BADISCHE HEIMAT Mein Heimatland 50. Jahrg. 1970, Heft 4

Johann Gottfried Tulla Ein Lebensbild Von Hans G eorg Zier,

Der Züricher Professor für Hydraulik, der Universität (Technische Hochschule) Wasserbau und Grundbau Gerold Schmitter Karlsruhe anläßlich der 200jährigen Wieder­ erwähnt in seiner Abschiedsvorlesung vom kehr von Tullas Geburt in Karlsruhe ver­ 18. Februar 1970 „Der Wasserbau: gestern, anstalteten Symposiums, an anderer Stelle2) heute, morgen“ als große flußbauliche Auf­ aus der Feder von Karl Knäble, der durch gaben in Europa vier Unternehmen: Die Jahre hindurch Präsident der Wasser- und Korrektion der Linth und deren Einleitung Schiffahrtsdirektion Freiburg und damit in den Walensee (1808—1822), die Korrek­ in gewisser Hinsicht Nachfolger Tullas war. tion des Oberrheins (1817—1874) sowie die Nur in gewisser Hinsicht ist der Präsident 1. und 2. Juragewässerkorrektion (die erste der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Amts­ 1878 beendet, die zweite zur Zeit ihrem nachfolger Tullas, denn viele Gebiete, die Ende entgegengehend)1). Linthkorrektion Tulla allein bearbeitete, sind heute eigenen und Rheinkorrektion sind einem Mann zu Fachbehörden übertragen, man denke neben verdanken: Johann Gottfried Tulla, ge­ dem Straßenbau nur an die Vermessung, boren in Karlsruhe am 20. März 1770, an die Wetterbeobachtung und an das gestorben in am 27. März 1828. technische Unterrichts wesen. Wenn man derartige Überlegungen anstellt, wird so­ Tullas Werk fort klar, wie umfänglich das Werk Tullas Tulla wird in erster Linie als der Schöpfer war und welche Schwierigkeiten er, der als der Korrektion des Oberrheins angesehen, einer der ersten die Vorarbeiten leistete, zu weithin unbekannt ist aber, daß er sich überwinden hatte. Gleichzeitig wird deut­ auch große Verdienste auf den Gebieten lich, wie umfangreich die Gebiete des täg­ des Straßen- und Brückenbaues erwarb. Er lichen Lebens, die von der Technik be­ ist der Schöpfer einer einheitlichen Ver­ einflußt werden, geworden sind. messung des Großherzogtums Baden und Frühzeitig hat man begonnen, in der hat im Auftrag der Regierung alle in das Öffentlichkeit und in der Wissenschaft über Ingenieurfach einschlagenden Fragen der Tullas Wirken zu diskutieren. Ob dies staatlichen Gewerbebetriebe bearbeitet. Die immer mit der nötigen Sachkunde ge­ Ausbildung der Ingenieure war ihm Her­ schehen ist, kann hier nicht entschieden zensanliegen, mit besonderem Stolz zählt werden. Immerhin kam es 1964 so weit, die Technische Hochschule Karlsruhe ihn daß der damalige Leiter der Landesstelle zu ihren Gründern. Eine Aufzählung aller für Gewässerkunde in Karlsruhe, Herbert Arbeiten Tullas findet sich, als Frucht eines Schwarzmann, die Frage beantworten muß­ zu Ehren Tullas im Frühsommer 1970 von te: „War die Tulla’sche Oberrheinkorrek­

25 Badische Ileimat 1970 379 tion eine Fehlleistung im Hinblick auf ihre sammenhang der badischen, der deutschen Auswirkungen ?“ Eine Frage, die H. und der europäischen Geschichte zu schil­ Schwarzmann aus seiner Kenntnis der dern. Hierbei braucht der Schilderung der Zusammenhänge rundaus verneint hat3). Oberrheinkorrektion, der Landesvermes­ Man hat auch frühzeitig begonnen, Tullas sung, des Straßen- und Brückenbaus viel Wirken vom Fachlichen her zu beschreiben, weniger Raum gegeben werden als der was naturgemäß in erster Linie durch Schilderung von Tullas ersten Mannes­ Tullas Fachgenossen und Nachfolger im jahren, da sich hier die Grundlagen dieses Amt geschah. Lohnt es sich, nachdem ein Lebens finden. Architekt (Arthur Valdenaire, 1928), ein Wasserbauer (Karl Spieß, 1929 und 1951) Der Ingenieur und ein Straßenbauer (Heinrich Cassinone, „Ingenieur“ ist heute die durch das In­ 1929)4) Werk und Leben Tullas gewürdigt genieurgesetz von 1965 geschützte Berufsbe­ haben, nochmals das Leben Tullas zu schil­ zeichnung für einen in der Technik Tätigen dern, da doch alles, was über ihn zu sagen mit abgeschlossener Berufsausbildung, ins­ ist, längst gesagt und schriftlich nieder­ besondere mit dem Abschluß einer In­ gelegt ist ? Diese Frage muß eindeutig be­ genieurschule. Das wissenschaftliche Stu­ jaht werden. Denn glückliche Fügung hat dium an einer Technischen Hochschule (in bewirkt, daß der größte Teil der Akten den allerletzten Jahren auch: Universität) der von Tulla geschaffenen Behörde, der führt zum Diplom-Ingenieur (Dipl.-Ing.) Oberdirektion des Wasser- und Straßen­ und zum Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.). Auch baues, den Krieg überstand. Diese Akten die Vereinigten Staaten von Amerika ken­ sind 1957 dem Badischen Generallandes­ nen diesen akademischen Grad, der dort, archiv zur dauernden Aufbewahrung über­ etwas korrekter, D. Eng. oder Eng. D. geben worden. Schon bei der Verzeichnung (Engineering, Doktor der Ingenieurwissen­ dieses Bestandes5) fand der Verfasser des schaft) lautet. Dies bezeichnet, wie gesagt, vorliegenden Lebensbildes so viel bisher die heutigen Verhältnisse. Sie sind weit ent­ Unbekanntes, geeignet, neues Licht auf fernt von dem Jahr 1797, in dem Tulla Tullas Persönlichkeit zu werfen, daß ihm durch Markgraf Karl Friedrich von Baden in vielen Aspekten das überlieferte Bild des (mit Dekret vom 8. November 1797, rück­ Ingenieurs Tulla fragwürdig wurde. Das wirkend auf 23. Oktober) als „Ingenieur mit Auffinden und die Lektüre vieler bisher dem Rang eines Rechnungsadjunkten“ in unerkannt im Generallandesarchiv ruhen­ fürstliche Dienste aufgenommen wurde, den Stücke von Tullas eigener Hand be­ wofür ihm 400 Gulden in Geld, 2 Malter stärkten den Entschluß, ein neues Bild von Roggen, 8 Malter Dinkel und 8 Ohm Wein Tullas Leben zu entwerfen und die mannig­ 2. Klasse als jährliche Besoldung zugesichert fachen menschlichen Probleme dieses nur wurden (der Aufstieg zu Wein 1. Klasse ge­ 58 Jahre umfassenden, für die Bewohner lang Tulla erst 1803), eine bescheidene Ent­ des Landes rechts und links des Ober­ lohnung für einen Mann, der, wie kein rheins ungemein wichtigen Lebens darzu­ anderer in der Markgrafschaft Baden zuvor, stellen. Es findet sich daher im Folgenden sich dem Studium der Ingenieurwissenschaf­ unter Hintanstellung einer vollständigen ten mit großem Erfolg gewidmet hatte. Schilderung der von Tulla geleisteten tech­ nischen Arbeiten ein Lebensbild aus der Herkunft und Jugend Feder eines Historikers, der besonderen Die Familie Tulla ist holländischer Her­ Wert darauf legt, Tullas Tätigkeit im Zu­ kunft6). Der älteste uns bekannte Namens­

380 Johann Gottfried Tulla träger Tulla in Deutschland ist der aus samte evangelische Augsburger Konsisto­ Hasselt bei Maastricht stammende Cor­ rium ...“ (1749) ab: Justus Wilhelm Tulla nelius Tulla. Er ist der Stammvater einer (1632—1687) und Johannes Tulla (1662 bis Reihe von Pfarrern. Zwei von ihnen bildet 1721). Jos. Friedrich Rein überliefert auch, der Augsburger Kupferstecher Joseph daß Cornelius Tulla seinen 1632 geborenen Friedrich Rein in seinem Werk „Das ge­ Sohn Justus Wilhelm in Augsburg bei Pflegeeltern zurücklassen mußte, als die land 1756 für eine neue Organisation der schwedischen Truppen, bei denen Cornelius Karlsruher Anstalt dem Markgrafen vor­ Tulla diente, abzogen. Die Pflegeeltern er­ gelegte Entwurf8) nennt die neu zu organi­ möglichten dem Jungen das Studium der sierende Karlsruher Anstalt deshalb „Aka­ Theologie, er wirkte bis zu seinem Tod demie der schönen und nützlichen Wissen­ (1687) als Pfarrer in Augsburg und wurde schaften zur Bildung des Verstandes und der Ahnherr einer Reihe von Pfarrern, von Herzens“. denen fünf in der lutherischen Mark­ Obwohl Wielands Projekt nicht zur Aus­ grafschaft Baden-Durlach tätig waren. Unter führung kam, gelang die Erweiterung des diesen linden wir drei mit den Vornamen Lehrplanes: 1764 starb Jakob Friedrich Johann Gottfried. Auch der am 20. März Maler, der von 1756 bis 1764 Rektor des 1770 dem Nöttinger Pfarrer Johann Gott­ Gymnasiums gewesen war. Nun wurden für fried Tulla (1738—1809) in Karlsruhe ge­ den philosophischen und für den mathema­ borene Sohn, dem in der Taufe die Namen tisch-physikalischen Unterricht zwei Lehr­ Johann Gottfried beigelegt wurden, sollte kanzeln geschaffen. Auf sie berief Karl dereinst, in Nachfolge seiner Vorfahren, in Friedrich zwei junge, ihm von dem Physio- den Kirchendienst der Markgrafschaft Ba­ kraten Johann Schlettwein empfohlene Ge­ den-Durlach eintreten. Deshalb wurde der lehrte, die bisher in Jena gewirkt hatten: Junge nach dem Elementarunterricht auf Gottlob August Tittel (Philosophie) und das Markgräfliche Lyzeum in Karlsruhe ge­ Johann Lorenz Böckmann (Mathematik und schickt. Diese weithin berühmte Anstalt, Physik). 1767 vermehrte ein neuer Schulplan 1724 von Durlach nach Karlsruhe verlegt, Arithmetik und Geometrie in den mittleren diente in erster Linie der Heranbildung von Klassen, daher wurde 1768 Wilhelm Fried­ Beamten, worunter im 18. Jahrhundert vor rich Wucherer aus Lörrach berufen. Dieser allem Juristen und Pfarrer verstanden wur­ übernahm den Hauptteil des mathemati­ den7). Aber Schulkinder mit ausgesprochen schen Unterrichts. 1782 erschien aus seiner technischem Verständnis und einer Vorliebe Feder in Karlsruhe das 698 Seiten umfas­ für theoretisches Durchdringen naturwis­ sende Werk „Anfangsgründe der Arith­ senschaftlicher Probleme (beide Fähigkeiten metik, Geometrie und ebenen und sphäri­ müssen sich bei Tulla früh gezeigt haben) schen Trigonometrie“. Übrigens war auch mußten sich auf diesem Gymnasium nicht Jakob Friedrich Maler Verfasser mathemati­ verloren Vorkommen, nach dem Markgraf scher Lehrbücher, die mehrere Auflagen er­ Karl Friedrich (geb. 1718, reg. 1746—1811) lebten. Tulla hat die meisten dieser Werke, Einfluß auf die Gestaltung des Lehrplanes wie er 1792 dem Markgrafen berichtete, aus genommen hatte. Er wünschte die Lehr­ eigenen Mitteln angeschafft. Sie dienten ihm fächer des Gymnasiums ausgedehnt zu sein ganzes Leben und wurden 1828 als sehen auf einen größeren Kreis von „schö­ Bestandteil der wertvollen Tulla’schen Bi­ nen und nützlichen Wissenschaften“. Es bliothek nach Tullas Tod versteigert. sollte so die Schule den Forderungen des Neben Böckmann lehrte Physik am Karls­ praktischen Lebens nähergebracht werden. ruher Gymnasium noch Johann Sebastian Neben den französischen Sprachkenntnissen Clais, der anfangs Uhrmacher gewesen war wollte Karl Friedrich den Realstudien, die und durch Karl Friedrich zu weiterer Aus­ ihm schon damals eine zeitgemäße Notwen­ bildung in der Mechanik und zum Einkauf digkeit schienen, Eingang verschaffen, ohne von Instrumenten nach Frankreich und aber die anderen Wissenschaften verkürzen England geschickt wurde. Aus England kam zu wollen. Der von Christoph Martin Wie­ 1775 Peter Periz Burdett, mit dem Clais auf

382 Wunsch Karl Friedrichs wegen seiner Über­ gelehrtheit hinausreichende Interessen hatte, siedlung nach Baden verhandelt hatte, nach gibt Johann Peter Hebel in einem Brief Karlsruhe, wo er, im Rang eines Haupt­ an den Botaniker Gmelin, der für seine manns, später eines Majors, auf vielen tech­ Flora Badensis, deren 1. Band im Jahr 1805 nischen Gebieten tätig war. Die Frage erschien, statistische Angaben über Baden „welche Fortschritte machten Mathematik benötigte.10) Hebel, jederzeit Gmelin gern und Naturlehre in den Badischen Ländern ?“, zu Gefallen, wollte ihm diese in Karlsruhe beantwortete Böckmann 1787 anläßlich der besorgen, mußte aber feststellen, daß es 200-Jahrfeier des Karlsruher Gymnasiums. keine Zusammenstellung gab, man mußte Er erwähnte die vielen Erfindungen, die sich mit Einzelangaben begnügen. Darüber dank neuer Methoden gemacht werden schreibt Hebel am 29. Januar 1796: „Ich konnten, zählte als segensreiche Fortschritte machte daher den Plan, dem Pfarrer Tulla die von Burdett, Vierordt und Schwenk etwas wenigstens von Materialien abzu­ errichteten „Werke gegen das Eindringen locken. Schon lange hatte er im Format und gegen die öfteren Überschwemmungen eines Tischtuchs zu 20 Gedecken eine des Rheins, der Murg und anderer zwar Tabelle über das Wirtembergische Land kleiner, aber gefährliche Flüsse“ auf und verfertigt, die in so vielen Rubricken, als wies auf Burdetts Versuche, mit neu kon­ das Ungeheuer von einer Tabelle faßen struierten Segelschiffen den Verkehr auf vermochte, alle Aemter, Städte, Flecken, dem Rhein rentabler zu machen. Flüße, Bäder, Seen, Berge des Landes, den Das lebhafte Interesse des Markgrafen für Quadrat Inhalt iedes Amtes, die Volkszahl, die „nützlichen Wissenschaften“ mochte die Merckwürdigkeiten, die Amtsdienste sich nicht auf das Gymnasium beschränken. etc. enthielt, und ich wußte, daß er nach Auf Befehl Karl Friedrichs hielt Böckmann Beendigung derselben eine ähnliche über von Zeit zu Zeit öffentliche Vorträge über das badische Land zu entwerfen angefangen die neuesten Fortschritte der Physik, denen hatte.“ Hebel „buhlte“ daher „auf alle die markgräfliche Familie, an ihrer Spitze mögliche Art um sein Zutrauen“, um in Karl Friedrich, beiwohnte. Böckmanns Vor­ den Besitz dieser Arbeit über Baden zu träge machten solchen Eindruck, „daß noch gelangen, mußte dann aber, ans Ziel ge­ lange Jahrzehnte nach seinem 1802 erfolgten kommen, feststellen, daß das Material über Tode seine ehemaligen Zöglinge mit Be­ Baden sehr unvollständig war. Der Pfarrer geisterung versicherten, auch während ihrer Tulla habe sich beklagt „über Mangel an Universitätszeit und später sei ihnen in Vorarbeiten und Hülfsquellen und zu dem keiner Wissenschaft ein Vortrag bekannt über die Sprödigkeit an den Behörden und geworden, den sie an Klarheit und aus­ Stellen, wo man ihm mit Datis an die Hand gezeichneter Schönheit dem jenes Physik­ gehen könnte, aber es nicht thut“. Hebel lehrers vollkommen an die Seite stellen fand als Oberländer leicht die Verbindung könnten“9). zu dem jetzt als Diözesanprediger in Karls­ Dieser begeisternde Mann war einer der ruhe lebenden Kollegen, der mit seiner im Lehrer Tullas, der in Selbststudium (was Markgräflerland gelegenen Pfarrgemeinde er übrigens sein ganzes Leben gern trieb) Britzingen in Streit geraten und deshalb die im Gymnasium erworbenen Kenntnisse nach Karlsruhe versetzt worden war. Im vertiefte. Die Begabung für die Mathema­ übrigen verbanden Hebel auch mit dem tik dürfte Tulla von seinem Vater zuge­ jungen Tulla freundliche Bande. Hebels kommen sein. Ein Hinweis darauf, daß Vorliebe für naturwissenschaftliche Phäno­ der Vater Tulla über das Fach der Gottes­ mene ist ja bekannt, so mögen sich die

383 beiden schon deswegen nähergekommen nach Befund seiner Fähigkeit in die Zahl sein. In seinem „Hausfreund“ hat Hebel derer Fürstlichen Geometers aufzunehmen vielfach Rechenaufgaben veröffentlicht, es und ihm zu seiner Subsistenz einigen Ver­ ist belegt, daß Tulla ihm einige interessante dienst durch Anweisung geometrischer Ar­ Aufgaben vermittelte.11) beiten zu geben“ zur Beratung anstand14). In Bei Peter Beriz Burdett nahm Tulla seinem Gesuch vom 15. März schildert Tulla Unterricht in Perspektive, er lernte das Fer­ seine Ausbildung im Feldmessen „bei dem tigen von Baurissen und erwarb sich prakti­ erst kurz verstorbenen rechtschaffenen In­ sche Erfahrungen in der Feldmeßkunst bei genieur Hochstetter“. Er verweist ferner auf dem Ingenieur Hochstetter. So ausgerüstet, die Vorlesungen in Mathematik und Physik, hätte Tulla zur weiteren Ausbildung eine die er bei Wucherer und Böckmann gehört Technische Hochschule beziehen können — hatte. Major Burdett, Ingenieur Schwenk wenn es eine solche 1789 schon gegeben und Hofrat Böckmann erhielten den Auf­ hätte. So mußte Tulla sich auf anderem Weg trag, Tulla zu prüfen. Ihr Bericht fiel gün­ das höhere Rüstzeug für seinen Beruf des stig aus, so daß man ins Auge faßte, Tulla Ingenieurs zu beschaffen suchen. zur Ausarbeitung der von den verstorbenen Über die Anfänge des technischen Hoch­ Geometern Hochstetter und Hücker hinter- schulwesens hat Franz Schnabel zur 100- lassenen, noch unausgefertigten Pläne zu J ahrfeier der Technischen Hochschule Karls­ verwenden. Im Dezember 1789 erbat Tullas ruhe eine ausgewogene Darstellung vorge­ Vater das Pelkische Stipendium für seinen legt12), doch wird eine genauere Unter­ Sohn. Da dieses aber „bereits seine Be­ suchung der Bemühungen um den Inge- stimmung habe, die glücklichen Talente des nieurnachwuths13), wie sie in Baden zu jungen Tulla aber gleichwohl bei der Un­ Beginn der 1790er Jahre bestanden, noch vermögenheit des Vaters unterstützt zu viel Neues bringen. Ohne die Hilfe Karl werden verdienen“, befahl Karl Friedrich, Friedrichs hätte Tulla nie die ihm gemäße entsprechende Vorschläge vorzulegen. Wie­ — und im Interesse des Landes liegende — derum wurden Burdett und Schwenk um Ausbildung erhalten können. So wird die ihr Urteil ersucht. Dies scheint zu Tullas Schilderung des Lebenswegs von Johann Gunsten ausgefallen zu sein, denn unter Gottfried Tulla in den Jahren 1789 bis dem 3. März 1791 erhielt die Landschrei­ 1797, in die seine einem Universitäts­ berei Karlsruhe Anweisung, ab 1. Januar studium vergleichbare Ausbildung fällt, 1791 auf ein Jahr täglich 45 Kreuzer an vorzüglich bestimmt durch die Anteilnahme, Tulla zu zahlen, gleichzeitig wurde der die Karl Friedrich dem jungen Tulla zu­ Betrag „derer vom Tulla bis zu Anfang des wandte. gegenwärtigen Jahres aus Noth gemachten Schulden mit 159 Gulden 21 Kreuzer“ auf Jahre des Studierens und Reisens die herrschaftliche Kasse übernommen. Da­ Studieren und Reisen, diese Tätigkeiten mit war die materielle Not, in die Tulla gehören zusammen in dem Fach, dem Tulla offenbar geraten war, behoben. Daß die sich aus innerem Antrieb bald immer mehr Tulla gewährte Unterstützung von 45 zu widmen begann: dem Wasserbau. Von Kreuzer täglich ihm das Studium ermögli­ diesem war freilich noch nicht die Rede in chen sollte, erfahren wir aus einem langen der Rentkammer-Sitzung vom 16. März Promemoria Burdetts vom 25. Januar 1792. 1789, als die „Bitte des der Geometrie Offenbar hat sich Burdett in diesem drei Beflissenen Johann Gottfried Tulla, ihn in Seiten umfassenden Gutachten allerhand Är­ dieser Wissenschaft prüfen zu lassen, sodann ger von der Seele geschrieben, in Deutsch

384 übrigens, es läßt ahnen, daß der Urtext in gen. Jetzt, da ich ein Recht habe, Glauben englischer Sprache abgefaßt war. Möglicher­ zu fordern für das, was ich von ihm be­ weise fühlte Burdett, daß er nicht mehr lange haupte, so bediene ich mich dieses ehren­ für Tulla sorgen könne (tatsächlich starb vollen Privilegiums und bezeuge nun, daß Burdett in Karlsruhe am 9. September 1793). Tulla Dankbarkeit, Redlichkeit, Genie und Wie dem auch sei: Burdetts Vorstoß zu­ große Anlage für mathematische Unter­ gunsten Tullas sollte Erfolg haben. So ist suchungen beweisend darlegt. Wie sehr ist es gerechtfertigt, den Text seines Prome- es daher zu beklagen, daß allen diesen jungen moria auszugsweise wiederzugeben. Zu­ Leuten der Zutritt und die weitere Assistenz nächst spricht Burdett von den vier Geome­ von eben den Personen versagt ist, deren tern Pfeiffer, Hochstetter, Steiner und Tulla: Professorstellen für eben den Endzweck „Was die drei ersten betrifft, so sind diesel­ ursprünglich gestiftet worden sind. Woferne ben immer mit Feldmessen oder, das Ge­ dieser Fall wirklich so ist, so bleibt nichts messene zu Papier zu bringen, beschäftigt. übrig, als daß ich untertänigst empfehle, Sie finden daher sehr wenige extra Zeit für daß Serenissimus geruhen möchten, Ihre höhere Fortschritte in Kenntnissen und Gnade noch etwas weiter zu erstrecken und Wissenschaften. Demungeachtet wo ein den jungen Tulla endlich in ein anderes natürliches Genie eine Neigung erweckt Land zu schicken, um daselbst alles zu zur Gelehrsamkeit, so wird es alle Schwierig­ lernen und zu praktizieren, was er in seinem keiten durchbrechen und trotz aller Ein­ eigenen nicht erlangen kann. Für diese Ab­ schränkung sich freien Weg machen und sicht habe ich einen Mann entdeckt, dessen sich selbst zu seinem eigenen Vorteil zeigen. literarische sowohl als praktische Reputation Dies ist meine Hoffnung und mein Wunsch den öffentlichen Beifall verdient, der ihm in Ansehung der besagten drei jungen Leute, uneingeschränkt geschenkt wird. Der Rat welche bereits brauchbare Subjekte sind, und Salinen-Direktor Langsdorf zu Gera- und vielleicht mit der Zeit einer vor dem bronn ist der Mann, den ich meine.“ Es ändern etwas Vorzügliches leisten können. folgen noch einige kurze Bemerkungen Den Tulla anlangend, so ist der Fall ver­ über die vorzüglichen Befähigungen Langs­ schieden: Dieser ist von der Gnade Serenis­ dorfs15), sodann: „weiter habe ich nichts simi von aller gebundenen Arbeit unab­ vorzutragen.“ Die Sache kam am 12. März hängig gemacht und hat ungefähr 18 Monate im Geheimen Ratskollegium zur Sprache. lang völlige Muße genossen, seine Studien Karl Friedrich beauftragte den Geheimen und Vervollkommnung weiter zu treiben. Rat und Regierungspräsidenten Karl von Von ihm kann daher vernünftigerweise viel Wöllwarth, mit Langsdorf Unterhandlun­ mehr Theorie und Kenntnis erwartet wer­ gen anzuknüpfen. Damit wurde Tullas Aus­ den, und da ich niemals eine öffentliche bildung geradezu eine diplomatische An­ Prüfung für ihn habe erhalten können, gelegenheit, der sich Wöllwarth sofort mit welche dem Willen Serenissimi angenehm Umsicht widmete. Seine Anfrage bei Langs­ ist, so bin ich von der Notwendigkeit auf­ dorf umfaßte neben der Frage nach dem gefordert, selbst von seinen Fortschritten genauen Lehrplan auch die, bei Karl Fried­ und Talenten zu sprechen, und dieses, da richs Interesse für sparsame Haushaltfüh­ er unter meiner Anleitung meine wärmste rung mehr als verständliche, Erkundigung Erwartung nicht nur erreicht, sondern nach den Kosten. Langsdorf scheute sich wirklich übertroffen hat, zu seinen Gunsten. nicht, diese in seinem Antwortbrief genau Und so sind bisher widrige Insinuationen anzugeben: 27 Gulden pro Monat. Er faßte auf der ändern Seite ihren Weg fortgegan­ seine Bedingungen in 12 Punkten zusam­

385 men. Sein Brief beginnt zwar mit den war nichts mehr zu ändern, egal, wie die Worten: „Wer wird nicht gerne den Wün­ Prüfung ausfallen sollte. schen eines Markgrafen von Baden und Das Prüfungsprotokoll beginnt mit für eines Ministers von Wöllwarth entspre­ Tulla sehr schmeichelhaften Bemerkungen chen ?“, er enthielt aber auch einen Passus über die von ihm vorgelegten Zeichnungen über die Möglichkeit einer Reise „ins und die sich daran anknüpfenden Fragen, Hessische oder nach Norwegen“, wohin „die er sehr artig beantwortete“, es kam Langsdorf erwartete, „auf Salzwerke be­ zur Prüfung in Geometrie, in Algebra und rufen zu werden“. Auf diesen Reisen sollte in Mechanik, als deren Ergebnis die Herren der junge Tulla ihn begleiten, weil er so feststellten, daß Tulla „der ihm von Ew. Vieles durch eigene Anschauung kennen hochfürstlicher Durchlaucht gnädigst zuge­ lernen könne. dachten Unterstützung und Versendung Man sah im Geheimen Rat und im Plenum nach Ansbach zu dem geschickten Herrn der Rentkammer ein, daß das Studieren bei Langsdorf wert befunden“ wurde. Schließ­ einem guten Lehrer von Vorteil sein kann. lich stellte von Gayling noch die Frage, Aber so weite Reisen ? Das ging entschieden „wie der junge Tulla nun seine Zeit in gegen alle Prinzipien; die erste Meinung Ansbach (gemeint: Gerabronn im Ans- war, „dieses Langsdorfische Anerbieten von bachischen) vorzüglich verwenden solle ?“ der Hand zu weisen“, so das Gutachten Wöllwarths vom 25. März 1792. Die Rent­ Das einstimmige Votum war: Er solle kammer schloß sich diesem aber nicht an, a) sich hauptsächlich bemühen, so viele sondern fand den Ausweg, daß die Ent­ Maschinen als möglich, die er noch schließung über diese Reise „noch so nicht wirklich gesehen, zu sehen und lange auszusetzen sein werde, bis der Rat Zeichnungen davon zu nehmen, auch Langsdorf den Tulla persönlich kenne und sich ihre Wirkungsart, Kräfte und ihn näher geprüft, als wonach jenem Vorteile bekannt zu machen, schleunigst gutachtliche Äußerung, ob er b) mit nicht minderer Sorgfalt seine diese weite Reise für den Tulla dienlich Theorie, in Sonderheit in Rücksicht erachte, abzufordern sein möchte“. So steht auf die Kegelschnitte, Differential- und es in dem Vortrag der Kammer vom 4. April Integral-Rechnung sowohl durch eige­ 1792. Als erstes hatte also Tulla in Gera- nes Lesen als mündlichen Unterricht bronn eine Prüfung zu erwarten. Aber auch des Herrn Langsdorf möglichst zu vor seiner Abreise dorthin wollte man sich erweitern, in Karlsruhe der Fähigkeiten Tullas noch c) hauptsächlich aber bei seiner mit versichern: deshalb ordnete der Geheime H. Langsdorf nach Norwegen vorzu­ Rat und Kammerpräsident von Gayling nehmenden Reise daselbst die Herrn mündlich an, Tulla solle durch die Herren Major Burdett aus persönlicher Er­ Burdett, Schwenk, Vierordt und Wucherer fahrung bekannte, sehr vorteilhafte, geprüft werden. Der Bericht dieser vier ungemein einfache Behandlung der Herren über die Prüfung vermerkt zudem zimmermännischen Bearbeitung des ausdrücklich, daß Burdett auf diese Prüfung Holzes mit möglichstem Fleiß beob­ gedrängt habe. Offenbar wollte er seinem achten, Schützling Gelegenheit geben, sein Wissen d) von Allem ein genaues Diarium führen zu zeigen. An dem grundsätzlich gefaßten und dieses, so lange er in Deutschland Beschluß, Tulla nach Gerabronn zu schicken, ist, monatlich hierher einsenden.

386 Die Prüfung fand am 14. April statt, am 18. April wurde das Ergebnis durch die Rentkammer dem Markgrafen vorgelegt. Schon am 17. April reichte Tulla auf An­ weisung des Kammerpräsidenten ein Ver­ zeichnis dessen ein, was er für die Monate Januar bis April „nebst der Anschaffung der nötigen Equipage brauche“. Diesem war zu entnehmen, daß ihm trotz sparsam­ ster Lebensführung die 90 Gulden, die er vom Markgrafen erhielt, nicht ausgereicht hatten. Es blieben noch 69 Gulden unge­ deckt. Daher beantragte die Rentkammer, ihm 75 Gulden zusätzlich und 30 Gulden Reisegeld aus dem Fonds für Künste und Wissenschaft auszuzahlen. Mit „Extractus Geheimen Cabinets Protokolli vom lOden April 1792, den jungen Tulla betreffend“ Markgraf Karl Friedrich wurden diese Anträge genehmigt. Auch Markgraf Karl Friedrich erklärte sich mit Studium bei dem den ihm wegen der Ausbildung Tullas ge­ Professor v. Langsdorf machten Vorschlägen einverstanden, so ging die Sache zurück an die Rentkammer „mit Es ist bemerkenswert, mit welcher dem Bemerken, daß Kammerrat Junker Geschicklichkeit der Kammerrat Junker übernommen habe, dem Rat Langsdorf die sich in die ihm fremde Materie der Aus­ in dem neben allegierten Bericht zu künftiger bildung eines Ingenieurs eingearbeitet hat, Ausbildung des jungen Tulla bei dessen denn er brachte den von Langsdorf vorge­ Absendung zu ihm geschehenen Vorschlä­ schlagenen Lehrplan und die Forderung der gen schriftlich mitzuteilen und sich darüber Herren Burdett, Schwenk, Vierordt und mit ihm in Verbindung zu setzen“. Dieses Wucherer in die Form eines für Tulla ab­ Auftrages entledigte sich Junker in einem geschlossenen Lehrvertrages. Nach einlei­ eigenhändig von ihm konzipierten Schrei­ tenden Floskeln schrieb Junker unter dem ben von sechs Seiten. Da ihm die Angelegen­ Datum des 24. Mai an Langsdorf: „Die heit doch recht heikel erschien, legte er es Fürstliche Rentkammer, in deren Besorgung dem Präsidenten von Gayling vor mit dem die Sache sich befindet, hat mir nun auf­ getragen, Euer etc. namens derselben zu Vermerk: „Ich bitte zu meiner Legitimation benachrichtigen, daß der junge Tulla auf um gefällige Revision dieses Schreibens“. nächsten Dienstag mit dem Postwagen von Der Minister v. Gayling, der in dem Kon­ hier abgehen und also zu Ende der Woche zept nur das Wort „bekanntlich“ in dem in Gerabronn eintreffen werde. Um aber Passus über die norwegische Zimmer­ über die desfallsigen Bedingungen auch mannsarbeit strich, setzte gnädig unter hiesigerseits bestimmt sich zu erklären, soll Junkers Bemerkung: „Ich finde kein An­ ich zugleich anfügen, daß man nach den stand bey der Ablassung des Schreibens“. besagten Bedingungen von Euer etc. So konnte also mit Langsdorf nähere Füh­ 1. ganz übereinstimme, daß dem Lehrling lung aufgenommen werden. die Bücher, welche Sie zu seinem Unter-

387 rieht vorschlagen, auf herrschaftliche c) bei einer allenfallsigen Reise nach Nor­ Kosten angeschafft werden; damit er wegen die sehr vorteilhaft herzustel­ aber nicht in die Versuchung zu über­ lende einfache Behandlung der zim- flüssigen oder schädlichen Büchern ge­ mermännischen Bearbeitung des Bau­ rate, so werde man nur diejenigen be­ holzes daselbst genau beobachten und zahlen lassen, welche Sie in den Rech­ während der Reise vornehmlich das nungen als erlaubt attestieren würden, Strombauwesen einzusehen und ge­ schickte Männer darüber zu sprechen 2. hoffe man von der bisherigen guten Auf­ suche, führung des Lehrlings auch ein offenes und wohlgesittetes Betragen desselben d) von allem ein genaues Diarium führe in Ihrem Hause. Wenn er es aber daran und dieses, so lange er in Deutschland fehlen lassen sollte, so würden Euer etc. sich befinde, alle Monate hierher ein­ ersucht, mich davon gefällig zu benach­ sende. richtigen, um dem Fürstl. Collegio dar­ 5. bis 8. acceptiere man das gefällige über Vortrag zu machen. Anerbieten, den jungen Tulla zu sich 3. Die Methode des Unterrichts werde ganz zu nehmen und ihm ein Zimmer mit Ihrer Einsicht und, wie Sie den Lehrling Bett, Holz, Licht und dem übrigen selbst finden würden, überlassen. In An­ nötigen Mobilar, auch die Kosten an sehung der Sachen gingen seine Kennt­ Ihrem Tische nebst Frühstück zu nisse schon etwas weiter als Wolfs Geo­ geben, womit er nach der beschriebe­ metrie, worüber man eine Prüfung von nen Art sich vollkommen begnügen Euer etc. und dann Ihr Urteil, wie Sie werde, auch werde ihm nötigenfalls ihn gefunden, zu erfahren wünsche; man die Anschaffung eines tannenen Com- hoffe aber, es werde ihm unter Ihrer mods erlaubt. Hülfe nicht schwer fallen auf die höhere 9. Sämtliche Gelder für denselben Geometrie fortzugehen, wobei man werde man nach Euer Hochwohlge­ 4. nach Euer etc. gezeichnetem Plan haupt­ boren Verlangen an Sie von Zeit zu sächlich wünsche, daß er Zeit zur Besorgung und Verrechnung übermachen, auch ihm sogleich 200 a) seine Aufmerksamkeit auf wirkliche Gulden an Sie abschlägig mitgeben, Anlagen vornach in der Mechanik, wobei die Direktion der Ausgaben Hydrostatik und Hydraulik, auch dem Ihrem Gutfinden anheimgestellt blei­ mathematischen Theil der Kunst rich­ be, und nur bemerkt werde, daß er ten und sie gehörig untersuchen lerne, ungefähr nach dem Maßstab, wie er besonders, soviele Maschinen als mög­ dermalen auf eine Zeitlang versehen lich, die ihm noch nicht bekannt seien, sei, in Kleidung unterhalten werden zu sehen suchen und Zeichnungen könne. Bei seiner Lectüre aber, außer davon nehmen, auch sich ihre Wir­ den Lehrbüchern, möchten Sie ihn kungsart, Kräfte und Vorteile bekannt nur auf solche Schriften beschränken, mache, welche er auf die Zeit seines Unter­ b) seine Theorie, sonderheitlich in Rück­ richts bei Ihnen brauche, weil er bei sicht auf die Kegelschnitte, Differen­ seiner Zurückkunft die nötigen größe­ tial- und Integral-Rechnung möglichst ren Werke in den hiesigen Biblio­ zu erweitern und mit der Anwendung theken antreffe, wie er selbst schon zu verbinden sich bemühe, wisse. Recreationen und kleine Reisen

388 zum Nutzen würden darauf beruhen, wie weit die zu den Nebenkosten überhaupt ausgesetzte jährliche Summe von 80 bis 100 Gulden reiche, auf welche man sich beschränken müsse, indem die ganze Unterstützung des Tulla auf einen bestimmten jährlichen Fonds angewiesen sei, den Serenis­ simus zur Beförderung der Wissen­ schaften und Künste aus der Kasse jährlich abgeben ließe, woran aber noch mehrere junge Leute Anteil nähmen. Doch werde man, wenn Euer Hochwohlgeboren auch etwas mehre- res auf kleine nützliche Reisen anzu­ wenden nötig fänden (worüber man sich zu seiner Zeit Ihre näheren Ge­ danken ausbitten), auch daran nicht fehlen lassen, auch die Diät von täglichen 5 Gulden, welche Sie für sich dabei aussetzten und die man ge­ nehmige, nicht darunter begriffen. 10. und 11. würden die monatlich 27 Gulden oder 3 Louisdor ä 9 Gulden und vierteljährig 1 Gulden Trankgeld für den Domestiken bewilligt, welche Sie von Zeit zu Zeit in Rechnungen Ernennung Tullas zum Major vom 26. 10. 1808 bringen möchten. Vorläufig seien übrigens Serenissimus, wie mit Ihnen zu besorgen, zur besonderen schon oben bei dem 4. Punkt bemerkt Ehre und werde mir jederzeit ein wahres worden, gnädigst geneigt, wenn Euer etc. Anliegen sein lassen, Sie von dieser Ver­ Ihren Aufenthalt bald verändern würden, sicherung und von der vollkommenen dem Tulla zu erlauben, die Reise in Ihrer Hochachtung zu überzeugen, somit ich stets Begleitung mitzumachen und noch eine sein werde Euer etc. Junker Zeit lang bei Ihnen zu bleiben, in welcher Für Tulla war nun also in der Rentkammer Absicht Ihre Durchlaucht vorläufig die im ein eigener Referent in der Person des 12. Punkt Ihres Schreibens gemachten Vor­ Kammerrats Johann Friedrich Junker be­ schläge wegen des Kostenbeitrags geneh­ stellt worden. Dieser (er starb 1808 im migt haben. Doch erbittet man sich, wenn Alter von 68 Jahren) hielt nun seine Hand Euer etc. hierin einen Entschluß gefaßt schützend über Tulla. Ihm oblag zunächst haben, nähere gefällige Nachricht darüber die Überprüfung der von Tulla eingesandten aus. Kostenzettel, er mußte die benötigten Gelder Ich schätze mir den erhaltenen Auftrag, anweisen und den diesbezüglichen Schrift­ Euer etc. diese Entschließungen bekannt­ wechsel mit Langsdorf führen. Das war für zumachen und diese Angelegenheit ferner ihn, einem im Rechnungs- und Kassen­

389 wesen des Staates seit Jahren bewährten kaum fehl in der Annahme, daß Tulla bei Mann, keine schwierige Sache. Ganz neu diesem außergewöhnlichen Mann, in dessen für ihn war aber die Begutachtung der von Haus er aß und mit dem ihn gemeinschaft­ Tulla regelmäßig nach Karlsruhe vorge­ liche wissenschaftliche Neigungen verban­ legten Tätigkeitsberichte und Diarien. In den, nicht nur fachliche Ausbildung, sondern dieser Hinsicht mußte er sich auf das fach­ auch menschliches Verständnis fand. Äußer­ liche Gutachten Burdetts verlassen. liche Anzeichen finden sich in den von Tulla eingereichten Schriftstücken: die Berichte In Gerabronn werden von Mal zu Mal selbstbewußter, Tulla kam nach mehrtägiger Reise am Flüchtigkeitsfehler, wie sie früher vor­ 1. Juni 1792 in Gerabronn an. Als erstes kamen, werden korrigiert, sie verschwinden mußte er sich, wie schon erwähnt, einem schließlich ganz. Die Handschrift nimmt Examen unterziehen. Langsdorf schreibt persönliche, unverwechselbare Züge an. unter dem 3. Juni nach Karlsruhe: „Nach Offenbar muß Langsdorf bei Tulla auf tun­ der mit ihm (Tulla) angestellten Prüfung liche Kürze und Prägnanz des Ausdrucks habe ich in der Tat bessere Vorkenntnisse geachtet haben. Die für Tulla typische gefunden, als ich vermutet hatte, und An­ schriftliche Ausdrucksweise, wie sie sich lage zu einem Mann, der sich über die später meisterhaft in seinen Denkschriften Mittelmäßigkeit erheben kann. Ich zweifle zeigen sollte, ist wohl dieser Lehrzeit zu daher nicht, daß das Geld sehr gut ange­ verdanken. Ein weiterer Hinweis darauf, wendet und die Absicht vollkommen er­ daß Langsdorf in dem ihm anvertrauten reicht sein wird.“ In einem Privatbrief vom Tulla mehr als nur einen Schüler sah, ergibt gleichen Datum an den Kammerrat Junker sich aus Tullas Mitarbeit an dem von erläutert Langsdorf, wie das Examen be­ Langsdorf bearbeiteten großen Werk über schaffen w ar: „Ich legte ihm 18 geometrische die Hydraulik. Tulla arbeitete dessen Manu­ und statische Fragen, die zugleich auf Be­ skript durch, gab weitere Anregungen und rechnungen aus der gemeinen Algebra führ­ fertigte auch die Vorlagen für die dem ten, schriftlich vor, und da er sie alle mit Werk beizugebenden Tafeln. Die aus Karls­ gehöriger Fertigkeit beantwortete, so konn­ ruhe mitgebrachte Neigung für Fragen des te ich mich freuen, so viele Vorkenntnisse Wasserbaues mag bei dieser Gelegenheit bei ihm zu finden, die mir die sichere Hoff­ gefördert worden sein. nung geben, daß er in einigen Jahren zumal Tullas zunehmende Selbständigkeit, sein bei so guten natürlichen Gaben beträchtliche Selbstvertrauen und der Wille, sein Wissen Fortschritte machen werde.“ Dieser Brief umfassend zu vertiefen, äußern sich im ist noch interessant durch die Bemerkungen, Postscriptum eines anfangs Juli 1792 an die Langsdorf hinsichtlich des an ihn er­ den Kammerrat Junker gerichteten Briefes, gangenen Rufs nach Norwegen macht. Aus wo er schreibt: „Dem Herrn Major Burdett ihnen spricht der selbstbewußte Gelehrte: habe ich die nämliche Anzeige von Wort „Ohne eine sehr gute Besoldung, d. h. zu Wort gesandt, ich zweifle aber, ob er unter 3000 Gulden, gehe ich nach Nor­ ganz damit zufrieden sein wird; er wird wegen nicht, und außerdem habe ich noch denken, ich sollte gleich an die Höheren Bedingungen beigefügt, die freilich schwer Wissenschaften, ohne zu bedenken, daß ich zu bewilligen sein werden.“ Langsdorf weder Karsten noch Kästner jemals durch­ schließt: „und bitte nur noch um die ge­ gangen. Euer Wohlgeboren werden solches neigteste Erlaubnis, künftig ohne alle Kuria- schon bei ihm hören. Ich bitte aber ge­ lien schreiben zu dürfen.“ Man geht wohl horsamst, gar nicht merken zu lassen, daß

390 ich diese Anmerkung gemacht habe. Ich Tulla an andere Orte zur weiteren Perfec- will nun nicht mehr flicken, wie bisher tionierung in der Mathematik“ die gebüh­ geschehen, sondern ein ganzes machen.“ rende Beachtung fand, so ist dies der Auf­ Dank Tullas Sorgfalt sind wir über den merksamkeit Karl Friedrichs und der Für­ Fortgang seiner Studien gut informiert, sorge Junkers zu danken. Ihm schrieb, dies denn er vermerkt bis ins Einzelne gehend wurde schon erwähnt, Langsdorf am 3. Sep­ alle Lehrgegenstände, während Langsdorf tember wegen der Nebenkosten, für die dem Tullaschen Bericht jeweils eine „Devo­ nur 100 Gulden vorgesehen waren. Langs­ teste Anzeige, das Betragen, den Unterricht dorf lag daran, die Karlsruher Behörden und die Fortschritte des jungen Tulla betr.“ von ihrer Sparsamkeit etwas abzubringen. beifügte. Diese „Anzeigen“ und Tullas Be­ Daher führte er etwas weitläufig aus: „Über­ richte übergab Junker dem Major Burdett, haupt erkühne ich mich, das Hochpreisliche der sein Gutachten erstatten sollte. In seiner Kammerkollegium mit der Untertänigsten ersten Anzeige (vom 3. September 1792, Vorstellung zu belästigen, daß jene 100 Berichtszeit: Juni bis August 1792) schrieb Gulden (für Nebenkosten) in der Tat unzu­ Langsdorf u. a.: „Ich weiß, daß mancher reichend sind, den jungen Tulla in seinen in einem ganzen Jahr auf Universitäten Jahren standesmäßig und so zu erhalten, nicht mehr leistet als Tulla in dieser unbe­ daß die Ehre eines Markgrafen von Baden deutenden Zeit von drei Monaten. Sein auch nicht auf die entfernteste Weise be­ übriges Betragen und Aufführung hat meine leidiget werde, welches doch bei allzugroßer völlige Zufriedenheit. Sehr muß ich es be­ Einschränkung geschehen würde. Ich bitte dauern, daß er seit seinem Hiersein nicht also devotest um eine gnädigste Erhöhung ganz gesund ist, deshalb zu seiner Zeit für jenes Ansatzes, zumal da er (Tulla) sich den Arzt und für Arzneien noch verschie­ derselben auf alle Art würdig zu machen dene Rechnungen zu bezahlen sein werden, sucht.“ Auf Vortrag Junkers erklärte sich die hoffentlich nicht auf die gnädigst aus­ die Rentkammer mit einer Erhöhung ein­ gesetzten 100 Gulden in Anrechnung kom­ verstanden, doch schrieb man davon nichts men sollen.“ Danach kommt Langsdorf auf an Langsdorf. Ihn beschied man in diploma­ die finanziellen Aspekte von Tullas Aufent­ tischer Weise: „Unterdessen belieben Sie, halt zu sprechen. In Karlsruhe war man ihm so viel zu geben, als Sie finden, daß nämlich sehr sparsam, für den heutigen seine (Tullas) Bedürfnisse und übrigen Um­ Betrachter mutet manches ein wenig knau­ stände ohne Überfluß es erfordern.“ serig an. Die Sparsamkeit war geboten Unterdessen ging Tullas Ausbildung weiter. einmal durch Karl Friedrichs Beispiel, zum Im Haus Langsdorfs bekam er die Ver­ ändern durch die mißlichen Verhältnisse, pflegung, wie Langsdorf sie dem Markgrafen in die sich die Markgrafschaft seit dem Aus­ vorgeschlagen hatte: „Morgens bekomme bruch der Revolution in Frankreich ver­ er Kaffee, Nachmittags gleichfalls. Über setzt sah. So muß Junker in einem Brief dem Mittagstisch einen Schoppen Bier an Langsdorf vom 31. Oktober 1792 diesen (wegen der Unbestimmtheit des Kannen­ bitten, die späte Erledigung der am 3. Sep­ tember vorgelegten Schriftstücke „mit den maßes füge ich hinzu, daß hier ein Schoppen jetzigen bekannten Unruhen gütigst zu ent­ der vierte Teil eines Maß ist und daß ein schuldigen“. Wahrlich, die Zeitläufe am Maß 2J/2 Pfund wiegt) beim Abendtisch Oberrhein waren unruhig und forderten einen Schoppen landsüblichen Wein. Außer von den Behörden in Karlsruhe vollen Ein­ der Zeit Brot, soviel er begehrt, aber ohne satz. Wenn trotzdem die „Verschickung des Butter, weil ich kein Vieh halte.“

391 Diese damals als durchaus gesund ange­ bald Gelegenheit, etwas im Wasserbau zu sehene Kost scheint Tulla nicht sonderlich sehen; zu dem Ende habe ich das praktische bekommen zu sein. Mehrfach mußte wegen Handbuch für Hydrotechniker von Iv. W. Tullas Kränklichkeit der Arzt geholt wer­ Fuchs durchgegangen.“ Nun war also der den. Auf seine Verordnung erhielt Tulla Schritt von der Theorie zur Praxis gemacht, einen Schoppen Wein pro Tag mehr, dafür vor allem aber sah sich Tulla jetzt näher wurde das Bier gestrichen. Alles dies findet dem Gebiet, das ihn besonders interessierte: sich in den nach Karlsruhe eingeschickten dem Wasserbau. Besonders stolz schreibt er Belegen, die der Kammerrat Junker nach am 31. März 1793: „Mit den hydraulischen Prüfung und Richtigbefund den Akten ein­ Wissenschaften werde ich nächstens den An­ verleiben ließ. So unwichtig und alltäglich fang machen nach einem von Herrn Rat das alles scheint, es erlauben diese Belege Langsdorf selbst geschriebenen Werk, wel­ über Arzneien, Elixiere, Puderquasten, ches aber noch nicht gedruckt ist. Dieses Haarpuder usw. aber doch Einblicke in die Werk macht ohnstreitig allen bisherigen Bedürfnisse eines jungen Manns, wie sie hydraulischen Schriften den Rang streitig, 1792 auch vor den strengen Augen der es enthält alles Neue, was in dieser Wissen­ Karlsruher Rechnungsprüfer bestehen konn­ schaft in Französisch und deutscher Sprache ten. Einige Beispiele mögen das verdeut­ erschienen ist, es wurde alles geprüft, was lichen : in dasselbe aufgenommen worden ist, auch hat der Herr Rat mehrere Versuche ange­ Juni 1792 stellt, bei welchen ich zugegen war .. . 1 Pfund Puder 12 Kreuzer Ich freue mich auf diese Wissenschaft, weil Schreibpapier und sie mein Hauptfach ist, und verspreche mir Farben 1 Gulden 8 Kreuzer die schönste Anwendung in der Praxis.“ 1 Reißbrett mit Schiene und Notwendigkeit des Reisens Dreieck 1 Gulden 15 Kreuzer Für die weitere Ausbildung Tullas er­ 1 Puderquaste 10 Kreuzer achtete Langsdorf im Frühjahr 1794 eine 3 Stangen Haar­ Reise an den Niederrhein und nach Holland wachs 12 Kreuzer von besonderem Vorteil, dieser sollte ein August 1792 einjähriges Studium in Freiberg folgen, schließlich sollte Tulla noch Oder, Havel 6 Krüge Selterser und Spree besichtigen. Bevor die Rent- Wasser 1 Gulden 52 Kreuzer kammer hierwegen dem Markgrafen Vor­ (auf ärztliche trag erstattete, ließ sie sich durch Langsdorf Verordnung) über die Kosten informieren und erbat ein Dezember 1792 spezielles Gutachten über die Notwendig­ 3 Bouteillen keit der Reise, da es ihr bedenklich schien, Gesundheits­ in diesen geldknappen Zeiten die immerhin wein 2 Gulden 28 Kreuzer beträchtlichen Kosten hierfür aufzuwenden, ganz abgesehen davon, daß während der Der theoretischen Ausbildung, vor allem Reise von Tulla keine unmittelbare Dienst­ in der reinen und angewandten Mathematik leistung zu erwarten war. Schon 1792 war und Mechanik, folgten praktische Unter­ der Markgraf gezwungen gewesen, den weisungen. In seinem Bericht vom 3. Januar Durchmarsch österreichischer Truppen zu 1793 schreibt Tulla: „Ich habe vielleicht gestatten. Die Markgrafschaft schloß sich-

392 den gegen die Franzosen Verbündeten an, mußte selbst Truppen stellen und viel Geld für die Kriegführung aufbringen. Im Laufe '* ~~ r ~ 7 des Jahres 1794 wurden alle linksrheinischen Hw**«* sro RMnmTcrcturo bsaiwectba « »«c m i» bmcö. Besitzungen der Markgrafschaft dauernd tUHtüE uh* »tpcMto». *> yiMUKi« «v M «w sä »pjfipo- von den Franzosen besetzt, die badischen 601* h in S o»äj*ä*6ä »* - ' : ...V• ' Beamten kamen von dort als Flüchtlinge , y.-y. nach Karlsruhe, die Einnahmen aus diesen ■ 7 7 " Gebieten blieben aus und die Einnahmen ’S* aus der rechts des Rheins gelegenen Mark­ A grafschaft gingen zurück. So waren erneut •>« ‘ ■ Sparmaßnahmen geboten und daher die J M e - r y i-r * ' z-iw* •> Bedenken der Rentkammer verständlich. fl . f r . Sie auszuräumen, war der Zweck eines 0-/3*. a J I Schriftsatzes, den Langsdorf am 17. Februar 1794 einreichte. Er trägt den Titel „Abge­ V*"■■■:/ 4 • '« . 1 ' - *** IS< V «M*. fordertes untertänigstes Gutachten über den £TÜ HMriEPATOPCaArO BMH’ tECTB», Bo6* *U«*» <■» * zur Reise des jungen Tulla erforderlichen OH»**»««*!» Ce»*»*«MK>io «puit» Afäö-V r»»p»0B** U)'M MW»*»** y*I>»- den Argumenten Langsdorfs zuwenden, »«•«»«<>, Cs. ÜMuMMy****«» * ««SKaokock* .«ecoKMUMr« «043* B*a*j« XÄtmnoH«. müssen einige Bemerkungen über den Was­ »an* !mj »aacco, «sxamoA ea6>» e» * s.ä « . »» serbau eingeschaltet werden. t|nSc*0'W»naf>**fi,t' fcMM' Eine Wissenschaft wie der Wasserbau, die m«h> rti B*a**0r«pB6re*ir« opje«* tlpav;*»* y j - /, V wie vielleicht keine andere die durch Theo­ A rien erhärteten Berechnungen mit dem Wir­ ken der oft unberechenbaren Naturkräfte Ernennung Tullas zum Ritter des Kaiserlich- kombinieren und sodann am Fluß ausführ­ Russischen Wladimir-Ordens IV . Klasse (1814) bar machen muß, kann sich nicht auf den Unterricht im Lehrzimmer beschränken, es Gebiet der Hydraulik mit experimentellen gehören notwendigerweise Versuche in der Untersuchungen. Es wäre reizvoll, die Ent­ freien Natur und die Anschauung fertiger, wicklung des Wasserbaues in den folgenden von fremder Hand geplanter Arbeiten dazu. Jahrhunderten weiter zu verfolgen, weist Die Griechen und Römer vervollkommneten sie doch klangvolle Namen wie Galileo die ihnen von anderen Völkern überkom­ Galilei, Leonhard Euler und Daniel Ber- menen wasserbaulichen Fertigkeiten, die der nouilli auf. Das würde hier zu weit führen. Wasserversorgung, der Entwässerung und Diese Entwicklung aber, um das kurz zu Bewässerung ganzer Landstriche, dem sagen, hat die Lehre von der Hydraulik in Schutz vor Hochwasser und dem Ermög­ unserem Sinn geschaffen, das heißt die Lehre lichen der Schiffahrt auf Binnenflüssen und von der Ruhe und der Bewegung des Was­ dem Meer galten. Beispiele dieser Techniken sers und deren Verwendung in der Technik. haben die Römer auch in Baden hinter­ Es kombinieren sich so sinnvoll Theorie, lassen: die Badeanlagen von Baden-Baden systematisch durchgeführte Versuche und und Badenweiler seien als Beispiele erwähnt. Erfahrung. Die Vereinigung dieser drei Im Mittelalter verfielen manche der großen Grunderfordernisse erlaubt dem Wasser­ wasserbaulichen Anlagen der Römerzeit. bauer, die Fließvorgänge in offenen Fluß­ Erst Leonardo da Vinci begann auf dem läufen, seien sie natürlicher oder künstlicher

393 Bauart, oder in geschlossenen Leitungen der Technischen Hochschule Karlsruhe, zu unter Druck zu erforschen. Die damit ver­ diesem Programm meinte:16) „Die völlige bundenen Vorgänge konnte nun der Wasser­ Beherrschung dieser nahezu das ganze Kapi­ bauer berechnen oder wenigstens annähernd tel der Flußbaukunst umfassenden Teile, wie berechnen bzw. abschätzen. Damit war, um die Geschiebe- und Schlammführung, die auf das uns naheliegende Beispiel des Ober­ Wirkung der Bauten auf den Strom und rheins zu kommen, das Ende der bisher am umgekehrt, ist trotz aller neuzeitlichen Strö­ Oberrhein praktizierten Baumaßnahmen ge­ mungstechnik noch Wunschtraum geblie­ kommen. Diese hatten nämlich jeweils nur ben.“ Dieser Exkurs über den Wasserbau bezweckt, eine bestimmte Uferstrecke zu macht es leichter, Langsdorfs Argumen­ schützen oder ein gewisses Gebiet zu retten. tation zu folgen. Nach kurzer Einleitung Durch die eben getroffene Maßnahme wurde stellt er die Frage: „ob der Nutzen, welcher das Wasser zwar vom zu rettenden Ufer­ sich aus einer niederländischen Reise ziehen stück ferngehalten oder abgeleitet, dafür läßt, überhaupt groß genug sei, um die den hatte der Nachbar dann neuen Schaden. Aus Fähigkeiten, den bisherigen Fortschritten dieser Praxis resultieren die vielen Streitig­ und den bereits verursachten Kosten des keiten, die im 18. Jahrhundert zwischen Tulla angemessene weitere Ausbildung sich rechts- und linksrheinischen Territorien ent­ daraus versprechen zu dürfen ?“ Für Langs­ standen. dorf fiel die Antwort eindeutig aus, er legte Die Arbeit des Wasserbauers galt bis weit dar, welche Vorteile es für Tulla biete, den ins 19. Jahrhundert hinein praktisch nur Niederrhein, die Oder, die Havel und die dem Flußbau. Alle anderen, heute zum Spree kennen zu lernen. Am Rhein könne Wasserbau und zur Wasserwirtschaft im Tulla bei Wiebeking arbeiten, an den preußi­ weitesten Sinn gerechneten Aufgaben schen Strömen könne Tulla sehen, „was die (Trinkwasserversorgung, Abwässerbeseiti­ Kunst im Großen über die Natur vermag gung, Wasserkraftnutzung) haben erst in und unter welchen Umständen sie es ver­ den letzten 100 Jahren an Bedeutung ge­ mag.“ Auch unterwegs habe Tulla Gelegen­ wonnen. heit viel Lehrreiches zu sehen. In einem ausführlichen Promemoria von Schließlich sah Langsdorf sich veranlaßt, 1798 erklärte Tulla, um dies vorweg zu den Karlsruher Räten ein kleines Kolleg nehmen, der markgräflichen Regierung, es über das Reisen zu halten :17) „Das Reisen ist sei für den Wasserbauer vonnöten, die Natur mit unzähligen Ausgaben verknüpft, wofür des Flusses, die Geschwindigkeit in ver­ man zwischen vier Wänden keinen Maßstab schiedenen Breiten und Tiefen, die Profile findet. Sparsamkeit und Haushältigkeit sind nach Länge und Breite, die Festigkeit des zwar dem Reisenden ebenso notwendig als Bettes und der Ufer, die Höhe der höchsten einem klugen Hausvater, allzugroße Ein­ Fluten, die Stärke des Eisgangs, die Menge geschränktheit und kärgliches Wesen aber des sich bewegenden Schlamms, die Höhe nirgends zweckwidriger als auf Reisen, die des umliegenden Landes, die Größe der zur Erweiterung der Kenntnisse angestellt einmündenden Flüsse, die Wirkung der an­ werden, wo man jeden Gebrauch seiner gelegten Bauten auf den Strom und des Sinne bezahlen, Menschengüte erkaufen Stromes auf sie zu kennen. Dies, wie gesagt, und wie Contrebande einschleichen muß. waren Tullas Erkenntnisse, 1798 vorge­ Wenn ich daher die an sich schon beträcht­ tragen. Beinahe resignierend klingt, was lichen Reisekosten, die mannigfaltig erfor­ 1949 Heinrich Wittmann, damals Professor derlichen Trinkgelder, die unvermeidlichen für Wasserwirtschaft und Bodenkultur an Fälle, da man noch andere bewirten muß,

394 den Ruin der Kleidung und ihre Wieder- können, sodann auf die Flußbaukunst, die Ergänzung und dergleichen und nun noch hydraulischen, ökonomischen, Fabriken- l 1/2 jährigen Aufenthalt unter Fremden er­ und Bergwerks-Maschinen, insonderheit wäge, die überall Herr sind über den Beutel auf die Brücken und Mühlen, die Salzwerks­ des Reisenden, so ist es sehr schwer, einen kunde und endlich die höhere Kenntnis von Etat festzusetzen, welchen Tulla nicht über­ Landesvermessungen und deren Verzeich­ schreiten darf. nung gehen müssen“. Es sei gut, keinen Aber im Vertrauen auf die gute Ordnung allgemeinen Plan festzusetzen, sondern und Haushältigkeit desselben zweifle ich Tulla zu erlauben, sich auf der von Langs­ nicht, daß er die hier untertänigst vorge­ dorf vorgeschlagenen Route nach Düssel­ schlagene Reise mit einem Aufwand von dorf zu begeben. Bewähre Tulla sich unter 1500 Gulden wird bestreiten können, die Wiebekings Leitung, könne man ihn weiter Rückreise nach Karlsruhe eingeschlossen. nach Holland schicken. Mit Resolution des Hiernach könnte er sich etwa zu Ende des Markgrafen vom 3. März wurden die An­ Oktobers 1795 in Karlsruhe wieder ein­ träge der Rentkammer genehmigt. Der finden. Ein Schlosserssohn, jetziger Bau­ Markgraf trug dem Präsidenten von Gay­ inspektor in Ansbach, erhielt vier Jahre lang ling auf, Tulla mit den nötigen Empfeh­ vom letzten Markgrafen 300 Karolinen jähr­ lungsschreiben zu versehen, die finanziellen lich (oder 25 Karolinen monatlich) und er­ Dinge wurden so geregelt, daß der bisherige hielt gleich nach seiner Rückkunft eine Bau­ Aufwand für Tullas Aufenthalt in Gera­ inspektorsstelle mit mehr als 2000 Gulden bronn und das Honorar des Rats Langsdorf Einnahme. Ich erwähne dieses nur, um zu auf die herrschaftliche Kasse übernommen beweisen, daß ich nach einem ziemlich ver­ wurden. Für die Reise dachte die Rent­ jüngten Maßstabe gerechnet habe“. kammer an das v. Bernholdische Reise­ Zum zweiten Mal oblag es dem Kam­ stipendium, für das freilich noch eine andere merrat Junker, die schwierige Materie so zu Bewerbung vorlag. Diese wies die Rent­ fassen, daß sie dem Markgrafen vorgetragen kammer zurück, da man bezweifle, ob dieser werden konnte. In einem Vortrag von Bewerber „mit gleichen Talenten und glei­ 11 Seiten, der eine sorgfältige Redaktion chem Erfolg (wie Tulla!) die vorhabende verrät, legte Junker dar, daß die Vorschläge wissenschaftliche Reise machen werde“. Langsdorf gut seien. Ganz deutlich charakt- Wohl um den Vater des Mitbewerbers, den terisiert er den Zweck von Tullas Ausbil­ Hofrat Wielandt, nicht zu kränken, fügte dung, indem er alle Tätigkeiten, die Tulla ein Rentkammerrat noch an : „wiewohl man später einmal in Baden ausüben sollte, damit nicht behaupten wolle, daß er (der aufzählt: „Es müsse seine Ausbildung auf Bewerber) nicht auch mit der Zeit ein ganz alle diejenigen Teile zu erstrecken sein, brauchbarer Mann werden und von einer welche mit seiner theoretischen Wissen­ Reise zur Bereicherung seiner Kenntnisse schaft und den Zwecken zusammenhängten, sich nicht guten Nutzen versprechen kön­ wozu er dereinst in den Fürstlichen Landen ne“. Tatsächlich erhielt Tulla das Pelkische hauptsächlich gebraucht werden könne. In Stipendium, das der Vater Tulla bereits Absicht der letzteren werde seine Bestim­ 1789 — damals vergeblich, wie erwähnt — mung hauptsächlich auf die Civilbaukunst, für ihn erbeten hatte. insoweit solche mit der Mathematik und Es setzte sich nun wieder die etwas be­ Physik in Verbindung stehen und von die­ schwerliche Maschine der Rentkammerbüro- sen Wissenschaften sowohl der Form als kratie in Bewegung. Die Empfehlungs­ der Materie nach Verbesserungen erhalten schreiben gingen an den Kammerpräsiden­

26 Badische Heimat 1970 395 ten vom Stein in Kleve und an den Ober- denen Objekte darin deutlich und am rich­ deich-Inspektor Bach in Emmerich. An den tigsten ausgedrückt werden. Wasserbauer Wiebeking hatte Langsdorf ge­ In der Voraussetzung, daß dem Ingenieur schrieben. Tulla wurde eine wiederum von Tulla das Detail aller dieser Gegenstände Junker konzipierte Instruktion zugestellt: bereits genugsam bekannt ist, wird eine „Bei den Reisen, welche der Geometer genauere Vorschrift über dieselbe für über­ Tulla demnächst zur Vervollkommnung flüssig gehalten, und seiner eigenen Beur­ seiner mathematischen Kenntnisse vorneh­ teilung überlassen, die einzelnen Teile davon, men wird, hat derselbe nach der bisher er­ so wie er sie hie und da findet und wie sie haltenen Anleitung und der Bestimmung durch ihre Vorzüge und Nützlichkeit be­ gemäß, welche ihn dereinst in seinem Vater­ sondere Aufmerksamkeit verdienen, sich land erwartet, seine Beobachtungen vor­ bekannt zu machen und dergestalt aufzu­ nehmlich auf folgende Gegenstände zu rich­ zeichnen, daß er dereinst bei vorkommen­ ten: den Gelegenheiten vermögend ist, selbige 1. In der Civilbaukunst,was besondere nütz­ zum erforderlichen Gebrauch herzustellen. liche mathematische Verhältnisse der Con- Seine Beobachtungen hat er von Tag zu struction des Ganzen oder einzelner Teile, Tag mit seinen Reflexionen darüber und z. B. der Gewölbe, des Gebälks, des Mauer­ den erforderlichen Zeichnungen in ein werks etc. sodann physische Beschaffen­ Journal zu bringen, welches bei seiner Zu­ heiten der Materialien, z. B. der Dauerhaf­ rückkunft zur Einsicht vorzulegen ist. Alle tigkeit des Holzwerks, des Mörtels, des Kitts Monat aber hat er bei Einsendung seiner etc. betrifft. Rechnung nur überhaupt zu referieren, wo­ 2. In der Mechanik, besonders was zu den mit er sich bis dahin beschäftigt habe und Maschinerien für Bauwesen, Fabriken, Müh­ was ihm Bemerkenswürdiges vorgekommen len von allerlei Arten zu Bergwerken, zur sei, um ihm darüber allenfalls nähere Wei­ Landwirtschaft und dergleichen gehört. sungen geben zu können“. 3. Die Hydraulik und Hydrotechnik, Diese Instruktion ist datiert vom 22. März nach ihrem ganzen Umfang, folglich mit 1794. Einen Monat später, am 23. April Schließen und anderen Teilen derselben. 1794, brach Tulla von Gerabronn auf. Tags 4. Die Salzwerkskunde soviel möglich darauf erstattete Langsdorf seine „Unter­ durch alle Teile derselben, insbesondere die tänigste letzte Anzeige, den mir bisher an­ Kenntnis des Inneren der Gebirge in Ab­ vertraut gewesenen jungen Tulla betref­ sicht der Salzlager und Quellen und ihrer fend“, in der sich folgendes Lob Tullas äußeren Kennzeichen, die Bohrer und andere findet: „Er blieb sich immer gleich und Mittel zur Aufsuchung des Salzes, die Ma­ zuletzt noch alles des Lobes wert, das in schinen zur Ausförderung und dann die allen meinen Rapporten enthalten ist. Er Taggebäude zur Gradierung und übrigen hatte sich daher meine ganze Liebe zuge­ Zubereitung derselben, auch worin ein zogen, die mir auch seinen Abschied sehr Land vor dem ändern, in Rücksicht seiner erschwerte“. Angesichts der Karlsruher Lage oder Seen und vorteilhafter Einrich­ Sparsamkeit konnte er freilich nicht umhin, tungen besitzt, die in den hiesigen Fürst­ die Bitte auszusprechen, „diesen hoffnungs­ lichen Landen angewendet werden können. vollen jungen Mann fernerhin gnädigst zu 5. Allgemeine Landesvermessungsanstal­ unterstützen und bei seiner dereinstigen ten sowohl in Absicht der Personen und Rückkunft für seine gute Beförderung zu ihrer Vermessungsarten als auch der zu sorgen“ — eine Bitte, der man in Karlsruhe verfertigenden Pläne und wie die verschie­ nicht in allen Punkten entsprechen sollte.

396 Versöhnlich mit der mehrfach erwähnten Vt» s o 4> *■<> Karlsruher Sparsamkeit stimmt der dem Markgrafen unter dem 16. Mai 1794 vor­ ' / / gelegte Antrag der Rentkammer: Demnach «Wr da* sollte der Restbetrag der Rechnung Langs­ CiKOvS a m E U Z O K T H T M dorfs, die man „durchgangen und gefun­ den, daß bei der Ausgabe für den Tulla alle / / ) s / s / r // z mögliche Sparsamkeit beobachtet worden“, e n t w o r f e n voll bezahlt werden. Weiter: Da Langsdorf //., Am&hA.* /ht/rmt „sich vorzügliche Mühe gegeben habe, aus revidirt vou u . a . dem jungen Tulla ein tüchtiges Subjekt zu . V bilden und demselben mit vorteilhaften i S t l . 5 Empfehlungen bei seinen vorhabenden Rei­ W '//sy/ZA sen an Händen zu gehen, auch während der­ selben noch durch Korrespondenz dieselbe 5‘Vll h l.A lf.H U N ’ G /t/A- f S m , ><%,,,r ./Ak /* i . m . K~A/

man zu Serenissimo gnädigstem Gutfinden i , / M i r Ar- „ //]„./, S

aus, ob Höchstdenselben gefällig sein wolle, f/„ ,/&' „ x. fin fy (IfA.-. ihm ein Geschenk von etwa 25 Dukaten ex ✓ j

sabulis Rheni zu verwilligen“. Karl Fried­ <> rich entsprach den Anträgen. Mit Schreiben ...... vom 3. Juli 1794 stattete Langsdorf seinen Dank für die 25 Dukaten aus Rheingold ab. Titelblatt der ersten Karte des Großherzogtums Er wünsche, daß „einstens Herr Tulla alles Baden, revidiert von Tulla (1812) leisten möge, was nötig ist, um mich in gnädigstem Andenken zu halten“. zum Heben der Sole auf die Gradierwerke und in die Siedehäuser, Gipsmühlen, Feuer­ Reise an den Niederrhein spritzen und dergleichen). In Gießen und in Tulla führte, der ihm zugegangenen In­ Koblenz lernte er Wissenschaftler und Prak­ struktion gemäß, über seine Reise an den tiker kennen. Tullas Interesse richtete sich Niederrhein ein Tagebuch, das erhalten auch auf die Geologie, so erwähnt er aus­ ist18). Es beginnt mit dem 23. April 1794, drücklich den Basalt vom Fetzberg bei Gie­ dem Tag der Abreise von Gerabronn, und ßen, dessen Abbau und Verwendung ihn erlaubt zusammen mit den Berichten, die interessierten: „An den Landstraßen habe Tulla nach Karlsruhe schickte, eine genaue ich sehr oft Abweissteine gefunden, welche Rekonstruktion der Reise. Sie führte über ungefähr 40 bis 50 Fuß voneinander stehen, Miltenberg — Hanau — Frankfurt — Nau­ sie sind größtenteils aus Basaltsäulen ge­ heim — Salzhausen — Gießen — Wetzlar — macht und gehen oft 3 Fuß über den Boden Braunfels nach Koblenz. Auf der Reise, die heraus. Man braucht in der Wetterau den mit allen denkbaren Verkehrsmitteln, in der Basalt zur Verbesserung der Wege“. Kutsche, auf einem Mainschiff und auf „Den 15. Mai reiste ich mit einem Nachen weiten Strecken zu Fuß und zu Pferd, zu­ von Koblenz nach Oberwinter, wo ich rückgelegt wurde, besah Tulla alle ihn inter­ abends nach 8 Uhr ankam und wohin ich essierenden Anlagen, insbesondere die Salz­ von Herrn Wasserbaumeister Wiebeking werke in Nauheim und Salzhausen und be­ Ordre hatte zu kommen“. Wiebeking hatte obachtete viele Maschinen (z. B. die Werke ihm seine „Krippenbassen“ entgegenge­

26 397 schickt und ihnen „die schärfste Ordre ge­ er nun auch nicht zugleich die Normalbreite geben, mich den ganzen Rhein herab bis zu haben. Nach meiner Meinung muß man Düsseldorf zu begleiten und mir alles zu ebenso auf die Änderung der Tiefen als der zeigen, ohne mir im Geringsten etwas zu Breiten eines Flusses sehen, man muß Re­ verheimlichen“. Tulla, zwar erst 24jährig, geln für die Vertiefungen ebenso wie für aber durch Langsdorf geschult, fiel vieles die Erweiterungen der Ufer suchen, kurz: auf, so: „Man hat bei Düsseldorf sowie man muß die Grenzlinie des Stromprofils auch an einigen anderen Orten des Rheins betrachten und die Veränderungen desselben durch das Zuschließen einiger Seitenärme zu bestimmen suchen“. des Rheins sehr viel Schaden angerichtet. Wiebeking, der anfangs, wie sein Brief Man suchte nur, Land zu gewinnen, ohne vom 6. Juni 1794 an den Kammerrat Junker darauf zu denken, daß man dadurch den beweist, dem jungen, ihm so angelegentlich Hauptstrom oft mehr auf ein Ufer warf, empfohlenen Tulla mit Reserve begegnete, welches vorher schon vom Strom ange­ erkannte schnell Tullas Begabung und griffen wurde“. Hier ist schon die gerecht wußte sie sich nützlich zu machen, indem abwägende und den Ausgleich suchende er Tulla bei seinen Projekten beteiligte. Die Geisteshaltung zu spüren, mit der Tulla Düsseldorfer Zeit war für Tulla recht an­ in den letzten Jahrzehnten seines Lebens strengend, sie lehrte ihn aber, was er sein mit Franzosen und Bayern wegen der ganzes Leben beachtete, daß die Strombau­ Durchführung der Rheinkorrektion um arbeiten ständiger Überwachung bedürfen. Ausgleich rang. Am 18. Mai 1794 kam Tulla Wiebeking berichtet: „Bei dieser Lokal­ nachmittags in Düsseldorf an, er stürzte sich besichtigung mache ich erstlich den Herrn sofort in die Arbeit, was schon der folgende Tulla mit dem Strom, dessen Tiefen, Breite, Eintrag im Tagebuch beweist: Geschwindigkeit, mit der Richtung des „Den 20. (Mai) studierte ich in Silber­ Stromstrichs, mit den Überschwemmungen schlags Hydrotechnik und ging in Hrn. und Eisgängen bekannt. Sodann zerlege ich Wiebekings Beiträgen den Düsseldorfer die Geschichte jedes Baues, wie er geführt Bau durch. Die meisten Hydrotechniker worden, welche Wirkung er leistete; bei haben die Wirkung der Bauten an einem fehlerhaften Anlagen, wie sie eigentlich Strom nur auf der Oberfläche gesucht. Nach hätten aufgeführt werden müssen, welche ihrer Meinung soll eine sehr stark in den Wirkung sie sodann hätten leisten müssen, Strom gehende Kribbe einen Abbruch auf wie die vorgefallenen Versehen zu verbes­ dem jenseitigen Ufer verursachen, und man sern sind, welche Richtung der Strombahn zeichnete sogar die Grenzen vor, nach wel­ zu geben sei. Der Einfluß, den die vorhan­ chen der Abbruch geschehen soll. Man denen Dämme bei Überschwemmungen und richtete sich bei dieser Bestimmung nach Eisgängen haben, wird dabei nicht verges­ der Normalbreite. Diese soll der Fluß oder sen“. Wiebeking sah es als notwendig an, Strom wieder erhalten an dem Ort, wo die daß Tulla den Rhein weiter abwärts auch Strombahn durch einen Einbau verschmä­ studiere, und drängte darauf, er solle unbe­ lert worden ist. Aber in den wenigsten dingt Holland, Friesland und Oldenburg Fällen wird dies geschehen. Durch eine bereisen, in Hamburg werde „der würdige starke Verengung der Strombahn wird not­ Professor Büsch alles beitragen, was des wendig seine Geschwindigkeit vergrößert, Herrn Tullas Aufenthalt daselbst und des­ der Strom muß demnach sich notwendig an sen Reise an die Elbe nützlich machen dieser Stelle vertiefen, und wenn er nun werde“. Sodann solle Tulla die Elbe auf­ eine größere Tiefe erlangt hat, so braucht wärts bis Magdeburg und von dort aus in

398 den Harz reisen. Dies sei sein Vorschlag, Vergnügen, als wir längst allen zu uns kom­ mit dem er „zur Bildung eines künftigen menden Fremden mit gleicher Gefälligkeit Geschäftsmannes“ beitragen wolle. ohne Zurückhaltung entgegenzugehen ge­ In Karlsruhe las man Tullas Berichte mit wohnt sind, und ersuchen daher in gleichem großem Interesse, glichen doch die Pro­ Vertrauen alle diejenigen, bei welchen der­ bleme, die Tulla am Niederrhein studierte, selbe wegen des Endzweckes seiner Reise in vielem den Sorgen, die der wilde Ober­ sich anmelden wird, nach Standes Gebühr rhein immer wieder den markgräflichen Be­ und Würden geziemend, ihn geneigt aufzu­ hörden bereitete. Insbesondere fand die nehmen und mit der nötigen Erlaubnis und durch Tulla begonnene Vermessung des Belehrung gefällig an die Hand zu gehen“. Rheins Aufmerksamkeit. Man war sich zwar Die Reise zog sich noch etwas hin, da es, darüber im klaren, daß Wiebeking diese Ar­ wie Tulla am 3. Juli 1794 schreibt, „in den beit, die für sein Wirken allein wichtig war, Niederlanden wieder unruhiger“ wird. Hin­ Tulla übertragen hatte, weil er dessen Eig­ derlich sei, daß er weder Französisch noch nung erkannt hatte. Bei der Wichtigkeit, die Holländisch verstehe, „welches mich sehr der Markgraf der Vermessung seines Landes zurücksetzt, weil man nicht immer die Was­ zumaß, und in der Erkenntnis, daß ohne serbau-Direktoren um sich haben kann, son­ vorherige Vermessung des Oberrheins an dern vieles von den Arbeitern und Unter­ die Durchführung größerer Arbeiten am assistenten erfahren muß. In Arnheim ver­ Strom längs des markgräflichen Territo­ stund ich keinen Menschen“. Dies war Tulla riums nicht zu denken war, sah Junker über Veranlassung, seine Kenntnis des Französi­ die augenscheinliche Ausnützung Tullas schen zu vervollkommnen. Hiervon wird beim „Nivellement“ des Rheins hinweg und noch die Rede sein. Wiebeking meinte (Brief sorgte dafür, daß Tulla das nötige Geld nach Tullas vom 9. Juli), „es gebe in Holland Düsseldorf geschickt wurde. Auch erklärte Deutsche genug, daß es mir nicht fehlen sich die Rentkammer mit den vorgeschlage­ werde, alles zu erfahren, was mir vorkom­ nen Reisen — wenn auch mit Einschrän­ me“. Tulla erbat sich noch Geld, „indem kungen — einverstanden: „Bei den jetzigen ich mir wieder Rock und andere not­ Kriegsunruhen in den Niederlanden scheine wendige Kleidungsstücke anschaffen muß, seine Reise nach Holland dermalen nicht welche ich unglaublich ruiniere“. Im August rätlich zu sein, man wolle aber ihm ganz rüstete Tulla zur Reise nach Holland. Frei­ überlassen, . . . seine weitere Reise einzu­ lich das Kriegsgeschehen mochte ihm einen richten“. Dem Markgrafen wurde die Sache Strich durch die Rechnung machen: „Soviel vorgetragen: „Von dem Clevischen be­ ich von einem reisenden Hydrotekten ver­ merke Tulla, daß der Rhein daselbst mehr nommen habe, darf man in Holland nicht Ähnlichkeit mit dem Lauf dieses Flusses in alles sehen, besonders diejenigen Maschinen, den hiesigen Gegenden als im Bergischen welche auf den Krieg einigen Bezug haben“ . habe, und ihn daher jene Gegend mehr In Karlsruhe war man mit der Behand­ interessiere“. Karl Friedrich genehmigte die lung Tullas durch Wiebeking nicht zufrie­ Reise. Nach Düsseldorf wurde eine „Offene den. Ärgerlich notierte Junker am 20. Au­ Recommandation für den jungen Tulla auf gust 1794: „Der Wasserbaudirektor Wiebe­ seinen Reisen“ geschickt. Darin sind die king in Düsseldorf gibt sich zwar mit dem Aufgaben, die Tulla erfüllen soll, genau auf­ Tulla viele Mühe, dagegen sucht er ihn geführt. Zu diesem Zweck wird Tulla be­ aber, weil er vermutlich keine solche junge sondere Empfehlung ausgestellt: „Wir be­ Leute zu seiner Beihülfe hat, etwas zuviel werkstelligen dieses mit desto mehrerem für sich zu benutzen, und der Tulla muß

399 sich fast mit Verdruß von ihm losreißen“. ersteren haben soll, hat man sich lange her­ Tröstlich war für Junker nur: „Unter­ umgezankt und viele Versuche angestellt.“ dessen hat er hier den besten Grund zur Tulla befaßte sich mit der Wirkungsweise Kenntnis in Wasserbauarbeiten gelegt, wo­ der Windmühlenflügel und machte sich durch er künftig dergleichen Werker schnel­ Exzerpte aus holländischer Spezialliteratur. ler übersehen und beurteilen kann“ . Zu dem Der Generalinspektor schenkte ihm einen Zeitpunkt, da Junker dies niederschrieb, Posten Bücher (sie fanden sich nach Tullas war Tulla schon unterwegs nach Holland. Tod noch in seiner Bibliothek). In Vithoorn Er verließ Düsseldorf am 18. August 1794. sah Tulla eine Dampfmaschine, „die ganz Er besuchte Emmerich und studierte dort neu ist und also nach der neuesten englischen die „Austiefungsmaschine“ (= Bagger), Erfindung gemacht ist. Was ich sehen konn­ „welche ganz fertig, aber wegen des hohen te, suchte ich mir zu bemerken. Diese Dampf­ Wassers nicht in Gang war“, sodann reiste maschine ist angelegt, um einen Polder, in er nach Kleve, wo er dem Kammerpräsi­ welchem wirklich Torf gegraben wird, denten vom Stein und dem Geheimen Rat trocken zu halten.“ InHarleem sah Tulla die Riedel seine Aufwartung machte. Auf der Salzsiederei: „Es wird das aus Spanien kom­ ersten holländischen Station, in Nimwegen, mende Salz mit Seewasser aufgelöst, und hatte Tulla ein unangenehmes Erlebnis: dieses ist die ganze Kunst der holländischen „Wegen Abzeichnung des Eisbrechers wur­ Salzsiedereien. “Tulla machte sich noch Pläne de ich beinahe zum Kommandanten geführt, von Schleusen, er erhielt auch eine voll­ wenn nicht der Platzmajor gerade an das ständige Zeichnung eines Ziegelofens und Tor gekommen wäre, der mich auf Vor­ nützte die unfreiwillige Verzögerung der zeigung meines Passes, meiner Empfehlung Abreise, die heftigen Stürmen zu verdanken und meiner Schreibtafel wiederum losließ war, um den holländischen Seebau zu studie­ mit der Warnung, künftig alles Zeichnen zu ren. unterlassen“. So reiste Tulla über Utrecht nach Amsterdam, um sich bei dem General­ Aufenthalt in Hamburg inspektor Brünings zu erkundigen, ob er Nach sechstägiger Seefahrt kam Tulla am überhaupt weiter durch Holland reisen 16. Oktober 1794 in Hamburg an. Hier soll­ dürfe. Den Generalinspektor traf Tulla in ten ihn weitere Instruktionen aus Karlsruhe Zwarenburg. Dieser „hielt dafür, daß ich erreichen. Tulla gab bei Klopstock, bei dem nun in Holland bleiben sollte. Die Maschi­ Professor Büsch und bei dem Wasserbau­ nen würde ich beinahe alle sehen können, direktor Woltmann die ihm von Karls­ aber die Waal und die Maas nicht, weil das ruhe zugestellten Empfehlungsschreiben ab. Kriegstheater immer näher kommt“. In Büsch ging mit ihm um die Stadt und er­ Saarendam, der nächsten Station, sah Tulla klärte Tulla seine Pläne, die Stadt vor Über­ „gegen 1000 Windmühlen stehen, welches schwemmungen zu schützen. Tulla notierte Schneid-, Öl-, Mahl- und Papier-Mühlen sich: „Ein Druckwerk und die Münze in sind, die letzteren konnte ich bei aller ange­ Hamburg besah ich; ersteres ist unvoll­ wandten Mühe nicht zu sehen bekommen“. kommen und letztere hat alte Einrichtun­ Dank der Empfehlungen, die Tulla bei sich gen“. In Ritzebüttel wohnte Tulla einigen trug, lernte er in Amsterdam den Direktor Versuchen Woltmanns über den Wasser­ Schilling kennen. „In Amsterdam sah ich stoß im unbegrenzten Strom bei: „Obgleich alle Schleusen, 2 Wasserschöpfräder, ein lot­ die Versuche so abweichend waren, daß man rechtes und ein schiefliegendes, über den keinen Gebrauch von den meisten machen Vorzug, welchen das letztere vor dem kann, so sind sie doch, aus eben diesem

400 Grund, sehr belehrend für mich gewesen. die Ursache seiner Verspätung auf die jetzi­ Die Ursachen dieser Abweichungen habeich gen Kriegsunruhen am Rhein geschoben. mir aufgezeichnet, auch ein Instrument19) Auf die vorgezeigte öffentliche Empfehlung zu solchen Versuchen entworfen. Ferner verlangte der Herr von Heynitz noch eine bemerkte ich mir die Besteckung der Deiche Bittschrift von Tulla um die gedachte Er­ mit Stroh und die übrigen bei Ritzebüttel laubnis, die er mit seinem Bericht nach vorkommenden Werke“. Tulla besah die Dresden schickte. Einstweilen gab er Befehl, Deiche bei Harburg „und hatte kein gerin­ ihn zu allem zu lassen und machte ihn selbst ges Vergnügen, zu sehen, daß im Strom mit den Lehrern bekannt“. Unter den Leh­ einer Kribbe gegenüber eine Sandbank ent­ rern ragten hervor der Chemiker Lampadius standen ist. Da man keine Verpeilung von und der Mineraloge Abraham Gottlob Wer­ dem Strom machte, ehe man die Kribbe ner. Da Tulla nicht rechtzeitig zu Semester­ anlegte, so kann man also auch nicht sagen, anfang in Freiberg eingetroffen war, mußte wie die Sandbank vor und nach der Anlage er (gegen Bezahlung, was ihn bekümmerte) der Kribbe zunahm. Dieser Fall, daß näm­ das Versäumte sich von den Professoren lich die Kribbe die Sandbank vergrößerte, privatim vortragen lassen. Insgesamt koste­ zeigt deutlich, daß Herrn Silberschlags ten die Kollegien rund 100 Gulden. Die Theorie von den Wirkungen der Kribben Gebühr für die Einschreibung und für das ganz falsch und desto weniger anwendbar Befahren der Gruben betrug 18 Gulden ist, je breiter der Strom ist. In meinen Be­ 54 Kreuzer. Tulla mußte sich noch eine merkungen über den Wasserbau werde ich Schachtkleidung (9 Gulden) anschaffen. zu zeigen suchen, daß diese Erfahrung mit Diese konnte er aber vorderhand nicht be­ der Theorie übereinstimmt und daß sich nützen, da die Kälte das Einfahren in die dieser Fall aus den Änderungen der Ge­ Gruben nicht erlaubte. Im Februar 1795 schwindigkeit in verschiedenen Tiefen und zeigte Langsdorf dem Kammerrat Junker Breiten des Stroms erklären läßt“. Die Rich­ an, die dänische Regierung habe ihn ge­ tigkeiten seiner Anschauungen konnte Tulla beten, auf Ende April nach Kopenhagen erst viele Jahre später am Oberrhein be­ zu kommen, um von dort aus die Salzberg­ weisen. werke zu visitieren. Merkwürdigerweise Studium in Freiberg machte die markgräfliche Rentkammer ge­ Von Hamburg reiste Tulla über Braun­ gen die Reise (von der übrigens schon 1792 schweig—Leipzig und Dresden nach Frei­ die Rede gewesen war) keine Einwendun­ berg, um dort an der Bergakademie vor gen, nicht einmal wegen der Kosten, aber allem Chemie und Mineralogie zu hören. Tulla hatte Bedenken. Die Kollegien könne In Freiberg sah sich Tulla dem etwas zu er nicht aushören, es fehlten ihm die prakti­ sehr selbstbewußten Berghauptmann Anton schen Kenntnisse im Bergbau. Tulla trug Friedrich Freiherrn von Heynitz gegenüber. seine Bedenken am 2. April 1795 der Rent­ Über den Auftritt berichtete Tulla dem kammer vor, wobei er „indessen alles den Kammerrat Junker, der seinerseits dem Einsichten eines hochpreislichen Rentkam- Rentkammerkollegium vortrug, „der Herr mer-Kollegii“ anheimstellte. Dieses empfahl von Heynitz habe wegen seiner Annahme dem Markgrafen, Tulla die Reise in Be­ zum dortigen Unterricht Anstand genom­ gleitung Langsdorfs machen zu lassen. men, weil gewöhnlich deswegen vorhero an ihn geschrieben und um die Erlaubnis Reise nach Norwegen dazu angesucht werde. Er habe versichert, Der Markgraf genehmigte die Reise, für es werde ein Schreiben nachkommen und die Tulla einen neuen Paß wünschte. An

401 Junker schrieb er am 12. März 1795: „Da reiste Tulla am 26. April von Freiberg ab, ich in Dänemark und Norwegen, um ein er traf Langsdorf in Hannover, ohne Auf­ besseres Ansehen zu haben, unsere In­ enthalt ging die Reise weiter nach Kopen­ genieurs-Uniform, aber militärisch, tragen hagen (= U/2 Tage Aufenthalt) und durch werde, so wünschte ich einen neuen Paß Schweden nach der norwegischen Saline zu haben, in welchem ich als Ingenieur Walion. „Auf der ganzen Reise bis auf die stehe. Aber auch aus folgendem Grund Saline Wallon in Norwegen habe ich wenig wünsche ich einen neuen Paß zu erhalten, gesehen, was für mein Fach interessant ist, weil in dem alten nur meine Reise durch weil solche Gegenstände in dieser Gegend Holland nach Freiberg benannt ist, ich von Schweden sehr wenig Vorkommen und könnte also in der Gegend von Hannover daher die Reise sehr schnell gemacht wurde“, in Verlegenheit kommen“. Ob dieser notiert Tulla etwas nörglerisch. Auch die Wunsch erfüllt wurde, läßt sich aus den Saline Wallon erhält kein sehr gutes Zeug­ Akten nicht belegen. Der eben erwähnte nis. Man hielt sich l x/2 Tage dort auf, den Brief Tullas vom 12. März läßt auch deut­ größten Teil der Zeit verbrachte Tulla mit lich erkennen, weshalb Tulla zögerte, mit der Aufnahme der Saline, die Tullas Auf­ Langsdorf nach Norwegen zu reisen. Tulla merksamkeit deshalb erregte, weil man aus schreibt nämlich: „Der Herr Rat (Langs­ England importiertes Steinsalz der Sole zu­ dorf) wird sich, zu Ihnen gesagt, sehr auf setzte, um diese hochlötiger zu machen. Von mich verlassen. . . . Ich weiß aber nicht, Wallon ging die Reise über Holmstrandt und ob Herr Rat mich noch so wie in Gerabronn Tramen zu dem Silberbergwerk Kongsberg. behandeln wird, daß er mich bloß als einen Auch an Kongsberg blieb kein guter Faden : jungen Menschen betrachtet, der nur darum „Das Silberbergwerk ist sehr gesunken, mit ihm geschickt wird, um etwas von ihm wirklich hat es 130000 Reichsthaler Zubuße zu erlernen. Geschieht dieses, so werde ich im Jahr, und es ist also eine große Frage, ob mir über nichts den Kopf zerbrechen, was es in die Zukunft mit der Stärke betrieben er für den seinigen in Rechnung bringt, und werden kann“. Da Langsdorf nur U/2 Tage ich werde froh sein, wenn die Reise ein in Kongsberg bleiben wollte, sah Tulla nur Ende hat“. die bei der Stadt liegenden Wäschen und Das war nun freilich recht deutlich ge­ einen Eisenhammer. Zum Einfahren in die sprochen und gab Junker die erwünschte Gruben blieb keine Zeit. Von Kongsberg Gelegenheit, Langsdorf gegenüber Bedin­ reiste man über Tramen nach Christiania gungen, vor allem finanzieller Natur, zu „und kam bei dieser Reise über den be­ stellen. Langsdorf mußte die Reisekosten rühmten Marmorbruch auf dem Paradies­ übernehmen, während die badische Regie­ berg ohnweit Tramen“. In Christiania hielt rung nur die Zehrkosten für ein halbes Jahr man sich einen Tag auf, dann ging die Reise (500 Gulden) zu übernehmen hatte. Diese ohne Aufenthalt nach Kopenhagen. Diese Summe schien den Räten die Möglichkeit Nordlandfahrt schien nur Verdrießlichkei­ wert, Vieles, was in der Markgrafschaft zu ten zu bringen: „Da seit der Zeit, als wir in verwenden sei, an Ort und Stelle zu studie­ Norwegen waren, der große Brand20) ent­ ren. Daß Tulla an der Nordlandfahrt kein stand, bei welchem 940 Gebäude abbrann­ besonderes Interesse hatte, verrät sein Reise­ ten, so machte uns dieses einige Tage Auf­ bericht, der für die Route Freiberg—Schwe­ enthalt in Kopenhagen; es mußte nämlich den—Göttingen (= 78 Tage) nur 3 Seiten, Herr Rat Langsdorf die Lage der Stadt be­ für die Strecke Göttingen—Freiberg (= trachten, um Vorschläge zu künftiger Be- 31 Tage) aber 5 Seiten umfaßt. Danach schützung derselben bei ausbrechendem

402 Feuer machen zu können, besonders da bei demselben hauptsächlich auf die Herbei­ schaffung des Wassers in gehöriger Menge zu sehen ist“. Nach zwölftägiger Reise trafen die beiden in Göttingen ein, unter­ wegs sah man die Saline von Oldesloe („aber nur im Durchfahren“, mäkelt Tulla). In Göttingen trennten sich die Wege. Langs­ dorf fuhr nach Hause, Tulla blieb in Göt­ tingen, sah dort den Mathematiker Kästner, dessen Lehrbücher er benützt hatte, und einige andere Herren, er besah die Instru­ mente des Observatoriums und ließ sich die Modellkammer zeigen. Die nächste Station, Kassel, nötigte ihn zu einigen Tagen Auf­ enthalt, er sah die dortigen Sehenswürdig­ keiten und setzte die Reise über Mühl- hausen-Sondershausen nach Frankenhausen fort. Auch die Saline Frankenhausen erhielt keine gute Note, besser bewertet wurde Artern, „eine Churfürstlich Sächsische Sa­ line“. Bei Artern und Bottendorf sah Tulla die zur Schiffbarmachung der Unstrut an­ gelegten Schleusen, von denen 15 fertig­ gestellt waren. „Von Artern ging ich nach Eisleben und von da nach Burgören, um Erste Topographische Karte von Baden. Von die Feuermaschinen zu sehen. Der Ma­ Tulla revidiert (1812) schinenmeister Richardt zu Burgören ist ein Engländer, ein Mann von vielen mathe­ matischen Kenntnissen, welcher die Teile notierte sich: „Herr Inspektor Senf schließt der Feuermaschinen so genau kennt, als es ungefähr so: In Spanien hat man vierlötige nur immer möglich ist, und der also auch Sole, in Deutschland kann man die Sole bis die Direktion der Maschine vollkommen zu 24 Lot gradieren und dann in die Bassins versteht. Die Dampfmaschine ist so zusam­ lassen; in Spanien hat man demnach auch mengesetzt, daß man wenigstens einige Mo­ einerlei Salzmenge, sehr nahe 76/10mal so nate damit umgehen muß, um die ganze viel Wasser abzudünsten als in Deutsch­ Behandlung und Zusammensetzung zu ver­ land; die größere Hitze in Spanien reicht stehen“. In Halle besuchte Tulla drei Uni­ nicht hin, eine noch einmal so starke Ab- versitätsprofessoren, er sah dort auch die dünstung als in Deutschland zu bewirken, beiden Salzwerke, nämlich die königlich­ also müße man in Deutschland bei übrigens sächsische und die neue pfännerschaftliche gleicher Witterung und einerlei Behältnis Saline. Die nächste Saline, Dürnberg, schien wenigsten 38/10mal so viel Salz machen Tulla besonderer Beachtung wert. Der dor­ können, da aber in Deutschland öfterer tige Salineninspektor arbeitete nämlich seit Regen einfällt, so muß man eine Einrichtung Jahren an dem Problem, „Sonnsalz“ zu ge­ treffen, die Behältnisse schnell und ohne winnen. Tulla inspizierte alles genau und viele Menschen bedecken und wieder auf­

403 decken zu können, damit sich der Regen halten müssen, so stelle man devotest an­ nicht mit der Sole vermische. Ich bin dem­ heim, ob ihm dazu noch 250 bis 300 Gulden nach sehr begierig, ob Herr Inspektor Senf gnädigst verwilligt werden wollten“. In Ab­ seinen Zweck erreicht, es wäre eine sehr wesenheit Karl Friedrichs beschloß der Ge­ große Ersparnis an Brennmaterial auf den heime Rat, Tulla mit 250 Gulden zu ver­ Salinen; aber es entsteht nun die Frage, ob sehen und ihm den weiteren Aufenthalt in das Sonnsalz auch ohne große Unkosten Freiberg zu gestatten. mit der Reinheit zu erhalten ist, wie das in Den Räten in Karlsruhe mochte der Be­ den Loten ? Durch das Sieden sondern sich richt Tullas über seine Nordland-Reise wie die erdartigen Teile aus der Sole, dieses ge­ eine Kunde aus einer anderen Welt Vor­ schieht aber nicht bei dem Sonnsalz, wie sol­ kommen, denn in Karlsruhe hatte man wirk­ ches das Spanische Seesalz deutlich zeigt“. lich andere Sorgen als die Besichtigung säch­ Es folgte noch der Besuch der Saline Kösen sischer Salinen. Am 5. April 1795 hatte („in Absicht der Salzfabrikation etwas weni­ Preußen in einen Separatfrieden mit ger stärker als Artern“). Tulla faßte seine dem republikanischen Frankreich abge­ Eindrücke über den Besuch der Salinen so schlossen. Statt des nun erhofften baldigen zusammen: „Wie wichtig die 3 genannten Friedens am Oberrhein drohten der Mark­ Salinen für Sachsen sind, läßt sich daraus grafschaft Baden neue Schrecken durch den schließen, daß im verflossenen Jahr 1794 neuen Feldzug der Franzosen. Unter Jour- 297 000 Reichsthaler schwer Geld an die dan überschritten die französischen Truppen kurfürstliche Kasse geschickt wurde“. Von den Niederrhein. Düsseldorf ergab sich, am Kösen reiste Tulla nach Freiberg, wo er am 20. September 1795 kapitulierte das kur­ 12. August ankam. Er nahm sofort die Ar­ pfälzische Mannheim. Der Markgraf, in die beit wieder auf, „um die angefangenen und Reichsfriedensdeputation gewählt, begab schon bezahlten Collegien über die Geologie sich an einen vom Kriegstheater abgelege­ und Chemie zu vollenden und sich in dem nen Ort. Am 21. September bevollmächtigte Bergwerksmaschinen- und Salzwerkswesen er das Geheime Ratskollegium, „alle vor noch mehrere practische Kenntnisse zu sam­ den Geheimen Rat gehörigen sowie die meln“ . durch Antrag sonst an ihn selbst gelangen­ Für die Fortsetzung des Aufenthalts in den Geschäfte nach den herkömmlichen und Freiberg, die sachlich gerechtfertigt war, be­ unsern im Ganzen Euch bekannten Gesin­ nötigte Tulla die Genehmigung des Mark­ nungen“ zu erledigen. Deshalb entschied grafen, vor allem brauchte er aber Geld, der Geheime Rat in eigener Zuständigkeit denn seine Barschaft betrug nur noch 6 Gul­ über Tullas Gesuch, den Winter 1795/1796 den. Die Rentkammer berechnete den bisher in Freiberg verbringen zu dürfen. Die Ge­ für Tullas Ausbildung geleisteten Aufwand nehmigung für Tulla ist datiert vom 29. Sep­ auf 2320 Gulden 36 Kreuzer, wozu noch die tember. Nebenbei bemerkt: Tags darauf, 400 Gulden von der Pelkischen Stiftung am 30. September, wurde Reitzenstein, der kamen. Die Rentkammer schloß ihren Vor­ in Basel über einen Separatfrieden zwischen trag: „Von der letzten Reise erwarte man Baden und Frankreich verhandelte, zu des­ die Rechnung noch. Man habe aber bisher sen Abschluß bevollmächtigt21). Ursache gehabt, mit seinen Ausgaben zu­ frieden zu sein, und da er in seiner vorliegen­ Zweiter Aufenthalt in Freiberg den Relation melde, daß er nur noch mit Tulla blieb bis Juni 1796 in Freiberg 6 Gulden versehen sei und wenigstens noch und nützte diese Zeit, um die Kollegien, 6 bis 7 Monate in Freiberg sich werde auf­ die er „nicht hatte aushören können“, nach­

404 zuholen. Bei Lampadius hörte er Chemie und arbeitete zu Hause nach dem Lehrbuch: „Auf diese Art hoffe ich die ersten Gründe der Chemie, insoweit sich solche ohne eigene Versuche erlangen lassen, zu erler­ « H i - * 1 nen“. Die anderen Vorlesungen galten der Theorie und Praxis des Bergbaus. Vor iA f 'l allem beschäftigte sich Tulla mit dem Ma­ schinenwesen und knüpfte freundschaft­ liche Bande zu „dem hiesigen Maschinisten“, dessen Name Tulla nicht erwähnt. Dieser Berechnungen von Tullas Hand (Aus dem vermittelte Tulla die Kenntnis aller in Frei­ Reisetagebuch von 1794) berg vorhandenen maschinellen Einrich­ tungen: Aufbereitungsmaschinen für die meiner Dankbarkeit zu geben und zu zei­ Metallgewinnung, Pochwerke und Wä­ gen, daß auch nach dem Tod meines Gön­ schen, weiter wandte Tulla sein besonderes ners ich mich seiner erinnere“. Um die Interesse der Kraftgewinnung aus dem Jahreswende 1795/1796 begann Tulla mit fließenden Wasser zu. Anlaß bot ihm eine dem Studium der neu erschienenen Kapitel von dem Prager Professor Gerstner neu von Langsdorfs Handbuch der Hydraulik. aufgestellte Theorie der unterschlächtigen Sie umfaßten Stampfmühlen, Pochwerke, Räder, die er hinsichtlich ihrer praktischen Hammerwerke, Wasserräder und Schwung­ Nutzbarkeit in der Markgrafschaft prüfte: räder. Man merkt aus Tullas Anmerkungen, „Ich halte es für sehr notwendig“, so wieviel Freude ihm das Studium dieses schrieb er am 15. Dezember 1795 nach Werks bereitete: „Diese Fortsetzung der Karlsruhe, „mir die hier gemachten Be­ Hydraulik ist ein für das Maschinenwesen obachtungen und Versuche bekanntzuma­ wichtiges Geschenk, denn man hatte bis chen und selbst so viel anzustellen, ohne jetzt noch keine einzige richtige Theorie einige kleine Kosten zu scheuen, als mög­ der Schwungräder, und alle Maschinen, lich, da, soviel mir bekannt ist, in meinem welche durch Wasserräder betrieben wer­ Vaterland ein großer Mangel an Auf­ den, haben durch das Rad selbst ein schlagwasser ist, welcher also um so mehr Schwungrad, welches man vor Zeiten in die vorteilhafteste Einrichtung der Ma­ dieser Rücksicht nicht mit in Betrachtung schinen erfordert. Denn wo man Auf­ gezogen hat, daher mußten aus diesem schlagwasser genug hat, da kann auch — Grund die älteren Berechnungen der mei­ wo nicht immer, doch in vielen Fällen — sten Maschinen falsch sein“. Offenbar hat eine schlecht gebaute Maschine den erfor­ Tulla die soeben theoretisch gewonnenen derlichen Effekt leisten.“ Kenntnisse sofort in die Praxis umgesetzt, Von Freiberg aus reiste Tulla nach indem er Verbesserungen an den Freiberger Böhmen, um einige Bergwerke zu besich­ Wassermaschinen anregte. Hier bewährte tigen. Er nützte diese Gelegenheit, um der sich die Zusammenarbeit mit dem für die Witwe Burdetts einen Besuch zu machen: Maschinen zuständigen „Waschgeschwo­ „Das Andenken an den seligen Major Bur­ renen“ Krumpel (es ist wohl der oben dett, welcher sich so sehr meiner annahm, genannte Maschinist). Diesem Waschge­ ist so sehr in mein Herz geschrieben, daß schworenen, „welcher mir vieles im Prak­ ich nicht unterlassen konnte, der Frau tischen des Maschinenwesens zeigt“, machte Majorin Burdett und dero Tochter Beweise Tulla ein Geschenk von 11 Gulden. Die

405 Höhe der Summe erstaunt etwas, sie wird abgestimmt. Die erste betraf den sog- aber verständlich durch die weitere Be­ Nonnenmattweiher22) bei Neuenweg: schäftigung, die der Waschgeschworene „Es soll in einem Tal, durch welches ein einem Badener widmete. Auf Anordnung Wasser fließt, ein Damm angelegt werden^ der Rentkammer war nämlich der Zimmer­ um ein beständiges Wasserbehältnis zu geselle Künzel nach Freiberg geschickt haben. Man hat bei den stärksten Fluten worden, um dort das Maschinenwesen und bemerkt, daß das Wasser im Tal irgendwo das Modellfertigen zu lernen. Tulla erteilte einen Querschnitt von etwa 200 Quadrat­ dem Zimmermann theoretischen Unter­ fußen bildet und in diesem Querschnitt richt, für die Praxis mußte sich dieser an eine Geschwindigkeit von 8 bis 9 Fußen den Waschgeschworenen halten. Die von in einer Sekunde hat, die man aber zur Künzel gefertigten Modelle wurden nach Sicherheit mit 10 Fußen annimmt. An einer Karlsruhe in die Modellkammer verbracht. gegebenen Stelle soll nun der Damm zu Tullas Gesundheitszustand verschlech­ 10 Fuß hoch und 100 Fuß lang aufgeführt terte sich während des Aufenthalts in Frei­ werden und einen 40 Fuß langen Ein­ berg, so daß er seine Rückkunft verschieben schnitt bekommen, durch welchen die mußte. Auch den jungen Künzel befiel ein stärksten Flutwasser abziehen können. Nach hitziges Fieber, offenbar haben sich die Ausführung des Dammes soll in einer Ent­ beiden die Krankheit zugezogen, als sie fernung von 3000 Fußen vom Damm im die Gruben befuhren. Zum Abschluß fer­ Fall der höchsten Flut die Oberfläche das tigte Tulla noch eine kleine Arbeit für den Wasser nicht höher steigen als vorher da Berghauptmann von Heynitz. Es schloß kein Damm den Abfluß hemmte. Diese sich noch eine Reise nach dem Hammer­ Höhe soll hier die höchste Dammlinie sein werk in Lauchhammer an, wo auf Tulla oder die Horizontalfläche, in welcher die das dort eingeführte Zylindergebläse be­ höchste Dammlinie liegt. sonderen Eindruck machte. Auf Weisung Wie kann diesen Bedingungen ein Ge­ der Rentkammer reiste er Anfangs Juni nüge geschehen ?“ nach Gerabronn, um einige Wochen bei Die beiden anderen Aufgaben betrafen Langsdorf zu bleiben. Langsdorf sollte den Maschinenbau, die eine die für die nach dem Auftrag der Rentkammer die Metallgewinnung notwendigen Pochwerke, Kenntnisse Tullas prüfen und entsprechen­ die andere die Anlegung einer Wasserhebe­ den Bericht erstatten. Vorsorglicherweise maschine. Beide Gebiete hatte Tulla in den hatten die Karlsruher Räte an Langsdorf vergangenen Monaten eifrig studiert, auch noch eine Reihe von Aufgaben geschickt. die wasserbauliche erste Aufgabe machte Diese sollte Tulla unter Langsdorfs Auf­ ihm keine besonderen Schwierigkeiten. sicht lösen. Außerdem mußte Tulla ein Langsdorf sandte die Auflösungen23) nach Gutachten, „Wie der Rhein bei Daxlanden Karlsruhe und bemerkte in seinem Begleit­ (heute ein Vorort von Karlsruhe) in Ord­ schreiben, er könne dem hochpreislichen nung zu bringen sei“, liefern. Dieses ging Rentkammerkollegium „die erwünschte samt einem Situationsplan und einer Bei­ Nachricht devotest abstatten, daß Ingenieur lage zur gutachtlichen Äußerung an den Tulla für alle angewendete Kosten hinläng­ Ingenieur Schwenck und an den Major lich geärndet hat, um in seinem Vaterland Vierordt. Diesem für die praktische Durch­ nunmehr Saamen auszustreuen, der hundert­ führung gedachten Gutachten schlossen fältig Früchte bringt. . . . Mögte das sich drei theoretische Aufgaben an. Auch Badensche Fürstentum mit allen jungen diese waren auf die badischen Verhältnisse Männern so glücklich sein als mit diesem,

406 HLiit Y'u iiilSIi'fÖ-'ÜÄl'tÄ- C AKTil N < v V K (") X I <; R K I < I! 1- R A X K |{ F. I < fl

Blatt 14 der Topographischen Karte des Rheinstroms (1828)

so wird es stolz auf die jungen Männer gelöst, und da Rat und Professor Langs­ sein können, die dem Staat auch durch dorf durch sein eigenhändiges Zeugnis ver­ die höchste Milde des durchleuchtigsten sichert, daß diese Arbeit von Tulla ganz Fürsten erzogen wurden!“ allein ausgearbeitet worden ist, so beweist Die von Tulla vorgelegten Auflösungen dies allerdings, daß dieser junge Mann die der drei theoretischen Aufgaben begut­ vor einigen Jahren von sich gegebenen achtete der Karlsruher Professor Wucherer. Hoffnungen rühmlich erfüllt, die von Er schreibt: „Anliegende drei hydraulisch­ Serenissimo genossene Gnade edel ange­ mechanische Aufgaben sind nicht minder wendet und seines trefflichen Lehrers all­ wichtig als schwierig und beschwerlich in gemein berühmtes Lehrbuch der Hydraulik der Ausarbeitung, völlig dazu geeignet, gut studiert habe. . . . Daß übrigens vor­ einen Mann zu prüfen, der in diesen Wissen­ züglich die erste Aufgabe auch in hiesig schaften seiner Bestimmung gemäß weiter, hochfürstlichen Landen, z. B. bei den Holz­ als Anfangsgründe führen, gegangen ist flößen in der Gernsbacher Gegend, in­ und folglich mehr als bloße Statik ver­ gleichen bei Neuenweg, wo vor etwa 30 stehen muß. Tulla hat ungemein gut auf­ Jahren der zu schwach und niedrig ange­

407 legte Damm am Nonnenmattweiher dem meisten Mitglieder des Rentkammerkolle- ganzen Wiesental die schröcklichste Zer­ giums. Die Prüfung dauerte von 3 bis 6 Uhr störung drohte24), vielleicht auch die dritte nachmittags25). Zunächst mußte Tulla sein bei unserem Bergbau sehr anwendbar sein Reisejournal vorlegen, sodann „sehr viele dürften, sieht jeder Sachverständige von mechanisch, hydrotechnische und hydrau­ selbst.“ Wucherer lobte Tullas Vorgehen, lische von ihm während seiner Reisen ge­ in der dritten Aufgabe die rechnerisch ge­ fertigten Zeichnungen, deren äußerliche wonnenen Resultate höher anzusetzen, um Schönheit, Deutlichkeit und bestimmte An­ damit bei der Ausführung mehr Sicherheit gabe des Erforderlichen, vorzüglich in den zu gewinnen, er begründet (immerhin war Rheinstromkarten und Freibergischen Berg­ sein Gutachten für die an genaues Rechnen werksmaschinen viel Beifall erhielt.“ Pro­ gewöhnten Herren der Rentkammer be­ fessor Wucherer hatte einige Fragen, die stimmt) dies ausführlich: „Sehr gut wurden Tulla mündlich vorgelegt wurden, vor­ einige durch Rechnung gefundene Resul­ bereitet: „Die beiden ersteren wurden so­ tate für den wirklichen Bau größer ange­ gleich mündlich, bestimmt und richtig be­ nommen, da mehrere Erfahrungen lehren: antwortet, die dritte hingegen, deren Auf­ Daß in der Ausführung, vorzüglich wegen lösung ungleich mehr Zeit erfordert, wurde der Friktion und anderer im Calcül un­ ihm zur schriftlichen Beantwortung nach möglich ganz genau bestimmbare Um­ Hause gegeben und er, dieselbige dem- stände die Sicherheit des Erfolgs ratet, nächstens zu liefern, angewiesen.” Die lieber ein etwas vergrößertes Resultat zu Durchsicht der Zeichnungen nützten Vier­ gebrauchen. Genug, daß uns der Calcül ordt und Schwenck zu Fragen nach der die kleinste Grenze, theoretisch wenigstens, praktischen Ausführung der Entwürfe, ziemlich nahe bestimmt und also oft viele während Hofrat Wucherer die Gelegen­ hundert kostspielige Versuche weniger heit ergriff, „die theoretischen Einsichten nötig macht.“ Wir finden also in dieser des jungen Mannes in bezug auf diese Äußerung Wucherers schon beschrieben, Arbeiten zu untersuchen“. Am Schluß des was später Tullas Tätigkeit besonders aus­ Prüfungsprotokolls bestätigen die drei Exa­ zeichnen sollte: die genaue Berechnung auf minatoren: „Nach diesem Erfund nehmen dem Papier anhand aller nur greifbaren wir keinen Anstand, untertänigst zu ver­ Daten und die Übertragung der gewon­ sichern: Daß der Examinandus die schon nenen Resultate, die um einen gewissen durch seine von Zeit zu Zeit eingeschickte Sicherheitsfaktor vermehrt wurden, in die Specimina, vorzüglich aber durch das Praxis. Dies klingt heute, da jeder Bauherr Letzte, mit Rat Langsdorfs Bemerkungen weiß, daß der von ihm beauftragte Statiker begleitete von sich gemachte gute Hoffnung einen Sicherheitsfaktor einkalkuliert, wie nicht getäuscht, sondern ehrlich erfüllt und eine Binsenwahrheit. Das Korreferat er­ in Theorie und Ausübung seiner zum Dienst stattete Professor Böckmann, der sich zu des Vaterlands nötigen Wissenschaften sich dieser Zeit in Ansbach, wohin man ihm schöne, sehr brauchbare Kenntnisse er­ Tullas Arbeiten sandte, aufhielt. worben habe.“ Schließlich mußte sich Tulla noch einem Für dieses Examen hatte Tulla eine sechs­ mündlichen Examen stellen. Es wurde am seitige Zusammenfassung seiner mathe­ 19. November 1796 auf dem Kammer- matischen Beschäftigungen und Studien in Sessionszimmer abgehalten. Prüfer waren der Zeit seiner Abwesenheit von Karlsruhe Professor Wucherer, Ingenieur Schwenck geliefert. Man hätte meinen dürfen, nach und Major Vierordt. Anwesend waren die der Lektüre dieses Berichts und nach dem

408 Ergebnis des Examens hätten die Rent- kammerräte ungesäumt beim Markgrafen Tullas Anstellung beantragt. Weit gefehlt. Zunächst mußte Tulla noch die von Hof­ rat Wucherer ihm gestellte Aufgabe lösen. Tulla bezog während der dem Examen fol­ genden Monate kein Gehalt, so daß er sich gezwungen sah, wegen der Ausrüstung mit Zeichenmaterial bei der Rentkammer vorstellig zu werden. Im Januar 1797 wurde ihm auf Ansuchen ein Vorschuß von 66 Gulden „auf seinen zu hoffenden Gehalt“ gewährt. Die von Tulla in den ersten Januartagen vorgelegte Arbeit über die Sägemühlen, Steinschneidemühlen und Bohrmühlen mit 72 Seiten Umfang26) fand sowohl die Zustimmung des Karlsruher Hofrats Wucherer als auch die des Ans- bacher Professors Böckmann. Daß Tulla sich, schon wegen der Kürze der zur Ver­ fügung stehenden Zeit, aber auch aus wirt­ schaftlichen Rücksichten auf die bloße Ausschnitt aus der Noblat'schen Grenzkarte von 1770 über die Grenze zwischen Haltingen und Berechnung beschränken und auf Versuche Großhüningen verzichten mußte, bekümmerte besonders Wucherer, der zu dem Problem der zweck­ mäßigen Gestaltung der Zähne an den in b) die größte möglichst vorteilhafte Tiefe den Sägemühlen zu verwendenden Sägen jedes einzelnen Schnitts, meinte: „Möchte doch die Lage des Vater­ c) die Zeit, in welcher eine bestimmte Quan­ landes den besten Fürsten bald in die Um­ tität Holz von bestimmter Qualität ge­ stände versetzen, welche, wie sonst oft schnitten werden kann, geschehen, ernste Versuche im Großen entschieden oder doch sicherere Data dem zum Besten des Landes erlaubten. Dann höhern Calcül verschaffen würden. Denn könnte vielleicht von diesem geschickten von Versuchen mit Menschen (am wenig­ jungen Mann dergleichen an einer in Dur­ sten mit herrschaftlichen Tagelöhnern) an­ lach neben der oberen Mühle schon mehrere gestellt, läßt sich vom Eindringen der Jahre müßig stehende Sägemühle ohne Sägen wohl schwerlich sicher auf das näm­ große Kosten angestellt werden, da be­ liche Eindringen schließen, wenn die Säge kanntlich das von Menschenhänden gesägte von einer leblosen Kraft bewegt wird.“ Bauholz hier nicht wohlfeil ist. Dann ließen Nach Vorliegen aller gutachtlichen Äuße­ sich vielleicht die Fragen zum Vorteil der rungen wurden sämtliche Prüfungsakten Wissenschaften und des gemeinen Lebens und die Arbeiten Tullas dem Markgrafen mit größerer Zuverlässigkeit entscheiden, vorgelegt. Dieser ließ sie der Rentkammer welche zurückgehen mit der Bemerkung, er habe mit besonderer Zufriedenheit ersehen, daß a) die Friktion der Säge und die beste Ge­ seine landesväterliche Milde von Tulla zum stalt ihrer Zähne, künftigen Nutzen des Vaterlandes wohl

409 übrigen Lagen ist der Windstoß schiel und .Arhcta t?. der Anstoßwinkel wächst von 0 bis 90° ^ u * ' . ' f t i . IIIIII fiit A C JK I-K itiititi. .V ja i ix ,>111att* und nimmt von 90° wiederum bis 0 ab.“ .Vaxi mai.v Uv, (lai'u nx xiia ;i,c iiu (K. , n .'ait.v Auch am Rhein sah Tulla manches Interes­ uit bui, pim 'tiK ut. 0 , j.' 11.. i j- tu. i'c i i i a i i t i u u. ix v tiv ifti- sante, so die Uferbekleidungen mit Kalk­ uuci.vu'tiiieii, ta l,u|ula-,iJattuit. tc xm i tuffstein, die aber Tulla wegen der Leichtig­ , 1 cf L. t fj 11_ . I 11 .j f 111 < u ‘..I aco. bf ii j, C t a t X. •• ly t f j u , keit und Porosität der Steine als nicht dauer­ .V ct.v l'.x.va nx. jaii uficm . tuic bti|iiuu|lulu iiuxtf ,jlii haft ansah. Bei der Rheinvermessung achtete |I( U ltllC il.A U tlltiu-, |l’l.r ' schwimmen. Diese Stangen waren in ver­ Uiliitfi-.uiiiuitU', :f.' p,i 111',',”'. schiedener Länge vorhanden, so daß man . O illl.t M ^'.lllIHVl UUIItiHl . tu C. t'll l II U f f ta n , die Geschwindigkeit in verschiedenen l•.u11■.u hu px.'|ii, .11111\ul Je ti^iu*,v tV lujulaiiaatm u Stromtiefen messen konnte. Tulla fand i^ut 111 fi-.u tiaat aiwc l:ut

412 111 U M O \ söcrchiiguncj D EL W ILLE DE KEHL ^ c r 6 t fl M $ ( lj l E t de scs dependances, au territoire UnD km kwon fl^ilngiucn ©ekef mit km de VEmpire francais. St’rriforiuin k* fraiijöiifcfp Meines.

I . 1 Commissaire t . u le Croiseiilcr kiKtmfdKn 'SXUMrtfttKMS, du Bas - R hin, Comniaudant iu Legion dltoaueur, en CommuiiiMntfn Prr (S?ä»rfl!* /&flf jiftf Gomimffartnä, in ©cfelge Irr 3m «uL des in»tructions de KxcelJcnoede 1c- M inistre de rinieric-ur, cotM-quc-iice de leurs tietioi ©ftner lör«8fm k$ iUlinttlcti k* 'jntirtn, 3&m 6rr«if«istn kfi ©tojl- Exrelleutes le G rand-.lugeSou MinUtre de la ju-tioe et 1c M iniüre k t.itrrrp , 3?{in<|?crs k r (b cred jttg fn t, uttb k $ S m a iij; tk im iiirs .- «mb fra ft b rr ttoit fiuaaccs. et en vertu des pouvoirs deiegues par le Consviiier d'Ltat km «Staats ?Jatf> 'lü.iffftcn k s 91tckr TSkim ffkn ^Departement« klegirtrn TioU- Prüfet du Bay-Itliin, prodam e le Se«atu>-cornuitc dor« la teucur suit: m ad itn i , p reflan u rt k n © en attSrU p niitlr, k ffe n '3 n l)a lt fp % e n k r SOlafien la u t e t : Ä'xr/it/r du Scnalm-votmdfe. du 21 Jan vier i#o8. ©efr<4 VIII de i acte de» oieU tulna.t de Lin !1; kstnmitcn 2itiä,at)l penantinrlt, \ u le prs‘;cJ du Nu-Mus-cor-sehr orgntiüjiio, retlige rn la forme prescrite par i’ar- ?iacp P « ; iu Per Pur* Pett 2lrtifef t.v t l Pc« organiftfcen <2m at«--Gi!fult«. oom »f tm tii.ie :>j du St nalu'xtjnsidie orgaui ju e , du i0 Thermidor an n>; SbeeniiPcr X- uorgfiitsricPenm 'Jorm - »rrfagten prijnniftkn 0oiais> ‘SroidtS ; Aprtts *vt)ir eniendu, sur lr-s motif« dwdit projef, los oraüurs du Gouvernement ?la * Slnberimg t-er 31r {*mim,! «om it.trn bitini TOon.itbs ernannten flm taO Soium ürtoit; Dekret Napoleons vom 22. Januar 1808 über die Vereinigung von Kehl mit dem Französischen Kaiserreich.

365 Gulden für dieses Jahr zu erhalten habe. Die Wasser- und Straßenbauverwaltung Da er darauf nur 282 empfangen hatte, in Baden standen ihm noch 83 Gulden zu. Zwei Verhältnismäßig spät hat Markgraf Karl Tage später wies man ihm diese 83 Gulden Friedrich, der — wie oben erwähnt — an. Vom 8. November 1797 datiert die dem Fortschritt der Wissenschaften großes Signatur, mit der Tulla, wirksam vom 23. Interesse widmete, dem Wasserbau durch Oktober 1797 an, als Ingenieur mit dem organische Einfügung in die Verwaltung Rang eines Rechnungsratsadjunkten in die ihm zukommende Stellung gegeben, markgräfliche Dienste aufgenommen wur­ nämlich erst 1789.31) Dies verwundert, be­ de. Seine Bezüge waren 400 Gulden in denkt man, daß die Markgrafschaft auf Geld, 2 Malter Roggen, 8 Malter Dinkel weiten Strecken Anlieger am Rhein war und 8 Ohm Wein II. Klasse. und Flüsse wie Alb, Dreisam, Elz, Enz, Mit dieser Signatur, deren von Karl Murg, Nagold, Oos, Pfinz und mark­ Friedrich Unterzeichnete Ausfertigung noch gräfliches Territorium berührten. Aber erhalten ist33), und mit dem Auftrag, die gerade in diesem „Berühren“ mag mit ein Rheinbauarbeiten auf den Gemarkungen Grund dafür liegen, daß der Wasserbau der zum vormals baden-badischen Oberamt in der Markgrafschaft nicht sonderlich Rastatt gehörenden Gemeinden zu ver­ florierte: Infolge der territorialen Zersplit­ sehen, war Tulla am Ziel seiner Wünsche: terung konnten an keinem Fluß durch­ im markgräflichen Dienst, als markgräf­ gehende Arbeiten vorgenommen werden, licher Beamter am Rhein tätig zu sein. weil stets mehrere Landesherrschaften eifer- - y f y r r T Straßenbau war seit 1775 einer besonderen. £ General-Straßen-Inspektion zugeteilt.. Of­ »I f l’ f r n nl'ü oft. fenbar erkannte man 1796, daß eine weitere . Abtrennung des Straßenbaues nicht an­ gängig war. Man bildete daher eine aus ^ITI !ij;

414 wesm zu versehen. Ihr war zugleich die (Dharadministration der Chaaassee-, Brük- U « b e t ;ken- und Weggelder übertragen. Diese Kommission ttrat nie in Funktion, die auf BiTS? b i e iden Wasser- and Straßenbau bezüglichen «Geschäfte besorgte das Ingenieur-Departe- :meait, dem tan Oberlandesängenieur (der (Oberst;, später: General Vierordt)35) Vor­ von stand. Ihm untergeordnet war ein Ober- feinem SuSfrttt au§ bet ©cfweifc dngenieur, nämlich Tulla, der 1803 zum iHaiaptmann und Oberingenieur ernannt b»3 ju wurde. 1804, nach Vollendung der admini­ feinem (Eintritt in baS © rc§|erjogt^um strativen Angelegenheiten, wurde Tulla die feilen. Oberleitung des gesamten Flußbaues über­ tragen. Damit \waren alle im Kurfürstentum Baden anfallenden wasserbaulichen Ange­ legenheiten im ceiner Hand vereinigt, ohne 3 . ©. SEsIL, Rücksicht darauf, ob sie die ehemalige © »g fen w stf* 'BabK&m D&trff imb öf>ee ■- • uttb € m $ m < 33au i Shttcfer / Sitter fcti &tnfftrli<ö SuiTifdjtn £ t. SBUbtmir • unb bc? £&nfaL

Matkgraf&chaft Baden-Baden oder die neu 58aJ!rif«fe«B DrbenS 6er Ä rene. ^gefallenem Lande, etwa Hanau-Lichten- heeg, betrafen. Tatsächlich galten Tullas Bemühungen gleich in den Jahren 1803 und 1,8114 vorzüglich dem Rheinbau in dem I Q t I § f U ^ f, eiben badisch gewordenen hanau-lichten- gebtuät in gr. 4>ofbud?&tUifm?. bergischen Gebiet gegenüber Straßburg, i 8 i 5. wo bisher noch nie durchgreifende Arbeiten Titelblatt der Denkschrift Tullas von 1825 möglich gewesen waren.

Der Rheinbau vor Tulla Zustandekommen konnte. Im 18. Jahr­ Die Ansicht, es seien erst unter Tulla hundert gelang es dem Markgrafen Karl wasserbauliche Maßnahmen am Rhein er­ Friedrich, sich nach den Zerstörungen griffen worden, trifft nicht zu36). Wie oben durch das Hochwasser von 1778 mit Frank­ schon beiläufig ausgeführt, waren durch­ reich über Rheinbauarbeiten zu verstän­ greifende Maßnahmen nicht möglich, weil digen. Für die auf baden-durlachisches Ge­ es an einheitlicher Leitung und an einheit­ biet fallenden Arbeiten berechnete man licher Verfügungsgewalt fehlte. Wenn man 128 000 Gulden, für das ehemals baden­ bedenkt, daß die seit 1806 ganz badische badische Gebiet 86 000 Gulden. Man erließ Uferstrecke des Rheins zu Anfang des 19. 1779 eine Rheindeichordnung und grün­ Jahrhunderts außer dem Gebiet der badi­ dete eine Flußbau-Amortisationskasse, die schen Markgrafschaft noch die Territorien bis 1826 bestand. Aus ihr flössen die be­ der Hochstifter Basel, Speyer und Straß­ nötigten Geldmittel für die Arbeiten, die burg, von Vorderösterreich, der Kurpfalz sich trotz weiterer Übereinkünfte von 1786 und der Herrschaften Lahr und Hanau- und 1791 lang hinzogen, länger als ver­ Uchtenber-g berührte, ist leicht einzusehen, anschlagt. Solange diese Arbeiten nicht daß ein einhaitJicher Rheinbau bei derart beendet waren, konnte an eine Besserung vielen entgegengesetzten Interessen nicht der Verhältnisse in den badischen Gemein­

415 den, die furchtbar unter den Überschwem­ gesichts seines Interesses, die wirtschaft­ mungen des Rheins litten, nicht gedacht lichen Belange seiner Untertanen zu för­ werden. Es verwundert daher nicht, daß dern (und die Sicherheit des Grundeigen­ der Pariser Separatfriede vom 22. August tums vor den verheerenden Hochwasser­ 179 637), es wurde seiner oben schon kurz fluten förderte die wirtschaftlichen Be­ gedacht, neben den politischen und mili­ lange!), waren die Grundzüge, denen die tärischen Artikeln auch zwei auf den Rhein­ badische Politik in den zehn Jahren nach bau bezügliche Paragraphen aufwies, die dem Abschluß des Separatfriedens von 1796 Artikel 7 und 8: zu folgen hatte, gegeben. Nach außen: Ge­ 7. Jedem Teil bleibt frei, diejenigen Arbei­ winnung einer möglichst langen, zusam­ ten an den Rheindämmen, die er für Er­ menhängenden Strecke des Rheinufers un­ haltung seines Gebiets als nötig erachtet, terhalb Basel als Grenze gegen Frankreich, vornehmen zu lassen, so daß es dem ent­ nach innen: Sicherung der vom Rhein be­ sprechenden Ufer nicht schadet. drohten Landstriche vor Hochwasser und 8. Auf dem rechten Rheinufer wird ein Sicherung einer bestimmten Linie als Gren­ Streifen von 16 Fuß Breite für den Lein­ ze gegen Frankreich. Denn bei allen Über­ pfad freigegeben. legungen, die bisher nur dem Hochwasser Dieser Vertrag brachte nun freilich nicht galten, haben wir versäumt, zu betonen, den Beginn neuer Arbeiten am Rhein, daran daß jedes Wegreißen von Land durch war unter den gegenwärtigen kriegerischen Hochwasser eine Veränderung der Grenzen Verhältnissen und bei der Knappheit der und sehr oft eine Minderung des Besitz­ Geldmittel nicht zu denken. Er veranlaßte standes der Markgrafschaft brachte. Wei­ aber, was vielleicht noch wichtiger war, teres Ziel mußte also die Festlegung einer daß sich die markgräflichen Instanzen noch Grenze, die keine Rücksicht auf den wech­ mehr, als dies bisher geschehen war, theore­ selnden Flußlauf nahm, sein. tisch mit den Problemen des Rheinbaues Damit waren für den badischen Wasser­ beschäftigten. Sieht man dies so, wird man bauer, und als solcher allein fühlte Tulla die Aufwendungen für die Ausbildung sich bei seinem Eintritt in das Ingenieur­ Tullas voll würdigen, man wird aber auch korps, die Aufgabe gestellt: Erarbeitung weiter verstehen, daß Karl Friedrich Z u ­ der theoretischen Grundlagen für einen sehen mußte, ein möglichst langes und vor Rheinbau, der das Grundeigentum vor allem zusammenhängendes Stück des Rhein­ Hochwasser schützt und den Umfang des ufers als Grenze seines Landes gegen Frank­ markgräflichen Territoriums durch Fest­ reich in seine Verfügungsgewalt zu be­ legung und Einhaltung der Landesgrenze kommen. Gewiß mögen militärische Über­ sicherstellt. Nach allgemeiner Ansicht war legungen die badische Politik der nächsten das eine technische Aufgabe, die durch Jahre beeinflußt haben, aber angesichts des Beobachtungen in der Natur, durch Be­ übermächtigen französischen Nachbarn und rechnungen und Vermessungen gelöst wer­ vor allem nach dem Auftreten Napoleons den konnte. In dieser Richtung gingen seit konnte Baden nicht mehr an einen eigenen 1797 zunächst auch Tullas Arbeiten. Sie Militärschutz seiner Westgrenze denken; erweiterten sich aber in ungeahntem Maß was von der Hilfe der anderen Glieder des dadurch, daß Tulla auch bald, eigentlich Heiligen Römischen Reichs und von der gegen seinen Willen, am Verhandlungs­ Hilfe dieses Reichs selber zu hoffen war, tisch der Diplomaten Platz nehmen mußte, erwiesen die nächsten Jahre: nichts. Bei nicht als technischer Berater allein, sondern Karl Friedrichs praktischem Sinn und an­ auch als Verhandlungsführer, schließlich

416 sah sich Tulla noch gezwungen, die von ihm als richtig erkannten Prinzipien einer weiteren Öffentlichkeit zu propagieren. Damit sind die drei Aufgaben Umrissen, die Tulla in den dreißig Arbeitsjahren zwi­ schen seinem Eintritt in das Ingenieurkorps und seinem Tod zu bewältigen hatte. Sie lassen sich chronologisch nicht trennen, da sie sich gegenseitig überschneiden (so mußte Tulla gerade in den Jahren diplo­ matischer Verhandlungen sich besonders der Vermessung widmen, gleichzeitig mit den praktischen Versuchen am Rhein mußte er das betreiben, was heute als „Öffentlich­ keitsarbeit“ bezeichnet wird). Bewunderns­ wert bleibt, wie Tulla sich diesen Aufgaben gewidmet hat und sie dank seiner Zähigkeit bewältigte.

Tullas Tätigkeit 1797—1801 Wir haben, wegen der Schilderung der badischen Behördenverhältnisse und wegen Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner der Überlegung, welchen Aufgaben sich Tulla gegenübergestellt sah, der chronolo­ wendige Leben, das er, immer unterwegs gisch aufzählenden Schilderung von Tullas zu seinen Baustellen, führen mußte, konnte Leben etwas vorgegriffen. Dies war nötig, durch die ihm ausgeworfenen Diäten nicht um die Umstände zu schildern, die Tulla gedeckt werden. Mehrfach hat Tulla, meist bei seiner Rückkehr in die Markgrafschaft vergeblich, der Rentkammer vorgerechnet 1797 antraf, und um die Umstände zu er­ und durch Rechnungen belegt, daß es un­ läutern, unter denen er in der Markgraf­ möglich war, in diesen teuren Zeiten im schaft, ab 1803 im Kurfürstentum, ab 1806 Wirtshaus zu essen und zu logieren und im Großherzogtum Baden zu arbeiten noch für das Reitpferd aufzukommen, hatte. In Karlsruhe kannte sich Tulla aus, wenn er nicht endlich den anderen ihm hier war er zur Schule gegangen, hatte hier Gleichrangigen in den Diäten gleichgestellt seine Lehrer, seine Gönner (wie den Mark­ werde. Wie umständlich die Beaufsichti­ grafen Karl Friedrich), seine Freunde (wie gung der Faschinenleger war, schildert Johann Peter Hebel) und seine Feinde (wie Tulla in einer Eingabe vom 20. Juni 1799. Friedrich Weinbrenner, den berühmten Um von einem Ort zum ändern zu kommen, Architekten). Tulla war rastlos bemüht, war er genötigt, „Fronpferde zu nehmen, auf Inspektionsfahrten seinen erweiterten auf welchen man bei den meistens schlech­ Dienstbezirk immer besser kennenzulernen. ten Wegen und zur Nachtzeit den Hals zu Gerade diese für den Wasserbauer unerläß­ brechen in Gefahr ist, nicht aus dem Weg lichen Reisen, die keineswegs Vergnü­ kommt und füttern muß. Bei allem diesem gungsfahrten glichen, bereiteten Tulla viel geben die Untertanen ihre Pferde zu solchen Verdruß. Die Anstellung brachte ihm wohl Verrichtungen nicht gern her, welches ihnen den Titel eines Ingenieurs, aber das auf- nicht übel zu nehmen ist.“ Tulla schaffte

417 sich daher eine Chaise an (er schreibt: king, der anfangs Mai 1800 dem Rent- „Gutsche“), denn zum Vorspann bekam kammerpräsidenten schrieb, er wolle im er in den zum Frondienst verpflichteten Sommer nach Frankreich reisen, man möge Orten eher geeignete Pferde als zum Reiten, Tulla beauftragen, ihn zu begleiten. Wieder außerdem ermöglichte eine Chaise die Mit­ stand in dem Schreiben zu lesen, welche nahme der Instrumente, die Chaise bot den Vorteile für Tulla und die Markgrafschaft Instrumenten auch bei schlechtem Wetter von dieser Reise zu erwarten seien. Vier­ Schutz. Da praktisch alle Rheinbauarbeiten ordt, um sein Gutachten befragt, antwor­ während der Herbst- und Wintermonate tete, es sei freilich wünschenswert, wenn ausgeführt wurden, sah sogar die Rent­ Tulla in Gesellschaft des „geschickten“ kammer die Notwendigkeit einer Kutsche Wiebeking nach Frankreich reisen könne. ein und bewilligte das Kutschengeld. Vierordt wisse dagegen nichts einzuwenden Immer bestrebt, sich fortzubilden, hatte „als: Tulla erkannt, daß es für ihn sehr hinder­ 1. daß der Ingenieur Tulla aus verschie­ lich war, die französische Sprache nicht denen Gründen nicht wünscht, diese Reise fließend zu sprechen. Es war ihm so der mitmachen zu müssen“. direkte Kontakt mit den französischen 2. habe Tulla zu wenig Kenntnisse der Fachkollegen unmöglich gemacht, die fran­ französischen Sprache, zösische Fachliteratur konnte er nicht recht 3. sei es fraglich, ob man Tulla bei den verfolgen und außerdem ließ sich allmäh­ gegenwärtigen kriegerischen Unruhen auf lich absehen, daß künftig technisch ge­ so lange Zeit entlassen solle, bildete Fachleute, nicht mehr die Diplo­ maten allein, die Verhandlungen mit den 4. sicherlich werde diese Reise „ziemlich französischen Behörden über Rheinbau­ kostbar ausfallen“. angelegenheiten zu führen hatten. Daher Die Rentkammer sah sich in einer eigen­ befürwortete Vierordt im Dezember 1797 artigen Lage. Sie mußte dem Markgrafen, wärmstens ein Gesuch Tullas, ihm Urlaub dem bekannt war, daß für Tulla das Reisen zur Erlernung der französischen Sprache eine Notwendigkeit bedeutete, vorschlagen, in Lausanne zu geben. Er habe Tulla selbst dem Wunsch Wiebekings nicht zu entspre­ „zu diesem Schritt encouragiert“, so ließ chen. Tatsächlich erging unter dem 26. Mai sich Vierordt gegenüber der Rentkammer 1800 die Resolutio Serenissimi, daß der vernehmen, man solle aber die Reise auf Wunsch des Rats Wiebeking „auf schick­ die Sommerszeit verschieben, wenn im liche Art“ abgelehnt werde. Sofort setzte Rheinbau ohnehin nicht viel zu machen der Rentkammerpräsident in einem diplo­ sei. Die geplante Reise nach Lausanne kam matisch abgefaßten Schreiben den Rat nicht zustande, aus welchen Gründen, ist Wiebeking von dem Wunsch des Mark­ den Akten nicht zu entnehmen. Vermutlich grafen in Kenntnis. fehlte es am Reisegeld, außerdem waren die Im übrigen nützte Tulla seine Zeit zur Zeitläufte so unsicher, daß Tulla an Reisen Sammlung von Material für eine Korrek­ nicht denken durfte. tion des Rheins. Dies bedeutete zunächst Auch eine andere Reise kam nicht zu­ die Schaffung zuverlässiger Pläne. Zwar stande, nämlich eine Reise nach Frankreich, hatte es auch schon in früheren Jahren um dort die Kanäle, die Seehäfen und son­ Karten, auf denen der Rheinlauf einge­ stigen Wasserbauwerke zu besichtigen. tragen war, gegeben. Diese Karten, etwa Diese Reise hintertrieb Tulla. Der Reise­ die berühmte Rheinkarte im Badischen plan war nämlich ausgegangen von Wiebe­ Generallandesarchiv von 159038), zeigten

418 jeweils nur den augenblicklichen Lauf des und bat ihn, die Nachricht über dieses Rheins, denn der Rhein veränderte alljähr­ dampfgetriebene Schiff an die englische lich die Landschaft. Auch die in den Jahren Admiralität gelangen zu lassen. Hierfür 1770—1780 entstandenen Karten der Gren­ wurden die Dienste des Hamburger Agen­ ze zwischen der Markgrafschaft und dem ten Weinhard in Anspruch genommen. Ihm Königreich Frankreich, nach dem franzö­ wurde die Beschreibung zugesandt, aber sischen Ingenieur, der sie ausarbeitete, von der ganzen Sache war nie mehr die Noblat’sche Karten genannt39), entsprachen Rede. Dies ist einigermaßen verwunderlich bei weitem nicht den Anforderungen, die und hat zu allerhand Spekulationen Anlaß der Wasserbauer an sie stellte. Tulla mußte gegeben. Heinrich Cassinone spricht gar also zuerst Vermessungsarbeiten leisten, im davon43), daß andere Erfinder die Vor­ Verlauf dieser war ein neues Maßsystem arbeit ausgenützt hätten. Valdenaire meint, einzuführen40), um die bisher zersplitterten wären Tullas Ideen „praktisch verfolgt Maßsysteme auszumerzen und einheitlich und ausgeführt worden, würde ihm sicher­ mit dem kaiserlichen Frankreich rechnen lich der Ruhm eines Erfinders des Dampf­ zu können, die in vielen Jahren gewon­ schiffes zuteil geworden sein“. Wir können nenen Hoch- und Niedrigwasserwerte41) diese Frage hier nicht entscheiden, es ist mußten zusammengestellt werden, Ergeb­ auch nicht möglich, zu sagen, ob die von nisse praktischer Versuche, etwa die Anlage Tulla angestellten Erwägungen tatsächlich von Faschinaden, waren zu prüfen. So hatte den Bau eines Dampfschiffs ermöglicht Tulla in den Jahren, die für Europa so hätten. Sicherlich wäre es schön, Tullas wichtige Änderungen brachten, vollauf in Verdiensten auf mancherlei Gebieten auch seinem Fach, dem theoretischen Wasserbau, den Ruhm, Erfinder des Dampfschiffs zu zu tun. In das Jahr 1799 fällt eine Sache, sein, anzureihen. Dies ist aber nach Sach­ die trotz aller Bemühungen noch nicht völ­ lage nicht möglich. Es soll daher hier der lig aufgeklärt werden konnte: die Vorlage von Tulla verfaßte Text der Beschreibung der Beschreibung eines mit Dampf ge­ folgen: triebenen Schiffes durch Tulla an die Die Schwierigkeit, bei konträrem Wind Britische Admiralität. und Strom auf der See und auf Flüssen zu segeln, veranlaßte mich, auf eine Einrich­ Das von Tulla projektierte Dampfschiff tung zu denken, durch welche man in den Arthur Valdenaire42) erwähnt das Vor­ Stand gesetzt wird, dem Strom und dem handensein der von Tulla ausgearbeiteten Wind in gerader Richtung entgegen zu Pläne eines mit Dampf getriebenen Schiffes, fahren. Durch anhaltendes Nachforschen freilich ohne Vermerk, wo sich diese Pläne gelang es mir auch, eine Einrichtung eines befinden. Trotz aller Bemühungen ist es Schiffes zu erfinden, durch welche man nicht gelungen, in den Beständen des Badi­ nach einer jeden beliebigen Richtung fah­ schen Generallandesarchivs oder in den ren kann, freilich mit mehr oder weniger Planbeständen der Oberdirektion des Was­ Effekt, je nachdem der Wind oder die ser- und Straßenbaues derartige Pläne auf­ Strömung mehr oder weniger der Fahrt zufinden. Auch in Tullas Nachlaß, der nach entgegengesetzt ist. Die Theorie dieser seinem Tod Stück für Stück aufgenommen neuen Einrichtung eines Schiffes beruht wurde, fanden sich diese Pläne nicht. So auf mathematischen Lehren und ist daher sind wir angewiesen auf die Beschreibung, ebenso wahr wie diese. So überzeugt ich die Tulla selbst gibt. Tulla trug die Sache übrigens von der Anwendbarkeit meiner am 2. Oktober 1799 dem Markgrafen vor Erfindung bin, so muß ich doch gestehen,

419 daß ich nicht glaube, daß allen Schiffen Maschinen zu erleichtern, befaßt hat. Im diese Einrichtung gegeben werden könne, Jahr 1825 plante Tulla den Einsatz von daß aber damit nachfolgende große Vor­ Dampf baggern. Mehrfach berichtete Tulla teile erreicht werden können: seinem Freund Kröncke über durch mit 1. Kann ein solches Schiff 2ur Ein- und Pferdekraft angetriebene Schöpfwerke. Ausführung großer Schiffe in Seehäfen bei Im Juli 1800 beantragte Tulla die Ge­ konträrem Wind, indem das zu führende nehmigung eines mehrwöchigen Urlaubs Schiff an ersteres angehängt wird, gebraucht zum Gebrauch des Teinacher Bades, da werden, weil man des Lavierens überhoben seine Gesundheits-Umstände „durch viele ist. sitzende Lebensart etwas Not gelitten 2. Kann dieses Schiff als Postschiff bei kon­ haben“. Der Urlaub wurde erteilt, Tulla trat die Reise „zu dem im Ausland ge­ trärem Wind und Strömung und legenen Bad“ in Begleitung seines Vaters 3. auf Flüssen zur Führung mehrerer an. Im September des gleichen Jahres reiste Frachtschiffe und großer Flöße mit größtem Tulla ins Oberland, um dort seine Ver­ Nutzen gebraucht werden. wandten, die er seit 12 Jahren nicht gesehen Nach einer von mir angestellten Berech­ hatte, zu besuchen. nung können auf dem Rhein, dessen Ge­ schwindigkeit per Sekunde 5 englische Fuß Reise nach Frankreich 1801—1803 beträgt, wenigstens 5 Frachtschiffe, von Die oben schon erwähnte Notwendigkeit welchen sonst jedes 4 bis 5 Pferde erfor­ für Tulla, sich der französischen Sprache dert, mit einer Geschwindigkeit von 2 Fuß ganz mächtig zu machen, erkannten der per Sekunde gegen den Strom geführt Kammerrat Junker und der Oberlandes­ werden, und ich sage nicht zuviel, wenn ingenieur Vierordt als besonders dringend, ich behaupte, daß unter gewissen Um­ nachdem abzusehen war, daß sich die ständen auch 8 solcher Frachtschiffe ge­ Machtverhältnisse am Oberrhein immer führt werden können. mehr zu Gunsten von Frankreich etablier­ Der Erfinder dieser neuen Einrichtung ten. Vierordt ermunterte Tulla daher im frägt zuerst bei Einer Königlichen groß­ Frühjahr 1801,44) den Plan zu einer großen britannischen Admiralität an, welche Be­ Frankreichreise zu entwerfen und um die lohnung ihm für die Eröffnung seiner Er­ Genehmigung hierzu beim Markgrafen findung ausgeworfen werde, wenn solche einzukommen. Tulla hat sich anscheinend nach einem gemachten Versuch den in dem zuerst nicht gerne an diesen Plan gemacht, angeführten Fall angegebenen Effekt oder, es fehlte ihm derart an Geld, daß er es unter anderen Umständen, einen demselben nicht über sich bringen wollte, wegen einer proportionalen leistet. Reise nach Frankreich und wegen eines Karlsruhe, den 2. Oktober 1799 Aufenthalts zu Sprachstudien entweder in Frankreich oder in der welschen Schweiz Joh. Gottf. Tulla Geld aufzunehmen. Dem auf Vierordts Markgräfl. Badischer Ingenieur. mündlichen Auftrag hin eingereichten An­ trag vom 18. Mai 1801 fügte Tulla daher Es ist heute nicht mehr aufzuklären, wes­ folgende Sätze bei: „Da ich selbst kein halb Tulla auf sein Dampfschiffprojekt nicht Vermögen habe, so ist es mir auch un­ mehr zurückkam, obwohl er sich anschei­ möglich, auch nur den geringsten Beitrag nend mehrfach mit dem Problem, die müh­ zu den vorzunehmenden Reisen zu machen, same Handarbeit beim Rheinbau durch und ich sehe mich daher genötigt, unter­ tänigst zu bitten, mir auch diesmal . . . alles neuesten und besten Maschinen für diese gnädigst zu reichen, was ich brauche, wofür Gegenstände kennt und anzuwenden ver­ ich jederzeit die richtige Verrechnung unter­ steht. Überdies wäre auch die baldige Ver­ tänigst einsenden werde. Ich glaube, daß anstaltung dieser Reise aus dem Grund Tät­ es allgemein bekannt ist, daß ich auf keine lich, weil der Ingenieur Tulla gegenwärtig Art ein Verschwender bin, ich stehe daher noch das gehörige Feuer und die anhal­ auch in der Hoffnung, daß meine unter­ tenden Kräfte zu mathematischen Unter­ tänigste Bitte gnädigste Willfahrung er­ suchungen in diesem Fach besitzt, auch halten werde.“ Junker und Vierordt hatten, von seinen bisher sich darin erworbenen als Kenner der Verwaltungspraxis, klug Kenntnissen noch nichts vergessen hat.“ vorgearbeitet und unter dem 10. Februar Daher sei es gut, ihn nach Frankreich zu 1801 der Rentkammer ein Promemoria schicken und ihn auch „in Rücksicht der wegen Tullas Frankreichreise vorgelegt. In Fabriken und Manufakturen“ etliche Mo­ diesem legten sie die Notwendigkeit dar, nate nach England zu entsenden, „wo der­ daß Tulla „die französische Sprache wegen malen die Künste, welche darauf Bezug der vielen technischen Ausdrück und Be­ haben, in dem höchsten Grad ihrer Voll­ nennungen, welche die mehrsten Sprach- kommenheit stehen, so daß man den End­ meister selbst nicht verstehen, in Frankreich zweck nur halb erreichen würde, wenn diese erlerne und dabei das Wasser- und Schlie­ Reise wegfallen müßte.“ Es habe seinerzeit ßenbauwesen, die mechanischen Arbeiten Wiebeking, als er Tulla eingeladen habe, und Erfindungen und was sonst in sein ihn nach Frankreich zu begleiten, die Ko­ Fach einschlagt, einsehe und ihren Ge­ sten auf 1000 Gulden geschätzt „und dazu brauch sich bekanntzumachen suche“. Dazu vielleicht noch ein ansehnliches Präsent für legitimierten ihn „seine bekannten theore­ seinen nützlichen Eifer erwartet“. Billiger tisch-praktischen Kenntnisse“ und „schwer­ werde man jetzt wohl kaum wegkommen, lich wird sich so bald in den fürstlichen man müsse aber die großen Vorteile für die Landen ein junger Mann finden, von dem Markgrafschaft im Auge behalten. sich hierin soviel erwarten läßt als von Mit der Sache befaßte sich die Rent­ ihm“. Bei den gegenwärtigen Kriegsun­ kammer in ihrer Sitzung vom 20. Mai 1801 ruhen habe man die Sache etwas zurück­ ausführlich und beschloß, dem Markgrafen stellen müssen: „Die jetzigen Aussichten die Angelegenheit vorzutragen und um zum Frieden aber fordern uns auf, ohne Billigung der Vorschläge Junkers und längeren Aufschub diese wichtige Ange­ Vierordts zu bitten, denn es sei „notwendig, legenheit gehorsamst in Erinnerung zu darauf zu denken, daß ein tüchtiger Inge­ bringen. Da die Kommunikationen mit nieur eingeleitet werde, statt des Majors Frankreich über das Rheinbauwesen und Vierordt, welcher bei seiner geschwächten die Veränderungen an diesem Strom als­ Gesundheit öfters nicht mehr wohl zu aus­ dann wieder stark dörfften betrieben wer­ wärtigen Verrichtungen gebraucht werden den, wozu der Ingenieur Tulla notwendig könnte, diese Geschäfte zu übernehmen mit gebraucht und eingeleitet werden muß, und besonders mit den französischen Inge­ nächstdem auch die seit einiger Zeit in nieurs zu communizieren und allenfalls Deliberation stehenden Entwürfe zur Ver­ gemeinschaftliche Operationen zu besor­ besserung und Erweiterung der Industrie gen“. Gerade hierzu finde man Tulla wegen und der Kommerzien es zu einer ersten seiner Kenntnisse und seiner „bereits mit Angelegenheit machen, sich zum Voraus einigen französischen Ingenieurs erwor­ eines solchen Manns zu versichern, der die benen Bekanntschaft als den Tauglichsten“.

421 Tulla solle zunächst nach Dijon reisen, teilen zu lassen, mit Reitzenstein habe er dort sich in der französischen Sprache ver­ sich 7. auch wegen der auf einem anstän­ vollkommnen und sich sodann nach Paris digen, aber sparsamen Fuß zu nehmenden begeben. Karl Friedrich genehmigte den Kost und Wohnung zu besprechen und Antrag der Rentkammer, Tulla nach Frank­ dessen Rat zu befolgen, er dürfe 8., „wenn reich zu schicken, fand aber, „daß die Ab­ in den benachbarten Orten“ etwas für ihn sicht dieser Versendung besser werde er­ Interessantes zu sehen oder zu lernen sei, reicht werden, wenn Tulla, statt vorher sich dorthin begeben, was aber durch nach Dijon, sogleich nach Paris zu gehen Reitzenstein vorher zu genehmigen sei, als werde angewiesen werden“. 9. und letztes wird ihm nochmals empfohlen, An die Willensmeinung Serenissimi hielt sich der Sprache mächtig zu machen, „ehe sich die Rentkammer und erteilte Vierordt er sich mit den übrigen Gegenständen zu den Auftrag, Tulla zu baldiger Abreise, beschäftigen fortfahrt“. „wozu er den Paß bei dem Fürstlichen Wie Tulla sich bei einer solchen klein­ Geheimen Sekretariat zu verlangen habe“, lichen Instruktion fühlen mochte, küm­ anzuhalten. Für Tulla wurde eine etwas merte die sechs Herren Rentkammerräte umständliche Instruktion entworfen. Ihre kaum, sie mochten sich im übrigen beruhi­ 9 Punkte enthalten viele gute Ratschläge. gen, daß Tulla in dem fernen Paris der Sie umfaßt drei Aktenseiten und lautet aus­ besonderen Fürsorge des Gesandten Reit­ zugsweise : zenstein empfohlen wurde, was der Rent- 1. Geht der Endzweck seiner Reise dahin, kammerpräsident von Gayling in einem a) die französische Sprache so zu erlernen, langen persönlichen Schreiben vom 30. Mai daß er selbige fertig sprechen und schrei­ tat. Reitzenstein wurde ersucht, seine Be­ ben kann; ziehungen einzusetzen, um Tullas Aufent­ b) den Wasser-, Teich- und Schliesenbau in halt in Paris möglichst nützlich für die dortiger Gegend einzusehen und soweit Markgrafschaft zu gestalten, Reitzenstein kennen zu lernen, als davon in den fürst­ möge für gute Erlernung der französischen lichen Landen ein möglichster Gebrauch Sprache sorgen, „dabei wird Tulla vor­ zu machen ist; nehmlich zu empfehlen sein, allen Umgang c) die nützlichen Maschinen und vorzüg­ mit Deutschen zu vermeiden und allein lichen mechanischen Erfindungen und mit Franzosen sich zu beschäftigen“. Nach Verbesserungen, vornehmlich auch bei Vervollkommnung in der Sprache werde den Gewerben und Fabriken, sich soweit Tulla „zu dem technischen Studium fort- als nützlich bekannt zu machen und sich gehen können, wobei er sich noch in der so zu bemerken, daß er solche dereinst französischen Nomenklatur dieser Gegen­ in den Fürstlichen Landen in Anwen­ stände besonders zu üben hat“. Es stehe dung zu bringen wisse“. zu hoffen, es möge Reitzenstein gelingen, 2. Hierzu erhalte er 6 Monate Urlaub, er­ für Tulla „die Erlaubnis zu erlangen, auch halte auch 3. das notwendige Geld, müsse das vortreffliche National-Institut besuchen aber alle Ausgaben spezifizieren, ... es sei zu dürfen“. Reitzenstein erhielt zur Kennt­ 5. auch monatlich eine Relation einzusen­ nisnahme eine Abschrift von Tullas Instruk­ den, bei seiner Ankunft in Paris habe er sich tion. 6. bei dem badischen Gesandten von Nun mochte Reitzenstein als geübter Reitzenstein zu melden, er habe sich wäh­ Diplomat, der unzählige Instruktionen für rend seines Aufenthalts in Paris auch öfter seine Verhandlungen aus Karlsruhe erhal­ bei diesem einzufinden, um sich Rat er­ ten hatte, über die Instruktion, die Tulla

422 von der Rentkammer mitgegeben wurde, Der Beginn der Reise nach Paris stand nicht weiter erstaunt sein: die Herren am für Tulla unter keinem guten Stern. Schon Karlsruher grünen Tisch konnten sicher in Straßburg, der ersten französischen Sta­ nicht alles über die Verhältnisse in Paris tion, gab es unerwünschten Aufenthalt, wissen. Daß ihm aber eine so ungewohnte weil Tullas Paß nach Paris geschickt werden und neue Aufgabe, einen Ingenieur zu be­ mußte. Den unfreiwilligen Aufenthalt nützte aufsichtigen, angemutet wurde, mag Reit­ Tulla zu Besprechungen mit den franzö­ zenstein etwas pikiert zur Kenntnis ge­ sischen Ingenieuren über den Rheinbau, nommen haben. Das ergibt sich aus dem „dessen Ausführung nur nach hydrauli­ unerquicklichen Schriftwechsel, den er in schen und hydrotechnischen Gründen be­ den folgenden Monaten mit der Rent­ stimmt werden kann“, wie Tulla der Rent­ kammer zu führen gezwungen war. Man kammer berichtete. In Straßburg brachten möge in diesem Zusammenhang nicht über­ die französischen Ingenieure auch ihr sehen, daß gerade in diesen Monaten durch Hauptargument gegen die „Geradleitung Reitzenstein in Paris die für die Existenz des Rheins und Anweisung in ein unge­ Badens wichtigen Verhandlungen zu füh­ teiltes Bett“ vor: das war die Vergrößerung ren waren. Nicht umsonst nennt Franz der Flußgeschwindigkeit. Während des Schnabel im Untertitel seiner Biographie einwöchentlichen Aufenthalts arbeitete Tul­ dieses badischen Staatsmanns den Frei­ la eine kleine Schrift aus, die er dem Direktor herrn Sigismund von Reitzenstein den Christiani überreichte. Tulla bemerkt, er „Begründer des Badischen Staats45)“. Es habe für diese Schrift die Ergebnisse seiner ging bei den Verhandlungen, die Reitzen­ bisherigen Untersuchungen verwendet. Dies stein zu führen hatte, um Sein oder Nicht­ beweist zweierlei: Tulla hatte zu diesem sein Badens: Über das Jahr 1801 meint Zeitpunkt schon die wichtigsten Daten Franz Schnabel46): „An der Seine aber be­ zusammengetragen, zum zweiten hatte er gann nun wieder wie in den Tagen des diese Daten auf seiner Reise zur Hand. Rastatter Kongresses das Feilschen um Das Material mußte ziemlich umfangreich deutsches Land und deutsche Menschen, sein, denn Tulla mußte 163 Livres für das und abermals lag die letzte Entscheidung Gepäck aufwenden. bei den französischen Staatsmännern. Mit In Paris, das er 14 Tage nach der Abreise kühler Entschlossenheit ging Reitzenstein von Straßburg erreichte, stellte er sich auf­ seinen Weg. . . . Reitzenstein nannte (in tragsgemäß dem Freiherrn von Reitzen­ seinen Berichten an den Geheimen Rat in stein vor und sandte eine Berechnung seiner Karlsruhe) kühl und entschieden die Sum­ Ausgaben nach Karlsruhe: men, die man unter den obwaltenden Um­ Für eine Stube und ein Schlaf­ ständen an Talleyrand, an seine Maitresse zimmer 39Livres und seine Mitarbeiter als Bestechungsgelder Aufwartung 7 ,, aufwenden mußte, wenn man zum Ziel Frühstück, Mittag- u. Abendessen 90 ,, gelangen wollte.“ Waren es diese für Karls­ Wäsche und Licht 9 ,, ruher Verhältnisse exorbitant hohen Sum­ Brennholz im Winter 30 „ men (dabei steht fest, daß Baden verhält­ Kleidungsstücke aller Art 40 ,, nismäßig wenig Bestechungsgelder zahlte dem Sprachmeister 60 „ im Vergleich zu anderen deutschen Für­ Komödien 20 „ sten !), die der Rentkammer nahelegten, den Schriften 10 „ Aufwand für den nach Paris geschickten Kleine Ausgaben 20 „ Tulla möglichst gering zu halten? 330Livres

423 Ahnungsvoll bemerkte Tulla: „Manche Aufwands für Tulla. Die ersten 10 Seiten Ausgaben möchten überflüssig scheinen des Briefs sind von Kanzleihand geschrie­ wie z. B. die der Komödien. Es ist aber ben, dann fährt Reitzenstein fort: „Vorher bekannt, daß man eine Sprache nirgends liegt es mir aber noch ob, wegen der ge­ besser lernen kann als in Komödien, welche brauchten fremden Hand und der dadurch von Schauspielern aufgeführt werden, wel­ veranlaßten Korrekturen Euer Exzellenz che Meisters in ihrer Sprache sind, und untertänigst um Nachsicht zu bitten: ich so ist das eine der hiesigen Theaters, wel­ bin so schwach, daß die mindeste Anstren­ ches zu besuchen mir mein Sprachmeister gung mich sogleich wieder auf mehrere besonders empfiehlt“. Tage zurückwirft“. Im übrigen wies Reit­ Die Rentkammer mochte sich mit dem zenstein die Karlsruher Beanstandungen von Tulla aufgestellten Voranschlag nicht zurück: In Paris lebe man drei- oder gar befreunden, sie nahm Anstoß an dem Mie­ viermal so teuer wie in Deutschland, Tulla ten von zwei Zimmern; ein Zimmer ge­ nehme eine Kost zu sich, mit der in Karls­ nüge, da Tulla „keine sehr vornehmen Be­ ruhe kaum ein Bedienter zufrieden sein suche zu erwarten habe“, auch für die Klei­ werde, Tullas seit zehn Jahren getragener dung brauche Tulla nicht so viel, bei den Rock sei dringend eines Ersatzes bedürftig. Komödien und Schriften könne man sparen Im übrigen sei es verfehlt gewesen, Tulla und was anderer Kleinlichkeiten mehr wa­ ohne ausreichende Sprachkenntnisse nach ren. Hiervon machte die Rentkammer in Paris zu schicken, das Sprachenlernen lasse einem etwas förmlich gehaltenen Schreiben sich billiger in einer Landstadt bewerk­ dem Gesandten von Reitzenstein Mittei­ stelligen. Tulla sei erkrankt, was bei dem lung. An Tulla glaubte man sich aber Übermaß der ihm zugemuteten Studien keinerlei Zurückhaltung auferlegen zu müs­ auch kaum verwundere. Der Rentkammer- sen, ihn traf der volle Unmut der Karls­ präsident bemühte sich, in einem freund­ ruher Revisionsbeamten, vor allem enthielt lich gehaltenen Schreiben49) an Reitzenstein das Schreiben an ihn einige recht spitze dessen gute Laune wiederherzustellen, auch Bemerkungen über die Verpflichtung zu Tulla erhielt ein gnädiges Schreiben. An sparsamer Haushaltsführung. Man geht den Gesandten gingen beste Wünsche: „da kaum fehl in der Annahme, daß Reitzen­ Sie selbst noch einer so schwächlichen stein und Tulla diese unliebsame Sache aus­ Gesundheit genießen, worüber ich an dem führlich besprachen. Es oblag Reitzenstein, allgemeinen Bedauern den aufrichtigsten dem Ranghöheren, den Karlsruher Rent- Anteil nehme und damit die besten Wün­ kammerräten zu antworten. Er tat dies am sche für eine baldige dauerhafte Wieder­ 17. September 1801 in einem zwölf Seiten herstellung derselben verbinde“. Im Brief langen Brief an den Rentkammerpräsiden- an Tulla heißt es lakonisch: „Sie haben ten47). Reitzenstein hatte, dies wurde schon ganz wohl getan, wegen Ihrer Unpäßlich­ beiläufig erwähnt, in diesen Tagen die deli­ keit einen Arzt anzunehmen. Befolgen Sie katesten Verhandlungen zu führen, darüber nur seine Vorschriften genau, damit Sie mußte er dem Geheimen Rat berichten. gesund und vergnügt Ihre Studien fort­ Aber, ein Vergleich mit den aus diesen setzen können“. Man sieht, welch feine Tagen erhaltenen Stücken beweist es48): Unterschiede gute Wünsche enthalten kön­ nie sah sich Reitzenstein gezwungen, einen nen. so langen Bericht über die geheimen Ent­ Immer mehr zeigte sich, daß Tulla in schädigungsverhandlungen abzufassen wie Paris am falschen Ort war. Vierordt, zum diese Rechtfertigungsschrift wegen des Gutachten aufgefordert, meinte, Tulla „ist

424 nun vollkommen überzeugt, daß nicht nur ten stattfand, ist demjenigen ganz entgegen, Luft und Wasser zu Paris seiner Gesund­ welcher genommen werden sollte, denn heit sehr nachteilig sind, sondern daß auch gegenwärtig hängt zu viel von den Mei­ Paris der Ort nicht sei, wo er, aller An­ nungen der einzelnen Gemeinden ab, was strengung ohnerachtet, die französische in einer Gegend erlaubt wird, wird in einer Sprache so gut erlernen kann als in einer anderen nicht gestattet. So wie ich vom Provinzial-Stadt, wo er wenig oder gar Herrn Major Vierordt benachrichtigt wor­ keine Leute finden würde, welche teutsch den bin, hat die Gemeinde Selz gegen die sprechen“. Es sei daher von Vorteil, wenn Zuschließung des Gänsrheins bei Plitters­ Tulla sich auf zwei Monate nach Blois dorf protestiert, und ich für meinen Teil begeben werde. Dieser Empfehlung stimm­ sehe nicht ein, wie man die Unbilligkeit te Karl Friedrich zu, Tulla mußte aber dieser Protestation beweisen kann als da­ wegen eines üblen Beinleidens die Abreise durch, daß nach allen bis jetzt entworfenen auf den März 1802 verschieben. Plänen der Rhein niemals durch den Gäns- Tulla blieb trotz seiner Erkrankung in rhein geleitet werden kann. Sollte man von Paris nicht untätig. Er verfertigte eine französischer Seite nicht annehmen, daß kleine Arbeit über die in Paris übliche man jetzt schon Rücksicht auf Pläne nehme, Reinigung des Trinkwassers. Ihr Eingang welche noch nicht angenommen sind, so wurde in Karlsruhe zwar mit Dank ver­ bleibt nichts übrig als die Sache bis zu einer merkt, sie verschwand aber, da sie für die weiteren Entscheidung liegen zu lassen. markgräflichen Behörden ohne großes In­ Sobald ein allgemeiner Plan von deutscher teresse war, in den Akten. Von ungleich und französischer Seite entworfen und größerem Interesse war, was Tulla über angenommen ist, fallen dergleichen äußerst künftige Rheinbauarbeiten zu berichten verdrießliche Einwendungen und Streitig­ hatte. Offenbar war Reitzenstein bemüht, keiten von selbst weg. Es müsse denn der ihn mit den französischen Beamten, die in Fall sein, daß man wirklich eine Arbeit Paris oder auch im Elsaß den Rheinbau zu unternehmen wollte, welche dem allge­ besorgen hatten, bekannt zu machen. So meinen Plan zuwider ist oder der Ausfüh­ lernte Tulla den Generalinspektor Lebrun rung desselben Hindernisse verursachte.“ kennen. Über ihn berichtete Tulla am 23. Der Rhein beschäftigte Tulla auch bei März 1802 dem Rentkammerpräsidenten50) : seinem Aufenthalt an der Loire während „Herr Lebrun ist sehr für die Rhein­ der Reise nach Blois. Der Rentkammer be­ korrektion und er hat, wie er mir sagt, richtete er ausführlich51) über die auf der dem Minister des Innern den Vorschlag Loire liegenden Schiffsmühlen, es lagen gemacht, daß man eine Kommission von nämlich auch „im Badenschen“, z. B. bei deutschen und französischen Ingenieurs Eggenstein und Liedolsheim, derartige ernennen soll, welche Vorschläge machen Mühlen, die dem Wasserbauer sehr unlieb solle, wie und auf welche Art der Rhein sind. Über die am Rhein durchgeführten in Schranken gehalten werden soll und Arbeiten sagte Tulla: „Der Nachteil, wel­ kann. Es ist daher nach meinem Dafür­ cher bei allen Anlagen entsteht, welche halten keine Zeit zu verlieren, die Sache nach und nach und ohne einen bestimmten in Gang zu bringen, um endlich einmal Plan entworfen und ausgeführt werden, dahin zu kommen, daß man sämtliche zeigt sich erst am Ende, wenn man die Rheinbauarbeiten nach einem festgesetzten Sache nicht mehr ändern kann, wovon der Grundplan behandeln kann. Der Gang, Rhein einen deutlichen Beweis gibt, an welcher bis jetzt bei den Rheinbaugeschäf­ welchem von französischer Seite so gegen

425 alle hydrotechnischen Regeln gearbeitet reise erforderlich gemacht. Reitzenstein wurde, daß man auf dem rechten Ufer sich mußte noch mehrfach wegen des Auf­ genötigt sah, denselben Weg einzuschlagen, wands für den Aufenthalt Tullas in Frank­ um nicht alles zu verlieren“. Bitter äußert reich nach Karlsruhe schreiben, erst im sich Tulla über Lebrun: „Von Herrn Jahre 1806 verfügte die Rentkammer, es Generalinspektor Lebrun erhielt ich keine sei der gesamte Aufwand auf die Staats­ Empfehlungsschreiben. Derselbe versprach kasse zu übernehmen, da Tulla „durch mir immer, so oft ich bei ihm war, eines Applikation seiner gesamten Kenntnisse zu senden, aber es blieb beim Versprechen, diesen Aufwand wieder zu äquivalutieren und ich habe daher Ursache, zu schließen, suchen werde52)“. daß derselbe es vielleicht ebenso mit den Vorschlägen zur Verbesserung des Rhein­ Tullas Tätigkeit in Baden laufes macht, nämlich öfters davon spricht, Die außerordentliche Vergrößerung, die sich zu allem bereit findet, die Sache aber die bisherige Markgrafschaft Baden in den gehen läßt, wie sie will.“ Jahren nach 1803 erfuhr, veränderte völlig Aus den Briefen, die Tulla von Blois den Geschäftsgang bei den Wasserbau­ nach Karlsruhe sandte, geht hervor, daß behörden in Karlsruhe. Waren bisher nur seine Sprachstudien guten Fortschritt nah­ kurze Strecken des Rheinlaufs badisch, so men. Er befaßte sich weiterhin mit dem wurde diese Strecke durch den Anfall der Flußbau und entwarf ein Werk über den hanau-lichtenbergischen Ämter Kork und Faschinenbau nach seinen „auf Erfahrung Rheinbischofsheim sowie durch die Er­ und Theorie gegründeten Regeln“. Wieder werbung der rechtsrheinischen Gebiete des nach Paris zurückgekehrt, suchte Tulla Hochstifts Speyer und der Kurpfalz um seine Bekanntschaften zu erweitern. Hier­ ein vielfaches vermehrt. Tullas Dienst­ über berichtete er am 16. Dezember 1802 bezirk nahm an Ausdehnung zu, was be­ der Rentkammer: „Es ist notwendig, daß deutete, daß die Inspektionsreisen länger ich mir das Zutrauen der hiesigen Inge­ — und auch kostspieliger wurden. Mit nieurs erwerbe, besonders da die schon Signatur vom 20. 6. 180453) wurde Tulla längst entworfene Rheinlaufs-Verbesserung zum Oberingenieur ernannt. Es wurden viele Gegner hat, welche die Natur des ihm als jährliche Besoldung zugesichert: Rheines nicht genau kennen und mit wel­ 500 Gulden aus der Provinzialkasse chen man nicht anderst als nach Gründen 8 Malter Korn streiten kann. Das Zutrauen der französi­ 16 Malter Dinkel schen Ingenieurs und Professoren kann ich 2 Malter Gerste nur dadurch erhalten, daß ich mich mit 15 Malter Hafter ihren Theorien, ihren Lieblingsideen und 36 Zentner Heu ihrem Gang in der Bearbeitung der mathe­ 100 Bund Stroh matischen Gegenstände bekannt mache, 12 Ohm Wein I. Klasse und dieses kann, da ich mich nicht länger 2 Klafter Buchenholz hier aufhalten kann, bloß durch die An­ 2 Klafter Tannenholz. schaffung der neuesten und besten Schriften geschehen.“ Zu diesem Zweck erbat sich Hierzu kam eine weitere Zahlung von 100 Tulla 5 Louisdor. Gulden aus der Generalkasse. Angesichts Im Januar 1803 kam Tulla wieder nach der steigenden Preise, insbesondere aber Karlsruhe zurück. Dringende Geschäfte im wegen der immer weiteren Dienstreisen, Ingenieur-Departement hatten seine Rück­ wofür ihm nicht die ihm zustehenden Diäten

426 gewährt wurden, konnte Tulla mit diesem sich nicht in der Lage, nach München zu Gehalt nicht auskommen54). Vielfach kam gehen. Immerhin sei auch zu bedenken, er daher um Erhöhung der Diäten ein. daß Oberst Vierordt nicht mehr lange die In diesen Eingaben schildert Tulla anschau­ Direktion des Wasserbaus versehen könne, lich, daß er neben seinem eigentlichen so daß er, wenn er Heidelberg ausschlage, Dienst als Oberingenieur noch die Ge­ dennoch den Wasserbau für das gesamte schäfte eines Unteringenieurs besorgen Kurfürstentum Baden übernehmen könne. müsse. Es sei nämlich nur ein einziger Viel schwerer fiel es Tulla, sich über die Unteringenieur verfügbar, für seinen Dienst­ Annahme des Rufs nach Heidelberg zu bezirk seien ihm, freilich nur auf dem Pa­ entscheiden. In einem langen Schreiben an pier, vier Ingenieurgehilfen zugeteilt. Ne­ den Rentkammerpräsidenten vom 15. Juli ben dem ihm zugewiesenen Flußbaubezirk 180 557) erläuterte Tulla ausführlich die zwischen Kinzig und Alb hatte Tulla alle Gründe, weshalb er es vor seinem Ge­ Flußbaugeschäfte, die in den neugewon­ wissen nicht verantworten könne, die Tätig­ nenen kurpfälzischen Ämtern anfielen, zu keit in Karlsruhe aufzugeben. Zwar seien besorgen. Er hatte außerdem die „Demo­ die Aufgaben hier so zahlreich und schwie­ lition“ der Festung Mannheim zu über­ rig, daß er manches Mal zweifle, ob er wachen. Ein ähnliches Geschäft sollte ihn diese auf die Dauer werde ausführen kön­ über ein Jahrzehnt später beschäftigen, das nen. Aber Vierordt, als Chef des Ingenieur­ war der Abbruch der Festung Kehl, die corps, sei mit Geschäften überladen, seine Frankreich nach dem Sturz Napoleons Gesundheit sei angegriffen und es sei des­ wieder an Baden zurückgeben mußte55). halb notwendig, „daß dieser einen Mann Im Jahre 1805 erging an Tulla der ehren­ an der Seite habe, welcher die Geschäfte volle Ruf, eine mit 1500 Gulden dotierte mit ihm teilt“. Dieser Aufgabe wolle und Professorenstelle der Mathematik an der könne sich aber Tulla nicht entziehen. Nun eben badisch gewordenen Universität Hei­ kommt Tulla ausführlich auf die künftige delberg zu übernehmen56). Karl Friedrich, Ausbildung der „dem Ingenieurfach sich dem die Wiederbelebung der Universität widmenden Leute“ zu sprechen. Am besten Heidelberg ein besonderes Anliegen war, wäre es, diese jungen Leute nicht in Heidel­ schien Tulla der rechte Mann, an der Uni­ berg, sondern in Karlsruhe unter der Lei­ versität Heidelberg das Fach der Mathe­ tung eines praktischen Ingenieurs mit matik zu vertreten, da so die Gewähr ge­ Unterstützung eines Lehrers in der reinen geben schien, daß die Mathematik nicht und angewandten Mathematik zu unter­ nur als Wissenschaft gelehrt, sondern dank richten. Die Schule sei in zwei Klassen Tullas Erfahrungen auch praktisch ange­ einzuteilen, wobei der ersten Klasse keine wendet werde. Gleichzeitig kam aus Bayern praktischen Arbeiten außerhalb Karlsruhes das Angebot, eine Stelle in der Wasser­ zugewiesen werden sollten. Die zweite bauverwaltung unter Wiebeking anzuneh­ Klasse sollte jedoch den Sommer hindurch men. Die Ablehnung des Münchener Rufs zu praktischen Arbeiten im Land verwen­ fiel Tulla verhältnismäßig leicht. In einem det werden. Tulla wendet sich dann dem freundlichen Schreiben führte er zunächst Mathematikunterricht an der Universität aus, wie erfreut er sei, daß Wiebeking sich Heidelberg zu. Der Zweck der Mathematik­ seiner noch erinnere. Da er in Baden eine vorlesungen an der Universität sei, die ihm sehr zusagende Beschäftigung habe Studierenden der Mathematik, der Ökono­ und außerdem an ihn ein Ruf an die Uni­ mie und der Rechtswissenschaft „in dieser versität Heidelberg ergangen sei, sehe er Wissenschaft so zu unterrichten, daß solche

28 Badische Heimat 1970 427 dem Staat mit Nutzen dienen können. Der­ wurde ihm dies Ausharren seitens des Kur­ selbe Zweck ist aber auch bei einer in fürsten wenig gelohnt. Tulla erreichte keine Karlsruhe zu errichtenden Bildungsschule gehaltliche Gleichstellung mit dem Bau­ für die Ingenieurs, von deren Dienst in direktor Weinbrenner, ja nicht einmal eine einem Land wie das Großherzogtum Ba­ Angleichung der Tagegelder bei auswärti­ den, welches durch eine Menge Flüsse und gen Dienstgeschäften, obwohl diese nach Chausseen durchschnitten und von dem dem Diätenreglement von 1808 vorgesehen Rhein begrenzt wird, wo also die Kultur­ war. verbesserungen und die Eigentumssiche­ rung so sehr von hydraulischen und hydro­ Tullas Tätigkeit in der Schweiz technischen Unternehmungen abhängen, Die durch das Engagement Badens an mehr abhängt als man glauben sollte, und Napoleons Plänen und Unternehmungen mehr Verwendung von Kräften erfordert immer leerer werdenden Staatskassen ließen wird, als in den meisten Landen nicht ge­ große Arbeiten in Baden nicht mehr zu. braucht wird.“ Es erhebe sich nun die Tulla konnte sich daher glücklich preisen, Frage, ob es nicht zweckmäßig sei, die daß er in der benachbarten Schweiz ein Ingenieurschule nach Heidelberg zu ver­ weiteres Betätigungsfeld fand. Die ihm legen. Nach Ansicht von Tulla sollte aber dort gestellten Aufgaben an der Linth und diese Schule nur in Karlsruhe „als der am Walensee löste er in den Jahren 1807 Residenz und dem Ort, von wo aus alle bis 1812 zur vollen Zufriedenheit seiner Geschäfte in dem Kurfürstentum geleitet Auftraggeber59). Karl Friedrich, immer werden, mit Vorteil errichtet werden, weil bemüht, dem südlichen Nachbarn seines hier der Zusammenfluß aller vorkommen­ Landes Freundlichkeit zu erweisen, erteilte den Arbeiten ist und die Eleven so bald Tulla den benötigten Urlaub ohne Um­ als möglich zu praktischen Arbeiten ge­ schweife. Bei der Urlaubserteilung konnte braucht werden sollten“. Es muß Tulla davon ausgegangen werden, daß die Be­ schwer geworden sein, niederzuschreiben, schäftigung Tullas mit wasserbaulichen „daß es für den Staat nützlich und vorteil­ Problemen außerhalb des Großherzogtums haft sein dürfte, wenn mir statt der Pro­ im Endeffekt diesem wieder zugutekommen fessur in Heidelberg die Direktion einer wird, weil Tulla den Schatz seiner Erfah­ Bildungsschule für Ingenieure in Karlsruhe rungen weiter vergrößern konnte. übertragen würde“. Tulla wolle sich der Tulla hat anscheinend sehr schnell guten mühsamen Arbeit „der Bildung der Eleven Kontakt mit den maßgebenden Männern meines Fachs neben meinen Dienstgeschäf­ in der Schweiz gewonnen, wozu wohl auch ten unterziehen“, wenn er die für eine sol­ seine Herkunft aus dem badischen Ober­ che Arbeit nötige „sorglose Lage“ und land und seine Kenntnis des Dialekts bei­ die Besoldung erhielte, die ihm als Pro­ getragen haben. Auch später, 1817 bis fessor in Heidelberg zugesichert wurde. 1819, war Tulla mehrfach als Gutachter Zur Gründung der Tulla nach dem Vor­ und Planfertiger in der Schweiz tätig. Wie bild der Pariser Ecole polytechnique vor­ verzweifelt die Lage an der Linth war, schwebenden „Bildungsanstalt für Inge­ geht hervor aus dem von der Tagsatzung nieurs“ in Karlsruhe in der Form einer im März 1807 erlassenen „Aufruf an die Technischen Hochschule kam es erst 182 5 58). schweizerische Nation zur Rettung der Auf den Heidelberger Lehrstuhl der Mathe­ durch die Versumpfung ins Elend ge­ matik wurde Tullas Lehrer Langsdorf be­ stürzten Bewohner der Gestade des Walen­ rufen. Tulla blieb in Karlsruhe, freilich sees und des unteren Linthtales“60). Die

428 Kosten des Linth-Unternehmens beliefen habe, auf welche Gesinnungen Sie sich, sich auf beinahe 1 Million Franken, eine Herr Major, durch die bei diesem großen für damalige Zeiten beinahe unglaubliche und wohltätigen vaterländischen Unter­ Summe. Spätestens durch die schweizeri­ nehmen bewiesenen Einsichten gerechte schen Erfahrungen lernte Tulla, daß wasser­ Ansprüche erworben haben. bauliche Unternehmungen großen Stils Indem ich Euer Hochwohlgeboren er­ viel Geld kosten, aber auch viel Geld suche, auch dem Herrn Ingenieur Obrecht ersparen. In diesem Sinn spricht sich Tulla die Zufriedenheit der Tagsatzung für seine aus in einem Brief an seinen Freund Bemühungen gefällig ausdrücken zu wollen, Kröncke61, wenn er sagt: „Freilich faßt benutze ich den Anlaß, Sie meiner persön­ mich mancher nicht und staunt, wie lichen ausgezeichneten Hochachtung und man von Millionen so wie von Hundert, vollkommenen Bereitwilligkeit zu versi­ Tausenden sprechen kann“. Im Februar chern. 1812 erreichte Tulla die offizielle Dank­ sagung der Eidgenossenschaft in Form Basel, den Ilten Hornung 1812 eines feierlichen, mit dem großen Siegel der Der Landammann der Schweiz XIX Kantone versehenen Schreibens, dem L. S. Der Kanzler der Eidgenossenschaft ein beglaubigter Auszug aus dem Protokoll der Schweizerischen Tagsatzung beigefügt Diesem feierlichen Schreiben war beigefügt war62). Das Schreiben aus Basel hat fol­ der nachfolgende Auszug aus dem Proto­ genden Wortlaut: koll der Schweizerischen Tagsatzung vom Wohlgeborner, Hochgeehrtester Herr 9. Juli 1811: Major! Se. Excellenz der Landammann der Schweiz Die letzte Eidgenössische Tagsatzung ist beauftragt, dem Großherzoglich Badi­ hat auf den Bericht der bei dem Linth- schen Ingenieur Major Herrn Tulla und Unternehmen vorzüglich interessierten löb­ durch denselben seinem Gehülfen, dem lichen Kantone sowohl als der zu Ausfüh­ Herrn Ingenieur Obrecht, durch eine im rung der Arbeit aufgestellten Commis­ Namen der Tagsatzung ausgestellte Zu­ sionen über die wesentlichen Dienste, die schrift den Beifall, die Zufriedenheit und Euer Wohlgeboren bei der ersten Einlei­ die Achtung zu bezeugen, welche die Stell­ tung dieser Arbeiten und nachher bei der­ vertreter der Eidgenossenschaft durch die selben Fortsetzung geleistet haben, ein­ sorgfältigen Berichte der Linth Aufsichts- mütig erkannt, Euer Wohlgeboren ein Commission von den großen und wesent­ Zeugniß ihres lebhaften Danks zustellen lichen Verdiensten dieser einsichtsvollen zu lassen und Sie, Herr Major, zugleich zu Männer um die Linth Unternehmung in ersuchen, dem Herrn Ingenieur Obrecht Kenntnis gesetzt, gegen dieselben hegen ebenfalls ihre Zufriedenheit zu bezeugen. und gegen sie auszusprechen sich zum Vergnügen machen. J Mit besonderem Vergnügen erfülle ich diesen doppelten Auftrag der Eidgenössi­ Also von der Tagsatzung beschlossen schen Tagsatzung, indem ich Euer Wohl­ und in ihrem Namen unterschrieben und geboren durch den beigefügten Auszug des versiegelt. dahier Bezug habenden Tagsatzungs-Pro- Basel, den lOten Hornung 1812 tokolls ein urkundliches Zeugniß der dank­ baren Gesinnungen der Schweizerischen Der Landammann der Schweiz Eidgenossenschaft zuzustellen die Ehre L. S. Der Kanzler der Eidgenossenschaft

28 429 Rheinkorrektion und Rheingrenze Uferbewohner von den für sie so schäd­ Seit seinem Eintritt in den Staatsdienst lichen Folgen der Rheinüberschwemmun­ war Tulla bestrebt, die unhaltbar gewor­ gen zu befreien, erkannte bald, daß er die denen Verhältnisse am Rhein abzuändern Regierungen Frankreichs und Badens für und einen systematischen Rheinbau ins sein Rektifikationswerk gewinnen könne, Leben zu rufen. Dies konnte aber nur wenn es ihm gelänge nachzuweisen, daß geschehen, wenn der andere Anlieger am nur auf diesem Weg eine eindeutige Grenz­ Oberrhein, das französische Kaiserreich, festlegung möglich war65). Tatsächlich hat sich an diesem Unternehmen beteiligte. der Gang der Ereignisse Tulla Recht ge­ Tulla wuchs so die Aufgabe zu, Frankreich geben. Er hat dies selbst nicht mehr erlebt, für diese Frage zu interessieren. Erst auf denn erst durch den Grenzberichtigungs­ Tullas Betreiben sah sich schließlich die vertrag von 1840, also volle 12 Jahre nach französische Regierung veranlaßt, den Fra­ dem Tod Tullas, kamen die Korrektions­ gen der Oberrheinkorrektion nähere Auf­ arbeiten längs der französisch-badischen merksamkeit zu schenken. Über die Mühen, Rheinstrecke in Gang. Und auch mit die sich Tulla mit den Franzosen gemacht Bayern, das schon 1817 in die Rektifikation hat, schrieb er am 5. Februar 1825 seinem eingewilligt hatte, war nur Übereinstim­ Freund Kröncke63): „Floffentlich wird es mung zu erzielen, weil die Münchner Be­ mir mit unseren Deputierten (gemeint sind hörden einsahen, daß auf andere Weise eine die badischen Landtagsabgeordneten) nicht Festlegung der Rheingrenze unmöglich war. gehen wie mit den französischen Inge­ Diese Bemerkungen zeigen, daß, spä­ nieurs, welche ich auch durch die Durch­ testens seit 1815, für Tulla die Fragen der schnitte geführt habe, welchen ich alles Rheinkorrektion und der Rheingrenzfest­ erklärte, welche aber später dennoch auf legung parallel liefen. Den nicht hoch genug Meinungen stehen blieben, welche mit den anzuschlagenden Vorteilen für Land und Erfahrungen im größten Widerspruch ste­ Bevölkerung infolge der ausbleibenden hen, jedoch will ich nicht behaupten, daß Hochwassergefahr konnte Tulla die staats­ ihre Äußerungen mit ihren Überzeugungen politisch wichtige Lösung der Grenzfrage übereinstimmen“. beifügen. Damit gewann er, was beson­ ders notwendig war, die Diplomaten auf Ohne die Franzosen, das stand fest, war beiden Seiten des Rheins für seine Korrek­ am Oberrhein nichts zu unternehmen, denn tionspläne. Immer bemüht, die Gegner das französische Kaiserreich war inzwischen seiner Pläne „durch Gründe“, wie Tulla längs der gesamten linksufrigen Rhein­ sagt, zu überzeugen, mußte er doch, wenn strecke Anlieger, zu ihm gehörte auch noch auch wider Willen, einsehen, daß die Viel­ die Stadt Kehl. Vielleicht haben gerade die falt der Interessen nur schwer auf einen Überschwemmungen, die in den Jahren um Nenner zu bringen war. Etwas verbittert 1804 das Kehler Gebiet betrafen, die fran­ klingt, was er darüber 1825 seinem Freund zösische Regierung zu energischerem Vor­ Kröncke schreibt66): gehen veranlaßt64). „Einer der Hauptzwecke der Rhein­ Die Frage der Grenzziehung, die in den durchschnitte ist die Senkung des Wasser­ vorangegangenen Jahrzehnten nur von spiegels des Rheins nicht allein beim sekundärer Bedeutung gewesen war, nahm, höchsten, sondern auch beim mittleren insbesondere nach dem Pariser Frieden, Wasserstand, damit nicht allein die Über­ immer größere Wichtigkeit an. Tulla, dem schwemmungen bei Hochgewässern, son­ es zuerst darauf angekommen war, die dern auch die Überschwemmungen durch

430 Quellwasser beseitigt werden. Die Schwie­ für verlorene Mühe, Leute über Gegen­ rigkeiten und Hindernisse, welche der stände belehren zu wollen, welche außer Rektification des Rheins im Wege stehen, ihrem Einsichtskreis liegen; Gründe werden liegen nicht in der Sache selbst, nicht im nicht verstanden, folglich bleiben nur Er­ Stromlauf und seinem Spielraumsgebiet, fahrungen übrig. Durch Schaden wird man nicht in zu großem Kostenaufwand, nicht klug, dieses ist eine große Wahrheit, und in zu kleinem Gewinn und nicht in außer­ darauf muß man bauen, wenn der Vernunft ordentlichen Aufopferungen, sondern sie kein Gehör gegeben wird. Unser Herr sind größtenteils relativ kleiner oder größer, Oberbaudirektor Weinbrenner ist der ein­ je nachdem das Interesse einzelner und gebildetste Mensch von der Welt, er hält ganzer Gemeinden weniger oder mehr ins sich für das größte Genie und glaubt, daß Spiel kommt, und die einwirkenden Men­ nichts im Weltall existieren könne, worüber schen mehr oder weniger aufgeklärt und er nichts schreiben und die Menschen be­ moralisch sind.“ lehren könne.“ In diesem Widerstreit der Interessen fand Obwohl von der Richtigkeit seiner durch sich Tulla ohne sein Zutun, denn sein Be­ intensives Studium der Probleme gewon­ mühen galt in erster Linie dem Schutz der nenen Ansichten überzeugt, bewahrte sich Rheinanwohner vor Hochwasser, entsprang Tulla den nüchternen Blick, denn, so also mehr einem humanitären Anliegen, schrieb er an Kröncke69): „Unsere An­ weshalb er der Aufzählung aller Einspa­ sichten sind öfters durch die frühere be­ rungen bzw. Gewinne der Rheinkorrektion fangen und nicht selten kommt man nach den „nicht numerisch ausgedrückt wer­ und nach zu Ansichten, welche mit den denden Gewinn für die Flußuferbewohner, früheren in einem auffallenden Contrast daß sie weniger geängstigt werden“67) bei­ stehen, dieses bestätigt die Geschichte der fügt. In dieser Hinsicht bewegte sich Tulla Wissenschaften, die der Kunst und die der ganz in den Gedankengängen Karl Fried­ Religion.“ richs, für den das persönliche Wohl seiner So fiel es ihm auch leicht, Abstand zu Untertanen und das Interesse des Staats seinen eigenen Schöpfungen zu gewinnen, gleichbedeutend waren. über dieses Problem spricht er sich Kröncke Rationale „Gründe“ sind wichtig. Die gegenüber aus70): „Ich habe keine Vorliebe Betroffenen müssen durch die zuständigen für meine Bauwesen wie z. B. zu Iffezheim, Männer Aufklärung erhalten. Schenken sie zu Plittersdorf etc., sie waren Kinder der den Experten keinen Glauben, so werden Not und haben immer nur einen be­ sie nur durch Schaden klug werden. So schränkten Zweck gehabt. Ich scheue mich deutlich hat Tulla diese Gedanken nie dar­ daher auch nicht, sie als solche darzustellen, gelegt, wie er es 1825 gegenüber seinem wenn von der Rektifikation des Rheins, vertrauten Freund Kröncke tat. Ihm schrieb d. h. von der Herstellung eines regelmäßi­ er68): „Von Herrn Arnold in Mainz habe gen Laufes dieses Stroms und Erhaltung ich noch keine Antwort erhalten und desselben für fortwährende Zeiten die Rede glaube, daß er sich nicht bekehren lassen ist.“ werde, weil er zu wenig Kenntnisse im Drei Jahre vor seinem Tod faßte er als Strombau hat und es vielleicht seiner Eitel­ Summe seiner Erfahrungen zusammen71): keit schmeichelt, eine andere Ansicht zu „Für den Wasser- und für den Straßenbau haben. Die Karte, welche er von mir er­ eines Landes sollte immer ein General-Plan hielt, ist dieselbe, welche ich Dir gesandt — ein Ideal, wie alles sein sollte — zur habe. Überhaupt halte ich es größtenteils Leitung aller Unternehmungen aufgestellt

431 sein. Dieses kann man nicht widersprechen, Plan — ein Ideal“ wurde nie Wirklichkeit, aber wer soll den Plan entwerfen und nach bis heute übrigens nicht. welchen Grundsätzen soll der Entwurf ge­ Wenden wir uns nach diesem Ausflug macht werden ? Daß der Mangel eines in Tullas Gedankenwelt den beiden Pro­ solchen Planes nachteilig ist, ergibt sich blemen, die sich Tulla in den beiden letzten öfters daraus, daß man später Anlagen ver­ Jahrzehnten seines Lebens stellten, zu: der werfen muß, welche früher nicht nach Rheinkorrektion und der Rheingrenzbe­ einem Ganzen oder für ein Ganzes berech­ stimmung. net wurden. Fromme Wünsche werden immer billig bleiben, nur sollten sie so Die Rheinkorrektion viel wie möglich durch Realisierung ver­ Schon in der ersten Zeit seiner Studien, mindert werden, dazu sollte jeder beitragen, das wurde oben erwähnt, hat Tulla sich damit das Wohl der Menschen möglichst mit dem Rhein beschäftigt. Wir wissen befördert werde.“ nicht, wodurch das Interesse Tullas für den Nach dem Tod Vierordts wurde Tulla Rhein geweckt wurde. Eigene Erfahrungen (durch Dekret vom 19. Juli 1813) zum am Rhein konnte Tulla in seiner Jugend Oberlandesingenieur ernannt72). Er stand nicht sammeln, denn er verbrachte die nun an der Spitze des Ingenieurkorps, aber Schuljahre in Karlsruhe, das damals ziem­ welcher Kleingeist herrschte doch in den lich weit entfernt war vom Rhein. Es er­ maßgebenden Gremien! Darüber sprach scheint nicht ausgeschlossen, daß in Tullas sich Kröncke, dem Tulla über die Karls­ Familie oft vom Rhein und den durch ihn ruher Verhältnisse berichtet hatte, recht verursachten Überschwemmungen die Rede drastisch aus73): „Freylich, wenn das Fi­ war. Ein Großonkel Tullas war Pfarrer in nanzministerium, wie Du mir schreibst, Kleinkems, Tullas Großvater amtierte lange glaubt, daß Maurergesellen Deine Arbeit Jahre als Pfarrer in Nimburg, wo Tullas versehen und Straßen anlegen, die 200 000 Vater zur Welt kam. Ohne Zweifel haben Gulden kosten, anordnen und ausführen Tullas Lehrer in Karlsruhe, vor allem können, dann mag es übel aussehen. Wenn Burdett, seine Aufmerksamkeit auf die solche Menschen in ihrer Weisheit doch wasserbaulichen Probleme, die sich den bedenken wollten, daß ebensogut die Ge­ markgräflichen Behörden stellten, gelenkt75). schäfte des Finanzministerii ja wohl auch Tatsächlich hatte die von der Natur so durch einen Trödler, der mit Lumpen und liebevoll bedachte Markgrafschaft unter den alten Kleidern handelt, besorgt werden Rheinüberschwemmungen sehr zu leiden76). könnten. Über solche Menschen und sol­ Der Rhein war größtenteils kein formierter, chen Unsinn soll man sich nicht ärgern.“ sondern ein infolge seines starken Gefälles Erst mit der Ernennung zum Ober­ reißender und in eine Unzahl von Armen wasser- und Straßenbaudirektor (1817) und zerteilter Wildstrom. In vielfacher Ver­ vor allem durch die Errichtung der Ober­ ästelung beanspruchte der Strom einen bis zu 3 km breiten Streifen Landes. Eine ge­ direktion des Wasser- und Straßenbaues schlossene Uferbildung war gar nicht vor­ (1823), an deren Spitze Tulla bis zu seinem handen. Wochen- und monatelang nach Tod stand, hörte die Geringschätzung von Abzug der Hochflut stand noch Wasser in Tullas Aufgaben auf74). Sein Rat fand Be­ den Kellern, Stallungen und Feldern der achtung bei der Badischen Regierung, die in der Niederung liegenden Rheinorte, die nach außen Tullas Pläne zu vertreten hatte. Wohnungen waren durchfeuchtet, die Um­ Allerdings: Tullas Gedanke vom „General- gebung von Sümpfen bedeckt. Die Folge

432 war eine weite Verbreitung von Krank­ die er mit dem Leisten von Spannfronen heiten unter der Bevölkerung, die Land­ hatte machen müssen. So hatten Tulla und wirtschaft erlitt durch die Überschwem­ der Ingenieur Ludwig ein gefährliches mungen großen Schaden. Die gegen die Erlebnis zu bestehen78), „als wir an den Überschwemmungen ergriffenen Maßregeln Rhein fahren wollten und zwei geringe waren durchaus ungenügend. Sie beschränk­ Fronpferde an die Chaise angespannt wur­ ten sich im wesentlichen auf das Errichten den, die zum Glück noch scheu geworden, von Dämmen. Die schon erwähnte Rhein­ bevor wir die Chaise bestiegen. Das schlech­ deichordnung, die Markgraf Karl Friedrich te Geschirr und eine Schnur statt dem Ge­ 1779 in seinem Land einführte, bestimmte, biß im Maul vermochte nicht, die scheu daß der Aufwand für die Dämme auf das gewordenen Pferde aufzuhalten. Der Eigen­ Steuer kapital derjenigen Gemeinden oder tümer der Pferde fiel endlich, und die Chaise Amtsbezirke, deren Interessen durch die ging ihm über den dicken Teil des Schen­ Bauten unmittelbar oder mittelbar geför­ kels, der dann auch dabei entzwei ging, dert wurden, umzulegen sei. Die Arbeits­ die Pferde mit der Chaise fort, bald waren leistung wurde im Fronweg erbracht. Man zwei Räder aus den Stückern gefahren und kann sich denken, wie umständlich und Mehreres ruiniert, und schwerlich würde auch ungerecht das gesamte Verfahren war. noch etwas ganzes übrig geblieben sein, Erst Tulla hat dem Gedanken, daß für den wenn nicht ein herzhafter Mann die Pferde Schutz vor dem Rhein nicht die einzelne hätte aufzuhalten gewußt.“ Gemeinde oder ein zufällig an den Rhein Dank Tullas Aufklärungsarbeit setzte angrenzender Amtsbezirk, sondern das sich der Gedanke einer Rheinkorrektion ganze Land zuständig ist, Geltung ver­ in Baden durch, er mußte aber auch, das schafft. Insbesondere der Fronarbeit, die wurde schon vermerkt, in Frankreich auf­ noch in der Flußbauordnung von 1807 ganz klärend wirken. Erleichtert wurde ihm selbstverständlich war, sagte Tulla den diese Arbeit durch die Eroberungen Napo­ Kampf an. Tulla meinte schon 1807, die leons, der das gesamte linke Rheinufer an durch die ungleiche Verteilung der Fron­ Frankreich brachte, wodurch das Interesse last gesteigerte Abneigung gegen diese am Rhein bei den zuständigen Stellen in Leistungen sei so stark, daß die Arbeiten Paris eher zu wecken war als in der Zeit, nicht zur rechten Zeit und nicht ausrei­ da Frankreich nur im Elsaß an den Rhein chend geleistet werden. Oftmals werde den grenzte. Napoleon ist die Schaffung einer Angriffen des Stroms erst gewehrt, wenn kaiserlichen Kommission für den Rhein zu der Schaden große Ausdehnung genommen danken. Es ist dies der Magistrat du Rhin79). habe. Zu diesem Zeitpunkt sei aber manche Diese Kommission, auf 1. Januar 1809 ge­ früher in der Fron geleistete Arbeit schon gründet, erhielt ihren Sitz in Straßburg. Sie zerstört, so daß die Untertanen nutzlos ge­ sollte aus einem Präsidenten und zwei Bei­ plagt werden. Erhebliches im Flußbau sei geordneten, dem Staatsrat Merlet, General­ nur zu leisten, wenn die Arbeiten alle aus inspektor Six und Oberingenieur Payen be­ der Staatskasse bezahlt würden. Man könne stehen. Ihr waren sämtliche wasserbau­ die interessierten Gemeinden ja zu Kosten­ lichen Arbeiten längs des Rheins von der beiträgen verpflichten. Diese an sich durch­ schweizerischen bis zur holländischen Gren­ aus einleuchtenden Argumente Tullas fan­ ze übertragen. Gegenüber dem Magistrat den erst 1816 Gehör77). du Rhin war das Großherzogtum Baden Tullas Abneigung gegen die Fronen war vertreten durch einen Diplomaten, den das Produkt langjähriger übler Erfahrungen, Freiherrn von Baden, und den Techniker

433 Tulla. Nach dem ersten Pariser Frieden auf eine Gesamtkorrektion hinwirken woll­ von 1814 wurde der Magistrat du Rhin te. Zu dieser Zeit schon hatte im Groß­ aufgehoben, seine Funktionen wurden dem herzogtum Baden der Streit der Meinungen Präfekten in Straßburg, mit dem künftig über Tullas Pläne begonnen. Es waren viele das Großherzogtum zu verhandeln hatte, Stimmen laut geworden, die eine von Tulla übertragen. Der Magistrat du Rhin übte vorgeschlagene Gesamtkorrektion als Un­ eine Doppelfunktion aus, einmal war er möglichkeit bezeichneten. Tulla machte sich technische Flußbaubehörde, zum ändern sofort daran, diese Bedenken durch eine war er eine Gerichtsinstanz, die über alle Denkschrift zu zerstreuen. Sie ist datiert Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Rhein­ vom 1. März 1812 und spricht sich über bauten zu entscheiden hatte. Außer seiner „die Grundsätze, nach welchen die Rhein­ regelmäßigen Amtstätigkeit in Straßburg bauarbeiten künftigzu führen seinmöchten“, hatte der Magistrat du Rhin jedes Jahr aus80). Tulla zeigt in dieser Denkschrift die einmal in Mainz, in Köln und in Wesel Mängel des bisherigen Rheinbaues auf und Sitzungen abzuhalten. Als allgemeine Richt­ skizziert einen Rektifikationsplan. Die Vor­ linie für den vorzunehmenden Rheinbau teile, die dem badischen Staat und der Be­ wurde festgelegt, daß alle Arbeiten an den völkerung dieses Planes erwachsen werden, beiden Ufern lediglich defensiver Art zu zählt Tulla genau auf. Berühmt geworden sein hätten und keinesfalls dem gegenüber­ ist folgender Satz aus dieser Denkschrift: liegenden Ufer zu Schaden gereichen dürf­ „Kein Strom oder Fluß, also auch nicht ten. Das war nun schon ganz im Sinne der Rhein, hat mehr als ein Flußbett nötig, Tullas, der immer wieder darauf hinge­ oder welches einerlei ist, kein Strom oder wiesen hatte, daß es nicht allein darauf Fluß hat in der Regel mehrere Arme nötig“. ankommen dürfe, das Wasser vom eigenen Tulla faßte seine Vorschläge in 7 Punkten Territorium abzuleiten (und damit dem zusammen und trat nachdrücklich der An­ gegenüberliegenden Nachbarn Schaden zu­ sicht entgegen, „daß es vielleicht vorteil­ zufügen). Es müsse vielmehr darauf ge­ hafter für den Staat sein möchte, dem Rhein sehen werden, alle Arbeiten unter einer freies Spiel zu lassen und statt jährlich gemeinsamen Oberleitung auszuführen. Die große Summen auf den Rheinbau zu ver­ Tätigkeit des Magistrat du Rhin ließ sich wenden, solche zur Entschädigung der­ zuerst sehr gut an, es stellten sich dann jenigen zu verwenden, welche durch den Schwierigkeiten heraus. Es ist schwer zu Strom gelitten haben“. Diese Schäden entscheiden ob die Ursachen dieser Schwie­ würden nämlich nach Tullas Berechnungen rigkeiten auf dem badischen oder auf dem sehr großen Umfang annehmen, ohne Ab­ elsässischen Ufer zu suchen waren. Kurz­ wehr der Angriffe des Stroms könne keine um, es kam 1811 zu Unterhandlungen we­ Eindeichung auf Dauer bestehen. So käme gen eines Durchschnitts gegenüber von der Verzicht auf den Kampf gegen die Knielingen, für den Tulla die badische Ein­ Auswirkungen des Stroms einem Aufgeben willigung von der französischen Zusage der Landeskultur in einem großen Teil der einer zusammenhängenden Korrektion ab­ Rheinniederung gleich, man werde auch hängig machte. Die Verhandlungen zwi­ nicht umhin können, weitere Ortschaften schen dem französischen Bezirksingenieur zu verlegen. von Lauterburg und dem badischen Ober­ Inzwischen war das Großherzogtum in ingenieur Gerhard führten zu keinem be­ eine merkwürdige Lage gekommen, denn friedigenden Ergebnis, da Gerhard selber sein Bevollmächtigter, der Ingenieur Ger­ als Gegner der Tulla’schen Projekte nicht hard, hatte derart ungeschickt verhandelt,

434 daß im September 1812 die Verhandlungen tete. Man beschloß daher, sich zunächst mit Frankreich zu scheitern drohten. Der auf die Strecke Kehl-Dettenheim zu be­ Magistrat du Rhin wollte sich mit einer schränken. Hierwegen trat Tulla im No­ Beschwerde an Napoleon wenden, zu die­ vember 1812 mit dem französischen Divi­ sem Zeitpunkt wäre eine solche Beschwerde sionsinspektor Six in Mainz in Verhand­ freilich bei Napoleon sehr unangebracht lungen ein82). Hierbei zeigte sich, wie recht gewesen, da sich der Kaiser zu der Zeit man in Karlsruhe getan hatte, vorsichtig gerade in Rußland befand, wo ihn ganz zu taktieren. Im Interesse der Sache über­ andere Probleme als der Knielinger gab Tulla sein Projekt dem Divisions­ Rheinbau beschäftigten. Tulla, der in­ inspektor Six, damit dieser ihn als Entwurf zwischen nach dem Tod des Generalmajors des Magistrates du Rhin nach Paris weiter­ Vierordt auch die Geschäfte des Ober­ leiten konnte, eine Selbstverleugnung, die landesingenieurs übernommen hatte, griff Tulla im Interesse der Sache vielleicht nun in die Verhandlungen ein. Es gelang selbstverständlich war, aber alle Anerken­ ihm, mit Payen in Straßburg am 14. Ok­ nung verdient. Aber die große Politik tober 1812 eine Vereinbarung über die Rek­ wirkte sich hinderlich aus am Oberrhein: tifikation des Rheins zwischen Knielingen das französische Kaiserreich, in einem und Schröck abzuschließen. Mit sechs Kampf auf Leben und Tod begriffen, Durchschnitten sollten die großen Win­ konnte sich der Frage der Rheinkorrektion dungen des Stroms bei Wörth und Eggen­ nicht widmen, und auch in Karlsruhe waren stein beseitigt werden. Für die von Tulla viel dringendere Probleme zu bearbeiten. während der Verhandlungen ebenfalls ver­ Durch die Pariser Friedensschlüsse von langten Durchstiche in der Gegend von 1814 und 1815 kam für Tulla ein neuer Straßburg (nämlich bei Auenheim, Grauels- Verhandlungspartner hinzu: das König­ baum, Greffern und Plittersdorf) war Payen reich Bayern. Dieses war durch den Re­ nicht zu gewinnen. In der Übereinkunft gierungsbezirk Pfalz Anlieger am Rhein finden sich im Gegensatz zu den später mit gegenüber Baden geworden. Tulla setzte Frankreich und mit Bayern geschlossenen mit Bayern die mit Frankreich begonnenen Verträgen über die Rheinkorrektion neben Verhandlungen fort, zunächst ohne jeden den rein technischen Bestimmungen keiner­ Erfolg. Es kamen nun die verheerenden lei Absprachen hinsichtlich einer etwaigen Hochwässer der Jahre 1816 und 1817 Tulla Veränderung der Hoheitsgrenze oder eine zu Hilfe. Bei Wörth, Eggenstein und Neufestlegung oder Bestätigung der Eigen­ Schröck (heute: Leopoldshafen) waren die tumsverhältnisse an den durch die Rhein­ Verhältnisse untragbar geworden. Am 26. bauarbeiten betroffenen Gebieten. Die wei­ April 1817 schlossen Tulla und der bayeri­ teren Kriegsereignisse verhinderten den sche Oberbaurat Bürgel namens ihrer Re­ Vollzug der Übereinkunft. gierungen eine Übereinkunft83) über die Tulla hatte, da seine Pläne ja auch das Geradleitung des Rheins durch eine Reihe französische Rheinufer betrafen, seine Ab­ von Durchstichen. Baden und Bayern be­ handlung auch in französischer Sprache sorgten gemeinsam die Arbeiten, später verfaßt81), man hielt es aber unter den wurden noch Übereinkommen wegen der badischen Diplomaten nicht für opportun, Eigentumsverhältnisse an den durch die Frankreich gegenüber gleich mit dem Durchstiche abgeschnittenen Stromkrüm­ ganzen Korrektionsplan hervorzutreten, mungen und über die Anlage von Dämmen weil man eine gewisse Empfindlichkeit der geschlossen84). Mit den Arbeiten wurde als­ französischen Flußbaubehörden befürch­ bald begonnen.

435 Im Amtsbezirk Karlsruhe gab es wegen Lob und dank sey diesem Man, dieser ersten nach Tullas Plänen unter­ Der durch Seinen weißen Plan, nommenen Arbeiten zwischen den Ge­ Den Er nun zu End gebracht, meinden Knielingen (heute ein Vorort von Uns vom Rhein hat frey gemacht. Karlsruhe) und Eggenstein erbitterte Aus­ Dank Tula, dem Menschenfreind, einandersetzungen85). Während Knielingen Der so gut es mit uns meint — in dieser Zeit vom Rhein nicht bedroht Und auf hundert Jahr hinaus — der Ausführung des Durchstichs heftigen Geriessen aus der Noth heraus. Widerstand leistete, sahen die anderen Ge­ Alles danket, Jung und Alt, meinden dem für sie segensreichen Werk Jauchts, daß alles wiederhalt. mit Freuden entgegen. Am 20. Januar 1818 Alles Ruffet insgemein, wurde der Durchstich geöffnet. Für die Schänkt einmal die Gläser ein. tausendköpfige Zuschauermenge war die Gros und Klein und Grad und Grum Möglichkeit geschaffen worden, das denk­ Alles lärt die Glässer um. würdige Ereignis genau sehen zu können. Ruffet freitig: Vivat hoch, Sechs Tage später fuhr Tulla zum ersten Tula lebe ferner noch. Mal durch den Eggensteiner Durchschnitt. Sein Namme bleibe zum Andenken Wir wissen dies aus einer Notiz Tullas, Auf daussent Jahr fir Ur Ur Enkel. die er einer von der Gemeinde Eggenstein Lob, Ehr und Dank sey diesem Man, ausgestellten Dankurkunde beifügte86). Die Der so viel Guts an uns gethan Notiz lautet: „Dieses wurde mir zu Eggen­ Gott wolle ihn mit Glück bekleiten stein, den 26ten Jenner, an welchem Tag Jetzt und in alle Ewigkeiten, ich zum ersten Mal durch den Eggensteiner Wo dort ihm Gott zu seinem Lohne Durchschnitt fuhr, übergeben. Ich visi­ Aufsetzen wird die Ehrenkrone. tierte sämtliche Durchschnitte und hatte Amen. die Herren Ober-Ingenieur Rochlitz, Inge­ Herr, nun lässest Du Deinen Diener, nieur Basenherz, Professor Ladomus, Capi- wann es Schnee hat, auf dem Schlitten fah­ tain Scheffel, Capitain Klose und den Prak­ ren, den meine Augen haben nun Den Tag tikanten Gerstner bei mir.“ des Heyls gesehen, welchen Du uns be- reidet hast. Die Dankurkunde erwähnt nüchtern die Amen. Leiden, die der Rhein den Anliegern Verfaßt und abgehalten Den 20ten Ja­ brachte. In bilderreicher Sprache aber faßte nuar 1818 durch Johann Bernhard Dill­ der dichterisch begabte Eggensteiner Ge­ mann, der Zeit Gemeindsdiener in Eggen­ meindediener Bernhard Dillmann die Ge­ stein. fühle der Eggensteiner Bevölkerung. Tulla Die Tulla überreichte und öffentlich be­ mag wohl gerührt diese von Herzen kom­ kanntgemachte Dankadresse der Gemeinde mende Huldigung entgegen genommen ha­ Eggenstein hat folgenden Wortlaut: ben. Der Verfasser trug sie vor bei Aus­ Sr. Hoch Edelgebohren Herrn Ingenieur führung des Durchstichs in Anwesenheit Obrist Lieutnant der Freude des Rhein­ eines zahlreichen Publikums, auch hohen durchschnitts bey Ekenstein, d 20ten Janr. und höheren Standes, zitierte am Schluß in 1818 Nachmittags um 31/2 Uhr und Zu­ einer kleinen Anrede aus dem Neuen Testa­ gleich reiner Herzens Dank, vom Gericht ment (Lukas 2, 29—30) und überreichte und Rath, samt sämmtlicher Innwohner des Tulla schließlich das Manuskript: Orts, wegen Besorgung des Durchschnitts...

436 Egensteins Innwohner, junge und alte wieder glücklich zu machen erzweckt ha­ wurden in grose grose Freude gebracht, ben. weil Sr. Herrn Obrist Lieutnant schon lange Eggenstein, d 26ten Janr. 1818 dauerndes Sinnen und Bemühen wegen Anwald Dürr Abwendung des Rheins weit vom Ort nicht Burger Meister Dürr vergeblich war. Auf 100 Jahre hinaus, rechnen Ekensteins Innwohner, habe Seiner Ortsauftrag der ganzen Bürgerschaft Hoch Edelgebohren Herrn Obrist Lieut­ Martin Dürr nant dem Rhein einen Panzer, durch den Cannal im Neupforzer Wald angelegt, daß Die Festlegung der Rheingrenze er nicht mehr — wie schon lange Zeit — Nach dem Westfälischen Frieden bildete nicht nur unser Allmend-Land, sondern so der Talweg des Rheins die Grenze Frank­ gar manchem Bürger sein sauer erworbenes reichs gegen die Territorien auf der rechten Guth hinweg rafte, Gottlob, das unser Rheinseite87). Neben dieser beständig sich Vatter (so kennen, und dürfen wir Bürger, verändernden Hoheitsgrenze waren aber Herrn Obrist Lieutnant wie auch die bezüglich der Eigentumsverhältnisse der respective Flußbau Inspektion mit Recht beiderseitigen Rheingemeinden die festen nennen, weil unser Eigenthums Guth Banngrenzen beibehalten worden. Daß anjezo gesichert ist). Das Auge Herrn unter diesen Umständen Grenzstreitig­ Obrist Lieutnants, das mit treuer Liebe keiten, die oftmals groteske Ausmaße an- für unser Wohl besorgt war, und unauf­ nahmen, die Regel waren, ist leicht ein­ hörlich auf unser Elend blickte, hoffen wir zusehen. Der Friede von Luneville und der Bürger — werde noch nicht schlummern, Reichsdeputationshauptschluß (1802) be­ das Herz, das so warm für uns schlug, faßten sich mit der schwierigen Materie, sind wir Innwohner überzeugt, werde noch die Grenze im Rhein festzulegen; freilich nicht erkalten. In allen Häussern hiesigen waren die Bestimmungen so unklar, daß Orts hörte man reine lautere Freude. Greise sofort Meinungsverschiedenheiten zwischen riefen Jubel aus. Alte liesen die Stimme Baden und Frankreich auftraten. Während von sich hören: vivat. Es lebe noch lange der Zeit der napoleonischen Herrschaft Herr Obrist Lieutnant Tulla. Kinder hüpfen kamen die zwischen Baden und Frankreich vor Freude — wie junge Lämmer zur Früh­ angeknüpften Verhandlungen zu keinem lingszeit. Dank, Dank, Innigen Dank, Abschluß. Wie schwierig die Verhältnisse bringt heute Gericht und Rath, und sämt­ waren, geht schon daraus hervor, daß so­ liche Innwohner für, von Herrn Obrist wohl im Pariser Friedensvertrag vom 30. Lieutnant ohnaufhörlich bestreben eines Mai 1814 wie auch in der Pariser Konven­ Rheindurchschnitts, welcher unser Glück tion vom 20. November 1815 ausführlich ist. Nun da Ihr bemühen nicht vergeblich über die Grenze im Rhein die Rede war. war und das von Ihnen angeordnete Merkwürdigerweise enthielten die beiden Durchschnitts werk, welches lOOOde hohe Verträge aber verschiedenartige Formulie­ und niedrige Personen betrachteten, wird rungen, so daß sich zwangsläufig eine Reihe Ihr verehrlicher Namme, wie auch der von Komplikationen ergeben mußten. Ar­ ganze Flußbau Inspektion, so lange eine tikel 2 des Pariser Vertrags vom 20. No­ Ader sich in dem Körper Ekensteiner vember 1815 bestimmt: „Der Talweg des schlägt, ohnvergeßlich seyn, weil Sie keinen Rheins bildet die Grenze zwischen Frank­ Tag ruhig waren, bis Sie unsern Kummer reich und den deutschen Staaten; allein das gestillt und aller hier Orts Innwohner Eigentum der Inseln, wie dasselbe in Folge

437 einer neuen Untersuchung über den Laut Die Einwände gegen die dieses Stroms festgesetzt werden wird, Rheinkorrektion bleibt unveränderlich, welche Änderungen In weiten Kreisen der Bevölkerung, aber auch dieser Lauf mit der Zeit erleiden mag. auch in maßgebenden Kreisen der Beamten­ Es werden binnen einer Frist von drei schaft bestanden noch Vorbehalte gegen Monaten durch die beiderseitigen Staaten eine Rektifikation des Rheines90). Der Haupt­ Kommissäre ernannt werden, um die Unter­ einwand, Baden werde sich finanziell über­ suchung vorzunehmen.“ Kommissionsmit­ nehmen, ließ sich durch Berechnungen glieder auf badischer Seite waren der Mi­ ausräumen, viel tiefer saß aber die geradezu nister des Innern Freiherr von Berckheim, magische Furcht, der Mensch könne des Tulla und Hauptmann Scheffel88). Schon Rheines und seiner gewaltigen Strömung in seiner Denkschrift vom 1. März 1812 nicht Herr werden. Diese Bedenken suchte hatte sich Tulla mit der Frage der Rhein­ Tulla durch zwei weitere Schriften zu zer­ grenze beschäftigt. Sein Vorschlag war, als streuen. Die erste dieser Schriften erschien Eigentumsgrenze zwischen Frankreich und 1822, die zweite im Jahr 182591). Sie trägt Baden wenigstens für die Dauer der Arbeiten den Titel „Über die Rektifikation des die Rektifikationslinie anzunehmen. Für die Rheines von seinem Austritt aus der Hoheitsgrenze solle jedoch der wirkliche Schweiz bis zu seinem Eintritt in das Groß­ Talweg gelten. Der Talweg ist die für die herzogtum Hessen“. In diese Jahre fällt Talschiffahrt geeignetste Fahrrinne. Er wird also Tullas „Öffentlichkeitsarbeit“, ohne durch hydrologische Gesetze bestimmt und die sicherlich die Korrektion nicht zustande weicht vor allem in Krümmungen meist gekommen wäre. von der Mittellinie des Stroms ab. Die französisch-badische Kommission Mit seinem hessischen Kollegen Kröncke begann ihre Arbeit erst im Jahr 181789). besprach Tulla eingehend „die gute Sache“,, Sofort befaßte man sich auch mit dem Zu­ als welche beide die Korrektion ansahen; stand des Stroms und faßte gleich beim auch verschiedene Ansichten sollten sie von Zusammentritt der Kommission den Be­ dieser guten Sache nicht abbringen, wie schluß, „daß für den Rheinbau ein gemein­ Tulla am 5. Februar 1825 nach Darmstadt samer Plan zu entwerfen sei, um den Rhein schrieb92): „Was den Durchschnitt ober­ in einer Weise einzuengen, daß damit der halb Worms anbetrifft, so kann ich Deine seither unzweckmäßig und teils nutzlos Ansichten nicht teilen. Dieses soll, wie ich bestrittene Aufwand für Schutzarbeiten wünsche, auf unser altes Freundschafts­ umgangen, die Überschwemmungen ver­ verhältnis keinen nachteiligen Einfluß ha­ hütet, die Schiffahrt erleichtert und der ben, aber nachteilig für die gute Sache Versumpfung des angrenzenden Geländes könnte es sein, weil die Gegner der Rekti­ vorgebeugt werde“ . 1818 erkannte Frank­ fikation des Rheins als Haupteinwendung reich ausdrücklich an, „daß die Rektifika­ gegen die Rektifikation die Ansichts-Ver­ tion des Rheins für beide Uferstaaten nütz­ schiedenheit der Artisten anführen.“ lich sei“. Vor Beginn großer Arbeiten Auch alte Bauernregeln nahmen die sollten jedoch zwei Versuchsstrecken aus­ „Artisten“ unter ihr kritisches Auge. So gebaut werden. Von diesen beiden Strecken bemerkte Kröncke93), daß nach einer alten bei Kehl und Plittersdorf wurde nur die Bauernregel im Sommer wieder sehr hoher Kehler in Angriff genommen, sie wurde Rhein zu befürchten sei, „denn wo der mannigfacher Widerstände wegen erst 1825 Rhein im Dezember den Spahn hintreibt, fertiggestellt. da nimmt er ihn, nach dieser Regel, um

438 Johanni wieder weg. Diese Regel mag auf deutender Theil auf die Überwindung des vielfältigen Beobachtungen beruhen und durch die Stromkrümmen verursacht wer­ den natürlichen Grund haben, daß, wenn denden Wiederstands verwendet werden es hier im Winter viel regnet, wodurch muß, so daß in einem geraden Canal mit der Rhein sehr angeschwellt wird, in der gleichgroßen Querprofilen und gleicher Schweiz viel Schnee fällt, der im Sommer mittlerer Tiefe, ein Fall von 1 Fuß bis den Rhein hinunter passiert. Es versteht 12 Zoll auf die Stunde hinreichen dürfte, sich, daß die Regel nicht gerade wörtlich dieselbe mittlere Geschwindigkeit zu be­ zu nehmen ist.“ wirken. Große Zwecke erfordern große Tulla hielt wohl mehr vom genauen Maßregeln, davon ist wohl jedermann Beobachten des Stroms, wobei ihn das überzeugt, indessen urteilen diejenige, wel­ Abführen der Wassermasse am meisten che ein Uebel nicht trifft, anders als die­ interessierte. So meinte er am 21. Januar jenige, welche leiden, und selbst letztere 1826 gegenüber Kröncke94): „Da wir den kommen zuweilen nicht zur Erkenntnis. Rhein oberhalb der hessischen Grenze Wenn Baden und Baiern den Rhein längs rectifiziren, so muß eine bedeutend größere ihrer Grenze rectifiziren, so muß mit der Wassermasse dann abgeführt werden, wenn Zeit der Rhein in allen Gegenden um so sich die Strecke längs der bayerischen viel mehr Wasser abführen, als früher zu Grenze beschränken würde; allein dabey den großen Überschwemmungen verwen­ kann Baden nicht stehen bleiben, und es ist det wurde, und daraus wird die Noth- voraus zu sehen, daß der Rhein auch nach wendigkeit hervorgehen, daß Darmstadt und nach längs der französischen Grenze ebenfalls die erforderlichen Durchschnitte rectifizirt werden wird. In diesem Falle, ausheben lasse. Unter denjenigen Durch­ wird die Wassermasse, welche beym höch­ schnitten, welche Darmstadt ausführen sten Stand des Rheins abfließt, so vergrö­ lassen wird, interessirt Baden vor Allem ßert werden, daß beyläufig um die Hälfte der bei Dalberger Busch, und ich erlaube mehr Wasser als bisher abfließt.“ mir, Dir eine Idee im Vertrauen mitzu- Jedes Hochwasser gab Tulla Anlaß, seine theilen und Dich um Deine Ansicht darüber Beobachtungen früherer Jahre zu über­ zu bitten. Die Gefahr, welche Mannheim prüfen. Vom Hochwasser 1824 ausgehend, bei jeden sehr hohen Wasser und bei Eis­ schrieb Tulla am 20. November 1824 an gängen bedroht, macht die Ausführung Kröncke95): „Das größte Anliegen macht einer oder mehrerer Rheindurchschnitte mir der Rhein, und sehe nach meinen Er­ nothwendig. In Berücksichtigung des In­ fahrungen von Tag zu Tag mehr ein, daß teresses von Darmstadt, Baiern und Baden eine vollkommene Rectification dieses halte ich für zweckmäßig, dem Rhein von Stroms unbedingt nothwendig wird, indem der Biegung unterhalb Mannheim bis nach solche Ereignisse wie die letzteren wieder­ Worms einen ganz geraden Lauf, so wie er kehren und bei Eisgängen noch schlim­ mit mitfolgendem Planauszug angedeutet mere erfolgen können. Für die unteren ist, anzuweisen. . . Des Herrn Oberbau­ Rheingegenden des Großherzogtums Baden direktors Weinbrenners Aufsatz über die ist die Rectification des Rheins um so wich­ Rectification des Rheins kenne ich nicht, tiger, da der Rhein außerordentliche Krüm­ ich finde es aber sehr anmaßend von ihm, men macht und z. B. von Linkenheim bis da ihm alle theoretische Kenntnisse in der Speier gegenwärtig nur l 4/2 Fuß Fall auf Hydrostatik und Hydraulik mangeln, daß die Länge einer Reise-Stunde oder 14 815 er sich berufen glaubt, über einen Gegen­ Bad. Fuß hat und von diesem Fall ein be­ stand zu schreiben, von dessen Ausführung

439 oder Unterlassung, das Wohl und Wehe werken auch Herrn Wiebeking gegen die von mehreren Hunderttausend Menschen Rectification des Rheins eingenommen und abhängt. Ein beinahe gleiches findet bei der Erfolg war, daß man beinahe ganz die seinem Herrn Schwager, dem Baudirektor Rectification des Rheins abandonirte und Arnold, statt, nur ist dieser weniger an­ sich auf eine andere Art durch Erbauung maßend, und strengerer Constructeur.“ großer und prächtiger Schleußen Ver­ Manche fühlten sich zu Kritik berufen, dienste erwerben wollte. Hiezu gesellte sich ohne die notwendigen Kenntnisse zu haben. der Tadel des k. kaiserlichen Oberbauraths Die Abgeordneten der Ständeversammlung H. von Rechmann, welcher vom Strom­ waren in Hessen und in Baden skeptisch, bau nichts versteht, und so wurde dann immerhin bekommen die Badener von Tulla auch die Rectification des Rheins zu Mün­ ein besseres Zeugnis, wenn er (am 21. Fe­ chen aus einem ganz falschen Gesichtspunkt bruar 1826) an Kröncke schreibt96): „Auf­ angesehen. Ohnerachtet bei der Rectifica­ fallend, zu auffallend, zu sehr auffallend tion des Rheins in hiesiger Gegend meh- ist es, daß die hessischen Landstände sich reres besser hätte gemacht werden können, auf die Critisirung des Technischen und wenn sich keine unwissende, zum Teil auch Artistischen eingelassen haben; es ist zwar beleidigte Menschen darein gemischt hätten bey den badischen Ständen auch von einem und ich ganz nach meiner Überzeugung und dem ändern ein Einwurf gemacht wor­ hätte handeln können, so beweist dennoch den, aber es wurde selbst die Vorlegung der Erfolg, daß die Rectification des Rheins der Pläne nicht verlangt, noch weniger die das einzige Rettungsmittel für die Rhein­ Entwürfe getadelt. Leute, welche nicht vom uferbewohner ist. Ich muß hier zur Steuer Fach sind, können nur Meinungen haben, der Wahrheit anführen, daß die Haupt­ und es ist sehr gefehlt, wenn Leute der hindernisse von der badischen Gemeinde Meinungen Behauptungen verwerfen kön­ Knielingen und einigen Staatsdienern (ba­ nen, welche Sachkenner mit der größten dischen) gemacht wurden. Da nun die Überzeugung aufstellen.“ Nochmals äußert Landstände Zusammenkommen, so muß die er sich (am 27. Juni 1826) zu diesem Rectification des Rheins ernsthaft zur Spra­ Punkt97): „Es ist äußerst nachtheilig für che kommen, und ich werde diejenige Com­ Operationen technischer Art, wenn Land­ mission, welche hierüber Bericht zu er­ stände ihre Grenzen überschreiten und sich statten hat, durch die Durchschnitte führen. auf die Critisirung artistischer Gegenstände Hoffentlich wird es mit unsern Deputirten einlassen, und dieses um so mehr, da sich nicht gehen, wie mit den französischen nur diejenigen belehren lassen, welche für Ingenieurs, welche ich auch durch die eine Sache gestimmt sind, aber nicht die­ Durchschnitte geführt habe, welchen ich jenigen, welche dagegen gestimmt sind.“ alles erklärte, welche aber später dennoch Tulla seufzte darüber, daß er vor Aus­ auf Meinungen stehen blieben, welche mit führung seiner Pläne mit den Nachbarn den Erfahrungen im größten Widerspruche sich absprechen muß, denn, so schrieb er am stehen, jedoch will ich nicht behaupten, 5. Februar 1825 an Kröncke98): „Wären daß ihre Äußerungen mit ihren Über­ beide Ufer badisch gewesen, so wäre man zeugungen übereinstimmen. Nach meiner schon längst weiter; auf bayerischer Seite bald 30jährigen Dienstzeit und denen in ist Bauinspektor Spatz, welcher beschränkte dieser Zeit gemachten hydrotechnischen Ansichten hatte, er sah seine Dämmchen Erfahrungen kann ich nur ein solches und seine Spörnchen als unsterbliche Kin­ System und solche Baumethoden, durch der an und hat aus Liebe zu seinen Kunst­ welche eine große Vollkommenheit des

440 Laufs eines Flusses hergestellt und sodann daß man die erforderlichen Materialien für immer erhalten wird, als ganz zweck­ sammelt als: 1. vollständige Pegelbeob­ mäßig anerkennen, dessen ungeachtet ver­ achtungen, 2. Längen- und Querprofile des werfe ich provisorische Maßregeln und Rheins, 3. die Geschwindigkeiten, 4. die Palliative nicht, wenn sie notwendig sind; Überschwemmungen außerhalb den Däm­ ja es gibt Fälle, wo eine geleitete Wandel­ men, 5. die Überschwemmungen innerhalb barkeit stattfinden muß. Ich lasse mich der Dämme durch Dammbrüche, beyde durch die großen Zahlen nicht gerne irre letztere rücksichtlich der Höhe und Aus­ machen und nicht erschrecken, es kommt dehnung, 6. die Ankunftszeit der Hoch­ immer darauf an, ob der Gewinn den Auf­ gewässer der sich in den Rhein ergießenden wand deckt. Kostet zum Beispiel die Stunde Flüsse am Rhein, und endlich 7. die Fort­ Rheinrectification in hiesiger Gegend beide pflanzungszeit im Rhein in Stunden aus­ Uferstaaten gemeinschaftlich 1/2 Million gedrückt.“ Gulden, so sagt vielleicht beinahe jeder­ Dank Tullas Erziehungsarbeit verfügte mann, die Rectification ist unausführbar, das Großherzogtum Baden über genügend ohne zu fragen, in welchem Zeitraum diese kapable Männer, die den badischen Stand­ Verwendung statt finden müsse und was punkt hinsichtlich der Rheinkorrektion gewonnen wird.“ vertreten konnten, denn auch nach Tullas Mit Bayern kam am 14. November 1825 Tod war die badische Wasserbauverwal­ eine Übereinkunft wegen der Rheinkorrek­ tung die treibende Kraft am Oberrhein102). tion zustande"). Für Baden war, wie immer, Eine neue Übereinkunft mit Bayern wegen Tulla der maßgebende Techniker, auf des Rheinbaues wurde 1832 abgeschlossen. bayerischer Seite treffen wir einen Mann Mit Frankreich wurde die Rheinkorrektion mit einem uns schon bekannten Namen: verabredet in § 19 des am 5. April 1840 Wiebeking. Es war dies der Sohn abgeschlossenen Rheingrenzvertrags. Wei­ des Tulla bereits aus dem 18. Jahrhundert tere Übereinkünfte folgten, so daß nach bekannten Strombaudirektors. Im Gegen­ Tullas Projekt das Werk der Rheinkorrek­ satz zu seinem Vater verstand er sich mit tion vollendet werden konnte103). Dies Tulla sehr gut (oder Tulla mit ihm ?). Dank zu schildern, ist nicht mehr Aufgabe der der guten Zusammenarbeit mit Wiebeking vorliegenden Arbeit, die versucht, ein Bild kamen die Arbeiten gut voran, doch stellten der Persönlichkeit Tullas zu entwerfen. Sie sich neue Hindernisse in den W eg: Preußen wäre unvollständig ohne Schilderung der und die Niederlande legten gegen die letzten Lebenszeit Tullas. Korrektion des Oberrheins Widerspruch ein100). Tulla hat die Erledigung dieser Tullas Tod Einsprüche nicht mehr erlebt. Er führte Zeit seines Lebens hatte Tulla unter aber noch persönlich die maßgebenden Krankheiten zu leiden. Die körperlichen Wasserbauer aus den Niederlanden und Beschwerden machten ihn manchmal reiz­ aus Preußen an die von ihm bearbeiteten bar, auch gegenüber den Untergebenen, Rheinstrecken und hieß alle seine Mit­ die um seinen Zustand wußten und Nach­ arbeiter die notwendigen Materialien Z u ­ sicht übten. Die Beschwerden Tullas wuch­ sammentragen, auch an Kröncke richtete er sen mit dem Alter, sie zwangen ihn zu am 29. April 1827 eine entsprechende Bit­ mehrmaligen Aufenthalten in den badischen te101): „Ob Preußen sich wegen unserer Schwarzwaldbädern. Genesung suchte Tulla Durchschnitte beruhigen wird oder nicht, auch in dem württembergischen Teinach weiß ich nicht, es ist daher zu wünschen, und in dem St. Gallischen Döttingen. Reine

441 ein Blasenleiden hinzu; Grieß und sogar * Steine wurden diagnostiziert. Die andauern­ den Schmerzen veranlaßten Tulla 1827, y £ y ^ » » — , . ^ . f ± p — eine europäische Kapazität, den Pariser //£*• ‘ Arzt Dr. Civiale, aufzusuchen. Dieser hatte eine Bohrmethode entwickelt, durch welche -Ä x die Steine zertrümmert wurden, so daß die kleineren Stücke auf natürlichem Weg ab­ gehen konnten. Die Vorgeschichte der Kur in Paris, von der Tulla sich völlige Ge­ nesung erhoffte, beschreibt Tulla in einem Brief aus Paris vom 7. November 1827104): „Herrn Staatsrat Klüber bin ich sehr vielen Dank schuldig. Derselbe war einige Zeit mit mir in Baden und hatte die Güte, den Herrn Baron von Zach durch den König­ lich Sächsischen Gesandten am Bundestag, Herrn Geh. Rat von Lindenau, von meiner Krankheit in Kenntniß setzen zu lassen, worauf Herr Baron von Zach mit Herrn Dr. Civiale Rücksprache nahm. Auch mit Herrn Geh. Rat von Sömmering in Frank­ furt nahm Herr Staatsrat Klüber Rück­ sprache und erteilte mir sodann den Rat, den Herrn Geh. Rat Chelius in Heidelberg zu consultieren, welchen Rat ich sogleich Ergebnis der medizinischen Untersuchung Tullas vom 17. Nov. 1827. Der Durchmesser des Steines befolgte.“ beträgt 3,5 cm (Aus der von Tullas Hand nieder­ Chelius ermunterte Tulla, die beschwer­ geschriebenen Krankengeschichte ) liche Reise nach Paris zu unternehmen. Der Großherzog gewährte Tulla auf dessen Tage der Erholung waren freilich die Kur­ Antrag vom 11. Oktober 1827 Urlaub auf aufenthalte nicht, denn Tulla nützte die unbestimmte Zeit105). Die finanziellen Er­ Zeit, um benachbarte Baustellen zu be­ fordernisse wurden durch Gewährung eines suchen. Vorschusses geregelt, so daß Tulla, nach­ Tulla konsultierte die besten Ärzte des dem er für regelmäßige Erledigung der Großherzogtums. Es mag sein, daß Tulla, Dienstgeschäfte gesorgt hatte, sich den der sich auf seinen vielen Dienstreisen mit Reisevorbereitungen widmen konnte. Wohl dem Wasserbau zu beschäftigen hatte, wo­ um den Fortgang des Dienstes nicht zu durch er zwangsläufig der Nässe, dem Wind gefährden, verzichtete Tulla darauf, den und der Kälte ausgesetzt war, sich eine Major Scheffel, wie geplant, nach Paris mit­ chronische Erkrankung mit rheumatischen, zunehmen. Diesem Verzicht verdanken wir arthritischen und gichtischen Symptomen die menschlich so bewegenden Briefe, die zuzog. Heutzutage würde man derartige Tulla an seinen Mitarbeiter aus Paris Beschwerden als Berufskrankheit bezeich­ schrieb. nen. Zu den Beschwerden des Bewegungs­ Vor der Abreise nach Paris bereitete sich apparates kam Mitte der zwanziger Jahre Tulla gewissenhaft vor, wiederum im

442 Selbststudium, wie er es in allen Dingen sein Leben lang gehalten hatte. Am 11. September 1827 lieferte der Karlsruher Hofbuchhändler Gottlieb Braun ein Exem­ plar des eben von Civiale unter Beigabe zahlreicher Tafeln veröffentlichten Werks über die neue Methode (Jean Civiale: De la lithotritie broiement de la pierre dans la vessie. Paris 1827. 8°. 255 Seiten Text, 60 Tafeln)106). Bei den Buchbindern Müller & Graeff ließ Tulla das kostbare Werk in Halbfranz binden. Mit diesem Werk im Gepäck machte sich Tulla auf die Reise, über die er eigenhändige Aufzeichnungen hinterließ („Journal. Reise von Karlsruhe nach Paris und Aufenthalt daselbst“). In diesem Journal107) vermerkte Tulla genau jeden der schmerzhaften Eingriffe, er be­ schreibt die Bohrmethode, hält die wach­ senden Gaben an schmerzstillenden und betäubenden Mitteln fest, alles in einer nüchternen wissenschaftlichen Sprache, so daß der heutige Leser sich mitleidend ver­ neigt vor dem Patienten. So ist Tullas letzte schriftliche Arbeit Kranzniederlegung am Grabe Tullas durch den Kul­ tusminister von Baden- Württemb. Prof. Dr. Hahn ein medizinhistorisch eminent wichtiges und menschlich bewegendes Monument haft reagierenden Körper große Beschwer­ geworden. Es können an dieser Stelle aus den. Seufzend hatte Tulla ein Jahr zuvor, verständlichen Gründen keine Passagen am 15. September 1826, in einem Bericht zitiert werden. über eine dienstliche Fahrt auf der kurzen Ende Oktober 1827 trat Tulla in Be­ Strecke von Kuppenheim nach Rastatt (ca. gleitung seines Dieners Hermann Stängele 6 km) notiert: „Diese Fahrt hat mir wegen die Reise nach Paris an. Unterwegs gab es der Rauhheit der Wege viele Schmerzen mannigfache Gelegenheit, die Arbeiten der gemacht“. Wieviel mehr wogen da die An­ französischen Ingenieure an Kanälen, Flüs­ strengungen der Reise vom Oberrhein an sen und Straßen zu besichtigen. Tulla die Seine! mochte wohl diese Gelegenheiten nützen, nicht nur, um — wie schon immer — sein Folgen wir nun der Route, wie Tulla sie Wissen durch Anschauung fremder Ar­ in seinem Journal beschreibt: beiten zu erweitern, sondern auch, um Oktober neue Kräfte für die anstrengende Reise zu 21. Von Karlsruhe nach Rastatt gereist, schöpfen. Denn das Reisen, wiewohl in dort übernachtet. Ich wurde auf der Tullas eigenem, auf seine besondere Be­ Reise nicht inkomodiert. quemlichkeit eingerichteten, mit drei Pfer­ 22. Von Rastatt nach Kehl, in (Rhein)- den bespannten Reisewagen machte dem Bischofsheim über Mittag, zu Kehl kranken, auf jede Erschütterung schmerz- über Nacht.

29 Badische Heimat 1970 443 23. Von Kehl nach Straßburg Vormittag. Freiherr von Berckheim, der Empfänger ist. In Straßburg übernachtet. Er ist uns schon als Mitglied der Grenz­ 24. Von Straßburg nach Saarburg gereist. berichtigungskommission begegnet. Tulla In Saverne Mittag gemacht. Die zum berichtet zunächst über seine Ankunft in Teil schlechten Wege haben mich sehr Paris und kommt dann auf die erste Unter­ angegriffen. suchung durch Dr. Civiale zu sprechen. 25. Von Saarburg nach Luneville, in Bla­ „Nach mehreren von Herrn Dr. Civiale mont Mittag gemacht. Die Reise fati- an mich gerichteten Fragen gab mir der­ gierte mich nicht sehr. selbe die beste Hoffnung, daß ich in Bälde 26. Von Luneville nach Nancy vormittags, von meinem Übel werde befreit werden sodann da übernachtet. können“. Tullas Leidensgefährten v. Zach 27. Von Nancy nach Bar-sur-Aube. Die ging es schon besser: „Herr Baron von Wege waren gut, die Reise hat mich Zach hat mehr als 40 kleine Steine gehabt, aber angegriffen. die teils zerbohrt, andere teils verquetscht 28. Von Bar-sur-Aube nach Vitry. werden mußten, welches viele Zeit erfor­ 29. Von Vitry nach Epernay. Die Wege derte, da Herr v. Zach schon 73 Jahre alt fingen an, schlecht zu werden. ist und einmal in Zeiträumen von 16 Tagen 30. Von Epernay nach Chateau-Thierry. nicht operiert werden konnte; ob nun die Die schlechte Straße griff mich an und ganzen Operaturen am Ende sein wird, ist es wurde daher den noch eine Frage, da derselbe noch einen 31. ein Rasttag gemacht. kleinen Stein zerbohren lassen mußte. In­ dessen fährt Herr v. Zach seit zwei Tagen November täglich aus und befindet sich wohl. . . . 1. Von Chateau-Thierry nach Meaux. Gestern wurde ich von Herrn Dr. Civiale 2. Von Meaux nach Paris. sondiert. Derselbe fand, daß ich mehrere In Paris nahm Tulla Aufenthalt im Steine habe und glaubt, daß wenigstens Etablissement des eaux minerales faciles de zwei von der Größe eines Taubeneies vor­ Tivoli (88 rue St. Lazare). Hier traf er in handen seien und daß die Zeit zur gänz­ dem Astronomen von Zach108) einen Lei­ lichen Beseitigung der Steine 6 Wochen densgefährten. Außer der Tatsache, daß bis 2 Monate dauern können. So lange beide Patienten von Dr. Civiale waren und meine Kur dauert, werde ich mich größten­ sich über die schmerzhaften Sitzungen und teils ruhig verhalten müssen, auch werde ihre Erfolge unterhalten konnten, war für ich dem von Herrn Geh. Hofrat Chelius Tulla wichtig, in diesem vielseitigen Ge­ erhaltenen Rat zur Folge nach Beendigung lehrten einen ebenbürtigen Gesprächspart­ derselben noch 5 bis 6 Wochen in Paris ner gefunden zu haben, so daß beiden der verweilen müssen, um in jedem Fall abzu­ Aufenthalt in Paris trotz der körperlichen warten, ob ich ganz befreit sein werde. Schmerzen reichen Ausgleich auf geistigem Wenn ich von meinem Übel befreit sein Gebiet brachte. werde, so werde ich meinen hiesigen Aufent­ Über die ersten Tage in Paris orientiert halt so viel als möglich für mein Fach der schon erwähnte, in Tullas eigenhändi­ nutzen.“ gem Konzept erhaltene Brief vom 7. No­ Weder die schmerzhaften Eingriffe, die vember 1827, dessen Empfänger in Karls­ Tulla bei vollem Bewußtsein über sich er­ ruhe nicht eindeutig zu bestimmen ist. Ge­ gehen lassen mußte, noch die Müdigkeit, wisse Redewendungen lassen darauf schlie- die ihn wegen der Schwächung seiner sen, daß der Minister des Innern, Christian Körperkräfte öfter befiel, konnten Tulla

444 hindern, sich mit dem Rhein zu beschäfti­ gen, was ein Brief vom 14. Februar 1828 an den Hauptmann Scheffel beweist: „Meine PREFECTURE DE PARIS 13te Sitzung habe ich gestern gehabt, bei CIMETIERE PARISIEN welcher wiederum zweimal mit dem Bogen DU NORD - MONTMARTRE gebohrt wurde, und ich habe nun noch wenigstens eine Sitzung zu bestehen. Hier­ SITUATION DE SEPULTURE durch verlängert sich mein Aufenthalt be­ No«« : TULLA deutend, und die Kosten vermehren sich Date dt*TinhiiiwtFoB : l f 'li'lO A .') 4&.&■% ■ U »,.-n in der Art, daß ich Herrn Oberingenieur ~T. " lifjne .. ■ ...... Rochlitz angehen werde, durch Directions- »■ u ...tC. L<< C T C CC. A...S M1f

29* 445 werden möchte,weil ich immer stark leide.“ schen geholfen werden konnte. Es ver­ Im März 1828 trafen in Karlsruhe schlech­ banden sich in ihm die Ideen des 18. Jahr­ te Nachrichten über Tullas Befinden ein. hunderts, die durch Elternhaus, Schule und Großherzog Ludwig veranlaßte, daß der Studium geprägte Geisteshaltung, mit den Ingenieurpraktikant Sprenger eilends nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, die er in Paris geschickt wurde110). Sprenger sah rastlosem Bemühen sammelte, selbstlos, Tulla nicht mehr lebend. Am 27. März starb ohne an persönlichen Vorteil zu denken. Tulla. Sprenger konnte nur noch für eine Vom rationalen Berechnen zur Tat, das würdige Beisetzung sorgen. Einige wenige kann als sein Prinzip angesehen werden, in Paris zufällig anwesende Freunde folgten Tulla selber drückte das in einem Brief Tulla zu seiner letzten Ruhestätte auf dem an seinen Freund Kröncke deutlich aus:114) Friedhof Montmartre. In dankbarer Würdi­ „Fromme Wünsche werden immer billig gung von Tullas Verdiensten um sein bleiben, nur sollten sie so viel wie möglich Heimatland ließ Großherzog Ludwig die durch Realisierung vermindert werden; Grabstätte auf ewige Zeiten ankaufen. Der dazu sollte jeder beitragen damit das Wohl von Freunden gestiftete Grabstein zeigt in der Menschen möglichst befördert werde“. Reliefdarstellungen einen aufgerollten Rhein­ plan mit dem ursprünglichen Lauf und der eingezeichneten Korrektionslinie, ein auf­ Abkürzungen: geschlagenes Mathematikbuch mit dem ZGOGLA = BadischesZeitschrift Generallandesarchiv für die Geschichte Karlsruhedes pythagoreischen Lehrsatz auf der einen und Oberrheins der Kreisteilung auf der anderen Seite und !) Neue Zürcher Zeitung Nr. 113 vom 9. März das Modell einer Gewölbebrücke mit drei 1970.2) Badische Heimat 50 (1970). Öffnungen, von einer Erdkugel gekrönt. 3) In: Die Wasserwirtschaft 54 (1964) S. 279-287. Das Grab wird bis zum heutigen Tag auf Joh.4) AGottfr. . Valdenaire: Tulla. In:Das ZGO Leben 81 (1929) und WirkenS. 337-364 des Staatskosten unterhalten111). und 588-616 sowie 83 (1931) S. 258-286. - Mit Tulla, der nicht verheiratet war, Joh. Gottfr. Tulla. Der Begründer der Wasser- und starb sein Geschlecht in Baden aus. Sein vonStraßenbauverwaltung der Badischen Wasser- in undBaden. Straßenbaudirektion Herausgegeben Name findet sich heute in allen am Rhein Karlsruhe (1929). Darin: H. Cassinone: Tullas gelegenen Gemeinden, die als Zeichen der Lebensgang. Tulla als Straßen- und Brückenbauer. K. Spieß'. Dankbarkeit eine Straße nach ihm be­ 5) Heute Tulla in den und Abteilungen die Rheinkorrektion. 65,237, 425 und 466. nannt haben, auch in Knielingen112), wo 6) L. OelenheinBadische Familien. In: Heral­ man schließlich die Vorteile der Rhein­ disch-Genealogische Blätter für adelige und bürger­ liche Geschlechter 1 (1904/05) S. 185ff. P. Strack: korrektion erkannt hatte. Tulla hat dies Von Tullas Ahnen. In: Mein Heimatland 19 (1932) beinahe prophetisch vorausgesehen, als er S. 53—54; Ergänzungen nach GLA 65/2532. K. F. Vierordt in einem Vortrag an das Ministerium des zu 7)Durlach eröffneten: Geschichte und 1724 der nach im JahreKarlsruhe 1586 Innern zu den Beschwerden der Gemeinde verpflanzten Mittelschule (1859). Knielingen meinte113): „Übrigens seye ich 8) GLA 206/3065. 9) Vierordt, Anm. 7, S. 141. überzeugt, daß die Gemeinde mit der Zeit 10) Johann Peter Hebel: Briefe. Gesamtausgabe, Sr. Königlichen Hoheit ihre Danksagung herausgegeben von Wilhelm Zentner (1957) S. 41. verstatten würde, wenn die Rectification auch,Die gemeinsame die Hebel Oberländerim Jahr 1820 Herkunft veranlaßte, war eswegen wohl des Rheins zur Ausführung kommen sollte“. der Streitigkeiten seiner Heimatgemeinde Hausen Viele Ehrungen wurden Tulla zuteil. Er im Wiesental mit dem badischen Staat wegen der hat sie in seiner bescheidenen Art nie ge­ VerbindungUnterhaltspflicht zu treten: der Wiesebrücken Briefe S. 645. mit Tulla in sucht, doch vermerkte er mit großer Freu­ n) Tulla hatte den „Hausfreund“ seinem Freund de, wenn durch seine Tätigkeit den Men­ Kröncke geschickt. Dieser bedankte sich am

446 5. 2. 1814 für das Buch und erwähnt, daß er die ursachte schwere Schäden auf einer 6 km langen darin enthaltenen Rechenaufgaben „in Gesellschaft Strecke (Cassinone, Anm. 4, S. 16). sendetaufgeweckter Tulla einigeFrauenzimmer“ neue Aufgaben, auflösen „die vielleichtließ. Er 26)25) InProtokoll: der Reinschrift 76/7973 Tullasfol. 316-317. erhalten: GLA 65/ seineauch gefielen,Weise erzählte“, wenn sie mit der der Herr Bitte Kirchenrat um Weiter­ auf 1956.27) Karl Friedrich Ritter von Wiebeking (1762 leitung1815 nahm an Hebel Tulla, (GLA wohl 237/24324um Hebel S.das 131). teure Im Porto Jahr bis1796 1842), — 1802 Wasserbaumeister Oberrheinbauinspektor im Herzogtum in Hessen- Berg, zuHebels ersparen, bestimmte einige Exemplare für die desStraßburger Hausfreunds Freunde nach mitDarmstadt Kröncke, (in diesesiehe ZeitAnm. fällt 28), die 1802Zusammenarbeit trat er in nerStraßburg (1957) mit:S. 590 J. P.und Hebel 592.: Briefe, hrg. v. W. Zent­ sektionösterreichische für Straßen- Dienste, und 1805 Wasserbau Chef der in Ministerial- München, stehens12) In: der Festschrift Technischen anläßlich Hochschule des 100jährigen Fridericiana Be­ woStraßenbaues er 1817 zum ernannt Generaldirektor wurde; als desFachschriftsteller Brücken- und zu 13)Karlsruhe Eine solche (1925) stellt S. Alfons1—44. Schäfer in Aussicht. Herrnsehr erfolgreich. Helmut Schulz (Diese in Mitteilungen Wiesbaden.) verdanke ich In:Geographie, Beiträge Geschichte,zur geschichtlichen Kartographie. Landeskunde: Band 46 177128) —Claus 1843. Kroencke In der hessischen (so die amtliche Wasserbauverwaltung Schreibweise), derLandeskunde Reihe B inder Baden-Württemberg Kommission für geschichtliche(1968) S. 165. dentätig Wasserbau.von 1796 — 1838,Mit VerfasserWiebeking vieler (Anm. Werke 27) überbe­ 15)14) DasKarl FolgendeChristian nach von GLALangsdorf 76/7979. (die Familie arbeiteteGeschichte er und den Erfahrung 1. Band gegründetender „Allgemeinen, theoretisch­ auf schriebgest. 1834, sich war im seit19. 1784Jh. Langsdorff),Inspektor der geb. ansbach- 1757, praktischenKrönckes, gesetzt Wasserbaukunst“ 1836, findet (1796). sich in Ein Groß-Rohr- Denkmal bayreuthischenProfessor an dieSaline damals Gerabronn, preußische 1798 gingUniversität er als heim.der Ingenieurausbildung — vgl. Sbr^esny. Claus gegen Kroencke Ende desals Beispiel18. Jh. woErlangen, er bis 1806zu seinem folgte erTod einem blieb. Ruf Ihm nach istHeidelberg, die Ent­ Bauingenieursim Gegensatz (1938).zur heutigen Die Auskünfte Berufsausbildung über Kr. ver­des deckung(Bad. Biographien der Salzlager 2, 1875, bei S.Dürrheim 6 — 7; GLA zu 76/4668).danken. Landesamtdanke ich Herrnfür Gewässerkunde Helmut Schulz in vomWiesbaden. Hessischen Bautechnik-Archiv16) H. Wittmann : 4 Tulla,(1949) Honsell,S. 10. Rehbock. In: 30)29) GLA 237/24327 S. 54.135. 17) GLA 76/7973 fol. 162. 31) Über die Rheinvermessung vgl. M. Honsell, 18) Heute im GLA verwahrt (65/2567). Anm.rung rechnet36, S. 24von ff. der— DieKonstanzer heutige RheinbrückeRheinkilometrie­ aus: 179219) ReinhardDirektor derWoltmann hamburgischen (1757 — 1837)Wasserbauten, war seit kilometrierungGegenüberstellung von derBasel neuen, bis Mannheim, einheitlichen Stand Rhein­ vom erErfinder regulierte des Woltmann’schendie Elbe durch Leitdämme. Flügels zur Er Messung ist der Wasser-1.1. 1940. und Herausgegeben Straßenbau des vonBadischen der Abteilung Finanz- undfür der20) Stromgeschwindigkeit Kopenhagen wurde im (siehe18. Jh. Anm. mehrfach 32). durch Wirtschaftsministeriums.32) Nach den Zeichnungen, die Tulla gefertigt 934Brände Häuser verwüstet. und das Der Schloß. Brand von 1794 vernichtete hatte,1901 fürbaute Tulla der ein Karlsruher solches Gerät.Mechaniker Dieses Abreschkostete zustande,21) Der derWaffenstillstand badisch-französische kam am 25.Separatfriede Juli 1796 bauverwaltung,22 Gulden, es kam erst später 1821 in denwurden Besitz die der Bezirks­Wasser­ trägtPolitische das DatumKorrespondenz vom 22. AugustKarl Friedrichs1796. Hierzu: von stellen33) GLA mit Wassermeßflügeln237/24328 fol. 3. ausgerüstet. Baden22) Über 2 (1892) die VerhältnisseNr. 403 ff. des Nonnenmattweiers Verwaltung34) F .J.B ärin : demDie Großherzogtum Wasser- und BadenStraßenbau- (1870) Nachrichtim 18. Jh. undorientiert Naturgeschichte die Topogr., des histor. N., bearbeitetu. ökon. diesergibt S. Verwaltung1—28 einen Überblickvon 1771 — über 1870. die Ergänzungen, Entwicklung Hydrologischevon dem Pfarrer Hinweise J. G. W. auchZiegler in (GLAGLA 229/73378.65/339). — insbesondereund 466/1936. für das 20. Jahrundert: GLA 65/2566 73381.23) Reinschrift 73383. 73384. der Aufgaben73392 und und 391/26995. der Lösungen 27001. Hauptmann,35) Karl Christian 1800 Major,Vierordt 1803 (1744-1812), Oberstleutnant, 1792 dorfs,von der daß Hand Tulla Tullas die Lösungensowie Bescheinigung allein ausarbeitete: Langs­ Ingenieur-Departements,1806 Oberst, 1808 Generalmajor Direktor desund Wasser- Chel unddes GLA24) 65/1957.Tatsächlich ist am 1. März 1922 der 4,5 ha StraßenbauesDie Familie Vierordt. (GLA 76/8053).In: Badische — vgl.Familienkunde R. Eilers: eintretendemmessende, etwa Tauwetter 7 m tiefe ausgebrochen, Nonnenmattweier da an dessen bei 13 36)(1970). Die beste Übersicht über die Rheinbau­ genommenAbflußeinrichtungenungehörige worden waren. Der Abänderungen Ausbruch vor­ver­ arbeitenrheines vongibt derM. Schweizer HonselI: Die Grenze Korrektion unterhalb des Ober­Basel 447 Mannheim,bis zur Großh. insbesondere Hessischen der BadischeGrenze Anteilunterhalb an Hans60) Histor.-Biogr.Konrad Escher Lexikon (1852). der Schweiz 4 (1927) In:dem BeiträgeUnternehmen zur Hydrographie(mit einem Atlas des und Großherzog­ 9 Tafeln). S. 61)689-690. GLA 237/24327 S. 439 (5. Februar 1825). tums37) TextBaden des 3 (1885).Friedensvertrags: Politische Korre­ 63)62) GLA 237/24327237/24328 fol.S. 440. 13-14. vonspondenz Reitzenstein Karl Friedrichs unterschriebene 2 (1892) Nr.Original: 544. —GLA Das 65)6l) HonsellDas Grenzproblem, Anm. 36, S. ist 4. ausführlich behandelt 48/6284. bei H. Froriep: Rechtsprobleme der Oberrhein­ Kartenblätter38) GLA H/Rheinstrom haben eine LängeNr. 19, von 24, 12,3527. Die m. drei Mainzkorrektion 1953). im Großherzogtum Baden (Diss. iur. 40)39) LeiderGLA 48/6165. gelang es nicht, sich an das französische, 67)66) GLA 237/24327 S. 429.427. anzugleichen.nach Zentimetern Immerhin rechnende erreichte System Tulla vollständigdie Unter­ 69)68) GLA 237/24327 S. 427.434. teilungin 10 (statt des neuen,in 12) Teile.,,Dezimalfuß“ Durch diegenannten Gleichsetzung Maßes 71)70) GLA 237/24327 S. 439.441. dievon spätere1 Dezimalfuß Einführung = 3 Dezimeternder metrischen war Rechnungimmerhin 73)72) BriefGLA vom237/24328 14. 4. 1814:fol. 15. GLA 237/24327 S. 133. erleichtert, vgl. M. Fr. Wild: Über allgemeines 74) Es scheint sich allmählich dieMeinung, für Maßsetzen und und Gewicht Erlassen, (1809) betreffend und Sammlungdas Deutsche von Maß- Ge­ leutetechnische annehmen, Fragen durchgesetzt müsse man zu den haben. Rat Diesder ergibtFach­ undGroßherzogtum Gewichtswesen, Baden 2. (1886). amtl. Ausgabe für das sichLandstände. insbesondere aus den Budgetberatungen der 41) Cosmas Sayer: Das Pegelwesen im Großherzog­ 75) Joh. Forenz Böckmann: Welche Fortschritte lichtum Baden.dargestellt Nach und amtlichen kritisch Materialien bearbeitet. geschicht­In: Bei­ schenmachten Ländern Mathematik (1787) undverweist Naturlehre auf die in wasserbau­den Badi­ trägeL(1884) zur HydrographieS. 1 — 54. Die des vonGroßherzogtums Tulla beeinflußte Baden lichenordt. Arbeiten von Burdett, Schwenck und Vier­ VorbildInstruktion für fürandere die PegelbeobachterLänder. (1826) wurde 77)76) DieEdikt Schäden vom 14. zählt Mai Honsell 1816., Anm. 36, genau auf. 42) Valdenaire, Anm. 4, ZGO 81 S. 357. 78) GLA 76/7972 fol. 261. 43) Cassinone, Anm. 4, S. 20. 79) Honsell, Anm. 36, S. 4; das Dekret Napoleons: 44) Das Folgende nach GLA 76/7972. Cassinone, Anm. 4, S. 90 — 92. der45) Begründer Fran% Schnabel des Badischen: Sigismund Staates von Reitzenstein,(1927). 81)80) AuchText dersie trägtDenkschrift das Datum in GLA vom 237/24323.1. März 1812. 4ß) Schnabel Anm. 45, S. 56. 82) Über die Verhandlungen mit Six siehe Honsell, 47) GLA 76/7972 fol. 56-61. Anm. 36, S. 5 ff. und Cassinone,Anm 4, S. 57. (1896)48) PolitischeS. 37 ff. Korrespondenz Karl Friedrichs 4 Anm.83) Text36. der Übereinkunft: Anlage III zu Honsell, an 43)Tulla GLA fol. 76/7972 64 v. fol. 62r—63v, das Schreiben 85)84) HierzuVom 4./8. vgl. Juli GLA 1818 237/24323. und 16. Juni 1819. 51)50) GLA 76/797276/7969 fol. 3.159 ff. samt86) 8GLA mehr 76/7969oder weniger fol. 22. gelungene Tulla wurden Dankgedichte insge­ 53)52) GLA 237/2432876/7972 fol. fol. 250. 7. überreicht:87) Zur rechtlichenGLA 76/7969 Würdigung fol. 23-35. der Grenzver­ 54) GLA 76/7972. hältnisse: Froriep, Anm. 65., S. 8—77. bis55) 1814 O. Rusch(1921).: Schicksale der Reichsfeste Kehl des88) Dichters. Philipp JakobVgl. ScheffelGLA 76/6707-6708. (1789 — 1869), der Vater 56) Der Ruf nach München und Tullas Absage: 89) Honsell, Anm. 36, S. 9. GLA 76/7969 fol. 6 — 7. — Zur Geschichte der 90) Honsell, Anm. 36, S. 10. Universität Heidelberg in dieser Zeit vgl. W. Hell- 91) Die Denkschrift von 1825 spricht sich auch pach: Die Gründung des Staates Baden und die über die wirtschaftlichen Folgen einer Korrektion WiedererweckungBadische Heimat 33 der (1953) Universität S. 271 —Heidelberg. 276. In: genau92) GLAaus. 237/24327 S. 431. 58)57) Vgl-GLA die76/7972 in Anm.fol. 230-233. 12 erwähnte Festschrift. 94)93) GLA 237/24327 S. 471.279. Konrad59) Schweizerischerseits Escher (1767 — 1823) war tätig. besonders Er übernahm Hans 96)95) GLA 237/24327 S. 403.503. nehmens,1807 die geschäftlicheaus Dankbarkeit Leitung für desseine Linth-Unter- Verdienste 98)97) GLA 237/24327 S. 427.493. erhielt er das Recht, den erblichen Namen Escher ") Text der Übereinkunft: Anlage IV zu Honselly von der Linth führen zu dürfen. Vgl./. J. Hottinger: Anm. 36.

448 10°) Die Einsprachen seitens Preußens und der merung bzw. Entfernung der Steine über sich Niederlande behandelt Honsell, Anm. 36, S. 11 — 15 ergehen lassen müssen. Der Brief vom 7. Nov. 1827: ausführlich.101) GLA 237/24327 S. 528. GLA105) 237/24328.GLA 76/7974 fol. 123 ff. 102) Dies schildert Honsell, Anm. 36, genau. Auch 106) GLA 206/1604. Karl(In: „Der Spieß Rhein“, kommt herausgegeben 1951 zum gleichen von der Ergebnis Wasser- 108)107) FranzGLA 237/24328.Xaver Frhr. v. Zach (1754-1832). Er undBundesministers Schiffahrtsdirektion für Verkehr). Duisburg im Aufträge des Civialestarb 1832 zur anNachschau der Cholera bestellt in Paris, worden wohin war: er Allg. von 103) Hierzu vgl. Spieße Anm. 102. Deutsche Biographie 44 (1898) S. 612. seinen104) JeanRuf durchCiviale die (1792—1867) Erfindung derbegründete Steinzertrüm­ 1824 110)109) GLASprengers 237/24328. Abrechnungen in GLA 237/24328. einesmerung von ohne außen Eröffnung eingeführten der HarnblaseBohrgeräts. mittelsSeine herbstin) Das1970 Land das GrabBaden-Württemberg wieder herstellen. ließ im Spät­ noch1827 erschienenenim gleichen „LettresJahr in surdeutscher la lithotritie“ Übersetzung kamen Vereinigung112) GLA 237/24324.der Gemeinde Die KnielingenStraße mußte mit nach Karls­ der heuteheraus. noch Bemerkenswert keine zuverlässige ist, daß Methode die Medizin der Ver­ bis eineruhe umbenanntTullastraße werden,gab. da es in Karlsruhe bereits diehinderung Patienten der nach Steinbildung wie vor diegefunden operative hat, Zertrüm­ weshalb 114)113 GLAGLA 237/24324.237/24327 S. 441. AbbildungsnachweisDie Vorlagen für die Abbildungen lieferten die Photowerkstätten des Badischen Generallandes­ archivsBaden-Württemberg in Karlsruhe in Stuttgartsowie Foto (S. 443Immo und Beyer,445). Darmstadt (S. 410) und das Kultusministerium S.Die 389: Signaturen 237/24328 des Nr. Generallandesarchivs, 5; S. 393: 237/24328 unter Nr. 9;denen S. 397 die undOriginale 403: H/fverwahrt 4a; S. werden, 405: 65/2567 lauten: S. 205; S. 411407: undH/Rheinstrom 412: 48/6284; Nr. S. 78;413: S.48/6271; 409: 48/6165; S. 414: 48/6214,S. 411: 76/697848/6172, fol.48/6174, 35; S. 415:H/Rheinstrom 391/1670; Nr.S. 442: 23; 237/24324.lung des GLA Die entnommen. Porträts von Tulla, Weinbrenner und Markgraf Karl Friedrich sind der Bildersamm­

449 Tätigkeit und Werk Tullas

Von Karl Knäble, Freiburg

Aus Anlaß der 200jährigen Wiederkehr deren Durchführung persönlich geleitet oder des Geburtstages von Johann Gottfried überwacht; in unzähligen, persönlichen Tulla am 20. März 1770 fand in Karlsruhe Schreiben und Abhandlungen auf allen in der Universität eine Festveranstaltung Gebieten des Ingenieurwesens, zum Teil und Fachtagung statt, weil Tulla dort seine bis in die Einzelheiten, sei es im Wasserbau, Laufbahn als Ingenieur begonnen, die der Hydraulik und Hydrologie, des Straßen- Polytechnische Schule in Karlsruhe, die und Brückenbaues, der Landesvermessung, heutige Universität, — 1825 —, und die Triangulation und Kartographie, des Ma­ Organisation einer umfassenden einheitli­ schinenwesens im Bergbau und im Eisen­ chen Baubehörde, der Oberdirektion für hüttenwesen der damaligen Zeit, seine An­ Wasser- und Straßenbau, — 1823 —, ver­ weisungen und Anregungen gegeben und anlaßt hat, zum anderen aber auch, weil er Berichte an die Ministerien gemacht. als Ingenieur durch seine Tätigkeit das Ge­ Mein Beitrag kann daher aus der Tätig­ sicht der Oberrheinlandschaft bis in die keit Tullas als vielseitigen und erfolgreichen heutige Zeit geprägt hat und auf dem Gebiet Ingenieur nur einige wesentliche Aufgaben des Ingenieurwesens nicht nur in der Ober­ und Geschäfte aus seinem Leben aufgreifen rheinlandschaft, sondern darüber hinaus im und hervorheben. gesamten Großherzogtum Baden und im Tullas Werk, als Vater der Korrektion Einzugsgebiet des Rheins wirkte. Seine des Oberrheins, ist das umfassendste wasser­ Kenntnisse, sein Sachverstand und sein täti­ wirtschaftliche Flußbauunternehmen des ger Einsatz haben dazu geführt, daß sein 19. Jahrhunderts zum Schutze der Ober­ Rat und seine persönliche Hilfe in der rheinlandschaft gegen das Hochwasser und Schweiz und in Württemberg sehr geschätzt zugleich Voraussetzung für den Ausbau des und mehrfach erbeten wurden. Mit Strom­ Oberrheins zur Großschiffahrtsstraße im baudirektor Krönke, der den Wasser- und 20. Jahrhundert. Es sei hier vermerkt, daß Straßenbau im Großherzogtum Hessen lei­ Tulla den Plan der Rheinkorrektion und tete, hatte Tulla enge fachliche und persön­ die ersten Baumaßnahmen gegen erbitterten liche Verbindungen. Auch die bayerischen Widerstand im eigenen Land und die Nach­ und französischen Kollegen zollten Tulla barn Fankreich und Bayern durchkämpfen ihre Anerkennung und Wertschätzung. mußte. Um Frankreich für seine Idee und Rückblickend auf das Leben und Wirken das Projekt zu gewinnen, hat er in selbst­ von Tulla ist es nach heutigen Maßstäben loser Weise den Entwurf der Korrektion kaum verständlich, wie der Mann alle seine des Oberrheines seinem französischen Kol­ Aufgaben geschaffen und bewältigt hat, zu­ legen Generalinspektor Six im Jahre 1812 mal er keineswegs von guter Konstitution in Mainz persönlich überbracht, damit er und immer kränklich war. Vom Seekreis von diesem der französischen Regierung am Bodensee bis zum Pfalzkreis am Neckar in Paris als Entwurf des von Napoleon erstreckte sich sein Aufgabengebiet, das er in Mainz eingesetzten „Magistrats für den mit der Pferdekutsche und zu Pferd unter Rhein“ nach Paris vorgelegt werden könne. den mißlichsten Verhältnissen bereiste. Auf Die praktische Ausführung der Korrek­ diesen Dienstreisen hat er in unermüdlichem tion zwischen Basel und Neuburgweier/ persönlichen Einsatz Projekte entworfen, Lauterburg sollte Tulla nicht mehr erleben.

450 Entwurf von Tulla für die Korrektion des Oberrheins bei Kehl/Straßburg 1821

Für diese Rheinstrecke ist die Korrektion traten, waren die Widerstände gebrochen, erst auf Grund der Vereinbarung vom 5. im Gegenteil, die anderen Rheingemeinden April 1840 zwischen Baden und Frankreich riefen in Bittschriften um Hilfe. Für die in Gang gekommen. Daß aber Tulla den Regierung und die Landstände verfaßte Entwurf weiter verfolgte, zeigt die Ver­ Tulla die heute noch erhaltene Denkschrift einbarung von 1822 über die geplante Kor­ von 1825: rektion des Rheins bei Kehl/Straßburg. „Über die Rektifikation des Rheins von Auf den Entwurfsplänen erscheint Tulla seinem Austritt aus der Schweiz bei Basel nicht als Urheber, sondern als einer der bis zu seinem Eintritt in das Großherzog­ Beteiligten. Eine Vorstellung von der tum Hessen“, Rheinlandschaft vor der Tulla’schen Rhein­ die im Druck erschienen ist. Sie wurde von korrektion vermittelt ein Gemälde des Major Scheffel — Vater des Dichters Viktor Rheins oberhalb des Isteiner Klotzes von von Scheffel — ins Französische übersetzt Peter Biermann, das in Basel in der Galerie und ist im „Journal de la Societe des hängt. Sciences, Agriculture et Arts Departement In den Jahren 1818/19 konnte Tulla nach Bas-Rhin, 4. Bd. Straßburg 1827“ erschie­ einer Vereinbarung mit Bayern von 1817 nen. zwischen Daxlanden und Schröck (Leo­ Die flußbaulichen Projekte und Maßnah­ poldshafen) 6 Durchstiche praktisch gegen men Tullas beschränkten sich jedoch nicht schwere Widerstände vornehmen lassen, auf den Rhein. Die Grundlage für den Aus­ bei denen er bei den badischerseits durch­ bau der Binnenflüsse war das Edikt vom zuführenden Arbeiten persönlich eingriff. 24. Mai 1816 über den sogenannten „Fluß­ Um den Widerstand der Gemeinde Knie­ bauverband“ auf Initiative von Tulla, der lingen zu brechen, wurden gegen 800 im schon 1812 die bestehenden Mängel an den Urlaub befindliche Soldaten zum Aus­ Binnenflüssen aufzeigte und die Grundzüge heben des Durchstiches herangezogen und entwarf, nach denen zur Regelung der Flüsse in Knielingen einquartiert. Als beim Hoch- technisch und verwaltungsmäßig verfahren wasser 1824 in dieser Strecke vergleichs­ werden sollte. Z. B. forderte Tulla ver­ weise die Wasserstände bis 1,50 m tiefer waltungsmäßig u. a. die Fronden der Ge­ lagen und keine Dammdurchbrüche ein­ meinden abzuschaffen, die Kosten auf die

451 däjß, /7/:N T j

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Der Oberrhein bei Kehl)Straßburg vor und nach der Korrektion

Staatskasse zu übernehmen und die be­ der Rhein und die Nebenflüsse, Wutach, troffenen Orte zu Fluß- und Dammbaubei­ Schlücht, Wiese, Dreisam, Elz, Kinzig, trägen heranzuziehen. Das ist dann auch Rench, Murg und der Neckar aufgenom­ im Edikt vom 24. Mai 1816 so geregelt men und die Fronden für den Flußbau worden. In den Flußbauverband wurden abgeschafft. Hier seien beispielsweise Tullas

452 Der Oberrhein zwischen Daxlanden und Schröck vor und nach der von Tulla •persönlich ge­ leiteten Korrektion 1817

Flußkorrektionen an der Wiese 1806/1823 Straßen stets durch Überschwemmungen und an der Kinzig 1816/1818 angeführt. unpassierbar und zerstört wurden. Das war Zwischen Lörrach und Hausen war die besonders für das markgräfliche Eisenwerk Wiese durch Ablagerung des Geschiebes in Hausen, das das Eisen-Erz aus dem Kan- des Flusses in viele Arme geteilt, wodurch dertal erhielt und jährlich etwa 12000 Ztr. der Straßenbau erschwert und die damaligen Eisen lieferte, sehr abträglich. Tulla hat diese

453 Bild der Rheinlandschaft oberhalb des Isteiner Die Rheinlandschaft oberhalb des Isteiner Klotzes vor der Korrektion Klotzes um 1965

Korrektionsarbeiten an der Wiese persön­ Hausach — Donaueschingen — Schaffhausen lich entworfen und geleitet. Durch die bzw. Konstanz wurde bei jedem Hoch­ Kriegsverhältnisse und die anfangs noch wasser unterbrochen. In einem persönlichen bestehenden Fronden wurden die Arbeiten Vortrag vom 29. Oktober 1809 hat Tulla gehemmt und zogen sich von 1806 bis 1823 eine durchgreifende Korrektion der Kinzig hin. Tulla war daher zwischendurch für angeregt. In diesem Vortrag hat er den Ge­ Projekte und Arbeiten von Flußkorrektio­ winn an landwirtschaftlichem Gelände allein nen besonders in der benachbarten Schweiz im Bereich Gengenbach—Zell (Zell am freigestellt, auf die ich noch zurückkommen Harmersbach) auf über 1 Mio Gulden be­ werde. Gleicherweise war das Tal der Kinzig rechnet. Nach Abschluß der Korrektions­ unterhalb Flausach zu Anfang des 18. Jahr­ arbeiten zeigte sich, daß dieser Wert viel zu hunderts völlig verwildert, das Überschwem­ niedrig war. Die Arbeiten konnten erst 1816 mungsgebiet dehnte sich bis an den Ge- richtig begonnen werden. Der Korrektions­ birgsrand aus und mehr als 30 Ortschaften entwurf für die Kinzig zwischen Grießheim wurden schon bei gewöhnlichem Hochwas­ unterhalb Offenburg und Neumühl ist erst ser der Kinzig überflutet. Durch planlos und in den letzten Jahren ausgeführt worden. willkürlich angelegte Wehre und Flößerei­ einrichtungen wurde das Übel noch ver­ Wie eingangs ausgeführt, wurde Tulla schärft. Die Straße von Kehl—Offenburg— auch zu flußbaulichen Aufgaben im Aus­ land herangezogen. Im März 1807 erging der Aufruf des Landammanns der Schweiz „von Reinhard“ an die Schweizerische Na­

- f f i t i z i g tion zur „Rettung der durch Versumpfung d t a ins Elend gestürzten Bewohner der Gestade des Wallen-Sees und des unteren Linth- Thales“ in den Kantonen Zürich, St. Gal­ len, Glarus und Schwyz. Auf Vorschlag und Bemühungen des Landammans wurde Tulla zum „Hydrotecten“ für die Durch­ führung der Arbeiten ernannt. Hier lernte Tulla als Vorsitzenden der Schatzkommis­ Korrektion der Kinzig zwischen Gengenbach und sion des Linth-Unternehmens den Oberst ZellfHarmersbach durch Tulla 1816-1818 Stehlin des Rats von Basel kennen; ich

454 Korrektion der Linth-Ebene vom Wallen-See bis zum Zürich-See von 1808-1812 werde noch auf Stehlin zurückommen. Die Ebene zwischen den beiden Seen waren Tätigkeit Tullas und dessen Würdigung völlig versumpft und jährlich standen Wal- und die Anerkennung für die von ihm ge­ lenstadt oberhalb des Sees und Weesen an leiteten Arbeiten ist in dem vom Vorsitzen­ der Waag, dem Auslauf des Sees in die den der Linth-Aufsichtskommission, Con­ Linth, bei der Schneeschmelze in den Alpen rad Escher, Erziehungsrat von Zürich, her­ unter Wasser. Das Linth-Unternehmen sah ausgegebenen zur Beseitigung der jährlichen Überschwem­ „Offizielles Notizblatt mungen vor, die Überleitung der Glarner- die Linth in den Wallensee, den Ausbau der Linthunternehmung Waag vom Wallensee bis zur Einmündung betreffend“ in die Linth und die Korrektion der Linth bis zum Zürichsee. Tulla hat jeweils mehrere lobend hervorgehoben. Den Umfang des Monate in den Jahren 1807/1808 die Ausfüh­ Unternehmens zeigt der Übersichtsplan der rungsentwürfe bearbeitet und die Arbeiten Linth vom Wallensee bis zum Zürichsee. in Gang gebracht. Bei den Arbeiten wandte Die Ufer des Wallensees und die Linth- Tulla in großem Umfang die von ihm für

-Teilentwurf für die Korrektion der Linth von Tulla von 1807

455 Dankschreiben des Landammans der Schweiz Peter Burckhardt an Tulla für dessen Tätigkeit beim Linth-Unternehmen von 1812 den Rheinbau und Binnenflußbau ent­ begleitenden badischen Ingenieur-Geometer wickelte Faschinenbauweise an. Zu diesem Obrecht. Obrecht hat ferner auf Tullas Zweck hat Tulla 2wei der besten von ihm Weisung ein trigonometrisches Netz des im Rheinbau ausgebildeten Faschinenleger Gebietes gefertigt. Die Faschinenbauten Groß und Herrmann für die praktischen sind besonders im Oberlauf der Linth mit Arbeiten herangezogen. Die Aufsicht über den vielfachen Verästelungen des Flusses die Faschinenbauten übertrug er dem ihn angewandt worden, während es sich auf den

456 Wilhelm-Kanal mit Schleuse in Heilbronn nach Entwurf von Tulla von 1818 für die Schiffahrt nach Cannstatt anderen Strecken im wesentlichsten um zwischen Tardis — Landquardmündung — Durchstiche handelte. Die Leistung Tullas und dem Schollenberg sich durch Ablage­ für das Linth-Unternehmen würdigte die rung von Geschiebe derart erhöht hatte, Linth-Kommission im Bericht vom 9. Juli daß ungewöhnlich hohe Überschwemmun­ 1811 und der Landammann der Schweiz gen der Rhein/Saarebene eingetreten waren. Burckhardt in einem Brief vom Januar 1812. Bei weiteren Verschüttungen der Rhein­ Diese erfolgreiche Tätigkeit Tullas führte ebene lag die Möglichkeit nahe, daß ein dazu, daß Tulla vom Kanton Aargau zu Durchbruch der schmalen nur 18‘8” (5.4m) Gutachten über die Rektifikation der Aare hohen Wasserscheide zwischen Saar und und der Reuß, vom Kanton Bern über die Seez erfolge und der Rhein seinen Lauf Rektifikation der Aare und Zihl sowie auch durch den Wallensee und Zürichsee nach vom Kanton Solothurn über die Aare auf­ Waldshut nehmen könnte. Tullas Gut­ gefordert wurde. Den Entwurf für die Kor­ achten von 1819 ging dahin, den Rhein in rektion der Birs und das Wehr bei Mön­ dem Bereich zu korrigieren, um damit die chenstein (heute Münchenstein) erarbeitete Geschiebeverschüttungen zu verhindern er in den Jahren 1811/12. und ferner die Wasserscheide zwischen In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, Saar und Seez durch einen starken Damm daß nach dem Hochwasser 1817 Tulla im zusätzlich zu sichern. Die Korrektion des Jahre 1818 von den Kantonen St. Gallen, Rheins wurde wegen örtlicher Widerstände Glarus, Zürich und Aargau an den Hinter­ erst in Angriff genommen, als das Hoch­ rhein gerufen wurde, weil die Rheinsohle wasser 1847 nur noch 7’7” (2.30 m) unter

457 K u H a c t *

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Plan der Ludwig-Straße von Lahr nach Biherach von Tulla aufgestellt und ausgeführt 1822-1828 der natürlichen Wasserscheide zwischen die Tulla beschritt. Der unterschiedliche, Saar und Seez lag. teilweise schlechte Zustand der Straßen in Im Jahre 1818 wurde Tulla von König W il­ den verschiedenen Herrschaften, aus denen helm von Württemberg zu einem Gutachten das Großherzogtum Baden geschaffen wur­ aufgefordert, wie die Schiffahrt auf dem de, hat besondere Anstrengungen notwen­ Neckar ungehindert durch Heilbronn bis dig gemacht, da wie Tulla in seinen Vor­ Cannstatt ermöglicht werden könne. Die schlägen vom 26. August 1809 zur Ver­ Stadt Heilbronn hatte sich bis dahin allen besserung der Straßen feststellte: Vorschlägen, welche die Beseitigung der „daß in keinem Zweige der Staatsverwal­ Mühlen gefordert hatten, widersetzt. Tulla tung sowenig Übereinstimmung und Ord­ schlug einen 1500 Fuß langen, 50 Fuß nung wie in dem Straßenbau-Wesen be­ breiten Kanal mit einer Kammerschleuse stehe“. von 100 Fuß Länge und 15 Fuß Breite Wie im Wasserbau hat er auch auf das sowie eine Korrektion des Neckarlaufs bei entschiedenste der Aufhebung aller Fron­ Berg und Untertürkheim vor und arbeitete arbeit für den Straßenbau und deren Über­ die Pläne aus. Die Arbeiten sind alsbald in führung in Lohnarbeit das Wort geredet. den Jahren 1818/21 ausgeführt worden. Der Leider ist in dem Chaussee-Gesetz von 1810, Kanal in Heilbronn erhielt den Namen Wil­ das die Einteilung der Straßen und deren helmkanal. Als besondere Anerkennung er­ Bauvorschriften enthielt, in diesem Punkte hielt Tulla eine mit Brillanten geschmückte den Vorstellungen Tullas nicht gefolgt goldene Tabakdose. worden. Im Straßenbau hat Tulla die Auf­ Der wasserbaulichen Tätigkeit stehen die hebung der Fronden, die ihm viel Ärger straßenbaulichen Arbeiten Tullas keines­ und Verdruß bereitet haben, nicht mehr wegs nach. Auch hier handelte es sich um erlebt. Aus der Vielzahl der Straßenbauten neue Methoden und Wege im Straßenbau, seien einige angeführt, denen sich Tulla

458 besonders angenommen hat, bzw. anneh­ men mußte. Da war die wichtige Straße am Hoch­ rhein von Kleinlaufenburg bis Warmbach (beim heutigen Bad. Rheinfelden), deren Bauarbeiten Tulla in den Jahren 1812 bis 1814 persönlich leitete, im Zusammenhang mit seiner Gutachtertätigkeit bei der Kor­ rektion der Birs in der Schweiz. Zu den schwierigsten und kostspieligsten Arbeiten an der Straße gehörte das Abtragen der Schanze und die Felsensprengarbeiten bei Eschbachbrücke bei Heitersheim nach dem Ent­ Kleinlaufenburg, zu denen Tulla Bergleute wurf von Tulla aus den ärarischen Erzgruben heranzog, sowie der Bau einer Gewölbebrücke über leisteten Fronden schritt der Bau nur lang­ die Wehra bei Brennet und über die Alb sam fort und Tulla hat dessen Beendigung bei Albbruck. Viel verwaltungsmäßigen nicht mehr erlebt. Der im Jahre 1828 errich­ Ärger verursachten Tulla die beiden Salinen­ tete Ludwigstein auf der Paßhöhe bei der straßen Rappenau und Dürrheim. Die Salz­ Ruine Gerolseck steht heute noch. lager waren 1823 erbohrt und die Salinen Anläßlich seiner Anwesenheit im hinte­ alsbald errichtet worden. Von der Saline ren Rheintal und der Erstattung des Gut­ Rappenau war für die Abfuhr des Salzes achtens über die Korrektion des Rheins die Straße nach Ehrenberg am Neckar, wo zwischen Tardis und Trübbach am Fuße das Salz auf Schiffe nach dem Rhein ver­ des Schollenbergs hat Tulla auch im Auf­ laden wurde, und nach Eppingen gefordert. trag des Kantons St. Gallen 1818 den Ent­ Die Straße wurde von 1823 bis 1825 erbaut. wurf einer Straße über den Schollenberg — Von der Saline Dürrheim mußte eine Stich­ heute Gonzen — ausgearbeitet, der aus­ straße bis Marbach an die Straße Villingen— geführt wurde und wofür der Kanton St. Donaueschingen—Sernatingen (heute Lud­ Gallen in einem persönlichen Brief vom wigshafen) am Überlinger See und Donau­ 12. Jenner 1822 Tulla die besondere An­ eschingen—Schaffhausen geschaffen wer­ erkennung und den Dank aussprach. den. Vom Lagerhaus in Sernatingen ging Im Zusammenhang mit den Flußbauten das Salz mit Schiffen über den Bodensee an den Binnenflüssen und dem Straßenbau in die Schweiz und den Bodenseeraum. beschäftigte sich Tulla gleichfalls eingehend Mit besonderem Einsatz betrieb Tulla die mit dem Brückenbau und hier mit steinernen Entwurfsarbeiten und die Ausführung der Gewölbebrücken. Bei seinem Lehrmeister Straße aus dem Schuttertal ins Kinzigtal Langsdorff, Salineninspektor in Gerabronn, über den Schönberg — die Ludwigstraße —, der noch zu Tullas Zeiten als Mathematik­ die auf persönliche Weisung von Groß­ professor an die Universität Heidelberg be­ herzog Ludwig von 1821 zwischen Reichen­ rufen wurde, hatte Tulla für dessen Werk bach bei Lahr und Biberach im Kinzigtal über Brückenbau die Zeichnungen gefertigt. gebaut werden mußte. Tulla hat auf den Für die Brückenbauten im Zuge von Stra­ Entwurf und auf die Bauausführung bis ins ßen forderte Tulla ausreichende und sichere einzelne Einfluß genommen, die Straße ist Gründung und saubere handwerkliche Stein­ als Kunststraße von 1822 bis 1828 gebaut schnitte für die Brücken. Ferner mußte das worden. Wegen der mit Widerstreben ge- ausreichende Durchflußvermögen aus dem

30 Badische Heimat 1970 459 Netz der Triangular-Vermessung für den Rhein von Altenheim bis Helmlingen

Niederschlagsgebiet berechnet werden und Bei seiner Tätigkeit hat Tulla früh das Scheitelfreiheit der Gewölbe der Brücken Fehlen einer geschlossenen und einheit­ bei Hochwasser sichergestellt sein, um Ver­ lichen Vermessung des neuen Landes und stopfungen durch Treibzeug und Eis aus­ entsprechender Karten erkannt und beklagt. zuschließen. Die Fahrbahnbreiten der Brük- Auf seinen Vortrag vom Jahre 1804 erhielt ken wurden auf das Maß der Straßenbreite Tulla im Jahre 1806 den Auftrag, die mit Fußweg und Bankett angelegt. So hat Triangularvermessung des Großherzogtums Tulla für die Brücke über den Eschbach bei aufzunehmen und die notwendigen Instru­ Heitersheim den Entwurf der Inspektion mente zu beschaffen. Auf seinen Vorschlag Freiburg zurückgewiesen und nach persön­ wurde das Längeneinheitsmaß „Dezimalfuß licher Überarbeitung bemerkt, daß der ein­ oder neuer Badischer Fuß“ auf drei fran­ gesandte Bauriß unter aller Kritik sei und zösische Dezimeter mit lOteiliger statt 12- daß der neue von Tulla selbst überarbeitete teiliger Unterteilung festgesetzt, dadurch Bauriß der Brücke und der Fugenschnitt wurde der Übergang auf das metrische Sy­ genau zu beachten seien. Auf einer Dienst­ stem später erleichtert. Eine besondere An­ reise im März 1818 nach Basel beanstandete ordnung erging an alle Ingenieure, daß die Tulla erneut die Brüstung der Brücke und Einheit des Längenmaßes die neue Badische sandte von Basel aus eine eigenhändige Rute = 3 m = 10 Badische Fuß zu 0,30 m Skizze mit Anweisungen, wie die Brüstung und 1 Fuß = 10 Zoll zu je 3 cm sei. zu bauen sei. Dieses Beispiel könnte durch Wenn die Vermessungsarbeiten im wesent­ viele ingenieurmäßig und handwerklich gute Brückenbauten erweitert werden, die lichen von seinen engsten Mitarbeitern heute noch bestehen, soweit sie nicht dem Scheffel und Close bearbeitet wurden, so modernen Ausbau der Straßen für die Kraft­ hat doch Tulla die grundlegenden Anord­ fahrzeuge weichen mußten. nungen persönlich ausgearbeitet und sich

460 laufend eingeschaltet. So beruht auf seiner schen Altenheim und Helmlingen und die Anweisung von 1811 die Einteilung der Aufnahme des Turmes der Kirche in Mei­ ßenheim als Beispiel eines Dreieckpunktes. Triangularvermessung in (Am Chor der Kirche von Meißenheim Dreiecke von 1. Rang ist das Grab von Friederike Brion.) In über große Distanzen, in welche die gleicher Weise werden sämtliche Dreiecks­ Dreiecke von 2. Rang punkte aufgenommen. Aufgrund der vor­ Dreicke von 3. Rang liegenden Vermessungsergebnisse erschien über kleinere Distanzen einzuhängen seien, im Jahre 1812 auf Weisung von Tulla und die Vorschriften, wie die Winkel der und von ihm persönlich revidiert die Dreiecke zu messen seien, um eine aus­ „erste Topographische Karte des Groß­ reichende Genauigkeit zu erreichen. Als herzogtums Baden“ und aufgrund der Ver­ Grundlage der Triangulierung und Null­ messungsarbeiten für die Rheingrenzberich­ punkt des Koordinatennetzes wurde 1820 tigungskommission von 1815 bis 1828 ent­ der Mannheimer Meridian durch den Turm stand 1828 die „erste Topographische Karte der Mannheimer Sternwarte bestimmt. Zur des Rheinstroms von Basel bis zur hessi­ Verbesserung der Meßergebnisse und ein­ schen Grenze“, die zum Grenzvertrag von fachen Bestimmung des Ausgleichs der 1827 gehörte, der jedoch nicht vollzogen Fehler bei der Dreiecksmessung entwickelte wurde. Zur Verbesserung und Beschleuni­ Tulla persönlich die sogenannte „Tulla’- gung der topographischen Aufnahmen ist sche Methode des graphischen Auftragens im Sommer 1825 der erste vollständige Meß­ der Fehlerdreiecke“, die noch viele Jahr­ tischapparat entwickelt und beschafft wor­ zehnte angewandt wurde. Ferner hat sich den. Tulla persönlich bei der Entwicklung und Eine Aufgabe besonderer Art rief Tulla Beschaffung der Instrumente für die Tri­ im Jahre 1804 nach Mannheim. 1799 wurde angulierung und für die Höhenmessungen auf Wunsch der Stadt Mannheim und deren eingeschaltet. Tulla bediente sich dabei des Bevölkerung mit dem Schleifen der Fe­ Instituts von Reichenbach und Ertel in stungswerke — der Demolition — begon­ München; Reichenbach war in Durlach ge­ nen. Die Arbeiten kamen aber recht lang­ boren und Tulla bekannt. Im Zusammen­ sam voran, insbesondere wurde die Stadt hang mit der Rheingrenzberichtigung mit des Schutzes gegen das Hochwasser des Frankreich ab 1817 hat Tulla neben der von Rheins und des Neckars beraubt. Tulla hat Scheffel ausgeführten Triangulierung von daher alsbald einen Entwurf für den Schutz Basel abwärts zur trigonometrischen Be­ der Stadt Mannheim gegen Überschwem­ stimmung der Grenzsteine und Rückmar­ mungen aufgestellt und dessen Ausführung ken das Gefälle des Rheins von Basel bis tatkräftig in Angriff genommen. Immerhin Mannheim nivellieren lassen und dazu zogen sich die Arbeiten bis 1818 hin. Zwi­ eigenhändig die „Instruktion für das Ni­ schendurch von 1814 bis 1815 wurde Tulla vellement des Rheins“ aufgestellt. Als auch noch mit der Leitung zur Demolition Höhenanschlußpunkt legte Tulla „die Höhe der Festung Kehl beauftragt, wodurch die des Pflasters vor dem Straßburger Münster“ Voraussetzungen für die Anlage der Stadt fest, dessen Höhe über der Nordsee von Kehl geschaffen wurden. französischen Ingenieuren bestimmt war. Als Tulla 1803 in das Ingenieur-Departe­ Eine Vorstellung vom Umfang der Ver­ ment aufgenommen wurde, nahm er sich messungsarbeiten und der Bestimmung der alsbald des Pegelwesens an. Sein Streben Dreieckspunkte gibt das Dreiecksnetz zwi­ ging dahin, ein einheitliches System für die

30* 461 A lt B rri.sai'li

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Erste Topographische Karte des JRheinstroms (Blatt 6 Alt-Breisach) von 1828

462 Wasserstandsbeobachtungen am Rhein und an den Binnenflüssen des Landes einzu­ führen. Wenn er auch verschiedene Pegel errichten konnte, so setzte er doch erst seine Gedanken im Jahre 1813 durch und er­ wirkte die Verfügung des Ministeriums, daß am Rhein unterhalb Basel bis zur hessischen Grenze unterhalb Mannheim 26 Haupt- und 7 Nebenpegel eingerichtet werden konnten. Nach seinem Vorschlag wurden die Pegel­ skalen nach dem Badischen Fuß = 10 Zoll = 0,30 m eingeteilt und die Nullpunkte der Pegel auf Höhe des höchsten bekannten .Ü S iiS i Hochwassers vom Dezember 1801 gelegt. Ferner hat er eingehende Anweisungen für das Unterhalten, das Ablesen, das Auf­ zeichnen der Pegel bzw. das Kontrollieren der Pegelablesungen durch die amtlichen Pegelbeobachter bzw. die Inspektionen aus­ Mannheim nach dem Schleifen der Festungs­ gearbeitet. Die Anweisungen wurden durch werke 1818 die Oberdirektion in Karlsruhe in der ersten gedruckten „Instruktion für die Pegelbeob­ achter am Rhein“ vom 1. März 1826 zu­ unter Tulla jedoch nicht nur in Pegel­ sammengefaßt; diese Instruktionen wurden büchern tabellarisch aufgezeichnet, son­ grundlegend auch für das Pegelwesen in dern auch für Hoch- und Mittelwasser anderen Ländern. Schon früh hatte Tulla graphisch aufgetragen. die Bedeutung des geschlossenen Rhein­ Viel Mühe und Anstrengungen hat Tulla bettes bei Basel für Wasserstandsbeobach­ auf die Bestimmung der Strömungsge­ tungen am Rhein erkannt. Anläßlich der schwindigkeiten und Abflußmessungen ver­ Einleitung der Arbeiten für die eingangs wandt. Für diese Messungen hielt er den erwähnte Linth-Korrektion zwischen Wal- Woltmann’schen Meßflügel für das geeig­ lensee und Zürichsee lernte Tulla den Ober­ netste Instrument und lehnt Schwimmer­ sten Stehlin von Basel kennen. Dieser wurde messungen, wie sie Wiebeking am Nieder­ vertraut mit den hydrotechnischen Gedan­ rhein damals noch angewendet hat, als kengängen Tullas. Anläßlich eines Aufent­ ungeeignet ab. Da Tulla die Beschaffung halts in Basel hatte Tulla bei Stehlin den eines Woltmannflügels verweigert wurde, Wunsch geäußert, einen Pegel unterhalb der hat er aufgrund seiner genauen Kenntnis Brücke in Basel zu errichten und diesen des Geräts und dessen praktischen An­ Wunsch in einem Schreiben vom 6. März wendung bei seinem Besuch bei Wolt- 1808 an Stehlin eingehend begründet. Steh­ mann in Ritzenbüttel 1794, bei dem lin griff die Anregung Tullas sofort auf und Mechaniker Abresch in Karlsruhe 1801 ließ den Pegel Basel alsbald errichten, so daß einen solchen Wassermeßflügel auf eigene mit den Beobachtungen und Aufzeichnun­ Kosten anfertigen lassen. Seine mehrfachen gen am Pegel Basel schon am 12. März 1808 Bemühungen, die Distriktsingenieure mit begonnen werden konnte. Die Pegelable­ Wassermeßflügeln auszurüsten, hatten erst sungen an den Pegeln am Oberrhein wurden 1821 Erfolg. Alsbald begann Tulla persön-

463 lieh mit Messungen in den Mühlkanälen von in Bewegung gesetzt werden sollte, und das Offenburg und Ortenberg und im Rhein bei Schicksal seiner Erfindung bei der engli­ Philippsburg/Speyer und bestimmte das Mit­ schen Admiralität ist schon von Herrn telwasser des Rheins zu 1200 m3/sec und Dr. Zier hingewiesen worden. Zu dieser das Niederwasser zu 550 m3/sec, was von Erfindung dürfte Tulla u. a. angeregt wor­ den heutigen Werten nur wenig abweicht. den sein, als er in Amsterdam 1794 auf seiner Die Messungen überzeugten Tulla, daß die Studienreise, die ihn mit dem Schiff von Geschwindigkeitsbeiwerte veränderlich und Amsterdam nach Hamburg brachte, in entgegen der damaligen Auffassung nicht Amsterdam 6 Tage wegen widriger Winde konstant seien. Die Eingrenzung der Werte auf das Auslaufen des Segelschiffes warten für den Rhein gelang ihm nicht mehr. mußte und durch eingehende Studien einer Seine Abhandlungen über die Geschwin­ Dampfmaschine — Feuermaschine — auf digkeit des fließenden Wassers in regel­ der gleichen Studienreise 1795 in Burgöhren. mäßigen Kanälen und Flüssen von 1821 Im Jahre 1825 beschäftigte sich Tulla erneut auf Grund seiner Messungen in der Natur mit dieser Idee. Nach der Übereinkunft vom ist leider verlorengegangen. 14. November 1825 mit Bayern sollten in­ Im Rahmen der Rheingrenzberichtigungs­ nerhalb 6 Jahren 15 Durchstiche am Rhein kommission von 1817 bis 1822 hatte Tulla ausgeführt werden. Er fand kein Gehör für mit Oberstleutnant Epailly über die Be­ seine Anregung, zur Beschleunigung der stimmung des mittleren Wasserstandes an Arbeiten Bagger mit Dampfmaschinenan­ den Pegeln Basel, Altbreisach, Kehl, Straß­ trieb zu bauen und diese Bagger so auszu­ burg und Helmlingen harte Auseinander­ gestalten, daß durch Abbau der Bagger­ setzungen und viel persönlichen Ärger, bis einrichtung und den Einbau von Rädern Tullas Werte anerkannt wurden, da der Transportschiffe daraus zu machen. In einem mittlere Wasserstand für die Abgrenzung Artikel in der Großherzoglich Badischen der Eigentumsverhältnisse entscheidend war. Staatszeitung vom 20. Dezember 1814 über Aufgrund von Messungen in der von die Fortschritte der Gewerbekunde, des Ma­ 1817 bis 1819 ausgeführten Korrektion des schinenwesens in England, hat Geh. Hofrath Rheins bei Karlsruhe behandelte Tulla in und Professor Langsdorff zu Heidelberg auf den Instruktionen von 1826 die Hydraulik die Erfindung Tullas hingewiesen. Im wei­ der Rheinkorrektion und bestimmte die Bett­ ten Umfang wurden auch die Kenntnisse breiten bei Basel zu 200 m, bei Kehl zu und der Sachverstand von Tulla für die 250 m und abwärts Neuburg zu 240 m mit Wasserantriebe und die Wasserversorgung beiderseitigen Vorländern von je 175 m der Hüttenwerke, der Erzgruben und Sa­ Breite. Er hat es immer bitter beklagt, daß linen in Anspruch genommen. Er betätigte ihm mangels ausreichender Unterlagen und sich auch als Städtebauer mit einem Entwurf Arbeitsüberlastung nicht früher solche Un­ für die Erweiterung der Stadt Karlsruhe tersuchungen möglich waren. nach Süden außerhalb des Ettlinger Tors. Einem besonderen Tätigkeitsbereich Tul­ Wenn man so die Tätigkeit Tullas rück­ las muß ich mich noch zu wenden, und zwar blickend umreißt, so fragt man sich, von den mechanischen Fragen — damals unter wo aus hat Tulla all das geleitet und wo die mathematischen Problemen verstanden —, von ihm 1823 geschaffene Ober-Wasser- mit denen Tulla sich beschäftigte bzw. mit und Straßenbaudirektion in Karlsruhe un­ denen er betraut wurde. Auf seine Erfin­ tergebracht war. Auf sein Betreiben wurde dung eines Transportschiffes, das mittels an der Linkenheimer Straße zwischen Ste­ einer Dampfmaschine und mehreren Rädern phanienstraße und Akademiestraße das

464 Dienstgebäude der Ober-,Wasser- und Straßenbaudirektion in Karlsruhe 1828

Dienstgebäude anfangs der 20er Jahre ge­ Tulla suchte bei allem Tun immer die plant. Es wurde erst 1828 fertig. Tulla hat größtmöglichste Vollkommenheit; was nach es nicht mehr bezogen. Dieses Gebäude seiner Auffassung schlecht oder nur mittel­ steht heute nicht mehr, es wurde 1875—1877 mäßig war, verwarf er aus Grundsatz, und in ein Justizgebäude — heute Landgericht wenn er hierwegen Angriffen und Tadel — umgebaut. Tulla selbst hat in der Schloß­ begegnete, so beruhigte er sich mit dem straße 20 — der heutigen Karl-Friedrich- Wahlspruch: >Der Tadd wifd vergehen> Straße beim Rondellplatz — gewohnt. das Gute aber bestehen.“

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