Antike Beobachtungen Farbiger Sterne
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Abhandlungen der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften Philosophisch - philologische und historische Klasse XXX. Band, 1. Abhandlung Antike Beobachtungen farbiger Sterne von Franz Boll Mit einem Beitrag von Carl Bezold , Vorgelegt am 1. Juli 1916 München 1916 Verlag der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften in Kommission des G. Franz'schen Verlags (J. Roth) ,. j / Einleitung. Die Geschichte der antiken Astronomie beruhte bis gegen den Ausgang des vorigen Jahrhunderts auf einer Anzahl von griechischen und einigen römischen Schriftstellern, unter denen Claudius Ptolemäus mit seiner "GroElen Syntaxis" als der letzten und um- fassendsten Kodifizierung des antiken Wissens vom Sternhimmel den ersten Platz einnimmt. Auf dem Almagest fuElten einst Delambre und fast drei Menschenalter später Tannery bei ihren Gesamtdarstellungen 1). Es ist klar, daEl mit diesen Quellen auch eine ganz bestimmte Auswahl und Abgrenzung des Stoffes notwendig gegeben war. Nur neues Material konnte aus diesem Bann herausführen. Das hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten aus zwei verschiedenen Quellen unerwartet reich eingestellt. Die babylonischen 'rafein, so sporadisch sie immer noch geblieben sind, und so schwierig oft ihre Verwertung ist, geben gute Hoffnung, einmal zu einer von vorgefaElter Meinung nach beiden Seiten unabhängigen Vorstellung von den sachlichen Unterlagen des ionischen Weltbildes im 6. und 5. Jahr- hundert zu gelangen; und die Erforschung der griechischen astrologischen Handschriften, deren überwiegender Teil zum Glück vor Kriegsbeginn erledigt wurde, wirft nicht nur auf die vielfach einförmigen, aber geschichtlich deswegen nicht minder wichtigen Grund- lagen und Anschauungen der Astrologie neues Licht: vielmehr liegt es in der Natur dieser von religiöser Empfindungsweise durchdrungenen Wissenschaft, daEl sie viel zäher als die vorwärts drängende mathematisch-astronomische Forschung am Alten festhält und deshalb verschüttete Tatsachen und Vorstellungen immer wieder unvermutet auftauchen läElt, aus , denen nun auch auf längst bekannte und gedruckte, aber seit langem von niemand mehr beachtete Texte neues Licht fällt. Das vulgäre Zauberwesen bleibt ewig gleich schal und unergiebig. Die Astrologie, der man mit dem Generalnenner Aberglaube nicht gerecht wird, ist von anderer Art. Sie entstammt nicht der dumpfen Beschränktheit von Urzeiten oder primitiven Völkern; sie hat den Blick ihrer Gläubigen empor gerichtet und trägt das Streben nach einem groElen Weltbild als Trieb oder als Frucht in sich. Das ist die Ursache, warum ihre Dokumente nicht, wie etwa die Zauberpapyri, nur in die gährende religiöse Bewegung der Zeit, sondern auch in die Entwicklung wissenschaftlicher Gedanken einen Einblick gewähren, der uns sonst nicht mehr möglich ist. Die hier vorgelegte Abhandlung gibt ein aus solchen Quellen erschlossenes und bisher unbekanntes Kapitel der antiken Astronomie; der beobachtenden, nicht der rechnenden. 1) Delambre, Histoire de l'Astl'onomie ancienne, Paris 1817; Tannery, Recherehes sur l'Histoire de l'Astronomie ancienne, Paris 1893. HセM\@ .. 1* ,i :::i'· ᄋGセエZGᄋ@ .- 4 Cardanus und wohl auch aus andern Quellen das Material in vollem Umfang weiter gegeben; Ich darf diese Dinge nahezu als "nulli memorata priorum" bezeichnen, mit besserem Recht aber kein Hinweis mehr vermittelt, so viel ich sehe, das Verständnis dieser nur mehr als als einst Manilius. Ich bin so kühn, aus meiner Entdeckung sogar für die moderne Ausgeburt astrologischer Willkür erscheinenden Parallelen zwischen Fixsternen und Planeten. Astronomie einen Gewinn zu erhoffen; vorausgesetzt, daß sie durch die fremdartige und So ist es ォセNゥョ@ Wunder, daß die Aufklärung mit der Astrologie auch diese Reste alter und leider auch mancherlei Unklarheit mit sich bringende mythische Ausdrucksweise dieser wertvoller Uberlieferung vollends über Bord geworfen hat. Und doch ist gerade hier die alten Fachgenossen sich nicht abschrecken läßt. Möglichkeit gegeben, den Weg der Geschichte ein gutes Stück zurückzuwandern und aus In meinem Artikel über die Fixsterne in dem 1909 erschienenen 12. Halbband von anscheinendem Unsinn wieder Vernunft aufleuchten zu sehen durch den Einblick in bedeut- Wissowas Realenzyklopädie gab ich Spalte 2420 ff. eine kurze Zusammenstellung der antiken same reale Grundlagen jener freilich unzulänglichen antiken Kosmophysik, die ich vor Fixsternkataloge 1), mit der Bemerkung, daß ich diese an anderer Stelle genau zu unter- mehr als zwanzig Jahren in der Astrologie des Ptolemaios nachgewiesen habe 1). suchen hoffe. Eine solche Wiederherstellung alles dessen, was wir von antiken Fixstern- セゥ・@ Aufgabe einer Erläuterung jenes Sternverzeichnisses wurde für mich dringend, katalogen noch besitzen, habe ich seither bei der von ュセゥョ・ュ@ fイ・オョセ・@ cセイャ@ b・コセャ、@ und als mIr Bezold am 21. Februar 1914 die Listen zweier rätselhafter Stern gruppen der mir fortO"esetzt geübten vergleichenden Betrachtung babylomscher und gnechlscher HImmels- babylonischen Astronomie, die der Tikpi- und Lumasi-Sterne, übergab. Als ich am 24. kunde セウ@ ein wahres Bedürfnis empfunden 2). Ich beginne die Arbeit heute mit dem am dazu kam, einen Blick auf diese Listen zu werfen, die seit 40 Jahren unverstanden wenigsten beachteten, aber bedeutsamsten セエ」ォ@ unter diesen vN・イコ・セ」ィョゥウウ・ョN@ . dセョ@ ver- geblieben oder voreilig mißdeutet worden waren, konnte ich aus jenem Ptolemaios-Kapitel hüllten Grundgedanken dieses vergessenen FIxsternkatalogs, der SiCh m PtolemalOs t・エイセᆳ sogleich die überraschend einfache Aufklärung ihres Sinnes geben. Man wird sie im biblos findet, habe ich schon in meiner Sphaera (1903), S. 76, 4 noch ohne Kenntms VIII. Kapitel dieser Abhandlung finden: was die neu erschlossene - und tatsächlich auch irgend welcher Vorgänger zutreffend erklärt 3). V orher hatte, wie ich erst viel später erst auf Grund meiner Textrezension verwertbare - griechische Quelle weiterhin für die fand, nur der Astronom Argelander - in einer beiläufigen Bemerkung zu Alexander Erkenntnis der babylonischen Astronomie und Astrologie, vor allem für das in seiner von Humboldts Kosmos 4) - über den Sinn dieses Stern verzeichnisses eine Vorstellung unverständlichen Seltsamkeit bisher so quälende Vertauschen von Planeten- und Fixstern- und zwar die richtige O"eäußert; wie weit entfernt er aber davon blieb, die Konsequenzen o . namen im Babylonischen, zu leisten vermag, haben Bezold und ich ebenda und in seiner Einsicht zu ziehen, zeigt die sich anschließende Bemerkung Humboldts selbst mIt Kapitel IX gezeigt. aller Deutlichkeit 5). 1914 hat Franz X. Kugler in einem Einzelfall einmal die richtige Ich gebe zunächst eine kritische Ausgabe des Ptolemaios-Textes nach der mir bisher Erkenntnis mit sicherem Scharfblick verwendet 6). Entschwunden war das Verständnis für zugänglichen, völlig ausreichenden handschriftlichen Überlieferung. Es ist manches Jahr die hier überlieferte Lehre schon mit dem beginnenden Verfall der Astrologie. Noch verflossen, seitdem ich dank der Unterstützung der Münchener Akademie die Vorarbeiten Hieronymus Cardanus hatte diese Fragen mit der Sicherheit ungestörter tイセセゥエゥッョ@ behandelt 7). zu einer kritischen Ausgabe der Tetrabiblos auf meiner ersten italienischen Reise begonnen Aber schon Scaliger, Cardanus' Bekämpfer, läßt hier die gewohnte Uberlegenheit ver- habe; und ich bin auch jetzt vom AbschlUß noch ein weiteres Stück entfernt, als mir bei missen 8), und in Bayers Uranometrie, dem ersten modernen Stern atlas (1603), ist zwar aus den Zeitumständen lieb ist. Aber wenn es richtig ist, daß niemand wagen sollte, einen Text herauszugeben, der nicht auch in der Lage ist, ihn durchgreifend zu erläutern, so 1) Ich füge jetzt (aufler den gelegentlichen Erwähnungen in den Aratscholien und den übrigen läßt sich aus dem hier vorliegenden Kommentar zu einigen Abschnitten der Tetrabiblos astronomischen Schriftstellern, die natürlich alle gesammelt werden müssen) noch die Verzeichnisse nach Hipparch und Odapsos, die sich bei Hephaestio Theb. I, 1 finden, hinzu; ferner Tetrabiblos 11, 12, aus- entnehmen, wie mannigfach die Voraussetzungen zu einem Verständnis sind, das den geschrieben ebenda von Hephaestio. .'. .. Theorien des einst so hochgepriesenen, dann so lange nur verachteten Buches den Charakter 2) Da die Benennung der Sterne nach den KörperteIlen der SternbIldfiguren, zu denen SIe gehoren, von unfruchtbaren Kuriositäten nimmt und ihnen ihren einstigen guten Sinn zurückgibt. nicht erst griechisch, sondern ebenso babylonisch wie ägyptisch ist (vgl. Sphaera, S. 182 ff.), . so wird Die Entdeckungen, die ich im folgenden mitzuteilen habe, sind g r i e chi s ehe m eine genaue Feststellung dieser Bezeichnungen und ihres Wandels im einzelnen von Eudoxos bIs Theon Material abgewonnen, dessen steter großer Vorzug die sprachliche Unzweideutigkeit und unbedingt nötig (ein Anfang dazu bei Windisch, De Perseo, Diss. Lips. 1902, p. 14-43). 3} Vgl. auch einige Hinweise in meinem oben genannten Artikel bei Wissowa Sp. 2415. fast immer auch die Möglichkeit sicherer Datierung, mindestens des terminus ante quem, 4) IU 205; danach K. Riel, die Sternenwelt in ihrer ァ・ウ」ィゥ」ィエャゥ」ィ・セ@ Entfaltung.I (1866), セN@ 2.25 ff. bleibt. Aber, wie ich von vornherein bemerken will, nicht griechische Astronomie, sondern Es gehört zu den bei dem ersten Versuch einer Synthese der astrologlschen Lehren unvermeIdlIchen vielmehr babylonische ist es, deren grundlegende Beobachtungen nun auf einem völlig Mängeln von Bouche-Leclercqs bewunderungswürdigem Buche ,1'Astrologie Grecque' (Paris 1899), dafl er unbeachtet gebliebenen