik 1918-1938. In: Stefan Karner (Hg). Die umkämpfte Republik. Österreich 1918-1938. Innsbruck. Studienverlag. S. 122.

24

Schuschnigg blieb also kaum eine andere Wahl, als Hitler entgegenzukommen. Im Juliabkommen von 1936 erkannte Hitler zwar offiziell die Souveränität Österreichs an und sagte zu, sich nicht in innere Angelegenheiten Österreichs einzumischen, was vor allem hinsichtlich der verbotenen Nationalsozialisten in Österreich von Bedeutung war, doch kam es auch zu einem geheimen Gentlemen-Agreement, das eine Reihe von Zugeständnissen seitens Österreichs beinhaltete. Schuschnigg musste deutsche Zeitungen und somit NS- Propaganda zulassen und auch in außenpolitischen Fragen musste er sich stets mit dem Dritten Reich abstimmen, was den Abschluss neuer Bündnisse weiter erschwerte. Ferner gestand man Hitler eine Amnestie für österreichische NS-Aktivisten zu und nahm auch NS- Vertrauensleute (Edmund Glaise-Horstenau, Guido Schmidt) in die Regierung auf. Aufgehoben wurde seitens NS-Deutschlands die „Tausend-Mark-Sperre“ von 1933, die den österreichischen Tourismus treffen sollte.51 Das Juliabkommen war der Ausgangspunkt für die Infragestellung der österreichischen Souveränität, da es eine Untergrabung des Schuschnigg-Regimes nach sich zog. Diesen Entwicklungen versuchte man mit militärischer Aufrüstung, weiterer Zentralisierung der Macht auf Bundeskanzler und Frontführer Schuschnigg, weiteren Gründungen von VF- Institutionen sowie mit der Aufnahmesperre zur VF entgegenzuwirken. Der Niedergang des autoritären Regimes in Österreich war dadurch aber nicht aufzuhalten. Einfallstor für die Untergrabung der VF durch die Nationalsozialisten war das als Integrationsmaßnahme gegründete „Volkspolitische Referat“ – der erwähnte Aufnahmestopp kam als Gegenmaßnahme zu spät. Den nächsten Schritt in den Abgrund für Österreich bildete das Abkommen von Berchtesgaden vom 12. Februar 1938. Schuschnigg musste nun gesinnungsmäßige Nationalsozialisten offen zur VF und anderen politischen Einrichtungen zulassen und eine generelle Amnestie für alle NS-Straftäter verfügen. Auch war Kritik an NS- Deutschland in der österreichischen Presse untersagt und es wurde der Chef des Generalstabs des österreichischen Bundesheeres, Alfred Jansa, entlassen, da dieser als NS- Gegner galt. Außerdem wurde Arthur Seyß-Inquart, der wichtigste Verbindungsmann zu den Nationalsozialisten, in die Regierung geholt und mit der Verantwortung für die innere Sicherheit betraut. Das Abkommen, bei dem man eher von einem Diktat sprechen kann, kam einer Selbstaufgabe Schuschniggs gleich. Es ermöglichte massive Einmischungen

51 Vgl. ebda. S. 122. 25

Deutschlands in innerösterreichische Angelegenheiten und beschleunigte den Prozess bis zum tatsächlichen Anschluss im März 1938 massiv.52 Schuschnigg suchte als Reaktion auf den immer stärker werdenden Druck seitens NS- Deutschlands einen letzten Ausweg in Form einer Volksbefragung über die Selbstständigkeit Österreichs. Am 13. März sollte Österreich unter der Parole „Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich“ abstimmen. Nach vielen Schätzungen wäre diese Volksabstimmung ein Erfolg für die Schuschnigg-Regierung geworden, was auch daran liegt, dass weite Teile der illegalen Linken den NS-Terror mehr fürchteten als die bestehende Unterdrückung. Daher stieß Schuschniggs Vorhaben auf heftige Ablehnung seitens des nationalsozialistischen Deutschlands. Verfolgte man zuerst einen evolutionären Kurs mit einer schrittweisen Erhöhung der Spannung mit dem Ziel eines Zusammenbruchs Österreichs, so musste Hitler nun schnell reagieren. Jegliche Zurückhaltung wurde aufgegeben und eine direkte Intervention unter Anwendung militärischer Gewalt von außen und Eskalation im Inneren wurde geplant. Am 12. März 1938 rückten deutsche Truppen unter Jubel und ohne Widerstand in Österreich ein – in den folgenden Tagen vollzogen die Nationalsozialisten den sogenannten Anschluss.53 Italien wurde von Hitler – zwar erst nach Erteilung des Marschbefehls – informiert, dass Hitler den Entschluss gefasst hätte, in seiner Heimat Ordnung und Ruhe wiederherzustellen. Die innenpolitische Lage Österreichs wurde dabei dramatisiert und überzeichnet. Nur wenige Staaten erhoben beim Völkerbund formellen Protest gegen den „Anschluss“, der als Faktum akzeptiert wurde. Die Liquidierung des autoritären „Ständestaates“ fand kaum kritische Beachtung. Das Verhalten der Westmächte in den Märztagen 1938 offenbarte letztlich ihr weitgehendes Desinteresse an einem unabhängigen Österreich; es war unter anderem eine Konsequenz ihrer Fehlbehandlung Österreichs in der Zwischenkriegszeit. Schlussendlich wurde der „Anschluss“ international vollends hingenommen durch die Jubelstimmung beim Einmarsch und das überaus eindeutige Abstimmungsergebnis in Hitlers Pseudo-Plebiszit vom 10. April 1938.54 Die Gründe für den „Anschluss“ Österreichs an NS-Deutschland waren neben aller Symbolik für die Nationalsozialisten vor allem militärpolitischer und wirtschaftlicher Natur. Industrie, Arbeitskräfte, Rohstoffe und Goldreserven waren für Hitlers Rüstungspolitik von großer

52 Vgl. Talos (2017): Das austrofaschistische Österreich. S. 34ff. 53 Vgl. ebda. S. 38f. 54 Vgl. Gehler (2017): Außenpolitik 1918-1938. S. 123. 26

Bedeutung. Dass der „Anschluss“ ohne Gegenwehr und sogar vielfach unter dem Jubel der Bevölkerung stattgefunden hat, liegt daran, dass Schuschnigg dem Bundesheer den Befehl erteilte, sich im Falle eines Einmarsches zurückzuziehen. Dies betonte er in seiner Abschiedsrede am 11. März 1938. Kurzzeitig folgte ihm als Bundeskanzler dann Arthur Seyß- Inquart, der eine nationalsozialistische Bundesregierung aufstellte, die Bundespräsident Miklas widerwillig ernannte. Miklas, dem häufig Untätigkeit und fehlende Entscheidungskraft vorgeworfen wurden, versuchte Schuschnigg bis zuletzt von seinem Rücktritt abzuhalten. Am 13. März 1938 traf Hitler dann während seines Linz-Besuchs die Entscheidung, Österreichs Souveränität vollends zu beseitigen. Es wurde ein Anschlussgesetz erlassen und Österreich war somit ein Land des Deutschen Reichs. Das seit 1933 von Hitler verfolgte Ziel der Beseitigung von Österreichs Eigenständigkeit war somit erreicht.55 Eine Abwehrhaltung des österreichischen Regimes unter Bundeskanzler Schuschnigg ist also bis zuletzt zu erkennen, wie sich anhand der von Schuschnigg geplanten Volksabstimmung zeigt. Doch alle Bemühungen waren aufgrund der Abhängigkeit von Italien als Schutzmacht und in weiterer Folge wegen des Wegfalls dieser Schutzmacht zum Scheitern verurteilt. Im Zusammenhang mit der Beziehung zu Italien, die in den Römischen Protokollen festgeschrieben war, war Österreich einerseits außenpolitisch isoliert und konnte nach der Annäherung zwischen Hitler und Mussolini keine neuen Bündnisse knüpfen. Anderseits agierte man innenpolitisch deutlich konsequenter gegen die Sozialdemokratie als gegen die ungleich gewaltbereiteren Nationalsozialisten. Juli-Abkommen und Berchtesgadener Abkommen besiegelten dann im Grunde das Ende der Souveränität Österreichs und somit den Zusammenbruch des Schuschnigg-Regimes. Obwohl durchaus die These argumentierbar ist, dass die Zerstörung der demokratischen Strukturen Österreichs in den Jahren 1933/1934 den „Anschluss“ in gewissem Maße erleichterte, kann man auch wegen des gescheiterten, aber eindeutig intendierten Abwehrkampfes Schuschniggs nicht vom autoritären „Ständestaat“ als Wegbereiter des Nationalsozialismus sprechen. Schuschniggs Befehl, keinen Widerstand zu leisten, ist glaubhaft aufgrund der Übermacht der Wehrmacht als vernünftige Vermeidung von Blutvergießen zu werten. Ob es einem demokratischen Österreich mit Einbindung der Sozialdemokratie gelungen wäre, andere Bündnisse gegen Hitler-Deutschland zu schließen, bleibt Spekulation. Dagegen spricht jedenfalls der mäßige Protest im Völkerbund gegen den „Anschluss“.

55 Vgl. Talos (2017): Das austrofaschistische Österreich. S. 42f. 27

2.3 Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in der Politik der Zweiten Republik

Die Zweite Republik war historisch nachvollziehbarerweise hauptsächlich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigt und besonders in großkoalitionär geprägten Phasen wurde die Aufarbeitung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes, um den Koalitionsfrieden zu wahren, mit Kompromissen an den Rand geschoben. Trotzdem flammten immer wieder politische Debatten zum Regime von 1933 bis 1938 auf. In diesem Kapitel soll nun die konkrete rechtlich-politische Behandlung dieser Zeit kurz erläutert werden. Dabei geht es um die Behandlung der Protagonisten des Dollfuß/Schuschnigg- Regimes im Zuge der Entnazifizierung, um das Opferfürsorgegesetz (OFG) mit Einbeziehung des Rückgabegesetzes und um das Rehabilitierungsgesetz.

2.3.1 Die Rolle der „Austro-Fascists“ in der Entfaschisierung

Schon während des Zweiten Weltkriegs befürchteten die USA, dass die Etablierung eines demokratischen Systems in Österreich aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten in der Zwischenkriegszeit schwieriger als in Deutschland sein werde. Österreich erhielt außerdem von den USA den einzigartigen Status, nicht zu den befreiten Ländern, aber auch nicht zu den ehemaligen Feindstaaten zu zählen. Bei der Betrachtung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes stützten sich die US-Experten und Expertinnen eher auf die sozialdemokratische Interpretation der Zwischenkriegszeit. Schon während der Februarkämpfe von 1934 hatte man in der amerikanischen Presse eindeutig Partei für die sozialistische Seite ergriffen.56 Die USA verfolgten den Plan, nach dem Zweiten Weltkrieg eine umfassende Entfaschisierung aller Einflussbereiche (Medien, Bürokratie, Politik etc.) durchzuführen. Hinsichtlich der Mitglieder der NSDAP, der SS, der SA oder ähnlicher Organisationen gab es hier klare Richtlinien. Es gab jedoch auch Personengruppen, bei denen die Bewertung von der

56 Vgl. Oliver Rathkolb (2012): „Elimination of Austro-Fascists from Post of Influence“. US-Nachkriegsplanungen für eine umfassende Entfaschisierung. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln- Weimar. Böhlau. S. 273f. 28

jeweiligen Behörde der Militärregierung abhing, die diese als „Ardent Nazi“ einstufen und dadurch sofort entlassen konnte. Dies betraf vor allem den Informationsbereich, in dem man wesentlich strenger agierte. Ähnlich wie bei der Einstufung als „Ardent Nazi“ lag auch die Entscheidung, jemanden als Faschisten oder „Austrofaschisten“ einzustufen, im Ermessen des einzelnen Besatzungsorgans. Der geplante Elitenaustausch in Österreich wurde den Entnazifizierungsrichtlinien des „Austrian Handbooks“ entnommen und um die Variante des „Austrofaschismus“ erweitert. Es sollten also nicht nur Nationalsozialisten von den Führungspositionen des öffentlichen Lebens ausgeschlossen werden, sondern auch prononcierte Anhänger, Funktionäre und Aktivisten des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes.57 Wie erwähnt, war die Anwendung der Richtlinien für einen Ausschluss oftmals eine Ermessensentscheidung, doch die Verwendung des Begriffs „Fascists“ in der Liste der Auszuschließenden konnte sich auch auf Protagonisten des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes beziehen. Konkret hieß es im „Provisional Handbook for Military Government in Austria“:

„members of, or sympathizers with, totalitarian Austrian organizations advocating ideologies, programs or organizations similar in nature to the Nazi program or Party in Germany or the Fascist program or Party in Italy. Government officials appointed between 1934 and 1938, the period of the Dollfuss-Schuschnigg regime should be very carefully strutinized [sic!] for ,Fascist’ leanings before they are allowed to assume or retain posts of authority or important governmental or civil positions.”58

In der Praxis konnte man jedoch die politische Verfolgung durch das NS-Regime, die viele handelnde Personen des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes betroffen hatte, als eine Art „Absolution“ der Aktivitäten im autoritären Regime von 1933 bis 1938 sehen. Auch politische Präferenzen verantwortlicher US-Offiziere spielten bei vielen Entscheidungen eine Rolle. Vor allem republikanisch gesinnte Offiziere setzten oft grundsätzlich eher auf konservative Beamte und kümmerten sich weniger um deren politische Vergangenheit.59

57 Vgl. ebda. S. 279. 58 Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force Area, Provisional Handbook for Military Government in Austria, o. O. 1945. Zitiert nach: Oliver Rathkolb (2012): „Elimination of Austro-Fascists from Post of Influence“. US-Nachkriegsplanungen für eine umfassende Entfaschisierung. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß- /Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 281. 59 Vgl. Rathkolb (2012): Elimination. S. 281f. 29

Die verantwortlichen Organe der USA drückten immer wieder die großen Schwierigkeiten im Umgang mit handelnden Personen des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes aus, doch in der gesamten Thematik wurde das Problem „Austrofaschismus“ trotz einiger Debatten nur kurz beachtet und diskutiert. Außerdem mangelte es hinsichtlich der US-Pläne für einen Elitenaustausch ohnehin an Ersatzeliten. Auch die öffentliche Meinung tendierte zu einer raschen Eingliederung belasteter Personen. Der Trend zur raschen Integration ohne echte Vergangenheitsbewältigung in der Periode des Wiederaufbaus hatte sich im Zuge des beginnenden Kalten Krieges durchgesetzt. Österreich verfügte mithin in der Nachkriegszeit über Bürokraten aus vier unterschiedlichen Systemen: Monarchie, Demokratie, Dollfuß/Schuschnigg-Regime und Nationalsozialismus.60

2.3.2 Opferschutz und Rückgabegesetz

Im Vergleich zu den Opfern des Nationalsozialismus wurden die Opfer des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in der Nachkriegszeit ungleich besser behandelt. Dies lag zum einen daran, dass Österreich hinsichtlich Rückgabe und Entschädigung mit Bezug auf die NS- Zeit argumentierte, dass es zu dieser Zeit nicht existierte und somit auch keine direkte Verantwortung dafür trage, was im Fall des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes nicht behauptet werden konnte. Zum anderen hatten die Geschädigten des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in Form der SPÖ eine Regierungspartei hinter sich, die als Lobby für die Opfer diente. Schwierigkeiten gab es aus rechtlicher Sicht dahingehend, dass man eine gesetzliche Formulierung finden musste, die jene Unterdrückten, die sich gegen das autoritäre Regime für die Demokratie eingesetzt hatten, von den ebenfalls im Dollfuß/Schuschnigg-Regime unterdrückten Nationalsozilisten, die bloß für eine ungleich grausamere Diktatur gekämpft hatten, unterscheiden konnte. Im Opferfürsorgegesetz (OFG) erkannte man 1947 als Opfer daher jene Personen an, die um ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich gekämpft hatten, insbesondere gegen Ideen und Ziele des Nationalsozialismus, mit der Waffe in der Hand oder in Wort und Tat, und die aufgrund ihres Widerstandes zu Schaden gekommen waren. Vertriebene oder Geflüchtete, die zu diesem Zeitpunkt eine andere Staatsbürgerschaft angenommen hatten, fielen nicht

60 Vgl. ebda. S. 284. 30

unter dieses Gesetz. In der ersten Fassung des Gesetzes von 1945 war der Zeitraum zwischen 1933 und 1938 noch nicht enthalten. Das OFG von 1947 erfasste all jene, die vom Dollfuß/Schuschnigg-Regime aus politischen Gründen inhaftiert oder sonst zu Schaden gekommen waren, wobei jedoch die Haftzeiten der Opfer erst ab sechs Monaten vom Gesetz anerkannt wurden.61 Die Rückgabe von Vermögenswerten, die das Dollfuß/Schuschnigg-Regime seinen Gegnern zwischen 1933 und 1938 abgenommen hatte, wurde rechtlich in Form des Ersten Rückgabegesetzes (RGG) von 1947 geregelt. Es beinhaltete die Rückgabe des Vermögens aufgelöster oder verbotener demokratischer Organisationen, indem es die Inhaber solcher Vermögen zur Rückgabe verpflichtete. Auffallend ist die sehr zurückhaltende Formulierung, die zum Ziel hatte, trotz der Entschädigung die Vorgänge im Dollfuß/Schuschnigg-Regime nicht als Unrecht darzustellen, was auf einen klassischen großkoalitionären Kompromiss schließen lässt.62 Im Zweiten RGG waren die Rückgabeansprüche von aufgelösten oder verbotenen demokratischen Organisationen, die in der Ausübung ihrer Bestandrechte behindert worden waren, geregelt. Das Dritte RGG regelte schließlich verlorengegangen Ansprüche aus Privatrechtsverhältnissen.63 Kritisch kann an den gesetzlichen Regelungen gesehen werden, dass es nicht gelungen war, eine adäquate Lösung für unbeteiligte Dritte, die im Zuge der Gesetze zu Schaden gekommen waren, zu finden. Darüber hinaus wird die eingangs erwähnte Bevorzugung der Opfer des Nationalsozialismus angeführt, die jedoch eher als Kritik an den diesbezüglichen Gesetzen gesehen werden muss.64

2.3.3 Rehabilitierung und Aufhebung

Erst kurz vor 2000 wurde in Österreich über die Rehabilitierung der Justizopfer des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes debattiert. Stein des Anstoßes war die Debatte darüber, ob

61 Vgl. Brigitte Bailer (2012): Abgeltung von Verfolgungsschäden der Jahre 1933 bis 1938 vor dem Hintergrund von Parteienauseinandersetzungen, Rückstellungsgesetzen und ahistorischer Gleichsetzung. In: Ilse Reiter- Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 286f. 62 Vgl. Georg Graf (2012): Die Rückgabegesetze – Überblick und Kritik. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß- /Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 296. 63 Vgl. ebda. S. 297. 64 Vgl. ebda. S. 300f. 31

und inwiefern man Wehrmachtsdeserteure rehabilitieren sollte. Initiiert wurde die Debatte von der SPÖ, die 2004 durch ihren Justizsprecher Jarolim ausführte, dass die hingerichteten und mit Kerkerstrafen belegten Personen aus poltischer und demokratischer Überzeugung für den Erhalt der Ersten Republik gekämpft hatten und daher rehabilitiert werden müssen. Der Umstand, dass 2009 das Gesetz zur Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure, aber nicht eines, das die Opfer des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes betraf, beschlossen wurde, rief die Grünen auf den Plan, die in der Person von Harald Walser und Albert Steinhauser dahingehend Druck ausübten, dass es auch hier zu entsprechenden Gesetzen kam. Es entstand eine „Wissenschaftliche Plattform für die Rehabilitierung der Opfer des Regimes Dollfuß/Schuschnigg“ – diese stellte fest, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse und das öffentliche historische Bewusstsein bezüglich der Jahre 1933-1938 weit auseinanderklafften und die Bedeutung dieser Zeit für die Entwicklung Österreichs seltsam ungeklärt sei.65 Trotz des Drucks der Grünen, der medial ausgetragene Debatten zur Folge hatte, sprach sich die ÖVP gegen eine pauschale Aufhebung der Urteile und für eine Einzelfallprüfung aus. Argumentiert wurde damit, dass die Gegner des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes nicht wirklich für den Erhalt der Demokratie gekämpft hätten, sondern einerseits eine Nähe zum Nationalsozialismus und andererseits zum Kommunismus gehabt hätten. Im Zuge dieser Debatte flammten ebenfalls wieder Diskussionen auf, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime nun als faschistisch zu klassifizieren sei. Aufgrund all dieser Debatten forderten die Grünen eine unabhängige Historikerkommission.66 Im September 2011 legte die Regierung einen ersten Entwurf für das Rehabilitierungsgesetz vor, der jedoch von den Grünen aufgrund des fehlenden Begriffs „Austrofaschismus“ kritisiert wurde. Da auch die SPÖ Kritikpunkte fand, war der Entwurf schnell wieder vom Tisch. Im Dezember 2011 einigten sich ÖVP, SPÖ und Grüne aber auf einen gemeinsamen Antrag. Urteile gegen Personen, die sich zwischen 1933 und 1938 für ein demokratisches Österreich eingesetzt hatten, sollten rückwirkend aufgehoben werden. Der Begriff „Austrofaschismus“ kam zwar nicht vor, aber das Unrecht dieser Politurteile wurde nun

65 Vgl. Ilse Reiter Zatloukal (2012): „Unrecht im Sinne des Rechtsstaats“ – Das Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar. Böhlau. S. 329f. 66 Vgl. ebda. S. 331ff. 32

benannt. Die ÖVP betonte jedoch, dass das Gesetz keine Geschichtsbewertung darstellt, sondern eine Geste für die Betroffenen sei.67 Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen und im Jänner 2012 im Nationalrat diskutiert. Gegen den Antrag sprach sich nur die FPÖ aus, die in den Kampfhandlungen des 12. Februars 1934 keinen Kampf für die Demokratie sah und den Griff zu den Waffen seitens des Republikanischen Schutzbundes für nicht gerechtfertigt hielt, da Repressionen, die gewaltsamen Widerstand erfordert hätten, zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben gewesen seien. Trotzdem trat das Gesetz am 1. März 2012 in Kraft.68 Inhaltlich orientierte sich das Gesetz am Opferfürsorgegesetz (OFG), da dieses laut ÖVP- Verhandler Neugebauer von allen Seiten anerkannt war. Die zentrale Aussage des Gesetzes wird in § 4 formuliert:

„(1) Die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zum Rechtsnachteil derjenigen, die sich in Wort und Tat für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Österreich eingesetzt haben (§ 1 Abs. 1 Opferfürsorgegesetz, BGBl. Nr. 183/1947) gerade wegen dieser Handlungen, widerspricht demokratischen Prinzipien. Insbesondere sind Urteile im Sinne des § 1 Abs. 1 und Bescheide im Sinne des § 1 Abs. 2 Unrecht im Sinne des Rechtsstaats.“69

Mit der Formulierung „Unrecht im Sinne des Rechtsstaats“ stellt das Rehabilitierungsgesetz einen wichtigen Schritt der Aufarbeitung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes dar. Diese Formulierung ist als Entfernung von der historisch eher fragwürdigen These der „geteilten Schuld“ zu bewerten und sie beinhaltet darüber hinaus ein klares Werturteil hinsichtlich des Regimes von 1933 bis 1938. Aufgrund der fehlenden Begriffe „Austrofaschismus“ und „Diktatur“, für die viele Historiker eintreten, ist jedoch damit zu rechnen, dass das Rehabilitierungsgesetz keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des Dollfuß/Schuschnigg- Regimes ziehen wird. Die medialen Debatten, die vor allem in Gedenkjahren, zuletzt 2014, ausgetragen werden, können hierfür als Beleg gelten.

67 Vgl. ebda. S. 337. 68 Vgl. ebda. S. 339. 69 Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011. Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung; BGBL. I Nr. 8/2012 (NR: GP XXIV IA 1773/A AB 1644 S. 140. BR: AB 8653 S. 804. 33

2.4 Fazit

Dieses Kapitel ist keinesfalls als vollständige Behandlung dieser komplexen Zeit zu verstehen, sondern dient hauptsächlich dazu, die wichtigsten Aspekte für die folgende Schulbuchanalyse zu erläutern, um den geschichtswissenschaftlichen Hintergrund der naturgemäß verkürzenden Darstellungen in den Schulbüchern zu liefern. Besonders der Umgang mit den Kontroversen, die das Dollfuß/Schuschnigg-Regime mit sich bringt, wird in der Analyse eine zentrale Rolle spielen. Das Kapitel hat gezeigt, dass es hinsichtlich der Begriffe wie „Faschismus“ und „Bürgerkrieg“ durchaus unterschiedliche Meinungen in der Geschichtswissenschaft gibt, was für die Autoren von Schulbüchern folglich zu Schwierigkeiten führt. Darüber hinaus zeigte sich, wie komplex die Frage der Bewertung der Februarkämpfe inklusive ihrer Ursachen und Hintergründe ist. Inwieweit in den verschiedenen Schulbüchern im Laufe der Zweiten Republik diese Thematik dargestellt ist, soll im Folgenden analysiert werden.

34

3 Das Schulbuch

Im folgenden Kapitel wird ein allgemeiner Blick auf die Themen Schulbuch und Schulbuchforschung geworfen. Dabei wird so vorgegangen, dass in einigen Unterkapiteln zuerst das Schulbuch allgemein betrachtet wird und danach etwaige Spezifika von Geschichtsschulbüchern erläutert werden. Bei der Strukturierung und zum Teil bei der Literaturauswahl steht dieses Kapitel unter dem Einfluss der 2017 in Graz vorgelegten Diplomarbeit „Die Erste Republik in österreichischen Schulbüchern für das Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung“70 von Daniela Wizany.

3.1 Definition

Um sich eingehend mit Schulbuchanalysen zu beschäftigen, ist es vorweg notwendig, sich mit dem Wesen von Schulbüchern auseinanderzusetzen. Es wird folglich versucht, unterschiedliche Definitionen von Schulbüchern gegenüberzustellen und auf Bedeutung und Funktion von Schulbüchern einzugehen. Schulbücher werden metaphorisch als zum Leben erweckte Lehrpläne bezeichnet – häufig ist die Rede vom Schulbuch, dem geheimen Lehrplan. Schulbücher bieten eine Darstellung dessen, was ein Staat für die Heranbildung seiner Jugend als nützlich und förderlich erachtet. Leo Kuhn und Bernhard Rathmayr weisen hierzu implizit darauf hin, dass es sich beim Schulbuch um ein Politikum handelt. Dieser Aspekt des Schulbuchs wird in der Folge hinsichtlich seiner Bedeutung noch genauer aufgegriffen.71 Im österreichischen Schulunterrichtsgesetz kommt das Wort Schulbuch nicht vor. Doch eine Aussendung des Bundesministeriums für Bildung an die Lehrkräfte zeigt, dass Schulbücher im Kontext des Schulunterrichtsgesetzes entweder synonym zum Begriff „Unterrichtsmittel“ verwendet werden oder zumindest unter diesen Sammelbegriff fallen.72

70 Daniela Wizany (2017): Die Erste Republik in österreichischen Schulbüchern für das Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Diplomarbeit Universität Graz. 2017. 71 Vgl. Leo Kuhn/Bernhard Rathmayr (1977): Statt einer Einleitung – 15 Jahre Schulreform. Aber die Inhalte? In: Leo Kuhn (Hg.). Schulbuch – ein Massenmedium. Pädagogik der Gegenwart. Wien-München. Jugend und Volk Verlag. S. 9f. 72 Aussendung des BMFBUF an die Lehrkräfte [URL: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/service/lehrerinnen/home/start.html]. 35

Auch Eva Matthes spricht von Lehrmitteln und meint damit Lehr- und Lernmittel. Sie definiert diese als Mittel, die der Planung, Initiierung, Strukturierung, Unterstützung und Evaluation unterrichtlicher Informations- und Kommunikationsprozesse dienen. Matthes plädiert dafür, das Schulbuch definitorisch nicht zu eng zu fassen. Für sie stellt das Schulbuch ein Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel dar – es fallen also Lehrerhandbücher, Aufgabenbücher und Quellensammlungen darunter. Schulbücher stellen laut Matthes ein konservierendes, strukturierendes und standardisierendes Moment im Unterrichtsgeschehen dar, was gerade in einer Zeit der Informationsfülle, Unübersichtlichkeit und Schnelllebigkeit als unverzichtbar erscheint.73 Zu den obengenannten Unterrichtsmitteln heißt es im Schulunterrichtsgesetz wie folgt:

„(1) Unterrichtsmittel sind Hilfsmittel, die der Unterstützung oder der Bewältigung von Teilaufgaben des Unterrichtes und zur Sicherung des Unterrichtsertrages dienen. (2) Unterrichtsmittel müssen nach Inhalt und Form dem Lehrplan der betreffenden Schulstufe sowie der Kompetenzorientierung der Schulart (Bildungsstandards, abschließende Prüfung) entsprechen. Sie haben nach Material, Darstellung und sonstiger Ausstattung zweckmäßig und für die Schüler der betreffenden Schulstufe geeignet zu sein. (3) Der zuständige Bundesminister kann nach den Erfordernissen für die Erfüllung des Lehrplanes der einzelnen Schularten durch Verordnung bestimmen, mit welchen Unterrichtsmitteln der Schulerhalter eine Schule mindestens auszustatten hat (Grundausstattung mit Unterrichtsmitteln).“74

Eine genaue und befriedigende Definition wird zwar im Schulunterrichtsgesetz nicht gegeben, aber aus Absatz 3 geht hervor, dass die Politik im Zusammenhang mit Schulbüchern eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Der Schulbuchbuchforscher Werner Wiater versteht unter einem Schulbuch im engeren Sinn ein überwiegend für den Unterricht verfasstes Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel in Buch- oder Broschürenform sowie Loseblattsammlungen, sofern diese einen systematischen Aufbau des Jahresstoffs eines Schulbuchs beinhalten.75 Als Druckschrift wird das Schulbuch im anerkannten Lexikon „Brockhaus“ von Anette Zwar definiert. Sie beschreibt es als „didaktisch aufbereitetes

73 Vgl. Eva Matthes (2011): Lehrmittel und Lehrmittelforschung in Europa. In: Bildung und Erziehung 64 (2011), H. 1. S. 1f. 74 Schulunterrichtsgesetz § 14, Abs. 1-3. 75 Vgl. Werner Wiater (2003): Das Schulbuch als Gegenstand pädagogischer Forschung. In: Werner Wiater (Hg.). Schulbuchforschung in Europa. Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektive. Bad Heilbrunn. Klinckhardt. S. 12. 36

Arbeitsbuch zur Eigenarbeit und zur Vertiefung für die Schülerinnen und Schüler sowie zur Unterstützung der Lehrkräfte beim Unterrichten“.76 Wiater erweitert seine Definition und fügt an, dass auch andere Druckwerke wie Lesebücher, Liederbücher, die Bibel, Atlanten oder Formelsammlungen unter den Begriff Schulbuch fallen. Es steht von der Art des Textes her zwischen dem Sachbuch und dem wissenschaftlichen Fachbuch. Meist wird es ergänzt durch diverse Begleitbücher, insbesondere Lehrerhandbücher, aber auch verschiedene multimediale Angebote wie E-Learning gehen mit den Schulbüchern der letzten Jahre einher.77 Werden also auch E-Learning oder Zusatzangebote in anderer Form (CD-Rom, CD, Kassetten…) berücksichtigt, so muss die Definition von Schulbüchern weiter gefasst werden, als bloß von Druckwerken zu sprechen.

„Unter Schulbüchern versteht man eigens für den Schulunterricht entwickelte Lehr-, Lern- und Arbeitsmittel. Sie enthalten Lerninhalte oder Lernbereiche in systematischer, didaktisch und methodisch aufbereiteter Form.“78

Diese von Uwe Sandfuchs aufgestellte Definition erscheint als sehr prägnant und treffend. Zudem enthält sie eine Unterteilung in unterschiedliche Schulbuchtypen, da Sandfuchs von Lehr-, Lern- und Arbeitsmitteln spricht. Die systematische, didaktisch und methodisch aufbereitete Form des Lerninhalts kann durchaus als zentrales Merkmal von Schulbüchern angesehen werden. Diese Definition ist mit Blick auf Geschichtsschulbücher dahingehend zu erweitern, dass sie auch als historische Narrationen zu bezeichnen sind, die aber medienspezifischen Sonderbedingungen unterliegen. Diese definieren sich durch spezielle Vorgaben des Staates, konkret des Bildungsministeriums, durch die präzise bestimmte Adressatengruppe sowie durch spezielle Vorgaben seitens der Verlage.79

76 Anette Zwar (2006): Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden. (21. Auflage, Bd. 16). Leipzig. Brockhaus. S. 486. 77 Vgl. Wiater (2003): Schulbuch. S. 12. 78 Uwe Sandfuchs (2010): Schulbücher und Unterrichtsqualität – historische und aktuelle Reflexion. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (Hg.). Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 19. 79 Vgl. Alexander Schöner/Waldtraud Schreiber: De-Konstruktion des Umgangs mit Geschichte in Schulbüchern. Vom Nutzen wissenschaftlicher Schulbuchanalysen für den Geschichtsunterricht. Eichstätt. Url: http://edoc.ku- eichstaett.de/2074/1/Themenheft_Schulbuch_pdf.pdf [12.5.2018]. S. 2. 37

3.2 Bedeutung und Funktion

Welche Bedeutung haben Schulbücher und speziell Geschichtsbücher? In der jüngeren Vergangenheit und vor allem wegen des Eintritts sogenannter Neuer Medien in die Gesellschaft und vor allem ins Klassenzimmer wird immer wieder attestiert, dass das klassische Schulbuch für den Unterricht an Bedeutung verliert oder gar gänzlich verdrängt wird. Die moderne Schulbuchforschung erkennt zwar, dass klassische Schulbücher, wie schon in den Schulbuchdefinitionen erwähnt, von neuen Angeboten begleitet werden, aber keine Anzeichen dafür gefunden werden, dass das Schulbuch im klassischen Sinn an Bedeutung verliert. Auf schulpragmatischer Ebene zeigt sich, dass Schulbücher eine zentrale Rolle für die jeweiligen Curricula spielen und eine wichtige Größe beim Bemühen darstellen, die Curricula in Wissen und Können von Schülerinnen und Schülern zu transferieren.80 Die politische Bedeutung von Schulbüchern konnte schon oben mehrfach aus den unterschiedlichen Definitionen hergeleitet werden. Werner Wiater bezeichnet das Schulbuch explizit als indirektes Mittel der staatlichen Beeinflussung des Schulwesens. Die politische Funktion sei durch das Zulassungsverfahren (auf das später genauer, bezogen auf Österreich, eingegangen wird) von Schulbüchern unverkennbar. Er stellt fest, dass das Schulbuch sowohl als Politikum als auch als Informatorium und Pädagogicum betrachtet wird. Es ist eingebettet in einen politischen, pädagogisch-didaktischen und gesellschaftlich- ökonomischen Kontext. Daher unterteilt Wiater die Funktionen von Schulbüchern in gesellschaftliche und pädagogisch-didaktische. Diese beschreibt er wie folgt:

„Die gesellschaftlichen Funktionen des Schulbuchs • die Normierung der Lerninhalte im Sinne der staatlichen Verfassung • die Gewährleistung der Konformität des schulischen Lernens mit den obersten Bildungs- und Erziehungszielen • die Sicherung eines lehrplanbezogenen Basiswissens und Basiskönnens im jeweiligen Bundesland • die Gewährleistung von Chancengleichheit im Bildungswesen • die Unterstützung bildungspolitischer Ziele im jeweiligen Bundesland • die Abgrenzung dessen, was zur Kultur in der Gesellschaft zählt.

80 Vgl. Jürgen Doll/Detlef Fickermann/Knut Schwippert/Keno Frank (2012): Schulbücher im Fokus. Nutzung, Wirkung und Evaluation. Münster. Waxmann. S. 9. 38

Die pädagogisch-didaktische Funktionen • die Bildung der jungen Gesellschaftsmitglieder durch exemplarische Lerninhalte • die Repräsentation, Strukturierung und Steuerung von Schulwissen in Form eines systematischen Überblicks dessen, was zu einer bestimmten Zeit als notwendig zu Erlernendes gelten soll • die Unterstützung und Entlastung schulischer Lernprozesse • die Nutzung als Mittler und Mittel, als Lernhilfe, Arbeitsmittel, Werkzeug und Gegenstand des Lernens.“81

Inwieweit diese Funktionen konkret im Unterricht zum Tragen kommen, hängt vom jeweiligen Einsatz der Schulbücher im Unterricht ab. Das Fach Geschichte zählt laut Wiater zu jenen Fächern, in denen es tendenziell zu einer häufigen Schulbuchnutzung kommt. Dies hängt jedoch hauptsächlich von der jeweiligen Lehrkraft ab.82 Fuchs/Niehaus/Stoletzki fächern die Funktion des Schulbuchs noch weiter auf als Wiater und nennen neben gesellschaftlichen und pädagogischen Gesichtspunkten noch bildungspoltische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Aspekte.83 Thomas Höhne versteht das Schulbuch ebenfalls als „Träger eines spezifischen, kontrollierten, dominanten und sozial-institutionell approbierten Wissens einer nationalsprachlichen Gesellschaft.“84 Seitdem Schulbücher im 19. Jahrhundert in Massenproduktion hergestellt wurden, besteht im Geschichtsunterricht deren Funktion darin, Wissen methodisch aufzubereiten und zu vermitteln. An heutige Lehrwerke werden aber auch andere Ansprüche gestellt – sie sollen zum Beispiel eine Hilfestellung für selbstständiges Lernen darstellen und Lern- beziehungsweise Arbeitstechniken vermitteln. Neue Geschichtsbücher sollen vor allem den kritischen Umgang mit historischer Information fördern, um eine spätere kritische Auseinandersetzung mit Informationen historischer oder nicht-historischer Natur zu ermöglichen.85

81 Wiater (2003): Schulbuch. S. 14. 82 Vgl. ebda. 83 Vgl. Eckhardt Fuchs/Inga Niehaus/Almut Stoletzki (2014): Das Schulbuch in der Forschung. Analysen und Empfehlungen für die Bildungspraxis. (= Eckert. Expertise. Band 4). Göttingen. Vandenhoeck & Rupprecht unipress. S. 23. 84 Thomas Höhne (2003): Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuchs. Frankfurt a. M. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. S. 74. 85 Vgl. Klaus Edel: Das Schulbuch im Geschichtsunterricht. Url: http://www.geschichtsdidaktik.eu/index.php?id=133 [14.5.2018]. Keine Seitenangabe vorhanden. 39

Im Kontext dieser inhaltsbezogenen, vergleichenden Schulbuchanalyse ist der gesellschaftliche und wissenschaftliche Aspekt ins Zentrum zu rücken, weshalb es erforderlich ist, die diesbezügliche Bedeutung von Schulbüchern als Träger sogenanntem Schulbuchwissens zu erläutern. Besonders Höhnes Definition sollte vor diesem Hintergrund beachtet werden.

3.3 Arten von Schulbüchern

Schulbuch ist nicht gleich Schulbuch, wie schon das Unterkapitel zur Definition von Schulbüchern gezeigt hat. Nachfolgend soll eine kurze Unterscheidung einiger Typen von Schulbüchern getroffen werden. Das Fachdidaktikzentrum (FDZ) Geschichte der Uni Wien gibt diesbezüglich einen kurzen Überblick, der einen spezifischen Blick auf Geschichtsbücher beinhaltet.

3.3.1 Lehr- und Lesebücher im traditionellen Sinn

In traditionellen Lehr- und Lesebüchern überwiegt der Darstellungsteil eindeutig – er dient hauptsächlich der Vermittlung und Reproduktion von Wissen und weist eine hohe Dichte an Fakten und Begriffen auf. Lange Zeit hindurch war dies die dominante Form von Schulbüchern und diese ergänzte den vorherrschenden Frontalunterricht. Die Autoren versuchten die Sprache in den Büchern möglichst wertneutral zu halten, sodass sie den Eindruck erweckten, ein universal gültiges Geschichtsbild zu vermitteln. Für das Einbringen und die Bildung einer eigenen Meinung oder für selbstständige Tätigkeiten seitens der Schülerinnen und Schüler bot diese Schulbuchform nur wenig Raum.86

86 Vgl. ebda. Ohne Seitenangabe. 40

3.3.2 Das Arbeitsbuch

Im Arbeitsbuch wird auf den Darstellungsteil, der unter 3.3.1 noch dominant ist, gänzlich verzichtet. Es werden stattdessen umfangreiche Materialien (Quellentexte, Bilder, Diagramme, Karten…) geboten. Zu diesen Materialien werden im Regelfall Arbeitsaufgaben angeboten, die von den Schülerinnen und Schülern gelöst werden sollen. Dies führt zu einer massiven Vorstrukturierung des Unterrichts, da die angebotenen Materialien in der Regel nur in einem bestimmten Kontext eine sinnhafte Verwendung ermöglichen. Es gibt jedoch Arbeitsbücher, die auf konkrete Arbeitsfragen verzichten und somit mehr Freiheit lassen. Arbeitsbücher stellen in Österreich eher die Ausnahme dar; sie treten häufig als Ergänzungsband zu traditionellen Lehrbüchern auf.87

3.3.3 Lesebuch und Arbeitsbuch kombiniert

In Österreich herrscht derzeit eindeutig diese Schulbuchform vor. Dieser Kompromiss aus 3.3.1 und 3.3.2 kann als logische Lösung für den Unterricht angesehen werden. Die Qualität dieser Schulbuchform hängt stark davon ab, wie sich das Verhältnis von Text- und Arbeitsteil darstellt. Negativ gesehen wird es, wenn die verwendeten Quellen nur als Illustration zum entsprechenden Text dienen – umgekehrt kann zum Beispiel die Darstellung bloß eine Interpretation oder Ergänzung des Quellenteils darstellen. Derartiges soll in hochwertigen Schulbüchern möglichst vermieden werden, was häufig durch eine strikte Trennung von Informations-, Material- und Arbeitsteil in jedem Kapitel versucht wird. Diese Schulbuchform lässt zwar ebenfalls meist relativ wenig Spielraum für eigene Interpretationen, doch sind diese Bücher für unterschiedliche Arbeits- und Sozialformen verwendbar. Sie sollen mittels Hinweisen auf vertiefende Literatur die Schüler und Schülerinnen anregen, sich auch abseits des Unterrichts mit Geschichte zu befassen – so lautet zumindest die Intention der Autoren und Autorinnen.88

87 Vgl. ebda. Ohne Seitenangabe. 88 Vgl. ebda. Ohne Seitenangabe. 41

3.3.4 Vernetzte Schulbücher

Seit dem Aufstieg des Internets und den damit einhergehenden Neuen Medien, die heutzutage so neu nicht mehr sind, nimmt das Internet natürlich Einfluss auf die Gestaltung von Schulbüchern. Es bietet Hilfen bei der Recherche oder dient als Kommunikationsmittel. Selbst bei der Konstruktion und Dekonstruktion von Geschichtsbildern nimmt das World Wide Web Einfluss und bietet neue Möglichkeiten an. Der Wechsel von bloßer Wissensvermittlung hin zur Kompetenzorientierung erfordert eine neue Form von Schulbüchern. Aus dem Text- und Arbeitsbuch entwickelt sich das sogenannte vernetzte Schulbuch. Hier wird zur Mischform unter 3.3.3 noch zusätzlich eine CD-ROM oder heute eher eine Webseite angeboten, die eLearning mit traditionellen Lernformen verbindet. Hier kann es im Idealfall zu hohem Kompetenzerwerb und zu Interaktivität kommen.89

3.4 Der Forschungsstand

Bezüglich des Standes der Schulbuchforschung wird der Fokus vor allem auf dem deutschsprachigen Raum, genauer auf Deutschland und Österreich, liegen. Zentral für die Schulbuchforschung in Deutschland ist das 1975 in Niedersachsen gegründete Georg-Eckert- Institut für Schulbuchforschung (GEI). Das Institut sieht seine Aufgabe darin, durch internationale Schulbuchforschung einen Beitrag zur Konfliktlösung und Friedenserziehung zu leisten.90 Das GEI befasst sich vorwiegend mit der Sammlung, Erschließung und Analyse von Schulbüchern der Fächer Geschichte, Geografie, Sozialkunde, Politik usw. In meist vergleichender Forschungsarbeit werden Impulse zur didaktischen und pädagogischen Verbesserung von Schulbüchern gegeben.91 Die vergleichende Forschung, die zumeist Schulbücher unterschiedlicher Kulturräume oder unterschiedlicher Epochen vergleicht, bildet einen der Hauptstränge der Schulbuchforschung. Sie ist produktorientiert und befasst sich vorwiegend mit dem Inhalt und der Gestaltung des Schulbuchs. Diese produktorientierte Forschung hatte zur Folge, dass in den 1980er und 1990er Jahren an

89 Vgl. ebda. Ohne Seitenangabe. 90 Vgl. Ursula A. J. Becher/Reiner Riemenschneider (2000): Internationale Verständigung. 25 Jahre Georg- Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. (= Studien zur Internationalen Schulbuchforschung. Bd. 100) Hannover: Hahnsche Buchhandlung. S. 9. 91 Vgl. Wiater (2003): Schulbuch. S. 20. 42

Universitäten und Pädagogischen Hochschulen unterschiedliche „Schulbuchraster“ zur Evaluation von Schulbüchern entwickelt wurden. Aus österreichischer Sicht sei hier der „Salzburger Raster“ genannt, der Kriterien für die Beurteilung von Schulbüchern festlegt, die im Zulassungs- und Genehmigungsprozess genutzt werden sollten. Dieser Raster ermöglicht eine Inhaltsanalyse, unterteilt in Haupt- und Untergruppen, und soll ein differenziertes Qualitätsurteil über die zu bewertenden Schulbücher abgeben.92 Eckhardt Fuchs beschäftigte sich 2011 intensiv mit der Schulbuchforschung, wobei er meint, dass eher von einer schulbuchbezogenen Forschung gesprochen werden müsse, da diese weit von einer disziplinären Etablierung innerhalb des Wissenschaftskanons entfernt sei.93 Fuchs hebt fünf Themenfelder der aktuellen schulbuchbezogenen Forschung hervor, die hier kurz zusammengefasst werden. Behandelt werden Schulbuchrevision, Wahrnehmungsmuster und Identitätskonstruktionen, Methodenvielfalt, gesellschaftliche Herausforderungen sowie Theorie und Geschichte des Schulbuchs.

 Die Forschung zur Schulbuchrevision setzt sich zum Ziel, die Schulbücher von nationalistischen, chauvinistischen und einseitigen Interpretationen zu befreien, um so zu Völkerverständigung und Frieden beizutragen. Besonders in Kriegs- und Postkonfliktgesellschaften ist es wichtig, die Lehr- und Lernmaterialien auf Stereotype und Feindbilder zu untersuchen und politikrelevante Empfehlungen zur Revidierung dieser Materialien zu unterbreiten. Daraus ergibt sich die erwähnte politische Komponente von Schulbüchern, die durchaus brisant sein kann.94  Die Arbeiten zu Wahrnehmungsmustern und Identitätskonstruktionen knüpfen an die traditionelle, inhaltsbezogene Schulbuchanalyse an. Ungeachtet der Forderung einer Trennung von normativer Schulbucharbeit und objektiver Schulbuchforschung überwiegt weiterhin der normative Ansatz. Besonders aufgrund des Interesses an Europa gewinnt die schulbuchbezogene Identitätsforschung über die nationale Dimension hinaus an Bedeutung. Es ergibt sich innerhalb der EU ein großer Raum für vergleichende Studien zu Schulbüchern und Curricula. Ähnlich verhält es sich international in Bezug auf Kolonialismus, da versucht wurde, den eindimensionalen

92 Vgl. Doll/Fickermann/Schwippert/Frank (2012): Schulbücher. S. 32f. 93 Vgl. Eckhardt Fuchs (2011): Aktuelle Entwicklungen der Schulbuchforschung. In: Bildung und Erziehung 64 (2011), H. 1. S. 7. 94 Vgl. ebda. S. 8f. 43

„masters narrative“ zu überwinden und eine gemeinsame Geschichte zu generieren. Zusätzlich gibt es noch die Tendenz, eine Globalgeschichte in den Schulbüchern darzustellen. Forschungen dazu zeigen, dass nationale Identitätsmuster weiterhin – neben lokalen, regionalen und globalen – zentral in Schulbüchern tradiert werden, doch dass auch diese nationalen Erzählungen zunehmend in globalen Kontexten verortet werden.95  Stark erweitert hat sich im Lauf der Entwicklung schulbuchbezogener Forschung die Methodenvielfalt. Zum einen gibt es diskursanalytische Methoden, die Inkohärenzen innerhalb des Narrativs untersuchen und so über eine reine Inhaltsanalyse hinausgehen. Auch die steigende Verwendung von Bildern in Schulbüchern hat das Methodenrepertoire derart erweitert, dass eine eigene Bilddidaktik entwickelt werden musste, damit die Bilder von den Lernenden entschlüsselt werden konnten. Sozialwissenschaftliche Methoden gewannen laut Fuchs ebenfalls an Bedeutung. Hierbei stehen vor allem Wirkungs- und Rezeptionsforschungen zu Schulbüchern im Unterricht im Zentrum. Dieser Teil der schulbuchbezogenen Forschung wurde am längsten vernachlässigt; er wird derzeit intensiviert, er weist jedoch noch große Lücken auf. Insbesondere in Fächern wie der Geschichte sind außerdem kulturwissenschaftliche Ansätze wesentlich, da im Zuge schulbuchbezogener Forschungen Untersuchungen zum individuellen, kommunikativen und kulturellen Gedächtnis möglich sind.96  Auch auf der gesellschaftlichen Ebene ergeben sich einige Herausforderungen für die schulbuchbezogene Forschung. Es wird versucht, das Schulbuch in allen seinen Aspekten – den gesellschaftlichen, bildungspolitischen, wissenschaftlichen, pädagogischen und wirtschaftlichen – aus der Perspektive von Wissenschaftlern, Didaktikern, Pädagogen, Schulbuchautoren, Bildungspolitikern und Verlagsvertretern zu untersuchen und damit nicht nur angehenden Lehrern, sondern auch politischen Entscheidungsträgern und Schulbuchforschern einen Zugang zum Feld zu eröffnen. Fuchs weist auf das Buch „Schulbuch Konkret“97 hin, das diesem Anspruch gerecht wird. Die Relevanz von Schulbüchern in den gegenwärtigen Reformprozessen ergibt

95 Vgl. ebda. S. 9f. 96 Vgl. ebda. S. 11f. 97 Vgl. Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (2010): Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. 44

ein recht weites Forschungsfeld, das sich zum einen mit rechtlichen Fragen wie der Schulbuchzulassung und zum anderen mit Auswirkungen - und Kompetenzdiskussion auf Schulbücher auseinandersetzt.98  Als letzten Zweig der aktuellen Forschung führt Fuchs die Theorie und Geschichte des Schulbuchs an, die sich daraus ergibt, dass es noch keine konsensfähige Definition für das Schulbuch gibt. Im Kapitel zur Definition von Schulbüchern wird genauer darauf eingegangen. Im Forschungsfeld zu Theorie und Geschichte des Schulbuchs werden Prozesse der Konstruktion, Struktur und Transformation des Wissens untersucht. Ferner wird das Schulbuch multidimensional als Informatorium, Paedagogicum, Politicum und als Konstruktorium untersucht. Schulbücher definieren sich in diesem Zusammenhang als soziales Beobachtungsmedium im Medienverband. Speziell zur Geschichte des Schulbuchs erwähnt Fuchs die „Augsburger Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung“, die es sich zum Ziel setzt, Forschungslücken zur Schulbuchgeschichte zu schließen. Fuchs kritisiert aber, dass hier zu wenig auf den gesellschaftlichen Kontext eingegangen wird, ohne den über die Inhaltsanalyse nicht hinauszukommen sei.99

Für die Geschichtsschulbuchforschung sei auf das 2015 erschienene Werk „Empirische Geschichtsschulbuchforschung“100 von Kühberger und Mittnik verwiesen. Sie konstatieren, dass die Schulbuchforschung innerhalb der Geschichtsdidaktik eine privilegierte Stelllung einnimmt, da sie bereits lange vor der sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts durchsetzenden empirischen Wende im Fach ein empirisch arbeitender Zweig war und die Bedeutung von Schulbüchern immer wieder herausstellte.101 In Österreich beobachtet Kühberger mit Blick auf die letzten Jahrzehnte drei verschiedene Zugänge zur Geschichtsschulbuchforschung:

Eine inhaltlich orientierte kulturell vergleichende Zugangsweise, die Geschichtsschulbücher aus verschiedenen Ländern zu einem Thema gegenüberstellt.

98 Vgl. Fuchs (2011): Entwicklung. S. 12f. 99 Vgl. ebda. S. 14f. 100 Vgl. Christoph Kühberger/Philipp Mittnik (2015): Empirische Geschichtsschulbuchforschung in Österreich. (= Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung. Bd. 10) Innsbruck: Studienverlag. 101 Vgl. ebda. S. 9. 45

Einen kategorial angelegten Zugang, der ausgehend von einem Konzept den Grad der Umsetzung in Schulbüchern befragt. Eine von fachdidaktischen Fragestellungen ausgehende Forschung, die sich bemüht, fachdidaktische Probleme zu thematisieren.102

Als maßgeblich für die aktuelle Forschung hebt Kühberger das Konzept der kategorialen Schulbuchanalyse von Waltraud Schreiber, Alexander Schöner und Florian Sochatzy hervor. Dieser Ansatz macht es möglich, dass vor allem die Struktur der historischen Narration, wie sie in Geschichtsschulbüchern auftritt, erfasst werden kann.103 Der aktuell meistdiskutierte Ansatz, der aus der Vergangenheit heraus noch die größten Lücken aufwirft, ist ein subjektorientierter empirischer Ansatz, der verstärkt die Rezeption durch Schülerinnen und Schüler und die konkrete Nutzung von Geschichtsschulbüchern im Unterricht durch die Lehrkräfte im Verhältnis zum intendierten Aufbau der Lehrwerke in den Fokus der Forschung rückt.104 Dieser Schwerpunkt wird von Eckhardt Fuchs unter dem Punkt zur Methodenvielfalt angeführt.

3.5 Forschungsansätze und Forschungsschwerpunkte

Werner Wiater hat unterschiedliche Ansätze und Methoden der Schulbuchforschung sowie deren jeweilige Schwerpunkte sehr übersichtlich dargestellt, weshalb sich dieses Kapitel hauptsächlich an seinen Ausführungen orientiert. Wiater spricht bezüglich der verschiedenen Methoden und Ansätze eingangs von historischem Forschen zu Schulbüchern. Hier werden hermeneutische und qualitativ- inhaltsanalytische Auswertungen der Quellen, also der Schulbücher, in den Vordergrund gerückt. Dabei ist es von Bedeutung, dass ein selektiver Standpunkt gegeben sein muss, unter dem das jeweilige Quellenmaterial analysiert werden soll. Es sollen dabei alle absichtlich und unabsichtlich überlieferten Quellen gesichtet werden, was in Bezug auf die hier angestellte Analyse eine untergeordnete Rolle spielt, da es sich im Grunde ausschließlich um absichtlich überliefertes Quellenmaterial in Form von Schulbüchern

102 Vgl. ebda. S. 12. 103 Vgl. ebda. S. 10. 104 Vgl. ebda. S. 13. 46

handelt. Am Ende dieses methodischen Ansatzes steht die Auswertung des Datenmaterials. Hierfür können hermeneutische und sozialwissenschaftliche Quellen herangezogen werden. Bei der Schulbuchanalyse ist das Quellenmaterial in Form des jeweiligen Lehrmittels in den Zusammenhang der Rahmenbedingungen der Entstehung des Buchs, des jeweiligen Standes der Fachwissenschaft und der zur jeweiligen Zeit herrschenden Bedingungen des schulischen Unterrichts und Lernens zu stellen. Dies macht es möglich, die Originalität und den Stellenwert des Schulbuchs adäquat einzuschätzen und in der Praxis zu verorten.105 Beim systematischen Forschen lässt sich in der Regel eine Verbindung zum historischen Forschen herstellen. Hierbei beschäftigt sich die Forschung aber mit grundsätzlichen Fragen zur didaktisch-pädagogischen Funktion, zur Verwendung oder zur Entstehung von Schulbüchern. Es geht folglich um Begriffsverständnis, Schulbuchtheorien, Strukturfaktoren, Rezeption usw. Methodisch wird beim systematischen Forschen so vorgegangen, dass mit der Deskription begonnen und danach zur Analyse übergegangen wird, die zu konkreten Aussagen über die Wesenselemente des Schulbuchs führt.106 Als dritten methodischen Zugang zur Schulbuchforschung führt Wiater das vergleichende Forschen an. Dabei eröffnet sich eine breite Palette an Möglichkeiten für das, was in Bezug auf Schulbücher verglichen werden kann. Derzeit finden besonders Geschlechter- oder Familienbilder in unterschiedlichen Schulbüchern das Interesse der Forschung. Ausgegangen ist die Schulbuchforschung mit dieser Methode aber von Vergleichen zwischen Schulbüchern unterschiedlicher geografischer oder zeitlicher Räume. Hierzu werden empirisch- quantifizierende und hermeneutisch-geisteswissenschaftliche Methoden angewandt. Die beschreibende Darstellung des Schulbuchs steht auch bei dieser Methode am Anfang. Im Anschluss an die Deskription folgt die Analyse ausgewählter Aspekte. Dabei ist es laut Wiater wichtig, dass der multifaktoriale Kontext, in dem die Aussagen der Lehrmittel verständlich werden, mit zu eruieren ist. Die Aussagen müssen also in den jeweiligen zeitlichen oder geografischen Kontext mit allen damit einhergehenden Einflüssen gestellt werden. Durch die Auswertung will man zu einem abschließenden Urteil über das Konzept und andere Aspekte des untersuchten Schulbuchs gelangen. Dies muss mit objektiv vermittelten Daten gestützt

105 Vgl. Wiater: Schulbuch. S. 16f. 106 Vgl. ebda. S.16. 47

sein. Diese Herangehensweise weist kein eigenes Methodenrepertoire auf, doch integriert sie je nach Fragestellung Methoden aus den Sozial- und Geisteswissenschaften.107

107 Vgl. ebda. S. 17. 48

3.6 Anforderungen an und Wirkung von Schulbüchern

Schulbücher haben neben der Auswahl von relevantem Wissen auch die Aufgabe, komplexe Themen so zu vereinfachen, dass sie Lernenden unterschiedlichen Alters zugänglich werden. Daher ist eine zentrale Anforderung an das Schulbuch dessen Einfachheit. In Deutschland wurde schon seit 1974 versucht, Kriterien der Textverständlichkeit zu erarbeiten. Beerenwinkel und Gräsel formulierten 2005 folgende Merkmale: Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und anregende Zusätze.108 Geschichte ist, wie schon erwähnt, nach wie vor eines der Schulfächer, in denen das Schulbuch als Leitmedium gilt. Speziell für das Fach Geschichte wurden einige Kriterien, die ein Schulbuch erfüllen muss, von der schulbuchbezogenen Forschung erarbeitet. Schönemann und Thünemann sehen sich weitgehend von der Schulbuchforschung bestätigt, wenn sie folgende Kriterien auflisten:

- „Sachliche Richtigkeit (im Sinne von korrekter Zitierweise, Nachweisen, Kenntlichmachungen von Auslassungen); - Multidimensionalität (regionale, europäische, globale Perspektiven und kultur-, sozial-, umwelt-, wirtschafts- und alltagsgeschichtliche Fragestellungen); - Die klare sprachliche Trennung der Ebenen von Analyse, Sachurteil und Wertung; - Empirische, narrative und normative Triftigkeit.“109

In der modernen Geschichtsdidaktik dominiert derzeit der Kompetenzbegriff. Er stellt an die Geschichtsschulbücher die Anforderung, Wissenstransfers und eine flexible Anwendung von Wissen zu fördern bzw. zu ermöglichen. Dies erfordert eine spezielle, eben eine kompetenzorientierte, Form der Aufgabenstellung.110 Eine zentrale Kompetenz, die mit dem Geschichtsunterricht einhergeht, ist jene des historischen Denkens, womit sich ein Sammelband von Christoph Bramann, Christoph Kühberger und Roland Bernhard beschäftigt. Was ist nun historisches Denken konkret? Als historisches Denken wird eine Kompetenz des mentalen Systems des Geschichtsbewusstseins bezeichnet. Diese kann und soll durch den Geschichtsunterricht

108 Vgl. Cornelia Gräsel (2010): Lehren und Lernen mit Schulbüchern. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (2010): Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 139. 109 Fuchs/Niehaus/Stoletzki (2014): Schulbuch. S. 47. 110 Vgl. ebda. S. 48. 49

verbessert und ausdifferenziert werden. Innerhalb dieser Kompetenz finden, abgesehen von Wissen, auch noch Emotion und Motivation Aufmerksamkeit. Außerdem spricht die Geschichtsdidaktik in diesem Kontext von einem menschlichen Grundbedürfnis nach Orientierung in der Zeit. Vor allem in Zeiten von Krisen und Umbrüchen brauchen Menschen diese Orientierung, um ihre Gegenwart zu verstehen und ihre Zukunft zu entwerfen.111 In diesem Zusammenhang spielt der Urteilsbegriff eine Rolle. Lernende sollen in der Lage sein, eine historische Sachanalyse vorzunehmen und ein historisches Sachurteil sowie ein historisches Werturteil zu fällen. Zusammenfassend lässt sich zum historischen Denken sagen, dass es grundsätzlich lebenspraktisch verwurzelt ist und im Idealfall auf historische Orientierung abzielt. Die erwähnten historischen Werturteile sind der Kern dafür, dass Geschichte nicht bloß als tote Vergangenheitsmasse wahrgenommen wird, sondern ständig eine neue Relevanz aufweist.112 Diese kompetenzorientierten Zugänge treffen aber nur auf jüngere Schulbücher zu. Im 18. Jahrhundert wurde noch einfach historisches Wissen, meist mittels Frage- und Antwortsequenzen, vermittelt. Seit dem 19. Jahrhundert veränderten sich die Geschichtsbücher, sodass nun anstelle des Frage-Antwort-Typs eine durchgehende Erzählung präsentiert wurde – es kann quasi von einem Leitfaden durch die Geschichte gesprochen werden. Dieser Typus zog sich ungefähr bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hin. Erst ab den 1970er Jahren entwickelten Schulbuchautoren ein fragmentiertes Bild-Text- Material, das mit zahlreichen Arbeitsaufträgen versehen war – zentral dabei ist, dass es kein autoritatives Meister-Narrativ mehr gibt, sondern ein kritisch-kommunikatives Geschichtsverständnis gefördert werden soll, womit die Didaktik sich den kompetenzorientierten Zugängen nähert.113 Dieser kurze historische Abriss macht deutlich, dass sich die Anforderungen an und folglich auch die Wirkung von Schulbüchern, genauer von Geschichtsbüchern, im Lauf der Zeit verändert haben und daher die in der Folge analysierten Bücher im Kontext ihrer Entstehung gesehen werden müssen. Mit der Wirkung der Schulbücher auf die Lernenden beschäftigte sich die schulbuchbezogene Forschung erst relativ spät, doch ist diese Sparte heute eine sehr

111 Vgl. Holger Thünemann (2018): Historisch Denken lernen mit Schulbüchern? Forschungsstand und Forschungsperspektiven. In: Christoph Bramann/Christoph Kühberger/Roland Bernhard (Hg.). Historisch Denken lernen mit Schulbüchern. Frankfurt am Main. Wochenschau Verlag. S. 22f. 112 Vgl. ebda. S. 24f. 113 Vgl. ebda. S. 19. 50

beliebte. Bodo von Borries konstatierte hinsichtlich der Wirkung von Schulbüchern einige Schwachpunkte. Er stellte beispielsweise fest, dass beim Lernen mit Schulbüchern vor allem jene Lernenden profitieren, die bereits Vorkenntnisse haben. Sie können ihr Wissen vertiefen, während den Lernenden mit geringen Vorkenntnissen die Anknüpfungspunkte fehlen und sie somit nur geringfügig vom Lernen mit dem Schulbuch profitieren. Grundsätzlich ist hierzu festzuhalten, dass die Wirkung der Schulbücher oft durch Sprachhürden oder Fachlogiken eingeschränkt ist. Unter anderem ist es dabei wichtig, dass verschiedene Begrifflichkeiten je nach Wissensstand der Lernenden genauer definiert werden, um ein Scheitern auf dieser Ebene zu vermeiden.114 Von Borries verweist auf eine Vielzahl von Studien zu diesem Bereich, die Schwachpunkte von Schulbüchern hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Lernenden aufzeigen. Meist geht es dabei um die Verständlichkeit oder um Einfachheit der Texte. Dieses Kriterium wird im Zusammenhang mit der Altersadäquatheit in der folgenden Analyse eine Rolle spielen.

3.7 Zulassungsverfahren

Die Zulassungsverfahren von Schulbüchern stehen immer wieder in der Kritik und selbst die Bedingung, sie müssten überhaupt einem Zulassungsverfahren unterzogen werden, findet Kritiker. Es geht also darum, ob derartige Verfahren als notwendiges Steuerungsmittel seitens des jeweiligen Staates oder als Bevormundung und Einschränkung der Eigenverantwortlichkeit des Lehrers oder der Lehrerin gesehen werden. Schon seit dem 18. Jahrhundert erhebt der Staat den Anspruch, regulierend auf die Schule einzuwirken. Die Schulbuchzulassung soll Qualität und Einheitlichkeit sicherstellen, aber eben auch seitens des Staates unliebsame bildungspolitische Tendenzen vermeiden. Um dies zu gewährleisten, entwickelten viele Staaten eine konkrete Praxis der Zulassung von Schulbüchern.115 In Deutschland führte laut Peter Wendt die detaillierte Struktur der Zulassungsverfahren zu einer Verunsicherung der Schulbuchautoren und -autorinnen. Bei der Erarbeitung von

114 Vgl. Bodo von Borries (2010): Wie wirken Schulbücher in den Köpfen der Schüler. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs. Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 102ff. 115 Vgl. Peter Wendt (2010): Schulbuchzulassung: Verfahrensänderung oder Verzicht auf Zulassungsverfahren. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs. Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 83. 51

Schulbüchern war und ist stets zu beachten, ob dem Kriterienkatalog der Genehmigungsinstanz entsprochen wird. Kritiker sahen hierin eine Entwicklung hin zur Abhängigkeit von politischen und didaktischen Tugendwächtern.116 Um einen speziellen Blick auf die Schulbuchapprobation in Österreich zu werfen, eignet sich ein Blick in die politische Praxis. Die NEOS haben in der Person ihres damaligen Obmanns Matthias Strolz am 7.6.2017 eine entsprechende Anfrage117 bezüglich Schulbuchapprobation an die damalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) gestellt. Dabei formulierte Strolz Fragen zur Anzahl der zugelassenen Bücher, zu aufgetretenen Fehlern, Gutachtern und deren Auswahl sowie zur Evaluation der Arbeit. Strolz stellte ferner die Frage, wie die Ministerin zur Abschaffung der Approbation stehe, um die Auswahl in die Hände der Pädagogen und Pädagoginnen zu geben. Aus der Formulierung der Fragen lässt sich relativ klar ablesen, dass die NEOS dem Verfahren der Approbation kritisch gegenüberstehen und dessen Abschaffung wohl befürworten. Die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage gibt aktuell Aufschluss über das Verfahren und die Hintergründe der Schulbuchapprobation. Zwischen 2014 und 2016 wurden in Österreich insgesamt 1.787 Schulbücher zugelassen. Hammerschmid wies auf eine sehr geringe Fehlerquote in den Schulbüchern hin, konnte aber keine Daten liefern, da es keinerlei Aufzeichnungen dazu gibt. Die Gutachterkommission besteht aus 31 verschiedenen Untergruppen mit jeweils drei bis fünf Mitgliedern, die auf vier Jahre berufen werden. Ausgewählt werden die Mitglieder nach einem Anforderungsprofil der pädagogischen Fachabteilungen des Bildungsministeriums. Neben dem Abschluss eines Lehramtsstudiums, mindestens drei Jahren Unterrichtspraxis und genauer Lehrplankenntnis wird unter anderem vorausgesetzt, dass während der Funktionsperiode keine Tätigkeit als Schulbuchautor oder als -autorin ausgeübt wurde. Die Approbation eines Schulbuches dauert zwischen vier und sechs Monaten. Bezüglich der Notwendigkeit, dass das Ministerium die Lehrmittel approbiert, berief sich die Bildungsministerin auf das Schulunterrichtsgesetz, das dies verlangt, um die Qualität der Lehrmittel sowie deren Bezug zum Lehrplan zu gewährleisten. Die kurze und präzise Antwort lässt darauf schließen, dass das Ministerium zumindest 2017 keinerlei Interesse hatte, an

116 Vgl. ebda. S. 83f. 117 Vgl. Parlamentarische Anfrage der NEOS: Url: https://parlament.neos.eu/anfrage/approbation-von- schulbuechern-13316j/?backTo=7044 [20.5.2018]. 52

dem Prozedere der Schulbuchapprobation etwas zu verändern oder dieses gar abzuschaffen und es in die Hände der jeweiligen Schule oder Lehrperson zu legen.118

3.8 Lehrpläne

Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Schulbücher sollten diese auch in Verbindung zu Lehrplänen gesetzt werden. Im folgenden Kapitel soll der Begriff Lehrplan/Curriculum erläutert, die enge Verbindung zwischen Curricula und Schulbüchern behandelt und die Entwicklung des Lehrplans in Österreich zum Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime für die Sekundarstufe II aufgezeigt werden.

3.8.1 Lehrpläne allgemein

Um in das Thema Lehrpläne einzusteigen, bedarf es zu allererst einer Definition. Lehrpläne sind laut dem Gabler Wirtschaftslexikon eine

„systematische Zusammenfassung von Lerninhalten, die über die Realisierung von Lernzielen innerhalb eines vom Plan vorgegebenen Zeitraums im Rahmen eines schulischen Bildungsganges vom Lernenden erarbeitet und angeeignet werden sollen.“119

Diese Definition des Gabler-Wirtschaftslexikons bezieht sich vor allem auf Deutschland. Eine andere Definition aus Österreich besagt:

„Lehrpläne sind staatliche Dokumente, in welchen die Bildungsaufgaben des Schulsystems differenziert nach Schularten, Unterrichtsfächern und Jahrgangsstufen verbindlich festgelegt wurden. Sie kodifizieren die bildungspolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers und haben somit gesellschaftspolitischen Charakter. Traditionelle Lehrpläne haben sich im Gegensatz zu heutigen primär an (Stoff-)Inhalten orientiert.

118 Vgl. Anfragebeantwortung auf die parlamentarische Anfrage von Matthias Strolz durch das Bildungsministerium: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_12760/imfname_663014.pdf [20.5.2018]. 119 Definition des Gabler Wirtschaftslexikons Url: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/lehrplan- 38256/version-261680 [24.5.2018]. 53

Moderne Lehrpläne sind meist auf Zielsetzungen und Themenkreise bzw. -bereiche, eventuell auch noch auf Lerninhaltsvorschläge ausgerichtet.“120

Der hier von Sitte und Wohlschlägl betonte gesellschaftspolitische Charakter von Lehrplänen ist jedoch überschaubar. Daniela Scholl spricht gar von einem Lehrplanparadoxon, das sie so beschreibt, dass Lehrpläne zwar stets unter zeitlichem Druck gefordert und diskutiert werden, jedoch ihre wissenschaftliche Untersuchung kaum eine Rolle spielt. Sie kritisiert einerseits, dass die zeitliche Abfolge, Lehrpläne zuerst zu erlassen und dann wissenschaftlich zu behandeln, fragwürdig ist, und stellt andererseits fest, dass Lehrpläne grundsätzlich seit den 1980 Jahren aus dem Fokus der Forschung geraten sind.121 Ein eng mit dem Lehrplanbegriff verwandter und teils sogar synonym verwendeter Begriff ist jener des Curriculums. Zum Begriff Curriculum gehört alles, was an Unterrichtsvorbereitung schriftlich niedergelegt wird. Weiter fällt darunter auch, was an Institutionalisierung didaktischer Arbeitsgänge erforderlich ist, um ein Curriculum in Dokumentenform überhaupt erst zu erzeugen. Zuletzt beinhaltet ein Curriculum auch Überprüfungsvorgänge und Verbesserungsprozesse, die das Curriculum weiterentwickeln sollen.122 Konkreter kann das Curriculum als systematische Darstellung von beabsichtigten Unterrichtszielen, Unterrichtsmethoden und Unterrichtsinhalten über einen bestimmten Zeitraum hinweg gesehen werden, die den Zweck der optimalen Vorbereitung, Umsetzung und Evaluation von Unterricht verfolgt. Als relevante Elemente können Lernziele, Lerninhalte und Prozessmerkmale des Lernens gesehen werden. Im Unterschied zum Lehrplanbegriff ist bezüglich des Curriculums festzustellen, dass es den Anspruch hat, „Planungsentscheidungen für Unterricht unter Einbeziehung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren zu begründen, bestimmte Ziele und Inhalte im Hinblick auf den Erwerb von Qualifikationen zur Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Lebenssituationen zu rechtfertigen und schließlich Entscheidungen über Curricula in demokratischen Konsensbildungsprozessen zu legitimieren“.123 Trotz dieses Anspruchs ist die synonyme Verwendung mit dem

120 Wolfgang Sitte/Helmut Wohlschlägl (2001): Beiträge zur Didaktik des „Geographie und Wirtschaftskunde“- Unterrichts. (= Materialien zur Didaktik der Geographie und Wirtschaftskunde, Bd. 16) Wien. Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. S. 212. 121 Vgl. Daniela Scholl (2009): Sind die traditionellen Lehrpläne überflüssig? Zur lehrplantheoretischen Problematik von Bildungsstandards und Kernlehrplänen. Wiesbaden. Verlag für Sozialwissenschaften. S. 16. 122 Vgl. Wolf-Rüdiger Minsel (Hg.) (1978): Curriculum und Lehrplan. (= Studienprogramm Erziehungswissenschaft. Bd. 2) München-Wien-Baltimore. Urban & Schwarzenberg. S. 40. 123 Definition des Gabler Wirtschaftslexikons Url: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/curriculum- 28425 [24.5.2018]. 54

Lehrplanbegriff weit verbreitet und es werden darunter gar Richtlinien oder einzelne Stundenvorbereitungen verstanden.124 Der Züricher Lehrplanforscher Rudolf Künzli sah schon 2003 in einem Vortrag in Hergiswil den Lehrplan stark in Bedrängnis – vor allem durch die sich entwickelnden Bildungsstandards. Trotzdem schreibt er den Lehrplänen auch in der Zukunft eine wichtige steuernde Rolle bei der Entwicklung und Formulierung von Bildungsstandards und eine grundsätzliche Orientierungsfunktion zu. Lehrpläne sollen Lernkontinuität und Systemstabilität gewährleisten.125

3.8.2 Die Verbindung zwischen Lehrplan und Schulbuch

Schulbücher stehen in sehr enger Verbindung zu den jeweiligen Curricula. Schon die oft verwendete Phrase, Schulbücher seien im Grunde heimliche Lehrpläne, zeigt die enge Verbindung zwischen Schulbuch und Curriculum. Durch die Einführung von Bildungsstandards und das Ersetzen von Inhalten durch Kompetenzen, das in vielen Ländern wie auch in Österreich erfolgte, haben sich die Schulbücher und ihr Verhältnis zum Lehrplan geändert. Der Fokus im Unterricht auf den Input wird ersetzt durch systematisches Monitoring der Schülerergebnisse – somit liegt der Fokus nun auf dem Output. Trotz dieses Paradigmenwechsels stellen Lehrmittel weiterhin ein wesentliches Hilfsmittel für den kompetenzorientierten Unterricht dar. Durch die Zulassungsverfahren stehen Schulbücher in enger Verbindung zu den Lehrplänen. Es kann von einer Art Mediatoren-Rolle der Schulbücher zwischen dem intendierten Lehrplan (politische Ebene) und dem implementierten Lehrplan (Schulebene) gesprochen werden. Schulbücher sind stets ein Resultat ökonomischer, kultureller und vor allem politischer Auseinandersetzungen und Kompromisse. Lehrplanarbeit findet grundsätzlich auf drei Ebenen statt: Lehrplanentwicklung, Lehrplanvermittlung (Lehrerbildung, Produktion von Lehrmitteln) und Unterrichtsplanung. Auf allen drei Ebenen spielt das Schulbuch eine große Rolle, was wiederum die enge Verflechtung zwischen Lehrplan und Lehrwerk aufzeigt. Schulbücher werden aber nicht nur von den Lehrplänen und der Politik beeinflusst, sondern sie können

124 Vgl. ebda. 125 Vgl. Rudolf Künzli (2003): Lehrpläne – eine Erfolgsgeschichte am Ausgang ihrer Epoche? Referat: Tagung der LCH Delegierten Hergiswil am 24.5.2003. 55

auch Neuentwicklungen von Lehrplänen forcieren. Die Schulbuchautoren und -autorinnen können mittels ihrer Lehrmittel zur Qualitätssicherung des Unterrichts beitragen, wenn sie mit ihren Werken den Lehrplänen Bindungskraft verleihen.126

3.8.3 Die Lehrplanentwicklung zum Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime

Im folgenden Unterkapitel wird die Lehrplanentwicklung nur in Bezug auf die allgemeinbildenden höheren Schulen dargestellt, da dies übersichtlicher ist und es bis auf die Zahl der Wochenstunden kaum Abweichungen in den Inhalten gibt. Der erste Lehrplan der Zweiten Republik Österreich wurde 1946 gesetzlich festgelegt und noch als provisorischer Lehrplan bezeichnet. Die Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes fällt nach diesem Lehrplan in der Oberstufe (8. Klasse) der Gymnasien, in der zwei Wochenstunden Geschichtsunterricht wie in der gesamten Oberstufe vorgesehen waren. In den allgemein die Oberstufe betreffenden Lehrzielen wurde darauf hingewiesen, dass die geschichtliche Entwicklung Österreichs hervorgehoben werden soll.127 Dies ist von Bedeutung, da in der Konkretisierung der Unterrichtsinhalte das Dollfuß/Schuschnigg- Regime nicht erwähnt wird. Doch war die Rede davon, dass die Zeit zwischen den Weltkriegen zu thematisieren ist, woraus geschlossen werden kann, dass die Geschichte der Ersten Republik, somit auch des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes, ausführlich zu behandeln war. Im Lehrplan von 1946 wurde ferner festgelegt, dass „Faschismus und Nationalsozialismus als kulturfeindliche und den Weltfrieden untergrabende Bewegung“128 und „Autarkiebestrebungen und Aufrüstung in faschistischen Staaten“129 behandelt werden sollten. Hier stellt sich nun wieder die Frage, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime als Faschismus zu bezeichnen ist und somit unter diesen Punkt fällt. Es ist jedoch zu erwarten, dass bei der Behandlung von Faschismus im Unterricht eindeutig faschistische Regime wie jenes von Benito Mussolini und vor allem der Nationalsozialismus herangezogen wurden. Aufschluss darüber, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime als Faschismus im Unterricht

126 Vgl. Fuchs/Niehaus/Stoletzki (2014): Schulbuch. S. 11f. 127 Vgl. Provisorische Lehrpläne für die Mittelschulen: veröffentlicht auf Grund der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht vom 18. Oktober 1946, Zl. 28.520-IV/12. Wien. Österreichischer Bundesverlag 1946. S. 82. 128 Ebda. S. 84. 129 Ebda. 56

behandelt wurde, können Schulbücher aus dieser Zeit geben, wobei das natürlich auch von den Lehrpersonen abhing. Im zeitlich nächsten, größeren Lehrplan vom 15. Oktober 1955 gab es hinsichtlich des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes keinerlei Änderungen zu jenem von 1946. Auch wurde der Lehrplan von 1955 noch immer als provisorischer Lehrplan bezeichnet. In den 1960er Jahren wurden einige Lehrpläne zu anderen Schulformen (abgesehen von der AHS-Oberstufe) erarbeitet, doch blieb für die AHS der Lehrplan von 1955 in Kraft. Die nächste nennenswerte Änderung des Lehrplans für die AHS ging vermutlich nicht zufällig mit einem politischen Richtungswechsel einher. Auf die ÖVP-Alleinregierung folgte im April 1970 eine SPÖ-Minderheitsregierung (gestützt von der FPÖ). Im November dieses Jahres erschien ein neuer Lehrplan, der geringfügige Änderungen für das behandelte Thema mit sich brachte. In der Beschreibung der allgemeinen Lehrziele für die Oberstufe lässt sich ein Schritt von der bloßen Wissensvermittlung hin zu einer Urteilskompetenz feststellen. Aus dem Geschichtsunterricht sollten „vor allem Verständnis für das Zeitgeschehen und Fähigkeit zu selbstständigem Urteil erwachsen“.130 Diese Änderung war jedoch eher Änderungen der Fachdidaktik und weniger jenen der Politik geschuldet. Weiters hieß es bei der Beschreibung der Lehrziele, die Beschäftigung mit der Geschichte Österreichs solle „Achtung vor den Leistungen der Vergangenheit und Aufgeschlossenheit für die Aufgaben der Gegenwart und Zukunft bewirken und das staatsbürgerliche Bewusstsein stärken“.131 Außerdem wurden Lehrziele betreffend die Sozialkunde mittels der Schlagworte Toleranz und Humanität formuliert. Die Behandlung der Zwischenkriegszeit fiel in die 8. Klasse der AHS und war wieder mit zwei Wochenstunden bemessen. Die Formulierung „Österreich zwischen den Kriegen“132 ist erneut der einzige direkte Verweis, der das Dollfuß/Schuschnigg-Regime betrifft. Inhalt des Unterrichts sollten auch Kommunismus, Faschismus und Nationalsozialismus sein. Hier stellt sich erneut die Frage, ob hiermit auch das Regime in Österreich von 1933 bis 1938 gemeint ist. Bezüglich der Sozialkunde ist interessant, dass das Verhältnis zwischen Religionsgemeinschaften und Staat behandelt werden sollte. Dies kann

130 126. Verordnung: Änderung der Lehrpläne für die allgemeinbildenden höheren Schulen in den Schuljahren 1970/71 bis 1974/75: Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 13. August 1970, BGBl. Nr. 275/1970, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 307/1970 über eine Änderung der Lehrpläne für die allgemeinbildenden höheren Schulen in den Schuljahren 1970/71 bis 1974/75. II. Sondernummer zum Verordnungsblatt für die Dienstbereiche des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Wissenschaft und Forschung. S. 34. 131 Ebda. 132 Ebda. S. 35. 57

zwar auf viele Bereiche im Unterricht umgemünzt werden und ist im Zusammenhang mit Toleranz wahrscheinlich hauptsächlich auf die jeweilige Gegenwart bezogen, doch könnte es auch auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime und dessen enge Verflechtung mit der Katholischen Kirche angewendet werden. Der nächste interessante Lehrplan, der hier herausgegriffen wird, ist jener aus dem Jahr 1989. Hier zeigten sich einerseits einige Änderungen und Vertiefungen; andererseits ist die zeitliche Einordnung dieses Lehrplans spannend, da er drei Jahre nach dem für die österreichische Geschichtswissenschaft bedeutsamen Jahr 1986 in Kraft trat und möglicherweise unter dem Einfluss dieses Paradigmenwechsels, der mit der Waldheim- Affäre einherging, steht. Die Zwischenkriegszeit und der Zweite Weltkrieg verschieben sich hier von der 8. Klasse in die 7. Klasse – der Umfang von zwei Wochenstunden bleibt bestehen. Die schon im Lehrplan von 1970 angedeutete Entwicklung weg vom Faktenwissen und hin zu Kompetenzorientierung lässt sich auch hier feststellen, wenn von Interpretation und Kritik von historischen und sozialkundlichen Quellen und Materialien gesprochen wird.133 Die Lehrziele, die hier als Bildungs- und Lehraufgaben bezeichnet wurden, sind insgesamt deutlich detaillierter als in den vorherigen Lehrplänen dargestellt. Der Unterricht ist in Themenblöcke unterteilt – unter 4. in der 7. Klasse wird Österreich von 1918 bis 1938 geführt. Die einschlägigen Lernziele können größtenteils in Verbindung zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime gesehen werden:

„Lernziele: - Erkennen der Bedeutung weltanschaulicher Gegensätze, des politischen Machtstrebens und unterschiedlicher Wirtschaftsauffassungen für die Entwicklung des Staatswesens. - Erfassen der Ursachen für das fehlende Staatsbewusstsein und für die Abhängigkeit vom Ausland. - Erfassen der Diskrepanz zwischen der krisenhaften politisch-wirtschaftlichen Entwicklung und den bedeutenden kulturell-wissenschaftlichen Leistungen.“134

133 Vgl. 27. Verordnung: Änderung der Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen: 27. Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 12. Dezember 1988, BGBl. Nr. 63/1989, mit der die Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen geändert werden; II. Sondernummer zum Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Wissenschaft und Forschung. S. 233. 134 Ebda. S. 237. 58

In den Lerninhalten zu diesem 4. Punkt wurden erstmals in Lehrplänen die diskutierten Begriffe Austrofaschismus und Austromarxismus verwendet. Konkret hieß es zum Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime: „Austromarxismus und Austrofaschismus; Bürgerkrieg; Ständestaat; der Untergang Österreichs“.135 Überraschend erscheint hier, dass ausgerechnet während der Regierung einer großen Koalition die teilweise umstrittenen Begriffe Austrofaschismus und Bürgerkrieg in Bezug auf die Februarkämpfe von 1934 ihren Weg in den Lehrplan gefunden haben. Geführt wurde das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport zu jener Zeit von der SPÖ-Politikerin Hilde Hawlicek. Eventuell lässt sich diese Besonderheit auf die größer gewordene zeitliche Distanz zu den Ereignissen bzw. auf die neuen Sichtweisen betreffend die Zeitgeschichte im Kontext der Waldheim-Affäre zurückführen. Beim Lehrplan von 1989 fällt außerdem auf, dass totalitäre Systeme als Punkt 5 in der 7. Klasse im Kontext des Zweiten Weltkriegs behandelt wurden. Faschismus sollte anhand des Beispiels Italien erklärt werden und logischerweise nahm auch die Betrachtung des Nationalsozialismus viel Raum ein. Es sollten „Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener autoritärer und totalitärer Systeme“136 erlernt werden. Dass das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in Abgrenzung zu diesem Punkt gesondert behandelt wurde, kann so interpretiert werden, dass es trotz der umstrittenen Begrifflichkeit nicht als vollwertiger Faschismus betrachtet wurde und zudem in klarer Abgrenzung zu den ungleich grausameren faschistischen Diktaturen stand. Als weiteren Eckpunkt, der eine Lehrplanänderung hinsichtlich des behandelten Themas aufwies, sei ein Bundesgesetz von 2002, also unter der Regierung Schwarz-Blau I, genannt. In ihr war (mit Ausnahme der ÖVP-Alleinregierung von 1966 bis 1970) erstmals die SPÖ nicht in der Regierung vertreten. Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur war in dieser Zeit Elisabeth Gehrer von der ÖVP. Nach diesem Lehrplan waren in der 7. Klasse wesentliche Transformationsprozesse des 20. und 21. Jahrhunderts sowie grundlegende Strukturen der Politik zu lehren. Diese wurden in acht Unterpunkte aufgeteilt, wobei es unter Zweitens wie folgt hieß:

135 Ebda. 136 Ebda. 59

„Demokratische, autoritäre und totalitäre Staatensysteme und ihre Ideologien (Systemvergleiche; Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus; Radikalisierung des politischen Lebens in Österreich 1918–1938; usw.)“137

Hier bezieht sich die Radikalisierung des politischen Lebens in Österreich direkt auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime, da jene ja in den Februarkämpfen von 1934 gipfelte. Wurde noch zuvor hervorgehoben, dass mittels unterschiedlicher Punkte eine klare Abgrenzung zwischen dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime und vollfaschistischen Systemen gezogen wurde, so wurde hier beides unter einem Unterpunkt geführt. Doch ließ es der Vergleich der Staatensysteme zu, Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Inwieweit ein solcher Vergleich in den Schulbüchern zu erkennen ist und inwieweit dies auf die Lehrpersonen zurückzuführen ist, wird sich im Analysekapitel zeigen. Dieser 2004 komplettierte Lehrplan ist heute noch gültig, während es für die Sekundarstufe I seit dem Schuljahr 2017/2018 einen neuen Lehrplan nach dem Modulsystem gibt. In diesem Kapitel wurde nicht jede Änderung der Lehrplanentwicklung erwähnt, sondern es wurde versucht, die Veränderungen oder Kontinuitäten in Bezug auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime widerzugeben und sie in einige zu beobachtende allgemeine Entwicklungen des Lehrplans einzubetten. In diesem Zusammenhang ließ sich beobachten, dass ab ungefähr 1970 die vorgegebenen Unterrichtsinhalte etwas detaillierter dargestellt wurden und dass von da an eine Entwicklung in Richtung des kompetenzorientierten Unterrichts festzustellen ist. Explizit mit Blick auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime ist im Lehrplan von 1989 vor allem die Verwendung der Begriffe Austrofaschismus, Austromarxismus und Bürgerkrieg (Letzteres bezogen auf die Februarereignisse 1934) hervorzuheben, die in späteren Lehrplänen nicht mehr zu finden sind. Es wird interessant sein zu ermitteln, wie die Autoren der Schulgeschichtsbücher mit diesen Begriffen umgehen.

137 232. Verordnung 2002: Änderung der Verordnung über die Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen: 232. Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, mit der die Verordnung über die Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen geändert wird. S. 5. 60

4 Methodik und Analysegegenstand

Im folgenden Kapitel sollen die Methodik und der Analysegegenstand, also die Auswahl der Schulbücher mitsamt der Begründung dieser Entscheidung, erläutert werden. Methodik und Analysegegenstand werden in einem Kapitel zusammengefasst, da der Analysegegenstand eine bestimmte Methodik bedingt und gewissermaßen eine Begründung für die gewählte Analysemethode darstellt.

4.1 Der Analysegegenstand

Die Auswahl der zu analysierenden Schulbücher soll so getroffen werden, dass möglichst exakt die Veränderungen der Inhalte während der gesamten Zweiten Republik dargestellt werden können. Da Schulbücher immer auf Lehrpläne abgestimmt sein müssen, ist es sinnvoll, die Auswahl basierend auf dem Kapitel über die Lehrplanentwicklung zum Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime zu treffen. Da es von 1946 bis 1970 keine wesentlichen Veränderungen in den Lehrplänen gab, stellt dieser Zeitraum die erste Periode dar, aus der ein in Österreich verwendetes Lehrwerk herausgegriffen wird. Diese Eingrenzung bietet sich auch deshalb an, weil in dieser gesamten Zeit die ÖVP den Bundeskanzler und auch den Unterrichtsminister gestellt hat. 1970 wechselten sowohl das Kanzleramt als auch das Unterrichtsministerium zur SPÖ. Die zweite Periode erstreckt sich von 1970 bis 1989. In diesen Jahren kam es zwar zu keinerlei Umwälzungen im Bundeskanzleramt oder im Unterrichtsministerium, doch ist, wie im Kapitel zur Lehrplanentwicklung erwähnt, der Lehrplan von 1989 besonders interessant und erscheint daher als ein geeigneter Eckpunkt. Aus dieser Periode werden drei Lehrwerke analysiert, da es während dieser Phase mehr Schulbücher gab, die sich stärker voneinander unterschieden als jene der ersten Periode. Der nächste Abschnitt betrifft die Jahre von 1989 bis 2002, da es 2002 zu Änderungen im Lehrplan unter der ersten schwarz-blauen Regierung kam und auch das Unterrichtsministerium erstmals seit 1970 wieder an die ÖVP fiel. Da die Periode zeitlich etwas kürzer ist, werden hier zwei Lehrwerke in die Analyse aufgenommen. Dazu kommen noch drei verschiedene Lehrbücher, die auf Basis des aktuellen Lehrplans approbiert

61

wurden. Somit ergibt sich eine Auswahl von neun Schulbüchern verteilt auf die gesamte Zweite Republik.

4.2 Die Methodik

Vorauszuschicken ist, dass die Schulbuchanalyse eine vergleichende sein wird. Kühberger und Mittnik sprechen präziser von einer „inhaltlich orientierten, kulturell vergleichenden Zugangsweise, welche Geschichtsschulbücher aus verschiedenen Ländern zu einem Thema gegenüberstellt“138, wie schon im Kapitel zum Forschungsstand beschrieben wurde. Im Unterschied zu dieser Beschreibung werden jedoch nicht Schulbücher aus unterschiedlichen Ländern, sondern eben solche aus unterschiedlichen, politisch abgegrenzten Phasen innerhalb Österreichs miteinander verglichen. Wiater stellt bei seiner Beschreibung der vergleichenden Analyse zwar auch eher den Vergleich unterschiedlicher geografischer Räume ins Zentrum, er erwähnt jedoch auch den Vergleich von Schulbüchern anderer Epochen.139 Im vorliegenden Fall ist der Begriff Epoche zwar zu hochgegriffen, daher wird hier von unterschiedlichen politischen Phasen gesprochen. Dies deutet bereits an, dass die politische Bedeutung des Schulbuchs im Zentrum stehen wird, doch sollen die allgemeine Qualität beziehungsweise der abweichende Aufbau der Schulbücher nicht gänzlich unbehandelt bleiben. Zur Bewertung und Analyse von Schulbüchern gibt es viele gut ausgearbeitete Analyseraster. Der Umstand, dass im konkreten Fall jedoch Schulbücher aus einem Zeitraum von über 70 Jahren analysiert werden, erschwert die Verwendung eines solchen Rasters, weil die Schulbücher unter völlig divergenten didaktischen Voraussetzungen und mit unterschiedlichen Zielen konzipiert wurden. Daher gilt es, eine eigene Analysemethode, zugeschnitten auf ihren Gegenstand und die konkrete Fragestellung, zu entwickeln. Hierfür dienen verschiedene schon entwickelte Raster einerseits als Orientierung, andererseits werden auch konkrete Punkte herausgenommen, anhand derer die Schulbücher analysiert werden sollen. Die beiden hier relevanten Raster sind der „Augsburger Analyse- und Evaluationsraster für analoge und digitale Bildungsmedien“140, der im Rahmen eines

138 Kühberger/Mittnik (2015): Geschichtsschulbuchforschung. S. 12. 139 Vgl. Wiater (2003): Schulbuch. S. 18. 140 Carl-Christian Fey (2017): Das Augsburger Analyse- und Evaluationsraster für analoge und digitale Bildungsmedien. Eine Einführung. In: Eva Matthes/Carl-Christian Fey (Hg.). Das Augsburger Analyse- und 62

Forschungsprojekts zwischen 2011 und 2014 entstanden ist, sowie ein von der Uni Münster angefertigter Raster141, der hauptsächlich auf Bodo von Borries‘ Überlegungen zur Schulbuchanalyse fußt. Ersterer bietet sich an, weil er sehr modern ist und die aktuelle Didaktik widerspiegelt, während jener, der auf von Borries aufbaut, besonders für die Analyse von Geschichtsschulbüchern hilfreich ist. Der Augsburger Analyse- und Evaluationsraster (AAER) unterteilt sich in seiner angepassten Form in acht Dimensionen mit insgesamt 23 verschiedenen Items, die als Kriterien bezeichnet werden. Herausgegriffen werden für die folgende Analyse die Kriterien aus dem Bereich Bild-Text-Komposition. Unter diesem Punkt sind die Kriterien Sprachlichkeit, Bildsprache und additive Kommunikation (Anreicherung) genannt. Dieser Punkt wird textlinguistisch so interpretiert werden, dass abgesehen von der Bild-Text-Komposition auch der Text an sich auf seine Besonderheiten hin analysiert wird. Hierbei wird vor allem die Verwendung der Begrifflichkeiten eine große Rolle spielen. Es wird dabei ein Rückgriff auf die in Kapitel 1 dargestellten Debatten rund um die Begriffe Austrofaschismus, Bürgerkrieg, Ständestaat, Diktatur und Austromarxismus erfolgen. Zu klären ist, welche Schulbücher diese Begrifflichkeiten verwenden, in welchem Kontext sie gegebenenfalls auftreten und wie sie erklärt werden. Anzustreben ist, etwaige Rückschlüsse auf die politische Lage und den Diskurs zu den Themen zur Zeit der Entstehung des jeweiligen Schulbuchs zu ziehen. Bei einer allgemeinen Textanalyse werden die Komplexität, der Aufbau und die Art des Textes analysiert. Die Ergebnisse für die diversen Schulbücher sollen dann miteinander verglichen werden, was bezüglich jedes einzelnen Analysepunktes so gehandhabt werden soll. Bezüglich der Terminologie thematisiert der Raster der Universität Münster Kontroversen in Geschichtsbüchern und liefert dazu einige Fragestellungen, die hier berücksichtigt werden sollen:

„Werden Interessens- und Wertekonflikte, aber auch geschichtswissenschaftliche Streitfragen erörtert? Kommen die unterschiedlichen Positionen der Betroffenen zu ihrem Recht? Wird Stellung- und Parteinahme unter Wahrung von Toleranz eingeübt?

Evaluationsraster für analoge und digitale Bildungsmedien (AAER). Grundlegung und Anwendungsbeispiele in interdisziplinärer Perspektive. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. 141 Schulbuchanalyse – oder wie erkenne ich ein gutes Schulbuch? URL: https://www.uni- muenster.de/imperia/md/content/lehrerbildung/downloads/praxisphasen/ak- geschichte/schulbuchanalyse.pdf [28.5.2018]. 63

Nach welchen Maßstäben wird gelobt oder getadelt?“142 Der Raster weist ferner darauf hin, dass Kontroversen Indizien für Pluralität und einen offenen Unterricht sind.143 Die Fragestellungen dieses Rasters sollen hier einen Leitfaden diesen Punkt betreffend darstellen. Zusätzlich bietet sich für diesen Aspekt noch an zu analysieren, inwieweit das jeweilige Schulbuch Raum für die Bildung eines eigenen Urteils (historisches Werturteil, historisches Sachurteil)144 lässt, was ja im Kontext von Kontroversen von Bedeutung ist. Abgesehen von den Begriffskontroversen soll auch die Darstellung der Schuldfrage rund um die Ausschaltung des Parlaments 1933 und die Februarkämpfe sowie die Rolle des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes beim Anschluss an NS-Deutschland behandelt werden. Einen weiteren Punkt der Schulbuchanalyse nimmt dann die Analyse des Umfangs und der Einbettung des Themas ein. Der Umfang soll prozentuell in Relation zum gesamten Lehrwerk dargestellt werden, was einen adäquaten Vergleichswert bietet, um die Relevanz des Themas in der jeweiligen Phase der Zweiten Republik darzustellen. Auch die Einbettung des Themas soll eine Rolle spielen. Dabei ist zu fragen, wie der Weg hin zum autoritären System des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes gezeichnet wird und wie das Ende des Regimes durch den Anschluss dargestellt wird, was zum Teil ja auch in den Kontroversen thematisiert wird. Der AAER beinhaltet darüber hinaus den Punkt „Anlehnung an Curriculum und fachspezifische Bildungsstandards“.145 Hierzu soll vergleichend ermittelt werden, inwieweit das jeweilige Schulbuch mit dem betreffenden Lehrplan korreliert und ob und inwiefern es dienlich ist, die vorgegebenen Lehr- beziehungsweise Lernziele zu erreichen. Die vergleichende Analyse als Ganzes wird so vorgenommen, dass alle hier beschriebenen Punkte deskriptiv in einem eigenen Kapitel für jedes Schulbuch bearbeitet werden. In Bezug auf die oben beschriebenen Vergleichsaspekte werden diese dann ausgewertet und vergleichend gegenübergestellt – wobei auf Beschreibungen und Diagramme zur Veranschaulichung zurückgegriffen wird. In einem abschließenden Punkt werden die Ergebnisse dann interpretiert und es wird versucht, Schlüsse aus ihnen zu ziehen. Der Schwerpunkt liegt auf der politologischen Sichtweise, also auf der politischen Rolle, die das Schulbuch spielt.

142 Ebda. 143 Vgl. ebda. 144 Vgl. Thünemann (2018): Denken. S. 24. 145 Fey (2017): Augsburger Analyseraster. S. 21. 64

5 Die Analyse

Im diesem Kapitel soll nun die Schulbuchanalyse, wie sie in Kapitel 3 beschrieben wurde, durchgeführt werden. Begonnen wird mit einer deskriptiven Ausarbeitung zu den einzelnen Schulbüchern.

5.1 Der Zeitraum 1945 bis 1970

Aus diesem Zeitraum wurde das „Lehrbuch der Geschichte für die Oberstufe der Mittelschulen“ ausgewählt. Der hier behandelte vierte Band ist für die 8. Klasse des Gymnasiums konzipiert und deckt die allgemeine Geschichte der Neuzeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart ab – also bis zum Erscheinungsjahr 1961. Der Gesamtumfang des Werkes beträgt 206 Seiten, exklusive eines Bilderanhangs mit einem kunstgeschichtlichen Schwerpunkt. Das 8. Kapitel des Schulbuchs handelt von der Staatenwelt in der Zwischenkriegszeit, wovon das 8. Unterkapitel die Lage Österreichs in der Zwischenkriegszeit beschreibt. Auf Seite 145 wird der betreffende Zeitraum, also jener des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes von 1933 bis 1938, mit der Zwischenüberschrift „Das Ende der Demokratie“ eingeleitet; er erstreckt sich bis zu Seite 150. Dies bedeutet, dass das Thema innerhalb des Zeitraums 1914 (Ausbruch des Ersten Weltkriegs) bis 1945 (Ende des Zweiten Weltkriegs) 8,4 Prozent des Gesamtumfangs einnimmt. Inhaltlich beginnt das Lehrbuch mit einem Rückblick auf die Entwicklung der halbmilitärischen Verbände und der damit einhergehenden Unruhen in den 1920er Jahren. Es werden vor dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime Schattendorf, der Justizpalastbrand sowie Unruhen durch die Nationalsozialisten erwähnt. Auf Seite 146 wird sehr knapp die tatsächliche Ausschaltung des Parlaments 1933 abgehandelt und vom Ende der Demokratie in Österreich, jedoch nicht von Diktatur gesprochen. Das Lehrbuch spricht außerdem ohne Begriffserklärung vom Ständestaat und behandelt diesen mitsamt seiner Verfassung. Das Verbot von NSDAP und Kommunisten vom Juni 1933 wird kurz erwähnt, um dann in einem Absatz die Februarkämpfe 1934 abzuhandeln. Nur etwas weniger Platz als den Februarkämpfen wird dem Juliputsch gewidmet. Insgesamt scheint die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gewichtiger zu sein als jene mit den Sozialdemokraten.

65

Bezüglich des Ständestaats wird auf ein Schulbuch zu Staatsbürgerkunde verwiesen, das diesen genauer erklärt. Relativ ausführlich werden die außenpolitische Lage, vor allem die Beziehungen zu Italien und NS-Deutschland, sowie das Ende der Ersten Republik durch den Anschluss an Hitler-Deutschland erläutert. Insgesamt ist der Text stringent und mittels Zwischenüberschriften gegliedert. Auf Seiten der Regierung stehen als handelnde Personen Dollfuß und Schuschnigg im Zentrum, doch auch Fey und Starhemberg werden im Zusammenhang mit den Februarkämpfen erwähnt. Trotz ihrer Erwähnung treten diese Personen aber eher in den Hintergrund und es wird von „der Regierung“ als Akteurin gesprochen oder mittels Passivkonstruktionen beschrieben, was veranlasst wurde. Auf sozialdemokratischer Seite werden innerhalb des Kapitels zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime keine Akteure genannt – lediglich Karl Renner und sein Rücktritt als Präsident des Nationalrats im Kontext der Ausschaltung des Parlaments. Das Lehrbuch ist insgesamt wenig bebildert, was auch bezogen auf das dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime gewidmete Kapitel zutrifft. Weder ist ein Akteur selbst abgebildet, noch greift das Buch auf ikonische Bilder zurück. Lediglich der bei der Vorgeschichte des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes behandelte Justizpalastbrand wird bildlich dargestellt, wobei abgesehen von einer Menschenmasse wenig Aussagekräftiges zu erkennen ist. Außerdem wird noch der ehemalige Bundeskanzler im Profil abgebildet. Das erste Bild zum Justizpalastbrand hat eine darstellende und weniger stark auch strukturierende Funktion – das Bild Schobers hingegen ist ausschließlich Illustration. Beide Bilder betreffen aber ohnehin den Kerntext nicht. Kontroversen umgeht beziehungsweise ignoriert der Text restlos. Bezüglich der Sozialdemokratie ist im Zusammenhang mit den Februarkämpfen von „energischem Widerstand“146 die Rede. Die Kämpfe an sich werden als „schwere blutige Auseinandersetzungen“147 bezeichnet. Jegliche Schuldfragen rund um die Ausschaltung des Parlaments oder die Februarkämpfe werden im Text nicht diskutiert. Das Wort „Faschismus“ kommt im Text nur bezogen auf Mussolini vor – in Bezug auf das Dollfuß/Schuschnigg- Regime erfolgt keinerlei derartige Zuschreibung. Im Kapitel zur Lehrplanentwicklung wurde

146 Franz Heilsberg/Friedrich Korger (1961): Lehrbuch der Geschichte für die Oberstufe der Mittelschulen. Allgemeine Geschichte der Neuzeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 4. Band. Wien. Österreichischer Bundesverlag. S. 147. 147 Ebda. 66

diskutiert, ob die Behandlung des Faschismus, die die Lehrpläne fordern, auch auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime angewendet wird. Für das hier behandelte Schulbuch kann man dies deshalb verneinen, da ein eigenes Kapitel zum Faschismus den Begriff ausschließlich anhand des italienischen Faschismus erklärt.148 Zuschreibungen rund um den Begriff „Diktatur“ sind im Text nicht enthalten. Die Schulbuchautoren sprechen bloß vom „Ende der Demokratie“149 beziehungsweise vom „Ende der demokratischen Epoche in Österreich“.150 Außerdem ist von einem „immer stärker werdenden autoritären Kurs in der Innenpolitik“151 aufgrund der Annäherung an das faschistische Italien die Rede. Eingebettet ist das Thema in ein großes Kapitel zu Österreich zwischen den beiden Weltkriegen, das mit dem Anschluss endet. Daran schließt ein Kapitel zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Zwischenkriegszeit an. Raum für eine eigene Urteilsbildung der Schüler wird in diesem Lehrbuch kaum gelassen. Der Text tritt formal mit einem starken Geltungsanspruch auf und stellt ferner keinerlei Interpretationsfragen oder sonstige Arbeitsaufträge zur Verfügung, die die Bildung eines historischen Wert- beziehungsweise Sachurteils fördern könnten.

5.2 Der Zeitraum 1970 bis 1989

Aus diesem Zeitraum werden drei unterschiedliche Lehrwerke untersucht. Jedem davon soll ein Unterkapitel zur Deskription gewidmet werden.

5.2.1 Geschichte und Sozialkunde – Lern- und Arbeitsbuch

Das Schulbuch „Geschichte und Sozialkunde“ ist für die 8. Klasse der AHS konzipiert und behandelt die Zeitspanne vom Ersten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre. Erstmals erschienen ist es 1973, doch hier wird die 2. ergänzte Auflage von 1975 verwendet. Wie dem Titel dieses Unterkapitels zu entnehmen, handelt es sich beim vorliegenden Lehrwerk um ein Lern- und Arbeitsbuch.152 Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime wird innerhalb des Buches unter dem

148 Vgl. ebda. S. 155f. 149 Ebda. S. 145. 150 Ebda. S. 147. 151 Ebda. S. 146. 152 Vgl. Kapitel 3.3 zu den Arten der Schulbücher. 67

Kapitel 4, „Das autoritäre Experiment in Österreich“153, behandelt; es erstreckt sich über zehn Seiten. Hinzu kommt eine kurze themenrelevante Erwähnung innerhalb des Kapitels „Der Faschismus“154, auf die später genauer eingegangen wird. Umfangmäßig nimmt das Thema innerhalb des Zeitraums 1914 bis 1945 im Buch 7,2 Prozent ein. Der Abschnitt zum autoritären Experiment ist quasi dreigeteilt: ein stringenter mit Zwischenüberschriften gegliederter Text, Bildabschnitte und verschiedene Primärquellen. Inhaltlich setzt der Text mit Mai 1932, also mit dem Amtsantritt von Dollfuß als Bundeskanzler, dem kurze biografische Details folgen. Es werden die Lausanner Anleihe samt Anschlussverbot behandelt und darüber hinaus die vom Nationalsozialismus ausgehende Gefahr für die Souveränität Österreichs angesprochen. Anschließend folgt die Ausschaltung des Parlaments und das Regieren mittels Kriegswirtschaftlichem Ermächtigungsgesetz. Außenpolitisch werden die Annäherung an Italien erörtert sowie die damit einhergehenden innenpolitischen Konsequenzen. „Das blutige Jahr 1934“155 wird mittels einer Zwischenüberschrift hervorgehoben. Die Rolle der Heimwehren, insbesondere jene von Emil Fey, wird darin genauer behandelt. Das Verbot der Sozialdemokratie sowie das Einführen der Maiverfassung 1934 werden kurz thematisiert. Dabei werden der Ständestaat kurz erläutert und das Selbstbild des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes als christliches Bollwerk gegen Kommunismus und Nationalsozialismus sowie der deutsche Charakter Österreichs beschrieben. Darauf folgen der Juliputsch und die Ermordung Dollfuß‘. Der dritte Textteil beinhaltet Schuschniggs Regierung mitsamt dem Wegfall Italiens als Schutzmacht und dem Juliabkommen. Der Zeitraum vom Berchtesgadener Treffen zwischen Hitler und Schuschnigg bis zum 13. März 1938 wird relativ ausführlich dargestellt; er nimmt exklusive Quellenteil rund 10 Prozent des gesamten Abschnitts über das Dollfuß/Schuschnigg-Regime ein. 20 Prozent des Abschnitts sind mit Bildmaterial gefüllt. Hier werden einige sehr eingängige Abbildungen verwendet, die vieles aus dem Text veranschaulichen und über bloße Illustrationen hinausgehen. Dollfuß ist bei der wichtigen Trabrennplatzrede vom 12. September 1933 zu sehen, wobei man die Militarisierung und Inszenierung des Regimes erkennen kann. Um die Februarkämpfe zu visualisieren, wurde seitens der Autoren ein Bild von der Artilleriestellung vor dem Karl-Marx-Hof in Wien gewählt, das ikonisch für die

153 Franz Göbhart/Erwin Chvojka (1975): Geschichte und Sozialkunde. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Lern- und Arbeitsbuch. 2. durchgesehene und ergänzte Auflage. Wien-Heidelberg. Ueberreuter. S. 116. 154 Ebda. S. 94. 155 Ebda. S. 120. 68

ungleichen Kräfteverhältnisse bei diesen Auseinandersetzungen steht und somit den Text unterstützt. Zum Juliputsch wird im Buch auf das Bild des ermordeten Dollfuß (Abbildung 2) zurückgegriffen, das die bedeutsame Rolle dieses von Regierungsseite als „Märtyrertod“ inszenierten Ereignisses aufzeigt. Das letzte Bild zeigt Dollfuß‘ Nachfolger Schuschnigg unter dem Kruckenkreuz – er hält dabei die Rede vor der Bundesversammlung am 24. Jänner 1938. Insgesamt ergänzen und verstärken alle Bilder den Text und bieten möglichen Interpretations- beziehungsweise Analysestoff für die Verwendung im Unterricht.

Abbildung 2

Das Schulbuch beinhaltet in Summe in allen Kapiteln viele unterschiedliche Primärquellen – im Fall des Kapitels zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime nimmt der Quellenteil 35 Prozent ein. Es handelt sich dabei um heterogene Textquellen wie Verordnungen, Zeitungsartikel, Briefe oder Reden. Die Quellen fungieren hier teilweise als Vertiefung und Ergänzung zum restlichen Text, sie können aber auch zur Quellenkritik und somit zur Bildung eines eigenen Urteils seitens der Lernenden herangezogen werden – selbiges gilt für die Bildquellen. Inwieweit beides genutzt werden kann, wird jedoch vom Buch nicht in Form von Arbeitsaufträgen und dergleichen vorgegeben, sondern hängt von der jeweiligen Lehrperson ab.

69

Die Kontroversen rund um das Dollfuß/Schuschnigg-Regime werden im Text breit behandelt. Hinsichtlich der Ausschaltung des Parlaments benennt das Buch zwar explizit den Verfassungsbruch, doch werden auch die möglichen Beweggründe der Dollfuß-Regierung wie die Angst vor einem Erstarken der Nationalsozialisten bei Neuwahlen erwähnt. Dazu versucht das Schulbuch mit Bezug auf die Bedenken des christlichsozialen Politikers Leopold Kunschak zu zeigen, dass es auch innerhalb des Regierungslagers Kritik am autoritären Kurs gab. Außerdem werden die schwierige außenpolitische Lage und die damit einhergehende Abhängigkeit von Mussolini als Faktor für den autoritären Kurs angeführt. Dieser förderte die „immer mehr ins Faschistische Fahrwasser abgleitenden Heimwehren“.156 Um beim hier verwendeten Faschismusbegriff einzuhaken, sei erwähnt, dass der Wiener Heimwehrführer Emil Fey als „einer der ausgeprägtesten Exponenten des Austrofaschismus“157 bezeichnet wird. Der Begriff Austrofaschismus wird nicht definiert, jedoch gibt es ein eigenes Kapitel, das den Faschismus genau erklärt. Dort steht in Bezug auf Österreich folgender Satz: „In Österreich zeigten die Heimwehren faschistische Tendenzen.“158 Es ergibt sich also bezüglich der Faschismusdebatte eine differenzierte Darstellung, die faschistische Tendenzen innerhalb des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes benennt, jedoch das Regime als solches nicht explizit als faschistisch tituliert, wofür ja spricht, dass nur von einem ,ausgeprägten Exponenten‘ des Austrofaschismus die Rede ist. Emil Fey wird innerhalb des Textes die Hauptrolle in den Februarkämpfen zugesprochen. Dies zeigt sich durch drei namentliche Erwähnungen in diesem Abschnitt – Dollfuß wird im Vergleich nur einmal und auf sozialdemokratischer Seite werden gar keine handelnden Personen namentlich genannt. Es ist lediglich die Rede von Schutzbündlern und selbst Richard Bernaschek wird lediglich als „Linzer Schutzbundkommandant“159 angeführt. Die Schuldfrage beziehungsweise die jeweiligen Anteile an der Schuld werden klar dargestellt. Die Sozialdemokraten werden so geschildert, dass sie „in der ehrlichen Überzeugung gekämpft hatten, die Demokratie gegen jede Spielart des Faschismus verteidigen zu müssen“.160 Auch explizite Kritik an Dollfuß‘ Vorgehen rund um die juristischen Nachwirkungen der Februarkämpfe lässt sich aus dem Text ableiten. Auf der anderen Seite gesteht der Text dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime mehrfach zu, dass viele seiner Handlungen auch aus einer Abwehrhaltung gegen den

156 Ebda. S. 120. 157 Ebda. 158 Ebda. S. 100. 159 Ebda. S. 120. 160 Ebda. S. 122. 70

Nationalsozialismus heraus zu erklären sind. Jedwede Formulierungen rund um den Begriff ,Diktatur‘ fehlen im Text ebenfalls. Es wird lediglich wie schon in der Kapitelüberschrift von einem autoritären Staat gesprochen. Der Text ist weitgehend eher mit Aktivkonstruktionen geschrieben und benennt, wie schon erwähnt, handelnde Personen häufig namentlich oder zumindest durch ihre Funktion. Er nimmt im gesamten Kapitel etwa 45 Prozent ein. Die Gewichtung der drei Unterkapitel „Der Weg zum autoritären Staat“161, „Das blutige Jahr 1934“162 und „Die Regierung Schuschnigg und das Ende Österreichs“163 ist ausgeglichen. Vor dem Kapitel zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime werden der Faschismus und darin besonders ausführlich der Nationalsozialismus behandelt. Das Thema Nationalsozialismus endet aber hier vor dem Anschluss Österreichs und setzt nach der Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes mit diesem wieder kurz ein. Dann erfolgt jedoch ein weiterer Schritt zurück in der Chronologie, da der Faschismus nochmals als Kriegsursache erwähnt wird, um dann nach einem kurzen Exkurs zum stalinistischen System zum Zweiten Weltkrieg überzugehen.

5.2.2 Geschichte für die Oberstufe

Das Lehrwerk „Geschichte für die Oberstufe 4“164 ist für die 8. Klasse der AHS konzipiert. Es setzt mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs ein und umfasst den folgenden Zeitraum bis 1975. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime wird innerhalb eines Überkapitels zu Österreich von 1918 bis 1938 behandelt. Darin leitet das Unterkapitel „Die Krise der Demokratie“165 das Dollfuß/Schuschnigg-Regime ein, da es beim Justizpalastbrand einsteigt. Innerhalb dieses Kapitels setzt das Buch dann mit dem Unterkapitel „Der autoritäre Kurs“166 mit Dollfuß‘ Amtsantritt als Bundeskanzler im Mai 1932 fort. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime wird dreigeteilt dargestellt. Nach besagtem Kapitel wird dem Jahr 1934 ein eigenes Unterkapitel

161 Ebda. S. 116. 162 Ebda. S. 120. 163 Ebda. S. 124. 164 Anton Ebner/Harald Majdan/Kurt Soukop (1975): Geschichte für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen 4. Wien. Österreichischer Bundesverlag. 165 Ebda. S. 126. 166 Ebda. S. 130. 71

gewidmet, an welches dann der letztlich gescheiterte Kampf um die Selbstständigkeit Österreichs anknüpft. Da damit das große Kapitel zu Österreich von 1918 bis 1938 endet, stellt das Buch wie nach jedem großen Kapitel eine Zeittafel mit wichtigen Ereignissen in chronologischer Reihenfolge zur Verfügung. Insgesamt nimmt das Dollfuß/Schuschnigg- Regime 4,9 Prozent des Buchumfangs für den Zeitraum 1914 bis 1945 ein. Formal handelt es sich um einen Sachtext, der eng verflochten mit Primärquellen ist. Diese setzen sich aus Gesetzestexten, Zeitungsberichten und Reden zusammen. Das betreffende Unterkapitel enthält zwei Bilder. Inhaltlich beginnt der Text mit der Ausschaltung des Parlaments und der Lahmlegung des Verfassungsgerichtshofs. Außenpolitische Verhältnisse werden kurz erläutert und es wird auf die Terroranschläge und damit einhergehend auf das Verbot der NSDAP in Österreich hingewiesen. Es folgt eine detailreiche Darstellung der Februarkämpfe und deren politischer Folgen inklusive der Verfassung vom Mai 1934. Der Juliputsch der Nationalsozialisten wird verhältnismäßig knapp innerhalb eines Absatzes abgehandelt. Im letzten Teilkapitel werden der Wegfall Italiens als Schutzmacht und der immer schwieriger werdende Kampf um die Selbstständigkeit des Landes beschrieben. Die Endphase des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes ist dominiert von Textquellen aus Kurt Schuschniggs Reden – den Schlusspunkt des gesamten Kapitels setzen die Autoren mit dem Einmarsch deutscher Truppen am Morgen des 12. März 1938. Eingebettet ist die Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in ein größeres Kapitel zu Österreich zwischen den zwei Weltkriegen. Auf das betreffende Kapitel folgen die Behandlung des Zusammenbruchs des europäischen Sicherheitssystems und sodann der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Wie schon erwähnt, wird im Text auf zwei Bildquellen zurückgegriffen. Die erste davon betrifft den Februar 1934 und zeigt Angehörige der Exekutive, die männliche Bewohner eines Wiener Gemeindebaus verhaften. Ein gepanzertes Fahrzeug sowie bewaffnete Soldaten sind zu sehen. Das Unterkapitel zum Kampf um die Selbstständigkeit wird durch ein Bild von einem Treffen zwischen Adolf Hitler und Benito Mussolini illustriert. Beide Bildquellen weisen eine hohe Textnähe auf; vor allem das Bild der Verhaftungen vertieft die Beschreibung der Februarkämpfe, indem die im Text angeführte Übermacht der Regierungsseite fotografisch dargestellt wird. Sprachlich greifen die Autoren zu einer stark personenbezogenen Beschreibung. Handelnde Personen sind mehrfach genannt und durch Aktivkonstruktionen in den Mittelpunkt des

72

Geschehens gerückt. Im ersten Abschnitt ist die Regierung durch Engelbert Dollfuß personifiziert. Bezüglich des Verfassungsgerichtshofs ist davon die Rede, dass Dollfuß diesen lahmlegte, oder man spricht davon, dass der Bundeskanzler zum Angriff auf die Opposition antrat.167 Dollfuß wird nur im ersten Abschnitt insgesamt sieben Mal namentlich erwähnt, wobei er zusätzlich noch zwei Mal als der Kanzler und drei Mal mittels Personalpronomina auftritt. Auch im Abschnitt zum Jahr 1934 wird Dollfuß fünf Mal direkt erwähnt, während Fey nur zwei Mal und Starhemberg nur ein Mal genannt werden. Auf sozialdemokratischer Seite erwähnen die Schulbuchautoren nur den ehemaligen General Theodor Körner im Zusammenhang mit dessen später bestätigter Annahme, eine Erhebung gegen die Regierung sei zwecklos. Im letzten Abschnitt werden personell vor allem Hitler und Schuschnigg in den Mittelpunkt gestellt, wobei auch Mussolini mehrfach genannt wird. Bezüglich der Faschismuskontroverse wird schon im Vorfeld des zu analysierenden Kapitels Folgendes formuliert: „Die Heimwehr verschrieb sich noch stärker der faschistischen Ideologie. […] Für Seipel blieb sie jedoch ein Instrument, dessen er sich, wenn nötig, bediente.“168 Später ist im Zusammenhang mit der Maiverfassung 1934 die Rede davon, dass Österreich „in einen Staat mit berufsständischer Ordnung und autoritärer Regierung nach dem Vorbild des faschistischen Italiens umgewandelt“169 wurde. Weiter heißt es: „Für die Gesamtheit dieser Tendenzen wurde der Ausdruck ‚Austrofaschismus‘ geprägt.“170 Von einer Diktatur sprechen die Schulbuchautoren hier nie – nur der autoritäre Charakter des Regimes wird mehrfach betont. Im Zusammenhang mit dem Februar 1934 wird Leopold Kunschak als die mäßigende Kraft der Christlichsozialen dargestellt, während das aggressive und provokative Vorgehen Feys den Gegenpol darstellt. Die ansonsten weitgehend neutrale Sprache – typisch für Sachtexte – greift aber auch auf wertende Begriffe zurück, wenn etwa von „unnötiger Härte“171 im Zusammenhang mit der Bestrafung der aufständischen Schutzbund-Angehörigen die Rede ist. Relativierend ist hierzu zu sagen, dass es um die Vollstreckung von Todesurteilen geht, deren Ablehnung zur Zeit des Erscheinens des Schulbuchs bereits communis opinio war. Insgesamt fällt auf, dass Dollfuß‘ autoritärer Kurs explizit dargestellt wird, jedoch alles rund um den Faschismus auf die Heimwehren zurückfällt und, wie oben erläutert, bloß einige Tendenzen innerhalb des

167 Vgl. ebda. S. 131. 168 Ebda. S. 126f. 169 Ebda. S. 133. 170 Ebda. 171 Ebda. S. 132. 73

Regimes als „Austrofaschismus“ bezeichnet werden. Der Begriff wird außerdem seitens der Autoren unter Anführungszeichen gesetzt. Sehr viel Raum, rund 35 Prozent inklusive dazugehöriger Bilder und Primärquellen, wird Schuschniggs Kampf um die Erhaltung eines selbstständigen Österreichs zugemessen. Schuschniggs persönliche Sichtweise, mittels Primärquellen dargestellt, nimmt insgesamt 10 Prozent des Gesamtkapitels ein, was typisch für die Darstellung des Kampfes um die Souveränität Österreichs im betreffenden Schulbuch ist. Erwähnt wurde jedoch auch, dass „die Linke“172 trotz aller schlechten Erfahrungen mit dem Regime Bundeskanzler Schuschnigg in seinem Kampf um die Unabhängigkeit des Staates unterstützte. Das Schulbuch sieht darin einen wichtigen Schritt, der Schuschniggs Entscheidung für die Volksbefragung stützte. Auf Fragen oder Arbeitsaufträge, welche die Urteilsbildung der Lernenden anregen könnten, verzichtet das vorliegende Schulbuch gänzlich. Trotzdem bieten die Primärquellen Interpretationsraum und könnten für Quellenkritik herangezogen werden. Allerdings ist der Raum für eigene Urteilsbildung und Quellenkritik eingeschränkt, da der Sachtext und die Primärquellen sich aufeinander stützen – einerseits vertiefen die Primärquellen den Text und andererseits erklärt der Text vor oder nach der Primärquelle diese kurz. Trotzdem bietet das Lehrbuch den Lehrpersonen Möglichkeiten an, die über jene eines bloßen Lesebuchs173 hinausgehen.

5.2.3 Zeiten Völker und Kulturen

Als letztes Schulbuch der Periode zwischen 1970 und 1989 wird das Werk „Zeiten Völker und Kulturen“174, das 1976 für den Unterricht zugelassen wurde, analysiert. Auch dieses Lehrwerk setzt mit dem Ersten Weltkrieg ein und schließt mit 1977. Es wurde für die 8. Klasse der allgemeinbildenden höheren Schulen verfasst. Quantitativ nimmt das Dollfuß/Schuschnigg-Regime darin Schulbuch 5,6 Prozent ein, wenn man die Jahre zwischen 1914 und 1945 zugrunde legt.

172 Edda. S. 136. 173 Vgl. Kapitel 2.3 a.). 174 Franz Berger/Norbert Schausberger (1977): Zeiten Völker und Kulturen. Lehrbuch für Geschichte und Sozialkunde für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen. Band für die 8. Klasse. Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wien. Österreichischer Bundesverlag. 74

Formal ist das Kapitel zum behandelten Thema ein mittels Zwischenüberschriften gegliederter Sachtext, der in Verbindung mit Primärquellen wie Reden, Statuten von Vereinigungen, Zitaten und Bildquellen steht. Insgesamt sind sechs Bilder und vier Textquellen in den Text eingearbeitet. In das Dollfuß/Schuschnigg-Regime wird im Kapitel „Das autoritäre Österreich“175 eingeleitet. Das Lehrwerk setzt hier jedoch nicht direkt mit dem Amtsantritt Dollfuß‘ ein, sondern greift die Ereignisse rund um Schattendorf und den Justizpalastbrand, die schon in einem anderen Kapitel zuvor behandelt wurden, erneut auf. Vom Korneuburger Eid von 1930 wird zur Ausschaltung des Parlaments übergeleitet. Die außenpoltischen Einwirkungen auf die Parlamentsausschaltung im Zusammenhang mit NS-Deutschland und Italien werden genannt. Das nächste größere Kapitel behandelt ausführlich die Februarkämpfe sowie das Jahr 1934 insgesamt und die Folgen dieser Ereignisse. Februarkämpfe, Maiverfassung und Juliputsch unterteilen das Unterkapitel nochmals mittels Zwischenüberschriften in drei Teile. Im letzten Abschnitt wird „Österreichs Untergang“ behandelt – der Einstieg erfolgt mit Schuschniggs nicht geglückter Verständigung mit der „Linken“ und der Schwäche der „Vaterländischen Front“, auf die sich Bundeskanzler Schuschnigg stützte. Es wird ferner der Wegfall Italiens als Schutzmacht mit dem Juliabkommen von 1936 als Folge erläutert. Die Autoren thematisieren zudem die wirtschaftliche Erholung in der Phase 1936 bis 1938, die gegen Hitlers Pläne bezüglich einer Eingliederung Österreichs sprach. Das Treffen zwischen Schuschnigg und Hitler in Berchtesgaden im Februar 1938 als Reaktion Hitlers darauf wird im Buch in einem Unterkapitel beschrieben. Hitlers immer offensivere Forderungen, Schuschniggs letztlich gescheiterter Plan einer Volksbefragung und der daraus resultierende „Anschluss“ bilden den Schlusspunkt dieses Kapitels. Die abgedruckten Bilder nehmen jeweils ungefähr ein Drittel einer Seite ein. Gezeigt wird ein Elendsquartier in Wien von 1930, das textlich an die Weltwirtschaftskrise anknüpft, die als Ursache für die Demokratiekrise gesehen wird. Die zunehmende Militarisierung und Gewalt werden mittels des Bildes einer Straßensperre vom 1. Mai 1933 dargestellt. Auch im dritten Bild dominiert die Militarisierung – bewaffnete Truppen des Bundesheeres werden bei den Vorbereitungen zu den Februarkämpfen gezeigt. Engelbert Dollfuß wird ebenfalls in Uniform bei einer Kundgebung der Vaterländischen Front präsentiert, was zusätzlich den militärischen Charakter dieser Zeit illustriert. Die letzten beiden Bilder zeigen Kurt

175 Ebda. S. 90. 75

Schuschnigg in Innsbruck vor seiner Ankündigung der Volksbefragung bzw. den Einmarsch der deutschen Truppen in Wien, wobei es sich hier um ein Bild handelt, das den Empfang der deutschen Truppe durch die österreichische Bevölkerung nicht darstellt, da Letztere bloß im Hintergrund und ohne die bekannten Jubelposen zu erkennen ist. Alle sechs Bilder vertiefen den Text, illustrieren Merkmale der Zeit und können ein gelingendes Verarbeiten der Lerninhalte seitens der Lernenden fördern. Auch die Textquellen spielen im Kapitel eine wichtige Rolle. Bereits der Auszug aus dem Korneuburger Eid176 verdeutlicht, dass die Ausschaltung des Parlaments nicht als rein zufälliges Ereignis angesehen werden kann. Selbiges gilt für Emil Feys Aussage am Tag vor dem 12. Februar: „Wir werden morgen an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten […]“.177 Bild- und Textquellen eignen sich mit gewissen Einschränkungen zur Quellenkritik und zur Urteilsbildung, da vor allem die Textquellen stark gekürzt sind und das Wesentliche meist schon herausgearbeitet wurde. Trotzdem gibt es aus didaktischer Sicht hier Spielraum, den aber die Lehrperson nutzen muss, da das Buch keinerlei Anregung dazu gibt. Textlinguistisch gesehen, kann von einem sehr strukturierten und gut lesbaren Sachtext gesprochen werden. Handelnde Personen werden genannt und auch sprachlich als solche dargestellt. Dollfuß und Fey dominieren den Text für die Anfangsphase und vor allem bezüglich des turbulenten Jahres 1934. Der sozialdemokratische Widerstand wird nicht mit Namen verbunden – es ist bloß die Rede von „Führern des Schutzbundes und der Arbeiterschaft“.178 Nach Dollfuß‘ Tod werden Handlungen des Regimes meist personalisiert mit Kurt Schuschnigg geschildert. Der Name Hitlers zieht sich als ständige außenpolitische Bedrohung durch das gesamte Kapitel – vor allem für die Endphase nimmt die Nennung Hitlers immer stärker zu. So werden im Schlussteil des Texts Hitler sechs Mal und Schuschnigg nur vier Mal erwähnt. Die in der Geschichtswissenschaft und der poltischen Öffentlichkeit der Zweiten Republik vielfach diskutierten Begriffe werden im vorliegenden Lehrwerk klar angesprochen und mehrfach verwendet. Die Buchautoren konstatieren zum Beispiel: „Das System des ,Austrofaschismus‘ begann sich zu etablieren.“179 Daraus kann man schließen, dass das Regime als Ganzes von den Autoren als „Austrofaschismus“, wenn auch unter

176 Vgl. ebda. S. 90. 177 Ebda. S. 92. 178 Ebda. S. 92. 179 Ebda. S. 91. 76

Anführungszeichen, gesehen wird. Demgegenüber werden auch an anderer Stelle im Lehrwerk der „Austromarxismus“180 und die „Diktatur des Proletariats“181 thematisiert, wodurch die demokratische Haltung der Sozialdemokraten in Zweifel gezogen wird. Der autoritäre Kurs von Dollfuß nach der Ausschaltung des Parlaments wird als „diktatorisch“182 bezeichnet. Nominalisiert wird der Begriff jedoch nie – es ist in weiterer Folge stets von „autoritärer Politik“183 die Rede. Die faschistische Haltung der Heimwehren kommt innerhalb des Kapitels gleich zu Beginn zur Sprache. Benito Mussolini tritt innerhalb dieses Schulbuchs aber nicht derart auf, dass er den autoritären Kurs und die Ausschaltung der Sozialdemokratie fordert, sondern nur als Unterstützer – so „wünschte“184 er diese bloß. Außenpolitische Abhängigkeiten sind also hier durch Ausdrücke wie „Unterstützung“ oder „Wunsch“ nicht eindeutig wiedergegeben. Der christlichsozialen Seite wird seitens der Autoren zugestanden, dass es bei ihr demokratische Kräfte gab, die jedoch dem Ansturm des Extremismus unterlagen.185 Diese demokratischen Kräfte sind im Buch nicht personalisiert durch Leopold Kunschak dargestellt. Auffällig ist ferner, dass das Unterkapitel zu den Februarkämpfen den Titel „Bürgerkrieg und Ständestaat“186 trägt und begrifflich über „Februaraufstand“ oder „Februarkämpfe“ hinausgeht. Zum Kampf um die Souveränität Österreichs offenbart der Text zwar das Bemühen Schuschniggs, sich gegen NS-Deutschland zur Wehr zu setzen, er benennt aber auch Schuschniggs Scheitern auf mehreren Ebenen, zum Beispiel beim Versuch, sich mit den ehemaligen sozialistischen Gewerkschaftsführern zu verständigen.187 Auffällig ist schließlich, wenngleich dies mit dem Dollfuß/Schuschnigg- Regime kaum in Verbindung steht, wie eindeutig das behandelte Lehrwerk die Opferrolle Österreichs gegenüber dem Nationalsozialismus suggeriert.

5.3 Der Zeitraum 1989 bis 2002

Aus dieser Periode, die zwar bis 2000 politisch (wie auch die vorherige Periode) noch sozialdemokratisch geprägt war, aber unter dem Einfluss des geschichtspolitischen

180 Ebda. S. 54. 181 Ebda. 182 Ebda. S. 91. 183 Ebda. S. 92. 184 Ebda. 185 Vgl. ebda. S. 91. 186 Ebda. S. 92. 187 Vgl. ebda. S. 96. 77

Paradigmenwechsels von 1986 stand, sollen wegen des kürzeren Zeitraums zwei Lehrwerke behandelt werden. Im Unterschied zu den vorherigen Perioden rückt nun das Thema Dollfuß/Schuschnigg-Regime von der 8. Klasse der allgemeinbildenden höheren Schulen in die 7. Klasse.

5.3.1 Zeitbilder

Das Lehrwerk „Zeitbilder“ ist für die 7. Klasse konzipiert und deckt den Zeitraum vom Beginn des Industriezeitalters bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ab. Klammert man den kurzen wirtschaftsgeschichtlichen Überblick über die Erste Republik aus, der teilweise die Zeit des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes umfasst, so nimmt das Regime innerhalb des Lehrwerks 7,9 Prozent des der Phase zwischen 1914 und 1945 gewidmeten Umfangs ein. Eingesetzt wurde das vorliegende Schulbuch ab 1992. Die betreffende Phase ist innerhalb des Schulbuchs in zwei gleichwertige Kapitel unterteilt. Das Kapitel „Die gescheiterte Demokratie“188 geht kurz auf die Vorgeschichte des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes ein und behandelt dann die Ausschaltung des Parlaments sowie die außenpolitische Lage. Bevor das Buch die Februarkämpfe thematisiert, widmet es den Anhaltelagern eine eigene Zwischenüberschrift. Am Ende des Kapitels stellen die Autoren eine Zeittafel zur Verfügung, die von 1920 bis zum Verbot der Sozialdemokratischen Partei am 12. Februar 1934 reicht. Der Zeit nach den Februarkämpfen bis zum Ende Österreichs widmet das Buch wie erwähnt ein eigenes Kapitel: „Der austrofaschistische Ständestaat und das Ende Österreichs“.189 Es setzt mit den Folgen der Februarkämpfe fort. Maiverfassung und Juliputsch werden relativ kurz behandelt. Von 1934 und der Amtsübernahme Schuschniggs springen die Autoren direkt zum Juliabkommen und davon direkt zum Berchtesgadener Treffen zwischen Schuschnigg und Hitler. Diesem knapp gehaltenen Überblick der Jahre 1934 bis 1938 folgt ein ausführlicher Teil über die letzten Tage der Ersten Republik. Das Kapitel reicht bis zur Volksabstimmung am 10. April 1938 über den bereits vollzogenen Anschluss an Hitler-Deutschland. Dies wird mittels einer Zeittafel verdeutlicht.

188 Alois Scheucher/Anton Wald/Hermann Lein/Eduard Staudinger (1992): Zeitbilder Geschichte und Sozialkunde 7. Vom Beginn des Industriezeitalters bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien: Österreichischer Bundesverlag. S. 110. 189 Ebda. S. 114. 78

Formal sind die beiden behandelten Kapitel so aufgebaut, dass sich ein in kurze Abschnitte unterteilter Sachtext ergibt, der mit 15 Bildern versehen und immer wieder mit Textquellen angereichert ist. Hinzu kommen noch farblich abgegrenzte Fragestellungen an die Lernenden und die erwähnten Zeittafeln am Ende der jeweiligen Kapitel. Die Bildquellen sind sehr heterogen und setzen sich aus Fotografien, Karikaturen und Regierungsaussendungen zusammen. Insgesamt nehmen die Bilder einen verhältnismäßig großen Raum innerhalb des Kapitels ein – etwa 40 Prozent der beiden Kapitel bestehen aus Illustrationen. Die Bildquellen sind so ausgewählt, dass sie den Text verdeutlichen und vertiefen. Die Fotografien stellen beispielsweise Elendsquartiere in Wien dar oder zeigen die zerstörten Wiener Gemeindebauten nach den Februarkämpfen samt Artillerie, die diese Zerstörung angerichtet hat. Die Bilder tragen zur Emotionalisierung und zur Verdeutlichung des Sachtextes bei. Die Wahlplakate bieten einen großen Interpretationsspielraum, der durch die sehr knapp gehaltenen Bildunterschriften verstärkt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass die Lernenden die Wahlplakate mit jenen aus der Weimarer Republik vergleichen sollen (Abbildung 3)190, womit die Bilder definitiv über den Status von Illustration hinausgehen und als Arbeitsaufträge angesehen werden können. Im Zusammenspiel mit den erwähnten Fragestellungen innerhalb der Kapitel ergibt sich die Möglichkeit eigener Urteilsbildung, da die formulierten Fragen weitestgehend nicht im Text beantwortet werden. Wie groß der Spielraum für die Bildung eines eigenen Sach- beziehungsweise Werturteils ist, hängt also von der jeweiligen Lehrperson ab, der seitens der Buchautoren ein Leitfaden vor allem hinsichtlich der Interpretation von Primärquellen zur Verfügung gestellt wird. Auffällig ist auch, dass die Textquellen zum Teil keine Primärquellen sind, sondern auch Ausschnitte aus anderen Sekundärtexten verwendet werden. Hier wird gewissermaßen auf den Diskurs zu diesem kontroversen Thema eingegangen. Zum Beispiel zitiert ein Quellentext Hugo Portischs Dokumentation „Österreich I“.

190 Vgl. ebda. S. 111 und S. 96. 79

Abbildung 3

Sprachlich fällt auf, dass die Personalisierung der Ereignisse nicht besonders ausgeprägt ist. Verknüpfen die Autoren die Ausschaltung des Parlaments noch eng mit Dollfuß, so ist in weiterer Folge eher von der Regierung als handelnder Akteurin die Rede. Im Kontext der Februarkämpfe wird das Meinungsspektrum innerhalb des Regierungslagers durch Kunschaks und Feys Äußerungen im Vorfeld abgedeckt und auf sozialdemokratischer Seite wird Bernaschek als Akteur genannt. Selbst innerhalb der Textpassagen zur Maiverfassung und zum Juliputsch von 1934 wird Dollfuß kaum sprachlich ins Zentrum der Geschehnisse gerückt – wobei festzuhalten ist, dass der Juliputsch insgesamt sehr knapp dargestellt ist.191 Für die letzte Phase wird Schuschnigg stärker als zuvor Dollfuß als Akteur in Szene gesetzt. Ihm gegenüber wird Hitler sehr häufig genannt – Miklas und Seyß-Inquart werden ebenfalls kurz erwähnt. Begrifflich werden die Heimwehren von den Autoren im ersten Kapitel als faschistisch dargestellt – besonders hervorzuheben ist jedoch, dass das Schulbuch mittels Hugo Portischs Aussagen zum „Konkurrenzfaschismus“192 eine Begriffsdebatte anleitet, da dieser Terminus dann innerhalb der Fragestellungen hinterfragt wird. Die Februarkämpfe treten ohne weitere Begriffserklärung als Bürgerkrieg auf – auch die Schuld für die blutige Auseinandersetzung scheint für die Autoren klar zu sein, da sie folgt formulieren: „Doch die Regierung war fest entschlossen, die Sozialdemokratie auszuschalten.“ Diese klar formulierte Intention wird auf die Aussagen Emil Feys zurückgeführt. Wenngleich von Bürgerkrieg gesprochen wird, relativieren die Autoren die Intensität der Kämpfe.193 Die Opferzahlen werden als Fakten dargestellt, allerdings vage angegeben. Besonders die Formulierung, der

191 Vgl. ebda. S. 114. 192 Ebda. S. 112. 193 Vgl. ebda. S. 113. 80

Schutzbund hätte „weit mehr als 1000 Tote und Verwundete zu beklagen“194 gehabt, kann als vage beziehungsweise irreführend bezeichnet werden, weil damit mehr als 1.000 Tote suggeriert werden, da keine Trennung zwischen Toten und Verwundeten erfolgt. Wohlwollend könnte die Formulierung als Hinweis darauf interpretiert werden, dass keine genauen Zahlen zur Verfügung standen. Den Begriff „Austrofaschismus“ verwenden die Buchautoren mehrfach und setzen ihn nicht unter Anführungszeichen. In einem Vorkapitel zur Radikalisierung der Innenpolitik wird aber im Kontext des „Linzer Programms“ der Austromarxismus (im Text im Gegensatz zum Austrofaschismus unter Anführungszeichen gesetzt) benannt und erklärt.195 Ein weiterer Versuch, eine Begriffsdebatte zum Faschismus- Begriff im Kontext des Korneuburger Eids anzuregen, unternehmen die Autoren, indem sie fragen: „Welche faschistischen Elemente enthält der ,Korneuburger Eid‘?“196 Das spricht dafür, dass die Autoren eine differenzierte Sicht fördern wollten. Innerhalb des Textes wird der Begriff der Diktatur nicht verwendet, doch zeigt eine Grafik197 im Kapitel zu diktatorischen Systemen in Europa, dass das vorliegende Lehrwerk das Dollfuß/Schuschnigg- Regime von 1934 weg als Diktatur versteht.

5.3.2 Aus Geschichte Lernen

Das Lehrbuch „Aus Geschichte Lernen“198 deckt ebenfalls den Zeitraum von der Industrialisierung bis zum Zweiten Weltkrieg ab, wobei Letzterer nicht bis zur deutschen Kapitulation behandelt, sondern mit der Verkündung des „totalen Krieges“ abgeschlossen wird. Trotzdem soll das Ende des Buches den Rahmen für die Feststellung der Gewichtung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes bilden, da dieser ja auf ein Schulbuch bezogen ist. Aufgrund der Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes auf mehreren Ebenen ist es schwierig, den genauen Umfang festzustellen – bezieht man sich konkret auf die Zeit von Dollfuß‘ Kanzlerschaft bis zum Einmarsch der deutschen Truppen, so kommt man auf 6,7 Prozent des Referenzzeitraums.

194 Ebda. 195 Vgl. ebda. S. 108. 196 Ebda. S. 109. 197 Ebda. S. 119. 198 Oskar Achs/Manfred Scheuch/Eva Tesar (1993): Aus Geschichte Lernen 7. Klasse. Von der industriellen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien. Österreichischer Bundesverlag. 81

Inhaltlich wird die Ausschaltung des Parlaments im Kapitel „Von der Sanierung zum Bürgerkrieg“199 behandelt. Auf die Ausschaltung des Parlaments folgen direkt und ohne weitere Zwischenüberschrift die Februarkämpfe, die für die Autoren im Zusammenspiel mit der Ausschaltung des Parlaments das Ende der Demokratie darstellen. Es folgt eine Doppelseite mit Quellenmaterialien, die sich auf zuvor Beschriebenes beziehen. Erst dann, also mit dem Ende der Februarkämpfe und mit der Maiverfassung von 1934, beginnen die Autoren das Kapitel „Der Ständestaat“.200 Der Juliputsch und die Ermordung Dollfuß werden trotz eigener Teilüberschrift nur kurz behandelt. Im besagten Kapitel ist eher die Phase der Defensive gegen NS-Deutschland unter Schuschnigg beschrieben. Auch auf die ins Exil oder in die Illegalität getriebene Sozialdemokratie geht der Text ein. Im letzten Teil werden die außenpolitische Lage Österreichs ab 1937 und Hitlers Vorgehen bis zum Anschluss behandelt. Zuletzt werden Schuschniggs gescheiterter Versuch einer Volksbefragung und sein letztliches Weichen, um Gewalt zu verhindern, beschrieben. Der Jubel der österreichischen Bevölkerung und der Protest Mexikos gegen die Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich bilden den Schlusspunkt dieses Kapitels. Wieder folgt eine Doppelseite mit Quellenmaterialen inklusive Fragestellungen dazu. Danach werfen die Schulbuchautoren einem Blick auf das geistige Österreich der Zwischenkriegszeit, der hier ausgeklammert wird, eine Art Kurzlexikon betreffend Österreich von 1918 bis 1938. Dabei werden Heimwehren, Schutzbund, Ständestaat und Vaterländische Front beschrieben. In diesem kurzen inhaltlichen Überblick kommt schon zum Ausdruck, dass es sich kaum um einen durchgehenden Sachtext handelt. Die Gliederung innerhalb der Textelemente ist großräumig und einige Ereignisse werden innerhalb einer Passage zusammengefasst. Es werden insgesamt vier Bilder mit Direktbezug zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime verwendet. Dazu kommen noch Primärquellen in Textform (Zeitungsberichte, Flugblätter, Reden, ein Witz…) und einige Grafiken. So ergibt sich eine nicht streng chronologisch geordnete Darstellung der Ereignisse von 1927 bis 1938, in der das Dollfuß/Schuschnigg-Regime einen großen Teil ausmacht. Das zu analysierende Thema ist also in eine Darstellung der Ersten Republik auf mehreren Ebenen eingebettet. Die Auswahl der Bilder wurde so getroffen, dass die ersten beiden Abbildungen Bezug auf die Februarkämpfe nehmen. Einerseits wird gezeigt, wie das Bundesheer mit Artillerie die

199 Ebda. S. 124. 200 Ebda. S. 128. 82

Gemeindebauten ins Visier nimmt (Abbildung 4), während andererseits ein Bild von festgenommenen Schutzbündlern das Ende der Februarkämpfe visualisiert. Innerhalb des Kapitels zum Ständestaat wird ein Plakat der Vaterländischen Front gezeigt, das Engelbert Dollfuß mit dem Slogan „Hinein in die Vaterländische Front“201 abbildet. Das außenpolitische Dilemma des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes verdeutlicht ein Bild von Schuschnigg bei Mussolini unter der Überschrift „Der unzuverlässige Bundesgenosse“.202 Das erstgenannte und das dritte Bild dienen formal als Illustration des Sachtexts, während die beiden anderen Bilder innerhalb des Materialienteils zu finden und mit Arbeitsaufträgen beziehungsweise Fragestellungen versehen sind. Die Beantwortung der Fragen ergibt sich meist aus dem Sachtext und aus den Primärquellen. Daher dienen die Arbeitsaufträge weniger der Bildung eines eigenen Urteils, sondern eher der Organisation des Lernprozesses und dessen Überprüfung.

Abbildung 4 Sprachlich fallen die häufigen Aktiv-Konstruktionen rund um die zentralen Ereignisse wie die Ausschaltung des Parlaments und die Februarkämpfe auf. Handlungen werden in diesem Lehrwerk explizit mit Personen verknüpft. Nachdem Dollfuß für die Ausschaltung des Parlaments die zentrale Figur ist, zeigt sich dies vor allem bei Formulierungen wie dieser zu den Februarkämpfen: „wobei Ernst Rüdiger Starhemberg und Sicherheitsminister Emil Fey tonangebend waren.“203 Bezüglich der Sozialdemokratie bleiben die Autoren zunächst, was Personen betrifft, zurückhaltend, sie nennen jedoch dann Otto Bauer, dem die Flucht in die Tschechoslowakei gelang. Später im Text sind unter den Opfern des Dollfuß/Schuschnigg- Regimes wichtige sozialdemokratische Politiker der Zweiten Republik wie oder Franz Jonas genannt. Die letzte Phase wird personell von Hitler und Schuschnigg dominiert,

201 Ebda. S. 128. 202 Ebda. S. 131. 203 Ebda. S. 125. 83

wobei auch Seyß-Inquart mehrfach erwähnt wird. Außerdem wird Otto Habsburg-Lothringen zweimal im Kontext einer möglichen Übertragung der Regierungewalt an ihn genannt. Der Faschismusbegriff wird im Zusammenhang mit der „Vaterländischen Front“ verwendet. Jedoch wird diese nicht direkt als faschistisch eingestuft, sondern ihr werden „autoritär- faschistische Züge“204 attestiert. Diese Züge werden eben als „Austrofaschismus“ bezeichnet. Wie sich schon in den Kapitelüberschriften zeigt, wird der Begriff „Bürgerkrieg“ für die Februarkämpfe verwendet. Auffällig ist dabei aber, dass im betreffenden Kapitel dann von „Aufstand“205 die Rede ist. Die Opferzahlen, die das Buch zur Verfügung stellt, decken sich weitgehend mit den in dieser Arbeit verwendeten Zahlen von Kurt Bauer.206 Das Buch spricht nämlich von mehr als 300 Todesopfern.207 Der unterdrückende Charakter des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes wird im Text ebenfalls erwähnt, wie schon anhand der beiden sozialdemokratischen Politiker, Kreisky und Jonas, aufgezeigt. Schuschniggs misslungener Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus wird außerdem innerhalb des Textes an konkreten Fehlern festgemacht, wie dem Zugeständnis des „Volkspolitischen Referats“ innerhalb der VF, das die Organisation quasi mit Nationalsozialisten infiltrierte. Es klingt an mehreren Stellen durch, dass die Autoren in Schuschniggs Nachgiebigkeit gegenüber den Nationalsozialisten einen zentralen Punkt für das Scheitern des Erhalts Österreichs identifizieren. Im erwähnten Kurzlexikon verwenden die Autoren keine kontroversen Begriffe – auch die Beschreibung der Heimwehr bezeichnet diese nicht als faschistisch.208 Außerdem wird in einem eigenen Kapitel der Faschismus genau erklärt und mit Beispielen versehen. In diesem Zusammenhang kommt es ebenfalls zu keinerlei Erwähnung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes.

204 Ebda. S. 128. 205 Ebda. S. 125. 206 Vgl. Bauer (2015): Opfer. S. 17. 207 Vgl. Achs (1993): Geschichte. S. 125. 208 Vgl. ebda. S. 136. 84

5.4 Schulbücher seit 2002

Im letzten Teil der Einzelanalyse der Schulbücher sollen nun drei ab 2002 eingesetzte Lehrwerke analysiert werden, da sich seitdem der Lehrplan zum Thema Dollfuß/Schuschnigg- Regime nicht mehr wesentlich geändert hat.

5.4.1 Durch die Vergangenheit zur Gegenwart

Das Schulbuch „Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 7“209 fußt auf dem Lehrplan von 2002 und ist für den Gebrauch in der 7. Klasse der AHS vorgesehen. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime nimmt innerhalb des Referenzzeitrahmens in diesem Buch 8,9 Prozent ein. Ein mittels Zwischenüberschriften gegliederter Sachtext, illustriert mit Bildern, Karten und Grafiken, nimmt insgesamt vier Doppelseiten ein. An den Rändern werden Zusatzinformationen wie Primärquellen oder biografische Details zur Verfügung gestellt und vertiefende Fragen zur Thematik gestellt. Unterbrochen wird die Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes durch einen zweiseitigen Rückblick auf die Parteien der Ersten Republik und die Entstehung der Wehrverbände – diese Doppelseite wird hier nicht berücksichtigt. Das Lehrbuch eröffnet das Thema mit einer kurzen Erläuterung der politischen Lage vor Dollfuß‘ Kanzlerschaft unter dem Titel „Das Ende der Demokratie“.210 Auf die Ausschaltung des Parlaments folgt ein Unterkapitel zur Radikalisierung in der Ersten Republik, um dann auf die Februarkämpfe von 1934 überzuleiten. Nach diesen wird der „Ständestaat“ anhand der Maiverfassung charakterisiert – der Juliputsch und die außenpolitische Lage werden in Unterkapiteln erläutert. Danach folgt eine Erklärung von Austrofaschismus und Austromarxismus mit Rückgriff auf das Linzer Programm und den Korneuburger Eid. Eine weitere Doppelseite widmet sich der Fragestellung, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime autoritär oder faschistisch war – auch andere Begriffe wie „Ständestaat“, „Systemzeit“ und dergleichen werden in diesem Kontext behandelt. Zuletzt werden die Thematik des Anschlusses und somit das Ende des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes auf einer Doppelseite

209 Renate Pokorny/Michael Lemberger/Georg Lobner (2004): Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 7. Geschichte & Politische Bildung für die 7. Klasse. Linz. Veritas. 210 Ebda. S. 26. 85

abgehandelt. Dem Themenkomplex Dollfuß/Schuschnigg-Regime geht eine Beschreibung der politischen Entwicklung während der Ersten Republik voraus. Daran knüpfen die Autoren direkt mit der Darstellung des Nationalsozialismus an. Außerdem stellen sie vor der Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes einen Längsschnitt zu Österreich von 1930- 1938 zur Verfügung, der später vertieft behandelt wird.211 Der Anteil an Bildern ist im ganzen Schulbuch und auch beim zu analysierenden Teil sehr hoch. Insgesamt beinhaltet das Kapitel 14 Fotografien, ein Wahlplakat, zwei Karten und eine Grafik. Auffällig ist, dass besonders viele handelnde Personen abgebildet sind – neben Dollfuß (tot und lebendig) und Schuschnigg sind noch Fey, Innitzer, Miklas, Bernaschek und Bauer zu sehen. Hervorzuheben sind auch die Bilder, die das Sturmkorps der Vaterländischen Front – versehen mit der Frage „Autoritäres oder faschistisches Gehabe?“ (Abbildung 5)212 – und den Artillerie-Einsatz gegen einen Gemeindebau zeigen. Vor allem das Bild des Sturmkorps stellt eine Vertiefung der Frage des Textes dar, ob das Regime nun autoritär oder faschistisch gewesen sei. Die Karten zeigen die Kampfzonen in Wien vom Februar 1934 und die „Anhaltelager“ über Österreich verteilt. Eine Grafik stellt in diesem Zusammenhang die Zahl der politischen Häftlinge am 23. September 1934 dar.

Abbildung 5 Wie sich schon anhand der Bilder zeigte, setzen die Autoren die handelnden Personen auch innerhalb des Textes verstärkt in Szene. Abgesehen von den schon Genannten, werden Akteure auf sozialdemokratischer Seite wie Karl Münichreiter, Koloman Wallisch und Georg Weissel als Opfer des Regimes angeführt. Wallisch und Weissel werden außerdem am Rand

211 Vgl. ebda. S. 21. 212 Ebda. S. 32. 86

des Textes kurz autobiografisch vorgestellt, was die Personalisierung der Regime-Opfer verstärkt. Die Begriffskontroversen werden in diesem Lehrbuch sehr genau aufgearbeitet, da direkt über die Begriffe reflektiert wird. Die Autoren konstatieren beispielsweise, dass mit dem Verbot der Sozialdemokratie der Austrofaschismus konsolidiert war – auf Anführungszeichen wird verzichtet.213 Das Buch stuft das System als Ganzes als Austrofaschismus ein. Dies zeigt sich in Passagen wie dieser: „1933/34 ersetzte der Austrofaschismus die demokratische Verfassung durch ein autoritäres System.“214 Es wird darauf verwiesen, dass sich die Heimwehren mit dem Korneuburger Eid „eindeutig faschistisch, antidemokratisch und antiparlamentarisch gegen eine ,marxistische Subversion‘ verschworen hatten.“215 Hinsichtlich des Austromarxismus wird zwar von der postulierten Diktatur der Arbeiterklasse gesprochen, doch setzen die Autoren diese Strömung in ein deutlich positiveres Licht, indem vor allem die umfassenden Bildungs- und Kulturprogramme angeführt werden. Zur Frage, wie faschistisch Österreich von 1933 bis 1938 gewesen sei, reflektieren die Autoren in einem eigenen Kapitel und greifen hierbei auf Meinungen der Geschichtswissenschaft zurück – beispielsweise wird Hanischs Einwand, dass sich Faschismus auch gegen Konservativismus richte, angeführt. Die enge Bindung an die Katholische Kirche dient ebenfalls als Unterscheidung zum Faschismus. Basierend auf Hanisch, kommen die Autoren diesbezüglich zum Schluss, dass es sich bestenfalls um Imitationsfaschismus oder um eine halbfaschistische autoritäre Diktatur handle. Trotzdem scheinen sie der Ansicht zu sein, dass eben genau für diese Art System der Begriff Austrofaschismus – diesmal im Buch unter Anführungszeichen – angebracht sei. Ohne Erklärung oder Reflexion verwenden sie in Bezug auf die Februarkämpfe 1934 den Terminus „Bürgerkrieg“.216 Interessant ist ferner die Beschreibung der Auslösung der Februarkämpfe. Feys Zitat, dass man morgen an die Arbeit gehen werde, steht am Anfang dieses Unterkapitels. Danach werden der Beginn der Hausdurchsuchungen und Bernascheks Ankündigung, Widerstand zu leisten, genannt. Von Schüssen seitens des Schutzbundes ist aber im Buch nicht die Rede – es steht dort lediglich, dass die Waffensuche im Hotel Schiff den Bürgerkrieg auslöste. „Bundesheer, Polizei, Gendarmerie und Heimwehr gingen gewaltsam gegen den Republikanischen Schutzbund

213 Vgl. ebda. S. 27. 214 Ebda. S. 31. 215 Ebda. 216 Ebda. S. 27. 87

vor“, heißt es weiter im Text. Die Conclusio, dass die Regierungsseite die Hauptschuld an der blutigen Auseinandersetzung trägt, ist zwar durchaus von der Geschichtswissenschaft gedeckt, doch kann das Weglassen dieses Details hinterfragt werden, da dessen Nennung an der Einschätzung kaum etwas verändert hätte, weil Provokation und Intention einer Auseinandersetzung mit dem Fey-Zitat dargestellt werden. Die Arbeitsaufträge dieses Kapitels sind zumeist Fragen, die innerhalb des Sachtexts oder der Quellen beantwortet werden – sie dienen also zum besseren Textverständnis oder zur Überprüfung des Textverständnisses.

5.4.2 Zeitbilder 7

Das 2006 erschienene Schulbuch „Zeitbilder 7“217 ist das zweite behandelte Werk aus dieser Reihe. Hier bietet sich im nächsten Kapitel ein spezieller Vergleich dazu an, inwiefern die Autoren ihr Werk für seine spätere Version überarbeitet und angepasst haben. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime nimmt im vorliegenden Buch 5,5 % des Zeitraums zwischen dem Ersten Weltkrieg und 1945 ein. Das Buch greift auf einen knapp gegliederten Sachtext zurück, der mit Bildern, Quellen und Arbeitsaufträgen versehen ist. Der Sachtext nimmt innerhalb des Kapitels nur wenig Raum ein. Ungefähr 35 % dieses Abschnitts entfallen auf ihn – der Rest setzt sich aus Bildern, Quellen und Arbeitsaufträgen zusammen. Im Rahmen des großen Kapitels zur Ersten Republik wird das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in zwei Unterkapitel aufgeteilt. Das erste setzt mit der Weltwirtschaftskrise 1929 ein, geht aber dann schnell zu Dollfuß‘ Amtsantritt über; das zweite endet mit dem Anschluss an Hitler-Deutschland. Inhaltlich thematisiert das Lehrwerk die letzten freien Nationalratswahlen von 1930 und leitet dann zu Dollfuß‘ Amtsantritt über, um im Zuge dessen sofort auf die Ausschaltung des Parlaments einzugehen. Dem außenpoltischen Verhältnis zu Hitler und Mussolini ist ein Unterkapitel gewidmet. Ausführlich in Bild und Text befassen sich die Autoren mit den Februarkämpfen. Deren Folgen werden im zweiten erwähnten Kapitel, „Der austrofaschistische Ständestaat“218, behandelt. Die Unterkapitel beschäftigen sich mit dem

217 Anton Wald/Eduard Staudinger/Alois Scheucher/Josef Scheipl/Ulrike Ebenhoch (2006): Zeitbilder 7. Geschichte und Sozialkunde Politische Bildung. Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Wien. Österreichischer Bundesverlag. 218 Ebda. S. 57. 88

Ständebegriff, der Maiverfassung und dem Juliputsch. Schuschniggs Kanzlerschaft, im Lehrbuch als ständiges Ringen um die Selbstständigkeit Österreichs bezeichnet, beginnt im Sachtext direkt mit dem Juliabkommen von 1936 und geht dann über zum Berchtesgadener Treffen von Hitler und Schuschnigg. Danach wird die Vorgehensweise Hitlers und Schuschniggs erläutert – das Kapitel schließt mit dem Satz: „Für sieben Jahre gab es nun kein Österreich mehr…“219 Der Einstieg wird bildlich mittels Wahlplakaten illustriert – diese veranschaulichen die zunehmende Radikalität der österreichischen Politik und bieten zudem viel Interpretationsspielraum. Die Februarkämpfe sind mittels Fotografien inhaltlich vertieft. Es werden die Zerstörung der Häuser sowie die schweren Geschütze des Bundesheeres gezeigt. Der Ständestaat und das mit ihm einhergehende Gesellschaftsbild werden abermals durch ein Wahlplakat dargestellt, das ähnliche Möglichkeiten bietet wie die zuvor beschriebenen. Danach folgen nur noch ein Bild von Hitlers Großkundgebung auf dem Heldenplatz am 15. März 1938 und ein Flugblatt für Schuschniggs geplante Volksbefragung. Bei den im Text angeführten Textquellen handelt es sich vielfach um Auszüge aus der Sekundärliteratur – nur einmal greifen die Autoren auf einen Zeitungsartikelausschnitt und somit auf eine Primärquelle zurück. Die angeführten Arbeitsaufträge dienen zum einen als Anleitung zur Quellenkritik und lassen sich zum anderen aus dem Text heraus beantworten, wodurch sie als Überprüfung des Textverständnisses fungieren. Hervorzuheben ist ein Arbeitsauftrag zur Rolle von Engelbert Dollfuß. Hier werden eine kritische Auseinandersetzung sowie eine Recherche im Internet angeleitet. Die Frage „Wer trägt maßgeblich zur Auswahl der Inhalte für die Bewertung einer Person oder eines Ereignisses in der Öffentlichkeit bei?“ fördert nochmals eine kritische Haltung gegenüber Quellen und Sachliteratur. Die Akteure des Regimes bzw. der Opposition spielen in diesem Lehrwerk eine untergeordnete Rolle. Weder sind sie fotografisch dargestellt noch werden ihre Namen grafisch hervorgehoben oder besonders häufig genannt. Im Kontext der Februarkämpfe wird nicht einmal Emil Fey für die Regierungsseite genannt – bloß Richard Bernaschek und Dollfuß werden namentlich erwähnt. Die Autoren bezeichnen den „Ständestaat“ in einer Kapitelüberschrift als austrofaschistisch. Dieser Terminus wird im Text nicht mehr erwähnt – geschweige denn erklärt. Der Begriff

219 Ebda. S. 59. 89

Faschismus wird in diesem Kapitel nicht erklärt, doch behandelt ein Vorkapitel die diktatorischen Regime im Europa der Zwischenkriegszeit, darunter den Faschismus in Italien. Ein Vergleich mit dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime wird nicht angestellt, doch wird das Regime in diesem Kapitel als „rechtsgerichtete Diktatur“220 bezeichnet. Das Kapitel zum „austrofaschistischen Ständestaat“ vergleicht das Dollfuß/Schuschnigg-Regime dann doch mit dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland – zumindest was das Führerprinzip betrifft: „Das Ergebnis dieses Führerprinzips war ein antidemokratischer, autoritärer Staat ähnlich dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland.“221 Die Februarkämpfe bezeichnen die Autoren als Bürgerkrieg, der aus Provokationen (Waffensuchen) der Regierung hervorging. Die Rede ist vom festen Entschluss, die Sozialdemokratie auszuschalten. Dollfuß‘ Aufruf „zur Umkehr“222 und die juristische Härte, mit der die Regierung gegen die „verantwortlichen Führer“223 vorging, werden mit Primärquellen dargestellt. Hinsichtlich der Opferzahlen ist die Rede von weit mehr als 1.000 Toten und Verwundeten, was bezüglich des Verhältnisses von Toten und Verwundeten problematisch formuliert ist. Die Darstellung Schuschniggs in der Zeit vor dem Anschluss ist im vorliegenden Lehrwerk recht positiv. Seine aussichtslose Situation wird mehrfach inhaltlich und auch sprachlich herausgearbeitet. Hinzu kommt noch, dass die Autoren erwähnen, dass Schuschnigg ein Opfer des Nationalsozialismus war, da er nach dem Anschluss verhaftet wurde.224 Eingebettet ist dieses Kapitel in eine Gesamtdarstellung der Ersten Republik, wobei interessanterweise noch innerhalb dieses Kapitels an das Dollfuß/Schuschnigg-Regime das Unterkapitel „Das Hakenkreuz über Österreich“225 anschließt. Danach wird das Kapitel mit einer Überblicksdarstellung abgeschlossen.

220 Ebda. S. 28. 221 Ebda. S. 57. 222 Ebda. S. 56. 223 Ebda. 224 Vgl. ebda. S. 59. 225 Ebda. S. 60. 90

5.4.3 Zeitfenster

Das Lehrbuch „Zeitfenster“226 aus dem Jahr 2011 ist das neueste hier analysierte Werk. Es ist konzipiert für die 7. Klasse AHS. Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime nimmt innerhalb des festgelegten Referenzrahmens 8,6 % ein. Innerhalb eines übergeordneten Kapitels zur Ersten Republik behandelt das Lehrwerk mit dem Unterkapitel „Das Ende der österreichischen Demokratie“227 das Dollfuß/Schuschnigg- Regime. Zuvor werden noch für dieses Thema relevante Aspekte wie die Heimwehr und der Schutzbund behandelt, wobei „Korneuburger Eid“ und „Linzer Programm“ im Zentrum stehen. Das zuvor erwähnte Kapitel beginnt mit dem Tardieu-Plan zur Sanierung des Donauraums und der Regierungsbildung durch Engelbert Dollfuß im Mai 1932, wobei auch die Hirtenberger Waffenschmuggelaffäre Erwähnung findet. Das außenpolitische Verhältnis zu Italien und Deutschland wird erläutert. Einen sehr großen Raum nimmt die Erklärung des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes ein. Die Schulbuchautoren erläutern dann die Ausschaltung des Parlaments und die Folgen dieses Ereignisses. Die Programmatik des Dollfuß-Regimes wird anhand der Vaterländischen Front und der Trabrennplatz-Rede Dollfuß‘ vom September 1933 erklärt. Das nächste Unterkapitel behandelt die Februarkämpfe des Jahres 1934. Die Vorgänge in Linz sowie in weiterer Folge jene in Wien, Oberösterreich und der Steiermark werden beschrieben. Es folgen eine Opferbilanz und die Thematik der Anhaltelager am Beispiel von Wöllersdorf. Die Maiverfassung wird danach nicht angesprochen – die Autoren gehen nach einem kurzen außenpolitischen Exkurs (Römische Protokolle) direkt zum Juliputsch der Nationalsozialisten über. Trotz der sehr knappen Abhandlung der Geschehnisse findet der Dollfuß-Kult Erwähnung, wobei der Mythos vom „ersten Opfer des Nationalsozialismus“228 herausgearbeitet wird. Danach vollziehen die Schulbuchautoren einen Sprung zu den für Österreich neuen außenpolitischen Verhältnissen durch die Achse Berlin-Rom. Zum Thema Anschluss werden die gescheiterte Volksbefragung und die fehlenden Reaktionen aus dem Ausland kurz beschrieben. Der Aufbau des Buchs sieht so aus, dass im Zentrum der Doppelseiten ein relativ durchgehender Sachtext steht, der links und rechts von Bildern, Primärquellen,

226 Johannes Brzobohaty/Andreas Kowarz/Robert Salmeyer/Christa Zellhofer (2011): Zeitfenster. Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung für die 7. Klasse AHS. Wien. Ed. Hölzel. 227 Ebda. S. 72. 228 Ebda. S. 76. 91

Kurzbiografien und Arbeitsaufträgen flankiert wird. Als zentrale Quelle ist die Trabrennplatzrede von Engelbert Dollfuß gewählt. Diese wird über eine komplette Seite hinweg abgedruckt – dazu stellen die Autoren den Lernenden die Methode der Analyse einer politischen Rede vor, die sie für die besagte Ansprache anwenden sollen. Auch die restlichen Arbeitsaufträge sind stark kompetenzorientiert und erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sachtext. Die Bilder sind mehrheitlich Fotografien; dabei setzen die Autoren vor allem auf Personen: Dollfuß, Schuschnigg und Fey sind abgebildet. Zu Dollfuß greifen sie außerdem auf eine Karikatur zurück, die Dollfuß‘ Demokratieverständnis behandelt. (Abbildung 6, Bildunterschrift: „Von mir aus können alle weg gehen. Ich bleibe auf jeden Fall, ich bin nämlich ein Freund der Demokratie“) Die Februarkämpfe sind durch Fotos, eines aufgenommen nach der Erstürmung des Linzer Hotels Schiff, und der Granatenschäden am Karl-Marx-Hof illustriert. Die Verhüllung des Denkmals der Republik wird ebenfalls fotografisch dargestellt und mit einer Primärquelle aus der Kronen Zeitung vom 21. Februar 1934 versehen.

Abbildung 6

Bezüglich der Bildauswahl wurde schon auf den relativ starken Personenbezug hingewiesen. Dieser manifestiert sich unter anderem dadurch, dass die Namen der Akteure neben anderen zentralen Begriffen grafisch im Text hervorgehoben sind. Für die erste Phase des Regimes steht Dollfuß im Zentrum des Geschehens. Hinsichtlich der Februarkämpfe ist die Regierungsseite durch Emil Fey repräsentiert, wobei auf der Gegenseite Richard Bernaschek genannt wird. Für die Endphase des Regimes stehen Schuschnigg, Hitler und Mussolini im Zentrum des Textes – Arthur Seyß-Inquart wird ebenfalls zwei Mal erwähnt. Es ist also zu

92

konstatieren, dass in Summe zwar nur wenige Akteure genannt werden, diese jedoch die Narration im Sachtext prägen. Das vorliegende Lehrwerk spricht im betreffenden Kapitel ohne genauere Erklärung vom „austrofaschistischen Ständestaat“.229 Dieser wird jedoch in einem anderen großen Kapitel zu den Diktaturen in Europa nochmals behandelt. Dort ist erwähnt, dass der Begriff zunächst von Sozialdemokraten wie Otto Bauer verwendet wurde.230 Außerdem erfährt das Regime eine genauere Charakterisierung, was die teilweise stark verkürzte Darstellung im eigentlich behandelten Kapitel erklärt. Die Einbettung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in das Kapitel zu den Diktaturen Europas zeigt deutlich, dass die Schulbuchautoren das Regime als Diktatur einstufen, auch wenn im besagten Kapitel der Nationalsozialismus quantitativ weitaus überwiegt. Zu den Februarkämpfen ist in einer Zwischenüberschrift der Begriff des Bürgerkriegs zu lesen, wobei im Text sowohl von Aufstand als auch von Bürgerkrieg die Rede ist. Die Provokationen der Regierungsseite und Bernascheks nicht mit der Wiener Parteiführung koordinierte Reaktion werden im betreffenden Abschnitt behandelt. Bezüglich der Opfer der Februarkämpfe wird gar von rund 2.000 Toten gesprochen. Hier liegen die Autoren weit von den Forschungsergebnissen Kurt Bauers entfernt, auf die hier zurückgegriffen wurde. Da im Schulbuch hierzu keine Quelle zitiert wird, lässt sich schwer feststellen, worauf die Autoren sich bei diesen Zahlen stützen. Resümiert werden die Februarkämpfe so: „Österreich rückte dadurch ganz nah an den faschistischen Schirmherrn Italien heran.“231 Mit dieser These rechtfertigen die Autoren ihre Verwendung des Faschismus-Begriffs in Bezug auf das Dollfuß/Schuschnigg-Regime gewissermaßen. Die Einbettung der Thematik erfolgt in diesem Lehrwerk in zwei Teilen. Im ersten Teil wird das Regime zwischen italienischem Faschismus und Stalinismus im Kapitel zu den Diktaturen Europas behandelt, während es im zweiten Teil den Schlusspunkt des Kapitels zur Ersten Republik bildet.

229 Ebda. S. 73. 230 Vgl. ebda. S. 31. 231 Ebda. S. 75. 93

6 Ergebnisse und Schlüsse Die im vorhergehenden Kapitel vorgenommenen Einzelanalysen der neun Lehrwerke sollen nun vergleichend gegenübergestellt werden, um daraus Schlüsse auf die Darstellung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in den Schulbüchern zu ziehen. Dabei ist es wichtig zu unterscheiden, ob Veränderungen oder diverse Besonderheiten der Darstellung auf Veränderungen auf poltischer oder auf didaktischer Ebene zurückzuführen sind – im Fokus der Beobachtung stehen die politischen Gegebenheiten. Dabei sollen drei Schwerpunkte herausgegriffen werden: (1) Relevanz des Themas, (2) Themensetzung und Personenschwerpunkte, (3) (Begriffs-)Kontroversen.

6.1 Relevanz Im Zuge der Einzelanalyse wurde innerhalb des zeitlichen Referenzrahmens von 1914 bis 1945 der quantitative Anteil der Behandlung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in Prozent angegeben. Dies gestaltete sich nicht immer einfach, da die Trennlinien oft nicht eindeutig zu ziehen sind und da das Regime oft in unterschiedlichen Kapiteln behandelt wurde. In der folgenden Grafik werden nun die Ergebnisse im Vergleich dargestellt.

Grafik 1 (siehe nächste Seite) vergleicht die neun verschiedenen Lehrwerke und unterteilt sie farblich nach Perioden. Grafik 2 zeigt den errechneten Mittelwert der Bücher nach Perioden. Tendenzen lassen sich aus den Ergebnissen kaum ableiten, da sich die unterschiedlichen Lehrwerke innerhalb der Perioden teilweise stärker in diesem Punkt unterscheiden als Lehrwerke aus anderen Perioden. So fallen das Lehrbuch „Zeitbilder 7“232 aus dem Jahr 2006 innerhalb der Periode ab 2002 sowie „Geschichte für die Oberstufe“233 aus der Periode von 1970 bis 1989 durch einen sehr niedrigen prozentualen Anteil des behandelten Themas auf. „Zeitbilder 7“ ist dabei aus zwei Gründen hervorzuheben: einerseits, weil es innerhalb jener Periode mit einem sehr hohen prozentualen Anteil selbst den zweitniedrigsten Wert aufweist, und andererseits, weil es verglichen mit dem anderen Lehrwerk aus dieser Reihe von 1994 ebenfalls stark abfällt. Bezüglich der zwei Lehrwerke der gleichen Reihe lässt sich

232 Wald/Staudinger/Scheucher/Scheipl/Ebenhoch (2006): Zeitbilder 7. 233 Ebner/Majdan/Soukop (1975): Geschichte Oberstufe.

94

der Unterschied dadurch erklären, dass das Buch von 2006 deutlich mehr Sozialkunde und Globalgeschichte beinhaltet – somit ist diese Auffälligkeit fachdidaktisch zu erklären.

Quantitativer Anteil in Prozent

10,00% 9,00% 8,00% 7,00% 6,00% 5,00% 4,00% 3,00% 2,00% 1,00% 0,00%

Grafik 1

Quantitativer Anteil in Prozent nach Perioden 9,00%

8,00%

7,00%

6,00% Periode 1 5,00% Periode 2 4,00% Periode 3 3,00% Periode 4 2,00%

1,00%

0,00% Periode 1 Periode 2 Periode 3 Periode 4

Grafik 2

95

Unbedingt berücksichtigen sollte man in diesem Zusammenhang auch die grundsätzliche Veränderung der Darstellung der Inhalte in Schulbüchern zwischen 1945 und heute. Bei der Sichtung der Bücher zeigt sich nämlich deutlich, dass der Anteil des Sachtextes stark abnimmt. Das Lehrwerk von 1961234 behandelt das Thema mit einem durchgehenden Text, der nur vereinzelt mit kleineren Bildern versehen ist, während neuere Werke rund um den Sachtext eine Vielzahl unterschiedlicher Inhalte (Bilder, Quellen, Arbeitsaufträge) verwenden. Rein auf den Sachtext bezogen, lässt sich also sehr wohl eine Tendenz erkennen, die aber wiederum fachdidaktisch zu erklären ist. Die niedrige quantitative Repräsentation des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes in der zweiten Periode von 1970 bis 1989 ist möglicherweise damit zu erklären, dass sich sowohl die Geschichtswissenschaft als auch die Öffentlichkeit in dieser Phase hauptsächlich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt haben, der ja generell für die Zweite Republik das dominierende zeitgeschichtliche Thema darstellt. Dagegen spricht, dass nach der Waldheim- Affäre, die ja die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus verändert und gefördert hat, auch ein quantitativer Anstieg der Darstellung hinsichtlich des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes zu erkennen ist.

6.2 Themensetzung und Personenschwerpunkte

Die Personalisierung ist in den Schulbüchern unterschiedlich ausgeprägt. Im vorigen Kapitel wurde herauszuarbeiten versucht, ob und wie Akteure ins Zentrum des Geschehens gerückt werden. Ein besonders leicht erkennbares Merkmal der Verknüpfung der Geschehnisse mit diversen Personen ist deren grafische Hervorhebung: Einige Lehrwerke greifen hierfür zu kursiver oder fettgedruckter Schrift. Tabelle 1 zeigt vergleichend, welche Akteure zentral für die Darstellung sind und wie stark diese in Szene gesetzt werden. (e) bedeutet, dass die betreffende Person erwähnt wurde, (me) steht für mehrfach erwähnt, (g) für die grafische Hervorhebung der Person und (b) für die bildliche Darstellung der Person. Die Bücher sind chronologisch durchnummeriert.

234 Heilsberg/Korger (1961): Lehrbuch. 96

Akteure Buch 1 Buch 2 Buch 3 Buch 4 Buch 5 Buch 6 Buch 7 Buch 8 Buch 9 Dollfuß me me, b me, g me, g, b me, b me, b me, g, b me me, g, b Schuschnigg me me, b me, g me, g, b me me, b me, g, b me me, g, b Hitler me me me, g, b me, g me me me, g me me, g Mussolini e me me, g, b me, g e me, b me, g me me, g Miklas e me me, g me, g me e e, g, b me Fey e me me, g e, g e, b me e, g, b me, b Starhemberg e e, g e e, g Bernaschek e e, g, b e e, g Bauer e me, g, b e, g Seyß-Inquart e me, me, g e, g me me e, g me e, g Wallisch e, g Weissel e, g Münichreiter e, g Innitzer e, g, b e Renner e e e, g e, g e Seitz e,g Straffner e e Ramek e e Kunschak e e, g e Körner e, g e, g

Tabelle 1

Konstant erwähnt sind in allen Lehrwerken also Dollfuß, Schuschnigg, Hitler, Mussolini und Seyß-Inquart - Miklas und Fey werden jeweils nur in einem der Lehrwerke ab 2002 nicht berücksichtigt. Insgesamt zeigt sich, dass die Personalisierung im Lauf der Zeit leicht zunimmt. Besonders die grafische Hervorhebung der Namen, die ein Hinweis darauf ist, dass die Autoren die Akteure als zentral für das Geschehen einstufen, nimmt zu. Das Lehrwerk „Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 7“235 sticht diesbezüglich durch einen stark personalisierten Text hervor; außerdem werden etliche Akteure noch bildlich dargestellt. Aus der gleichen Periode fällt hingegen das Buch „Zeitbilder 7“236 diesbezüglich ab. Die Akteure scheinen kaum eine Rolle für die Schulbuchautoren zu spielen. Außerdem ist zu beobachten, dass erst sehr spät Akteure auf sozialdemokratischer Seite, vor allem im Zusammenhang mit den Februarkämpfen, namentlich erwähnt werden. Neben Karl Renner, der jedoch meist bloß wegen seines folgenschweren Rücktritts als Nationalratspräsident

235 Pokorny/Lemberger/Lobner (2004): Vergangenheit. 236 Wald/Staudinger/Scheucher/Scheipl/Ebenhoch (2006): Zeitbilder 7. 97

1933 genannt wird, sind vor allem Richard Bernaschek und Otto Bauer namentlich angeführt. Mit Bernaschek wird quasi in vier der neun Lehrwerke der sozialdemokratische Widerstand personifiziert. Auch diesbezüglich ist das Schulbuch „Durch die Vergangenheit zur Gegenwart“237 auffällig: Mit Weissel, Münichreiter und Wallisch werden nur in diesem Buch Opfer der Februarjustiz namentlich genannt. Mittels Kurzbiografien verstärken die Schulbuchautoren die emotionalisierende Wirkung dieses Kapitels. Auf der Regierungsseite steht bezüglich des Februars 1934 neben Dollfuß vor allem Emil Fey im Zentrum. Seine Ankündigung vom 11. Februar wird in den meisten Lehrwerken als Ausgangspunkt der Kämpfe angesehen. Die beiden zentralen Akteure, Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg, stellen die Verfasser der Schulbücher im Kern recht unterschiedlich dar. Während der autoritäre und unterdrückende Charakter des Regimes meist mit Dollfuß verknüpft wird, ist Schuschnigg oft ein hilfloser Kämpfer für ein souveränes Österreich in einer außenpolitisch mehr oder weniger aussichtslosen Situation. Bezüglich der Themensetzung zeigt die Einzelanalyse, dass sich die Eckpunkte der Narration in den Schulbüchern kaum unterscheiden – lediglich die Gewichtung der einzelnen Abschnitte unterscheidet sich. Hier ist die Tendenz zu erkennen, dass in der Frühphase der Zweiten Republik die Zeit von 1936 bis zum Anschluss verhältnismäßig umfangreicher dargestellt wird als die beiden anderen großen Eckpunkte (Ausschaltung des Parlaments, Februarkämpfe). Die Phase des Niedergangs des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes bis zum Anschluss behandeln alle Lehrwerke relativ ausführlich, doch stellen die Verfasser die beiden anderen Eckpunkte oft ausführlicher dar. Man könnte besonders hinsichtlich der Periode bis 1970 vermuten, dass die von der ÖVP geprägte Politik (die ÖVP stellte Kanzler und Unterrichtsminister) eher versuchte, den Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus zum Thema zu machen als die Zerstörung der Demokratie durch das bürgerliche Lager. Ansonsten wurde die thematische Schwerpunktsetzung ausführlich innerhalb des Vorkapitels behandelt.

237 Pokorny/Lemberger/Lobner (2004): Vergangenheit.

98

6.3 (Begriffs-)Kontroversen

Die verschiedenen geschichtswissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Kontroversen wurden ausführlich im Kapitel zum historischen Kontext sowie innerhalb der Einzelanalysen behandelt. Nun soll versucht werden, mit Blick auf die jeweiligen Lehrpläne deren Darstellung vergleichend zu analysieren. In der ÖVP-dominierten Phase zwischen 1945 und 1970 ist die Darstellung der Kontroversen trotz der recht ausführlichen Behandlung sehr zurückhaltend, wie sich im Kapitel zur Relevanz zeigte. Die im Kapitel zur Lehrplanentwicklung aufgeworfene Frage, ob das Dollfuß/Schuschnigg-Regime in der von den Lehrplänen vorgesehenen Behandlung des Faschismus verortet wird, kann für diese Periode klar negiert werden. Schulbücher dieser Phase fallen also durch ein hohes Maß an Neutralität zum Dollfuß/Schuschnigg-Regime auf. Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und die großkoalitionäre Kompromisshaltung mitsamt dem Mythos der „Lagerstraße“ dürften eine kontroversielle Aufarbeitung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes verhindert haben. Diese These weckt die Erwartung, dass sich das in den sozialdemokratisch dominierten 1970er Jahren ändern würde. Im Lehrplan war dazu zunächst kaum etwas zu erkennen, doch zeigen die Schulbücher eine klar veränderte Darstellung – wenngleich diese sich innerhalb der analysierten Lehrwerke unterscheidet. In allen drei Werken wird der Faschismus-Begriff mit dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime in Verbindung gebracht. Am schwächsten ausgeprägt ist diese Verbindung, wenn den Heimwehren lediglich faschistische Tendenzen zugeschrieben werden. Stärker zeigt sie sich, wenn die Heimwehren als klar faschistisch eingestuft werden. Vor allem im Lehrbuch „Zeiten Völker und Kulturen“238 nehmen die Autoren eine klare Haltung ein. Während in den anderen beiden Büchern dieser Periode faschistische Tendenzen (mit Bezug auf die Heimwehren) als „Austrofaschismus“ bezeichnet sind, sprechen Berger und Schausberger von der Etablierung des Systems des „Austrofaschismus“. Ferner unterscheidet sich dieses Lehrwerk von den anderen beiden darin, dass auf jegliche Darstellung der Beweggründe, aus denen heraus die Regierungsseite so handelte, verzichtet wird. Im Buch „Geschichte und Sozialkunde“239 kommt die Darstellung der Beweggründe nahezu einer Art Rechtfertigung gleich – die außenpolitisch schwierige Lage und die innenpolitische Gefahr eines Erstarkens

238 Berger/Schausberger (1977): Zeiten. 239 Göbhart/Chvojka (1975): Geschichte. 99

der Nationalsozialisten auf demokratischem Weg werden von Göbhart und Chvojka dargestellt, während trotzdem auf die Unrechtmäßigkeit der Vorgehensweise verwiesen wird. Demgegenüber wird im Werk von Berger und Schausberger Mussolinis Druck auf Österreich gar nur zum Wunsch nach einem autoritären und faschistischen Vorgehen abgeschwächt. Insgesamt hat sich die Annahme bestätigt, dass innerhalb dieser Periode im Vergleich zur vorherigen die zurückhaltende Herangehensweise trotz nahezu identischen Lehrplans zu diesem Thema abgelegt wurde. In der dritten Periode ist eine Veränderung des Lehrplans festzustellen. Kontroverse Begriffe werden explizit im Lehrplan verwendet. Zusätzlich wird ein Vergleich der unterschiedlichen autoritären Regime der Zwischenkriegszeit gefordert. Dass Begriffe wie „Austrofaschismus“ zuvor in den Schulbüchern verwendet wurden und dann den Weg in den Lehrplan fanden, spricht dafür, dass Lehrpläne und Schulbücher in einer Wechselwirkung zueinander stehen. So beeinflusst nicht nur der Lehrplan die Lehrwerke, sondern dies kann offenbar auch umgekehrt der Fall sein. Das Lehrbuch „Zeitbilder“240 verwendet zwar Begriffe wie „Austrofaschismus“, es regt aber mehrfach eine differenzierte Debatte hierüber an. Dies zeigt sich in der Verwendung des Terminus „Konkurrenzfaschismus“ oder in Fragestellungen, die dazu anleiten, faschistische Elemente im Korneuburger Eid zu benennen. Im zweiten Lehrwerk241 dieser Periode werden lediglich faschistische Züge des Regimes als „Austrofaschismus“ bezeichnet. Außerdem fällt auf, dass die Schulbuchautoren dieser Periode die Opfer der Februarkämpfe stärker in Szene setzen, was problematisch ist, weil im Lauf der Zweiten Republik immer wieder unterschiedliche Opferzahlen in der Öffentlichkeit und auch in der Geschichtswissenschaft genannt wurden. Die Problematik zeigt sich ferner in der vagen Angabe der Opferzahlen innerhalb der Schulbücher. In der zweiten Periode wurden die Opferzahlen (zwar teilweise im Vergleich zu Kurt Bauers anerkannter Forschung dazu noch etwas höher gegriffen) präziser benannt als in der dritten Periode, in der man vage Verwundete und Todesopfer vermischte. Dadurch widersprechen die Zahlen zwar Bauers Darstellung nicht, doch ist deren Aussagekraft zweifelhaft bis tendenziös. Dieser Trend setzt sich auch in der vierten behandelten Periode ab 2002 fort. Auffällig ist dabei das

240 Scheucher/Wald/Lein/Staudinger (1992): Zeitbilder. 241 Achs/Scheich/Tesar (1993): Geschichte. 100

Lehrwerk „Zeitfenster“242: Hier ist gar die Rede von 2.000 Toten, die in keiner Relation zu den Erkenntnissen der Geschichtswissenschaft stehen. Für die letzte Periode ab 2002 ist eindeutig festzustellen, dass die schwarzblaue Regierung ab 2002 keinerlei Einfluss in Form einer Kehrtwende betreffend die Kontroversen der Betrachtung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes ausgeübt hat. Die früheren Tendenzen von der Zuschreibung faschistischer Züge bis zur Bezeichnung „Austrofaschismus“ für das System als Ganzes setzen sich fort und intensivieren sich, obwohl zumindest innerhalb des Lehrplans jene umstrittenen Begriffe nicht mehr zu finden sind. Die Zuschreibung, dass es sich beim Dollfuß/Schuschnigg-Regime um ein diktatorisches Regime handelte, wird vor allem in der letzten Periode klar getroffen. Im Kapitel zum historischen Kontext des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes wurde erläutert, warum die Februarkämpfe juristisch nicht als Bürgerkrieg zu bezeichnen sind. Trotzdem werden sie ab 1970 in den Schulbüchern durchgehend als solcher bezeichnet. Dies kann man einerseits auf eine intendierte Emotionalisierung oder auf eine Vereinfachung zurückführen. Vereinfachend ist der Begriff, da er für Lernende verstehbarer erscheint als andere Bezeichnungen. Dass sich die Schulbücher bei der Verwendung dieses Begriffs weitgehend einig sind, kann man als Argument dafür sehen, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Vereinfachung aus didaktischen Gründen handelt. Grundsätzlich zeigt sich, dass in den letzten beiden Perioden, vor allem durch den vom Lehrplan geforderten Vergleich der unterschiedlichen Regime, eine (trotz klarer Verwendung umstrittener Begriffe) differenzierte Auseinandersetzung mit diesen gefordert und gefördert wird. So kann es gelingen, durch die Bezeichnung „Austrofaschismus“ für das Regime als Ganzes dieses als spezielle Variante des Faschismus oder als System mit faschistischen Tendenzen zu sehen, ohne Gefahr zu laufen, es in einen Topf mit dem italienischen Faschismus oder gar mit dem Nationalsozialismus zu werfen.

242 Brzobohaty/Kowarz/Salmeyer/Zellhofer (2011): Zeitfenster. 101

7 Fazit

Die Analyse dieser neun ausgewählten Schulbücher zeigte, dass sich die Darstellung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes im Lauf der Zweiten Republik relativ stark veränderte. Festzuhalten ist aber, dass dies hauptsächlich an grundlegenden Veränderungen des Mediums Schulbuch liegt. Vor allem der seit Kurzem forcierte kompetenzorientierte Geschichtsunterricht stellt gänzlich andere Anforderungen an ein Schulbuch, als es beispielsweise der Geschichtsunterricht der 1960er Jahre tat. Doch auch inhaltlich ließen sich gewisse Veränderungen feststellen, deren Ursache durchaus in den politischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Zeit gesucht werden kann. Hier sind vor allem die ausführlich behandelten Begriffskontroversen zu nennen. Es ist anzumerken, dass diese innerhalb der modernen Geschichtswissenschaft nicht so eindeutig entschieden sind, wie es manch ein modernes Schulbuch vermuten lässt. Eine Ausgabe der Zeitschrift „Historicum“243 diente als idealer Überblick zur Faschismus-Debatte rund um das Dollfuß/Schuschnigg- Regime. Offensichtlich hat sich bei den Schulbuchverfassern jene Sichtweise, die vor allem Emmerich Talos vertritt, durchgesetzt, da der Begriff „Austrofaschismus“ immer präsenter in den Schulbüchern wurde. Gänzlich ausgespart wurden die Kontroversen nur in der ersten Phase von 1945 bis 1970. Zu beobachten ist auch Folgendes: Je aktueller die Lehrbücher sind, desto mehr direkte Anregungen enthalten sie, wie Kontroversen auch im Unterricht differenziert zu diskutieren sind. Diesbezüglich wäre es interessant zu erfahren, inwieweit dies früher direkt von den Lehrkräften vorgenommen wurde oder ob im Geschichtsunterricht schlicht andere Prioritäten gesetzt wurden. Darauf aufbauend kann konstatiert werden, dass Geschichtsbücher eine äußerst interessante und aussagekräftige Quelle darstellen, die jedoch für den tatsächlichen Geschichtsunterricht zu verschiedenen Zeiten nur eine bedingte Aussagekraft haben, da dieser vom jeweiligen Einsatz der Lehrkräfte maßgeblich geprägt wurde.

243 Historicum. Zeitschrift für Geschichte. 2017. III-IV. 102

8 Bibliographie

8.1 Schulbücher/Primärliteratur:

Achs, Oskar/Scheuch, Manfred/Tesar, Eva (1993): Aus Geschichte Lernen 7. Klasse. Von der industriellen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Berger, Franz/Schausberger, Norbert (1977): Zeiten Völker und Kulturen. Lehrbuch für Geschichte und Sozialkunde für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen. Band für die 8. Klasse. Geschichte des 20. Jahrhunderts. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Brzobohaty, Johannes/Kowarz, Andreas/Salmeyer, Robert/Zellhofer, Christa (2011): Zeitfenster. Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung für die 7. Klasse AHS. Wien: Ed. Hölzel.

Ebner, Anton/Majdan, Harald/Soukop, Kurt (1975): Geschichte für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen 4. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Göbhart, Franz/Chvojka, Erwin (1975): Geschichte und Sozialkunde. Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Lern- und Arbeitsbuch. 2. durchgesehene und ergänzte Auflage. Wien- Heidelberg: Ueberreuter.

Heilsberg, Franz/Korger, Friedrich (1961): Lehrbuch der Geschichte für die Oberstufe der Mittelschulen. Allgemeine Geschichte der Neuzeit von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 4. Band. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Pokorny, Renate/Lemberger, Michael/Lobner, Georg (2004): Durch die Vergangenheit zur Gegenwart 7. Geschichte & Politische Bildung für die 7. Klasse. Linz: Veritas.

103

Scheucher, Alois/Wald, Anton/Lein, Hermann/Staudinger, Eduard (1992): Zeitbilder Geschichte und Sozialkunde 7. Vom Beginn des Industriezeitalters bis zum Zweiten Weltkrieg. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Wald, Anton/Staudinger, Eduard/Scheucher, Alois/Scheipl, Josef/Ebenhoch, Ulrike (2006): Zeitbilder 7. Geschichte und Sozialkunde Politische Bildung. Vom Ende des Ersten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

104

8.2 Sekundärliteratur:

Anzenberger, Werner (2004): Demontage einer Demokratie. In: Werner Anzenberger/Martin Polaschek (Hg.). Widerstand für eine Demokratie. 12. Februar 1934. Graz: Leykam. S. 13-132.

Anzenberger, Werner (2017): Die österreichische Diktatur – ein faschistisches Gewaltregime? In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 42-51.

Bailer, Brigitte (2012): Abgeltung von Verfolgungsschäden der Jahre 1933 bis 1938 vor dem Hintergrund von Parteienauseinandersetzungen, Rückstellungsgesetzen und ahistorischer Gleichsetzung. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 285-294.

Becher, Ursula A. J./Riemenschneider, Reiner (2000): Internationale Verständigung. 25 Jahre Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. (=Studien zur Internationalen Schulbuchforschung. Bd. 100) Hannover: Hahnsche Buchhandlung.

Borries von, Bodo (2010): Wie wirken Schulbücher in den Köpfen der Schüler. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (2010): Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 102-117.

Botz, Gerhard (2017): „Christlicher Ständestaat“: Austrofaschismus oder autoritäre Diktatur? In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 12-25.

Doll, Jürgen/Fickermann, Detlef/Schwippert, Knut/Fank, Keno (2012): Schulbücher im Fokus. Nutzung Wirkung und Evaluation. Münster: Waxmann.

Fuchs, Eckhardt (2011): Aktuelle Entwicklungen der Schulbuchforschung. In: Bildung und Erziehung 64 (2011), H. 1. S. 7-22.

105

Fuchs, Eckhardt/Kahlert, Joachim/Sandfuchs, Uwe (2010): Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Fuchs, Eckhardt/Niehaus, Inga/Stoletzki, Almut (2014): Das Schulbuch in der Forschung. Analysen und Empfehlungen für die Bildungspraxis. (=Eckert. Expertise. Band 4). Göttingen: V&R unipress.

Garscha, Winfried (2012): Opferzahlen als Tabu. Totengedenken und Propaganda nach Februaraufstand und Juliputsch. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß- /Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 111-128.

Gehler, Michael (2017): Zwischen allen Stühlen – Österreichs Außenpolitik 1918-1938. In: Stefan Karner (Hg). Die umkämpfte Republik. Österreich 1918-1938. Innsbruck: Studienverlag. S. 117-128.

Goldinger, Walter/Binder, Dieter A. (1992): Geschichte der Republik Österreich 1918-1938. Wien-München-Oldenburg: Verlag für Geschichte und Politik.

Graf, Georg (2012): Die Rückgabegesetze – Überblick und Kritik. In: Ilse Reiter- Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 295-304.

Gräsel, Cornelia (2010): Lehren und Lernen mit Schulbüchern. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (2010): Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 137-148.

Hanisch, Ernst (1994): Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert. Herwig Wolfram (Hg.). Österreichische Geschichte 1890-1990. Wien: Überreuter.

Höbelt, Lothar (2017): Austrofaschismus? Die Suppe ist zu dünn. In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 62-69.

106

Höhne, Thomas (2003): Schulbuchwissen. Umrisse einer Wissens- und Medientheorie des Schulbuchs. Frankfurt a. M: Frankfurter Beiträge zur Erziehungswissenschaft.

Höppel, Frank (2012): Gewaltexzesse im Bürgerkrieg: Zur juristischen Aufarbeitung von Verbrechen während eines nicht internationalen bewaffneten Konflikts. In: Ilse Reiter- Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 129-139.

Konrad, Helmut (2004): Der 12. Februar 1934 in Österreich. In: Günther Schefbeck (Hg.). Österreich 1934. Vorgeschichte – Ereignisse – Wirkung. Wien: Verlag für Geschichte und Politik. S. 91-98.

Konrad, Helmut (2014): 1933/34 in der Geschichtswissenschaft. In: Werner Anzenberger/Heimo Halbrainer (Hg.). Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz: Clio. S. 37-46.

Kühberger, Christoph/Mittnik, Phillip (2015): Empirische Geschichtsschulbuchforschung in Österreich. (=Österreichische Beiträge zur Geschichtsdidaktik. Geschichte – Sozialkunde – Politische Bildung. Bd. 10) Innsbruck: Studienverlag.

Kuhn, Leo/ Rathmayr, Bernhard (1977): Statt einer Einleitung – 15 Jahre Schulreform. Aber die Inhalte?. In: Leo Kuhn (Hg.). Schulbuch – ein Massenmedium. Pädagogik der Gegenwart. Wien-München: Jugend und Volk Verlag. S. 9-18.

Künzli, Rudolf (2003): Lehrpläne – eine Erfolgsgeschichte am Ausgang ihrer Epoche? Referat: Tagung der LCH Delegierten Hergiswil am 24.5.2003.

Matthes, Eva (2011): Lehrmittel und Lehrmittelforschung in Europa. In: Bildung und Erziehung 64 (2011), H. 1. S. 1-5.

Minsel, Wolf-Rüdiger (Hg.) (1978): Curriculum und Lehrplan. (= Studienprogramm Erziehungswissenschaft. Bd. 2) München-Wien-Baltimore: Urban & Schwarzenberg. 107

Payne, Stanley (2001): Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung. Berlin: Propyläen.

Pelinka, Anton (2017): Die gescheiterte Republik. Kultur und Politik in Österreich 1918-1938. Wien-Köln-Weimar: Böhlau.

Polaschek, Martin (2004): Der Februar 1934 und die Justiz. In: Werner Anzenberger/Martin Polaschek (Hg.). Widerstand für eine Demokratie. 12. Februar 1934. Graz: Leykam. S. 189- 319.

Rathkolb, Oliver (2012): „Elimination of Austro-Fascists from Post of Influence“. US- Nachkriegsplanungen für eine umfassende Entfaschisierung. In: Ilse Reiter- Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg-Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 273-284.

Reiter-Zatloukal, Ilse (2012): „Unrecht im Sinne des Rechtsstaats“ – Das Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011. In: Ilse Reiter-Zatloukal/Christiane Rothländer/Pia Schölnberger (Hg.). Österreich 1933-1938. Interdisziplinäre Annäherungen an das Dollfuß-/Schuschnigg- Regime. Wien-Köln-Weimar: Böhlau. S. 327-346.

Sandfuchs, Uwe (2010): Schulbücher und Unterrichtsqualität – historische und aktuelle Reflexion. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (Hg.). Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 11-24.

Schausberger, Franz (1993): Letze Chance für die Demokratie. Die Bildung der Regierung Dollfuß I im Mai 1932. Bruch der österreichischen Proporzdemokratie (=Studien zur Geschichte der christlich-sozialen Partei, Bd. 1) Wien-Köln-Weimar: Böhlau.

Scholl, Daniela (2009): Sind die traditionellen Lehrpläne überflüssig? Zur lehrplantheoretischen Problematik von Bildungsstandards und Kernlehrplänen. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

108

Sitte, Wolfgang/Wohlschlägl, Helmut (2001): Beiträge zur Didaktik des „Geographie und Wirtschaftskunde“-Unterrichts. (= Materialien zur Didaktik der Geographie und Wirtschaftskunde, Bd. 16) Wien: Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.

Talos, Emmerich (2017): Das austrofaschistische Österreich 1933-1938. (= Politik und Zeitgeschichte. Bd. 10) Wien: Lit.

Talos, Emmerich/Neugebauer, Wolfgang (Hg.) (2014): Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933-1938. Wien: Lit.

Thünemann, Holger (2018): Historisch Denken lernen mit Schulbüchern? Forschungsstand und Forschungsperspektiven. In: Christoph Bramann/Christoph Kühberger/Roland Bernhard (Hg.). Historisch Denken lernen mit Schulbüchern. Frankfurt: Wochenschau Verlag. S. 17-36.

Walterskirchen, Gundula (2017): Blinde Flecken in der Geschichte. Wien: Kremayr & Scheriau.

Wendt, Peter (2010): Schulbuchzulassung: Verfahrensänderung oder Verzicht auf Zulassungsverfahren. In: Eckhardt Fuchs/Joachim Kahlert/Uwe Sandfuchs (Hg.). Schulbuch konkret. Kontexte Produktion Unterricht. Bad Heilbrunn. Klinkhardt. S. 83-96.

Wenninger, Florian (2017): Die Scheu vor dem F-Wort. Anmerkungen zur Verortung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes. In: Historicum. Zeitschrift für Geschichte. III-IV. S. 52-61.

Wiater, Werner (2003): Das Schulbuch als Gegenstand pädagogischer Forschung. In: Werner Wiater (Hg.). Schulbuchforschung in Europa. Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektive. Bad Heilbronn: Klinckhardt. S. 11-22.

Wizany, Daniela (2017): Die Erste Republik in österreichischen Schulbüchern für das Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung. Graz: Diplomarbeit Universität Graz.

109

Wohnout, Helmut (2014): Zwischen Ständestaat und Austrofaschismus. Anmerkungen zur österreichischen Kanzlerdiktatur 1933/34-1938. In: Werner Anzenberger/Heimo Halbrainer (Hg.). Unrecht im Sinne des Rechtsstaates. Die Steiermark im Austrofaschismus. Graz: Clio. S. 19-36.

Wohnout, Helmut (2017): Das autoritäre Österreich 1933/34-1938. In: Stefan Karner (Hg.). Die umkämpfte Republik. Österreich von 1918-1938. Innsbruck-Wien-Bozen: Studienverlag. S. 49-64.

Zwar, Anette (2006): Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden. (21. Auflage, Bd. 16). Leipzig: Brockhaus.

110

8.3 Lehrpläne und Gesetze:

Provisorische Lehrpläne für die Mittelschulen: veröffentlicht auf Grund der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht vom 18. Oktober 1946, Zl. 28.520-IV/12. Wien. Österreichischer Bundesverlag 1946.

126. Verordnung: Änderung der Lehrpläne für die allgemeinbildenden höheren Schulen in den Schuljahren 1970/71 bis 1974/75: Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 13. August 1970, BGBl. Nr. 275/1970, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 307/1970 über eine Änderung der Lehrpläne für die allgemeinbildenden höheren Schulen in den Schuljahren 1970/71 bis 1974/75. II. Sondernummer zum Verordnungsblatt für die Dienstbereiche des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Wissenschaft und Forschung.

27. Verordnung: Änderung der Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen: 27. Verordnung des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport vom 12. Dezember 1988, BGBl. Nr. 63/1989, mit der die Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen geändert werden; II. Sondernummer zum Verordnungsblatt für den Dienstbereich des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Wissenschaft und Forschung.

232. Verordnung 2002: Änderung der Verordnung über die Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen: 232. Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, mit der die Verordnung über die Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen geändert wird.

Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz 2011. Bundesgesetz über die Aufhebung und Rehabilitierung; BGBL. I Nr. 8/2012 (NR: GP XXIV IA 1773/A AB 1644 S. 140. BR: AB 8653 S. 804.

Schulunterrichtsgesetz § 14, Abs. (1), (2) und (3).

111

8.4 Onlinequellen:

Alexander Schöner/Waldtraud Schreiber: De-Konstruktion des Umgangs mit Geschichte in Schulbüchern. Vom Nutzen wissenschaftlicher Schulbuchanalysen für den Geschichtsunterricht. Eichstätt. URL: http://edoc.kueichstaett.de/2074/1/Themenheft_Schulbuch_pdf.pdf [12.5.2018].

Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von Matthias Strolz durch das Bildungsministerium. URL: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_12760/imfname_663014.pdf [20.5.2018].

Aussendung des BMFBUF an die Lehrkräfte URL: https://bildung.bmbwf.gv.at/schulen/service/lehrerinnen/home/start.html [20.5.2018].

Bauer, Kurt (2015): Die Opfer des Februars. URL: http://www.kurt-bauer- geschichte.at/PDF_Forschung_Unterseiten/Kurt-Bauer_Opfer-Februar-34.pdf. [16.4.2018].

Edel, Klaus: Das Schulbuch im Geschichtsunterricht. URL: http://www.geschichtsdidaktik.eu/index.php?id=133 [14.5.2018].

Definition des Gabler Wirtschaftslexikons. URL: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/lehrplan-38256/version-261680 [24.5.2018].

Definition des Gabler Wirtschaftslexikons. URL: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/curriculum-28425 [24.5.2018].

Parlamentarische Anfrage der NEOS. URL: https://parlament.neos.eu/anfrage/approbation- von-schulbuechern-13316j/?backTo=7044 [20.5.2018].

https://rotbewegt.at/#/epoche/1945-1955 [30.1.2018].

112