Editorial 489..489

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Editorial 489..489 W. Niebling Den Nummern einen Namen geben ¼ Editorial Nicht weit entfernt von meinem das Anatomische Institut nach Straûburg transportiert. Bedingt Wohnort, in Schönenbach am durch die Kriegslage, Straûburg wurde im November 1944 von den Schluchsee wurde wenige Wo- Alliierten befreit, wurde der ursprüngliche Plan nicht weiter verfolgt chen nach Kriegsende der damals und die Abteilung von August Hirt nach Tübingen verlagert. Zuvor 47-jährige Arzt August Hirt in ei- begannen Hirts Helfer die verräterischen Leichen unkenntlich zu ma- nem Waldstück tot aufgefunden. chen. Nach dem Krieg wurden die sterblichen Überreste der Ermor- Er hatte sich mit einer Pistole ins deten in einem Massengrab beigesetzt ± namenlose Opfer eines un- Herzgeschossen. In den Wirren menschlichen Verbrechens. Sie wären namenlos geblieben, hätte der letzten Kriegsmonate war er, nicht der Apotheker Henry Henrypierre, ein damaliger Mitarbeiter aus Tübingen kommend auf ei- am Institut, die Nummern auf dem linken Unterarm der Opfer heim- nem Bauernhof untergetaucht. lich abgeschrieben und sie bei sich aufbewahrt. Es ist das Verdienst Die Besitzer fühlten sich ihm ver- des Tübinger Historikers und Journalisten Hans-Joachim Lang nach pflichtet, hatte er doch kurzzuvor jahrelangen und mühevollen Recherchen in den Archiven des deren Tochter mit einer Notope- Washingtoner Holocaust-Museum, von Auschwitzund Yad Vashem, ration vor dem vermeintlich si- die KZ-Nummern in Namen transponiert, den Opfern eine Identität, cheren Erstickungstod bewahrt. ihnen ein Gesicht gegeben zu haben: Frank Sachnowitz, ein 17-jähri- Wenige Tage später fand auf dem ger Junge aus Norwegen, Harri Bober, ein damals 20 Jahre alter Berli- benachbarten Friedhof von Grafenhausen das Begräbnis statt. Der ner oder die 1920 in Thessaloniki geborene Nina Sustiel, um nur eini- 489 Grabstein auf der Parzelle 27 ist längst abgeräumt und damit der ge zu nennen [1]. Mantel des Vergessens über diesen Vorgang gebreitet ± könnte man meinen. In einer bemerkenswerten Gedenkveranstaltung am 7. November d.J. im Berliner Centrum Judaicum, der früheren Berliner Synagoge ha- Wer war dieser August Hirt? Nach Zwischenstationen in Greifswald ben die Vertreter unserer verfassten ¾rzteschaft unmissverständlich, und Frankfurt war er 1941 auf den Lehrstuhl für Anatomie der so ge- eindeutig und klar die Verstrickung und Mitschuld der deutschen nannten Reichsuniversität Straûburg im Elsaû berufen worden. ¾rzteschaft an den Verbrechen der NS-Zeit zum Ausdruck gebracht Schon früh ein überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen und die Familien der Opfer um Vergebung gebeten ± ein dankens- Rassenideologie, stellte er sich in den Dienst der SS-Wissenschafts- wertes Signal um die Erinnerung lebendig zu halten. organisation ¹Ahnenerbeª. Diese unterstützte das Vorhaben des Straûburger Professors eine ¹jüdische Schädel- und Skelettsamm- PS: Das Landgericht Frankfurt verurteilte 1970 Bruno Beger wegen lungª aufzubauen, am Anatomischen Institut der Reichsuniversität Beihilfe zu 86fachem Mord zur Mindeststrafe von drei Jahren. Inter- auszustellen und der Forschung in künftigen ¹judenfreienª Zeiten nierungszeit und Untersuchungshaft wurden angerechnet und der zur Verfügung zu stellen. Was dann folgte war ein bizarres und grau- Strafrest wegen ¹guter Lebensführungª erlassen. Hans Fleischhacker enhaftes Verbrechen. Im Konzentrationslager Auschwitz von zwei wurde freigesprochen und konnte seine wissenschaftliche Tätigkeit Mitarbeitern der Organisation ¹Ahnenerbeª, den Anthropologen Dr. an der dortigen Universität fortsetzen. Bruno Beger aus München und Dr. Hans Fleischhacker aus Tübingen selektiert, wurden im Sommer 1943 die Opfer, 29 Frauen und 57 Männer in das in den Vogesen gelegene Lager Natzweiler depor- Literatur tiert. Zwischen dem 11. und 19. August 1943 wurden sie in einer klei- nen Gaskammer auf dem benachbarten Gut Struthof vom Lagerkom- 1 Lang H-J. Die Namen der Nummern. Hofmann und Campe, Hamburg mandanten Kramer ermordet und in den anschlieûenden Nächten in 2004 n Korrespondenzadresse Prof. Dr. Wilhelm Niebling ´ Facharzt für Allgemeinmedizin, Lehrbereich Allgemeinmedizin ´ Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ´ Schwarzwaldstraûe 69 ´ 79822 Titisee-Neustadt ´ E-mail: [email protected] Bibliografie Z Allg Med 2004; 80: 489 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ´ New York DOI 10.1055/s-2004-836230 ISSN 0014-336251.
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