Heldengedenken in Kiesbeton Das Luftwaffenehrenmal in Fürstenfeldbruck Haben Ehemalige Wehrmachtsangehörige in Den 1950Er Jahren Initiiert

SZ-Landkreisausgaben LANDKREIS Samstag, 29. September 2012 Fürstenfeldbruck Seite R12 Heldengedenken in Kiesbeton Das Luftwaffenehrenmal in Fürstenfeldbruck haben ehemalige Wehrmachtsangehörige in den 1950er Jahren initiiert. Die Soldaten, die den deutschen Vernichtungskrieg geführt hatten, sollten damit zu Freiheitskämpfern stilisiert werden

VON PETER BIERL Das Ehrenmal wird am 18. November 1962 eingeweiht, einer der Festredner ist Fürstenfeldbruck – „Hier sollen unsere Stumpff. Unter den Ehrengästen befinden Toten ihre Heimstätte finden, die für die sich Trautloft, Wilke, Kammhuber sowie Freiheit Deutschlands gekämpft und das Erhard Milch (1892-1972), Feldmarschall Höchste, sich selbst, gegeben haben“, a. D., und Kurt Student (1890-1978). Gene- heißt es in der Urkunde des Grundsteins raloberst a. D. Milch trat der NSDAP 1933 desLuftwaffenehrenmals von Fürstenfeld- bei, war Staatssekretär für den Aufbau der bruck. 1961 können alte Kämpfer und hohe Luftwaffe, Generaloberst und Generalfeld- Bundeswehroffiziere ihre Kameraden, die marschall. Im „Milch-Prozess“ in Nürn- in einem historisch einmaligen, rassistisch berg wurde er als zentraler Akteur der Rüs- motivierten Vernichtungskrieg gefallen tungsproduktion und verantwortlich für sind, auf diese Weise zu Freiheitskämp- den mörderischen Einsatz von Zwangsar- fern stilisieren. Etwa 5000 Angehörige der beitern zu lebenslanger Haft verurteilt. Ei- Traditionsverbände der Wehrmacht sind ne Verantwortung für die Menschenversu- an jenem Sonntag, 24. September, vor dem che der Luftwaffe im KZ Dachau, bei denen Fliegerhorst angetreten, als Josef Kamm- etwa Gefangene stundenlang in Eiswasser huber, Generalinspekteur der Luftwaffe, getaucht wurden, um zu testen, wie lange den Grundstein legen lässt. ein Mensch das aushält, konnte ihm nicht Die Toten verkörperten eine Grundhal- nachgewiesen werden. 1954 wurde Milch tung, „die von den Thermopylen vor zwei- aufgrund einer Begnadigung vorzeitig aus einhalb Jahrtausenden bis zum heutigen der Haft in Landsberg entlassen. Kurt Stu- Tag der abendländischen Welt eigen war und immer sein sollte“, sagt er. Begriffe Die Stadt hat sich verpflichtet, wie Tugend und Charakter seien durch die die Pflege der Anlage Gefallenen mit Leben und Blut erfüllt worden, sodass sie Leit- und Lebensbilder sein zu übernehmen könnten. Die Spartaner im Kampf gegen die Perser, die Wehrmachtssoldaten vor Le- dentwar Befehlshaber beim deutschen An- ningrad und Moskau, bei Massakern, Ver- griff auf Kreta im Mai 1941. Er ordnete Mas- gewaltigungen und Plünderungen, die saker an der Zivilbevölkerung an, weswe- Bundeswehr im Kalten Krieg – alles einer- gen Griechenland später vergeblich seine lei. Kammhuber, der sich am 9. November Auslieferung von der Bundesrepublik for- 1923 geweigert hat, auf den Putschisten derte. Student war laut Jakob Knab füh- Hitler und seine Gesellen zu schießen, be- rend beim Aufbau der Kameradschaftsver- schwört in Fursty eine Traditionslinie, die bände, stets beim Kreta-Tag in der Bundes- der NS-Propaganda vom antibolschewisti- wehr-Kaserne in Altenstadt dabei. schen Abwehrkampf und zugleich der DasProblem aus Sicht der alten Kamera- Nachkriegslüge von der sauberen Wehr- den ist, dass das Monument einen Betrag macht entspricht. in sechsstelliger Höhe kostet und das Geld Wer die Berichte von damals liest und nur langsam fließt, obwohl aktive Piloten die alten Fotos von den Feiern zu Grund- und die Rüstungsindustrie spenden. An- steinlegung und Einweihung anschaut, stelle des Gedenksteins steht in der Mitte kann an diesem einen Beispiel nachvollzie- zuerst nur eine hölzerne Attrappe, die erst hen, was jene Renazifizierung bedeutete, am Volkstrauertag 1963 gegen ein Exem- von der der CDU-Politiker Paul Pagel plar aus Kiesbeton ausgetauscht werden sprach, als er Anfang der 1950er Jahre fest- kann. Drei Jahre später übergibt die Stif- stellte, dass er so ziemlich das einzige Mit- tung das Denkmal an die Luftwaffe. Diese glied einer Landesregierung in Schleswig- beteiligt sich seit 1977 regelmäßig am Holstein war, das keiner NS-Organisation Volkstrauertag an Gedenkveranstaltun- angehört hatte. gen, an denen Angehörige der Legion Con- dor auftreten, dazu legen Vertreter der eng- Der Architekt baute lischen und französischen Luftwaffe dort früher für die Nazis Kränze nieder. 1986 wird das Ehrenmal mit einer bronzenen Ehrentafel für Wilke Thingplätze nachgerüstet. Als sich der Stiftungsverein 1987 auf- Für ein Luftwaffen-Ehrenmal hatten löst, übernimmt der „Freundeskreis Luft- sich Veteranen seit Mitte der 1950er Jahre waffe e.V.“ die „ideelle Mitbetreuung“ des engagiert. Als prominenten Fürsprecher Ehrenmals. Der Verein publiziert dazu eine gewannen sie Generalfeldmarschall Alfred Broschüre, deren Vorwort die sich auflösen- Kesselring (1885-1960), der von den Briten de Stiftung beisteuert: „Die durch unsere wegen Massakern an italienischen Zivilis- Das monumentale Betondenkmal vor den Toren des Fliegerhorstes entspricht faschistischer Ästhetik, obwohl es erst in den Besieger unverzüglich eingeleitete politi- ten zum Tode verurteilt, aber begnadigt 1960er Jahren gebaut worden ist. FOTO: GÜNTHER REGER sche Umerziehungskampagne zeigte deut- worden war. Symbol für die Gräueltaten lich Wirkung hinsichtlich traditionsbezo- der Wehrmacht in Italien ist das Dorf Mar- genen Denkens und Fühlens bei der noch zabotto: „Deutsche Soldaten betreiben ten wir flugs eine muntere Schneeball- deutschen Freilicht- und Volksschauspiele ten Kameraden der Luftwaffe“ hervor- lebenden Kriegsgeneration und den jun- Menschenjagd auf den Straßen und We- schlacht veranstaltet. Heute haben wir Bes- baute er etliche sogenannte Thingplätze, hebt. gen heranwachsenden Deutschen“, heißt gen, verstümmeln Frauen auf gräßlichste seres vor … 23 Bomber, begleitet von 24 Jä- auf denen die Nazis ihre Volksgemein- Bereits am Vormittag hat Wilke den es darin. DerBezug zwischen der Geschich- Weise, schießen Kinder wie Spatzen ab gern, starten. … Ungestört erreichen wir schaft zelebrierten. Im Zweiten Weltkrieg Grundstein mit der eingangs zitierten Ur- te des „Gewaltregimes“ und „öffentlicher oder werfen sie ins Feuer“, heißt es dazu in Madrid. Serienweise sausen die Bomben soll er von Rüstungsaufträgen profitiert ha- kunde gelegt. Das Mahnmal solle die Erin- Totenverehrung“ sei in den 1950er Jahren einem Buch von Friedrich Andrae. Kessel- herunter, und diesmal ist ihre Wirkung un- ben. Sein Vorschlag für das Ehrenmal ent- nerung an „den hohen Blutzoll der Luftwaf- als miteinander unvereinbar empfunden ring sprach seine Anerkennung für den Er- geheuer. Dort, wo die Stellungen der Roten spricht faschistischer Ästhetik. fe in den beiden Weltkriegen mit über worden. Kammhuber wird mit den Worten folg dieses Unternehmens aus. Im Dezem- liegen, sehe ich ganze Häuserblocks in sich 145 000 Toten und weit über 220 000 Ver- zitiert, „das unglückselige Ende des Krie- ber 1942 befahl er deutschen Einheiten in zusammenstürzen. Alles, meint man, was Später hat die Bundeswehr wundeten wachhalten“, heißt es in einem ges und das furchtbare Elend, welches Tunesien, „Juden zu Befestigungsarbeiten dort im Umkreis kreucht und fleucht und das Denkmal Bericht des Tagblatts. Ein Vertreter der Tra- über das ganze deutsche Volk hereingebro- zu mobilisieren“, wie Jakob Knab erzählt, nicht erschlagen wird, müsse in pani- ditionsverbände erklärt den Tausenden chen sei, habe zunächst die Erinnerung an Sprecher der „Initiative gegen falsche Glo- schem Entsetzen davonjagen.“ Trautloft umgedeutet von Wehrmachtsveteranen aus dem gan- die toten Kameraden erstickt.“ Aber dabei rie“ und Autor mehrerer Bücher zur Tradi- nutzte seine Erfahrung bei den Überfällen zen Bundesgebiet, der Hass möge verstum- blieb es nicht: „Heute ist die Situation pro- tionspflege der Bundeswehr. auf Polen, Frankreich, England, auf dem Die Anlage besteht aus einem sechs Me- men „und nur der edle Sinn ihres Opfers ge- blemlos geworden. Die Bundeswehr, insbe- 1957 gründen Veteranen die Stiftung Balkan und in der Sowjetunion. ter hohen, kreisrunden Betonring, außen winne Gewalt über das Leben“. Unter den sondere die Bundesluftwaffe, steht voll Luftwaffen-Ehrenmal e.V., die zunächst an- Der Vorsitzende der Stiftung, Luftwaf- angeböscht, innen schräg vorspringend, Ehrengästen befinden sich Generalinspek- und offiziell hinter dem Ehrenmal.“ dere Standorte in Betracht zieht. Ende fengeneral a. D. Karl-Eduard Wilke der einen Kreis mit 30 Meter Durchmesser teur Friedrich Foertsch (1900-1976) und Seit 1994 ist die Bundesluftwaffe allein 1960 regt der Kommandeur der Schulen (1901-1990), ist mit dem Standort einver- einfasst. Außen vor dem Treppenaufgang Generaloberst a. D. Hans Jürgen Stumpff dafür zuständig. Es ist „inzwischen dem der Luftwaffe, Generalmajor Hannes standen, Kammhuber auf dem Flieger- steht eine Kanzel, davor liegt ein 200 Me- (1889-1968). Gedenken an die Gefallenen und getöteten Trautloft, an, das Ehrenmal in Fürstenfeld- horst den Grund und von der Bundeswehr ter langer geschotterter Prozessionsweg. Foertsch diente im Freikorps Hinden- Luftwaffenangehörigen aller Nationen bruck zu errichten. Trautloft (1912-1995) Geld zur Verfügung zu stellen. Der Vor- In der Mitte des tiefer gelegten Innenrau- burg, dann bei der Reichswehr, war 1944 und Zeiten und den Toten der Luftfahrt ge- war Flieger bei der Legion Condor in Spani- stand der Stiftung besucht Fürstenfeld- mes steht ein monumentaler Betonblock Generalmajor und wurde in sowjetischer weiht (…), die im Krieg und im Frieden ihr en. Unter dieser Bezeichnung kämpften bruck und inspiziert Plätze vor dem Tor 1 mit dem Eisernen Kreuz oben. „Die Orna- Gefangenschaft als Kriegsverbrecher ver- Leben verloren haben“, wie es auf einer In- deutsche Verbände im Bürgerkriegauf Sei- und dem Tor 2. Wilke diente im Ersten mentik am Ehrenmal wird die Überliefe- urteilt, weil er Städte hatte bombardieren formationstafel der Luftwaffe von 2010 ten Francos, ihre Flieger waren an der be- Weltkrieg bei der Infanterie, anschließend rung der alten deutschen Luftwaffe an die lassen. 1955 wird Foertsch freigelassen, heißt. An der Wand des Ehrenmals wurde rüchtigten Bombardierung der Stadt Guer- in einem Freikorps, erhielt eine illegale Nachwelt symbolisieren“, heißt es in ei- fängt 1956 bei der Bundeswehr als General- die Inschrift „Den Toten der Luftwaffe und nica beteiligt, an die Picasso mit einem be- Fliegerausbildung in der Sowjetunion, wo- nem Bericht des Fürstenfeldbrucker Tag- major an und wird 1961 der zweite General- der Luftfahrt“ angebracht, womit NS-Sol- rühmten Gemälde erinnerte. Bis heute mit er gegen den Versailler Friedensver- blatts vom September 1961. Die Brucker inspekteur der jungen Parlamentsarmee. daten, alliierte Piloten und die unglückli- sind zwei Straßen in der Siedlung außer- trag verstieß, machte im Dritten Reich Kar- nennen die Anlage „Elefantenklo“. Stumpff war ab 1933 am Aufbau der Luft- chen Opfer von zivilen Katastrophen in ei- halb des umzäunten Teils des Militärgelän- riere und wurde 1943 mit dem „Deutschen Am Tag der Grundsteinlegung wird auf waffe beteiligt und als Befehlshaber für nem Topf landeten. Der Stadtrat möchte des von „Fursty“ nach Männern der Legion Kreuz“ in Gold ausgezeichnet. dem Fliegerhorst der vierte „Großflugtag“ Bombardierungen in England und der So- die unterschiedslose Aufzählung nun mit Condor benannt, was nach dem Willen des Im März 1960 wählt der Stiftungsvor- abgehalten, eine halbe Million Besucher wjetunion verantwortlich. Er geht als Gene- einer Tafel oder Inschrift um die Opfer der Bundestages nicht mehr sein dürfte. standaus verschiedenenEntwürfen die Va- kommt. Der Ehrengast Franz-Josef raloberst a. D. in den Ruhestand. Der Spie- Luftkriege erweitern. Das Gremium be- Am 19. November 1936 – Madrid war riante des Architekten Ernst Zinsser Strauß, damals Bundesverteidigungsmi- gel berichtet später von Kontakten schloss im Frühjahr, die Patenschaft für fast völlig von den Faschisten umzingelt – (1904-1985) aus. Zinsser betrieb ab 1934 nister, landet um 13.37 Uhr vor der Ehren- Stumpffs zur „Bruderschaft“ um den Ham- das Ehrenmal zu übernehmen und wird es schrieb Trautloft in sein Tagebuch: „Der mit einem Kompagnon ein Architekturbü- tribüne mit einem Hubschrauber. Kamm- burger Ex-Gauleiter Karl Kaufmann, einer in Zukunft für rund 20 000 Euro im Jahr erste Schnee … Noch vor einer Woche hät- ro in Berlin. Für den NS-Reichsbund der huber begrüßt die Gäste, wobei er „die al- Nazi-Untergrundorganisation. pflegen lassen.