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URAUFFOHRUNGEN

Ktinstlerische Botschaft Israels demonsi~ierend die Stadt,· und z~lsch~n dies~n Szenen untersu­ josef Tals «josef» in chen ein Polizeioffizier und ein Doktor das Phanomen Josef - ie New Israel beendete man denkt an Wozzeck. Paul Dihre erste festliche Saison im Stein bergs Buhnenbilder waren in neuen Opernhaus mit der Urauf­ ihrer Phantastik der Einfalle und fi.ihrung von «Josef», einer Oper Farbe ein integraler Teil der dra­ von Josef Tal nach dem Text von matischen Aktion, nicht weniger Israel Eliraz. Es war ohne Zweifel wichtig als die handelnden Perso­ das bedeutendste Ereignis der ge­ nen. samten Spielzeit der NIO und leitete Orchester hatte eigemlich zur Eroffnung des und Sanger mit absoluter Prazisi­ neuen Hauses im Oktober 1994 on, holte auch feinste Schattierun­ stattfinden miissen, nicht nur als gen und Abtonungen heraus: etwa Paukenschlag, sondern auch als bei Schlagzeugsolisten und Holz­ Hinweis auf die Linie, welche die blasern. Gabi Sadeh muBte als In­ New Israel Opera in Zukunft ein­ terpret der Titelpartie vom ersten zuschLgen ged!'nkt. Dam.als _w;~­ bis zum letzten Augenblick auf ren auch Nachrichtenmedien und der Biihne sein. Obwoh! er als Kritiker a us aller Welt anwesend, Gabi Sadeh in der Titelpartie von Biihnenerscheinup.g etwas die kiinstlerische Botschaft lsraels Tals «Josef». Foto Haramaty schwerfallig wirkte, waren seine ware deutlich verki.indet worden. sangerische Leistung und die In- Dennoch ist das, was wir erst jetzt terpretation der Partie superb. erlebten, nicht hoch genug zu tender Leiter der Kreditabteilun·g Linda Pavelka, von zerbrechlicher schatzen: Fiir lsraels Opernleben einer Bank werden soli. Die Ge·- Personlichkeit, verkorpert als Jo­ bedeutet «Josef» ein wirkliches schichte spielt sic.h irgendwo in sefs Freundin Lena eine Frau, de­ Fest. Israel hat ja viele Jahre lang Mitteleuropa ab, einen Monat vor ren starkes Gefi.ihl Josef vor sich unter dem Mangel an eigenen Ausbruch des ersten Weltkriegs; selbst retten konnte. Monte Jaffe Opern auf seinen Biihnen gelitten die Oper schlidh mit dem Attentat als Vater und Robin Weisel-Cap­ - zufalligerweise wird in diesem von Sarajevo- jedermann wird Sol- souto als Mutter zeichneten Kaf­ Jahr die erste je geschriebene isra­ dat. kaeske Charaktere, die sich neuen elische Oper, «Dan Ha-Shomer» Josef Tals Musik ist am besten als Stromungen verschlief~en und das (Dan, der Wachter) von Mark La­ Hommage a Alban Berg zu be- alte System aufrechterhalten sol­ vri nach einem Text von Max schreiben. Tal, der im September len. In kleineren Roll en waren Ya­ Brod, funfzig Jahre alt. Seit dieser fi.infundachtzig Jahre alt wird, war ron Windmi.iller (Doktor) und Zeit kamen in Israel bloB zwei an­ Pionier vieler Stile und kehrt jetzt, Vladimir Braun (Offizier) als Bo­ dere israelische Opern heraus: nachdem er den Kreis ausgeschrit- sewichter brillant, wahrend Yev­ «Alexandra» von Menahmen Avi­ ten hat, zuriick zu Techniken, die geny Shapovaiov (Rubi, Josefs dom und Aharon Ashman sowie eher etwas mit der Handlungszeit Schwager), Sharon Rostorff (Frie­ «Massada 967» von Josef Tal und der Oper zu tun haben als mit den da, Josefs Schwe~ter) und Denis Israel Eliraz, den Autoren von Neunziger Jahren. Sprechgesang Sedov (Max, stellv. Bankdirektor) •Josef». Wohl schrieben israeli­ diktiert das Werk; die Orchestrie- etwas uberagierten. Alles in allem sche Komponisten weitere Buh­ rung i~T-eher--fragfi"ieiltiirisch- und-- -aber ein kronender Erfr,lg - das nenwerke, aber diese wurden an­ diem quasi als Code fi.ir die jeweili- beste Geschenk, das sich die Isra­ derswo produziert. «Josef,, mar­ gen Charaktere und Situationen. eli Opera zum zehnten Gebuns­ kiert nun einen Schritt in die rich­ Tal bleibt stets einem Code treu, er- tag machen konnte. tige Richtung. hebt sich nicht i.iber den Text, son- Stephen Arnold Der Protagonist Josef stellt auch dern betrachtet die Musik als Teil die Hauptfrage dieses Werks: eines Ganzen von Text/Musik/In­ - TAL: JOSEF. Urauffiihrung «Gehort das Leben, das ich lebe, szenierung/Bi.ihnenbild/Kostiime/ am 27. Juni 1995. Musi~alische Lei­ wirklich mir?» Eliraz benutzt fiir Bewegung/Licht. Regisseur David tung: Gary Bertini, Inszenierung: Da­ sein Libretto Texte aus Franz Kaf­ Alden cntschicd sich fi.ir cine vid Alden, Biihnenbild: Paul Stein­ kas «Metamorphosen» und aus durchgehende surrealistische Les­ berg, Kostiime: Gabriel Barry, Licht: der Bibel. Josef wacht an seinem art: Er eliminierte bewuBt die Niv Sadeh. Solistcn: Gabi Sadeh dreiBigsten Geburtstag auf und Grenzen zwischen Realitat und Qosef), Linda Pavelka (Lena), Monte will nicht p1ehr weiterleben. Er Alptraum. Den ganzen Abend lang Jaffe Qosefs Vater), Robin Weisel­ will nicht mit seiner Familie fri.ih­ herrscht die gespannte Atmosphare Capsouto Qosefs Mutter), Yaron sti.icken, will seine Lena nicht se­ des sich ankiindigenden Uberle­ Windmiiller (Doktor), Vladimir hen, mit der er seit sieben Jahren benskampfs: Alles Individuelle ist Braun (Offizier), Yevgeny Shapo­ befreundet ist, will nicht zur Ar­ i.iberschattet vom kommenden vaiov (Rubi), Sh01ron Rostorff (Frie­ beit gehen, wo er doch stellvertre- groBen Krieg. Fliichtlinge fiillen da), Denis Sedov (Max).

49 "oseJ'' .. ·.. ·.···· ...... ·.··. ·.· .. Di~ letzte ·oper die~er ·spielsaison>staltlmt· aus der j?e(lerdf!.s ~s"' raeli~chen .•.. Komponisten ·Josef Tal .(Libret~o:Jsr~el ... :l£1ira_z})Uncl \VUrde am 1. Juh in der Neuenlsraelischen Oper mit gJ;o8em Jtr'" folg tiraufgefiihrt.

Dieser Erfolg isf n;C"ht unverdient. "Josef11 ist eine zeitg~n~$si,. sche Oper, der es gelingt, imStil. des 1redtative>' {begl~it~tt:r sprechartiger Gesang) eine packende und niemaJs nach~~~e,n,~e Dramatikzu erreichen, die trotz ihrer immensen Dich~e inrersten Teil auch noch den zweiten Part dieses Werkes spannu9gsv()ll nachvollziehen Hi8t. GroRen Anteil daran mag aucb die hervorra­ g·ende Biihnengestaltung gehabt haben (Biihnenbild: Paul Stein,~ berg, Kostiime: Gabriel Berry, Licht: Niv Sadeh, Cboreografie: Sally-Anne Friedland), die sich mit dem musikalischen Flu6 inei­ nem nahezu nahtlos mutierenden Szenenablauf verband~·Sinnfal­ lig eingesetzte Schattenwirkungen, die Plastizitat des Geschebens unterstreichende Lichtfarbengestaltun~ und die sebr okonomi:. sche und wirkungsvolle Durchorganisation der Biihnenrequisiten waren vor allem dafiir maRgeblich. Die traumwandlerisch anmutende Einheit der musikalischen und bildnerischen Elemente hatte natiirlich ihren Gnind: Eille nahezu psychotische Bestandsaufnahme- das Traumprotoko~lc:Jes 30-jahrigen Sohnes einer Jtidischen Familie. kur~ v()r t\.v.st,rucb des 1. Weltkrieges wurde erzahlt, das ~lbsfdie vermeintlicb (riJ!c:l D.IJcb sogemeinten) 'wirklichen ,. Familie.n-S~~Ilell c:l~$ ~t9Q'~$1l~.lj, mit ilrden Strudel der surrealistiscbel1. Rellexe hineinri8.

DaB das ganze .dennoch nicht zu einem btinten Flickell.t¢f!pic~ assoziativer Verkniipfungen geriet, macht einen gro6e11 ·l'e•l c:J~r Leistung dieser Oper aus. So HeR sicbvielmehr ein~ gewiss~ Dumpfheit und ·Bedrtickung atismaciJ.en, ··diesit:h wie eil) t\.!b. sch'\Ver iiber das .ganze leg~~ fin~ ~~le ~eg~be~heit~~ 9~~~~~ im 'Jrt}um· c:Jurchlebten ·Idenbtatsknse ·c:Jes Y9P· ~~I.D~Q eigeO«lll Btl· defn gejagten ij:gl~en ii)Imerstiitker Jj:llf¢is¢tJ!¢Ji J{la!fil)ler ~u v.rq~c.,ijejJenschi¢n. J)et iph~ltU <····· --~•~'------'---- -•••••- ---~---- ~------~~-·--· -· ••_ .... _ -C--'---·-· ---~ Jeder Musikfreund, jeder Opernliebhaber muR von der Urauffiihrung der israetischen Original-Komposition "Josef', der Oper des Kom~ni­ sten Josef Tal und des Dichters Israel Eliras hingerissen sein. Es istdies d'erselteiit F'an, da8 eine neue und moderne Oper auf einen kongenialen Dirigenten (Gary Bertini) trifft, der sie versteht und Orchester wie San­ ger (alles Israelis) zu Hochstleistungen ftihrt. Das ist eine Auffiihrung, die auch eines der gro8en Opernhauser der Welt nicht beschamen wiirde, um die Kritikerin des "Maariv" zu zitieren. Im Gegensatz zu den meisten Opern im klassischen Repertoire ist "Jo­ ser' auch bedeutendes Theater und iibertragt die Seelenqualen seines kafkaesken Heiden, Josef, in eine Sprache, die gleichzeitig universal und modernist. Eine Clique von giftigen Journalisten und Funktionaren von Ganse­ bliimchen-Hohe tut alles in ihren Kraften Stehende, um die israelische Oper unterzukriegen. Die Antwort liegt in der gegenwartigen Auffiih­ rung. (Ubers. v. A.S.) (Anm, d. Red. Siehe auch Kritik auf S.8.)

ISR.!\El 1\!ACHRICHTEN I'' :/ f/·- /Medien Freitag, 25. Oktober 1996 I 9 GroBe Oper aus Israel am Rostocker Volkstheater Komponist Josef Tal bereitet europaische Erstauffiihrung vor Von ANDREAS WACZKAT Rostock (OZ) Seine Iangen, schma­ len Hande erlautem jedes seiner Worte, wahrend seine wachen Au­ gen den Gesprachspartner fixieren. Gem und ausfiihrlich spricht der is­ raelische Komponist Josef Tal uber M usik, uber Beethoven vor allem, und er spricht in einer herzerfri­ schenden Weise bescheiden und freundlich, undogmatisch und often. Man merkt jedem seiner Gedanken an, da13 er sie vielfach durchdacht, auch verworfen und ande~ wieder neu gedacht hat. Am 2. November wird das Rostok­ ker Volkstheater mit Tals Oper .,Jo­ sef" zum e~ten Mal seit langerer Zeit wieder mit der E~tauffiihrung Oer Komponist Josef Tal (r.) und Regisseur Manfred Straube bei Proben zuTals einer groBen zeitgenassischen Oper Oper .Josef" am Volkstheater. Foto: Oorit Gatjen von sich haren lassen. Sie ist als Nicht endgiiltig allerdings: der Pro­ bereits als instrumentale Musik aus Auftragswerk der Neuen Israel-Oper phet ist einsichtig und wird gerettet. sich heraus, auch ohne den Text in entstanden und im vergangenen Seinen symbolischen Doppelganger der Oper, einen dramatischen Gehalt Jahr in Tel Aviv uraufgefiihrt wor­ in der Oper ereilt ein anderes hat, hat Tal sich zum ~orbild genom- den. In Rostock folgt nun die Euro­ Schicksal, auf dessen Deutung durch men. : paische Erstauffuhrung in einer In­ die Inszenierung man gespannt sein Konsequenzen ziqht er daraus in szenierung von Manfred Straube, darf. der klaren Struktt~t seiner Werke, dem Intendanten des Volkstheate~. Die Motive und Stoffe der hebrai­ dramaturgisch prazisen formalen Das Libretto von Israel Eliraz, Tals schen Bibel ziehen sich wie ein roter Vo~tellungen, geschickt inszenier­ bevorzugtem Librettisten, erzahlt die Faden durch Tals Schaffen, nicht nur ten Akzenten, aber auch in der har­ Geschichte eines Josef Hermann, durch seine inzwischen neun Opem. monischen Sprache. Die Unte~chei­ der in der Nacht zu seinem 30. Ge­ Tal wurde 1910 in der Nahe von dung von Konsonsanz und Disso­ burtstag einen visionaren Alptraum Poznan geboren. Nach Studien an nanz ist fur ihn von untergeordneter hat. Er wird vor einer schrecklichen der Berliner Hochschule fiir Musik Bedeutung. Beides steht nur fur un­ Tragadie gewamt, die seinen gesam­ verlieB er Deutschland 1934 und lebt te~chiedliche Stufen von Energie, ten Kontinent bedroht. Doch statt seither in . Zur Vorberei­ die Musik bewegt sich von einer sich seinem Schicksal zu stellen, tung der E~tauffuhrung von .,Josef" Spannungsebene zur nachsten. Dem steigt Josef aus, verweigert sich der in Rostock ist Tal seit einigen Wo­ Dreiklang weicht er dabei keines­ Routine, trennt sich von seiner Ge­ chen zu Gast in der Hansestadt, mit wegs aus. Obwohl Tal die traditio­ liebten, verweigert die Nahrung und der er sich derzeit ohnehin intensiv nelle Dur-Moll-Tonalitat auch in der endet schlieBlich im Irrenhaus. beschii.ftigt: Gemeinsam mit Eliraz Oper .,Josef" zu ve~chiedenen Rich­ Im Libretto verbirgt sich eine Fiille arbeitet der Komponist im Auftrag tungen hin aufgegeben hat, klingt von Anspielungen auf biblische Ge­ des Volkstheate~ an einer neuen vielleicht deswegen seine Musik schichten. Auch der alttestamentli­ Oper, in der es unter Bezugnahme doch nicht vallig unvertraut. che Josef, von seinen Bnidem als auf die auslanderfeindlichen Lich­ Ein guter Musiker, sagt Tal, zeich­ Sklave verkauft, hat visionare Trau­ tenhagener Ausschreitungen von ne sich wie ein guter Mathematiker me. Er sieht, ahnlich seinem Na­ 1992 urn Macht und Ohnmacht von nicht durch seine Antworten aus, mensvetter in der Oper, eine sieben­ Demokratie gehen wird. sondem durch seine Fragen. Es ge­ jahrige Hunge~not voraus, stellt Ober seine eigenen Werke spricht hart zu Tals Konzept einer umfassen­ sich aber erfolgreich seiner Verant­ Josef Tal offenbar gar nicht so geme. den musikalischen Kommunikation, wortung. Die Verweigerungshaltung Noch viel weniger machte er lnter­ mit seiner Musik dem Harer Fragen des Josef Hermann in der Oper spie­ pretationen vorgeben, die den Harer aufzugeben. Denn Antworten, so gelt sich viel eher in der Figur des bereits auf eine Deutung festlegen. kannte man lakomisch erganzen, ha­ biblischen Propheten Jona, der Doch wenn Tal iiber Beethoven refe­ ben die Eigenschaft, Diskussionen ebenfalls von seiner Berufung zu riert, verrat seine Sichtweise vieles vorschnell zu beenden. Premiere ist fliehen ve~ucht und in der Folge im iiber das eigene Schaffen. Das Kon­ am 2. November urn 19.30 Uhr im Bauch eines groBen Fisches landet. zept, eine Musik zu schreiben, die Rostocker Volkstheater. Prof. Josef Tal im Gesprach mit dem lntendanten des Ro· stocker Volkstheaters Manfred Straube Foto: Archiv Historische Figur mit Blick auf modeme Welt Komponist Josef Tal zu seiner Oper ,Josef" Schwerin • Zu den Israelischen dann kann mandarin auch au­ Kulturtagen wird die Oper .Jo­ tobiographische Elemente er­ sef' am 2. November am Yolks­ kennen. Aber ,Josef' ist nicht theater Rostock ihre !'!uropai­ meine Autobiographie. sche Erstauffiihrung habeiL Wrr Frage: Ihre Oper wurde im sprachen mit dem Komponi­ vergangenen Jahr an der New sten, dem 86jiihrigenJosef Tal, erfolg[eich urauf­ der 1934 nach Israel au.Sgewan­ gefiihrt. Mit welchen Gefiihlen dert war. Von 1948 bis 1952 War sehen · Sie · dei :eUriJpiiischen er Direktor der Jerusalemer Mu­ Erstauffiihrung in Deutsch­ sikakademie, seit 1965 ist er Lei­ land, in Rostock entgegen? . ter dermusikalischen Sektion an Tal: Meine Gefiihle unterschei­ der Hebraischen Universitat. den sich jetzt eigentlich nicht Frage: Herr Professor, warum von denen, die ich immer emp­ haben Sie eine Oper ilber die finde, wenn ein Werk von mir biblische Figur Josef des Trau­ gespielt wird. Das ist ganz ge­ mers geschrieben? nauso wie bei meiner ersten Tal: Das Thema hat mich sehr Oper, die in Hamburg uraufge­ interessiert, weil es einerseits ei­ fiihrt und dann in New York nen historischen Bezug hat. Und nachgespielt wurde. Das war weil es andererseits ein ganz ak­ natilrlich sehr verschieden von­ tuelles Problem enthiilt: das Pro­ einander. Aber das bewies mir: blem der jungen Generation von Mein Werk ist eben vieldeutig. heute, das VQr allem durch die Wenn es eindeutig ware, dann Oberschilttung mit Informatio­ wird es sehr schnell vergessen. nen und kurzlebigen Mediener­ Als Besucher bOre ich, daB die eigrussen . ·verschlirft wird. Unterschiede zwischen Ost­ Friiher war es··doch so, daB et­ und Westdeutschland nochsehr was Modernes auch eine gerau­ groB sind. Das ist aber ganz me Zeit modern blieb. Heute natilrlich, so etwas kann nicht geht alles so rasend schnell. Das ilber Nacht verschmelzen. ist - auch intellektuell gesehen - Frage: 1st ,Josef' auch eine keine besonde~ leichte !;age. · · . Auf!orderung ~~-~teinan- · .: .'Frage: Inwiefem hat der Josef der-auskommen? , ;;_,-,,; .. · , : der Oper mit dem Josef Tal des Tal: Das Nicht-mfteinander­ wirklichen Lebens zU. tun? auSkommen-konnen ist kein Tal: Kein Mensch kann ein Patent vom Osten oder Westen , Werk schaffen und 11ich dabei .Deutschlands. Das gibt es Ieider selbst :vOllig ausschlie.Ben. Und in der ganzen Welt. Es gibt doch wenn man sich so ein Men­ kaum eine Ecke ohne Krieg. .schenwerk genau .~anschaut, ..• , (Interview: JilrgenSeidel) ;:;;::.ftd~}'~ ;;,!.t~tfe,;·.;;:· .LETON D/R/S · Mittwoch, 6. November 1996, Nr.

Labyrinthisches Mosaik, zerrissenes Leben Jiidische Phantasmagorien des 20. Jahrhunderts: Josef Tals Oper ,Joser'

Von Hans-Klaus Jungheinrich men, geht an diesem Konflikt schlieBiich !em die Frauen (Josef.'! Mutter, Joe auch physisch zugrunde. Schwester, seine Geliebte), die auch 1 ROSTOCK. Der Komponist Josef Griin­ Der Ausgangspunkt erinnert an Kafkas lyrischen Gesten individualisiert werd thal wurde 1910 bei Posen geboren. Nach Erzihlung Die Verwandlung, die schok­ So ist es nicht nur Josefs GeRchichte, Musikstudien in emigrierte er 1934 kierende BewuBtwerdung stigmatisierter erzihlt wird: Tals Kunst interessiert ~ nach Israel, wo er seinen Namen hebrai­ jiidischer Existenz und die komisch-kata­ ftir viele Menschen, auch fUr die eher ; sierte (Tal ist das hebriische Wort ftir strophische Konsequenz des erkannten gativen (den Offizier, den Arzt, d Tau). Er wirkte entscheidend am Aufbau (phantasmagorisierten und zugleich Vater), die keineswegs bloB als Marion eines isrealischen Musiklebens mit. furchtbar Jealistischen") Ungeziefer­ ten oder Karikaturen gezeichnet sind. • Zusammen mit dem israelischen Schrift­ Status. Im Namen Josefist aber auch der Melodischen sind Einfliisse traditioneli steller und Dramatiker Israel Eliraz biblische Mythos des ausziehenden .Ja­ jiidischer Idiomatik merklich; sie werd (Jahrgang 1936) schrieb er mehrere kobssohnes repriisentiert, hier allerdings eingebettet in eine tiberwiegend atona Opern. Eliraz ist auch Librettist von Tals ohne die erfolgsgektonte Grandeur des multistilistische und {vor allem im Orch jtingster, 1995 in Tel Aviv uraufgefiihrter Thomas Mannsche "Heiden", und bezeich­ stersatz der farcenhaften Szenen sptirba Oper Josef, die jetzt am Volkstheater nenderweise gelingt TaUEliraz' .Josefs· gelegentlich such ans Aleatorische gre Rostock ihre erste europiiische Btihnen­ figur keine Teilhabe am neugegriindeten zende Tonsprache. Von seltsam irisiert? wiedergabe fand. Fur Rostock ist ein wei­ jtidischen Staat-er ist inmitten von Alp­ dem Klangreiz etwa der Abschied Jose teres gemeinsames . musiktheatralisches traumen nur eine jiih auffiackernde und von der Geliebten Lena (anltiBiich ein• (Auftrags-)Werk der Autoren geplant. verloschende .,Milglichkeit", die dem tod­ Picknicks) mit Solobratsche und Sax Josef Tal (seine Lebenserinnerungen lich Verletzten versperrt bleibt; Sha'ar, phon: zart, unredselig, fast ein wenig ir Der Sohn des Rabbiners wurden auch in die Oberschreitung der RealitAt, ein nisch. Deutschland ediert) ist im hohen Alter Schlilsselbegriff dieser Oper: ein Weg nur Das Volkstheater Rostock gehllrte i produktiv wie nie zuvor; in den letzten ftir Stiirkere, Gliicklichere. Josef aber ist der DDR-Zeit (vor allem in den Intenda1 Jahren entstanden zahlreiche groBdimen­ nicht nur eine kafkaeske Sohnesgestalt tenjahren von Anselm Perten) zu dt sionierte Stucke, darunter Opem und (schwach auch gegenilber dem realitAts· namhaftesten ostdeutschen Btihnen. D' Symphonien. Auch der. deutsche Jude tilchtigen Vater), sondem ein Bruder von sorgfliltig vorbereitete Josef-lnszenierun Berthold Goldschmidt (er starb 93jll.hrig Woyzeck, wie dieser ohnmllchtig ange­ konnte seinen guten Ruf emeut best!lt vor wenigen Wochen) hatte ja eine er­ sichts kllrperlicher Gewalt und lebend im gen. Manfred Straube f'tlhrte die Persone staunliche Alterskarriere. Sie grtindete (hellsichtigen) Wahnsinn. aufmerksam, beschrAnkte die phantasmr sich jedoch zumeist auf frllhere Hervor­ An das .offene• Bilchnerdrama erinnert gorische Bilderflut der Visionen auch auf bringungen, vor allem die beiden faszinie­ die formale Disposition der 22 (in zwei durchaus Wesentliche (wobei der Kasu reenden Opem Der gewoltige Hahnrei Akte gegliederten) Miniszenen. Vielfach einer Bildorgie in einer traditionell bilder und Beatrice Cenci. Diese waren verges­ sind es skizzenhafte Bilder aus der feindlichen, · bilderkritischen Kultu sen, weil sie ~~ehlecht in den Avantgarde­ deutsch.jOdischen Realitiit von 1914, durchaus fUr sich !!Chon eine psychisch· Raster hineinpaBten. Tal hingegen arbei­ gleichsam Illustrationen der Kracauer­ Obsession bedeuten muB, ein von de1 tete in Israel auch experimentell und mit schen Angestellten-Sphiire (Vater Jakob Autoren schmerzhaft eingesetztes Schock elektronischen Klangmitteln, ein Ahnlich betreibt ein Knopfgeschllft, Josef arbeitet, element). Hekti~~ehe Dokumentarfilmpro spekulativer, avancierter Kopf wie Stefan ganz kafka-nab, bei einer Bank); dann jektionen markierten ~ukflnftige" Ge Wolpe, der allerdings in den Darmstiidter wieder Kondensate antisemitischer Er­ schichte, wllhrend die biblisch-llgypti Kreisen auch nicht recht ernst genommen fahrung oder Prophetien von Flucht, schen Assoziationen etwas naiv pantomi wurde. Ob "avanciert" oder .,gemABigt" Krieg und Endl6sung. "Modem" ist die misch im Hintergrund absolviert wurden (wie etwa Hans Krass, Pavel Haas, Erwin Aufspaltung der Hauptperson in zwei Beklemmend das mehrmals wiederkeh Schulhoff, Viktor Ullmann oder sogar Biihnengestalten: Josefs "alter ego" ist rende ..Fiilchtlings"-Motiv der mit ihrm Franz Schreker): Die vertriebenen, geiich­ das "Gedanken-Ich", Doppelganger der Koffern ruhelos die BOhne DurchmessPn teten oder ermordeten jiidischen Kompo­ verlorenen "biirgerlichen" Identittlt. Die den. Sie gingen auf unsicherem Boden nisten erfuhren von der deutschen Offent­ Autoren machen es den Rezipienten nicht iiberall grabenartige Offnungrm muhnc lichkeit lange Zeit keinerlei Beachtung. Ieicht. verzichten auf geradlinige "Hand­ Falk van Wangelin); schachtartig durrh Erst in den letzten Jahren hat sich das lung", realisieren ,Josefs "Weg nach un­ brochen such die Wlinde. etwas gelindert. Unreparierbar die von ten" als labyrinthisches Mosaik, Abbild Gerhard Oskamp dirigierte mit Urn den Nazijahren zerrissenen LebensiAufe, zerborstener, zersplitterter Biographien. sicht und dramatischem GespHr. Die Oper das Niedertreten und Auslllschen eines .Josef Tals Musik hat nichts mehr von wurde in der deutschen trbersetzung von immensen ktinstlerischen Begabungspo­ der alles uberwlllbenden (und schlieBiich Magali Zibaso gesungen. Aus dem groBen tentials. vielleicht auch verstihnenden?) symphoni­ SAngerensemble losten sich immer wieder Josef erzlihlt diese Geschichte; die Ge­ schen Beredtheit der Bergschen Wozzeck­ besonders beeindruckend die machtvolle schichte eines Juden im 20. Jahrhundert. Partitur. Tal neigt eher zum Kargen, La­ Stimme von Iwan Popov als Vater Jakoh Die Titelfigur erwacht eines Morgens im konischen, und nur selten werden Szenen und der schlanke, tragfli.hige und scharf Juni 1914, an ihrem 30. Geburtstag, und tiberleitend und "vermittelnd" verbunden; artikulierende Charaktertenor von Chri­ sieht. Josef sieht nicht nur die Schrecken zumeist bricht die Musik jiih 11.b und setzt stoph SpAth als Josef. Ein gednnklich des Ersten Weltkriegs v.oraus, sondern neu an. Die einzelnen Stationen werden komplexes, wirklichkeitstrachtiges mu!!i· auch die spAtere Zukunn: In elner ver· schroff und prilgnant beleuchtet. Bei den kalisches BOhnenwerk wurde mit vid En­ rilckten Welt mil!'leen die Sehenden als Schreckensvtsionen scheut Tal vor auf­ gagement und KISnnerschan vorge!ltellt. VerrUckte gelten. Josef wird unilihig, die trumpfenden Gesten zurilck; mit wenigen Josef Tal, als Op~>rnkomponi!lt in Realitilt des Alltags zu bewAltigen, bricht ~trichen bekommen sie Totentanzcharak· Deutschland elne spllte, eine AufrUttelncle nile l'!ozialen Brilcken ab, lebt als "Schizo­ ter. Vie! Aufmerksamkeit verwendet der Entdeckung. phrener" in Reinen Visionen und Alptrfiu- Komponist auf die Nebenfiguren, vor al- Termint~: 7. und 27. Nor;PmrPr Rostock ~olte Oper Erfolgreiche Erstauffuhru t1.r11. fJG schen Muslkwerkes ,Jose

V ersuch einer Analyse des eigenen Spheiterns Europaische Erstauffiihrung der Oper ,J...... ,.·· ~ ...... Von ANDREAS WACZKAT setzte Riickprojektion hii.tte bier vielleicht bessere Moglicbkeiten er­ Rostock (OZ) Die Oper endet wie sie i)ffnen konnen. beginnt: mit einer Frage. Warum, so mu.B sicb Josef Hermann fragen, bin In seiner Komposition gelingt es icb nicbt in das Tor eingetreten, das Tal iiberzeugend, der dramatiscben mir ·den Weg in eine neue Welt Handlung von der Musik die ent­ offnet? Das offene Tor, es steht als scheidenden Impulse gebi:m zu las­ Sinnbild fur Veranderung und neue sen, groBe Energie ebenso zu ver­ Moglicbkeiten. Es zu durcbscbrei­ mitteln wie tiefe Rube. Unterstiitzt ten, "~rantwortung zu ilbemehmen, von einer abwechslungsreichen, · set• .uerst Eigenaktivitat voraus. iiber weite Strecken fast kammer- .. Diese mag Josef nicht aufbringen, er musikaliscb durchsicbtigen Orche- • wablt den Weg der Verweigerung, strierung, bringt die Musikjede Sze­ des Ausstiegs. Seine abscblie.Bende ne exakt auf den Punkt - eine kon­ Frage jedocb scbeint obne Reue for­ geniale Zusammenarbeit von Tal muliert, eber als Versucb einer und Eliraz. Ein dickes Lob gebiihrt . niicbtemen Analyse des eigenen der Norddeutscben Philbarmonie, · Scbeiterns. Die Oper ,Josef" morali­ die unter der Leitung von Gerard siert nicbt, sie sucbt vielmehr mit Oskamp souveran und klangscbon· einfachen Fragen nacb komplexen die bohen Anforderungen des. Wer­ und iiberzeitlichen Antworten. kes meisterte. Als europiiiscbe Erstauffiibrung Viele der Sanger batten hOrbar batte die Oper ,Josef", komponiert mebr Probleme mit den Scbwierig· von Josef Tal nach einem Libretto keiten des Werkes. HelVorragend von Israel Eliraz, am Samstag im auf seine Rolle als Josef batte sicb Rostocker Volkstheater Premiere. Christoph Spath vorbereitet. Zu kei­ Fiir die Inszenierung zeichnete ner Zeit angestrengt wirkend, begei· · Manfred Straube verantwortlich. sterte er mit seiner warmen und Bereits das Biihnenbild deutet mit leichten Stimme ebenso wie mit sei­ seiner strengen Geometrie auf die nem ausdrucksvollen Spiel. Ausge­ Zwange bin, die· in Josefs Umwelt zeichnet war bei ihm auch die Text­ das Leben reglementieren. Vorgege­ verstandlicbkeit. Leider kam ibm in bene Wege machen ein Ausbrechen dieser Disziplin kein weiterer Akteur un• ~lich, iiberalllauem schwarze nahe, auch wenn die anderen Rollen Ab9 ...nde. Die Inszenierung lebt ansonsten passabel besetzt waren. von diesen ebenso einfacben wie Christine Dammann als Josefs sinnfalligen Bildem. Beeindruckend Freundin Lena wu.Bte ihre verzwei­ die gro.B besetzten Szenen, etwa an felte Verliebtheit dramatisch gut Josefs Arbeitsplatz in der Bank. Das umzusetzen. Iwan Popov verlieb der hektiscbe, docb streng formal geord­ Rolle von Josefs Vater stimmlicb wie nete~Getriehe...erinnerLein-wenig.. an­ -schau3pie}eris-eh- ... , · iibrei

Wieso gerade in Rostock? Urn die Auf­ sef aber tritt nicht hindurch und weiB nicht Die Erscheinung des Tors an Anfang fiihrungsrechte fiir Josef Tals Oper ,Joser' warum. Sein BewuBtsein spaltet sich in Ich und Ende des Stiicks verstarkt seine sym­ hatten sich neben dem Rostocker Yolks­ und Gedanken-Ich. Von da an verweigert bolische Bedeutung. Formal stiitzt sich das theater auch Biihnen in Berlin, Hamburg er die tagliche Routine, seine Arbeit in der ganze Werk darauf wie cine Briicke auf und Miinchen bemiiht. Die Urauffiihrung Bank, jede Nahrungsaufnahme. Traumend zwei Pfeiler. Briicke wie Tor symbolisieren des Zweiakters an der Neuen Israel-Oper in begreift er sich als biblischer Josef. Das die Verbindung zum Jenseits oder zum Un­ Tel Aviv im Juli 1995 hatte Manfred Strau­ sinnlose In-sich-Kreisen der Alltagsrealitat bewuBten, suggerieren die Idee des Glau­ be als Generalintendant des Rostocker nimmt groteske Ziige an, die Josef wieder­ bens oder der Individuation. Die Tragik Theaters besichtigt, der Jose,f Tal wegen ci­ um als Albtraum empfindet. Er kann im­ des Heiden besteht in der Unfahigkeit, cine nes Auftragswerks besuchte. Er gewann mer weniger zwischen Realitat und Traum solche Verbindung herzustellen, obwohl er den Komponisten, zusammen mit dem Li­ unterscheiden. sich danach sehnt. Josef geht an der zersto­ brettisten Israel Eliraz, fiir die kiinstlerische Vergebens versuchen die Mutter und rerischen Sinnlosigkeit seiner Umwelt zu­ Verarbeitung der auslanderfeindlichen Aus­ Schwester Frieda ihn zu verstehen. Vater grunde: ohnmachtiger Hellseher. Niemand schreitungen in Rostock-Lichtenhagen Jakob und Schwager Rubi Ieben fiir das versteht ihn mehr, wei! er jetzt ganz anders 1992. Die Oper mit dem Arbeitstitel ,Ein Geschaft, die Familie, fiir Ordnung und sehen kann. Mit seinem Aussteigen zieht er friedlicher Ort" wird voraussichtlich in der Ehrlichkeit. Das alles stellt Josef mit seinem ein Alarmsignal, letztlich opfert er sich, urn Spielzeit 1998/99 in Rostock unter Straubes Verhalten in Frage. Ein Offizier, der oft in damit den Menschen zu zeigen, daB es so Regie uraufgefiihrt. Bei der ,Joser'-Pre­ den Traumen vorkommt, verfolgt Josef. In nicht weitergehen darf. miere in Tel Aviv erkannte Straube, daB die der Bank, Schauplatz unerbittlicher Biiro­ Wie ein Mahnmal wirkt Josef Tals Oper. Autoren mit diesem Werk gleichsam cine kratie, wird Josefs Kiindigung diktiert. Der Das iiberaus dichte, auf Essenz gebrachte Vorgeschichte zur Auftragsoper erzahlen. Rahmen fiir diese verbissene Ordnung ist Material ruft vielschichtige Verbindungen Nichts lag also naher, als auch die europai­ bereits das Chaos: Am Hafen warten hervor, die stilistisch konsequent schon im sche Erstauffiihrung von ,Joser' der Ro- Fliichtlinge auf die Ausreisepapiere. Josef Titel erscheinen: der Josef des Alten Testa-

Josefs Ich und Gedanken-Ich, im Hintergrund gespiegelt von Kain und Abel: Szene aus Josef Tals Oper ,Josef" in Rostock Foto Dorit Giitjen

stocker Biihne anzuvertrauen. ,Joser' wur­ bricht seine langjahrige Beziehung mit ments, Kafkas Josef K. und nicht zuletzt de als erste israelische Oper in Mecklen­ Lena ab. Bitter enttauscht, entschlieBt sie Josef Tal selbst, der fast dieses ganze Jahr­ burg inszeniert, im Rahmen der ersten is­ sich auszuwandem. Der Arzt, der die Be­ hundert durchlebt und durchlitten hat. Das raelischen Kulturtage in den neuen Bundes­ griffe Gesundheit, Ordnung und berufliche Weltbild des Rabbinersohns ist im Alten landem. Ahnlich wie der Held seiner bril­ Karriere durcheinanderbringt, laBt seinen Testament verwurzelt. Als Kind erlebte Tal lanten Inszenierung erlebte Straube cine Patienten in die geschlossene Abteilung der in seinem Eltemhaus auch Kafka person­ Realitat a Ia Kafka: Nach der erfolgreichen Psychiatric einliefem. Als Josef seine letzten lich. Der Dichter Israel Eliraz ist geiibt in Premiere im Volkstheater sah er sich frist­ Stunden in der Zelle verbringt, erfiillt sich der Zusammenarbeit mit dem Komponi­ los gekiindigt - unter anderem, wei! er sich seine Prophetic: Aile Menschen werden sten (in den Opem ,Ashmedai", ,Massa­ geweigert hatte, vierundzwanzig Stellen im vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges da", ,Die Versuchung" und ,Der Gar­ Theater zu streichen. iiberrascht. Verkapptes Happy-End: Visio­ ten"); seine knappen Satze schweben oft Urn das Verweigem geht es .auch im narsieht Josef die Zukunft seines Volkes in wie Orakelspriiche ratselhaft im Raum. In Stiick: Josef Hermann sieht im Jurti 1914, der Emigration nach Osten, in der Griin­ expressionistischem Tonfall ist der Anfang an seinem 30. Geburtstag, in prophetischen dung cines neuen Staates. Das Gedanken­ des Jahrhunderts evoziert, in organischer Albtraumen die Greuel des Ersten Welt­ Ich totet Josef. Sterbend sieht er wieder das Mischung moderner und biblischer Ele­ kriegs voraus. Er traumt aber auch vom Jor. ~eip.e letzte Frage bleibt offen: ,War­ IJ1ente. Jv1an vernimmt mahl!s:nd die ewige Sha'ar, einem Tor zu einer anderen Welt,· urn bin,ich nicht in meinen Sha'ar eingetre­ "'~trr"e'fozialpsychologigtclfet~~fi'~~t'~ dessen Engel:Wacbh:res fiir ihn offnet. Jo- ten?". " und·politisdier Mechanismen: ! i "t ' r .. 'i. ,c; L-- .r ~·-·frl Die Musik triigt den Text- sie suggeriert Musik und Sprache werden durch Strau­ innere Entwicklungen, Stimmungen und bes Inszenierung kongenial ergiinzt. .Die GefUhle oder interpretiert sensibel die Si­ kiinstlerischen Absichten haben sich in tuation und kommentiert das Geschehen. stiindiger ·Teamarbeit herauskristallisiert Josef Tal verankert seinen Einfallsreichtum mit Josef Tals konstruktiver Mitarbeit keineswegs epigonal in der europiiischen wiihrend der ganzen Probenzeit. Die Aus­ Tradition. Seine Originalitiit zeigt sich nicht stattung Falk von Wangelins ist knapp und zuletzt in der Fiihigkeit, freitonale und mo­ karg, aber suggestiver Bestandteil des dale Elemente logisch und priignant neben~ durchdachten Konzepts. Der Boden liiBt einander wirken zu lassen. ,Joser' klingt nur ~orbestimmte Wege zu; sonst d1ohen weitgehend kammermusikalisch transpa­ Abgninde wie 'Grablocher mit dem Ab­ rent mit plastischen Bliiserkonturen und sturz. Sie dienen auch als Bett oder Biiro­ raffinierten Schlagzeugfarben als Kontrast platz und lassen den Friihstiickstisch oder zu den geschmeidigen Streichern. Tal zeigt den Baum fiir die Freiluftszene im Nu er­ sich als Meister der Orchestration in Ver­ scheinen. Der straffe Rhythmus der Sze­ bindung mit den Stimmen. nenfolge sorgt fiir Uberraschungsmomente Monoton-bedrohliche Streicherpizzicati und Kurzweil. Das stimmt mit der Choreo­ und klappernde Schlagzeugrhythmen illu­ graphie von Roland Giertz iiberein, der strieren die starre Alltagsmechanik in der ~~,,.ooer Bankangestellte ~"liwJe­ Bank. Eine Walzerszene dient als Hinter­ . dc;;rgl.~~lw.»:~weg~~·~SL gleich;)V,ege grund fiir ein Tete-a-tete-Picknick. Aber unterschwellig lauert das Groteske: Schein tJ~~~-t~::u~~~~~ {f!a~~~~~Jg$i~ und Sein sind zweierlei. Eine subtile Kom­ zwei Personen liiBt Straube Kain und Abel bination a us Flote, BaBklarinette,. Violon­ erscheinen: Anspielung auf den ersten cello und Harfe begleitet den Leidensmo­ Mord als Anfang aller Kriege. In den Alb­ nolog der Mutter (ausdrucksstark Donka traumszenen werden Archivaufnahmen aus Lankowa). Josefs Schwester Frieda (sensi­ dem Krieg projiziert. Die Palmzweige der bel Christiane Blumeier) wie auch seine Auswanderer versinnbildlichen die Bewiis­ Freundin Lena (stimmschon Christine serung der Wiiste, aber auch die Gerechten Damman) sind facettenreiche Frauenge­ (Psalm 93,13) und wie in der Antike den stalten. Fast karikiert sind dagegen die Fi­ Sieg. Am En de verwandelt sich der Tor­ guren des Vaters (plastisch dargestellt von wiichter bedr~hlic~ in einen Todesengel, Ivan Popov), des Offiziers (unterhaltsam der an Otto D1x ennnert. Die iiberregional Franz Mewis) und des Arztes (souveriin beachtliche Produktion beeindruckte die Frank Brandau). Vor allem aber beein­ Stadtviiter jedoch keineswegs. Wird dieser druckte die Hauptfigur Josef, dargestellt bemerkenswerte Anfang fiir das Rostocker Theater auch gleich sein Ende sein? v~:m dem lyrischen Tenor Christoph Spath, eme Entdeckung fiir diese Rolle. Neben ANA POPESCU ihm iiberzeugte der talentierte Rostocker Schauspielstuderit Oliver Wars1tz -in. -crer · stummen Rolle des Gedanken-Ich. Der Chor, akkurat vorbereitet von Ulrike Ma­ sopust, unterstreicht am Ende einstimmig und klangdicht den Hohepunkt und ver­ mittelt emotional die Hoffnung. Die Nord­ deutsche Philharmonie Rostock wurde ein­ fiihlsam geleitet von ihrem Chefdirigenten Gerald Oskamp, der Ensemble und Soli­ sten priizise und fein aufeinander abge­ stimmt zu koordinieren verstand und De­ tails deutlich ausformte.