Die Anfänge von und das Problem der Afrikanizität

Eine religionswissenschaftliche Untersuchung zur Transkulturation im Kontext der Religionsgeschichte Jamaikas, unter Heranziehung des afrobrasilianischen Candomblé

Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor philosophiae (Dr. phil.)

vorgelegt dem Rat der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena

von Heinz-Jürgen Loth M.A. geboren am 05.07.1942 in Danzig – 2 –

Gutachter

1. Prof. Dr. Udo Tworuschka (Lehrstuhl für Religionswissenschaft, Friedrich-Schiller-Uni- versität Jena)

2. Prof. Dr. Martin Leiner (Theologische Fakultät, Friedrich-Schiller-Universität Jena)

3......

Tag des Kolloquiums: 10.11. 2009 – 3 –

Einleitung 6

I. Zur Methodologie 14

1. Die afrikanische Diaspora in Amerika 14 2. Rastafari und Candomblé als Religionen der afrikanischen Diaspora 15 3. Die Verdrängung des indischen und islamischen Erbes in der Erforschung der Religionsgeschichte Jamaikas 19 4. Der Polykulturalismus Harlems und die Karibik 22 5. Neue Religionen 25 6. Synkretismus, Hybridität und Kreolisierung 28 7. Schütz’ „Mannigfaltige Wirklichkeiten“ 33 8. Religion im Modus des Privaten 35 9. Exkurs: Religion und Kultur: Clifford Geertz und Talcott Parsons 37 10. Transkulturation versus Akkulturation 39 11. Kalunga und kāla pāni: Ruptur und Neubeginn 43 12. Das religiöse Band zwischen Afrika und seiner Diaspora 49 13. Ergebnis 50

II. Afrikanische Religionen: der Versuch einer Annäherung 52

1. Leben und Religion in Afrika — westliche Reflexionen über Religion 52 2. Exkurs 1: Religionstypologie und ihre Problematik 57 3. Exkurs 2: Religionsphänomenologie und ihre Problematik 58 4. Der afrikanische Mensch in Interaktion mit den göttlichen Kräften 59 5. Exkurs 3: Gibt es einen afroasiatischen Konnex? 62 6. Oralität, Inkorporation von Gottheiten und die Suche nach einem glücklichen Leben 66 7. Afrikanische Religionen als Gegenstand der Religionswissenschaft 69 a. Religionsphänomenologie und afrikanische Religionen 71 b. Die Fragwürdigkeit des Begriffs „traditionelle Religion“ 72 c. Kimpa Vita als Beispiel interreligiöser Begegnung von Bantu-Religion und Christentum 74 d. Der religiöse Pluralismus der Akan-Völker 76 e. Die „Stammesreligion“ als ein europäisches Konstrukt 76 8. Ergebnis 78 – 4 –

III. Zum derzeitigen Forschungsstand von Rastafari und Candomblé 79

IV. Rastafari: die Entstehung einer neuen Religion 87

1. Ras Täfäri Mäkonnǝn alias Haile Selassie I. von Äthiopien: die irdische Geschichte des Gottes der Rastafarier 87 2. Der historische Rahmen 100 a. Cimarrones, Maroons und andere Rebellen in Jamaika 106 b. Der „Baptist War“, 1831-1832 114 c. Gab es in Jamaika einen Jihād? 115 d. Die „ Rebellion“, 1865 116 e. Zwischenergebnis 118 3. Afrikanische Traditionen der jamaikanischen Volksreligionen 119 a. Obeah — eine afrojamaikanische Glaubenstradition 119 b. Obeah im heutigen Jamaika 130 c. Neoafrikanische religiöse Traditionen im kolonialen Jamaika 133 d. Myal, Jonkonnu und Gombay 136 e. Die Ahnen und das Salz 139 f. Kumina und Convince 140 g. Die Native und das afrikanische Erbe 142 h. Myalism und die „Great Myal Procession“ 150 i. Vom Myalism zum Revivalism 155 j. Zwischenergebnis 160 4. Rastafari, Marcus Mosiah Garvey und Äthiopismus/Panafrikanismus 161 a. Rastafari — gestiftete Religion und Buchreligion 161 b. Marcus Mosiah Garvey 163 c. Äthiopismus und Panafrikanismus 175 d. Zwischenergebnis 179 5. Leonard Howell, die ersten Rastas und der Nyabinghi-Mythos 182 a. „The Holy Piby“ und die „The Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“ 182 b. Die frühen Lehrer von Rastafari 190 c. Leonard Howell: vom Prediger zum Guru 199 d. Nyavingi/Nyabingi/Nyabinghi — Realität und Mythos 219 e. Zwischenergebnis 225 6. Ergebnis 226 – 5 –

V. Rastafari im Kontext der Transkulturation 228

1. Religiöse Erfahrungen 229 2. Gott — Jah Rastafari 230 3. Exkurs: Ras Mortimo Planno 233 4. Gott und Mensch - I and I 240 a. Der Rasta Talk „I and I“ und die Philosophie 241 b. Der Rasta Talk „I and I“, die Bibel und New Thought 243 c. Der Rasta Talk „I and I“ und die Shiva-tattva 247 d. „I and I consciousness“ und Transkulturation 248 5. Jah, Ganja und Dreadlocks 249 a. Jah und die Bibel 251 b. Jah und der Jabulon/Jahbulon der Freimaurer 252 c. Jah in der esoterischen und okkulten Tradition 253 d. Jah und Hindi Jai 254 e. Jah und der Transkulturationsprozess 256 f. Ganja, Sadhus und „Dreadlocks“ 258 g. Der Ganja-Komplex als interkulturelle Schnittstelle der Transkulturation 261 6. Ergebnis 263

VI. Abschließende Bemerkungen 264

Danksagung 267

Bibliographie 268 – 6 – Einleitung

Die vorliegende Untersuchung greift auf Beobachtungen und Erfahrungen des Autors während seines mehrmonatigen Aufenthalts in Kingston, Jamaika, im Jahre 1992 zurück. Die Begegnungen mit Rastafariern, afrojamaikanischen Revivalists und Kumina-Anhängern ver- mittelten Einsichten, die häufig unseren abendländisch-westlichen Vorstellungen von Religi- on nicht entsprechen. Das trifft auch auf den afrobrasilianischen Candomblé zu, den der Au- tor in Salvador da Bahia, Brasilien, während eines Forschungsaufenthalts 1996 in den dor- tigen Terreiros1 kennen lernen konnte. Die in der Karibik und in Brasilien gewonnenen Ein- sichten haben mich dahingehend geleitet, dass ich bezüglich des Verstehens von Begegnung und Wandel in diesem Teil der Welt auf ein Erklärungsmodell zurückgreife, das von dem ku- banischen Wissenschaftler Fernando Ortiz (1881-1969) mit dem Begriff „transculturación“ umschrieben wurde. Der Terminus ist in der spanisch- und portugiesischsprachigen Welt — hier als „tranculturação“ — gut bekannt. Die vorliegende Untersuchung hat in erster Linie Rastafari zum Gegenstand, eine neue Religion mit etwa einer Million Anhängern weltweit, die in dem verstorbenen äthiopischen Kaiser Haile Selassie den Gott Jah Rastafari sehen. Wir stellen zur Einführung einige Worte des Rastafariers Jah Stone aus seinem Gedicht „Golden Jubilee“ voran:

I LIVE JAH people Continually I will defend JAH people by the biblical rights of divine justice. The truth is; perfect love knows no evil, For it to correspond all nations have to cooperate with the Divinity of the Most High JAH RASTAFARI. … EXODUS The movemant of JAH people guided by JAH RASTAFARI; His Majesty’s teaching of perfect love. The Niyabinghi Order of Melchizedek is a reality with the interpretation Death and Judgemant to all black and white downpressors. … Blessed are the nations who know RASTAFARI as the Almighty The Most High who is seated in Mount Zion… (zit. in Faristzaddi 1982: o. Paginierung)

Zur (vorläufigen) Einordnung von Rastafari in den kulturellen Kontext von Afroamerika

[1] Der Terreiro (portugiesisch: „Gelände“, „freier Platz“) ist der Ilé (Yorùbá: „Haus“) des Candomblé und zu- gleich ein Stück Afrika, bestehend aus mehreren Grundstücken und Häusern für die Orixás sowie Bäumen und Medizinpflanzen. – 7 – sei hier an erster Stelle wieder ein Rastafarier zitiert, der Soziologe und Anwalt Dennis Forsythe:

The unique significance of Rastafarianism lies in the fact that it includes the most dyna- mic and powerful expression of the African pulsation in the today. It is the voice of Africa crying out in the Caribbean. … Rastafarianism is the resurgence of Afri- can revivalism and spiritualism, and hence qualifies as an authentic mass African Renais- sance movement. (Forsythe 1980: 62 f.) Above all, Rastas are Africans. And it is in the light of the African cultural background and subsequent historical experiences that Rastafarianism is best unterstood. (ebd.: 66)

Und schließlich wollen wir noch aus der Einleitung von Nathaniel Murrell zitieren, der zusammen mit William Spencer und Adrian McFarlane das Standartwerk „Chanting down Babylon“ herausgegeben hat:

Like its antecedents within the African diaspora — such as Voodoo (Voudou) in Haiti and New Orleans; Santeria in Cuba; Yoruba, Kaballah, and Orisha in Trinidad and Toba- go; Shango in Grenada; and Candomble in Brazil — Rastafari is a modern Afro-Caribbe- an cultural phenomenon that combines concepts from African culture and the „Caribbean experience“ (social, historical, religious and economic realities) with Judeo-Christian thought into a new sociopolitical and religious worldview. So while Rastafarian beliefs and practices are influenced by such Africanisms in Jamaican culture as Myalism, con- vince cult, revivalism (Zion), Bedwardism, Pocomania, and Burru (all Afro-Jamaican re- ligious and cultural traditions), Rastafari’s rise and ethos are driven by social, economic, and political forces in the region. (Murrell 1998: 4)

Während das Gedicht von Jah Stone mehr auf einer theologischen Ebene argumentiert und Eckpunkte des Rastafarianismus formuliert, unternehmen Forsythe und Murrell den Ver- such, Rastafari in ein afrikanisches Erbe einzuordnen, wobei auf Begriffe der afrojamaikani- schen Religionsgeschichte wie z.B. Revivalism rekurriert wird. Darüber hinaus stellt Murrell die neue Religion in den größeren afroamerikanischen Kontext, der von New Orleans bis Brasilien reicht. Solche globalen Aussagen, die nicht ins Detail gehen — auch nicht in den folgenden Ab- handlungen dieses „Rastafari Reader“ — erzwingen zwangsläufig ein Hinterfragen derselben. Was soll man zudem davon halten, wenn der Autor im Anschluss an das obige Zitat an- merkt, dass die Rastafarier „Africanists“ seien, einer „African-centered ideology“ folgen, so- mit das Anliegen des Afrozentrismus vertreten würden, bevor dieser in den USA populär wurde (ebd.: 5)? Uns wird daher die Frage beschäftigen: Stehen die Rastafarier wirklich in einer afrikanischen Tradition oder meinen bzw. behaupten sie nur, dass es so wäre? Vergleicht man Rastafari mit den von Murrell angeführten Religionen aus der „African – 8 –

Diaspora“ (siehe Seite 14), so werden sehr schnell einige Gemeinsamkeiten, aber auch Unter- schiede deutlich. Einmal abgesehen von der Kabbala können diese drei großen Traditionen zugeordnet werden: der aus Westafrika stammenden Vaudou-Religion, der Religion der Yorùbá und der der Bantu. Der Vaudou2 hat seine Anhänger nicht nur in Westafrika, Haiti und Louisiana, sondern auch auf Kuba und in Brasilien und zwar im Candomblé Jeje. Die größte Gemeinschaft dürfte jedoch die der Orisha-Tradition3 sein, die von den Yorùbá ausgeht. Yorùbá ist eher eine kul- turelle Bezeichnung, die aus dem 19. Jahrhundert stammt und von den christlichen Missiona- ren zur Bezeichnung verschiedener Königreiche und Städte benutzt wurde, deren Bewohner einer gemeinsamen Sprachfamilie zugeordnet wurden (Smith 1988: 7; Mason 2001). Der „In- ternational Congress of Orisa Tradition and Culture“ spricht von 100 Millionen Menschen, die sich mit den Orishas verbunden fühlen. Die Mitglieder rekrutieren sich aus über 50 Län- dern.4 Auch wenn die Zahl der Gläubigen sich nicht verifizieren lässt, so besteht doch kein Zweifel darüber, dass die Yorùbá-Religion infolge des Sklavenhandels und der postkolonia- len Migrationsbewegungen, zu denen die der Gegenwart kommen, eine Verbreitung gefun- den hat, die zutreffend als Globalisierung zu bezeichnen ist. Das lässt sich auch an der Tatsa- che ablesen, dass die Kongresse der genannten Organisation schon längst nicht mehr nur in Nigeria stattfinden. Seit Gründung der Orisa World haben von den neun internationalen Kon- gressen nur drei daselbst stattgefunden, die übrigen in den USA (1997), in der Karibik (Trini- dad and Tobago 1999, Kuba 2003) und Brasilien (1983, 1990 und 2005). Diese vormals „tra- ditionale“ Religion Afrikas hat sich inzwischen zu einer wachsenden Weltreligion entwickelt (Olupona/Rey 2008). Die Website Nganga org5 von Eoghan Ballard wiederum verweist auf die Bantu-Diaspo- ra in beiden Amerikas. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass in Kuba zur Regla de Palo Monte die Reglas de Congo gehören und manche lwas im haitianischen Vaudou kongolesischer Her- kunft sind, vom Candomblé de Angola in Brasilien oder der Kumina in Jamaika ganz zu schweigen. Die religiösen Traditionen des alten Kongo sind zu einem festen Bestandteil des- sen geworden, was John Thornton als „Afro-Atlantic culture“ bezeichnet hat (Thornton [1992] 1999: 8). Das Karibische Meer, auch Karibische See genannt, bezeichnet Olabiyi Yai zutreffend als ein „mare santeríae“: Die Santería oder Lucumí-Religion (Loth 2003: 699-700) gelangte mit Migranten bis nach Puerto Rico, in die Dominikanische Republik, Mexiko und

[2] Gemäß der Fon-Sprache in Benin und Nigeria und der Ewe-Sprache in Togo und Ghana müsste die Bezeich- nung eigentlich Vodun, ausgesprochen vodṹ, lauten, aber je nach kulturellem und sprachlichen Kontext gibt es auch die Aussprache Voodoo, Vaudou, Voudou, Vodú, Vodum u.a.m. [3] Der Yorùbá-Begriff òrìÍà wird in Brazilien orixá, in Kuba oricha und in der britischen Karibik orisha ge- schrieben. Im anglophonen Raum kann auch vereinfacht die Schreibung orisa stehen. Je nach Region wech- seln wir in der Schreibung. [4] Vgl. „International Congress of Orisa Tradition and Culture“ im Internet: (Zugriff vom 16.09.2008). [5] vgl. (Zugriff vom 16.09.2008). Von Eoghan Ballard stammt eine sehr gute Darstel- lung über die Kongo-Religion in den Americas (Ballard 2005). – 9 –

Venezuela — und natürlich in die USA (Yai 1996). Aber auch hierzulande ist die afrokubani- sche Santería angekommen und zwar nach 1978 zunächst in der DDR und nach der Wieder- vereinigung 1989/1990 in ganz Deutschland (Rossbach de Olmos 2007: 131f.).6 Die Zugehörigkeit zur Santería oder etwa zum Candomblé in Brasilien ist längst keine Frage mehr von Hautfarbe oder afrikanischer Herkunft. Entscheidend ist heute die durch ritu- elle Initiation begründete Zugehörigkeit, die eine neue Identität schafft. Das folgt schon aus der Tatsache, dass Yorùbá- und Bantu-Traditionen in Brasilien zu einer gemeinsamen Religi- onsgemeinschaft gefunden haben. Eine Initiation wie in den vorgenannten afroamerikani- schen Religionen kennt Rastafari nicht. Der Begriff candomblé, der bislang für die „reine“ Yorùbá-Tradition stand, ist von Kikongo/Kimbundu/Umbundo kandombele abzuleiten: „be- ten, anrufen, um die Vermittlung der Götter bitten sowie der Ort, wo der Kultus vollzogen wird“ (Castro 2001: 196). Die afrobrasilianischen Religionen sind inzwischen — durch Mi- gration — in Portugal angekommen7, aber auch in Deutschland.8 Santería und Candomblé, aber auch die Umbanda (Loth 1992) durchlaufen offenbar einen Prozess der Universalisie- rung (Canizares 1994). Wir möchten an dieser Stelle noch einmal auf den Begriff „Weltreligion“ zurückkom- men, den Manfred Hutter in der Einleitung seines Buches „Die Weltreligionen“ kritisch un- tersucht hat (Hutter [2005] 2008: 9-17). Danach können wir zwar sagen, dass viele Anhänger der Orisha-Religion, insbesondere außerhalb Afrikas, einen universellen Geltungsanspruch vertreten, der z.B. nicht mehr von der Afrodeszendenz abhängig ist (Loth 2003: 239). Aller- dings ist dieses Selbstbewusstsein erst in den letzten Jahrzehnten zu beobachten, während die große Mitgliederzahl und geographische Ausbreitung durchaus den bekannten Kriterien der Definition von Weltreligion entsprechen (Hutter [2005] 2008: 13). Wenn Hutter jedoch mit Blick auf den universellen Anspruch der Weltreligionen von der Umsetzung des „Heils- weg[s] für alle Menschen“ spricht (ebd.: 17), dann wird es schwierig, dazu ein Äquivalent in afrikanischen Religionen zu finden. Die gute Beziehung zu Gott, den Geistern/Ahnen und die daraus folgende Stärkung des Lebens hier und jetzt stehen im Mittelpunkt, dem dienen auch die Opfer sowie die Besessenheit oder die Inbesitznahme durch die vorgenannten Wesen- heiten. Auch für Rastafari gilt die globale Ausbreitung. Mit Hilfe vor allem des Mediums Reg- gae (Weinhäupl 2002: 47.65.88. u.ö.) — aber auch durch Migrationen — ist das Gedanken-

[6] Im Fachgebiet Völkerkunde der Philipps-Universität Marburg läuft seit 2004 ein DFG-Forschungsprojekt „Santería in Deutschland“. [7] Vgl. die „Associação Portuguesa de Cultura Afro-Brasileira [APCAB]“ ( [Zugriff vom 18.09.2008]) und die „REUCA - Rede Europeia de Umbanda e Cultos Afro“ ( [Zugriffe vom 20.12.2008]) [8] Über die Gründung des ersten „terreiro do candomblé“, Ilê Axé Oyá („Haus der Kraft der Oyá“), durch den in Berlin ansässigen namhaften Tänzer/Choreographen und Candomblé-Priester Murah Soares berichteten Sol Montoya Bonilla, „Ilê Ashé Oyáa: ein Candomblé-Raum in Berlin“, in: journal-ethnologie.de, vol. 6/2008 (Aktuelle Themen) sowie die „Revista IstoÉ“ ( [Zugriff vom 20.12.2008]). – 10 – gut dieser neuen Religion von Jamaika aus in alle Welt gegangen, auch nach Afrika selbst und natürlich auch nach Deutschland. Die Eingabe von „Rastafari“ bei Google oder Yahoo führt zu einer Vielzahl von deutschsprachigen Webseiten über Rastas und .9 „Rasta re- aching out to all four corners of the world…“, so ist ein Foto tituliert in einem jüngst von Werner Zips herausgegebenen Buch mit dem Titel „Rastafari - eine universelle Philosophie im 3. Jahrtausend“ (Zips 2007: vor Seite 193). Kritisch muss bereits hier angemerkt werden, dass ein solcher Anspruch nur im Kontext der Popularisierung und Kommerzialisierung des Reggae zu verstehen ist. Eine Weltreligion im religionswissenschaftlchen Sinne ist Rastafari sicherlich nicht, wenn die Kriterien von Manfred Hutter ([2005] 2008: 9-17) zu Grunde ge- legt werden. Diese Entwicklung hat nun auch zur Folge, dass man zwar bei Rastafari in der Regel Ja- maika vor Augen hat, dabei jedoch vergisst, dass im Zuge der Globalisierung außerhalb des Inselstaates auch andere, lokale Formen von Rastafari sich gebildet haben. Rastafari ist inso- fern kein einheitliches Phänomen: Neben den mehr oder minder fest gefügten Gruppen wie den Bobo Ashanti10 des King Em[m]anuel Charles Edwards, dem Nyabinghi mit seinen Patri- archen11 und den Twelve Tribes of Israel12 gibt es eine Anzahl von weiteren Gruppierungen auf nationaler und lokaler Ebene bis hin zu den Rastas, die der Äthiopisch-Orthodoxen Tewa- hedo Kirche beigetreten sind. Es gibt folglich ein großes Spektrum an religiösen Anschauun- gen und Praktiken! In diesem Aspekt gleichen sie den afrobrasilianischen Religionen, inso- fern sie keine der Kirche ähnliche Organisation besitzen, sondern eher aus Kultgruppen bestehen, die sich durch bestimmte kosmologische und anthropologische Vorstellungen ver- bunden wissen. Darin besteht zweifellos auch ihre Stärke. Ein grundlegendes Kennzeichen der afrokaribischen und afrobrasilianischen Religionen folgt aus der Tatsache, dass ihre Wurzeln in West- und Zentralafrika liegen. Das gilt auch dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass es durch Flux und Reflux — wir lehnen uns mit diesen Begriffen an die inzwischen klassische Untersuchung von Pierre Verger 1968 an — zu dem Phänomen der Reafrikanisierung kam. Candomblezeiros, d. h. Anhänger von Candom- blé, können heute nach Nigeria, Benin, Togo oder Sierra Leone fahren, um Kontakte zu Ori- sha-Gläubigen aufzunehmen und um zu lernen. Gilt das jedoch auch von den Rastafariern? Wo in Afrika liegen die Wurzeln von Rastafari? Die vorgenannten drei Traditionen kön- nen ihre Wurzeln auf bestimmte Regionen, Völker, Kulturen, Religionen und Kultsprachen in Afrika zurückführen. Das aber können die Rastafarier zweifellos nicht. Zu Äthiopien, der Heimat Haile Selassie, des Gottes Jah Rastafari, gibt es keine historischen Wurzeln, auch

[9] Unter den Printmedien verdient das Magazin „riddim“ Erwähnung, berichtet es doch regelmäßig über Rasta- fari und Reggae, Dancehall und Jamaika; jeder Ausgabe ist eine CD mit Reggae-Musik beigefügt. [10] Siehe z. B. House of Bobo: (Zugriff am 21.12.2008) [11] Siehe z. B. His Imperial Majesty Emperor Haile Selassie I Theocracy Reign Order of the Nyabinghi Or- der: (Zugriff vom 21.12.2008). [12] Siehe z. B. Twelve Tribes of Israel Information and Contacts Page: (Zu- griff vom 21.12.2008). – 11 – wenn Äthiopien das Denken beherrscht. So ist das „Äthiopien“ der Rastas nur eine mentale und emotionale Heimat und ist — sofern man dieses mit dem realen Land Äthiopien in Afri- ka vergleicht — eine Utopie. Rastas reflektieren beispielsweise nicht, dass der Islam in Äthiopien genauso stark vertreten ist wie das orthodoxe Christentum (Omar 2007). Sie nehmen auch nicht zur Kenntnis, dass Haile Selassie während seiner Regierungszeit gegen- über jenen afrikanischen Völkern, Kulturen und Sprachen seines Reichs, die nicht amhari- scher Herkunft waren bzw. noch sind, eine ausgesprochen repressive Politik ausübte (Abbay 2004: 598). Erst seit der Einführung des „Ethnischen Föderalismus“, der in der Verfassung von 1995 verankert wurde, können die Nichtamharen ihre Kultur und ihre indigenen Religio- nen frei ausüben. Auch die Forderung der Repatriierung nach Afrika bzw. Äthiopien, die zu einem Eck- pfeiler des Rasta-Glaubens gehört, kann folglich nur als ein Überbleibsel aus dem politischen Programm Marcus Garveys angesehen werden. Für den aus Jamaika stammenden Garvey (1887-1940), der 1914 die Universal Negro Improvement Association (UNIA) gegründet hat- te, war die Rückkehr aller Schwarzen nach Afrika ein wichtiger Punkt seines politischen Pro- gramms. — Über Marcus Garvey informiert ausführlich unser Kapitel „Marcus Mosiah Gar- vey“ (IV.4.b.). — Der Back-to-Africa-Gedanke ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach so alt wie die Sklaverei selbst. Die erfolgreichen Reggae-Interpreten siedeln übrigens keineswegs nach Afrika über. So bleibt die „wahre“ Heimat der Rastas Jamaika, der karibische Inselstaat, dessen gesellschaftlichen Probleme noch immer einer Lösung bedürfen. Im Gegensatz zu den religiösen Traditionen aus West- und Zentralafrika in beiden Amerikas gibt es für die Rastas keine reale Brücke zwischen Jamaika und Afrika. Das zeigt auch die wenig erfolgreiche Siedlung von Rastas in Shashamene. Der Genuss von Ganja durch die Rastas stößt hier wie auch in anderen Teilen Afrikas auf Ablehnung. Es kommt hinzu, dass die angestammte Droge Äthiopiens die Kaudroge Kat oder qāt— ist. Allgemein geht man davon ﻗﺎت Kath (catha edulis) — amharisch ጫት c˚\at, arabisch aus, dass Äthiopien die Heimat der Katpflanze ist (Lemessa 2001: 3) und von dort in den Jemen und nach Ostafrika gelangte. Äthiopien gehört zu den bedeutendsten Produzenten der psychoaktiven Droge, die in signifikanter Weise zur Ausfuhr des Landes beiträgt (ebd.: 10). Auch hinsichtlich des Drogengenusses gibt es folglich zwischen den Rastas und Äthiopien keine Gemeinsamkeit. Es stellt sich notwendigerweise die Frage nach der Afrikanizität der Rastafari-Religion. Was für den Autor dieser Arbeit 1991 noch als gesichert erschien, nämlich die afrikanische Spiritualität als das tragende Element von Rastafari (Loth 1991: 61), bedarf nach eingehender Beschäftigung mit der Religionsgeschichte Jamaikas einer erneuten Analyse. Rastafari als eine Neureligion muss im Kontext einer Vielzahl von religiösen Traditionen erforscht wer- den: Erstens gehört dazu die gesamte Religionsgeschichte Jamaikas, also auch die indischen religiösen Traditionen, die mit der Kultur der Vertragsarbeiter aus Ostindien nach 1845 ins Land kamen. Zweitens müssen auch die religiösen, kulturellen und politischen Strömungen einbezogen werden, die zu der „Caribbean experience“ (Murrell) gehören. Zu diesen gehören – 12 – jedoch auch die durch Migration nach Nordamerika sich ergebenden Beziehungen zwischen der Karibik und dem Polykulturalismus Harlems. Damit eröffnet sich ein weiter Bereich von religiösen und soziokulturellen Strömungen, die in die nordamerikanische Geistesgeschichte hineinreichen. Wir vertreten in dieser Untersuchung die folgenden Thesen: 1. Es gibt keine ungebroche- ne Kontinuität afrikanischer religiöser Traditionen in Jamaika, vielmehr haben sich diese in Folge des Prozesses der Kreolisierung zu neoafrikanischen volksreligiösen Traditionen ent- wickelt. Rastafari kann folglich auch nicht als eine Fortsetzung eines vermeintlichen afrikani- schen Erbes in der Karibik angesehen werden. 2. Rastafari kann auch deshalb nicht als eine direkte Fortsetzung der volksreligiösen (afrojamaikanischen) Traditionen angesehen werden, da diese Neureligion in wichtigen Punkten sich von diesen unterscheidet. Den afrobrasiliani- schen Candomblé werden wir zum Vergleichen heranziehen, da er die kosmologischen und rituellen Traditionen Afrikas mehr oder minder bewahrt hat. 3. Der Bruch mit afrojamaikani- schen Traditionen erklärt sich durch die interkulturelle und interreligiöse Begegnung mit dem Hinduismus der Indojamaikaner, die zu einer Transkulturation geführt hat. — Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir „interreligiöse Begegnung“ keineswegs im Sinne einer „interreligiösen Hermeneutik“13 verstehen; unser Erklärungsmodell ist das der Transkulturation. — 4. Rastafari entwickelte sich zu einer afro-christlich-indischen Religion. Die vermeintliche Afrikanizität ist Ergebnis einer Reafrikanisierung, wie wir sie in vielen Bereichen der afrikanischen Diaspora beobachten können. Im 1. Kapitel werden wir uns mit zahlreichen Methodenfragen beschäftigen, die zum ei- nen das weite Umfeld des Polykulturalismus der Karibik beschreiben, zum anderen der Frage nach dem Transfer afrikanischer Kultur und Religion nach Amerika nachgehen. In Brathwai- tes Thesen zur Kreolisierung und den „mannigfaltigen Wirklichkeiten“ von Alfred Schütz se- hen wir wichtige ergänzenden Grundlagen für das Verständnis dessen, was Fernando Ortiz als Transkulturation beschrieben hat. Im Kapitel 2 wollen wir in afrikanische Religionen einführen, da es keinen Sinn macht, über Afrikanizität zu reflektieren, ohne sich diesen Religionen angenähert zu haben. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Forschungsstand von Rastafari und Candomblé und leitet damit über zum 4. Kapitel, in dem die Entstehung von Rastafari dargestellt werden soll. Neben der Darstellung der Geschichte des Gottes Jah Rastafari alias Haile Selassie schildern wir die Religionsgeschichte Jamaikas, um bewerten zu können, ob Rastafari als eine direkte Fortset- zung derselben angesehen werden kann. Die Einführung in Leben und Werk Marcus Garveys ist wichtig, weil er von den Rastafariern verehrt wird, obgleich er die neue Religion abge- lehnt hat. Dagegen ist Leonard Howell, der wohl entscheidende Gründer von Rastafari mehr in den Hintergrund getreten. Kapitel 5 beschäftigt sich vor allem mit den transitorischen Prozessen der Transkulturati- on, die zu den wichtigsten religiösen Anschauungen und Praktiken von Rastafari geführt ha-

[13] Diesbezüglich sei auf die Arbeiten von Andreas Grünschloß 1994 und 1999 hingewiesen. – 13 – ben; dazu gehört auch die Reafrikanisierung als eine „Operation“ der Wiederentdeckung Afrikas. Im 6. Kapitel fassen wir die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und schließen mit einem Ausblick auf die derzeitigen Probleme von Rastafari. – 14 – I. Zur Methodologie

1. Die afrikanische Diaspora in Amerika

Es war oben bereits die Rede von der „African Diaspora“. Manche Wissenschaftler spre- chen von der „Black Diaspora“, andere bringen Afrika und Amerika näher zusammen und re- den dann vom „Black Atlantic“ wie Paul Gilroy (1993). Lorand Matory seinerseits spricht von der „Afro-Atlantic culture“, der ein transatlantischer Dialog zu Grunde liegt (Matory 1999, vgl. Yelvington 2006), während Robert Hill zum Terminus „Afro-Atlantic world“ (2008, siehe Seite 23) greift. Wir entscheiden uns für den Begriff der Diaspora und benutzen neben „Black Diaspora“ den Terminus „afrikanische Diaspora“ (engl. „African Diaspora“), weil er auch im Portugiesischen als „diáspora africana“ gebräuchlich ist. Nach unserem Da- fürhalten ist die afrikanische Diaspora historisch weitaus früher anzusetzen als der transatlan- tische Dialog sowie die oben angesprochene Globalisierung afrikanischer Religionen, die jüngeren Datums ist. Der Begriff „Diaspora“ selbst bezeichnet ursprünglich die jüdischen Gemeinschaften ,wird aber zusehends häufiger für Hindus ,(גָּלוּת ,außerhalb des Landes Israel (hebr. galut Sikhs und Zarathustrier außerhalb ihrer Heimatländer verwandt. Das gilt im besonderen Maße auch für afrikanische Völkerschaften außerhalb ihres Kontinents, seit dem „Internatio- nal Congress of African Historians“ (Tanzania 1965), auf dem der Begriff der afrikanischen Diaspora Akzeptanz fand (Cheeseboro 1997:16). „African Diaspora in the Caribbean/Euro- pe“ oder „Diaspora America“ sind inzwischen geläufige Begriffe in der afrikanischen Pres- se.14 Wenn von einer afrikanischen Renaissance die Rede ist, dann geschieht das heute auch unter Einbeziehung der afrikanischen Diaspora.15 Diese beginnt mindestens in der klassischen Antike; mit der Ausdehnung der islamischen Welt gelangten Afrikaner nicht nur auf die Ibe- rische Halbinsel und nach Arabien, sondern auch bis nach Indien und sogar China. Eine neue Phase begann mit dem zunächst nur von den Portugiesen nach 1441 betriebenen Sklavenhan- del, der Afrikaner nach Europa und in die Neue Welt brachte (vgl. Irwin 1977; Rice 1991; Cheeseboro 1997). Die postkoloniale Forschung sieht im Kolonialismus selbst geradezu „a radically diasporic movement“ (Ashcroft / Griffiths / Tiffin 1998: 69), die zu einer Entwick- lung von „diasporic cultures“ führte, im Kontext eines vom Kolonialismus erzwungenen Kreolisierungsprozesses (ibid.: 70). Auch wenn der Diskurs über die afrikanische Diaspora in den letzten Jahren an Popu- larität gewonnen hat, so bestehen nach Paul Zeleza immer noch konzeptionelle Schwierig- keiten hinsichtlich der Vorstellungen über Diaspora im Allgemeinen und afrikanische Dia- spora im Besonderen (Zeleza 2005: 36). Auf die diesbezügliche Diskussion soll hier nicht

[14] Siehe z.B. New African, N° 392, January 2001, p. 47. [15] Siehe z.B. Femi Biko, Software problems in the African Renaissance process, part 3, in: New African, N° 391, December 2000, p. 36. – 15 – eingegangen werden, dagegen jedoch auf die Tatsache verwiesen werden, dass die anglopho- ne Forschung über das afroamerikanische Erbe vor allem die USA im Blick hat (ebd.: 63) und die Tatsache in den Hintergrund drängt, dass Brasilien die größte afrikanische Diaspora besitzt und dass diese Portugiesisch spricht (ebd.: 37. 49). Nach einer nationalen Erhebung des Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE) aus dem Jahre 1998 sind 45,2 % der Bevölkerung afrikanischer Abstammung („descendentes de africanos“), d.h. 70 Millionen seiner Gesamtbevölkerung (Cunha-Henckel 2002: 98 Anm. 11). Selbst in den Nachbarstaaten Brasiliens nimmt man heute — nach einer langen Zeit der Unterdrückung und Marginalisie- rung — die afrikanischen Diasporagemeinden wieder zur Kenntnis. Nach Nigeria hat Brasili- en die zahlenmäßig größte Gruppe an Menschen afrikanischer Herkunft! Auch in den meisten karibischen Staaten ist die Mehrheit der Bevölkerung afrikanischer Abstammung, also keine Minderheit wie in den USA. Nach Duncan Rice haben die afrikanischen Diaspora-Gemeinden wie die der Juden ihre eigene Kultur im Ausland abgrenzen und behaupten können, aber erstere „haben … mit größerem Erfolg als die Juden die Kulturen der Gesellschaften beeinflussen können, in denen sie leben“ (Rice 1991: 68). Auch hat die Diaspora in einem nicht unerheblichen Teil auf die Geschichte Afrikas seit dem 19. Jh. einwirken können (ebd.). Umgekehrt ist ein Einwirken der jüdischen Diaspora, etwa des Reform Judaism oder Conservative Judaism auf den Staat Israel, in dem das orthodoxe Rabbinat eine Monopolstellung innehat, ein Phänomen der Ge- genwart, welches bislang zu nicht unerheblichen Auseinandersetzungen geführt hat. Es versteht sich von selbst, dass das „wahre“ Afrika weder in der Karibik noch in Bra- silien zu erwarten ist. Andererseits ist der Prozess der Kreolisierung auch kein Vorgang, wel- cher nur die afrikanischen Sklaven und ihre Nachfahren ergriffen hätte (Ashcroft/Griffiths/ Tiffin 1998: 58-59). Der afrikanische kulturelle Einfluss auf die weißen Kolonialherren läßt sich beispielsweise mühelos im „ Talk“ (Cassidy 1982) bzw. „Afro-Jamaican Patois“ (Adams 1991) oder im brasilianischen Portugiesisch (Schneider 1991) nachweisen. Eine Be- schäftigung mit Brasilien ist ohne ein typisch brasilianisches Wörterbuch wie z. B. mit dem „Novo dicionário (Aurélio) da língua portuguesa“ nicht möglich, um die Brasilianismen, ins- besondere solche mit Herkunft aus indianischen und afrikanischen Sprachen verstehen zu können.

2. Rastafari und Candomblé als Religionen der afrikanischen Diaspora

Zum besseren Verständnis der folgenden Untersuchung sollen noch einige Erläuterungen zu Rastafari und Candomblé vorausgeschickt werden, da wir nicht die Absicht haben, beide Religionen in extenso zu beschreiben. Unser Interesse gilt nur den Anfängen von Rastafari seit den 1930er Jahren, während der Candomblé sicherlich eine weitaus längere Vorgeschich- te hat. Rastafari — so benannt nach dem letzten äthiopischen Kaiser (siehe Seite 6) — ist streng – 16 – genommen ein afrojamaikanisches Phänomen. Aber seit langem ist diese Neureligion in ganz Amerika, Afrika, Europa und in einzelnen Teilen Asiens anzutreffen. Die Vorsilbe afro- soll- te auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei der Entstehung von Rastafari auch indische Traditionen, die mit den Vertragsarbeitern nach Jamaika kamen, eine Rolle spielten. Insofern werden wir — wie oben als These bereits formuliert wurde — von einer afro-christlich-indi- schen Religion sprechen müssen. Rastafari ist im Vergleich mit dem Candomblé jedoch eine relativ junge Religion, deren Genese auf die frühen 1930er Jahre verweist. Der Candomblé ist dagegen eher als eine „Afro-Religion“ anzusprechen. Nach Laura de Mello e Souza findet sich bereits beim Chronisten Nuno Marques Pereira (1652-1728) eine Beschreibung der Rituale des calundu aus dem Jahre 1710, den Souza zu dem Candomblé in Beziehung setzt (Souza [1986] 2003: 84). Der Poet Gregório de Matos (1636-1696) hatte in seiner Lyrik calundus erwähnt (Peres 1967). Den Begriff candomblé hat dann Pierre Verger für das Jahr 1826 in einem Dokument nachweisen können (Verger 1981: 227-228), João Reis sogar schon für das Jahr 1808 (Reis 2001). Sergio da Mata wiederum hat sich gegen eine Gleichsetzung von calundu mit Candomblé ausgesprochen (Mata 1977: 52-53); João Reis führt beide Begriffe auf die Bantu-Sklaven zurück (ebd.). In ihrem Wörterbuch von 2001 er- läutert dann Yeda Pessoa de Castro calundu als eine Wortbildung aus Kikongo/Kimbundu mit der Bedeutung: „einem Gebot folgen, eine Verehrung (Kultus) ausführen, indem die Geister angerufen werden, mit Musik und Tanz“ (ebd.: 192). Der Begriff candomblé ist dage- gen — wie schon auf Seite 9 angeführt wurde — abzuleiten von Kikongo/Kimbundu/Um- bundo kandombele: „beten, anrufen, um die Vermittlung der Götter bitten sowie der Ort, wo der Kultus vollzogen wird“ (ebd.: 196). Im 19. Jahrhundert wurden jedoch verstärkt Yorùbá als Sklaven nach Bahia verbracht (siehe Seite 52). Insofern diese die Bezeichnung „Candomblé“ übernommen haben, darf da- von ausgegangen werden, dass sie bereits vorhandene religiös-kultische Traditionen in ihre eigene Religionspraxis integriert haben. Pierre Verger hat in seinem klassischen Werk „Flux et reflux de la traite des nègres entre le Golfe de Bénin et Bahia de Todos os Santos du XVIIe au XIXe siècle“ von 1968 den Nachweis einer gegenseitigen Beeinflussung von Westafrika und Bahia geführt. Es muss ferner bedacht werden, dass noch 1848 rund 60.000 Sklaven von der Beninbucht nach Brasilien verschleppt wurden, bis das Land mit dem „Lei Áurea“ („Gol- denes Gesetz“) vom 13. Mai 1888 die Sklaverei abschaffte. Nach Jamaika kamen von 1837 bis 1876 nur rund 11.000 afrikanische Vertragsarbeiter, darunter jene, die sich zur „Bongo Nation“ zählen, bantusprachige Afrikaner aus dem Zentralkongo, deren Religion Kumina bis heute praktiziert wird. Auch zwischen dieser und Rastafari gibt es Beziehungen, von denen noch zu sprechen sein wird. Aus diesem Vergleich folgt, dass es in Brasilien einen viel größeren und längeren Zu- strom von Menschen aus Afrika gab. Hinzu kommen im 19. und 20. Jahrhundert Reisen und persönliche Kontakte zwischen religiösen Persönlichkeiten des Candomblé mit solchen im Yorùbá-Land — auf der Suche nach den religiösen Wurzeln. Es ist also grundsätzlich mit ei- nem höheren Grad an Afrikanizität zu rechnen als in Jamaika, ungeachtet der Tatsache, dass – 17 – diese seit dem letzten Jahrhundert auch im Rahmen eines Prozesses der Reafrikanisierung wieder in den Vordergrund tritt. Immerhin gibt es für den Candomblé die Möglichkeit, sich zu den religiösen Ursprüngen des Candomblé in Nigeria und Benin in Beziehung zu setzen. Stefania Capone, die solche Reisen untersucht hat, spricht von „Initiationsreisen“ (Capone 1998). Es kann also sicherlich nicht die Rede von einer ungebrochenen Kontinuität mit Afri- ka sein. Vielmehr wird man von einer religiös-kulturellen Transkulturation sprechen müssen: Die Begegnung von Traditionen der Bantu und solchen der Nagô und anderer afrikanischer Völker haben zu der neuen Religion des Candomblé geführt. Vergleicht man Rastafari mit Candomblé hinsichtlich ihrer Stellung in der Gesellschaft, so muss festgestellt werden, dass Rastafari keine von der Politik Jamaikas offiziell anerkannte Religion ist: Eheschließungen können nach geltendem jamaikanischen Recht nicht vorge- nommen werden und es gibt auch keine Steuerbefreiung für die eigenen Gottesdienstorte. Für die Anerkennung als eine Religion hat sich seit 2000 Howard Hamilton, Jamaikas erster „Pu- blic Defender“ — ernannt vom „Governor-General“, dem Vertreter der britischen Krone — eingesetzt. Im Februar 2003 kam es dann zu einer teilweisen Anerkennung durch die „Consti- tutional Courts of Jamaica“, wonach Rastas im Gefängnis Anspruch auf Religionsausübung haben. Zugelassen sind die Priester der „Church of Haile Selassie I“ (Ba Beta Kristiyan Haile Selassie I; siehe Seite 104).16 Brasilien kennt neben der zivilen Eheschließung eigentlich nur noch die der katholischen und evangelischen Kirche bzw. Kirchen. Aber es sind bereits Ehen nach dem Ritual des Can- domblé und sogar nach dem Zeremoniell der „Spiritisten“17 als legal nach dem brasiliani- schen Gesetz anerkannt worden. Der Candomblé muss dennoch immer um seine Anerken- nung als Religion kämpfen, ist aber durch den Grundsatz der Religionsfreiheit in der brasilianischen Verfassung geschützt und unterliegt somit keiner Diskriminierung. Gefordert werden jedoch noch jene Privilegien und Steuervorteile, welche den Geistlichen und Kirchen traditionell gewährt werden. Beide Religionen verfügen über ein hohes Maß an Selbstverständnis und Eigenreflexion, was die Abgrenzung von anderen, ebenfalls im afrikanischen Erbe stehenden religiösen Gemeinschaften oder Bewegungen ermöglicht. So gibt es in Jamaika diverse Gruppen, wel- che aus dem Revivalism hervorgegangen sind, aber in organisatorischer und „theologischer“ Hinsicht dem Phänomen der „floating religion“ zuzuordnen sind. Unter diesem Begriff ver- stehen wir eine Form von Religion, die nicht strikt an besondere Institutionen oder Gemein- schaften gebunden und frei von Dogmen und festen Ritualen ist. Die Menschen können auf ihrer religiösen Suche leicht von einer Revivalgruppe zur anderen wechseln. Auch in Brasili- en kann der Übergang etwa von der Umbanda zum Candomblé oder umgekehrt ohne größere

[16] Siehe . [17] Wir haben den Begriff in Anführungsstriche gesetzt, damit er nicht mit unseren europäischen Vorstellun- gen von Spiritismus gleichgesetzt wird, obgleich der Franzose Alain Kardec mit seinen Schriften die ent- scheidenden Grundlagen gelegt hat. Dennoch redet man wegen vielseitiger Einflüsse auf den „espiritismo“ besser von einem „spiritischen Kontinuum“ (Höllinger 2007: 97-102). – 18 –

Probleme vollzogen werden. Religiöse Gemeinschaften können also nur wenig Kontrolle über den Gebrauch ihrer eigenen Symbole und Rituale ausüben (Beckford 2001: 232). Der Religionssoziologe James Beckford war wohl der erste, der Religion als ein „free floating phenomenon“ beschrieben hat (Beckford 2001. 2003:166).18 Da der Revivalism jedoch von Einfluss auf die Entstehung von Rastafari gewesen ist, muss er in die Darstellung hineingenommen werden (siehe IV.3.i.). In Brasilien ist die Um- banda die andere große afrobrasilianische Religion, die wir hier nicht heranziehen. Eine weitere Gemeinsamkeit von Rastafari und Candomblé ist darin zu sehen, dass beide Religionen sich in Regionen entwickelt haben, in denen es zu militärischen Kämpfen der Afrikaner gegen die Sklavenhalter kam, welche noch im 19. Jahrhundert die Form von Re- volten annahmen. Dieser Kampf, der nicht nur die soziale und ökonomische Selbstbestim- mung des Afrikaners zum Ziel hatte, sondern auch die kulturelle Identität und deren Weiter- gabe, war für das Überleben von ,,Afrikanität“ von konstitutiver Bedeutung. Unter ,,Afrikani- tät“ oder ,,African-ness“ verstehen wir mit Ekkehard Wolff die Manifestation von ,,Afri- kanismen“ (1981: 40-41). Die Begriffe Rastafari und Candomblé bedürfen noch der Erläuterung: Während Rastafa- ri eigentlich Selbstbezeichnung ist, also das Selbstverständnis der Gläubigen ausdrückt, steht „Rastafarianismus“ oder die englische Form „Rastafarianism“ ausschließlich für die Sicht des Beobachters, d.h. für die Betrachtung von außen. Dieser Terminus wird allerdings in Rasta- Kreisen als nicht gerade freundlich empfunden. Eindeutig ist dagegen der Begriff „RastafarI“ mit großem „I“, das die Inkarnation des „I“ („Ich“ für Gott) in Jah Selassie I, dem histori- schen Ras Täfäri, zum Ausdruck bringt, eine Selbstbezeichnung im Sinne der Rastologie. Wir werden überwiegend den Begriff Rastafari benutzen und ihre Anhänger als Rastas oder Ras- tafarier bezeichnen. Candomblé seinerseits ist nur ein globaler Begriff für die Religião negra, insofern auch der Xangô in Recife mit seinen „Filiationen“, die bis nach Pernambuco, Campina Grande, João Pessoa, Natal, Maceió und in das Innere von Alagoas reichen (Carvalho 1990: 139), da- zugerechnet werden muss. In unserer Untersuchung werden wir nur die Candomblés baianos, d.h. die Candomblés Bahias, gelegentlich heranziehen und verweisen diesbezüglich auf den „Encontro de nações-de-candomblé“19, welcher 1981 in Salvador stattfand (Encontro 1984).20 Grundlage von religiösem Leben und Organisation sind die communidades-terreiro. Auf die- se Weise entsteht eine große Vielfalt, welche gleichsam auch als ein Indiz für das afrikani- sche Erbe gelten kann.

[18] Auch der amerikanische Buddhismus-Forscher Carl Bielefeldt hat bereits 2001 mit Blick auf den ameri- kanischen Buddhismus von einer „free-floating spiritual resource“ gesprochen („Tensions in American Bud- dhism“, in: Religion & ethics newsweekly, July 6, 2001, Episode no. 445 [ (Zugriff vom 20.02.2009)]). [19] »Begegnung der Nationen des Candomblé« [20] Daselbst finden sich auch die unterschiedlichen „Nationen des Candomblé“ vertreten: die nação-Queto, die nação-Angola und die nação-Jeje. – 19 –

Der Begriff Candomblé wird sowohl von den Gläubigen als auch von den Wissenschaft- lern benutzt, während Povo-de-santo („Volk des Heiligen“) in einem sehr intimen Grade für das Selbstverständnis jener steht, die in der Tradição dos Orixás leben („Tradition der Orixás“, vgl. Geraldo Machando in Santos 1995: 5). Diese Tradição dos Orixás steht im Erbe der Religion der Yorùbá, welche infolge ihrer in vielfältiger Gestalt erfolgten Ausbreitung vor allem in beiden Amerikas inzwischen zu den großen Weltreligionen gehört (Beier 1980: xii). Es sei hier auch gleich angemerkt, dass wir hinsichtlich der Bezeichnung der afrikani- schen „Gottheiten“21 in der Regel der brasilianischen Schreibung folgen werden (Cacciatore 1988). An dieser Stelle sei auch eine Erläuterung zu dem bereits gefallenen Begriff „afroameri- kanisch“ erfolgen. Dieser Begriff ist nicht ganz unproblematisch, insofern die Vorsilbe „afro-“ eine Verkürzung von „afrikanisch“ darstellt. Der offizielle Sprachgebrauch in den USA mit „African American“ könnte die Vorstellung von einem ungebrochenen Weiterleben Afrikas assoziieren, was aber gerade auf Nordamerika nicht zutrifft. In Anlehnung an das englische „Afro-American“, „Afro-Caribbean“, „Afro-Jamaican“ oder dem französischen „afro-américain“, dem spanischen „afrocubano“ und dem portugiesischen „afro-brasileiro“ entscheiden wir uns für „afroamerikanisch“. Die Vorsilbe „afro-“ stellt somit klar, dass keine ungebrochene Kontinuität zwischen Afrika und den Amerikas gemeint ist.

3. Die Verdrängung des indischen und islamischen Erbes in der Erforschung der Religionsgeschichte Jamaikas

Arbeiten zu Rastafari wurden bislang fast ausschließlich von Sozialwissenschaftlern ver- fasst, seien es nun Anthropologen oder Soziologen. Das gilt auch von dem Candomblé, der hier bisweilen als Gegenüber herangezogen wird, wenn es um die Frage der Afrikanizität von Rastafari geht. Da es in dieser Arbeit aber primär um die Anfänge von Rastafari aus religi- onswissenschaftlicher Sicht geht, so müssen alle religiösen Traditionen herangezogen wer- den, mit denen die ersten Rastas in Berührung kamen. Das sind nicht nur die christlichen Tra- ditionen Europas, sondern auch die der ostindischen Vertragsarbeiter, die von 1845 - 1921 nach Jamaika kamen. Eine Vielzahl von Untersuchungen belegen inzwischen, dass eine Aus- sage wie die von Rex Nettleford, wonach „the peasant Indian hardly has significance outside of his membership of the lower class“ (Nettleford [1970] 2001: 25), nicht mehr haltbar sind. Die Religionswissenschaft als eine vergleichende Disziplin ist es gewohnt, mit mehreren religiösen Traditionen zu arbeiten. Die Thematik „Begegnung und Wandel der Religio- nen“ — so das gleichnamige Buch von Günter Lanczkowski von 197122 — sollte der Religi-

[21] Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Orixás keine Götter im eigentlichen Sinne sind, sondern „Dividades intermediárias iorubanas, excetuando Olórun, o Deus Supremo“ (Cacciatore 1988: 197), d.h. also intermediäre Gottheiten der Yorùbá, mit Ausnahme Olóruns, des Höchsten Gottes. [22] Die phänomenologische Untersuchung Lanczkowski beginnt zwar mit Heinrich dem Seefahrer (Henrique, – 20 – onswissenschaftler stets im Blick haben. Insofern unterscheidet sich die wissenschaftliche Arbeitsweise des Religionswissenschaftlers grundlegend von der des Sozialwissenschaftlers, weil er über einen Fundus an Kenntnissen zumindest mehrerer Religionen verfügt und des- halb Spuren von Begegnung und Abhängigkeit nachgehen kann, die dem Sozialwissenschaft- ler auf Grund seiner Blickrichtung nicht ohne weiteres möglich sind. Das wird bereits deut- lich am Universitätsbericht des „Institute of Social and Economic Research“, Kingston, aus dem Jahre 1960. Viele Phänomene der Rastafari-Religion werden unkritisch von den Anhän- gern übernommen und von den jamaikanischen Wissenschaftlern nicht weiter untersucht oder hinterfragt. Die Tendenz war wohl, wie Rex Nettleford in dem Interview mit David Scott jüngst erklärt hat: „we are all Rastas – potentially so“ (Scott 2006: 208, vgl. 165). Der Universitätsbericht kommt zu der Aussage: „The Ras Tafari cult is unique, but it is not seditious“ (Smith, Augier, Nettleford 1960: 35). Diese Feststellung sollte die Richtung der weiteren Forschung entscheidend bestimmen. Während der zweite Teil sicherlich zutref- fend ist, auch wenn er als eine Aussage zu werten ist, die sich an die damalige Kolonialver- waltung richtete und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Rastas anstrebte, so muss jedoch der erste Teil der Aussage sicherlich hinterfragt werden. Das muss schon des- halb geschehen, weil die Forschung über Rastafari die indische Diaspora in Jamaika völlig ausblendet. Die Forschung wird fast ausschließlich geprägt von den Vorstellungen einer afri- kanischen Diaspora, in deren Kontext die neue Religion ihren Anfang genommen hat. Nahezu unbekannt ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass diese afrikanische Diaspora in Jamaika wie in anderen Teilen der Karibik oder in beiden Amerikas zugleich eine islamisch-afrikanische Kultur und Religion in sich barg. Der Islam kam nicht erst mit den ostindischen Vertragsarbeitern, von denen wohl 16 % Muslime waren, nach Jamaika, sondern er kam bereits mit den ersten Sklaven aus Westafrika ins Land. Das ist eigentlich nicht weiter erstaunlich und auch seit Jahrzehnten in der Forschung über den transatlanti- schen Sklavenhandel bekannt. Unverständlich muss es dagegen erscheinen, wenn jene Wis- senschaftler, die sich mit der Geschichte und Religionsgeschichte Jamaikas beschäftigen, den „islamischen Faktor“ — ähnlich wie die indische Diaspora in Jamaika— nicht in den Blick bekommen. Sultana Afroz von der University of the West Indies at Mona begann vor einigen Jahren mit ihren Publikationen (Afroz 1995; 1999; 2001; 2003a; 2003b), die zu der These eines dominanten islamischen Einflusses auf Maroons und „Baptist War“ (siehe IV.2.a./b.) führen. Diese These blieb nicht unwidersprochen (Mullings 2003; Warner-Lewis 2003). Allerdings zeigen die von Afroz angeführten Quellen, dass die Plantagenbesitzer und britischen Missio- nare in Jamaika sehr wohl wussten, dass sich unter den Sklaven (Krypto-)Muslime befanden. Es war jedoch das Verdienst des „Special Magistrate“ Richard Robert Madden — er war des Arabischen mächtig —, der befreundet war mit dem muslimischen Arzt Anna Moosa/Moses

o Navegador, 1394-1460), verweist jedoch nicht auf die aus den portugiesischen Entdeckungsfahrten resul- tierenden Begegnungen zwischen Europäern und Nichteuropäern. – 21 –

(alias Benjamin Cochrane) und den Gelehrten Muḥammad Kabā Saghanughu (alias Robert Tuffit bzw. Robert Peart) und Abū Bakr al-Ṣiddīq (alias Edward Donellan)23 und über seine Begegnungen mit Muslimen berichtete (Madden II, 1835; siehe auch Wilks 1967; Diouf 2005; Lovejoy 2005: 359-362; Daddi Addoun/Lovejoy 2007). Aber auch Reisende wie Wil- liam Lloyd und Thomas Hervey berichten über Sklaven, die des Arabischen kundig waren, und äußerten die Ansicht, dass diese weniger häufig zum Christentum konvertierten (Sturge/ Harvey 1838: 287f.). Welche Einflüsse solche (Krypto-)Muslime auf die jamaikanische Reli- gionsgeschichte ausgeübt haben, harrt noch der Erforschung. Ebenso muss gefragt werden, ob nicht noch weitere Dokumente in arabischer Schrift in karibischen und/oder europäischen Archiven lagern. Das arabische Schrifttum Brasiliens ist dagegen seit dem 19. Jahrhundert bekannt (Dobronravin 2004). Ethnische Herkunft und religiöse Zugehörigkeit haben sicherlich die Entwicklung der Sklavengesellschaft und ihre Identität auch in Jamaika zumindest mit geprägt. Dazu gehört auch die durch die Sklaverei abgebrochene Verbindung mit Afrika. Paul Lovejoy verweist in diesem Zusammenhang auf die Juden in der Diaspora, die — obgleich von ihrem Heimat- land für eine lange Zeit abgetrennt — dieses zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Identität gemacht haben (Lovejoy 1999). Folglich kann es auch nicht erstaunen, wenn die Muslime in Trinidad und Brasilien im 19. Jahrhundert bereits eine Back-to-Africa-Politik betrieben, die zum Freikauf und zur Rückführung von Sklaven nach Afrika führte (Diouf 2005: 11). Nach dem Aufstand der Malês („Revolta dos Malês“) in Salvador da Bahia im Jahre 1835 sind vie- le ehemalige Sklaven nach Westafrika deportiert worden, aber auch infolge des ausgeübten Drucks der Regierung zurückgekehrt. So auch geschehen nach dem Massaker von 1844 in Kuba („Conspiración de la Escalera“). Zwischen 1835 und 1870 kehrten nach Peter Cohen Tausende von Bahia, Kuba und Sierra Leone in die Beninbucht zurück (Cohen 2002:21). Auch afrikanische Immigranten in Jamaika traten die Rückreise nach West- und Zentralafrika an (Schuler 1972: 88-89). Die von den Rastas geforderte „Repatriation“ nach Afrika ist also keineswegs neu! Das Problem mit den Forschungen von Sultana Afroz ist jedoch ihre ausschließliche in- terpretatio islamica, die sie der bisherigen interpretatio christiana der Geschichte Jamaikas entgegensetzt. Die Mehrheit der nichtmuslimischen Sklaven und deren kulturschöpferisches Potential wird von ihr leider nicht reflektiert.

[23] Siehe den ausführlichen Bericht über denselben, der nach Afrika zurückgelangte, in: Monthly Review, vol. 3, 1 (1837), pp. 39-46. – 22 – 4. Der Polykulturalismus Harlems und die Karibik

Jede Beschäftigung mit der Karibik muss mit Vijay Parshad von einem „polycultura- lism“ ausgehen, der von kultureller Dynamik angetrieben das Leben der Menschen prägte (Parshad 2001: xii). Dazu gehören dann auch der Black Judaism, New Thought, Kabbala und andere esoterische Traditionen, die die religiösen Einstellungen der Afroamerikaner in den USA der 1920er Jahre prägten (Dorman 2007) und mit denen Marcus Garvey und die frühen Prediger von Rastafari in Berührung gekommen sind. Zu den anderen esoterischen Traditio- nen gehören auch Spiritualismus, Theosophie und Hermetismus, erlebte doch Amerika im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert einen „occult revival“, der okkultes Wissen zu Anse- hen im öffentlichen Raum verschaffen wollte (Morrison 2008: 4). Dass afroamerikanische und afrokaribische Religion auch für kabbalistische Vorstellungen durchaus empfänglich sein können, haben inzwischen einige Forschungen nachgewiesen (Houk 1993; 1995; Polk 1999; Dorman 2007). Das gilt auch im besonderen Maße für das 6. und 7. Buch Mose im afroatlan- tischen Volksglauben (Polk 1999). In seinem Buch über Black Harlem schreibt der aus Jamaika stammende Claude McKay (1889-1948), der zu den Wegbereitern der „Harlem Renaissance“ gehörte, ausführlich und lebendig über das religiöse Milieu. Einige Zitate mögen das verdeutlichen:

… the religion of the Negro people stirs and swells and rises riotously over the confines of the Negro church [= African Methodist Episcopal Church] and pours over into glo- rious streams of cults and fetich tributaries. It is immersed in African magic. The innumerable cults, mystic chapels and occult shops which abound in Harlem are ex- plainable only by tracing back to the original African roots. For Africa remains the conti- nent of magic. (McKay [1940] 1968: 74) Whether they are West Indian or southern practitioners of the occult science in Harlem, their ritual is basically similar in form and style to the performance of the Guinea feti- chers. They may impressively promote themselves as numerologists, magicians, oracu- lists, metaphysicists, or plain spiritualists. But under the high-sounding titles they are the same delvers in West Indian obeahism and voodooism. In Harlem they have refined their work and enlarged their scope. The former basements dives of the obeahmen and the conjure woman , once weird with the accumulated relics of animals’ skins and bones and feathers and the black pot brewing evil-smelling stuff, are now transformed into mystic chapels in which burn candles and oils and incense. (ebd.: 75 [Herv. H.-J. L.])

Ein weiteres Kennzeichen der Harlemer Okkultisten ist, neben der Verknüpfung von „cosmic mysteries and jungle apprehensions“, dass auf den Altären ihrer Kulträume pagane und christliche Symbole zusammen angeordnet sind. Der Priester oder die Priesterin kleiden sich teilweise in orientalische Gewänder, „either Hindu or Persian, Arabian or Egyptian“ (ebd.: 76). – 23 –

Rosenkreuzer, Pentecostal Pilgrims, Orthodox Ethiopians, Morrish Science Templars, Black Jews und Vodou24 konkurrierten mit Father Divine, Sweet Daddy Grace (geboren auf den Kapverden), Sufi Abdul Hamid (alias Eugene Brown), Madame Fu Futtam (geboren in Panama und Ehefrau Abdul Hamids), George Wilson Becton, der nach dem Niedergang der Karriere von Marcus Garvey um 1930 mit seiner charismatischen Predigt begann, und vielen anderen mehr. In den 1920er Jahren waren 25 % der Bewohner Harlems ausländischer Her- kunft; unter diesen repräsentierten die Einwanderer aus der Karibik eine Vielzahl von Kultu- ren. Um 1930 stammte fast ein Viertel der Bevölkerung von „Black Harlem“ aus der Karibik (James 1998: 12), Joyce Turner spricht mit Blick auf Harlem zutreffend von „Caribbean cru- saders“ (Turner 2005). Kurzum, man wird den Stadtteil Harlem in seiner Blütezeit von 1917 bis 1935, die als „Harlem Renaissance“ Geschichte gemacht hat, als ein plurikulturelles Zen- trum für Menschen afrikanischer Abstammung ansehen müssen, in der sehr unterschiedliche religiöse Traditionen aufeinander trafen. Hier, in „the home of the Negro’s ,Zionism‘“ (Alain Locke zit. bei Lowney 2000) lebte zeitweilig Leonard Howell, der Begründer der ersten Ras- ta-Kommune (siehe IV.5.b./c.) Erwähnung bedarf noch ein weiteres Phänomen, das Robert Hill jüngst als Æthiopis va- gantes beschrieben hat: Diese stammten zum größten Teil aus Westindien, überquerten die atlantische Welt und propagierten ihre “äthiopische“ Abstammung und Herkunft.

Their numbers swelled with migration flows that enmeshed and networked eyery corner of the Afro-Atlantic world from the middle of the nineteenth century onward. New re- cruits would enter und refresh the Ethiopian confluence, as the European carving up of Africa brought increasing numbers of Africans into contact with the black populations of the Western world, in consequence enriching and extending their repertoire of the Ethio- pian imaginary. (Hill 2008: 16)

Robert Hill beschreibt dann die Geschichte des „Neffen“ von Kaiser Menelik II., des Afrojamaikaners Isaac Uriah Brown, der 1891 Jamaika verließ und als „Prince Thomas Mackarooroo“25 „Prince Ludwig Menelek of Abyssinia“ und als „Crown Prince Johannes of Ethiopia“ von 1904 bis 1911 in Jamaika, Deutschland, und Nordamerika auftrat.26 W. Elkins berichtet zusätzlich über den Afrojamaikaner Cyril Linton Mitchell, der zwischen 1924 und 1929 als „Shrevington Mitcheline, Crown Prince and Heir Apparent of the Abyssi- nian Empire“ (Elkins 1977: 38-40) Schlagzeilen machte sowie über die Jamaikanerin Iselyn Smith Harvey, die sich 1935 in New York als Rassari Heshla Tamanya, „Falasha Princess of

[24] Zur Schreibung siehe Anm. 2. ,das „betrügen“, aber auch „intrigieren“ bedeutet ,ﻣﻜﺮ Diesen Namen führt Hill auf das arab. Verb makara [25] wamakarū, „und sie haben intrigiert“ beginnt (Hill ﻭﻣﻜﺮﻭﺍ und verweist auf Sure 3, 54, die mit den Worten 2008: 19 Anm. 5). Das wäre allerdings u. E. eine recht ungewöhnliche Bezeichnung für einen Hochstapler! [26] Hill 2008: 38 Anm. 48 hält es für möglich, dass er noch einmal 1922 als „Prince Theodore Menelik“ auftrat. – 24 –

Ethiopia“ ausgab (ebd.: 41). Solche Hochstapler haben auch die Nähe zu Marcus Garvey und seiner in Harlem ange- siedelten UNIA gesucht, wie der Fall der Afroamerikanerin Laura Adorkor Kofey (ca. 1893-1928) zeigt, die als „Prinzession von der Goldküste“ zunächst als engagierte Propagan- distin der UNIA auftrat, sich dann jedoch 1928 mit einer eigenen Gefolgschaft abspaltete (Hill 2006: 405). 1935 warnte Garvey vor den „itinerant fakers“ und 1937 forderte er seine Anhänger auf, afrikanische Prinzen, Prinzessinnen und alle „fake personalities“ aus den Ver- sammlungen der UNIA zu werfen (Hill 2008: 40). In einem gewissen Sinne gehört auch Ras Makonnen zu dieser Kategorie, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau. Er wurde in den frühen 1900er Jahren in Buxton, , als George Thomas Nathaniel Griffith geboren. Den Namen Ras Makonnen hatte er nach der Krönung Haile Selassies 1930 angenommen; bekanntlich hatte der Vater des Kaisers so ge- heißen. Die religiöse Bewegung der Jordanites (siehe Seite 209) hatte Haile Selassie sogar noch vor den Rastafariern verehrt. Wenige Tage vor der Ausweisung Marcus Garveys aus den USA im Dezember 1927 landete Griffith in den USA, wo er sich dem schwarzen Natio- nalismus anschloss. Auf seinen Reisen nach Europa gelangte er auch nach London und ge- hörte zu jenen, die Haile Selassie 1936 in London willkommen hießen. Afrika und insbesondere Äthiopien haben bereits vor der Kaiserkrönung Haile Selassies eine große Faszination auf die Black Diaspora in Nordamerika und in der Karibik ausgeübt. Der Sieg Meneliks II. über die Italiener 1896 ließ diesen zu einem schwarzen Helden über die weiße Kolonialmacht werden. Der Jahrhunderte alte Äthiopismus mit seinen Hoffnungen auf Anerkennung und Gleichberechtigung der Nachkommen Afrikas in der Black Diaspora erleb- te am Beispiel des äthiopischen Herrschers konkret, dass Afrikaner den Weißen nicht grund- sätzlich unterlegen sind! Nach Robert Hill war Menelik II. der schwarze Kulturheld der 1890er Jahre sowie des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts, während Ras Täfäri-Haile Se- lassie das in der 1930er Jahren werden sollte: ein schwarzer Kulturheld mit mythischen Aus- maßen. Er folgert daraus: „It might well be said that with the figure of Menelik, what we wit- ness is the emergence of the pre-history of the Ras Tafari phenomenon“ (ebd.: 39).27 Doch die Vorstellung von einem lebenden Gott gab es bereits vorher schon: Nicht nur Father Divine verstand sich als ein solcher (siehe Seite 244), sondern auch Wallace (Master) Farad Muhammad offenbarte sich nach dem Zeugnis von Elijah Muhammad um 1931 als Gott selbst (Gardell 1996: 50). Schließlich muss auch noch George Willie Hurley, Father Hurley, der Begründer der „Universal Hagar’s Spiritual Church“ angeführt werden, der nach Hans Baer nicht nur viele Elemente aus den damaligen religiösen Bewegungen in seiner Kir- che zusammenfasste, sondern sich selbst 1933 oder davor zum „God of the Aquarian Age“ proklamierte (Baer 2001: 354). Schon vor den Rastafariern hatte Hurleys Gemeinschaft die Farben von Garveys UNIA übernommen: Rot, Schwarz und Grün28. Zweifellos gab es also

[27] Der eigentliche Held des 19. Jahrhunderts war jedoch eher der tigrinische General Ras Alula Abba Nega, der seit 1875 erfolgreich gegen Ägypter, Mahdisten und Italiener gekämpft hatte. [28] Siehe die Homepage der noch heute existierenden Kirche: (Zugriff vom – 25 – schon vor der Vergottung Haile Selassies lebende Götter und zahlreiche Heilsprediger. Für die Erforschung der Anfänge von Rastafari wird sich also ein komplexeres Bild erge- ben als bislang vertreten wurde. Die plurikulturellen kultischen und religiösen Strömungen in der „Negro Metropolis“ — so der Untertitel von McKays Buch über Harlem — können nicht losgelöst von der Karibik, insbesondere von Jamaika, gesehen werden. Denn zu der „verbor- genen Geschichte“ des schwarzen Amerika gehört der bedeutende Beitrag afrokaribischer Emigranten, unter denen Marcus Garvey und Claude McKay nur die bekanntesten waren. Im Jahre 1919 schrieb der afroamerikanische radikale Aktivist und Poet Fenton Johnson, dass Amerika den Westindern viel verdanke, die die Würde der „Negro race“ mit aller Macht hochhalten: „In every industry, in every profession, in every trade, we find this son of the is- lands hold aloft the banner of Ethiopia“ (zit. in James 1998: 1). Der große Panafrikanist und Gelehrte William Du Bois (1868-1963) sprach sogar von „this new Ethiopia of the Isles“ (ebd.: 5). Aber nicht alle Afroamerikaner teilten beispielsweise den politischen Aktivismus eines Marcus Garvey, was zu dem Schimpfwort führte „Don’t be a Garvey!“, womit karibi- sche Emigranten belegt wurden. Im Zusammenhang mit Garvey wird zu fragen sein, warum ausgerechnet er, der Rastafari nachweislich ablehnte, zu einem Propheten der neuen Religion gemacht wurde. Rastafari ist folglich durchaus kein einzigartiges Phänomen, auch wenn die Verehrung von Haile Selassie als Gott dieses auf den ersten Blick dem Betrachter so erscheinen lassen mag, dem in der Regel die verwirrende Religionsgeschichte der Afroamerikaner nicht be- kannt sein dürfte.

5. Neue Religionen

Aus religionswissenschaftlicher Sicht gehört Rastafari zu den „religiösen Neubildungen, die sich aus der Begegnung und Konfrontation verschiedener Religionssysteme ergaben“ (Stuckrad 2006: 374). Aus diesem Grunde seien hier einige Reflexionen zum Begriff „Neue Religionen" oder „Neureligionen“ vorangestellt. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von Unter- suchungen, die unter diesem oder einem ähnlichen Oberbegriff wie „Neue religiöse Bewe- gungen“29 oder „Neureligiöse Bewegungen“30 solche Religionen zusammenfassen, die seit ungefähr Mitte des 19. oder im 20. Jahrhundert entstanden sind. Als wesentlich wird stets der synkretistische Charakter angesehen.31 Da es jedoch hinlänglich bekannt ist, dass es keine Re-

15.08.2008). [29] Vgl. z. B. Waardenburg 1986: 98; auf S. 99 ist jedoch auch von „neue[n] Religionen“ die Rede; Hock 2002: 101-102. 184.; Hans-Jürgen Greschat. 1987. „Neue religiöse Bewegungen“, in: Müller/Sundermeier 1987: 335-340; Günter Kehrer. „Sekte“, in: HrwG, vol. V, 58. [30] Siehe beispielsweise G. Onyeke et al. „Neureligiöse Bewegungen“, in: Lexikon der Religionen, pp. 450-458. [31] Vgl. Waardenburg 1986: 98; Franziska C. Rehbein/ Ingrid Schwamborn. [1987] 1995. „Neureligiöse Be- wegungen. IV. Lateinamerika“, in: Lexikon der Religionen, 455ff.. Es fällt auf, dass der zuletzt genannte – 26 – ligion gibt, die nicht Elemente fremder Traditionen in ihren Dienst gestellt hätte, ist der Be- griff wegen seines generellen Charakters wenig hilfreich. Zudem hat die kirchenhistorische Forschung des 20. Jahrhunderts überzeugend den Nachweis geführt: „O cristianismo é um grandioso sincretismo“ (Boff 1977: 573)32 Dem Synkretismusproblem werden wir im nächsten Kapitel nachgehen, hier geht es vor- rangig um die „neuen Religionen“. Unter diesem Titel hat Günter Lanczkowski 1974 die Neureligionen einem größeren Publikum vorgestellt. Aber es fällt auf, dass er zu diesen nahe- zu keine Reflexionen vorausschickt. Dagegen stellt Manfred Hutter 2004 an den Beginn sei- ner Darstellung von einigen neuen Religionen die „Definitionsfragen“:

… auch neu entstehende Religionen gehen keineswegs von bisher völlig unbekannten Formen religiöser Erfahrung und Lehre sowie deren kultischer Umsetzung aus, sondern stehen in einer — wenngleich manchmal im eigenen Selbstverständnis bewusst geleugne- ten — Tradition mit einer älteren Religion. „Religion“ setzt eine verbindliche Lehre und zumindest eine in Ansätzen vorhandene Organisationsform voraus, so dass als neue Reli- gionen lediglich Gemeinschaften anzusprechen sind, die diese beiden Faktoren erfüllen. (Hutter 2004: 288)

Auf den ersten Satz des obigen Zitats trifft Abraham Heschels Satz zu „No religion is an island“33: Das Entstehen neuer Religionen hat zum einen mit der inhärenten Dynamik von Religionen zu tun, zum anderen mit veränderten äußeren Komponenten (Hutter ebd.). Der zweite Satz des obigen Zitats lässt sich jedoch nicht so ohne weiteres auf neue Religionen wie Rastafari und Candomblé anwenden: Zwar mag in Ansätzen eine Organisationsform — z. B. das Bobo-Camp in , Jamaika, oder die Terreiros des Candomblé in Bahia — vorhanden sein, sicherlich jedoch nicht eine verbindliche Lehre. Nach John Homiak gibt es

Beitrag mit Begriffen wie „Neger” oder „Negerbevölkerung“ sich einer längst überholten Sprache bedient! Vgl. auch Günter Lanczkowski. 1974. Die neuen Religionen (Bücher des Wissens; Fischer Taschenbuch, vol. 6237), am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 169. [32] „Das Christentum ist ein großartiger Synkretismus“. [33] Heschel hat damit jedweden religiösen Isolationismus als Mythos bezeichnet und es als Gegebenheit angesehen, dass religiöse Gemeinschaften sich gegenseitig beeinflussen („No religion is an island“ [1966], in: Harold Kasimow/ Byron L. Sherwin (eds.). 1991. No religion is an island: Abraham Joshua Heschel and interreligious dialogue, Maryknoll: Orbis Books, p. 6). Dieses ist aber wohl eine Abwandlung eines Dik- tums von John Donne (1572-1631), das in der 17. Meditation seiner Devotions vpon emergent occasions er- scheint: „All mankinde is of one Author, & is one volume; when one Man dies, one Chapter is not torne out of the booke, but translated into a better language; and euery Chapter must be so translated... As therefore the Bell that rings to a Sermon, calls not vpon the Preacher only, but vpon the Congregation to come: so this Bell calls vs all: but how much more mee, who am brought so neer the doore by this sicknesse.... No man is an Island, intire of it self... Any mans death diminishes mee, because I am inuolved in mankind; and therefo- re neuer send to know for whom the bell tols; It tols for thee“ (Devotions vpon Emergent Occasions, and se- verall steps in my Sickness, 1627, 3rd edition, London: Printed for Thomas Iones, 390ff. 394f. [elektronische Resource: http://gateway.proquest.com/openurl?ctx_ver= Z39.88-2003&res_id= xri:eebo&rft_id= xri: eebo:image:16741]). – 27 – aber eine „theokratische Orientierung“, in deren Rahmen Ideologie und religiöse Praxis sich entfalten und die gleichzeitig die Kritik an den bestehenden Machtstrukturen bündelt. Die Vielfalt wird auch zum Teil durch übergeordnete Organisationen aufgefangen, wie z. B. die „Caribbean Rastafari Organization“ und die „Rastafari Centralization Organization“ (Homiak 2005: 83-85). Doch gegenüber diesen Ausführungen sei Zweifel angeführt, weil es an Unter- suchungen in diesem Bereich fehlt. Zudem muss gesehen werden, dass afrikanische wie auch die auf afrikanische Traditio- nen zurückgreifenden Religionen der „African Diaspora“ sich nicht mit den Begriffen, wie sie allgemein in der religionswissenschaftlichen Forschung gebräuchlich sind, darstellen las- sen. Hier sei mit Okot p’Bitek darauf verwiesen, dass afrikanische Religionen keine verbind- lichen Lehren im Sinne westlich-christlicher Kultur kennen, weshalb die afrikanischen Gott- heiten auch nicht mit genuin metaphysischen Spekulationen verknüpft werden und es auch keine Ausrichtung auf eine andere Welt gibt (p’Bitek 1971: 99).34 Nicht allein die Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft ist folglich entscheidend, sondern die Initiation in dieselbe:

The religion is divided up, so to speak, into as many sectors, whether they be exclusive or complementary to each other, as there are different realms of understanding. Only the fol- lower initiated into all of these can enter all of the particular shrines. It should be added that because a shrine belongs to a particular group it does not necessarily follow that other groups with the same cultural background have access to it. Thus, even if we can talk about “one” African religion as a “system of beliefs” resting on the same principles, it can be divided into as many different “departments”35 as there are cults and men who practice it. (Zahan 2000: 15)

Unter „Kult“ ist hier nicht im Sinne von Bernhard Lang „das gesamte rituelle Leben ei- ner bestimmten Religion“36 zu verstehen, sondern die Ritualgruppe eines bestimmten Schreins. Diese Klärung ist wichtig, insofern afrobrasilianische Religionen wie Candomblé und Umbanda in Brasilien über eine Vielzahl von Terreiros, Templos, Tendas, Cabanas oder Centros verfügen.37 Die Zugehörigkeit folgt der Initiation in einem bestimmten Ritualhaus. Auch für die Rastas gilt, dass sie keine verbindliche Lehre kennen, sondern dem persönlichen reasoning, der eigenen I-nspiration folgen und auch nur bedingt Formen übergreifender Or- ganisation entwickelt haben. Allerdings können wir kein Ritual von Initiation erkennen (siehe

[34] Zur Auseinandersetzung mit Okot p’Bitek siehe Rinsum 2004. [35] William Hogg spricht zutreffend von „compartmentalization“ (Hogg 1964: 42). [36] Lang, Bernhard. 1993. „Kult“, in: HrwG, vol. III, p. 475. [37] „Terreiro“ bezeichnet im Portugiesischen einen geräumigen, gesäuberten und ebenen Platz (siehe auch Anm. 1), „Templo“ oder „Tempel“ bezieht sich meisten auf die Umbanda, während „Tenda“ oder „Zelt“, „Cabana“ oder „Hütte“ und „Centro“ oder „Zentrum“ sich sowohl auf die Umbanda als auch auf den Karde- cismus (Espiritismo de Kardec) beziehen können (siehe Cacciatore 1998: s. v.). – 28 –

Seite 9). Die beiden neuen Religionen Candomblé und Rastafari haben nicht — was für Reli- gionen im Westen, also für Christentum und Judentum, seit der Aufklärung grundsätzlich gilt — einen Prozess der Rationalisierung durchlaufen! Bei Rastafari wird bisweilen auch die Frage gestellt, ob es sich überhaupt um eine Reli- gion handelt oder eher um eine soziale und kulturelle Bewegung. Carole Yawney und John Homiak verweisen in diesem Zusammenhang auf das Selbstverständnis hin: „Rastafari prefer the term livity, contending that Rastafari is a way of life informed by theocratic principles“ (Yawney/Homiak 2001: 257). Das halachatreue Judentum könnte sich ebenfalls so de- finieren. Aber auch der Hinduismus in seinem Selbstverständnis als sanātana dharma und varṇāśramadharma ist hier anzuführen (Mall 1997: 5.11 u.ö.). Der Vergleich mit dem Hin- duismus an dieser Stelle mag zunächst befremdlich erscheinen, die Arbeit wird jedoch zei- gen, dass es zwischen Rastafari und indischer Religiosität durchaus Berührungspunkte gibt — über die oben erwähnten Vertragsarbeiter aus Ostindien. Gleichzeitig muss darauf hingewiesen werden, dass dem Autor dieser Untersuchung keine afrikanische oder afroameri- kanische Religion bekannt ist, die der Formulierung von Yawney/Homiak entsprechen wür- de. Und das gilt auch sicherlich vom Candomblé, der hier bisweilen zum Vergleich herange- zogen werden soll. Judith Fox, die jüngst einen umfassenden Forschungsüberblick zum Thema „New reli- gious movements“ veröffentlicht hat, stellt im Forschungsbereich „Neue Religionen“ zutref- fend fest: „New religions … may be seen very differently, depending on where they are loca- ted“. Des Weiteren ist auch von Unterschieden in der Bewertung von neuen religiösen Bewegungen in den verschiedenen Ländern auszugehen (Fox 2005: 334-335). Es gibt leider nur wenige Gesamtdarstellungen der Religionen wie z. B. das „Bertelsmann Handbuch Reli- gionen der Welt“ (Monika und Udo Tworuschka [eds.]), das auch die größeren afroameri- kanischen Religionen mit einbezieht.38

6. Synkretismus, Hybridität und Kreolisierung

Man wird Michael Pye zustimmen müssen, wonach die religionswissenschaftlichen Ar- beiten zum Synkretismus der letzten Jahrzehnte keinen Bezug auf die Karibik und Latein- amerika genommen haben. Untersuchungen wie die von Kurt Rudolph und Ulrich Berner haben sich nur auf die europäische Geistesgeschichte sowie die Geschichte des Christentums konzentriert (Pye 1994: 218). Blickt man auf die drei Beispiele von Synkretismus in Berners Beitrag im „Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe (HrwG)“, dann ist es tat- sächlich so, dass diese aus der Christentumstradition stammen (Berner 2001: 150).

[38] Die Ausführungen von Hock über „Neue Religiöse Bewegungen“ in seiner „Einführung in die Religions- wissenschaft“ sind wenig konkret (Hock 2002: 101-102). Das gilt auch von den „Neuen Religionen“ bei Kippenberg/von Stuckrad 2003: 127-128: Hier wird nicht klar, ob neue Religionen jetzt „Kulte“, „Sekten“, „New Age“ oder unabhängige Religionen sind. – 29 –

Der Synkretismusbegriff ist auch in der „African Diaspora“ wenig hilfreich, wie der Au- tor im Verlaufe seiner Erfahrungen in Jamaika und Brasilien selbst erleben konnte: Eurozen- trische Begriffe und Theorien versperren den Zugang zum Verständnis afrokaribischer und afrobrasilianischer Religionen (Loth 2003c: 234-235. 240). „Synkretismus“ ist ein solcher eurozentrischer Begriff (Pérez y Mena 1998: 15 u.ö.). Mit Blick auf die Kongotradition in Haiti spricht Heusch deshalb von einem „fake problem of Christian syncretism in voodoo“ und konstatiert: „we cannot rightly talk about syncretism, since African signs and emblems prevail“ (Heusch 1995: 106). Jede Religion, auch das Christentum, ist letztlich ein synkretis- tisches Phänomen (ebd.: 107). Zu Recht weist Pérez y Mena darauf hin, dass z. B. mit Blick auf Lateinamerika überse- hen wird, dass ÒrìÍà und katholischer Heiliger nur scheinbar gleichgesetzt werden, sie sich jedoch in kosmologischer Hinsicht widersprechen: Der Heilige kann niemals zu einem ÒrìÍà werden, zu einem vergöttlichten Ahnen der Yorùbá (Pérez y Mena 1998: 18)! Angemessener wäre es daher, von einer „kosmologischen Dualität“ zu sprechen, von zwei separaten und un- terschiedlichen religiösen Kosmologien, welche die Gläubigen durchaus zu unterscheiden wissen (ebd.: 19-20. 22). In ähnlicher Weise spricht auch Edwin Green von einem „dual sys- tem of religious beliefs, a situation where Christian and Wintu beliefs co-exist uneasily and are kept distinct from the most part“ (Green 1978: 251). Werfen wir einen Blick auf die interreligiöse Situation im kolonialen Brasilien, so kön- nen wir mit James Sweet feststellen, dass Portugiesen und Afrikaner gewisse religiöse Sym- bole und Vorstellungen teilten: „Some adopted only those symbolic elements that resonated with their worldviews, while others gradually came to embrace dual cosmologies“ (Sweet 2003: 217). Des Weiteren muss bedacht werden, dass Konversion mit dem Ziel, die Forde- rungen der neuen Glaubensgemeinschaft zu verinnerlichen, nicht Teil des afrikanischen Ver- ständnisses von Religion ist. Folglich hatten abstrakte Glaubenskonzepte des Christentums keinen Platz im Weltbild der Sklaven (ebd.: 200). Der Begriff „Synkretismus“ erscheint uns auch nach diesen Ausführungen wieder wenig hilfreich zu sein, was das Verständnis der interreligiösen Begegnungen in der „African Dia- spora“ angeht. Weder als ein analytisches noch als ein deskriptives Konzept kann es den em- pirischen religiösen Prozessen in kreolischen Gesellschaften gerecht werden. Kennzeichen derselben ist die Tatsache, dass sie unter den Bedingungen der Neuen Welt an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten zu unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Neuschöpfungen gelangten, die nicht auf ein terminologisches Modell reduziert werden kön- nen, das nicht den Wandel von Religionssystemen als inhärente Struktur voraussetzt39. Wir wissen zudem seit langem schon, infolge der Diskussionen im Bereich der Erkenntnistheorie und Methodologie, dass — mit Donald Campbell gesprochen: „All scientific knowing is indi- rect … The language of science is subjective, provincial, approximative, and metaphoric, ne- ver the language of reality itself“ (Campbell 1976: 196).

[39] Nach Wilfred Smith gilt das übrigens ganz allgemein für religiöse Traditionen (1983: 2). – 30 –

Neuere Untersuchungen etwa zu den christlichen Bewegungen in Indien verweisen dar- auf, dass auch das Christentum in seinem jeweiligen soziokulturellen Kontext gesehen wer- den muss. Und dann wird sehr schnell deutlich, dass der Gebrauch des Synkretismusbegriffs einen Idealtypus von Christentum, Hinduismus, etc. voraussetzt, der mit der Wirklichkeit ge- lebter Religion nicht in Übereinklang zu bringen ist. Indiens Christen bewegen sich in einem Kontext von ethnischer Identität und Kaste, die Gemeinschaft bedeutet. Robert Frykenberg spricht mit Blick auf die Formen des Christentums in Indien von einer gewissen dualen oder multiplen Identität (Frykenberg 2008: 18). Die alljährliche Prozession von „Our Lady of Snows“ (St. Maria Schnee) in Tuticorin (Tamilnadu) auf dem Goldenen Wagen, begleitet von Trommelschlag und dem Chanten von Hymnen — es handelt sich um die in Tamilnadu wohl bekannte Rāthayātra, d. i. die religiöse Wagenprozession der Hindus — hat zweifellos Ähn- lichkeiten mit dem Kult der Großen Göttin, wie sie in Indien verehrt wird (vgl. Frykenberg 2008: 15).40 Man kann davon ausgehen, dass diese Christen sehr wohl um diese Tradition wissen. Aber sie ist Bestandteil der lokalen Kultur, Ethnizität und Sprache. Das gilt beispiels- weise auch für die Christen Keralas, die nicht nur an der alten Kastenordnung, sondern auch an Riten und Glaubensvorstellungen festhalten, „qu’ils considèrent être un patrimonie inalié- nable, au fondement de leur identité“ (Chaput 1999: 20). Frykenberg spricht mit Blick auf Indien und Südasien insgesamt von „hybrid“ oder „hyphenated“ Christen (ebd.: 18). Der Begriff „hybrid“ ist nicht unproblematisch. Der ursprünglich biologische Wortge- brauch versteht unter „Hybride“ den Bastard, das Kreuzungsprodukt von Vorfahren mit un- terschiedlichen erblichen Merkmalen. Im 19. Jahrhundert diente der Begriff als eine rassis- tisch gefärbte Argumentationsfigur (Griem 2004: 269). Zudem wird der Eindruck einer Diskontinuität mit einer ursprünglichen Reinheit von ethnisch-kulturellen Traditionen er- weckt, die es nicht gibt (Benoist 1996: 10-12). Andreas Ackermann hat jüngst darauf hingewiesen, dass die Annahme kultureller Homo- genität und Kontinuität erstens den Blick auf Variationen und Transformationen innerhalb ei- ner Kultur versperrt und zweitens die Rolle menschlicher Kreativität im kulturellen Prozess ignoriert (Ackermann 2004: 144). Er spricht dann — angesichts der Tatsache, dass alle Kul- turen letztlich hybrid sind — von der theoretisch-analytischen Dürftigkeit des Begriffs. Dar- aus folgt, „dass der Begriff der Hybridbildung letztlich tautologisch ist“ (ebd.: 152). Seine Bedeutung war schon zuvor mit den Begriffen des „Synkretismus“ und der „Kreolisierung“ Jamaikas umschrieben; letzteres war und ist ein Anliegen von Edward Brathwaite. Den Terminus der „Kreolisierung“ halten wir für nützlich, insofern er das Milieu be- schreibt, in dem die Transkulturation erfolgt (siehe I.10.). Unter „Milieu“ verstehen wir eine Zusammenhangsfigur und zwar den Zusammenhang zwischen Erleben und Handeln (Grat- hoff 1989: 369. 434f.) — unter den zeitlichen und räumlichen Bedingungen von Sklaverei, Zwangsmigration und Kolonisierung (Hall 2003: 193). Hinsichtlich der Definition von Kreolisierung folgen wir den Ausführungen von Edward

[40] Siehe auch die Webseite (Zugriff vom 26.01.2008). – 31 –

Brathwaite in seiner Untersuchung der Gesellschaft Jamaikas. Kreolisierung ist

a cultural action – material, psychological and spiritual – based upon the stimulus/respon- se of individuals within the society to their environment and – as white/black, culturally discrete groups – to each other. The scope and quality of the response and interaction were dictated by the circumstances of the society’s foundation and composition – a ‘new’ construct, made up of newcomers to the landscape and cultural strangers each to the other; one group dominant, the other legally and subordinately slaves (Brathwaite 1971: 296).41

In seiner These verweist Brathwaite mit „stimulus/response of individuals“ auf die Inter- subjektivität als soziale Konstituente der alltäglichen Milieuwelt, die bereits in sich von dyna- mischer Natur ist. Er grenzt sein Verständnis von Kreolisierung noch einmal bewusst von dem amerikanischen Modell der Akkulturation ab, wenn er die „Interkulturation“ wie folgt beschreibt: „a process of intermixture and enrichment, each to each“ (Brathwaite [1974] 1985: 11). Mit Blick auf die Ostinder in der Karibik spricht er dagegen von einer „selektiven Kreolisierung“ (ebd.: 54), die damit zu tun hat, dass die Inder immer wieder auf die „core culture“ Indiens Bezug nehmen können, während für die Schwarzen der Karibik es eine sol- che „Kernkultur“ nicht gibt. Die interkulturelle Begegnung ist nach Brathwaite ein sozialer Prozess, der zugleich auch eine politische Dimension hat: die Dominanz einer Gruppe über die Sklaven. In diesem Kontext vollzieht sich der Prozess der „creative cultural recombinati- on“ (Khan 2001: 293). Die Kreolisierung bestünde dann in der Restrukturierung, die zu etwas Neuem führt. In ähnlicher Weise sah auch Ortiz in der mulatez („Mulattentum“) eine neue Form des Seins und Handelns, die ausschließlich in der Neuen Welt anzutreffen ist und nicht einfach auf ihre Vorgänger in Europa und Afrika zurückgeführt werden kann (Díaz 2005: 230). Das gilt na- türlich auch von den afroamerikanischen Religionen, die im Kontext der Kreolisierung ent- standen sind und als Ergebnisse derselben angesehen werden müssen. Die Kreolisierung ist ein vielschichtiger Prozess und muss also als Neuschöpfung ver- standen werden (Fleischmann 2005: 160). Von Anfang an bezieht sich die Kreolisierung auf die in Amerika geborenen Weißen und Schwarzen — portugiesisch crioulo und spanisch criollo (Perl 1982) — und beinhaltet die schöpferische Rekonstruktion ethnischer Kulturen aus Afrika (Mintz/Price [1976] 1992: 83). Das ist die klassische Position, die auch Fernando Ortiz vertreten hat. Wir sind allerdings der Ansicht, dass diese hinterfragt werden muss. Wenn Kreolisierung nach obiger These von Brathwaite mit interkultureller und interreligiöser Begegnung zu tun hat, dann beginnt dieser Prozess bereits während der Middle Passage, d.h. beim erzwungenen Überqueren der Kalun- ga (siehe I.11.). Denken wir an das Beispiel von Kimpa Vita und die Bewegung der Antonia-

[41] Siehe auch Ashcroft, Griffiths and Tiffin 1998: 58f. – 32 – ner, die als Sklaven nach Amerika, u.a. auch nach Jamaika gebracht wurden (siehe II.7.c.), dann reicht die Kreolisierung mit ihren Anfängen bis nach Afrika zurück. Es gibt dann auch die „survivals“, die in die Transkulturation hineingetragen werden. Dieses ist der Standpunkt, den Edward Brathwaite in seinem kleinen Buch „History of the voice“ von 1984 einnimmt. Er diskutiert den Sprachgebrauch in der Karibik und sieht den Anfang bei der angestammten afrikanischen Kultur und betont „the African model, the Afri- can aspect of our New World/Caribbean heritage“ und den „African aspect of experience in the Caribbean“ (1984: 13). Glen Richards spricht allerdings diesbezüglich kritisch von einer Marginalisierung insbesondere der Ostinder, was ihren Einfluss auf die Kultur der Region an- geht (2007: 227f.). Dagegen möchte Stuart Hall den Terminus „Kreolisierung“ historisch eingrenzen auf die Bedingungen der Sklaverei, der Zwangsmigration und Kolonisierung (2003: 193; vgl. Seite 30). Die Frage ist allerdings, ob man bezüglich der Sklaverei, die ihren Anfang in Afrika nimmt, eine klare Trennlinie ziehen kann. Im Falle der Sklaven aus der Kongo-Angola-Regi- on war es jedenfalls so, dass viele bereits einen Prozess der interkulturellen und interreligi- ösen Begegnung hinter sich hatten und ihren Hl. Antonius nach Amerika brachten (Miller 2004: 212). Die wissenschaftliche Reflexion über den Kreolisierungsprozess kann keines- wegs als abgeschlossen angesehen werden, wie die „Platform 3“ der „Documenta 11“ jüngst gezeigt hat (Enwezor et al. 2003).42 Jean Benoist stellt zutreffend die Frage, ob der Begriff „Synkretismus“ nicht zu jenen Termini gehört, die in Wirklichkeit verborgene Botschaften transportieren, welche ihrerseits Glaubensanschauungen und Vorurteile in die Mitte rationaler Denkweisen und Schlussfolge- rungen einführen (Benoist 1996: 6). „Synkretismus“ steht bekanntlich im Verdacht der Ab- weichung von einer ursprünglich reinen Form, zumal der Diskurs einen Zustand vor der Ver- mischung voraussetzt, der sich von dem der Gegenwart mit ihren „hybriden“ religiösen Ma- nifestationen pejorativ unterscheidet. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um wertende Ur- teile über soziale und kulturelle Situationen, in denen es zu sozialen, kulturellen und religi- ösen Interpenetrationen kommt (ebd.: 12). Jean Benoist schlägt deshalb den Begriff créolisa- tion vor, weil er für einen positiven Prozess steht, der die Dynamik in Kreolgesellschaften beschreibt, ohne einen irgendwie gearteten „Sündenfall“ vorauszusetzen (ebd.: 19). Diesem können wir nur zustimmen. Da die religionswissenschaftliche Vorgehensweise der Neutra- lität verpflichtet ist, sollte der Begriff „Synkretismus“ als inzwischen überholt angesehen werden. Diesbezüglich gilt immer noch, was schon durch die Arbeiten von Adolf von Harnack deutlich wird, nämlich dass der Synkretismusbegriff für die religionswissenschaftliche For- schung nicht geeignet ist. Die neue christliche Religion beispielsweise war bereits mit dem beladen, was das Judentum im Laufe seiner Geschichte angenommen hatte; zu den Gründen ihres Erfolges gehörte u.a. ihre „wunderbare(n) Anpassungsfähigkeit ..., mit welcher sie auf

[42] Siehe auch die Rezension von Nadi Edwards 2004. – 33 – den orientalischen Synkretismus einging und sich aus ihm erbaute“. Der Triumph des Chris- tentums ist der des „synkretistischen Monotheismus“ (Harnack [1902] 1924: 957). Wenn jede Religion eine Geschichte mit Prozessen des kulturellen Austausches hinter sich hat und somit nicht frei von Synkretismus ist, halten wir diesen Begriff für tautologisch.

7. Schütz’ „Mannigfaltige Wirklichkeiten“

Auf Seite 30 haben wir angeführt, dass die Kreolisierung das Milieu beschreibt, in dem die Transkulturation erfolgt. Es stellt sich aber die Frage, wie wir uns die interkulturellen Be- gegnungen, die eine grundlegende Struktur derselben ist, vorstellen können. Wir greifen hier auf den Terminus „Interface“43 zurück, der die „Grenzfläche“ eines Systems bezeichnet, die der Kommunikation mit einem anderen System dient, über den also ein Austausch von Infor- mationen erfolgen kann. Üblicherweise spricht man in der deutschen Sprache von „Schnitt- stelle“. Wie müssen dann die interkulturellen und interreligiösen Schnittstellen sein, die die Grundlagen für Neokulturationen im Transkulturationsmodell von Fernando Ortiz bilden? Wie können wir uns die Schnittstellen in der Alltagswelt vorstellen? Hier bietet sich die berühmte Formel Alfred Schütz’ von den „mannigfaltigen Wirklich- keiten“ (multiple realities) an, die auf verschiedene Wirklichkeitsbereiche verweist. Aus- gangspunkt für seine Reflexion ist „The perception of reality“ von William James (1842-1910), genauer gesagt das 21. Kapitel seiner „Principles of psychology“, vol. II (James II [1890] 1905; 283-324). Hier ist bereits die Rede von den „many worlds“ und vielen „sub- universes“ (ebd.: 291ff.), zu denen auch die religiösen Vorstellungen gehören. William James als Vertreter eines „radikalen Empirismus“ und Pragmatismus konnte erkenntnistheoretisch als wirklich und wahr nur das ansehen, was im Erfahrungsbereich des Menschen liegt (Eisler 1912: 293). Wirklichkeit ist somit subjektiven Ursprungs und hat mit Relation zu tun, mit den Worten von Schütz: „Ein Ding als wirklich zu bezeichnen bedeutet, dass dieses Ding in einer bestimmten Beziehung zu uns steht“ (Schütz [1945] 1971a: 237). Wirklichkeit ist also eine relationale Kategorie: William James spricht mit Blick auf den kontinuierlichen Denkprozess von „fringe“ und meint damit Relationen und Objekte, die „transitive and the substantive parts“, wobei letztere sich auf das „object cognized“ beziehen, das aber in seinen „substantive parts“ wiederum in „a fringe of relations“ zum Bewusstsein gelangt (James I [1890] 1931: 258 Anm.). Er kann „fringe“ auch als „psychic overtone, suf- fusion“ bezeichnen (ebd.: 258) oder von der Reihe „halo, fringe, or scheme“ (ebd.: 260) spre- chen. „Fringe“ soll dann besagen, „dass jede unsrer Vorstellungen im Strome des Bewusst- seins von ihren Relationen gefärbt werde“ (Mauthner [1910] 1923: 521).

[43] Das englische Wort, das durch die Computertechnologie seit den 1960er Jahren Verwendung findet, wird abgeleitet von lateinisch inter und facies und hat in der intransitiven Verbform interface with auch die Be- deutung eines Interagierens sowie des Austausches von Informationen (siehe z.B. The American Heritage Dictionary of the English Language, 4th edition, 2006 [Houghton Mifflin eReference Suite]). – 34 –

James’ Konzept der Wirklichkeit führt zu dem Satz: „The word ,real‘ itself is, in short, a fringe“ (James [1890], 1950: 320); in der uns vorliegenden Übersetzung von Schütz’ „Über die mannigfaltigen Wirklichkeiten“ heißt es dann: „Das Wort ,wirklich‘ ist kurzum ein Sinn- horizont“ (Schütz [1945] 1971a: 239). Zur Erläuterung führt Schütz an, dass unsere erste und ursprüngliche Regung darin besteht, „die Wirklichkeit all dessen, was uns in den Sinn kommt, zu bezeugen — solange kein Widerspruch eintritt“ (ebd.). Im Anschluss an James’ „sub-universes“ spricht er dann von den vielen, wahrscheinlich unendlich vielen Wirklich- keitsbereichen, die er jedoch als „geschlossene Sinnbereiche“ (finite provinces of meaning) bezeichnet: „Einem jeder dieser Bereiche können wir den Wirklichkeitsakzent erteilen“ (ebd.: 264; vgl. Schütz [1955] 1971b: 393). Diese „geschlossenen Sinnbereiche“ konstituieren die mannigfachen Wirklichkeiten: „die Welt der Träume, der imaginären Vorstellungen und der Phantasie, insbesondere die Welt der Kunst, die Welt der religiösen Erfahrung, die Welt der wissenschaftlichen Kontemplation, die Spielwelt des Kindes und die Welt des Wahnsinn“ (Schütz [1945] 1971a: 266). Grundlegend für die Alltagswelt ist nach Schütz die soziale Struktur: Die Alltagswelt ist also von Anbeginn eine intersubjektive Welt (ebd.: 238. 250) und soziales Handeln in ihr setzt Kommunikation voraus, die „notwendig auf Handlungen vom Typ des Wirkens gegrün- det (ist)“ (ebd.: 250). Jeder teilt mit dem Anderen nicht nur die lebendige Gegenwart, sondern er gehört auch zur Umwelt des Anderen: „zusammen teilen sie eine Reihe gemeinsamer Er- fahrungen in der Außenwelt, in die sich beide wirkend einschalten können“ (ebd.: 253). In der Welt der Sklaverei und des Kolonialismus ist das jenen, die als Afrodeszendenten von ei- ner dominanten Gruppe beherrscht werden, allerdings nur im begrenzten Umfang möglich. In Jamaika teilen Afrojamaikaner und Indojamaikaner seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Unabhängigkeit der Insel 1962 in gleicher Weise die Erfahrungen mit dem britischen Kolo- nialsystem. Die Alltagswelt ist in verschiedene Schichten gegliedert und „die Welt in seiner Reich- weite“ ist Kern der Wirklichkeit des Individuums (ebd.: 257). Die Welt des Wirkens in ihrer Gesamtheit nennt Schütz die „ausgezeichnete Wirklichkeit“ (paramount reality), die sich von den „sub-universa“ der Wirklichkeit absetzt (ebd.: 260). Das ist bedingt durch die folgenden „konstitutiven Elemente ihres spezifischen Erkenntnisstils“: spezifische Bewusstseinsspan- nung (Hell-Wach-Sein), Epoché (Ausklammerung des Zweifels), Spontaneität (Wirken), Form der Selbsterfahrung (Gesamt-Selbst), Sozialität (Kommunikation und soziales Handeln) und Zeitperspektive (ebd.: 265). Sie wird so zum Archetyp unserer Erfahrung der Wirklich- keit, von der die „geschlossenen Sinnbereiche“ abgeleitet sind (ebd.: 267). Von besonderem Interesse für unsere Untersuchung ist der Übergang von einem „ge- schlossenen“ Sinnbereich zum anderen. Es gibt hier keine Transformationsregeln, der Über- gang erfolgt vielmehr durch einen „Sprung“, der subjektiv als ein Schock erfahren wird (ebd.: 267). Schütz bezieht sich ausdrücklich auf „Kierkegaards Erlebnis des ,Augenblicks‘ als Sprung in den religiösen Bereich“ (Schütz [1955] 1971b: 397). Gemeint ist damit jede „radi- kale Veränderung unserer Bewusstseinsspannung, die in einer anderen attention à la vie – 35 – gründet“ (Schütz [1945] 1971a: 267). Diese Theorie impliziert also nicht das Verharren in ei- nem der Sinnbereiche, sie geht vielmehr von spontanen Übergängen aus, die im Zusammen- hang mit den Veränderungen der attentionalen Einstellungen dem Leben gegenüber auftreten können. Ein weiteres Problem sieht Schütz in dem Vorhandensein von „Enklaven“, „die zu einem Sinnbereich gehören, der in einem anderen eingeschlossen ist“ (ebd.: Anm. 1). Die „geschlossenen Sinnbereiche“ sind nach Schütz folglich keine ontologischen und statischen Wesenheiten, wir können durch kommunikative Akte mit dem Anderen aus der Alltagswelt in den Bereich des Spiels, der Kunst oder der religiösen Symbole „springen“ (ebd.: 297). Denn „Die geschlossenen Sinnbereiche sind lediglich Titel für verschiedene Spannungen ein- und desselben Bewusstseins“ (ebd.).

8. Religion im Modus des Privaten

Alfred Schütz hat den „geschlossenen Sinnbereich“ der religiösen Erfahrung leider nicht näher ausgeführt. Dagegen hat Peter Berger, an Schütz anknüpfend, sich damit beschäftigt und spricht von der Verletzung oder Übertretung (englisch breach) der Grenzen der para- mount reality („ausgezeichnete Wirklichkeit“) durch die Religion: „In the context of religious experience, the reality of everyday life is dramatically deprived of its ,paramount‘ status“ (Berger 1974: 130). Sie wird zum Vorzimmer einer anderen Realität, die in ihrem drastischen Anderssein — hier bezieht sich Berger offensichtlich auf den von ihm hoch geschätzten Ru- dolf Otto und dessen Ausführungen über das „Ganz andere“ (Otto 1963: 31) —dennoch von immenser Bedeutung für den Menschen ist (Berger 1974: 130f.). Religion vermittelt eine zu- sätzliche Erfahrungsdimension. Zu dieser rechnen wir auch die religiöse Ekstase, die in afri- kanischen und afroamerikanischen Religionen eine zentrale Rolle spielt. Diese Ekstase ist — wie Religion überhaupt — im privaten Modus keineswegs genormt, sondern kann vielfältiger Natur sein und scheinbar Unvereinbares miteinander vereinen. Erst Kirche oder vergleichbare Institutionen strukturieren Religion nach rationalen Gesichtspunk- ten und entwickeln auf diese Weise ein scheinbar allgemein gültiges Glaubenssystem. Doch wie schon feststellte, „dass Religion nicht in ihren rationalen Aussagen aufgeht“ (Otto 1963: 4)44, so muss gerade in der afrokaribischen und natürlich in der weitaus größeren afroamerikanischen Diaspora mit einem weiten Spielraum im Bereich privater Religiosität gerechnet werden. Aus diesem Grund scheint uns auch der Ansatz der von Udo Tworuschka vertretenen „Praktischen Religionswissenschaft“ erfolgversprechend zu sein:

Als Wahrnehmungswissenschaft richtet sich ihr Augenmerk auf die Wahrnehmung religi-

[44] Mit Blick auf die Definition des religiösen phenomenon vertritt Berger als Religionssoziologe in bemer- kenswerter Weise die Ansicht: „I think that one could do worse than to return to Otto’s starting point…“ (Berger 1974: 129): – 36 –

öser Individuen und ihrer spezifischen Wahrnehmungsweisen sowie auf die Wahrneh- mung vielfältig gelebter Religion/en in der Lebenswelt (Alfred Schütz). Sie hat es mit le- benden religiösen Menschen bzw. Gruppen von Menschen und ihren Erfahrungen/Wahr- nehmungen zu tun. (Tworuschka 2008: 16)

Man kann sich dem afrobrasilianischen Kontext weder auf eine rationalistische Weise annähern, die sich in Richtung Reduktionismus bewegt (Stipe 1981: 121), noch mit den Be- griffen einer spezifischen Religion analysieren, kommt es hier doch bekanntlich zu interreli- giösen Begegnungen von indianischen, christlichen und afrikanischen Traditionen. Das Un- terscheiden von einzelnen Elementen einer Religion (vgl. Berner 2001: 148-149) entspricht eher dem Denken des Wissenschaftlers als dem gelebten Glauben des Individuums. In ihrer Untersuchung eines urbanen Milieus von Porto Alegre (Brasilien) kommt Claudia Fonseca zu dem Ergebnis, dass Katholizismus, Spiritismus, afrobrasilianische Religionen und Protestan- tismus zusammen ein symbolisches Universum bilden. In diesem ist der historische Usprung eine Sache, während die religiöse Identität eine andere ist: „L’identité est certainement multi- dimensionnelle“ (Fonseca 1991: 137). Das mag für den religiösen Laien richtig sein. Die anthropologische Forschung hat je- doch seit längerem schon darauf hingewiesen, dass z. B. der Santero oder Priester der kubani- schen regla ocha (Loth 2003: 699) sehr wohl zwischen seiner Lucumí-Religion und der ka- tholischen Religion zu unterscheiden weiß (Palmié 1995: 82-84). Die heilige Barbara („Sta. Bárbara Bendita“) ist keineswegs Changó — so der Changó-Priester Gilberto Zayas (zit. bei Palmié ebd.: 83) und ähnlich auch die berühmten Iyalorixás von Salvador im Jahre 1983: „[…] Iansã é uma outra energia, não é Sta. Bárbara“ (siehe Seite 85). Was im haitianischen Vaudou den Hl. Petrus mit Legba verbindet, das ist der Besitz der Schlüssel: Petrus hütet die Schlüssel, die zur Kirche und zum Paradies führen (vgl. Mt 16, 18-19), während Papa Leg- ba — ÈÍù in der Religion der Yorùbá (siehe Seite 54) — die Türen bewacht, die die profane Welt von der heiligen Welt der lwas trennen, und die Schlüssel zum menschlichen Schicksal hütet (Desmangles 1992: 113). Aber die Unterschiede sind den Gläubigen in Haiti sehr wohl bekannt, erfüllen doch beide Religionen unterschiedliche Funktionen: „If Catholicism is iden- tified with heaven, Vodou is associated with the earth“ (ebd.: 178). Wir haben oben bewusst von „Traditionen“ gesprochen, die sich in einem jeweils be- stimmten soziokulturellen Kontext begegnen. Es sind also nicht Religionen oder Religions- systeme als Ganzes, die aufeinander treffen, sondern die von den konfligierenden ethnischen Gruppen für wichtig gehaltenen religiösen Anschauungen, die auch im Alltag gelebt werden. Der Alltag wiederum war in der Vergangenheit in beiden Amerikas überwiegend die Planta- gengesellschaft, die zweifellos kein Ort christlicher Ethik und theologischer Rechtgläubigkeit war. Sie konnte es auch von ihren Strukturen her nicht sein, basierte sie doch auf Prinzipien von Macht und Gewalt über die versklavten Afrikaner. Zu den mannigfaltigen Wirklichkeiten der Alltagswelt sei beispielsweise für die Situati- on in Westafrika die folgende Feststellung von John Peel hinzugefügt: – 37 –

West Africans seem to be much less interested in the cultural origins of items of be- haviour than some anthropologists are. Cultural traits are so mixed up that tradition is just what people do. (Peel 1967/68: 140)

9. Exkurs: Religion und Kultur: Clifford Geertz und Talcott Parsons

Bei Rastafari und Candomblé handelt es sich um Religionen des „Black Atlantic“45 : Ihre Wurzeln liegen — so scheint es jedenfalls — in Afrika. Man kann sie nicht — auf Grund des oben geschilderten Befunds — unter der Rubrick „Synkretismus“ abhandeln. Es bedarf eines anderen Beschreibungsmodells, das von dem Kontext der interreligiösen Begegnung zwi- schen Europäern und Afrikanern — letztere als unterjochte Sklaven — in der britisch do- minierten Karibik und dem überwiegend portugiesisch geprägten Brasilien ausgeht. Der Dis- kurs wird dabei nicht nur den kulturellen Kontext berücksichtigen müssen, sondern auch die sozialen Verhältnisse, die von der Dominanz der weißen Sklavenhalter bestimmt waren. Hans Kippenberg und Kocku von Stuckrad verweisen in ihrem Bestreben, die Religions- wissenschaft als Kulturwissenschaft zu etablieren, auf Clifford Geertz' Aufsatz „Religion as a cultural system“ aus dem Jahre 1964, in dem Religion als ein kulturelles Symbolsystem be- schrieben wird, das „die soziale Ordnung forme und sie keineswegs nur widerspiegele“ (Kip- penberg/von Stuckrad 2003: 33).46 In einem Nachdruck von 1968 wird dieser Beitrag von Talcott Parsons kommentiert (Geertz 1968: 639-688; Parsons 1968: 688-694). Dieses ist berechtigt, insofern Talcott Parsons bereits 1964 in „Evolutionary Universals in Society“ auf die zentrale Bedeutung von Religion für das Handlungssystem des Menschen hingewiesen hatte:

Cultural „pattern“ or orientations, however, do not implement themselves. Properly con- ceived in their most fundamentals aspect as „religious“, they must be articulated with the environment in ways that make effective adaptation possible. I am inclined to treat the entire orientational aspect of culture itself, in the simplest, least evolved forms, as directly synonymous with religion. But since a cultural system … is shared among a plurality of individuals, mechanisms of communication must exist to mediate this sharing. The fun- damental evolutionary universal here is language: no concrete human group lacks it. (Par- sons 1964: 341)

Für Parsons ist Religion die primäre evolutionäre Universalie (Parsons 1964: 342), die ihre Wurzeln in der „ultimate reality“ hat: „This concerns the major premises in which the

[45] Zu den unterschiedlichen Termini siehe Seite 14. [46] Die deutsche Ausgabe „Religion als kulturelles System“ findet sich in Geertz 2003: 44-95. – 38 – non-empirical components of a culture's total belief system are rooted“ (Parsons 1961: 970); aber letzterer befindet sich jenseits des Bereichs wissenschaftlicher Investigation. Es ist daher nicht erstaunlich, dass er über Geertz’ Abhandlung in seinem „Commentary“ schreibt:

… I think it is probably fair to say that Geertz’ paper is the most sophisticated brief outli- ne of the culturally central components of a religious system which we have available. (Parsons 1968: 689)

Gleichzeitig weist er jedoch kritisch darauf hin, dass Geertz mit der Übernahme der For- schungsansätze von Max Weber nicht aus der „narrow intellectual tradition“ ausbricht.

… Geertz takes over with only minor change Weber's scheme for analyzing the „pro- blems of meaning“, the problems of „understanding“ or „making sense“ of one’s experi- ence, the problems of the moral balance of the human condition, i.e. the „problem of evil“ and of „suffering“. I heartily agree about the centrality of these problems, but Geertz does not, in giving them the position he does, break out of the „narrow intellectual tradition“. (Parsons 1968: 693)

Danach stellt sich für Parsons die entscheidende Frage, ob Weber im Recht war, den so- zialen und kulturellen Entwicklungen im Westen eine universelle Signifikanz für die Ent- wicklung der menschlichen Gesellschaft und Kultur zuzuschreiben (Parsons 1968: 694).47 Es geht also um das auch heute zuhöchst aktuelle Dogma, wonach die Entwicklungen im Wes- ten die allgemeine Norm für alle Gesellschaften und Kulturen darstellen. Max Weber und viele in seiner Tradition stehende Sozialwissenschaftler können mit Fug und Recht des Eth- nozentrismus bezichtigt werden. Es konnte folglich nicht ausbleiben, dass der Forschungsan- satz Geertz’ auch wirklich in diesem Sinne kritisiert wurde.48 Es ist hier jedoch nicht der Ort einer Auseinandersetzung mit Geertz, es sollte lediglich verdeutlicht werden, dass eine kul- turwissenschaftlich ausgerichtete Religionsforschung keineswegs eo ipso zu einem angemes- senen Beschreibungsmodell für Rastafari und Candomblé führt. Es ist zudem sehr schwierig, den Terminus Kulturwissenschaft eindeutig zu definieren, „weil darunter eine Vielfalt von unterschiedlichen Forschungsrichtungen und Tendenzen in den Geisteswissenschaften subsumiert wird, weil er als Sammelbegriff für einen offenen und interdiszipinären Diskussionszusammenhang fungiert und weil seine Reichweite umstritten ist“ (Nünning).49 Überdies ist, wie die obigen Ausführungen bereits andeuten, es hinlänglich

[47] Parsons bezieht sich auf die Vorbemerkung in Webers „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapi- talismus“ (Weber 1988: 1). [48] Siehe z.B. Langmuir (1990: 117) oder Asad (1993:1). In Talal Asads Buch ist das erste Kapitel „The con- struction of religion as an anthropological category” (ebd.: 27-54) der Auseinandersetzung mit Geertz ge- widmet. – 39 – bekannt, dass Religionsforschung von der Tatsache auszugehen hat, dass es eine Interdepen- denz zwischen Religion und Kultur gibt, die zu einer mehr oder minder ausgeformten sozia- len Organisation führt (Yinger 1970: 203-204).

10. Transkulturation versus Akkulturation

Für die vorliegende Untersuchung soll auf das Modell der Transkulturation zurückgegrif- fen werden, wie es von dem kubanischen Historiker und Anthropologen Fernando Ortiz (1881-1969) in seinem Klassiker „Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar“ entwickelt wurde:

Entendemos que el vocablo transculturación expresa mejor las diferentes fases del pro- cesso transitivo de una cultura a otra, porque éste no consiste solamente en adquirir una distinta cultura, que es lo que en rigor indica la voz angloamericana aculturation, sino que el processo implica también necesariamente la pérdida o desarraigo de una cultura precedente, lo que pudiera decirse una parcial desculturación, y, además, significa la con- siguiente creación de nuevos fenómenos culturales que pudieran denominarse de neocul- turación. Al fin, como bien sostiene la escuela de Malinowski, en todo abrazo de culturas sucede lo que en la cópula genética de los individuos: la criatura siempre tiene algo de ambos progenitores, pero también siempre es distinta de cada uno de los dos. En con- junto, el proceso es una transculturación, y este vocablo comprendre todas las fases de su parábola. (Ortiz [1940] 2002: 260)50

Bevor wir näher auf den Begriff der Transkulturation eingehen, sollen einige Ausfüh- rungen zu dem der Akkulturation vorangestellt werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass die- ser im Gebrauch von angloamerikanischen Anthropologen und Ethnologen mit Herrschaft und Verwestlichung verknüpft ist. So definiert Conrad Kottak den Begiff wie folgt:

[49] Ansgar Nünning, „Kulturwissenschaft“, in: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie, 368. [50] „Wir glauben, dass das Wort Transkulturation besser die verschiedenen Phasen des transitiven Prozesses von einer Kultur zur anderen ausdrückt, denn dieser besteht nicht nur darin, eine unterschiedliche Kultur an- zunehmen, das ist es, was strenggenommen das angloamerikanische Wort Akkulturation ausdrückt, sondern dass der Prozess notwendigerweise auch den Verlust oder die Ausrottung einer vorhergehenden Kultur impliziert, was man eine partielle Deskulturation nennen könnte, und überdies bezeichnet es die nachfolgen- de Erschaffung neuer kultureller Phänomene, die als Neokulturation bezeichnet werden könnten. Endlich, wie die Schule Malinowskis richtig behauptet, in jeder Umarmung von Kulturen geschieht das, was in der genetischen Kopulation der Individuen der Fall ist: das Geschöpf hat immer etwas von beiden Erzeugern, aber es ist auch unterschieden von jedem Einzelnen der zwei. Im Ganzen ist der Prozess eine Transkulturati- on und dieses Wort umfasst alle Phasen des Vergleichs.“ — Dieses Werk ist nicht nur bedeutsam wegen des hier erstmals benutzten Begriffes „transculturación“, sondern auch wegen der von Bronislaw Malinowski ge- schriebenen „Introducción“ (Ortiz 2002: 123-133). Letztere ist auch gesondert erschienen (Malinowski 1940). – 40 –

Acculturation: The exchange of cultural features that results when groups come into con- tinuous firsthand contact; the cultural patterns of either or both groups may be changed, but the groups remain distinct. (Kottak 2002: 78)

Although acculturation can be applied to any case of cultural contact and change, the term has most often described westernization — the influence of Western expansion on native cultures. … sometimes a dominant group may try to destroy the cultures of certain ethnic groups (ethnocide) or force them to adopt the dominant culture (forced assimilati- on). Sometimes this involves a ban on, or penalties against, religious practices or use of a minority language. (ebd.: 414)

Der Unterschied zwischen dem Beschreibungsmodell der ortizianischen Transkulturation und dem der Akkulturation, hier vertreten durch Kottak, ist offensichtlich: Ortiz rechnet mit einem dynamischen und kreativen Prozess, bei dem etwas Neues entsteht, das dann – so Jesús Guanche — „se convierte en nuevo punto de partida para futuras investigaciones“ (Guanche 2003: 3).51 Für Ortiz stand außer Zweifel, dass die Transkulturation nicht nur für die Geschichte Kubas das angemessene Konzept ist, sondern für ganz Amerika (Ortiz [1940] 2002: 260). Durch die Konfluenz und Kopartizipation diverser Kulturen wird eine „Raum- zeit“ begründet, in dem die aus unterschiedlichen Quellen stammenden kulturellen Faktoren unterschiedliche Resultate generieren konnten — unter historischen Bedingungen, die sich von denen ihrer Herkunft unterschieden (Portuendo 2000: 13). Anknüpfend an Ortiz’ Rekurs auf die Genetik im obigen Zitat muss jedoch ergänzend darauf hingewiesen werden, dass das neue Geschöpf die Hälfte des jeweiligen Genoms erbt. Das heißt für unser Problem der Bewertung neuer Religionen, dass in diesen Elemente älterer religiöser Traditionen erhalten bleiben. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass wir das ortizianische Modell um die Weiter- entwicklung durch Ángel Rama (1926-1983) ergänzen wollen. Während Fernando Ortiz nur allgemein von „partieller Deskulturation“ (parcial desculturación) spricht, worunter er den „Verlust oder die Ausrottung einer vorhergehenden Kultur“ versteht, hat der bekannte uru- guayische Literaturkritiker Rama sich mit eben diesem Teil des Transkulturationsprozesses näher beschäftigt. Im Jahre 1982 schreibt er, dass der Transkulturation eigentlich vier Haupt- operationen zu Grunde liegen: Verlust, Selektivität und Erfindungsreichtum, Wiederent- deckung und Einfügung (nach der Übersetzung von Doris Schwarzwald 2005). Und dann gilt: „Estas cuatro operaciones son concomitantes y se resuelven todas dentro de una reestruc- turación general del sistema cultural, que es la función creadora más alta que se cumple en un proceso transculturante“ (Rama 1982: 39).52 Wiewohl es bei Rama um die transculturación

[51] „das sich umwandelt zu einem neuen Ausgangspunkt für weitere Investigationen“. [52] „Diese vier Operationen sind Begleiter und lösen sich alle auf in der generellen Umstrukturierung des kul- – 41 – narrativa geht, erscheint der Rückgriff auf diese legitim, hat doch schon Ortiz selbst davon gesprochen, dass die Transkulturation dazu dient, die verschiedensten Phänomene der viel- schichtigsten Transmutationen von Kulturen zu beschreiben: Dazu gehören Recht, Ethik, Re- ligion, Kunst, Sprache u.a.m. (Ortiz [1940] 2002: 254). Der Prozess betrifft nicht nur das ku- banische Volk, sondern Amerika insgesamt (ebd.: 260) und ist somit auch ein Instrument zum Verständnis des Kulturwandels in der Karibik. Vor allem ist es auch ein dynamischer Prozess, der immer noch andauert (Schwarzwald 2005) und über die Globalisierung auch die übrige Welt betrifft: Ortiz spricht bereits mit Blick auf den Tabak von einer transculturación universal (ebd.: 527). Transkulturation ist also ein Prozessgeschehen, das niemals an sein Ende gelangt. Silvia Spitta in ihrer sehr gründlichen Untersuchung zum Thema der Transkulturation in Latein- amerika ordnet diese „processes of adjustment and re-creation — cultural, literary, linguistic and personal“ in die koloniale und neokoloniale Zeit ein (Spitta 1995: 2). Auf diesem Hinter- grund halten wir die Anwendung des Terminus Transkulturation für die Kulturbegegnung zwischen Afro- und Indojamaikanern im kolonialen Kontext von Jamaika für durchaus ange- bracht. Demgegenüber erscheint dann das ethnokulturelle Modell von Akkulturation bei Mel- ville Jean Herskovits (1895-1963), dem „Vater“ der Afroamerikanistik,53 eher als ein me- chanisches Geben und Nehmen zwischen verschiedenen Kulturen (Herskovits 1938: 10).54 Das zeigt sich dann auch in seiner Konzeption der „African cultural survivals in the New World“ (Herskovits 1945: 18): Die interkulturelle und interreligiöse Begegnung führt einmal zu einem „process of syncretism“, den er definiert als

the tendency to identify those elements in the new culture with similar elements in the old one, enabling the persons experiencing the contact to move from one to the other, and back again, with psychological ease. (ebd.: 19; Herv. H.-J.L.)

Die zweite Möglichkeit besteht in der „reinterpretation“, die Herskovits wie folgt be- schreibt:

For where it is not possible to set up syncretisms, the force of cultural conservatism seeks expression in substance, rather than form, in psychological value rather than in name, if the original culture is to survive at all. Here the hypothesis of the importance of resem- blance of the old element, to the new is again involved. (ebd.; 20; Herv. H.-J.L.)

turellen Systems, welches die höchste schöpferische Funktion im transkulturellen Prozess ist.“ [53] Es sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die von Roger Bastide vertretene Ansicht hingewiesen, der Fernando Ortiz für „el Maestro“ („der Meister“) der afrikanistischen Studien in Amerika hielt (Ibarra 1990: 1341); vgl. Roger Bastide 1968. „Nécrologie: Fernando Ortiz, Jean Price-Mars“, in: Journal de la So- ciété des Américanistes, vol. 57, pp. 73-74. [54] Siehe die kritische Auseinandersetzung bei Iznaga (1989: 43 ff.). – 42 –

Trotz der hier scheinbar obwaltenden Flexibilität von Kultur und Religion werden diese bei Herskovits eher im Kontext eines homöostatischen Modells interpretiert. Das wurde bereits in dem Grundsatzpapier von Herskovits, Robert Redfield und Ralph Linton aus dem Jahre 1936 deutlich: Der Prozess der Akkulturation verläuft im Rahmen von drei Verfahrens- weisen, nämlich Selektion, Determination und Integration (Redfield, Linton, Herskovits 1936: 151). Das Ergebnis kann dann in Akzeptanz, Adaptation oder Reaktion gegen die Ak- kulturation bestehen; die Adaption selbst kann entweder zu einem „historic mosaic“ oder zu konfligierenden Retentionen führen, mit denen man sich im Alltagsleben versöhnt (ebd.: 152). „Retention“ dient bei Herskovits „as measurement of intensity of Africanisms in New World“ (Herskovits [1948] 1966: Index, p. XXX) und wird bereits 1945 in Gestalt einer Tabelle — „Scale or intensity of New World africanisms“ (Herskovits 1945: 14)— darge- stellt, die Guyana, Haiti, Brasilien, Jamaika, Trinidad, Kuba, Virgin Islands, Gulla Islands und die USA einbezieht (vgl. Seite 79). Es bleibt festzuhalten, dass es im Akkulturationsmo- dell nicht — wie im Modell der Transkulturation —zum Entstehen eines Neuen kommt, das sich auch von jeder der einzelnen Kulturen, die sich begegnet sind, unterscheiden kann (siehe oben). Denn Homöostase bedeutet organisationssoziologisch die strukturelle Ausrichtung auf eine hohe Binnenstabilität, ungeachtet der Einwirkungen aus der Umwelt. Robert Baron hat jüngst in umfassender Weise den Gebrauch von Metaphern und Begrif- fen bei Melville Herskovits untersucht, auch den des Synkretismus. Dabei zeigt es sich, dass letzterer auf der Suche nach Afrikanismen während seines Forscherlebens immer wieder nach neuen Begrifflichkeiten suchte, um den Prozess der Interpenetration von Kulturen zu be- schreiben (Baron 2003). Wie aber muss man sich diesen Prozess in der afrikanischen Diaspo- ra vorstellen? Doch bevor wir zum nächsten Kapitel übergehen, wollen wir noch einmal zusammenfas- sen, wie wir uns die Transkulturation vorstellen. 1. Die kreolisierte Gesellschaft, in der es zu interkultureller und interreligiöser Begegnung kommt, stellt das räumliche und zeitliche Mi- lieu. 2. Die These Schütz’ von den „mannigfaltigen Wirklichkeiten“ konstituiert eine inter- subjektive Alltagswelt, in der über kommunikative Akte zwischen Partnern ein Zugang in den Sinnbereich der religiösen Symbole ermöglicht wird. 3. Es ergeben sich also interkultu- relle und damit interreligiöse Schnittstellen, die über die vier von Ángel Rama genannten Hauptoperationen (siehe Seite 40) den transitiven Prozess des Übergangs von einer Kultur zu anderen ermöglichen (nach Ortiz: „las diferentes fases del processo transitivo de una cultura a otra“ [siehe oben]) – 43 – 11. Kalunga und kāla pāni: Ruptur und Neubeginn

Der Rekurs auf das „historische Mosaik“ bei Melville Herskovits erweckt den Eindruck, man könne die der Akkulturation unterworfene Kultur nachträglich in ihren Einzelteilen auf die Kulturen der Begegnung zurückführen — sofern man nur historische Studien zur Kultur Afrikas unternimmt (Herskovits 1937: 262). Fakt ist dagegen, dass es bereits während der „Middle Passage“, also auf dem Sklavenschiff zu einer kulturellen Ruptur zwischen Afrika- nern auf dem Wege nach Amerika und solchen in Afrika kommt. Hier oder sogar schon im Sklavenfort beginnen die interkulturellen und interreligiösen Begegnungen und zwar — im Interesse der Sklavenhändler und Sklavenbesitzer — mit dem Ziel der Desafrikanisierung, während wir im 20. Jahrhundert den umgekehrten, schöpferischen Prozess der Reafri- kanisierung beobachten können. Infolge der Globalisierung ist nicht nur der „Black Atlantic“ mit dem angrenzenden Afrika als Beziehungspunkt für die Black Diaspora in Amerika von Bedeutung, sondern auch die Regionen letzterer selbst. So ist beispielsweise der kommerzia- lisierte Reggae aus Jamaika zu einem einflussreichen Medium von „Afrikanizität“ in Kultur, Politik und Religion geworden. Wir haben hier den entscheidenden Begriff mit Anführungszeichen versehen, weil das, was die Rastas als afrikanische Kultur und Zivilisation bezeichnen, ein ideologisches Kon- strukt ist: das Ergebnis einer Reafrikanisierung. Dies wird bereits deutlich an der Opposition etwa der westafrikanischen Rastas gegenüber dem Streben der jamaikanischen Rastas nach einer „revitalization of a ,traditional‘ African culture and the adoption of an ,authentic‘ Afri- can identity“ (Savishinsky 1994: 42). Wir haben auf Seite 11 bereits darauf hingewiesen, dass das Missverständnis des Rastafarianismus hinsichtlich der wirklichen Verhältnisse in Afrika nicht größer sein könnte. Afrika gleich Äthiopien gleich Zion und dann die Konfrontation mit Babylon, unter Führung des Gottes Ras Tafari, das ist keine Thematik für das nachkolo- niale Afrika. Zutreffend weist Neil Savishinsky darauf hin, dass es schwierig ist, die Göttlich- keit Haile Selassies zu vermitteln, hat man doch hinreichend Erfahrungen mit Despoten ge- sammelt (ebd.: 41). Folglich wird man der Aussage von Dennis Forsythe nicht zustimmen können, wonach „Rastafarianism is the resurgence of African revivalism and spiritualism, and hence qualifies as an authentic mass African Renaissance movement“ (siehe Seite 7). Die Annahme der hier angesprochenen Entwicklung würde voraussetzen, dass es in Jamaika eine ungebrochene Kontinuität afrikanischer Kultur und Religion gab. Zudem wird vorausgesetzt, dass Kultur und Religion in Afrika selbst sich zwischenzeitlich nicht verändert hätten. Es wäre außerdem die überaus schwierige Frage zu stellen, von welchen afrikanischen Traditionen Rastafari ein „Wiederaufleben“ (resurgence) wäre. Ein grundlegendes Faktum jeglicher Beschäftigung mit der Black Diaspora in der Kari- bik und in beiden Amerikas ist die Middle Passage (Dietrich/Gates/Pedersen 1999), jener „Atlantische Dreieckshandel“, bei dem Waren aus Europa nach Afrika, Sklaven aus Afrika in die Karibik und nach Amerika gebracht wurden und Plantagenprodukte aus diesen Regionen wiederum nach Europa gelangten. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die – 44 – nach den Folgen der kulturellen Ruptur in der extremen Situation der Middle Passage: Führte sie zu einer nachhaltigen Diskontinuität im Sinne einer Amnesie? Oder müssen wir nicht vielmehr annehmen, dass die afrikanischen Sklaven trotz aller Widrigkeiten von ihren Tradi- tionen zu retten versuchten, was nur möglich war? Wenn wir beispielsweise einen Blick auf die Geschichte des Holocausts (hebr. Shoa) werfen, so werden wir beobachten können, dass Juden — im Angesicht der physischen Vernichtung — dennoch soviel an „Jiddischkeit“ zu bewahren und zu leben versuchten, wie nur irgend möglich war.55 Derek Walcott, der Nobel- Literaturpreisträger und Philosoph von der kleinen Karabikinsel St. Lucia, hat mit Blick auf die Middle Passage von einem „amnesiac blow“ gesprochen: „In time the slave surrendered to amnesia“. Aber diese Amnesie war zugleich „a new nothing, a darkness which intensified the old faith“ und zugleich die Grundlage für „the re-creation of the entire order, from religi- on to the simplest domestic rituals“ (Warner-Lewis 2003: xxvi). Die erste Grundlage der Neuschöpfung waren die oralen Traditionen, d.h. die vom Vater an den Sohn und vom Priester an den Initianten weitergegebenen religiösen Anschauungen und Erfahrungen (siehe II.6.). So gelangten die religiösen Symbole und kosmologischen Vor- stellungen Afrikas in beide Americas. Dieses belegen nicht nur die frühen Berichte von Sir Hans Sloane (siehe Seite 131f.) und Charles Leslie (siehe Seite 132), sondern auch die ar- chäologischen Studien der afroamerikanischen Geschichte seit den späten 1960er Jahren (Fennell 2007). Die zweite Grundlage des Überlebens afrikanischer Religiosität folgte aus der religiösen Erfahrung der Inkorporation einer Gottheit oder eines Geistes/Ahnen, der/die das Individuum mit der Gemeinschaft verbindet (siehe ebd.). Von den Sklavenhändlern und Sklavenhaltern wenig beachtet, begann auch die Rekonstruktion afrikanischen Lebens — erfahren als Gemeinschaft mit gleichem Schicksal — bereits während der Middle Passage56 durch die Ins- titution des „Schiffskameraden“, englisch shipmate und portugiesisch-Kimbundu malungo. Es handelt sich hier um eine Form „adoptiver Verwandtschaft“, geboren aus dem gemein- samen Erlebnis des Horrors, auch des Triumphes, die Middle Passage überlebt zu haben (Sweet 2003: 32). Der Plantagenbesitzer Matthew Lewis notiert am 20. Februar 1818 in sein Tagebuch:

[55] Man denke an die Tätigkeit Leo Baecks als jüdischer Lehrer und Rabbiner in Theresienstadt oder an den wenig bekannten Rabbiner Daniel, dem spirituellen Führer der Juden von Kelme (Litauen), der den deut- schen Offizier des Erschießungskommandos um Aufschub bat und seine Gemeindemitglieder in den letzten Minuten ihres Lebens ermahnte, die Mizwa des Kiddusch ha-Schem („Heiligung des [göttlichen] Namens“, d. h. die Erklärung der Bereitschaft zum Martyrium) zu vollziehen (Bericht des Yosef Gottfarstein bei Emil L. Fackenheim, „The Holocaust and the State of Israel: their relation“, in: Eva Fleischner (ed.) 1977. Ausch- witz; beginning of a new era? Reflections on the Holocaust (International Symposium on the Holocaust, Ca- thedral of St. John the Divine, 1974), New York: KTAV Publishing House u.a., 212. [56] Wenn man reflektiert, dass die Sklaven bisweilen für viele Monate auf den Kapverdischen Inseln oder in den Faktoreien der Sklavenhändler auf dem afrikanischen Festland verblieben, bleibt zu fragen, ob nicht bereits hier erste Ansätze zu einer kulturellen Rekonstruktion anzunehmen sind. Denn das Erlernen des por- tugiesisch-basierten Pidgin beispielsweise ermöglichte erste Gemeinsamkeiten in einer multikulturellen Welt. – 45 –

I asked one of my negro servants this morning whether old Luke was a relation of his. ‘Yes’, he said — ‘Is he your uncle, or your cousin?’ — ‘No, massa.’ — ‘What then?’ — ‘He and my father were shipmates, massa’. (Lewis 1999: 20)

Orlando Patterson führt zwei weitere Äußerungen ähnlichen Inhalts an, zum einen die des Reisenden John Stewart57, wonach „shipmate“ synonym mit „Bruder“ oder „Schwester“ sei, und zum anderen die des Kaufmanns James Kelly58: „Shipmate is the dearest word and bond of affectionate sympathy amongst the Africans … they look upon each other to call their parents’ shipmates ‘uncle’ or ‘aunt’“ (Patterson 1975: 150; vgl. Mintz/Price [1976] 1992: 43; Gardner [1873] 1971: 262). Aber der Begriff des „Schiffskameraden“ meint wohl noch mehr, folgt man der Bedeu- tung des Wortes in Brasilien. Der Begriff malungo taucht schon 1779 in einem portugiesi- schen Wörterbuch auf: „Malungo, meu malungo (…) chama o preto o outro cativo que veio com ele (da África) na mesma embarcação“59 (Slenes 1991/92: 52). Robert Slenes kommt auf Grund seiner philologischen Untersuchungen zu der begründeten These, dass Sklaven aus Zentralafrika, die Kikongo, Kimbundu und Umbundu sprachen, mit dem Begriff malungo nicht nur den Schiffskameraden meinten, sondern auch den „companheiro na travessia da ka- lunga“ (den „Gefährten in der Überquerung der kalunga“), wobei kalunga — symbolisch re- präsentiert vor allem durch die Wasser des Flusses oder Meeres — eine kosmologische Be- deutung hat, nämlich als eine Linie, die die Welt der Lebenden von der der Toten trennt. Die kalunga überqueren kann also einerseits sterben bedeuten, andererseits aber auch wiederge- boren werden (Slenes 1991/92: 53-54). Auch in Jamaika kennen die Anhänger der Kumina- Religion im Parish St.Thomas noch das Wort kalunga im Sinne von „Meer“, gemeint ist das Meer, dass den „Guinea bird“ (pejorativ für den in Afrika geborenen Sklaven) von „Guinea yard“ (gemeint ist Afrika) trennt (Bilby/Fu-Kiau 1983: 24. 71; Carter 1996: 101). Bei den Akan — in der Zeit von 1655 bis 1700 stellten die Akan und Ga-Andangme aus Ghana die größte Einzelgruppe von Sklaven in Jamaika — gilt heute noch der Tod als eine Fahrt über den Fluss (Fisher 1998: 93). Erwähnung verdient auch die Aussage von Mother Oakley, ei- nem weiblichen „myalist healer“ und Oberhaupt einer Kirche in Kingston (1989), die An- thony Harriott in einem Interview erklärte, dass sie Trancereisen nach Afrika mache und zwar: „I travel under the sea“ (Harriott 2002: 135). Auf der Nachbarinsel Jamaikas, in der Dominikanischen Republik, finden wir unter den aus der Kongo-Angola-Region verschleppten Afrikanern, genannt „Los congos“, verwandte

[57] Stewart, John [1823] 1969. A view of the past and present state of the Island of Jamaica; with remarks on the … condition of the slaves, and on the abolition of in the colonies, New York: Negro University Press [58] Kelly, James 1838. Voyage to Jamaica, and seventeen years’ residence in that island: chiefly written with a view to exhibit negro life and habits; with extracts from Sturge and Harvey’s “West Indies in 1837”, 2nd ed., Belfast: J. Wilson [59] „Malungo, mein malungo (…) nennt der Schwarze den anderen Gefangenen, der mit ihm (von Afrika) in demselben Schiff gekommen war.“ – 46 –

Vorstellungen. Hier bezeichnet „Calunga“ aber eher die Gottheit der Toten oder einfach Gott (nzambi).60 Zu dem Totenritual der Cofradía de los Congos del Espirítu Santo de Villa Mella am „Neunten Tag des Gebets“ gehört auch ein Gesang mit dem Titel „Calunga“, der unver- kennbar seine afrikanische Vokaltechnik bewahrt hat.61 Das Kikongowort kalunga ist in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreich, weil es auf das Weltbild der Bakongo verweist. Es verweist auf das berühmte Bantu-Kosmo- gramm Dikenga dia Kongo — von der Grundbedeutung her ist damit der Zyklus von Leben und Energie gemeint (Fennell 2007: 31ff.) —, in dem die kalunga die Grenze zwischen dem höchsten Gott, den Geistern und Ahnen bezeichnet. Wie aber das Spiegelbild im Wasser weist sie zugleich auf die wechselseitige Beziehung zwischen dieser sichtbaren Welt und der unsichtbaren Welt der Toten hin. Ergänzt wird die horizontale Linie durch eine vertikale Linie, die einerseits Gott mit den Toten verbindet und andererseits für die Kommunikation des Menschen mit Gott, den Geistern und Ahnen steht. Kulturell normative Form der Kom- munikation ist die Besessenheit/Inkorporation. Entscheidend im Kontext dieses Weltbildes ist zum einen die horizontale oder soziale Solidarität, die sich auf die lebenden Mitglieder der Gruppe erstreckt. Zum andern gibt es eine vertikale Solidarität, die bis in die unsichtbare Welt reicht, insbesondere auf die Ahnen ausgerichtet ist. In einem Beitrag zur Festschrift für Udo Tworuschka habe ich das näher ausgeführt (Loth 2009). Dieses Weltbild der Bantu steht für Solidarität und ist folglich auch gemeinschaftsbil- dend! In Ansätzen entsteht eine neue Identität, über ethnische, kulturelle Grenzen hinweg und zwar während der Middle Passage, die für die meisten Afrikaner ein wahre Horrorfahrt war und auf der zudem viele starben.62 Dass auf diese Weise eine gewisse Identität geschaffen wurde, dürfte außer Zweifel stehen!63 In einer Welt der Sklaverei und des Rassismus bedurfte es der Bildung einer interethnischen „afrikanischen“ Identität, um überleben zu können (But- ler [1998] 2000: 53). Ein gutes Beispiel für eine interethnische Aktion von Sklaven während des Transports stellt die Meuterei auf dem Schoner La Amistad vom Juli 1839 dar: Es gelang Sengbe Pie, auch Joseph Cinqué genannt (1815 - 1879), die aus sechs Ethnien Afrikas stam- menden 53 Sklaven und Sklavinnen aus dem heutigen Sierra Leone, Liberia und Guinea zur Meuterei und Übernahme des Schiffes zu führen. Auch die Maroons, von denen noch die Rede sein wird, dürfen keineswegs als homogene ethnische Gruppen angesehen werden. Das gilt auch für die Quilombolas in Brasilien, insbesondere für den Quilombo64 dos Palmares,

[60] Siehe Hernández Soto/Sánchez 1997: 311-312; zum Bedeutungsspektrum von „Calunga“ siehe Megenney 1999: 78 u. ö. [61] Siehe Caribbean Island Music, recorded in the Islands by John Storm Roberts, Nonesuch Records [1972] 1998, Explorer Series 7559-72047-2; die Cofradía wurde am 18. Mai 2001 von der UNESCO zum „Patrimo- nio oral e intangible de la humanidad“ erklärt. [62] „The precise number of enslaved Africans who reached the New World alive will never be known — nor will the numbers who died in slaving wars and in the hideous coffles to the coast, during the Middle Passage, or before debarked in the Americas“ (Mintz 1989: 8-9). [63] Vgl. die „identidade bantu“ („Bantu-Identität“) bei Slenes 1991/92: 54-55. [64] Quilombo stammt von Kikongo/Kimbundu kilombo, was eine Wohnsiedlung bezeichnet (Castro 2001: – 47 – dessen letzter Führer, der heute in Brasilien hoch geehrte Zumbi (1655-1695), mit einer Büs- te in Brasília geehrt wird, auf der zu lesen ist: „O líder negro de todas as raças“65 (siehe Seite 74). Diese Entwicklung ist in gewisser Weise nur die Fortsetzung der Bildung von Ethnien auf dem afrikanischen Kontinent selbst, waren diese doch — bevor die Kolonialzeit be- gann — offene und nicht abgeschlossene politische und kulturelle Systeme. Das gilt auch für die Religionen. Schon Max Weber wies auf die Entstehung von ethnischer Identität bei Vor- liegen eines „ethnischen Gemeinsamkeitsglaubens“ hin:

Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Aehnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wande- rung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinschaft hegen, derart, daß dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn sie nicht „Sippen“ darstellen, „ethnische“ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Bluts– gemeinsamkeit vorliegt oder nicht. (Weber [1922] 1985: 237)66

Dieser „ethnische Gemeinschaftsglaube“ wurde in die Plantagen getragen und kann als Basis angesehen werden, auf der ein neoafrikanisches Leben sich entwickeln konnte. Nur so wird erklärlich, dass afrikanische Traditionen in veränderter Gestalt als „Diaspora-Religio- nen“67 in beiden Amerikas überleben konnten! Hier wollen wir als Ergebnis jedoch festhal- ten, dass die Ankunft der Afrikaner also sicherlich nicht gleichbedeutend mit Assimilation oder Akkulturation war, sondern nur als ein vielschichtiger, dynamischer und kreativer Pro- zess zu verstehen ist — im Sinne der Transkulturation von Fernando Ortiz. Diese Feststellungen wären jedoch nicht vollständig, würden wir nicht auch auf das Sys- tem der „identureship“ ostindischer Arbeiter und Arbeiterinnen verweisen, die in den Jahren von 1845 bis 1921 (Senior 2003: 243) zu einem gewaltigen Transfer von Menschen aus Indi- en in die britische Karibik führte. Sie dienten als Ersatz für die ehemaligen Sklaven auf den Zuckerplantagen. Das Überqueren des Ozeans ist als ein Überqueren von kāla pāni, d. h. der dunklen (und unreinen) Wasser in Erinnerung geblieben — als Erinnerungen und Mythen an ein „Heimatland der Phantasie“ (Salman Rushdie). Wie seinerzeit bei den afrikanischen Skla- ven führte das auch bei den Indern zu einem Bruch mit der eigenen Geschichte, Kultur, Ge- sellschaftsordnung — das Plantagensystem unterminierte das Kastensystem und Patriarchat (Diptee 2003: „Conclusion“) — und mit der religiösen Welt. Die Menschen der Indokaribik

324); seine Bewohner heißen quilombolas. Quilombos als Siedlungen von afrikanischen Nachkommen gibt es auch noch heute im brasilianischen Hinterland. [65] „Der schwarze Führer aller Rassen“. [66] Auf Max Weber verweist bereits Miller 2004: 196, ohne jedoch diese klassische Belegstelle für Webers Ethnizitätsgedanken anzuführen. [67] Joseph Murphy hat wohl als erster den Begriff „diasporan religions“ in die wissenschaftliche Diskussion gebracht (Murphy 2003: xi). – 48 – mussten ihr Indischsein neu aufbauen. Véronique Bragard spricht diesbezüglich von „Cooli- ness“ (Bragard 2003: 11), verweist aber auf den Begriff coolitude des mauritianischen Schriftstellers Khal Torabully68, womit the „alter ego of creoleness“ oder die „acclimatization of Indian culture on plural grounds“ beschrieben werden soll. Auch die ostindischen Vertragsarbeiter begriffen sich als eine Schicksalsgemeinschaft und kannten einen analogen Begriff zu shipmate oder malungo: Sie bezeichneten sich als ja- hajis, d. h. „Leute des Schiffes“ und bezeichneten die neue Freunde als jahaji bhai oder ja- haji bahin — „Schiffsbruder“ und „Schiffsschwester“. Kaka und mausi waren dann „Onkel“ und „Tante“ (Mansingh/Mansingh 1999: 51). Damit begann eine neue Form der Solidarität, die zu einem Niedergang des indischen Kastensystems in der Karibik führte. Die Todesrate bei der Überfahrt69 unterschied sich wohl kaum von der der ehemaligen Sklavenschiffe, die Arbeit auf den Plantagen selbst wird auch als ein neues System der Skla- verei bezeichnet. „Jahaji Music“ bezeichnet heute — wenn auch nicht so bekannt wie Reg- gae — die überregional bekannte indokaribische Musik und verweist auf ein nachwirkendes Erbe dieser Einwanderer, neben den religiösen Traditionen des Hinduismus. Wie wir sehen werden, kam es auch in Jamaika zu einem Einfluss der Hindutraditionen auf die afrojamaikanische Welt, insbesondere auch auf Rastafari. Aber gerade in diesem Kontext gilt, was Bragard zum Begriff coolitude erklärend hinzufügt:

Khal’s creative thought received ideas in the context of the Caribbean where creolization is very much linked with an Afro-centered approach and where Négritude somehow con- tributed to the repression of Indian elements. (Bragard 2003: 12)

Eben das ist in vielen Teilen der Karibik der Fall gewesen. Das gilt auch für Jamaika und insbesondere für die klassischen Rastafari-Studien, die zwar die indische Herkunft des Ganja für möglich oder auch faktisch halten, jedoch die mit dem „Ganja Complex“ verbundene kul- turelle Transmission indischer Werte und religiöser Vorstellungen aus afrozentrischer Sicht nicht zur Kenntnis nehmen (Hamid 2002: 76). Nur so kann Rastafari zu einer „predominantly Black African-oriented millenarian movement“ werden, „which seeks the collective salvation of all Black people in a free Africa“ (Yawney 1979: 157).

[68] Der Vater des Schriftstellers kam aus Trinidad. [69] Siehe z. B. James Carlile (ed.) 1859. Journal of a voyage with coolie emigrants from Calcutta to Trini- dad, by Captain and Mrs Swinton, London: W. J. Johnson. Der Bericht zeigt eindringlich, wie die Immigran- ten als Schiffsware angesehen wurden, nicht als Menschen mit Namen (vgl. Joe Lockard, Reflections on Captain Swinton’s Journal of a voyage with Coolie emigrants [www. asu.edu/clas/english/podcasts/Reflec- tionsonCaptainSwinton.pdf (Zugriff vom 15.06.2008)]. – 49 – 12. Das religiöse Band zwischen Afrika und seiner Diaspora

Es besteht zweifellos ein Zusammenhang zwischen der Afrikanischen Diaspora und Afrika selbst. Denn es gibt nun einmal Phänomene, die nur mit Bezug auf Afrika erklärt wer- den können. Die kosmologische Vorstellung von der kalunga lebt in der Diaspora weiter und das Bantu-Kosmogramm Dikenga gleicht im Prinzip dem haitianischen vèvè70 und den brasi- lianischen pontos riscados71 in der Macumba (Fennell 2007: 88-92). Vergleichbar sind diese auch mit der kubanischen firma und dem gandó (Thompson 1993: 68f. plates 46-50; 287: pla- te 288). Religiöse Symbole aus Afrika haben also die Middle Passage überstanden. Die Frage ist aber, in welcher Form soziale, kulturelle und religiöse Strukturen die Middle Passage und den Prozess der Kreolisierung überstanden haben. Oder soll man nicht besser von pattern sprechen, von Mustern und Modellen kulturellen und religiösen Denkens und religiöser Pra- xis, die beiden Prozessen ausgesetzt waren? Solche pattern sollten jedoch nicht in umfassend-typologischer Weise auf eine Religion angewandt werden — also nicht im Sinne eines pattern beispielsweise der Yorùbá-Religi- on —, sondern eher als ein Modell dazu dienen, religiöse Denkweisen, rituelles Handeln und Verhalten im Lebensvollzug zu erklären und zu verstehen.72 So ergeben sich strukturelle Mu- ster, die für die jeweilige Religion kennzeichnend sein können. Allerdings kann es auch pat- tern geben, die für mehr als eine einzelne Religion Gültigkeit haben. Als Beispiel soll hier auf die Trance hingewiesen werden, die im Weltbild vieler afrikanischer Völker die Funktion hat, diese Welt mit der göttlichen und/oder spirituellen Welt zu verbinden. Der Weg des Menschen zu dieser anderen Welt ist der über den eigenen Körper, wie es Amadou Hampâté Bâ (1901-1991) sehr schön formuliert hat: „Le corps de l’homme est une rampe de lancement de la parole humaine vers les sphères divines. Sous la poussée des contorsions qu’effectue le corps, la pensée et la parole montent ensemble comme un projectile.“ (Bâ 2005: 10). Dies ist wirklich eine gute Beschreibung afrikanischer Trancetänze, die in der Afrikanischen Diaspo- ra fortleben! Wir werden ihnen in unserer Arbeit noch begegnen. Auf jeden Fall sollte jedoch stets im Kontext von „konkreten“ kulturellen bzw. religio- kulturellen Phänomen vorsichtig der Frage nachgegangen werden, inwieweit noch von afri- kanischer Kontinuität oder neoafrikanischer Neubildung zu spechen ist. Bei der Untersu- chung des Weiterlebens afrikanischer Traditionen ist natürlich auch — worauf bereits hingewiesen wurde — der soziokulturelle Kontext der Kreolisierung zu berücksichtigen, der maßgeblich das Überleben von Afrikanismen unterdrückt oder gefördert hat. Die Situation in Jamaika mit seinem intoleranten Anglikanismus war eine andere als in Brasilien, dessen Ka- tholizismus eher als ein Volkskatholizismus zu bezeichnen ist. Entscheidend war aber auch

[70] Vèvè ist die symbolische Zeichnung auf dem Fußboden, die einem lwa des Vaudou zugeordnet ist (Thompson 1993: 293 plate 293). [71] Pontos riscados bezeichnet in der Umbanda rituelle Zeichnungen auf dem Fußboden, die die Geister/ Gottheiten symbolisieren und sie zum „Herabsteigen“ bewegen sollen (Thompson 1993: 298 plate 300). [72] Siehe Gertrud Schier 1998, „Pattern“, in: HrwG, vol. IV, 311. – 50 – die demographische Frage, d.h. das Zahlenverhältnis von weißen Sklavenhaltern zu afrikani- schen Sklaven bzw. deren Nachkommen. Damit verbunden ist wiederum der mehr oder min- der erfolgreiche Widerstand der Sklaven - in Jamaika sind es die Maroons, in Brasilien sind es die Quilombolas –, der das afrikanische Erbe am Leben hält. Der dann im 19. Jahrhundert aufkommende Äthiopismus und Panafrikanismus, der neue ideologische Impulse und An- stöße zu einer Reafrikanisierung vermittelte, hat seine Auswirkungen auf Rastafari und Can- domblé in unterschiedlicher Weise ausgeübt. Die vorliegende Untersuchung soll sich im Unterschied zu den vorhandenen Veröffentli- chungen fast nahezu ausschließlich mit den Anfängen von Rastafari beschäftigen und zwar im Kontext des Polykulturalismus in Jamaika sowie im Zusammenhang mit dem Migrations- kontext, der die Karibik und Nordamerika in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu- sammenführte. Der Rückbezug auf Afrika soll der Verifizierung von afrikanischen pattern dienen.

13. Ergebnis

Während die Verdrängung des islamischen Erbes in den Forschungen Jamaikas für unser Thema kein Problem darstellt, ist das bei den indischen Traditionen anders: Diese müssen wir zum Verständnis der Anfänge von Rastafari heranziehen. Das gilt auch mit Blick auf den Po- lykulturalismus Harlems, zu dem Menschen aus der Karibik beigetragen haben, der dann sei- nerseits in die Karibik ausgestrahlt hat. Im Zusammenhang mit „Neuen Religionen“ werden häufig Begriffe wie Synkretismus, Hybridität und Kreolisierung angeführt. „Kreolisierung“ im Sinne von Edward Brathwaite halten wir für ein brauchbares Modell bezüglich des Milieus der interreligiösen Begegnung in der Black Diaspora. Das gilt auch insbesondere von Alfred Schütz’ Formel von den „mannig- faltigen Wirklichkeiten“, die uns verstehen lässt, wie interkulturelle und interreligiöse Begeg- nung auf Grund kommunikativer Akte mit dem Anderen vorgestellt werden können. Religion vermittelt eine zusätzliche Erfahrungsdimension, deren Erforschung mit kon- kreten Menschen oder Gruppen von Menschen zu tun hat. Es gilt dabei, genau auf den kultu- rellen Kontext zu achten und sich davor zu hüten, Religion generell aus der Perspektive etwa eines westlichen Kulturmodells interpretieren zu wollen. Aus diesem Grunde wollen wir uns des Modells der Transkulturation bedienen, wie es der Kubaner Fernando Ortiz entwickelt hat. Das Akkulturationsmodell kann nach unserer Meinung der Dynamik von Ruptur und Neubeginn, die beide mit der Middle Passage einsetzten, nicht Rechnung tragen. Das Beschreibungsmodell der Transkulturation erscheint uns als geeignet, dem „cross- cultural“-Charakter von Rastafari Rechnung zu tragen (Loth 2002a: 398.410f.). In diesem Kontext wird dann auch deutlich, was wir in dieser Untersuchung als Neue Religionen be- zeichnen wollen: die durch Transkulturation entstandenen afrikanischen „Diaspora-Religio- nen“, die auf Grund eines dynamischen und kreativen Prozesses etwas Neues darstellen! Das gilt sowohl von Rastafari, der neuen afro-christlichen Religion mit indischen „Einschlüssen“ – 51 – aus Jamaica, und dem Candomblé, der religião dos orixás73 („Religion der Orixás“): Beide Religionen durchliefen — jeweils unter anderen Bedingungen — Prozesse der Desafrikani- sierung und Reafrikanisierung, die geprägt sind von Neuschöpfungen im Kontext der jeweili- gen Traditionen.

[73] Siehe Anm. 3. – 52 – II. Afrikanische Religionen: der Versuch einer Annäherung

1. Leben und Religion in Afrika — westliche Reflexionen über Religion

Rastafari und Candomblé stehen — nach der opinio communis — im Erbe west- und zentralafrikanischer Religionen: Nach Jamaika kamen vor allem Kromanti oder „Coroman- tyn“, d. h. Ashanti (oder Asante) und Fanti von der Goldküste, Ibo aus dem Nigerdelta und Mandingo aus der Region zwischen Niger und Gambia (Curtin 1955: 24). Neuere Forschun- gen verweisen indes auch auf das westliche Zentralafrika (siehe Seite 151). Die Sklaven, die nach Brasilien verschifft wurden, kamen überwiegend aus Westafrika, dem Kongo und An- gola, wobei allerdings seit den 1830er Jahren nach Bahia überwiegend Yorùbá verbracht wurden. Gegen 1850 und danach waren daselbst neun Zehntel der Sklaven oder Freigelasse- nen „Nagôs“1, deren Yorùbá-Sprache von fast allen Afro-Bahianern gesprochen wurde (Cròs 1997: 36). Das Problem besteht nun jedoch darin, dass viele Wissenschaftler seit Roger Bas- tide im Candomblé des Nagô-Ritus von Bahia — neben dem Xangô von Recife — die reine afrikanisch-traditionelle Religion sehen und diese gewissermaßen den Status einer Orthodo- xie innehat. Das gilt ganz besonders von dem Ilé Opò Afonjá in Salvador, den der Autor aus eigenen Besuchen im Jahre 1996 kennt. Dennoch muss ausdrücklich angeführt werden, dass es mehrere nacões-de-cancomblé gibt (siehe Encontro 1984). Ob hier jedoch wirklich von ei- ner ungebrochenen Kontinuität mit Afrika und den Nagôs gesprochen werden kann, ist auf dem Hintergrund der Middle Passage fraglich. Auf jeden Fall haben wir es jedoch mit Religionen zu tun, die mit einigen wichtigen Charakteristika auf Afrika verweisen. Wir müssen versuchen, uns diesen anzunähern, wes- halb uns einige Ausführungen zum Begriff der Religion erforderlich erscheinen. Hier sei zu- nächst an Mircea Eliade erinnert, der seine Systematik der Religionsgeschichte2 mit der Fest- stellung beginnt: „Es ist der Maßstab, der die Phänomene schafft“ (Eliade 1998: 13). Und, in Anlehnung an denselben, vertreten wir die Meinung, dass Rastafari und Candomblé nach ih- ren eigenen Maßstäben betrachtet werden müssen, nämlich als Religionen! Zudem bedarf es heute keiner Beweisführung mehr, um feststellen zu können, dass jedem Gebrauch des Be- griffes Religion eine irgendwie geartete Religionstheorie zu Grunde liegt - ob nun dem Be- trachter dieses bewusst ist oder auch nicht. So kursieren in der Religionswissenschaft zahl- reiche konkurrierende Religionsdefinitionen und es ist eine feststehende Tatsache, dass es eine konsensfähige Definition nicht gibt, wie bereits der knappe Überblick bei Ulrich Berner zeigt (Berner [1987] 1995: 531-532.). Mit Bezug auf solche Bemühungen stellt John Bowker

[1] „Nago“ (auch anago oder anagonu) ist ein pejorativer Begriff für die Yorùbá im alten Dahomey (Benin) und bedeutet „schmutzig“, „verlaust“ (Lima 1984: 18). [2] Siehe Charles Long, der in diesem Werk Eliades „a most fruitful text for raising the issue of religious episte- mology“ sieht, insofern Eliade eine Korrelation zwischen menschlicher Erfahrung, religiöser Imagination und materieller Natur herstellt (Long 2000: Nr. 3.6.). – 53 – die Frage: „What, finally, of the definition of religion? Has it come any closer into our sights? Clearly not“ (Bowker 1997: xxiii-xxiv.). Angesichts der Vielzahl von möglichen Definitionen fragt auch Günther Kehrer: „Comment définir la religion?“ (Kehrer 1988: 652). Eine gewisse Ordnung vermag er lediglich unter Rückgriff auf die bekannte methodologische Unterschei- dung zwischen „définitions substantielles“ und „définitions fonctionelles“ vorzunehmen. Unverkennbar ist das Bestreben einiger Religionsforscher, einen Ausweg aus der euro- amerikanischen Klassifikation von Religion zu finden. Der schon erwähnte Berner verweist auf Wilfred Cantwell Smith, welcher bereits vor Jahrzehnten dazu aufgefordert hat, den Be- griff „Religion“ aufzugeben, weil „confusing, unnecessary, and distorting“, zugunsten von „personal faith“ (Smith 1963:50). Die Begründung folgt daraus, „that there is always and in principle more in any man’s faith than any other man can see“ (ibid.: 141). Für die Forschung schlägt er die Beschäftigung mit zwei Strukturen vor: “an historical ,cumulative tradition‘, and the personal faith of men and women“ (ibid.:194). Das Vorhaben von Wilfred Cantwell Smith zielt jedoch nicht nur auf die Strukturanalyse von Persönlichkeitssystem und soziokul- turellem Kontext ab, sondern vor allem auf das, was sich in der Interaktion zwischen beiden ereignet:

… the subject-matter of our study, if we are to do justice to what we have taken on, is not merely tradition but faith; not merely the overt manifestations of man’s religious life, but that life itself . … In the study of religion one’s concern is not primarily the doctrines and scriptures and prayers and rites and institutions; but rather, what these do to a man. (Smith 1968: 68; Herv. H.-J.L.)

Die historische Tradition wird folglich in ihrer Beziehung auf das gegenwärtige Leben untersucht, um der Frage nachzugehen, „how far and wherein those inherited symbols are to- day performing their earlier function as one part of one side of the complex dialectic between man’s spirit und his material world” (1968: 70). Der Vorteil dieses theoretischen Ansatzes ist darin zu sehen, dass er den Nachdruck auf Leben, gelebten Glauben und Wandel legt, was für eine auf die Gegenwart abzielende Re- ligionsforschung von entscheidender Bedeutung ist. Smith’s strukturanalytischer Ansatz er- öffnet zudem einen Zugang zu den Religionen Afrikas und der in ihrem Erbe stehenden afro- amerikanischen Religionen, denen in der religionswissenschaftlichen Forschung selten Ge- rechtigkeit widerfährt. Im Gegensatz zu den Christen, die nach Smith in den letzten Jahrhun- derten ihr religiöses Leben in formaler Weise institutionalisiert haben, wie wohl keine andere Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart (1968: 66), steht hier das Leben selbst mit seinen Wandlungsprozessen im Mittelpunkt. Mit den Worten des nigerianischen Dichters und Nobelpreisträgers Wole Soyinka: „life, present life, contains within it manifestations of the ancestral, the living and the unborn. All are vitally within the intimations and affective- ness of life, beyond mere conceptualization“ (Soyinka 1998: 439). Der in den Sprachen Westafrikas zu beobachtende Gebrauch der Serialverb-Konstruktion und der Tempus- – 54 –

Aspekt-Verknüpfung (Asante 1991) korreliert mit diesem Lebensgefühl oder Weltbild, wel- ches Leben als Kontinuität und Handlung versteht. Leben ist wie ein „stream of rhythmic flow“, dessen „ultimate source of life“ Gott selbst ist (Oosthuizen 1993:201). Auch im Weltbild der Bantu dominiert nach Placide Tempels das Leben: „This supreme value is life, force, to live strongly, or vital force“ (Tempels 1998: 429).3 Diese erstmals 1945 auf Französisch von dem belgischen Missionar publizierte Theorie einer vitalistischen Bantu- Ontologie, in der das Sein nur ein Synonym der „Force vitale“ ist, fand allerdings in Afrika nicht nur Anerkennung, sondern löste auch bis in die Gegenwart hinein Kontroversen aus. So sieht Jean-Godefroy Bidima in ihr die Gefahr einer „Ontologie holistique, qui se soucie du dynamisme et de l’énergie vitale, laquelle, par spécification, traverse les Etres“ (1995: 50). Da der Begriff „holistisch“ nur pseudo-erklärenden Charakter hat (Minsky 1990: 27; Bidima 1995: 74-76), kann er schwerlich einen Beitrag zum Diskurs über die interagierenden Struk- turen in afrikanischen Religionssystemen leisten. Bidima spricht zutreffend von der Gefahr eines „Einmauerns“ des „Être du Nègre dans une essence qui serait vitaliste et religieuse“ und verweist auf das Vorhandensein auch einer „tradition matérialiste“: „nous refusons le substantialisme finalisant où l’essence du Nègre équivaut à la religiosité“ (1995: 55). Es gibt vielmehr auch im afrikanischen Denken einen „matérialisme physicaliste“:

L’idée d’une essence fidéique du Nègre doit ici être mise en question par des contes d’Afrique de l’Ouest. Dans le cycle de l’Araignée se profile une tradition matérialiste où Dieu est un objet qu’on peut jeter et avec lequel on joue et, surtout, il y a une désacralisa- tion des référentiels où ce qui tient lieu de Dieu n’est qu’un pauvre être faillible, durable, un être ordinaire, humain. (ibid.: 53)

Bei den Ashanti (Asante) in Ghana ist das in der Sprache Twi anànse4, der Trickster in Spinnengestalt, der dem Löwen – Symbol des Königs – und selbst dem höchsten Gott an Lis- tenreichtum überlegen ist (Pelton 1980: 25-70; Bastide 1967a: 266-267.) und als Volksheld Anancy/Anansi in Jamaika weiterlebt. Bei den Yorùbá ist es EÆÍuæ oder EÙle;Ùgba;ra, der Trick- ster, der als Exu im Candomblé und als L°gba der Fon in Dahomey die ähnliche Funktion übernimmt (Verger 1970: 109-125; Pelton 1980: 71-112). Kehren wir noch einmal zu Tempels zurück. Wie jüngst Balimbanga Malibabo in seiner Untersuchung der Bantu-Philosophie von Tempels nachgewiesen hat, kann dessen Ver- ständnis der Bantu-Weltanschauung als ein dynamisches Konzept des Seins keineswegs als

[3] In der deutschen Ausgabe von 1956: 21 heißt es: „Der höchste Wert ist die Kraft, das Leben, kraftvoll leben, die Lebenskraft.“ [4] Es sei am Rande erwähnt, dass ein so guter Kenner der Akan-Religion wie der aus Ghana stammende Joseph Buakye Danquah anànse auf einen babylonischen Heroen zurückführen wollte und in den Akan-Völkern Abkömmlinge von Akkad sah (1968:198ff.). Aber er war durchaus nicht der Einzige, der den autochthonen Charakter afrikanischer Kulturen und Religionen verkannte und sich diese nur als Ableger bekannter Hoch- kulturen vorstellen konnte. — Streng genommen bezeichnet Akan eine Sprachenfamilie, deren größte Grup- pe mit dem Dialekt Twi die Ashanti sind. – 55 – abgeschrieben gelten (Malibabo 2006: Nr. 45). Kein Geringerer als Léopold Senghor ließ sich bei der Formulierung seiner Négritude von Tempels inspirieren: „Er sieht in der Theorie der Lebenskraft das Fundament schwarzafrikanischer Weltanschauung…“ (ebd.: Nr. 27). Wer sich mit afrikanischen Religionen beschäftigt, dem ist natürlich das Desinteresse an der kultischen Verehrung des höchsten Wesens nicht entgangen. Bidima zitiert ein ironisches Gebet an Gott, welches diesen als ein relatives Wesen ausweist:

Quand avons-nous négligé de te faire des sacrifices et d’énumérer tes titres honorifiques? Pourquoi es-tu tellement avare? Si tu ne t’améliores pas, nous laisserons tomber dans l’oubli tous tes noms honorifiques. Quel sort sera le tien? Tu pourras aller te nourrir de sauterelles…. (ibid.: 54)

Eine Parallele hierzu findet sich in der Praxis der im Yorùbá-Erbe stehenden kubani- schen Santería, wonach die aborishas (Gläubigen) ihre Götter dahingehend bestrafen, indem sie sie aus dem Fenster werfen, zu „Wasser und Brot“ bestrafen oder sie mit dem Gesicht auf den Boden legen, wenn sie die Erfüllung von wichtigen Wünschen verweigern (Pomar 1997: 79). Auch Olódùmarè selbst, Schöpfer und höchster Gott der Yorubá, ist weder omnipotent noch allwissend: In einem Ifá odù (Ifá-Divinationsgedicht)5 wird erzählt, dass er sich erst bei einem Ifa-Priester nach der Unsterblichkeit erkundigen muss (Gbadegesin 1991:100; vgl. Idowu 1966: 43-44). Mit Blick auf den höchsten Gott der Akan, Nyame oder OnyankopÇn, macht der bekannte Akan-Philosoph Kwasi Wiredu darauf aufmerksam, dass auch er nicht völlig omnipotent ist und die Gesetze des Kosmos umkehren könnte. Denn das Verhältnis Gottes zu den Menschen basiert nicht auf einer unqualifizierten Allmacht Gottes, sondern geht von dem Modell des Vaters aus - gemäß dem Akan-Spruch: „God descend, descend and come and take care of your children“ (1998:196.199). Das heißt jedoch nicht, dass Gott Mensch wird! Vor globalen Aussagen, welche die Afrikaner als unverbesserlich religiös darstellen wol- len – so z.B. jüngst wieder Laurenti Magesa (1997: 25-26) im Anschluss an John Mbiti – sei daher gewarnt, weil sie eher einem eurozentrischen Verständnis von Religion und Theologie folgen als der afrikanischen Wirklichkeit. So ist auch der Versuch des anglikanischen Theo- logen Mbiti (1974), aus den verschiedenen Religionen der Afrikaner eine Weltanschauung herauszuarbeiten, eher ein exegetisches Unternehmen. Wenn einerseits zutreffend gesagt wird, dass Religion alle Lebensbereiche durchdringt und „sich zwischen den sakralen und weltlichen, den religiösen und nichtreligiösen, den geistigen und materiellen Bezirken keine strenge Scheidelinie ziehen (läßt)“ (1974: 2), dann muss man sich wundern, wie es dem Au- tor gelingt, gewissermaßen eine Theologie Gottes in Afrika zu entwickeln (ibid.:18-20.). Das gelingt ihm nur mit Hilfe der phänomenologischen Methode, mittels der in synchroner Ar-

[5] Pierre Verger übersetzt das Wort odù mit „Zeichen“, französisch „signe“ (Verger 1970: 568) und portugie- sisch „signo“ (Verger 1992: 8). – 56 – beitsweise ähnliche Phänomene disloziert und typologisch zusammengefaßt werden. Die Re- geln des Diskurs werden von der theologischen Abwertung der afrikanischen Religionen und des Islam bestimmt: „Aber nur dem Christentum fällt die fruchtbare Verantwortung zu, den Weg zu jener endgültigen Wesenseinheit, zur Grundlage aller Dinge und zur Quelle der Si- cherheit zu weisen“ (ibid.: 357). Auch schon Tempels hatte in der Entwicklung seiner Bantu- Ontologie das Ziel verfolgt, die Afrikaner zur wahren christlichen Zivilisation zu führen (Bi- dima 1995:10-12.).6 Afrikanische Religionen dienen dann allenfalls als eine preparatio evan- gelica (Westerlund 1991:22).7 Nötig ist dagegen nach Jacob OlupoÙna (1991: 30) auch die diachrone Analyse, auch wenn diese aus heutiger Sicht auf große Schwierigkeiten stößt: Die afrikanischen Religionen sind in den letzten Jahrhunderten infolge der Missionspolitik von Islam und Christentum großen Veränderungen unterworfen gewesen (ibid.: 31). Das heißt jedoch keineswegs, dass religiöser und sozialer Wandel erst durch diese beiden Religionen heraufgeführt worden wä- ren. OlupoÙna verweist auf Robin Horton, der den Nachweis führt, dass die Konversion zum Islam und Christentum eher im Rahmen eines Konvergenz-Modells zu verstehen ist, dessen grundlegende Struktur bestimmt war von den Antworten der überlieferten Kosmologie auf die Veränderungen in der Gesellschaft selbst: „Such a conclusion reduces Islam and Christia- nity to the role of catalysts – i.e. stimulators and accelerators of changes which were ,in the air‘ anyway“ (Horton 1971:104). Auch James Sweet vertritt — wie bereits oben angeführt — die Ansicht, dass die Vorstellung einer Konversion nicht Gegenstand des afrikanischen religi- ösen Denkens ist (Sweet 2003: 217). Der schon erwähnte Okot p’Bitek konkretisiert wie folgt:

It seems to me that the new God of Christianity was taken by many African peoples as just another deity, and added to the long list of the ones they believed in. So that many African Christians are also practitioners of their own religions. (p’Bitek 1971: 113)

Aus religionswissenschaftlicher Sicht wird man sagen müssen, dass sowohl die synchro- ne als auch die diachrone Analyse notwendig sind, um eine Religion beschreiben und die mit dieser Religion verbundenen Phänomene analysieren zu können.

[6] Bidima unterstellt Tempels „eine große koloniale Hinterlist“ und fragt: „Est-il sincère?“ (Bidima 1995: 12), während Malibabo von einem ehrlichen Besprechen spricht, „alles, was abendländisch ist, abzulegen, um selbst Muntu mit dem Muntu zu werden“ (Malibabo 2006: Nr. 17). — Muntu ist der Singular für „Mensch“ in vielen Bantu-Sprachen, der Plural ist Bantu. [7] Nach Westerlund (1991:18-19) sind die meisten Religionsphänomenologen von der liberalen protestanti- schen Theologie oder dem katholischen Modernismus geprägt, was sie dazu befähigt, alle Religionen als Wesenheiten sui generis zu sehen. Gleichzeitig tendieren sie jedoch dahin, die afrikanischen Religionen zu „christianisieren“ („christianize“). – 57 – 2. Exkurs 1: Religionstypologie und ihre Problematik

Wenn es ums Vergleichen und Verstehen geht, wird man auch nicht ohne Typenbildung auskommen (Tworuschka 2006: 110). Wenn die Aufgabe der Typologie darin besteht, das, was häufig wiederkehrt, darzustellen, dann muss aber nach Heinrich Frick neben dem Gemeinsamen auch das Besondere gleichzeitig im Typus angesprochen werden: „Das Beson- dere ist hier so viel wie das Typische eines organischen Gebildes“ (Herv. H.-J. L.).8 Den zweifellos größten Beitrag zur Religionstypologie des 20. Jahrhunderts hat Gustav Men- sching erbracht (Hoheisel 2003: 33). Sein Typusbegriff ist von Anfang an zu Recht „doppel- deutig: einerseits bezeichnet er ein Gemeinsames innerhalb verschiedener Religionsorganis- men, andererseits aber auch das »typisch« Einmalige und Eigenartige jeder Religion“ (Mensching [1959] 1966: 70). Religiöse Phänomene müssen im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden, d. h. im je- weiligen sozio-kulturellen und sozio-ökonomischen Umfeld. Und damit sind wiederum be- stimmte anthropologische und psychologische Gegebenheiten verbunden (Tworuschka 2006: 112-115). Allen diesen Faktoren zu entsprechen, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen! „[E]s gibt kein Phänomen, das nur und ausschließlich religiös ist“ formuliert Mircea Eliade und spricht zutreffend von sozialen, sprachlichen und wirtschaftlichen Fakten (1998: 13), ohne diesen jedoch nachzugehen (vgl. Tworuschka 2006: 112). Wenn religiöse Phänomene also zeit- und kontextgebunden sind, können wir diese über- haupt zu Generalisierungen und insbesondere im Sinne einer Religionstypologie benutzen? Denken wir z. B. an die buddhistische Parabel von den „Blindgeborenen“, die einen Elefan- ten berühren (Udāna VI, 4)9, müssen wir davon ausgehen, dass es offensichtlich verschiede- ne Arten der Wirklichkeitswahrnehmung gibt. Udo Tworuschka hat allerdings in seiner Jena- er Antrittsvorlesung vom Jahre 2000 darauf hingewiesen, dass Buddha mit dieser Erzählung einen Absolutheitsanspruch vertritt: Nur er ist der Sehende und seine Lehre führt zum Heil. Indessen verweist die Rezeptionsgeschichte dieser Erzählung auf Interpretationsrichtungen, die sich von Buddhas Absolutheitsanspruch unterscheiden. Die Wahrheitsfindung verläuft im jeweiligen Kontext anders und führt dann auch zu einem jeweils anderen Ergebnis (Two- ruschka 2000: 31f.). Das zeigt sich nach Tworuschka bereits in der Logik des Wortes „Gott“, das im Kontext von Geschichte, Kultur und Gesellschaft gesehen werden muss (ebd.: 21f.). In der Religionsphänomenologie und -typologie kann nach unserem Dafürhalten eigent- lich nur die Rede von Modellen/Konstruktionen sein. Letztere, die Religionstypologie oder Einteilung von Religionen in verschiedene Typen kann — wie Karl Hoheisel anführt — „im Unterschied zu naturwissenschaftlichen Typen niemals den Charakter einer subjektiven Kon- struktion abschütteln“ (Hoheisel 2003: 25). In jüngster Zeit hat Carsten Colpe zwei Religi-

[8] Heinrich Frick 1928. Vergleichende Religionswissenschaft (Sammlung Göschen, vol. 208), Berlin: Walter de Gruyter, 14. [9] Siehe Gustav Mensching s.a. Buddhistische Geisteswelt: vom historischen Buddha zum Lamaismus, Texte ausgew. u. eingel., Baden-Baden: Holle Verlag, pp. 38-42. – 58 – onstypologien vorgestellt: eine „Typologie nach Gottesvorstellungen“ und eine „Typologie nach Strukturen“ (Colpe 1998). Auch hier zeigt sich recht schnell, was Andreas Kött als all- gemeines Charakteristikum der Typologie bezeichnet, nämlich die Tatsache, dass jede Selek- tion (Komplexitätsreduktion) kontingent ist (Kött 2003: 430), weil sie immer auch anders möglich ist. Wenn die Auswahl der Merkmale und ihre Gewichtung nach mehr oder weniger subjek- tiven Kriterien erfolgt, so bedeutet das nach Andreas Kött nicht automatisch, dass Typologien keinen Erkenntniswert haben. Aber sie sind abhängig von der Zustimmung zur jeweiligen Willkürlichkeit (Kött 2003: 429). Das aber heißt, die Typologisierung dient nur dem Erfassen und Zusammenfassen von Merkmalen und man hüte sich davor, dem wissenschaftlichen Schema eine unzutreffende Konkretheit zuzuschreiben. Es gilt also die berühmte Warnung von Alfred Whitehead vor der fallacy of misplaced concreteness (siehe unten).

3. Exkurs 2: Religionsphänomenologie und ihre Problematik

Jacques Waardenburg hat in den letzten Jahren neue Ansätze zu einer Theoriebildung in der Religionsphänomenologie entwickelt, die Beachtung verdienen. Der zunächst von ihm entwickelte phänomenologische Ansatz einer religiösen Intentionenforschung (Waardenburg 1986: 241-245) hatte „mental phenomena“ zur Grundlage, die nach Hans Penner als „propo- sitional attitudes“ zu behandeln sind (Penner 1995: 242; vgl. Loth 2003: 155). Mit der „Neu- stil-Religionsphänomenologie“ (Waardenburg 1997: 741-744) wird jedoch die Theoriebil- dung ein gutes Stück vorangetrieben. Mit dem Fazit „Die Neustil-Religionsphänomenologie ist zu einem großen Teil die Erforschung religiöser Konstruktionen und Dekonstruktionen“ (ebd.: 743) kommt die Religionsphänomenologie in der Postmoderne an, insofern sie sich von einer totalisierenden Sprache abwendet und einen Diskurs über die Bedingungen der Möglichkeit neuer und adäquater Analysen hinsichtlich „subjektiver Sinnkonstruktionen und dynamischer Sinngebungsprozesse“ (ebd.: 742) führt, die ihrerseits der Religion zuzuordnen sind. Der Begriff Dekonstruktion wurde vom französischen Philosophen Jacques Derrida (1930-2004) geprägt und war zunächst nur ein Verfahren der Literaturkritik, um eine formali- sierende und totalisierende Praxis im Umgang mit Texten zu verhindern. Verkürzt gesagt, es geht um die différance (Differenz) als „jene Bewegung, durch die sich die Sprache oder jeder Code, jedes Verweisungssystem im allgemeinen »historisch« als Gewebe von Differenzen konstituiert“. Das aber heißt, dass „die Bewegung des Bedeutens nur möglich ist, wenn jedes sogenannte »gegenwärtige« Element … sich auf etwas anderes als sich selbst bezieht …“ (Derrida 1990: 90. 91). „Dekonstruktion“ bedeutet „analyser les structures sédimentées qui forment l’élément discursif, la discursivité philosophique dans lequel nous pensons“ (Derrida 1992).10 Wie in der „Neustil-Religionsphänomenologie“ geht es auch Derrida um Herme- neutik. Es ist hier aber nicht der Ort, auf weitere Analogien zu verweisen. Es wäre sicherlich verfehlt, wollte man sich grundsätzlich gegen die Religionsphä- – 59 – nomenologie aussprechen, wie es etwa Hartmut Zinser empfohlen hat.11 Denn es ist, wie Axel Michaels formuliert hat, eine Tatsache, dass „viele Religionswissenschaftler nach wie vor R. [eligionsphänomenologie] (betreiben), ohne sich dazu zu bekennen.“ Und es ist auch eben- falls zutreffend, dass „[r]el.[igiöse] Dinge … ohne eine wie auch immer geartete R.[eligi- onsphänomenologie] unvollständig erfaßt (erscheinen)“.12 Es erscheint uns jedoch notwendig — wie Douglas Allen ausführt —, „to become aware of one’s presuppositions, suspend one’s value judgments, and accurately describe and inter- pret the meaning of phenomena as phenomena“ (Allen 2005: 205). Man hüte sich unbedingt vor der Reifikation von Modellen (vgl. Loth 2003: 152), d. h. der „fallacy of misplaced con- creteness“ („Trugschluss der unzutreffenden Konkretheit“) (Whitehead [1925] 1984: 66. 68. 72. 74). In diesem Zusammenhang erscheint der religionsphänomenologische Neuansatz bei Wolfgang Gantke problematisch: So richtig es auch sein mag, eine „freiere“ historische Reli- gionsphänomenologie zu entwickeln (Gantke 1998: 82-88), die problemorientiert „den zeit- genössischen, größeren interkulturellen Kontext … erfassen“ soll (ebd.: 264), so müssen je- doch Bedenken angemeldet werden, wenn von einer „Transzendenzoffenheit“ dieser problemorientierten Religionsphänomenologie die Rede ist (ebd.: 429). Gehört die Annahme von transzendenter „Realität“ zum wissenschaftlichen Diskurs? Darf diese nichtempirische Welt in die religionswissenschaftliche Theoriebildung mit einbezogen werden? Es erscheint uns vernünftig, mit Talcott Parsons eher von einer „telischen Welt“13 oder in Anschluss an Kant von einer „Meta-Realität“ (Parsons 1978: 356-357) zu sprechen — um so die theologi- sche Dichotomie von Immanenz und Transzendenz zu vermeiden.

4. Der afrikanische Mensch in Interaktion mit den göttlichen Kräften

Kehren wir nach diesen kleinen Exkursen zurück zu den religiösen Traditionen Afrikas, von denen Okot p’Bitek zutreffend sagt: „It seems that there is no other-worldliness in Afri- can religious thought“ (p’Bitek 1971: 109). So wie für diese ferner gilt, dass sie keinen Pro- zess der Rationalisierung durchlaufen haben — dieses ist ja ein wesentliches Charakteristi- kum von Christentum und Judentum nach der Aufklärung —, so natürlich auch nicht Rastafa- ri und Candomblé (vgl. Seite 28). Zutreffend hat Laurenti Magesa festgestellt, dass Religion für Afrikaner weniger ein Glaubenssystem ist als vielmehr „,a way of life‘ or life itself, where a distinction or separation is not made between religion and other areas of human existence“ (1997:25). Im Mittelpunkt steht das gute Leben hier und heute, stehen Gesundheit und Er-

[10] „Qu’est-ce que la déconstruction?“ ( [Zugriff vom 02.01.2007]) [11] Hartmut Zinser 1988. „Religionsphänomenologie“, in: HrwG, vol. I, p. 308. [12] „Religionsphänomenologie“, in: RGG4, vol. 7, Sp. 354. [13] Im englischen Text heißt es „telic world“ oder „telic system“, in Abänderung des aristotelischen Begriff „Teleologie“ (Parsons 1978: 356). – 60 – folg, Glück und Nachkommenschaft in der Ehe (p’Bitek 1971: 62). Schon Melville Jean Herskovits hat über die Religion der Fon aus methodologischer Sicht geäußert:

While it is today a commonplace that religious sanctions enter into the every-day life of the African, many students have overlooked the fact that the every-day life of the African as it is lived within the institutions of his group, furnishes the materials for an understan- ding of the life of his gods as envisaged by him. In other words, the key to the Da- homean’s ideology as it relates to his religious concepts is to be had in the organization of his daily life. (1933: 9)

Auch für die Yorùbá-Religion gilt, dass sie nicht „an institution separate from other aspects of the lives of the people in traditional African societies“ ist (Gbadgesin 1991:151). Schließlich ist ja jedem wichtigen Aspekt des Lebens ein oærìsÙaæ zugeordnet! Und beide, oærìsÙaæ und Individuum, leben in enger Beziehung miteinander, so wie das Individuum mit anderen Individuen in der Gesellschaft. Ethik ist daher im afrikanischen – wie auch afro-ame- rikanischen – Kontext notwendigerweise keine Lehre von den formalen Prinzipien der Sitt- lichkeit und den materiellen sittlichen Werten, sondern zum einen ein konkretes moralisches Verhalten im sozialen Mikrokosmos und zum anderen, mit einem Ausdruck von Horton, eine Angelegenheit von „individual cosmological adjustment“ (1971:103). Insofern erstaunt es nicht, wenn Edward Brathwaite mit Blick auf die afrojamaikanische Religion Kumina – von dieser wird auch noch im Zusammenhang mit der Entstehung von Rastafari zu sprechen sein (siehe IV.3.f.) – dazu auffordert, die bekannten europäischen Defi- nitionen aufzugeben:

Indeed, we must begin to think of a situation where the word/concepts sacred and secular are practically meaningless; or rather where they connote a certain kind of intensification of a shared organic experience. Politics, then, psychology, economics, prophecy, medeci- ne, law, poetry, music, dance, art may all be seen as aspects of ,religion‘ and religion as aspects of all these. (1978:46)

Doch wenden wir uns wieder von der ursprünglich aus dem Kongo stammenden Kumina der Religion der Yorùbá zu. Die Zuständigkeit der oærìsÙaæ für das Wohl der Menschen in der Welt rückt nach Ansicht Segun Gbadegesins (1991:150) die Götter Afrikas in die Nähe des israelitischen Jahwe, der für die Unterdrückten eintritt (Jes 61,1-2), oder des neutestament- lichen Jesus, der sich in dieses Erbe stellte (Lk 4,18-19). Ein unpolitischer Gott „who is indif- ferent to the misery and suffering of people in this world as long as their eternal life is gua- ranteed by grace“ (ebd.:149) widerspricht afrikanischer Vorstellung vom innerweltlichen Handeln der oærìsÙaæ. Denn die Kollaboration des Gläubigen mit den oærìsÙaæ entspricht der vorge- gebenen religiösen Ordnung - und dient beiden (Barber 1981: 739). Dieser Gedanke von der Innerweltlichkeit der „Götter“ lebt fort in den „Afrikanischen Kirchen“ des Kontinents (Hor- – 61 – ton 1971: 104) und sei hier bereits hypothetisch als einer der Gründe angeführt, die in den afroamerikanischen Religionen zu dem bekannten Phänomen der Zuordnung von oærìsÙaæ und katholischem Heiligen führte, ist doch letzterer jemand, der aktiv zum Wohle der Menschen gehandelt hat. Auch die vodu$ der Fon oder die inkice der Bantu — nkisi, Plural minkisi in Ki- kongo (siehe Seite 74) — erfüllen mit Blick auf die Menschen vergleichbare Funktionen, weshalb sie in den brasilianischen Nações-de-Candomblé als Synonyme verstanden werden können. Bei den Ashanti sind es die abosom, jene „Götter“, die ihre Macht vom höchsten Wesen OnyankopÇn empfangen haben (Busia 1976:193). Wir haben in diesem Abschnitt „Götter“ in Anführungsstriche gesetzt, weil unsere west- liche Rede von „Gott“ oder „Göttern“, sofern sie auf afrikanische Vorstellungen angewandt wird, nach Okot p’Bitek einer „Hellenization of African deities“ gleichkommt, gleichsam „creations of the students of African religions“ sind (p’Bitek 1971: 88). Er verweist auf den nilotischen Begriff jok bzw. joki im Plural, der nicht nur „Gott“ oder „Götter“ bezeichnet, sondern eine ganze Klasse von Phänomenen, zu denen selbst Krankheiten gehören (ebd.: 70-79).14 Auch die französischen Afrikanologen Louis-Vincent Thomas und René Luneau weisen mahnend darauf hin, dass man nicht danach streben soll, „à retrouver partout le Dieu judéo-chrétien ni même le Premier Moteur d’Aristotle et la somme des Attributs divins. Pro- céder de cette manière serait évidemment se fermer le chemin de toute recherche ultérieure“ (Thomas/Luneau 2004: 134). Das Fehlen von systematisierenden religiösen Konzepten, hierarchischen religiösen Insti- tutionen sowie das Fehlen einer Fixierung auf die postmortale Existenz in den afrikanischen Religionen haben zweifellos damit zu tun, dass Kommunikation mit Gott in einem Kräftefeld interagierender göttlicher Kräfte stattfindet (Barrett 1974:17). Dabei ist das Individuum Teil eines menschlichen Kontinuums, das schon in der Vergangenheit mit diesem Kräftefeld ver- bunden war und es auch in der Zukunft sein wird. Zwischen Mensch und Gott schiebt sich keine lateinische Tradition eines juridischen Denkens, welche die Geschichte von Katholizis- mus und Protestantismus durchzieht. Stattdessen kommt der Trance die Aufgabe zu, den tran- sitorischen Abgrund zwischen Mensch und Gott durch die Inkorporation des letzteren zu überwinden. Grundsätzlich dient die religiöse Trance somit der Kommunikation mit über- menschlichen Kräften, nicht nur mit Gott oder den Göttern, sondern auch mit Geistern und natürlich den Ahnen. Die Besessenheit oder besser Inbesitznahme durch die vorgenannten Kräfte während der Trance ist in der Komplexität afrikanischer Religionen – es war und ist immer noch einfacher für den weißen Beobachter, sich dieser nicht zu stellen und global von Animismus oder Feti- schismus zu sprechen – nur der religiös-existentielle Höhepunkt in einem Kontinuum des Le- bens, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer Einheit zusammenfaßt und in dies- em Weltbild keine Dichotomie zwischen Heilig und Profan kennt. Das „Heilige“ als

[14] Auch im südlichen Afrika hat es — wie das Beispiel der Zulu zeigt — ursprünglich keine Vorstellung von einem höchsten Wesen, das allmächtig wäre, gegeben. Im Zentrum der Religion stand die Verehrung der Ahnen, vollzogen durch Tieropfer (Monteiro-Ferreira 2005). – 62 –

Phänomen ist daher eher ein Theorem, welches nur in einem spezifischen religiösen Kontext entwickelt werden kann und folglich auch keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit besitzt. In diese Richtung gehen auch rezentere Untersuchungen wie z.B. die von Carsten Colpe, der auf die Mittelmeerwelt verweist: „Als Phänomen ,gibt‘ es ,Das Heilige‘ also nur um das Mit- telmeer herum von der europäischen Altsteinzeit an bis zum Islam“ (1997:12). Der Einbezie- hung des Islam in dieses Modell wird man allerdings entgegenhalten müssen. dass dieser nur waqt –, von Judentum وﻗﺖ – bedingt dazugehört, insofern das Verständnis von Zeit im Koran und Christentum abweicht und sich eher in einem afroasiatischen Zusammenhang erklären läßt.

5. Exkurs 3: Gibt es einen afroasiatischen Konnex?

Den Begriff „afroasiatisch“ hat der amerikanische Sprachwissenschaftler Joseph H. Greenberg 1952 mit seinen vergleichenden Untersuchungen zum akkadischen Präsens einge- führt und die folgenden fünf Sprachfamilien als Sprachstamm afroasiatisch zusammenge- fasst: Ägyptisch, Berberisch, Kuschitisch, Semitische Sprachen und Tschadisch (1952: 1). Auch wenn heute der Trend dahin geht, als sechste Sprachfamilie vielleicht noch das Omoti- sche einzuschließen (Bußman 2002: 54)15, hat sich die Einführung des Begriffs „afroasia- tisch“ inzwischen durchgesetzt (Hodge 1971; 1983; Sasse 1981; Simpson 2001; Bußmann 2002; Diakonoff 2007). Selbst Genetiker, die von Korrelationen zwischen genetischer und linguistischer Evolution ausgehen, arbeiten heute mit diesem Begriff (Cavalli-Sforza, Menoz- zi, Piazza 1994: 97-99.165 u.ö.). Der britische Religionswissenschaftler Julian Baldick hat jüngst mit Hinweis auf die Er- kenntnisse der Sprachwissenschaft über die Verwandtschaft der afroasiatischen Sprachen auf das Vorhandensein einer allgemeinen afroasiatischen Familie der Religionen geschlossen, welcher neben den afrikanischen Traditionen auch Judentum, Christentum und Islam zuzu- ordnen wären (Baldick 1997). Eine kritische Auseinandersetzung mit seinen Forschungser- gebnissen steht noch aus. In ihrer Rezension weist Bärbel Beinhauer-Köhler jedoch zu Recht darauf hin, dass es einer besonderen Methodik bedarf, um die gemeinsame religiöse Wurzel der afroasiatischen Sprachfamilie zu erfassen, die bei Baldick jedoch nur ansatzweise zu er- kennen ist. (Beinhauer-Köhler 2000: 610-611.). Die von ihm angestrebte afroasiatische kom- parative Mythologie wird auf jeden Fall die genetische Forschung einbeziehen müssen. So ist z.B. die im omotischen Siedlungsgebiet erfolgte Kolonialisierung der Amharen kein „late Se- mitic overlay“ (Baldick 1997: 16), weil nämlich dieselben genetisch überwiegend Afrikaner sind (Cavalli-Sforza, Menozzi, Piazza 1994:100; Cavalli-Sforza 1997: 7722-7723.).16

[15] Siehe auch die Grafiken der Fakultät Sprachwissenschaft der Universität Erfurt zur „Weltsprachen 6: Ara- bisch“ ( [Zugriff vom 28.02.2006] [16] Daran ändert auch nichts, dass der Kaiser Menelik zu Benito Sylvain, einem westindischen Vertreter des – 63 –

Unbestreitbar bestehen Parallelen zwischen der Lebenswelt Altisraels und der der Afri- kaner, die seit langem in der Wissenschaft beobachtet worden sind (z.B. Hammerstein 1978). Aber schon im 18. Jahrhundert stellte der ehemalige Sklave und Abolitionist Olaudah Equia- no (1745-1797) vom Volke der Igbo (Nigeria) auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Juden aus der Zeit vor der Landnahme sowie den biblischen Patriarchen einereits mit seinen Lands- leuten andererseits fest und benannte sie namentlich. Eine Begründung dafür sah er in der Abstammung von den aus der Verbindung Abrahams mit Ketura stammenden Söhnen Afra und Afer (Genesis 25, 4). Equiano folgt hierin der bis heute in Gebrauch befindlichen Bibel- auslegung des baptistischen Theologen John Gill (1697-1771) — „An Exposition of the “ (4 Bände, 1763-1766)17 — sowie den Ausführungen von Hugo Grotius’ „De veri- tate christianae“ (1640), dessen Werk 1711 von dem Theologen John Clarke (1682-1757)18 als „About The Truth of the Christian Religion“ herausgebracht worden war. Aus den bibli- schen Namen Epha und Epher werden in diesen Werken Afer und Afra, nach denen dann die Stadt Afra und das Land Africa benannt sind. Somit werden die Afrikaner zu legitimen Nach- kommen Abrahams und sind folglich Israeliten/Juden! Diese Exegese geht auf Eusebius von Caesarea (ca. 263-ca. 339), „Praeparatio evangelica“ IX.20,2-4, zurück; der Kirchenvater wiederum führt als Gewährsmann den Diaspora-Juden Kleodemos Malchas aus Karthago an (1. Hälfte des 1. Jahrhunderts vChr).19 Wenn Afroamerikaner sich später als Israeliten/Juden bezeichnen — und das gilt auch von den Rastafariern —, dann stehen sie im Erbe einer Tradition, die bereits in der Spätantike auftaucht und von den afrikanischen Sklaven übernommen wird, handelt es sich doch um eine Vorstellung, die im 18. Jahrhundert Verbreitung fand (Equiano [1789] 2001: 29 Anm. 1 des Hrsg.). Es ist auch nicht verwunderlich, dass Olaudah Equiano für Mose Sympathie emp- findet und dessen Gewalttat an einem Ägypter als gerechtfertigt ansieht (ebd.: 82). Mose, der das Unrecht am eigenen Volksangehörigen mit Totschlag rächt und später sein Volk aus der Knechtschaft führt, ist als Vorbild für die versklavten Afrikaner geradezu prädestiniert. Olaudah Equiano weiß in seinem Buch über eine Vielzahl von Brutalitäten durch die Hand von weißen Sklavenhaltern zu berichten. Mose wird zum Typus des Befreiers, nicht nur bei Equiano, sondern auch bei anderen Autoren, die den transatlantischen Exodus der Afroameri- kaner zum Gegenstand haben (Thomas 2007). Und Marcus Garvey, der Moses redivivus der Rastafarier, ist dann aus typologischer Sicht auch keineswegs eine Neuschöpfung! Das gilt auch von der bereits erwähnten Rasta-Forderung nach „repatriation”. Der Jesuit und Kulturanthropologe Joseph Williams, der Jahre der Forschung in Jamaika

Panafrikanismus, der ihn um Unterstützung bat, gesagt haben soll: „You know I am not a Negro at all: I am a Caucasian“ (Pankhurst 1964: 156). Erst nach der Besetzung durch Italien 1935 sollte Äthiopien Afrika entdecken (ebd.: 159). [17] Siehe „John Gill’s Exposition of the Entire “ ( [Zugriff vom 31.10.2008]), s.v. Genesis 25, 4. [18] Siehe Ausgabe von 1829: 109 ( [Zugriff vom 31.10.2008]). [19] Zu der überaus komplizierten Überlieferung und dem Fragment siehe Walter 1976: 115-120. – 64 – zugebracht hatte, konnte sich die vorliegenden Affinitäten nur als eine Hebraisierung Afrikas vorstellen:

… we conclude, that, the Supreme Being not only of the Ashanti and allied tribes, but most probably of the whole of Negro Lands as well, is not the God of the Christians which, at a comparatively recent date, was superimposed on the various tribal beliefs by ministers of the Gospel: but, the Yahweh of the Hebrew, and that too of the Hebrews of pre-exilic times, that either supplanted the previous concept of divinity in the African mind, or else clarified and defined the original monotheistic idea which may have been dormant for many centuries, or even perhaps been buried for a time in an explicable con- fusion of polytheism and superstition. … the reawakening of this primitive concept was the fruit of the Diaspora of the Chosen People of God that was to pave the way for Chris- tianity. (ebd.: 355-356)

Diese Theorie einer Hebraisierung afrikanischer Völker als Folge der jüdischen Diaspora hat u. W. keine Akzeptanz in der Forschung gefunden, auch wenn sie dem vorherrschenden Kultur-Eurozentrismus entsprach. Dennoch gibt es zweifellos Beispiele für eine Hebraisie- rung oder sogar für judaisierende Einflüsse auf afrikanische Völker, wie das Beispiel der äthiopischen Kirche und insbesondere der Falaµschaµ oder Beta Israel zeigt (Ullendorff 1989; 1990). Im Fall der Bayudaya in Uganda führte die Lektüre der hebräischen Bibel sogar zu ei- nem jüdischen Selbstverständnis (Obed 1975). Nach dem 2. Weltkrieg vertrat der hierzulande wenig bekannte, in Afrika jedoch einen großen Einfluss ausübende senegalesische Gelehrte Cheikh Anta Diop (1923-1986) in zahl- reichen Schriften die entgegengesetzte These vom schwarzafrikanischen Ursprung der ägyp- tischen Kultur und der Beteiligung letzterer an der späteren europäischen Zivilisation (Diop 1990). Seine Vorstellung von Négritude – über diese wird noch zu sprechen sein – gipfelte in der Aussage: „Nosotros somos el centro energético del mundo“ (zit. bei Mondejar 1972:30).20 Auch wenn viele seiner Thesen sich nicht erhärten ließen, so gilt doch bei der Mehrheit der Ägyptologen der genuin afrikanische Charakter Ägyptens als akzeptabel (Harding 1990:18; Reinwald 1990:41-42). „Es war eine durchaus afrikanische Kultur, denn die Völker Ägyptens waren, obwohl ethnisch heterogen, im wesentlichen afromediterran und sprachen eine afroasiatische Sprache“ (Iliffe 1997: 29). Auch dem Einfluss Afrikas auf Judentum und Christentum wird immer wieder nachgegangen, mit mehr oder weniger überzeugenden Ar- gumenten (Ben-Jochannan 1988; Oduyoye 1988; Finch 1988; Twesigye 199121). Zum

[20] „Wir sind das Energiezentrum der Welt“; kritisch bezeichnet Mondejar (ibid.) diese als „afirmación nar- cisista“. [21] Wenn Twesigye Entwicklungslinien von Ägypten zu Griechentum, Judentum, Christentum und Islam zieht, so mag das bisweilen noch seine Berechtigung haben. Wenn der Autor jedoch beispielsweise die Vor- stellung von der jungfräulichen Geburt des Horus über die des Jesus bis nach Indien wandern läßt und die übernatürliche Geburt von Siddhattha Gotama auf die nämliche ägyptische Vorstellung zurückführt, dann – 65 –

Schluss dieser Ausführungen sei auf die Feststellung des deutschen Ethnologen Adolf Elle- gard Jensen hingewiesen, „dass ein Vorläufer der Kultur des Alten Testamentes mit der nilo- tischen Kultur Nordost-Afrikas verwandt gewesen ist. Daraus ergibt sich eine Erklärung da- für, dass überall dort, wohin die nilotische Kultur gekommen ist, insbesondere nach Süd- Afrika, Einflüsse alttestamentarischer Art beobachtet werden können“ (Jensen 1981: 464). Der afroasiatische Ursprung der Semiten findet inzwischen auch Aufnahme in der biblischen Archäologie (Thompson 1999: 108-115). Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der afroasiatische Konnex als ein komparatives Verstehensmodell auch für den Religionswissenschaftler von Interesse sein dürfte. Unseres Wissens waren Mircea Eliade und Ion P. Culianu die ersten, die den Begriff in der Religions- wissenschaft benutzten und zwar in der Klassifikation der Religionen Afrikas in Eliades sys- temorientierter Darstellung der Religionen (Eliade/Culianu 1995: 31-32).22 Afrikanische Reli- gionen sind, ungeachtet der Tatsache, dass ihre „Bibliotheken“ aus oralen Traditionen beste- hen, ernst zu nehmende Religionssysteme, die – wie ihre Entwicklung in beiden Amerikas beweist – mit den Buchreligionen durchaus konkurrieren können. Der oben angesprochene koranische Zeitbegriff waqt weist nun u. E. eine Affinität zu dem afrikanischen Zeitverständnis auf. Nach Abdoldjavad Falaturi hat waqt

kein sich sukzessiv vollziehendes Wesen und keinen regulierenden Charakter…, wie es bei xroðnov (zamaµn) der Fall ist, ein Charakter nämlich, den jede Geschichtsvorstellung als Basis voraussetzt. Waqt erweist sich vielmehr raumartig als ein in sich geschlossenes statisches unveränderliches Wo der Ereignisse. … Im waqt, als in einer nichtlinearen, nichtzyklischen, sondern raumhaften Wo-Zeit, d.h. als in einem – aus göttlicher Sicht, nach der sich Muhammad zu richten hatte – von Gott geschaffenen, immer vorhandenen Behälter der Ereignisse, haben alle Ereignisse unabhängig voneinander eine direkte Be- ziehung zu ihrem allmächtigen, allgegenwärtigen Urheber. Der Urheber hätte den Gang der Geschichte völlig anders gestalten können. (Falaturi 1975: 92f.)

Vergleicht man diese Aussage mit den Ausführungen von Kwasi Wiredu zur Akan-Kos- mologie, so ergibt sich eine nicht zu übersehende Affinität, selbst in Hinblick auf den, dem :tauḥīd ﺗﻮﺣﻴﺪ islamischen Zeitbegriff inhärenten Gedanken der

God is the creator of the world, but God is not apart from the universe: together with the world, God constitutes the spatio-temporal ,totality‘ of existence. In the deepest sense, therefore, the ontological chasm indicated by the natural/supernatural distinction does not exist within Akan cosmology. (Wiredu 1998:187)

klingt das wenig überzeugend! [22] Siehe auch Charles H. Long 2000. „Mircea Eliade and the imagination of matter“, in: Journal for cultural and religious theory, vol. 1, 2 () – 66 –

Es ist hinlänglich bekannt und muss hier nicht mehr begründet werden, dass der Islam seine „Schwierigkeiten“ mit westlichen Formen der Säkularisierung und Dichotomisierung des Lebens in Heilig und Profan hat – eben wegen seines auf der tauḥīd gründenden Welt- bildes, das die traditionelle, aber nicht im Koran enthaltene Konzeption von dīn wa-daula ge- radezu begünstigt, wonach Staat und Religion — idealtypisch — als religiös begründete ge- sellschaftliche Einheit anzusehen sind. Dagegen haben die afrikanischen Religionen, in denen die vorgenannte Dichotomisierung ebenfalls nicht anzutreffen ist, diese Probleme offensicht- lich nicht, weder im heutigen Afrika noch in beiden Amerikas. Interessant ist aber in diesem Zusammenhang — wie Afe Adogame gezeigt hat — die Tatsache, dass z. B. in der „Celestial Church of Christ“, die 1947 im kulturellen Milieu der Yorùbá von Bilehou Oschoffa gegrün- det wurde, plötzlich diese Dichotomie von Heilig und Profan auftaucht. Sie ist in der Welt der Yorùbá in dieser strikten Trennung nicht vorhanden (Adogame 1998: 2), entwickelt sich dann jedoch im Kontext biblischen Glaubens (ebd.: 7). Damit stellt sich die Frage, worin afri- kanische Traditionsströme, ungeachtet einiger Gemeinsamkeiten, sich letztlich doch von Ju- dentum, Islam und auch Christentum unterscheiden.

6. Oralität, Inkorporation von Gottheiten und die Suche nach einem glücklichen Leben

Afrikanische Religionen wie die der Ashanti (Akan), Yorùbá und Bantu, in deren Erbe mehr oder minder Rastafari und Candomblé stehen, kennen im Gegensatz zu Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus keine kanonischen Schriften und — nach den Worten des malinesischen Gelehrten Amadou Hampâté Bâ — „ne se perdent pas dans les labyrinthes de la théologie qui veut décrire Dieu ou épiloguer pour prouver son existence“ (Préface in Dieterlen 2005: 9). Aber es gibt sehr wohl sakrale „Texte“, deren Trägermedien die Menschen selbst sind:

Leur connaissance nécessite un exercice mnémonique d’envergure: leur transmission est l’objet de soins constants et, justement à cause de leur caractère sacramental, de précauti- ons particulières. Ils sont communiqués fidèlement, de génération en génération, par ceux qui sont les dépositaires, à ceux qui doivent les remplacer. Du père au fils, de l’instructeur à l’initié, du prêtre au postulant, cette transmission ne s’opère qu’entourée de garanties destinées à les protéger de tout sacrilège. (Dieterlen 2005: 20)

Das schließt natürlich nicht aus, dass z. B. die berühmten eÙseÙ Ifá, die „Verse von Ifá“, al- so der Korpus von Divinationen des Yorùbá-Volkes, 1908 von dem christlichen Geistlichen E. M. Líjàdù unter dem Titel „Ifa, Orunmila“ veröffentlicht wurden. Weitere Publikationen folgten. Es entspricht der inneren Dynamik der Divination, dass die eÙseÙ Ifá infolge immer neuer Offenbarungen durch den ÒrìsÙà der Weisheit, OÆÙrùnmìlá, anwachsen (AbimboÙla 1976: 26). Die Ifá-Texte, die 2005 von der UNESCO in die „Masterpieces of the Oral and Intangi- – 67 – ble Heritage of Humanity“23 aufgenommen wurden, werden auch in jener afrikanischen Dia- spora, die im Erbe der Yorùbá-Religion steht, gesungen, z. B. in Kuba. Und auch hier findet die orale Tradition der Santería eine schriftliche Form in Gestalt von handgeschriebenen Hef- ten, den sogenannten libretas de santería (León 1988). Axel , der 1976 Proben einer solchen veröffentlichte, verlegt diese Entwicklung in die Jahre zwischen 1920 und 1960 (Hesse 1977: 135).24 Das obrige Zitat von Germaine Dieterlen verweist auf die Besonderheit afrikanischer Traditionen, die es ermöglichte, dass auch orale Traditionen über die Sklavenroute nach Amerika gelangen konnten. Über die „Middle Passage“ schreibt Geneviève Fabre:

The African heritage was … very much present on the slave ship — a heritage consisting of a set of beliefs and practices but also of a body of knowledge that could serve as tools to help them out of their present predicament. (Fabre 1999: 39)

Afrikanische Religionen sind Glaubenssysteme, die zwar nicht über kanonische Ausga- ben von sakralen Schriften verfügen, sondern von der Vorstellung ausgehen, dass die klangli- che Artikulation der oralen Texte diesen ihre materielle Form verleiht und durch eben dieses Handeln ihre gedankliche Welt zum Ausdruck bringt (Dieterlen 2005: 20). Häufig enthalten diese Texte auch einen polyvalenten Symbolismus, dessen tieferer Sinn nur den Initiierten of- fenbart wird (ebd.: 21). Das führt zu einer individuellen Erfahrung, die durch den ausgewähl- ten Priester gefördert wird. Damit bleibt die Fähigkeit zur Variabilität erhalten, die nicht durch das „externalisierte Gedächtnis“ eines Schrifttums in ihrer Dynamik beschnitten wird. Es besteht keine Notwendigkeit, dogmatisch die Wahrheit der einen gegenüber den anderen zu betonen, weil Götter und Menschen offen für Veränderungen sind. Die auf interpersonale Kommunikation angelegte Oralität ist fließend und flexibel und nach den Worten von Ana Vera „está en continuo cambio“ (Vera 2006: 60).25 Gerade für die Religionen Westafrikas in ihrem multiethnischen Kontext gilt dieses ganz besonders. Emmanuelle Tall spricht nicht un- zutreffend davon, dass eine der Konstanten der Religionsgeschichte in Afrika darin zu sehen ist, dass sie sich in allogenen Kontexten entwickelt hat (1995: 818). Olabiyi Yai verweist auf das Yorùbá-Wort àÍà, „Tradition“, das von dem Verb Íà, d. h. „wählen“, „auswählen“ und „unterscheiden“ abgeleitet wird. Mithin ist Tradition nicht aufgezwungen, sondern bleibt per- manent offen für Innovation (Yai 1996). Maßstab aller religiösen Erfahrungen ist zudem häufig das, was der Einzelne in der Be-

[23] Der Erforschung der oralen Tradition Lateinamerikas dient die von der UNESCO herausgegebene spa- nischsprachige Zeitschrift „Oralidad“, die in ihrer 13. Ausgabe vom 15 Mai 2006 Beiträge zur Religion ent- hält (). [24] Auch der deutsche Autor, Jazz Drummer und Percussionist Thomas Altmann hat 1998 afrokubanische Gesänge aus der Liturgie der Santería gesammelt und herausgegeben: Cantos Lucumí a los Orichas (oché 001), Hamburg. [25] „[sie] befindet sich in einem fortgesetzten Wandel“. – 68 – sessenheit, d.h. in der Inkorporation einer Gottheit oder eines Geistes/Ahnen erlebt. Diese spezifische Form der religiösen Erfahrung und der Rekurs auf den Mythos in den Glaubens- anschauungen — hier erfolgt die Verknüpfung des individuellen Heils mit der Solidarität der Gemeinschaft — verleihen den afrikanischen Weltbildern eine Zeitlosigkeit, die zugleich in einzigartiger Weise zum Wandel befähigt: „The old representations are either discarded or are reused as representations of new concepts“ (Dixon 1981: 79). Dieses ist neben der Ora- lität eine zweite Struktur, die das Überleben afrikanischer Religiosität in beiden Amerikas er- möglichte und die Grundlage für eine neue religiöse Identitätsfindung bildete, indem ver- schiedene afrikanische religiöse Vorstellungen zu neuen Religionssystemen in der afrikanischen Diaspora verschmolzen. Es gibt aber noch einen weiteren, gravierenden Unterschied zwischen den afrikanischen Religionen und den anderen Religionen. Der brasilianische Historiker João José Reis hat vor eingen Jahren in einem Interview ausgeführt:

Toda religião tem centro e periferia. No centro estão seus líderes „burocráticos“, para usar o conceito de Weber, e a doutrina, a orthodoxia; na periferia estão os fiéis, um gran- de número dos quais se localizam também nas fronteiras da heterodoxia, contrabandean- do elementos de outros registros religiosos, enfim os que „pecam“ a roldão. (Reis 2001)26

Nach Reis vollziehen sich Veränderungen im Verhältnis von Zentrum zu Peripherie, wo dann die Prozesse des Wandels am stärksten zu beobachten sind. Dort ist dann auch der Ort, wo unter Führung eines charismatischen Führers ein Schisma sich vollziehen kann. Aber ein- mal ganz davon abgesehen, ob Max Webers Übertragung des Konzepts der Bürokratie in sei- ner Religionssoziologie aus religionswissenschaftlicher Sicht wirklich als zutreffend gewertet werden kann, so dürfte es jedoch fraglich sein, ob wir mit Blick auf Judentum und Islam von bürokratischen Führern sprechen dürfen, die eine rechtlich verbindliche Lehre oder Doktrin formulieren oder verwalten. Da es in den beiden letzteren Religionen eher um sozio-religi- öses Verhalten geht, müsste eher von einer „Orthopraxie“ die Rede sein. Damit stellt sich dann aber die Frage, ob Reis’ Modell von Zentrum und Peripherie hier überhaupt anwendbar ist. Es ist doch zu fragen, ob Max Webers Konzept der bürokratischen Führung auch auf die von ihm untersuchten Religionen Asiens nicht eher einem eurozentri- schen Verständnis von Religion entspricht. Auf jeden Fall dürfte es unzweifelhaft sein, dass afrikanische Religionen weder eine Orthodoxie noch ein Orthopraxie kennen und auch keine bürokratischen Führer. Da es kein Zentrum gibt, kann auch nicht von einer Peripherie die Rede sein. Religion als Institution ist ein Spiegel der sozialen Strukturen. Folglich geht es in

[26] „Jede Religion hat ein Zentrum und eine Peripherie. Im Zentrum befinden sich seine „bürokratischen“ Führer, um das Konzept von Weber zu benutzen, und die Doktrin, die Orthodoxie; an der Peripherie befin- den sich die Gläubigen, von denen eine große Anzahl sich auch an den Grenzen der Heterodoxie ansiedeln, indem sie Elemente aus anderen religiösen Einträgen [Institutionen] einschmuggeln, schließlich jene, die „frevlerisch“ ein Durcheinander herbeiführen.“ – 69 – afrikanischen Religionen nicht um richtigen Glauben, sondern um eine Suche nach Ordnung und Sicherheit, kurzum der Wunsch nach einem glücklichen Leben (Thomas/Luneau [1975] 2004: 65). Diese Feststellung erscheint uns wichtig, insofern es auch in afroamerikanischen Religionen und damit in Rastafari kein Zentrum, keine allgemein verbindliche Doktrin oder verbindliche Glaubenspraxis gibt. Das erklärt dann auch, warum es Rastas gibt, die sich der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo Kirche (amhar. የኢትዮጵያ ኦርቆዶክስ ተዋሕዶ ቤተክርስትያን, jäitjopja ortodoks täwahedo betäkrestjan) angeschlossen haben und von denen auch manche nicht glauben, dass Haile Selassie Gott ist. Afrikanische Religionen weisen also Strukturen und Besonderheiten auf, die sich dem eurozentrischen Verständnis von Religion und Theologie auf den ersten Blick entziehen. Ro- ger Bastide hat in einem Vortrag vor Afrikanisten in Dakar 1967 versucht, eine Definition der afrikanischen Religionen zu entwerfen und zwar in Gegenüberstellung zu denen des Wes- tens. Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Tatsache, dass afrikanische Kulturen „cultivent la transe, comme participation de l’homme au sacré, au monde des Morts, au monde des forces cosmiques, au monde des Dieux qui contrôlent or régissent ces forces cosmiques“ (Bastide 1968: 107). Es sind dieses alles Strukturen, die in den „Diaspora-Religionen“ afrikanischer Herkunft anzutreffen sind! Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die Globalisierung etwa der ÒrìÍà-Tra- dition der Yorùbá zu dem Phänomen geführt hat, dass man zwar in Afrika noch eine weitge- hend intakte orale Tradition hat, während die Diaspora-Afrikaner mehr und mehr dazu über- gehen, Mythen, Rituale, Gebete mit Print- oder anderen Medien zu „skriptualisieren“. Es kommt damit zu einer Dichotomie zwischen der Oralität Afrikas und der Skripturalität in der Diaspora (Olabiyi Babalola 2001: 14). Letzteres begünstigt die selektive Übernahme von Glaubensvorstellungen, sei es durch Gruppen oder für individuelle religiöse Lebensstile (ebd.: 16). Das wiederum wird Auswirkungen auf die afrikanische ÒrìÍà-Tradition haben (ebd.: 15).

7. Afrikanische Religionen als Gegenstand der Religionswissenschaft

Wenn heute in Arbeiten zur afrikanischen Diaspora von afrikanischen Retentionen — zum Begriff „Retention“ siehe Seite 42 — in kultureller und damit auch in religiöser Hinsicht die Rede ist, dann muss die Frage gestellt werden, warum diese von der Religionswissen- schaft in der Vergangenheit häufig negiert oder nur am Rande erwähnt wurden. Dabei gibt es eine Vielzahl von universalisierenden afroamerikanischen Religionen – vor allem jene im Erbe der Yorùbá-Religion –, deren Erforschung man jedoch Ethnologen, Anthropologen und Soziologen überlassen hat. Vergeblich sucht man in umfassenden religionswissenschaftlichen Darstellungen wie z. B. in der „Geschichte der religiösen Ideen“ von Mircea Eliade (1993) nach einer Darstellung von afroamerikanischen Religionen. Aber immerhin haben in der ab- schließenden Herausgabe zwei Beiträge über afrikanische Religionen Eingang gefunden (Witte 1993; Mbiti 1993). Bei Gustav Mensching [1937] 1949a und [1940] 1949b sind afri- – 70 – kanische Religionen offenbar kein Thema, während Helmuth von Glasenapp, ein anderer Vertreter der klassischen Religionswissenschaft, mit wenigen Zeilen die Afrikaner unter „Pri- mitive Stammesreligionen“ abhandelt.27 Wir wollen es bei diesen Beispielen bewenden lassen und darauf hinweisen, dass sich das Bild inzwischen gewandelt hat. In dem schon erwähnten „Bertelsmann Handbuch Religionen der Welt“ von Monika und Udo Tworuschka finden sich fachkundige Beiträge über die Religion der Yorùbá (Peter McKenzie), traditionelle Religio- nen Ostafrikas (Johannes Triebel) und Südafrikas (Theo Sundermeier).28 Ein ebenfalls fach- kundiger Beitrag von Anton Grabner-Haider über Afrika befindet sich in Grabner-Haider/ Prenner 2004. Erwähnung verdient auch das wohl wesentlich von Ioan Couliano zu verant- wortende „Handwörterbuch der Religionen“, das nach dem Tode Eliades erschien und in dem sowohl die afrikanischen als auch die afroamerikanischen Religionen angemessen dargestellt werden (Eliade / Couliano 2004: 31-45). Das sind nur einige wenige positive Beispiele. Offensichtlich sind jene Zeiten vorbei, in denen man, wenn man von afrikanischer Reli- gion sprach, dann nur über die Einordnung in ein typologisches Konstrukt mit Namen „Na- turreligion“, welcher dann die „Kulturreligion“ gegenübergestellt wird (Mensching 1962:76). Selbst wenn dann Ernst Dammann abschwächend darauf hinweist, dass auch Naturvölker eine Kultur haben, sich einer Fülle von Erfindungen bedienen und der Naturmensch zudem „in hohem Maße eine musische Befähigung (besitzt)“, aber noch keine Distanz zur Umwelt gewonnen hat (1963: 5), so wird hier schlichtweg verkannt, dass analytisches und logisches Denken ein allgemeines Gut aller Menschen sind. Es gibt jedoch einen Unterschied im Um- gang mit dem Wissen von der konkreten Welt, welches nach Claude Lévi-Strauss darin be- steht, dass der „Eingeborene“

„unablässig … die Fäden (verknüpft), unaufhörlich zieht er alle Aspekte des Realen zu- sammen, seien diese nun physischer, sozialer oder geistiger Art. Wir handeln mit unserer Idee; er dagegen hortet sie zu einem Schatz. Das wilde Denken setzt eine Philosophie der Endlichkeit in die Praxis um. (Lévi-Strauss 1994: 307)29

[27] Helmuth von Glasenapp [1957] 1960. Die nichtchristlichen Religionen (Das Fischer Lexikon, vol. 1), 151.-175. Tsd., Frankfurt am Main: Fischer Bücherei, p. 255. Der neue Herausgeber Günter Lanczkowski hat dann 1972 den afrikanischen Religionen einen eigenen Beitrag gewidmet und diesen an den Beginn ge- stellt (Die Geschichte der Religionen [Das Fischer Lexikon, vol. 1], Frankfurt am Main: Fischer Taschen- buch Verlag, pp. 8-12). [28] Es fällt auf, dass Johannes Triebel sich gegen den überholten Begriff „Stammesreligion” ausspricht („Tra- ditionelle Religionen Ostafrikas“, in: Bertelsmann Handbuch Religionen der Welt: Grundlagen, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart, 432), während Theo Sundermeier sich weiterhin des obsoleten Begriffs bedient („Traditionelle Religionen Südafrikas“, ebd.: 433-435). Zur Problematik von „Stammesreligion“ und „traditioneller Religion“ siehe weiter unten. [29] Das „wilde Denken“ meint bei Lévy-Strauss einerseits das Denken der schriftlosen Völker, andererseits jedoch ein Denken, welches „die Welt zugleich als synchronische und diachronische Totalität erfassen“ will, über den Aspekt der sinnlich wahrnehmbaren Qualitäten, und sich dabei der Hilfe von imagines mundi be- dient. Damit befindet es sich im Gegensatz zum „domestizierten Denken“, das über Analyse und abstrakte Konstruktionen zu einer kontinuierlichen Weltauffassung zu gelangen strebt (Lévy-Strauss 1994: 302-303. 310). Beides sind gleicherweise legitime Wege des Zugangs zur Welt. – 71 – a. Religionsphänomenologie und afrikanische Religionen

Von der Problematik der Religionsphänomenologie war bereits die Rede (siehe II.3.) Im Zusammenhang mit den afrikanischen Religionen müssen wir darauf noch einmal zurück- kommen. So muss es z.B. erstaunen, dass der bekannte Afrikanist Ernst Dammann noch Jah- re später in seinem Grundriss der Religionsgeschichte (1978) nicht zumindest eine Skizze z.B. der Religion der Ashanti oder der Yorùbá bzw. des Vodun/Vodu≈ von Benin (Dahomey) zeichnete. Unübersehbar ist hier – bei Durchsicht des Beitrages über die Naturreligionen – die phänomenologische Methode am Werke,30 die auf einem dezidiert eurozentrisch-philoso- phischen Hintergrund entwickelt wurde. Denn wenn es nach Richard Schaeffler zutreffen sollte, dass es in der Phänomenologie der Religion darum geht, ein „geeignetes Paradigma“ zu gewinnen, „um die ,Sinnlogik des rel.[igiösen] Aktes‘ und die ,Eidetik der rel.[igiösen] Gegenstände‘ auf eine Weise weiterzuentwickeln, die am empirisch vorfindlichen ,Sprachma- terial‘ überprüft werden kann ([1987] 1995: 547), dann ergibt sich u. E. nur schwerlich ein Zugang zu Religionen mit oralen Traditionen. Zudem dürfte in afrikanischen Religionen die Frage auf Unverständnis stoßen, „ob es eine Sinnlogik speziell rel.[igiöser] Akte und eine ei- gene Wesensgestalt derjenigen rel.[igiösen] Gegenstände gibt, die in diesen Akten originär zugänglich werden“ (Schaeffler [1987] 1995: 546). Das hier angesprochene Problem basiert auf der bekannten „Klassifizierung der realen oder idealen Dinge, die sich die Menschen vorstellen, in zwei Klassen, in zwei unterschied- liche Gattungen … profan und heilig“ (Durkheim 1981: 62). Diese Dissoziation oder Dicho- tomie von Leben und Religion – „un pur produit de l’école sociologique française“ (Borge- aud 1994: 415)31 – ist in der afrikanischen Religion – wie oben bereits festgestellt wurde – nicht gegeben. Wie der Rekurs bei Schaeffler (ebd.) auf Edmund Husserl und Immanuel Kant zeigt, ist die Religionsphänomenologie in ihrer alten Form eher im Sinne von Michel Fou- cault als ein manifester Diskurs zu verstehen: „schließlich und endlich nur die repressive Prä- senz dessen, was er nicht sagt“ (Foucault 1997a: 39). Dieses folgt aus der Tatsache, dass der phänomenologische Weg „dem beobachtenden Subjekt absolute Priorität einräumt, der einem Handeln eine grundlegende Rolle zuschreibt, der seinen eigenen Standpunkt an den Ursprung aller Historizität stellt – kurz, der zu einem transzendentalen Bewußtsein führt“ (Foucault 1997b:15). Dass die Voraussetzungen der akademischen Beschäftigung mit Religion/en einem be- stimmten Raum europäischer Philosophie und abendländischem Verständnis von Religion entstammen, hat Michael Cavanaugh (1982) überzeugend nachgewiesen. Schon zuvor hatte Wilfred Cantwell Smith im Zusammenhang mit der Entwicklung der Begrifflichkeit von Re- ligion von einem „process of reification“ gesprochen, insofern man ihr einen essentiellen

[30] Die Gliederung in „Erscheinungsformen“, „Mensch“ und „Umwelt“ hat beispielsweise ihr Vorbild bei Heiler 1961. [31] Phillipe Borgeaud (1994: 402) weist darauf hin, dass „l’opposition entre un domaine du sacré et un do- maine du profane“ bei Durkheim erstmals 1898 formuliert wird (Durkheim 1898: 39-40) – 72 –

Charakter zulegte, „with a final and inherent validity, a cosmic legitimacy“ (1963: 48). Es wäre daher kritisch zu fragen, wie Religionsphänomenologie wohl unter den Bedingungen Afrikas oder Asiens aussehen würde! Es überrascht eigentlich nicht, wenn Foucaults Kritik der europäischen Methodik von afrikanischen Denkern rezipiert wird (Outlaw 1998: 34f.). Damit ist jedoch der Aufgabenbereich der Religionsphänomenologie, nämlich die Beschäfti- gung mit religiösen Fakten und ihre Bearbeitung nach systematisch-vergleichenden Gesichts- punkten (Tworuschka 1982: 17) nicht aufgehoben. Es bedarf vielmehr einer neuen theoreti- schen Begründung. Ganz im Sinne von Foucaults abschließender Feststellung „Der Diskurs ist nicht das Le- ben“ (1997a: 301) kommt auch der Religionshistoriker und ehemalige Schüler Dammanns, Hans-Jürgen Greschat, in seiner programmatischen Schrift zur mündlichen Religionsfor- schung zu der Erkenntnis:

Das Thema der Religionswissenschaft ist also der religiöse Mensch, genauer, der religi- öse Mensch und seine Werke. Bislang hatten Religionswissenschaftler vor allem die Werke im Blick. … Dagegen ist mit ,Menschen‘ das gemeint, was die Sachen verschweigen und was nie- mandem auf der Stirn geschrieben steht: private Religion, persönliche Frömmigkeit, le- bendiger Glaube oder wie man es sonst noch nennen mag. (1994: 9)

Der Gedanke der Diskontinuität ist nach Foucault eines der grundlegenden Elemente der historischen Analyse: Diskontinuität ist nicht bei der Analyse zu umgehen, zu reduzieren und auszulöschen, sondern als ein operationeller Begriff zu integrieren (Foucault 1997a:17-18). Bei Greschat entspricht dem in etwa die Feststellung: „… religiöse Quellen unterliegen dem Wandel in der Religionsgeschichte und religionswissenschaftliche Interpretationen dem Wandel in der Wissenschaftsgeschichte“ (Greschat 1994:11). Als Korrektiv rechnet er folg- lich zum „Feld der Erkenntnisse“ die Begegnung mit dem Gläubigen, der neben neuen Zeug- nissen seine eigene Interpretation einbringen kann (ibid.:11-12). Damit ist gewährleistet, dass dem beobachtenden Subjekt keine Priorität zukommt.

b. Die Fragwürdigkeit des Begriffs „traditionelle Religion“

Die europäische Selbstüberschätzung verstand afrikanisches Denken als Animismus und magische Welteinstellung, wobei letztere im Kontext der Dichotomie Magie – Religion selbstredend pejorativ verstanden wurde. Wenn man heute dagegen weniger wertend von „traditioneller Religion“ redet (Greschat 1995:23), so kann auch diese Terminologie nicht befriedigen: Sie erweckt den Anschein, als ob afrikanische Religionen ihre „theologischen“ Vorstellungen und die jeweils dazugehörende Praxis hauptsächlich oder ausschließlich aus der Vergangenheit überliefert haben. Es gilt auch hier, was K. H. Jansen mit Blick auf die orale Literatur, welche als „traditionelle“ eingestuft wird, gesagt hat, dass diese nämlich kei- – 73 – neswegs als eine unveränderte Übernahme aus der „Tradition“ verstanden werden dürfte (Jansen 1981: 562). Ein Mensch ist zudem nicht als religiös anzusehen, wenn seine Religion nur „traditionell“ wäre (Smith 1968: 64).32 Dem Begriff der „traditionellen Religion“ liegt ein europäisches Konzept zu Grunde, welches willkürlich entscheidet, welche Religion als „moderne“ Erscheinung zu den „Weltre- ligionen“ gehört oder nicht. Die Revitalisierung von afrikanischer Religion insbesondere in den urbanen Zentren der beiden Amerikas beweist hinreichend, dass diese über Dynamik und Fähigkeit zum Wandel gerade in unserer modernen Welt verfügt. Aber schon in Westafrika selbst hatte es lange vor Auftreten der Europäer städtische Staatsbildungen gegeben: die Yorùbá-Staaten auf dem Gebiet des heutigen Nigeria und Benin (das alte Dahomey) beruhten auf der Entwicklung einer städtischen Zivilisation (Suret-Canale 1966:188). Die berühmte Stadt Ilé-Ifè, Zentrum des Divinationskultes Ifá, wo die heiligen Texte der Yorùbá entstanden sind, nämlich der aus mehreren Tausenden von Aphorismen, Gedichten und Rätseln beste- hende Odù (AbimboÙla 1976)33, war schon seit dem 12. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Macht und der Künste (Blier 1998: 79). Auch hatte die Religion der Yorùbá wie die an- derer Völker Afrikas vor der Zwangsdeportation von Sklaven nach Amerika bereits eine Ge- schichte des Wandels durch interreligiöse Begegnungen hinter sich. Dieses wird man hin- sichtlich der Entwicklung des Candomblé da Bahia in der Tradition der nação-Queto34 unbe- dingt zu berücksichtigen haben. Aber auch die Bantu der Angola-Kongo-Gruppe, die von den Portugiesen im Zeitraum vom 17. - 19. Jahrhundert in großer Zahl als Sklaven nach Brasilien verbracht wurden, kamen aus einst blühenden Königreichen. So hatte beispielsweise König Nzinga Nkuwu, der Mani- kongo, 1489 eine Gesandtschaft nach Lissabon geschickt, war unter dem Namen João I. zum Katholizismus übergetreten und hatte 1490 in seiner Hauptstadt Mbanza die erste Kirche er- richten lassen. Sein Nachfolger Afonso I. (regierte von 1509-1542/3) führte ein Programm der Christianisierung und Europäisierung durch, welches den Bestand der christlichen Bantu- Dynastie bis ins 18. Jahrhundert sichern sollte (Bertaux 1966: 135). Aus der Hauptstadt Mbanza wurde São Salvador und aus den Chefs der Clans Adlige nach portugiesischem Vor- bild. Aber dieser Herrscher war zur Lieferung von Elfenbein und Sklaven verpflichtet. Der bis dahin begrenzte Sklavenhandel wurde folglich kommerzialisiert und zu einem grenzenlo- sen Unternehmen entwickelt. Die Portugiesen übernahmen zudem keine Anstrengungen, das Projekt einer lusoafrikanischen Kultur im Kongo und in Angola nachhaltig zu unterstützen.

[32] Allerdings muß hinzugefügt werden, dass W. C. Smith dieses Urteil in einem etwas anderen Kontext fällt, nämlich in dem der Dichotomie von „modern culture“ und „traditional religion“, welche er für falsch hält: „[T]he concept “traditional religion” is a contradiction in terms“ (ebd.). [33] Siehe Anm. 5. [34] Ketu-Nation – 74 – c. Kimpa Vita als Beispiel interreligiöser Begegnung von Bantu-Religion und Christentum

Religionsgeschichtlich interessant im Zusammenhang mit den Bürgerkriegen im Kongo- reich des 17. Jahrhunderts ist das Auftreten der Kimpa Vita, mit Taufnamen Dona Beatriz (1684-1706), deren Anhänger als Sekte der Antonianer bezeichnet wurden. Sie stammte aus einer Aristokratenfamilie der Bakongo und hatte als junges Mädchen die Initation zu einer nganga (von „Wissen“, „Fähigkeit“) durchlaufen, was die Fähigkeiten in religiösen Angele- genheiten bezeichnete, insbesondere als Medium für die Kommunikation mit der anderen, unsichtbaren Welt. Kimpa Vita hatte als nganga marinda ein besonderes Amt inne, welches auf kollektive wie indivuelle Probleme ausgerichtet war. Als solche war sie mit einer Kimpa- si-Gesellschaft (Kikongo kimpasi bedeutet „Leiden“) liiert: Ngangas benötigte man, wenn die Gesellschaft durch die Tätigkeit von kindokis in ihrem Gleichgewicht gestört wurde. Das Kinkongowort kindoki bezeichnet „Macht“ und „Kraft“, aber auch gierige Menschen, die mit der Hilfe der anderen Welt sich nehmen, was sie wollen und ihre Opfer mit Flüchen Schaden zufügen. Die Initiation in die geheime Kimpasi-Gesellschaft war mit tiefer Trance und einem ka- tatonischen Zustand verbunden, den das Volk für den Todeszustand ansehen konnte. Danach erhielten die Initianten eine sorgfältige Behandlung: „But as they revived they were aware that they were no longer the same people“ (Thornton 1998: 57). Die erlebte Trance war gleichbedeutend mit der Inkorporation eines nkita (= nkisi, vgl. Seite 61), mit dem das Medi- um nunmehr ein Leben lang verbunden bleiben sollte. Das erinnert an die Inkorporation (pos- sesão) im Candomblé! Was aber ist ein nkita? Es handelt sich um einen Geist (spirit), der ei- nerseits zur Gruppe der Naturgeister, andererseits auch zur Gruppe der menschlichen Geister, d.h. der Verstorbenen gehören kann. Es ist nicht erstaunlich, dass Dona Betriz nach ihrer Taufe bald regelmäßig vom Hl. Antonius, der sich schon damals in Portugal und den Über- seekolonien großer Beliebtheit erfreute,35 in der Trance in Besitz genommen wurde. Er trete in ihren Kopf ein, um mit ihrer Stimme zum Volk zu sprechen. Wenn dann noch die Rede da- von ist, dass sie an jedem Freitag sterbe und in den Himmel gehe (Thornton 1998: 166), um an jedem Montag wieder ins Leben zurückzukehren, dann erinnert das an die nkita- Inkorporation. Die Botschaften handelten, wie später bei Jeanne d’Arc, von der Wiedervereinigung des Kongoreichs. Es ging also um das Wohlergehen der Gemeinschaft, schon die Riten der Kim- pasi dienten ja dem Wohlergehen der Gemeinschaft und der Abwehr von Schaden und Un- glück — gemäß dem „fortune-misfortune-complex“ von Craemer/Vansina/Fox 1976 (siehe Seite 154). Auch andere Mitglieder ihrer Bewegung berichteten von der Inbesitznahme durch Heilige.

[35] Santo António de Lisboa, inzwischen auch Doctor evangelicus, wurde 1195 in der Alfama geboren und starb 1231 in Padua. Er gilt dennoch als Schutzpatron Lissabons sowie als Beschützer der Liebenden und Eheleute und auch als Helfer der Armen und Vergesslichen. Der Vorabend vor dem Stadtfest am 13. Juni mit seinen Umzügen und Ausgelassenheiten gleicht einem Karneval. – 75 –

Bedrohlich wurde ihr Auftreten jedoch, als sie lehrte, dass der Kongo das Heilige Land sei, der Hl. Antonius gleich nach Gott käme und Jesus, Maria und einige Heilige Afrikaner seien, im Kongo geboren und aufgewachsen. Auf Betreiben der Kapuchiner wurde sie am 2. Juli 1706 als Hexe und Häretikerin verbrannt. Doch die Bewegung der Antonianer überlebte ihren Tod! Anhänger von Dona Beatriz wurden 1709 im Verlauf der kriegerischen Auseinan- dersetzungen gefangen genommen, versklavt und nach Brasilien verschifft. Auch noch Jahre danach wurden Tausende von getauften Kongolesen, darunter viele Antonianer, als Sklaven nach Brasilien und in die Karibik gebracht — insobesondere auch nach Jamaika — und nach Nordamerika (ebd.: 203-214; vgl. Cossard-Binon 1976: 164; Souza 2001: 13-14; Sweet 2003: 2005). Religionsgeschichtlich bedeutsam ist, dass Sklaven in großer Zahl nicht nur ihre Kul- tur, sondern vor allem auch ihren katholischen Glauben in die Neue Welt brachten! Dona Beatriz war sicherlich keine Hexe oder Häretikerin, sondern das Opfer einer inter- religiöser Begegnung von der Art, die Wyatt MacGaffey zutreffend als „dialogues of the deaf“ (bed.: 1994) bezeichnet hat: Die christlichen Mönche hielten die konvertierten Kongo- lesen für Christen, während letztere den christliche Gott mit nzambi a mpungu, dem Schöpfer aller Dinge, und die katholischen Heiligen mit den Ahnen und Geistern gleichsetzten. Christ- liche Symbole wurden als Repräsentationen der eigenen Gottheiten angesehen und verehrt. Der christliche Glaube wurde zu einem parallelen System des Glaubens, das das kongolesi- sche Weltbild ergänzte. Wir haben hier ein frühes und durch die Berichte der Missionare zu- dem gut dokumentiertes Beispiel für das Phänomen der Bi-Religiosität, d. h. dem Nebenein- ander von zwei Religionen (Sweet 2003: 113-115). Dort, wo es Kompatibilitäten zwischen beiden Traditionen gab, konnten die Bakongo eine Reinterpretation christlicher Elemente im Kontext der eigenen Religion vornehmen (Souza 2001: 12). Auf Seiten der Afrikaner handel- te es sich also nicht primär, wie häufig angenommen, um eine Camouflage, um unter dem Deckmantel des Christentums ihren eigenen Glauben leben zu können. Erst im kolonialen Kontext zwingen Kirche und weltliche Macht zu einem solchen Verhalten! Als die Portugiesen 1620 das Reich des Ngola (dieser Titel gab dem Land den Namen Angola) Mbande besetzten, verdrängte 1623 seine Schwester Nzinga (1582-1663) ihren Bru- der vom Thron, machte sich zur Königin und führte nahezu 30 Jahre lang erfolgreich Krieg mit den Portugiesen. Sie organisierte die erste nationale Bewegung in diesem Teil Afrikas und sie ist die „Rainha Jinga („Königin Jinga“)“, deren Name an herausragender Stelle in den „congos e congados do Brasil“ (Souza 2005)36 genannt wird. Seit dem brasilianischen Bun- desgesetz von 2003 ist sie auch afrobrasilianische Heroin und wird zu einer wichtigen Gestalt der afrikanischen und afrobrasilianischen Kultur und Geschichte im Erziehungswesen. Ebenfalls angolanischer Herkunft ist Zumbi dos Palmares (1655-1695), Krieger und Na- tionalsymbol, der den Quilombo dos Palmares37 als letzter Führer der nach Freiheit streben-

[36] Die Begriffe leiten sich ab vom Wort Congo und beziehen sich auf die „Festas dos reis negros“ („Feste der schwarzen Könige“), die in Pernambuco und Minas Gerais mit Festumzügen und Tänzen an das König- reich Kongo erinnern. [37] Der „Quilombo der Palmen“ (zu quilombo siehe Seite 108) war die größte Maroons-Festung in Brasilien, – 76 – den Sklaven verteidigte. Aber im Gegensatz zu Cudjoe, dem erfolgreichen Führer der Ma- roons in Jamaika (siehe Kapitel IV.2.a.), sollte er durch Verrat sterben. Man gedenkt heute seiner am 20. November, dem „Dia da Consciência Negra“ („Tag des schwarzen Bewusst- seins“).

d. Der religiöse Pluralismus der Akan-Völker

Nicht nur die Yorùbá oder Bantu hatten sich in Richtung auf eine städtische Zivilisation hin entwickelt, sondern auch die Akan-sprachigen Völker im heutigen Ghana (die alte „Gold- küste“), von wo mehr als zwei Drittel der afrikanischen Sklaven Jamaikas kamen (Patterson 1970: 293). Das gilt auch dann, wenn diese nicht über so eine lange Geschichte wie die der Yorùbá zurückblicken können und erst unter dem Ashanti-Herrscher Osei Tutu (1695 bis 1731) zur Vormacht in der Region aufstiegen. Aber auch im Staatenbund der Akan war, wie in den Yorubá-Staaten, der religiöse Pluralismus eine Grundstruktur des Lebens (Meyerowitz 1951:122)38. Dies beruhte nicht zuletzt darauf, dass die Akan des heutigen Ghana im Zuge ih- rer Expansion kulturelle Elemente der im Waldgürtel Westafrikas lebenden Völker, die in ihre Gemeinschaft eingegliedert wurden, übernahmen (Ilife 1997:108). Philip F. W. Bartle (1978: 80) spricht hinsichtlich ihrer Religion von einer Übernahme der Götter der Guan, in deren Gebiet die Vorfahren der Akan im 12. oder 13. Jahrhundert einwanderten (Osae, Nwa- bara and Odunsi 1973:114).

e. Die „Stammesreligion“ als ein europäisches Konstrukt

Der oben angeführte Begriff der nação („Nation“) geht auf das Bestreben der europäi- schen Sklavenhalter zurück, nach Möglichkeit die Sklaven unterschiedlichen Ethnien zuzu- ordnen – in dem Bestreben, eine Solidarität unter allen deportierten Afrikanern zu vereiteln. In Afrika selbst verfolgten die Kolonialmächte das Ziel, bestehende Identitäten zu betonen, bis hin zur Erfindung von „Stämmen“.

Die Afrikaner der Vorkolonialzeit hatten verschiedene soziale Identitäten. Sie gehörten einer Abstammungsgruppe an, einem Clan, einem Dorf, einer Stadt, einem Häuptlings- tum, einer Sprachengruppe, einem Staat beziehungsweise einer Kombination dieser Ele- mente, wobei die jeweils relevante Identität situationsabhängig war. Die Identitäten gin-

die um 1600 in der Serra da Barriga (Nordosten Brasiliens) entstand und gewissermaßen als eine eigene Republik bis 1692 bestand, mit mehr als 200 Gebäuden, Rathaus und Kirche umfasste, in der etwa 30.000 entflohene Sklaven und in Freiheit geborene Afrikaner lebten. [38] Siehe Meyerowitz (ebd.): „Every state of the Akan has its national deity, a state god, who is responsible for the health and wealth of the state and who is often the spirit of a local river or stream, but sometimes the god of a river the people worshipped in their former home.“ – 77 –

gen ineinander über, denn Menschen derselben Sprache konnten verschiedenen Stämmen angehören, während ein Stamm häufig Angehörige verschiedener Sprache umfaßte. (Ilif- fe 1997: 311)

An der Schaffung von Identitäten waren auch die Missionare beteiligt und auf diese Wei- se entstanden die „Stämme“ der Yorùbá, Igbo, Ewe, Shona und anderer mehr (ibid.), weshalb auch der Begriff der „Stammesreligion“ aufgrund heutiger Forschungslage der Ideologie des Kolonialismus zugeordnet werden muss. Im Interesse einer effektiven Verwaltung schufen die britischen Kolonialbeamten die „Stämme“, „deren als ,traditionell‘ definierte Autoritäten im Rahmen der ,indirekten Herrschaft‘ die von der Kolonialmacht zugewiesenen Aufgaben ausführen mussten“ (Kreile 1997:14, vgl. Young 2004: 10).39 Zutreffend weist R. Kreile dar- auf hin, dass im vorkolonialen Afrika die Hauptbetonung nicht auf der ethnischen Identität lag und die großen Staaten Afrikas im 19. Jahrhundert alle multiethnisch waren (ibid.: 13). So waren die Menschen in ihrer Gruppenbildung einem ständigen Wandel und wechselndem Selbstverständnis unterworfen, was mit dem statischen Begriff Stamm nicht beschrieben wer- den kann (Harding 1999: 136-137). Bereits 1968 hat der Ethnologe Ajato Amos empfohlen, das Stammeskonzept aufzugeben (Amato 1968: 44). Es ist höchste Zeit, dass die Religionswissenschaft von Begriffen wie „Stammesreligion“ oder „traditionelle Religion“ Abschied nimmt! Es ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass wir uns mit diesen Begriffen auf dem Boden erfundener Traditionsbildung bewegen (Ranger 1983: 252-253). Es ist daher auch nicht mehr einzusehen, warum z. B. Hermann Schulz auf die Problematik des Begriffes „Stamm“ hinweist (1993: 12-13), um dann sein Werk doch wieder unter der Bezeichnung „Stammesreligionen“ zu veröffentlichen.40 Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass in der Forschung niemand auf den Gedanken kommt, den Shintoµ als japanische „Stammesreligion“ zu bezeichnen. Stattdessen wird zutreffend von „au- tochthonen Glaubensvorstellungen“ gesprochen (Kreiner [1987] 1995: 607). Es ist u. E. höchste Zeit, mit Blick auf Afrika von „afrikanischen Religionen“ zu spre- chen und sie als Teil der allgemeinen Religionsgeschichte anzusehen. Es war Papst Johannes Paul II., der sich 1993 in Ouidah mit den Vertretern der Voodoo-Religion traf.41 Und was vielleicht wenig bekannt ist, dass nämlich am 24. Januar 2002, anläßlich des „Gebetstags für den Weltfrieden“, auch Amadou Gasseto, der Oberpriester der Avélékété Vodoun-Gemein- schaft Benins in Assisi zugegen war.42 Aber auch das Christentum und der Islam sind in ei-

[39] In Indien führten die Briten ebenfalls den Begriff „Stamm“ ein, hier jedoch zur Unterscheidung von den Kastenhindus (Böck/Rao 1995:123). Tragische Ausmaße nahm die von der belgischen Kolonialmacht in Ru- anda eingeführte ethnische Scheidung in Tutsi und Hutu an, die 1994 bekanntlich zum Mord an 800.000 Tutsi führte. [40] Bei dem Umschlagbild dürfte es sich nicht um einen „Oro-Kopfaufsatz“ der Oro-Gesellschaft der Yorùbá handeln, sondern um einen Janus-Kopfschmuck der Ijebu-Yorùbá (Drewal 1989:145). [41] Siehe N. Adu Kwabena-Essem, „The Pope’s apology to Africans“ ( [Zugriff vom 12.01.2007]). [42] Siehe „Stellungnahme der Vertreter der Religionen“, Assisi 24. Januar 2002 (, Zugriff – 78 – nem bestimmten Maße von afrikanischer Religiosität beeinflusst worden. Eliade und Coulia- no sprechen zu Beginn ihrer Darstellung afrikanischer Religionen von einem „afro-islami- schen Synkretismus“ sowie von einem afrikanischen Christentum in Gestalt der Donatisten und christlichen Berber (Eliade / Couliano 2004: 32).

8. Ergebnis

Bezüglich der afrikanischen und afroamerikanischen Religionen stellt sich im Gegenüber zu den Weltreligionen (so wie bislang der Begriff „Weltreligion“ im allgemeine Sprachge- brauch angewandt wird) ein Methodenproblem, mit dem auch die Synkretismusproblematik engstens verbunden ist. Es ist eine zutiefst eurozentrische Sicht, die ersteren Religionen als „traditionelle“ oder „Stammesreligionen“ zu bezeichnen. Afrikanische und afroamerikanische Religionen unterscheiden sich durch drei grundle- gende Strukturen von den Weltreligionen:

(1) Sie kennen keine kanonische Ausgabe heiliger Schriften, sondern basieren auf Ora- lität. Tradition ist insofern grundsätzlich offen für Innovation. (2) Von entscheidender Bedeutung ist die individuelle religiöse Erfahrung oder Inkorpo- ration des Göttlichen, die mit der Solidarität der Gemeinschaft verknüpft wird. Hier ergeben sich eher Gemeinsamkeiten mit den mystischen Traditionen in den Weltreligionen. (3) Afrikanische und afroamerikanische Traditionen kennen keine Orthodoxie im Sinne von Rechtgläubigkeit oder eine allgemein verbindliche Orthopraxie im Sinne richtigen Tuns.

Polykulturalismus und die damit verbundene Vielfalt von Wirklichkeiten in der Alltags- welt sind die Konstituenten einer dynamischen Welt interkultureller und interreligiöser Be- gegnungen, die wir bereits für Afrika selbst und dann für die beiden Amerikas voraussetzen müssen. Das Akkulturationsmodell ist zur Interpretation nicht geeignet. Das gilt auch vom Begriff Synkretismus, der auf einem Normendogma basiert: Der christlichen Religion wird als Kriterium der Wertung religiöser Entwicklung im Kontext der interreligiösen Begegnung ein normativer Charakter beigelegt. Neureligionen dürfen jedoch nicht aus eurozentrischer Sicht interpretiert und gewertet werden.

vom 09.01.2007). Vergleicht man den deutschen Vatikantext mit der englischen Version von „afrika- world.net“, die in Benin verbreitet wurde, wird durch die vatikanische Sprachregelung deutlich, dass es doch erhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich des Verständnisses afrikanischer Religion gibt: Aus dem „leader of the traditional Voodoo religion“ wird ein „Verantwortlicher der Naturreligion Vodun“ und aus dem Respekt gegenüber den „spirits of the dead“ werden die „»Manen« unserer Vorfahren“ („Voodoo perspective of “Pe- ace”: PEACE: God’s gift and human responsibility“ by Chief Amadou Gasseto [ (Zugriff vom 09.01.2007)]) – 79 – III. Zum derzeitigen Forschungsstand von Rastafari und Candomblé

Es bedurfte zunächst der Entdeckung von „Afrikanizität“ als Eigenwert in kultureller und damit auch in religiöser Hinsicht, um afrikanische Retentionen (siehe Seite 41) oder „Survi- vals“ in der afrikanischen Diaspora Amerikas verstehen zu können. Zu Beginn dieses Jahr- hunderts tauchte in den USA die Frage nach den Afrikanismen in Kultur und Religion auf. Aber während afroamerikanische Gelehrte wie William Edward Burghardt Du Bois (1868-1963) oder Edward Franklin Frazier (1894-1962) eher dazu neigten, einen Mangel an signifikanten Elementen afrikanischer Herkunft anzunehmen, suchte der weiße Anthropologe Melville Jean Herskovits1 in seinem berühmten Buch „The Myth of the Negro Past“ (Hersko- vits [1941] 1963) mit Nachdruck das Vorhandensein eben solcher „Survivals“ unter den Nachkommen der Sklaven Amerikas herauszuarbeiten. Unter „survival“ hatte Herskovits ei- nen „index of tenacity“ verstanden, der generelle Orientierungen in den Ursprungskulturen enthüllt, ohne die diese nicht richtig verstanden werden kann. Das betrifft nach seiner Ansicht den Platz von Religion in afrikanischen Kulturen (Herskovits 1945: 7). In „The Myth of the Negro Past“ sind unter „survivals“ nun konkret Afrikanismen im Bereich der Religion, des Rituals und Brauchtums zu verstehen (siehe auch Seite 39). Die Kontroverse zwischen dem Anthropologen Herskovits und schwarzen Soziologen Frazier, der die Ansicht vertrat, dass die Sklaven in den Vereinigten Staaten ihr soziales Erbe verloren hätten (Frazier 1963), be- herrschte für einige Jahre die Diskussion. Herskovits gründete seine Forschungen nicht nur auf Untersuchungen in den USA, son- dern auch auf Feldforschungen in Dahomey selbst (Herskovits 1932, [1938] 1967; Hersko- vits/Herskovits 1933), in Haiti (Herskovits [1937] 1964) und auf Trinidad (Herskovits [1947] 1976). Im Jahre 1945 (vgl. ebd.) veröffentlichte er seinen Beitrag über die Methodologie im Bereich afroamerikanischer Studien, in der er u.a. auch seine grundlegende These vom „cul- tural focus“ begründet:

The role of cultural focus is of such great importance in situations of cultural contact that a further hypothesis may be advanced to the effect that more elements which lie in the area of focus of a receiving culture will be retained than those appertaining to other aspects of the culture, acceptance being greater in those phases of culture further removed from the focal area“. (ibid.: 21)

Afrikanismen spielen im religiösen Verhalten eine herausragende Rolle, wegen der „fo- cal concerns of Africans with the supernatural“ (ebd.:15). Zwangsläufig geht Herskovits des- halb auch der Intensität von Afrikanismen im Bereich von Religion und Magie in Brasilien und Jamaica nach. Dabei kommt er zu einer Klassifikation seiner Daten, wonach insbesonde-

[1] Zur wissenschaftshistorischen Einordnung des Forschers Herskovits und seines Werkes siehe Frank 2001. – 80 – re für Bahia ein hoher Grad an afrikanischen Retentionen festzustellen ist, der dann in Jamai- ka nicht so stark ist, sieht man einmal von den Maroons ab. Dagegen sind Folklore und Mu- sik wieder in nahezu gleicher Weise sehr stark afrikanisch (Herskovits 1945:14; vgl. Hers- kovits [1948] 1966: 615). Kritisch wird man anmerken müssen, dass die Fokussierung auf das „Übernatürliche“ das Vorhandensein der „tradition matérialiste“ (Bidima 1995: 52-54) im „African way of life“ negiert. Auch die Grundannahme der Forschungen Herskovits’, nämlich die These von einer westafrikanischen kulturellen Homogenität, dürfte heute als widerlegt gelten (Holloway 1991: x). Ebenso dürfte der Rekurs auf ein örtlich und zeitlich distantes Afrika problema- tisch sein (Rossbach 2000: 182), insofern auch keine unilineare kulturelle Kontinuität zwi- schen der afrikanischen Diaspora in Amerika und Afrika selbst besteht. Es empfiehlt sich, mit Lioba Rossbach de Olmos die Forschungen von Herskovits über Synkretismus, Retentionen und Reinterpretationen als Teile seines Akkulturationsmodells anzusehen (Rossbach 2000: 17). Dieses haben wir jedoch als homöostatisch charakterisiert.3 Es ist durchaus symptoma- tisch für Herskovits, dass er beispielsweise die Bemühungen von Pierre Verger, Kontakte zwischen den Orixá-Anhängern Brasiliens und ihren Vorfahren in Nigeria und Dahomey herzustellen, heftig kritisierte: „Terrible man“, he said to me [Beier/Soyinka 1997], „he is de- stroying laboratoray condition.“4 Dabei ist gerade die Yorùbá-Religion weit davon entfernt, ein statisches Religionssystem zu sein, das unter Laborbedingungen erforscht werden könnte! Hinsichtlich der afrikanischen Survivals wird man folglich fragen müssen, ob es sich nicht eher um neue kulturelle Schöpfungen handelt — im Kontext afrikanischer Modelle. In einem Brief an Alfred Métraux vom 1. Oktober 1960 hat Pierre Verger den Zorn des Ehepaares Herskovits dahingehend erklärt, dass sie den Phänomenen der Inkulturation und Akkulturation nachgehen wollten, während er, Verger, mit seinen Tätigkeiten neue Fakten schuf (Capone 1998: 147). Zutreffend stellt Stefania Capone fest, dass es Herskovits um die Untersuchung des sozialen und kulturellen Wandels ging, während Verger danach strebte, „à récréer la ,tradition‘“ (ebd.). Trotz aller Kritik an Herskovits bleibt jedoch die Tatsache bestehen, dass gerade viele re- ligiöse Phänomene in der afrikanischen Diaspora ohne Rekurs auf Afrika nicht zu verstehen sind. So verweisen z. B. Trommeln, Tanz und „spirit possession“ oder „possessão“ in den Revival-Kirchen Jamaikas (Seaga [1969] 1982) oder den Terreiros des Candomblé unver- kennbar auf Afrika als ihren Ursprung. Insofern wird man gut tun, nicht alle Forschungs- ergebnisse von Herskovits und Schülern in Frage zu stellen und wird Sidney Mintz zu-

[2] Auf den Seiten 152 und 153 sind Kultgegenstände der Santería in Deutschand abgebildet. [3] Siehe Seite 42. [4] Ähnlich äußerte sich Herskovits auch über die künstlerische Arbeit der Yorùbá-Priesterin Susanne Wenger alias Iwinfumike Adunni (oder: Adunni Olorisha, 1915-2009) im Osun-Hain in Osogbo (Osun State, Nige- ria): „This is terrible, she is destroying laboratory conditions“ (Wenger 1990: 34, vgl. 19). Zu einer Würdi- gung der Arbeit von Wenger siehe Olabuju 2002; der heilige Hain wurde 2005 von der UNESCO in die Lis- te des Weltkulturerbe aufgenommen. – 81 – stimmen müssen:

Perhaps the special significance of the Herskovits’ position in this instance is its implicit claim that a feature of culture can be identified as African even after it has been much modified. (Mintz 1962: 49)

Die aus dieser Forschungsrichtung hervorgegangene Literatur ist inzwischen von einem Umfang, der bereits wieder zu einer Spezialisierung auf Seiten des Forschenden zwingt. Hier sei nur auf die bereits als klassisch zu bezeichnenden Forschungen des schon erwähnten Fer- nando Ortiz für die afrokubanische Kultur und Religion (Ortiz [1940] 2002) hingewiesen, der den Begriff der „Transculturación“ (siehe I.10.) geprägt hat und zum Begründer der latein- amerikanischen Ethnographie und spanischsprachigen Afroamerikanistik wurde,5 des Ethno- logen Alfred Métraux (1902-1963) für den haitianischen Vaudou (Métraux 1958), welchem die einfühlsame Arbeit der Filmemacherin Maya Deren (1917-1961) vorausging (Deren 1953). Ihr kommt das Verdienst zu, als erste nachdrücklich auf die Verbindung von indiani- schen und „afrikanischen“ Elementen im Vaudou hingewiesen zu haben (ebd.: 79-88. 299-316). Aber schon in den 20er Jahren hatte sich die Anthropologin Zora Neale Hurston (1891-1960) in den Voodoo New Orleans einweihen lassen und aus intimer Kenntnis heraus darüber berichtet (Hurston 1931). Das seit den 1950er und wieder 1960er Jahren zu beobachtende Interesse an afroame- rikanischen Studien hat wesentlich auch mit dem neuen Selbstbewusstsein der Afroamerika- ner zu tun. Die Entkolonialiserung in der Karibik, der Kampf der African Americans um ihre Zivilrechte in den 1970er Jahren in den USA sowie die Erkenntnis, dass Religionsfreiheit auch für afroamerikanische Religionen zu gelten habe, ermöglichten die Akzeptanz des Über- lebens afrikanischer Kultur in beiden Amerikas. Umfangreiche Forschungen insbesondere in den USA haben sich seitdem auch mit dem Einfluss der Afrikaner auf die weiße kreolische Gesellschaft beschäftigt, was für Brasilien der Soziologe Gilberto Freyre (1900-1987) bereits in den 1930er Jahren nachgewiesen hat (Freyre 1933). Die Erklärung von afrikanischen kul- turellen Retentionen verlangt also nach einem komplexen Paradigma, wie es richtungswei- send John Philips formuliert hat:

The formula „African culture plus imperfect adoption of European norms equals African- American culture“ is inadequate. The consequences of culture transmission along nonbio- logical roads also needs to be thought out. In conditions of culture contact in the New World, common aspects of European and African Culture tend to reinforce each other. Previously, when the same cultural traits survived among both blacks and whites, they considered to be European cultural survivals among whites but African cultural survivals

[5] Zur Entwicklung des ortizianischen Denkens siehe Thomas Bremer 1993. An dieser Stelle soll auch seine Schwägerin, Lydia Cabrera (1899-1991), erwähnt werden, die mit ihrem Werk „El Monte“ (Cabrera [1954] 2003) ein viel gelesenes Grundlagenwerk zur afro-kubanischen Ethnographie schuf. – 82 –

among blacks. It would be better to consider a dual origin for these cultural traits in both cases“. (Philips 1991)

Für den weiteren Verlauf der Arbeit wollen wir deshalb unterscheiden 1. zwischen afri- kanisch, wenn das Adjektiv sich auf den Kontinent Afrika bezieht oder Phänomene bezeich- net, die im Transit von Afrika in die Black Diaspora gelangt sind, und 2. neoafrikanisch, wenn Phänomene auf Afrika als Ursprung verweisen, andererseits aber im Rahmen der Kreo- lisierung modifiziert worden sind. Da unser Interesse nicht der Erforschung von afroamerikanischen Religionsformen in Nordamerika gilt, sei an dieser Stelle auf den Überblick bei M. W. Harris (1994) hingewiesen sowie auf die „Encyclopedia of African American Religions“ (Murphy/Melton/Ward 1993). Allerdings verdient die aus ihrer Mitte stammende afrozentrische Forschung unbedingt Be- achtung, insofern sie sich als Gegenentwurf zur eurozentrischen oder euroamerikanischen Forschung versteht. Ihr Hauptvertreter ist Molefi Kete Asante (1987, 1990), der sich selbst als „Diopian“ betrachtet (1987: vii, 1990: v) und sich damit in die Tradition von Cheikh A. Diop stellt. Asante fordert einen Wandel hinsichtlich der Epistemologie als auch der Metho- dologie:

The Afrocentric enterprise is framed by cosmological, epistemological, axiological, and aesthetic issues. In this regard the Afrocentric method pursues a world voice distinctly African-centered in relationship to external phenomena“. (1990: 8)6

Shawn Kelly hat Asante kritisiert und vorgeworfen, dass er dem zu Recht kritisierten Eu- rozentrismus seinerseits eine Metatheorie entgegenstelle, auf deren Grundlage wiederum nur ein afrozentrischer Gelehrter Afrika verstehen könne (1995: 234). Wie dem auch sei, Tatsa- che ist, dass „Black History“ – Sklaverei und Kolonialismus sind in weiten Teilen der Ameri- kas noch keineswegs vergessen! – und „Black Experience“ in einer rassistischen Umwelt den Zurückzug in die von Asante (1990) geforderte „Africalogy“ begünstigen. In gewisser Weise steht diese Entwicklung im Erbe des jamaikanischen Politikers und Visionärs Marcus Garvey (1887-1940), der für die Entstehung des Rastafarianismus von großer Bedeutung sein sollte. Damit gelangen wir zu den Forschungen über Rastafari. Die ersten Forschungen wurden von George Eaton Simpson (1904-1998), einem Schüler Herskovits’, in den frühen 50er Jah- ren unternommen (1955a, 1955b, 1955c) und von einer wertvollen Studie über den Reviva- lism ergänzt (1956). Einen persönlichen Bericht über seine damaligen Erfahrungen hat der auch durch andere afroamerikanische Forschungen bekannte Autor jüngst veröffentlicht, wel- cher einen Einblick in die Marginalisierung der ersten Rastas in Jamaika vermittelt (Simpson 1998).

[6] Zum Programm der „Afrocentricity“ siehe auch Molefi Kete Asante, „Afrocentricity“, (Zugriff vom 23.12.2008). – 83 –

Vor einer Diskriminierung wurde Rastafari dadurch bewahrt, dass einige Rastafarier sich an die Sozialwissenschaftler des „Institute of Social and Economic Research“ an der Univer- sity of the West Indies, Kingston, mit der Bitte um eine eingehende Untersuchung der Bewe- gung wandten. Die Wissenschaftler (Smith, Augier, Nettleford [1960] 1988) sind nicht der Versuchung erlegen, dem Trend folgend der Diskriminierung und Kriminalisierung der Ras- tas das Wort zu reden. Sie haben vielmehr die historischen, politischen und psychosozialen Gründe, die bei der Entstehung der Bewegung eine Rolle spielten, bei Namen genannt. Die Autoren haben eine Darstellung vorgelegt, die im Rahmen von Bibel, Garveyismus, Äthio- pismus und sozialen Lebensbedingungen Rastafari zu deuten versucht. Die Mängel des Be- richts ergeben sich jedoch aus einem viel zu kurzem Zeitraum der Forschung: Nach dem Brief des Institutsleiters an den damaligen Premier Norman Washington Manley vom 20. Juli 1960 umfasste dieser nur 14 Tage!7 Zehn Jahre später unternahm Rex Nettleford mit seiner Publikation „Mirror Mirror“ den Versuch einer intellektuellen Interpretation der Bewegung (Nettleford [1970] 2001). Die Universitätsstudie konnte letztlich in der postkolonialen Gesellschaft Jamaikas keine Sympathie für die Rastas erwecken: Am „Holy Thursday“ (Gründonnerstag) 1963 kam es in Coral Gardens (zehn Meilen von entfernt) zu einem Massaker, das eine po- gromähnliche Welle der Verfolgung auslöste (Nettleford ebd.: 79-81; William 2005: 124. 131. 302. Die Rastas haben ihr Schicksal mit der Kreuzigung Christi verglichen (William ebd: 302). Erst die im Gefolge der militanten Rastafari-Jugendkultur in den späten 1960er und 1970er Jahren sich entwickelnde „Culture of Dread“, die zusammen mit der Black- Power-Bewegung politischen Druck auf die Gesellschaft ausübte (Hill 2007), sollte zu einer veränderten Einstellung gegenüber den Rastas führen. Das Gedankengut von Rastafari und die Musik des Reggae gingen in alle Welt. Die Fülle der in der ganzen Welt von Rastas oder Rasta-Forschern veröffentlichten Literatur ist von so großem Umfang, dass schon 1990 eine umfangreiche Bibliographie (Mulvaney 1990) er- schien. Heute dürfte diese neue Religion in hervorragendem Maße und Umfang erforscht sein. Aus der großen Anzahl rezenter Publikationen, die den derzeitigen Forschungsstand wi- derspiegeln, seien nur angeführt die Arbeiten des jamaikanischen Anthropologen und Sozio- logen Barry Chevannes (1994, 1995), die interpretativ-soziologische Arbeit von J. A. Johnson-Hill 1995 und der „Reader“ von Murrell/Spencer/McFarlane 1998. Die Forschungen über den Candomblé8 begannen mit (Raimundo) Nina Rodrigues (1862-1906) (Rodrigues [1932] 1988, 1935), der zwar unverhohlen Sympathie für die Can- domblés von Bahia hegte, aber dennoch als Rassist und Anhänger eines missverstandenen Evolutionsdenkens – dieses bestimmt ja bis heute noch sehr stark das allgemeine Denken Brasiliens – gilt (Cavalcanti 1986: 86). Mit Artur Ramos (1903-1949) (Ramos [1934] 1988) wurde der Blick auf die Religiosität der Afrikaner in Begriffen der Kultur gerichtet (Gonçal-

[7] Siehe (zugriff vom 22.06.2008). [8] Ein Überblick zur Forschungsgeschichte findet sich bei Reuter 2000: 171-296 und Cuche 1996. – 84 – ves da Silva 1993:38). Wie schon Rodrigues konzentrierte er sein Interesse auf die damals berühmteste Candomblé-Gruppe Bahias, nämlich den Terreiro de Gantois. Auch Édison Car- neiro (1912 - 1972) (Carneiro [1948] 1967) fühlte sich im besonderen Maße zu den Candom- blés da Bahia hingezogen, war er doch überzeugt von der „hegemonia da religião dos nagôs“: „O candomblé da Bahia, sem dúvida o de maior esplendor de todo o Brasil…“9 (ibid.:19). Mit Roger Bastide (1898-1974)10 und Pierre Verger (1902-1996), beide von Geburt Fran- zosen, erlangte die Forschung über die afrobrasilianischen Religionen und den „Synkre- tismus“ ein Niveau, das zu ihrem Ansehen in der Wissenschaftswelt entscheidend beitragen sollte. Infolge seiner 16 Jahre währenden Lehrtätigkeit an der Universidade de São Paulo von 1938 - 1954 übte Bastide ([1960] 1995, 1973) einen ungeheuren Einfluss auf die Forschung aus, auch wenn er eine „Schule“ im eigentlichen Sinne nicht begründete. Die reiche Zahl sei- ner Veröffentlichungen lassen jedoch erkennen, dass er in mancher Beziehung dem europäi- schen Denken, insbesondere der französischen Soziologie verhaftet blieb (Cavalcanti 1986: 93ff.), so insbesondere, wenn er die Macumba soziologisch als Phänomen von Unterschich- ten erklären wollte. Die Umbanda verstand er als Resultat der Vermischung von afrikani- schen, indianischen und europäischen Elementen, nämlich des Spiritismus. Seine Vorliebe galt ebenfalls dem Candomblé (1958), den er als ein ethisches System ansah, „um meio de controle social, um instrumento de solidariedade e comunhão“11 (1971: 414). Der Protestant Bastide ließ sich initiieren und wurde zu einem filho de Xangô; als solcher hielt er sich an die religiösen Vorschriften und Verbote (Negrão 1986: 55).12 Pierre Fátúmbí Verger, der Autodidakt, der als Fotograf begann, sich zu einem Ethnolo- gen und weltweit bekannten Fachmann für afrikanische Kultur entwickelte, verbrachte 17 Jahre seines Lebens in Afrika, wo er 1953 die Weihe eines babalaô erhielt, d.h. Priester der Yorùbá-Divinationsgottheit Ifá wurde. Fátúmbí bezeichnet in Nagô denjenigen, der durch Vermittlung von Ifá neu geboren wird. Im Jahre 1946 ließ Verger sich in Salvador nieder und verstarb 1996 im Alter von 93 Jahren – ein gewaltiges Werk hinterlassend. Im Gegensatz zu Bastide war er nicht durch europäische Denkschulen geprägt worden, was ihm ermöglichte, unbefangen seine Forschungen über den Candomblé und seine afrikanischen Wurzeln zu be- treiben ([1954] 1995, [1957] 1970, [1981] 1982). Ihn haben immer wieder die Beziehungen zwischen Afrika und Afro-Brasil interessiert, wodurch er die Grundlagen für eine solide Ba- sis der Erforschung von Afrikanismen gelegt hat. In den letzten zwei Jahrzehnten sind eine Vielzahl von Publikationen zum Candomblé und den afrobrasilianischen Religionen insgesamt erschienen. Insbesondere brasilianische

[9] „Hegemonie der Religion der Nagôs“: „Der Candomblé Bahias [ist] zweifellos der prächtigste von ganz Brasilien…“ [10] Siehe die Monographie von Astrid Reuter 2000. [11] „ein Werkzeug der sozialen Kontrolle, ein Instrument der Solidarität und Gemeinschaft“ [12] Astrid Reuter verweist auf Bastides Aussage von 1970, wonach er sich lediglich einem lavagem das con- tas, d.h. der Waschung der Perlen im Terreiro Ilé Axé Opô Afonjá unterzogen hat (Bastide [1980] 1993: 62), also nur der ersten von drei Initiationsriten, der zudem mehrmals im Leben hätte wiederholt werden müssen (Reuter 2000: 215-218). – 85 –

Ethnologen und Soziologen haben inzwischen viele Einzelaspekte derselben untersucht, so dass man sagen kann, die afrobrasilianischen Forschungen haben heute ihren festen Platz im Kanon der Wissenschaften. Erfreulicherweise gibt es auch zunehmend immer mehr Veröf- fentlichungen von gebildeten Gläubigen des Umbanda oder des Candomblé selbst (Santos 1995, Sodré e Lima 1996). Aber gerade die Veröffentlichungen aus neuester Zeit bestreiten das durch die oben angeführten Forschungen konstruierte „modèle idéal d’orthodoxie, identifié avec le culte nagô“ (Capone 1999: 19), mit Salvador da Bahia als Zentrum. Schon in ihrer Dissertation von 1997 hat Stefania Capone darauf hingewiesen, dass Candomblé und Umbanda zwei For- men desselben religiösen Kontinuums sind (Capone 1997: 215-266). Aber zuvor hatte bereits Roberto Motta auf die „Kanonisierung“ des Nagô-Ritus durch Édison Carneiro und Roger Bastide hingewiesen (Motta 1994: 177). Sofern wir zum Vergleich den Candomblé heranzie- hen werden, wollen wir uns hier insbesondere auf den Ilé Axé Opô Afonjá beziehen und zwar aus den folgenden Gründen:

1. Am 27. und 29. Juli 1983 und dann wieder am 12. August 198313 haben die fünf be- rühmtesten Iyalorixás14 von Salvador — Menininha do Gantois, Stella de Oxossi, Tete de Yansã, Olga de Alaketo und Nicinha do Bogum — gegenüber der Öffentlichkeit erklärt, dass sie eine vom Katholizismus unabhängige Religion vertreten und keine synkretisierende Sekte („… Iansã é uma outra energia, não é Sta. Bárbara“15). 2. Die Terreiros der vorgenannten Mães-do-santo sind am besten dokumentiert, sei es durch Wissenschaftler, die mehr oder weniger mit dem einen oder anderen Terreiro verbun- den waren oder sind, sei es durch Publikationen von Gläubigen selbst. 3. Die Iyalorixá des Ilé Axé Opô Afonjá, Mãe Stella de Oxossi (Maria Stella de Azeve- do Santos), hat selbst mehrere Bücher über ihren Terreiro veröffentlicht und zu ihrer Person liegen bereits Publikationen vor. Der Autor hat 1996 in Salvador mehrere Terreiros besichtigt und dabei den Ilé Axé Opô Afonjá (das „Haus der Kraft, das von Afonjá [= Xangô] getragen wird“) und Mãe Stella näher kennen gelernt (Loth 1996; Loth 2003c).

Wir haben bereits ausgeführt, dass die Middle Passage zwar eine Katastrophe für die Kultur und Religion der afrikanischen Sklaven war (Seite 44), doch das aber auch anderer- seits neoafrikanische Traditionen sich entwickelten. Und zwar geschah das jetzt über die eth- nischen Grenzen der afrikanischen Herkunft hinweg; so wurde nach Ansicht neuerer wissen- schaftlicher Forschungen die Grundlage zu den „Diaspora-Religionen“ gelegt. Ich möchte die

[13] Die Erklärung wurden im „Jornal da Bahia“ veröffentlicht ( oder [Zugriff vom 02.01.2007]) veröffentlicht. [14] Iyalorixá ist eine Kontraktion aus Yorùbá ìyá und olóòrìÍà und heißt dann übersetzt „Mutter der Verehrer eines òrìÍà“ und bezeichnet dann die Haupt- oder Oberpriesterin im Kult der Orixás. Die wörtliche Überset- zung wäre in Brasilien mãe-de-santo. [15] „Iansã ist eine andere Energie, sie ist nicht Santa Barbara“. – 86 – zu dieser Richtungen gehörenden Forscher als „Revisionisten“ bezeichnen. Für sie gibt es nicht nur im Sinne von Herskovits und Mintz/Price 1992 „Survivals“ von Afrikanismen, son- dern ein Fortleben afrikanischer Vorstellungen. So kommt James Sweet nach Studium portu- giesischer Inquisitionsprotokolle und anderer Berichte zu dem Ergebnis:

These African beliefs were independent systems of thought that ran parallel und counter to Catholicism, challenging the temporal power of the dominant society and leaving the indelible imprint of Central Africa on the emerging Brazilian nation. (Sweet 2003: 230)

Diese Erkenntnisse werden gestützt von den Untersuchungen Robert Slenes’ über die Sklavenfamilie, die mit den alten Vorurteilen über sexuelle Ausschweifungen, fehlende Soli- darität und Desinteresse an stabiler Familienbildung in den senzalas (Sklavenhütten) gründ- lich aufräumen (Slenes 199916). Die senzala wurde vielmehr zu einem Hort afrikanischer Tra- ditionen und des Widerstandes gegen die Sklaverei! Neues Terrain hat Maureen Warner-Lewis mit ihrer Untersuchung über zentralafrikani- sche Einflüsse auf die Karibik betreten. Auch ihr geht es um die „compilation of concrete and particularistic evidence of ethnic links and cultural continuities“ (Warner-Lewis 2003: xxxii), die auch von großer Bedeutung für die „Diaspora-Religionen“ sind. Mit der These von den afrikanischen Retentionen in Jamaika gibt auch Dianne Stewart sich nicht zufrieden:

If we are to embrace the dynamism of Africa and reject static representations of African religion … we can identify in the religious history of Jamaican Blacks the transportation of African religions to a hostile and foreign geographic place and their translation into African diasporic languages under repressive and alien sociopolitical conditions. (Stewart 2005: 238)

Abschließend sei an dieser Stelle noch die Untersuchung von Jean Besson über „Martha Brae’s two histories“ angeführt, in der sie nachweist, dass die Sklaven hinsichtlich des Land- besitzes und der Erbfolge eigene kreolische Institutionen gegen die der Weißen durchsetzten, was wiederum auf einen „culture-building process“ verweist, der über die Annahmen in der bisherigen Forschung hinausgeht (Besson 2002: 9). In diesem Kontext müssen dann auch re- ligiöse Vorstellungen wie die von der dualen Seele und der „spirit world“ sowie die Myal- und Revival-Rituale im Zusammenhang mit dem Tod gesehen werden: „Likewise, the sym- bolic denial of death by Rastafarians … provides an unusual perspective on immortality“ (ebd.: 316).

[16] Vgl. auch Eduardo Franca Paiva 2001, Escravidão e universo cultural na Colônia, Minas Gerais, 1716-1789, Belo Horizonte: Editora UFMG. – 87 – IV. Rastafari: die Entstehung einer neuen Religion

1. Ras Täfäri Mäkonnǝn alias Haile Selassie I. von Äthiopien: die irdische Geschichte des Gottes der Rastafarier1

Für die Rastafarier — amharisch ëñtfêየውያን, Rastäfärijawjan — ist Haile Selassie I., der letzte Kaiser Äthiopiens, der allmächtige Gott in seiner Inkarnation als Jah Rastafari. Die Bezeichnung Rastafari ist folglich eine Ableitung von Ras Täfäri Mäkonnən, amharisch ëñ ; tfê ፡ መኮንን, „Fürst2 Täfäri Mäkonnən“. Täfäri wäre dann der individuelle Name, Mäkonnən der Name des Vaters. Die Schreibung Ras Tafari entspricht der englischen Transkription, der die phonetische Aussprache „Ras Täfäri“ entsprechen würde.3 Wir werden in der Schreibung zwischen Ras Täfäri, dem historischen Herrscher, und Ras Tafari, dem Gott der Rastafarier, unterscheiden. Nach Auffassung von Monarchisten ist Täfäri wörtlich zu übersetzen mit: „He who will be feared“4. Dem entspräche jedoch amharisch tıë, täfära, was mit dem Na- men nicht überein stimmt. Philologisch ebenfalls unhaltbar ist der Versuch mancher Rastas wie etwa der von Mortimo Planno, den Namen Rastafari mit Creator zu übersetzen (Planno [1970] 1995: mp12.html), amharisch wäre das ፈጣሪ, fät’ari. Täfäri wurde mit dem Ehrentitel Ləj, „(adliger) Junge“ (ሌጅ), am 23. Juli 1892 in dem Dorf Ejersagoro, nahe von Harar, als Sohn des äthiopischen5 Militärführers und Provinzgou- verneurs Ras Mäkonn´n Wäldä Mika’el (von 1894-1906) geboren. Der Vater war ein Enkel des N´guså (ንጉሥ, „König“) Sahlä S´llasse (1795-1847) von Shoa und ein Cousin des Kaisers Menelik (M´nil´k) II.6 Sahlä S´llasse hatte mit Erfolg sein Königreich von 1813 bis 1847 ge- führt und, an westlicher Technologie interessiert, Verträge mit Frankreich und Großbritanni- en abgeschlossen. Sein Enkel mit Krönungsnamen Menelik II. hieß ursprünglich Sahlä Mi- riam (1844-1913); der neue Name von 1889 war zugleich Programm: das Anknüpfen an Menelik I., den legendären Sohn aus der Verbindung von Salomo und Makeda (G´>´z ማክዳ nach der Legende des K´brä Nägäsåt7 – (שְׁבָא ,>Mak´da), der Königin von Saba (hebr. Sch´ba

[1] Wir bedienen uns im Folgenden in der Regel einer vereinfachten Umschrift, korrekt müsste es heißen: Täfäri Mäkwännən; zur korrekten Umschrift siehe Clapham 2005! [2] Wörtlich „Haupt“, nämlich einer Armee, vergleichbar unserem „Herzog“. [3] Hinsichtlich der amharischen Namen folgen wir also einem mittleren Weg zwischen der korrekten und der üblichen englischen Transkription, wie sie auch von Ullendorff und Selassie selbst benutzt wird. Denn die Umschrift des Amharischen ist sehr kompliziert. [4] Siehe www. almanach.be/search/e/ethiopia.html (Zugriff vom 17.05.2000). [5] Bis 1941 war im Westen die Bezeichnung „Abessinien” im Gebrauch. [6] Zu den folgenden biographischen Angaben siehe Haile Selassie 1977; die Autobiographie wurde während seines Exils in England diktiert. Zu Ras Mäkonn´n siehe Potyka (1974:73-78). [7] Zur literaturwissenschaftlichen Einordnung siehe Ullendorff (1963; 1987:17-19; 1989:74-79), Müller (1964), Shahîd (1976) und Beylot (2000). Die ursprüngliche Quelle der Legende sind die beiden in das 10. Jh. vChr verlegten Berichte in I Reg 10,1-13 und II Chr 9,1-12 (Ullendorff 1989:131-145; Schippmann 1998: 55-58). In der arabischen Literatur trägt die Königin von Saba bekanntlich den Namen Bilqīs — arab. – 88 –

(G´>´z ክብረ ; ነገሥት, „Der Ruhm der Könige“). Am Rande sei angemerkt, dass bereits Kö- nig Kaleb Ella Asbeha bisi Lazen (reg. c510-c540) mit der Annahme des Namens Kaleb eine ideelle Verwandtschaft mit David andeuten wollte, bildete doch Hebron, Kalebs „Erbteil“ (Jos 14,6-15; 15,13-19), das erste Machtzentrum Davids (2 Sam 2,1-4). Von Anfang an hat es in der äthiopischen Kirche wohl das Bestreben gegeben, als auserwähltes Volk einen eigenen Platz in der Heilsgeschichte einzunehmen (Hahn 2000). Das Nationalepos K´brä Nägäsåt mit seinen zionistischen und messianischen Konnotationen wurde wohl nicht zufällig zur Grund- lage äthiopischer Weltanschauung! Überdies ist es auch in der Gegenwart von nachhaltiger Bedeutung für die Rastalogie. Darauf wird weiter unten noch einzugehen sein. Menelik II. als N´gusåä Nägäsåt zä Itjopja (ንጉሠ ; ነጋሥት ; ዘኢትዮጵያ, „König der Köni- ge von Äthiopien“) fasste die einzelnen Königreiche und Staaten des südlichen Äthiopiens zu einem einheitlichen Reich zusammen, das in der Lage war, die italienische Kolonialmacht in Eritrea bei Adua am 1. März 1896 militärisch zu schlagen. Der Sieg sicherte nicht nur die Unabhängigkeit Äthiopiens und die Anerkennung von Seiten der europäischen Mächte, son- dern wurde auch zu einem Symbol für die Fähigkeit Afrikas, sich erfolgreich der weißen Ko- lonialmächte zu erwehren. Dieser größte afrikanische Sieg (Iliffe 1997:255) unterstützte in ideologischer Sicht die Bewegung des Äthiopismus, von der noch die Rede sein wird. Die von Menelik II. begonnene vorsichtige Modernisierung Äthiopiens sollte später Täfäri Mä- konn´n nach seinem Herrschaftsantritt fortführen. Täfäris Mutter, Wayzäro („Dame“) Yäshimäbet Ali, war die Tochter eines kleinen Adli- gen, der ursprünglich muslimischer Herkunft war (Henze 2000:189). Ras Mäkonn´n hatte sich mit ihr in religiöser und damit unauflöslicher Ehe verbunden. Sie starb jedoch bereits mit knapp 30 Jahren 1894, als Täfäri 2 Jahre alt war. Durch Auslandsreisen war sein Vater Ras Mäkonn´n mit europäischer Kultur in Kontakt gekommen und veranlasste, dass, im An- schluss an die traditionelle Ausbildung feudalistischer Sprösslinge, Täfäri eine westlich ori- entierte Ergänzung erhielt. Von Einfluss auf den heranwachsenden Prinzen war sicherlich sein Lehrer Abba Samuel, dessen Vater wiederum infolge der italienisch-katholischen Mis- sion in Shoa zum Katholizismus konvertiert war:

Abba Samuel was a good man who possessed great knowledge, who applied himself to learning and to teaching, who in goodness and humility gathered knowledge like a bee from anyone, who was devoted to the love of God and of his neighbour, and who did not strive to find enjoyment of the flesh but of the soul. I am saying this because I had known him extremely well while we were together some ten years. (Selassie 1977:18) Aber eben wegen dieser Bekanntschaft musste Ras Täfäri sich 1906 noch einmal einer

,Ullendorff 1960) bzw. Balqīs bei aṭ-Ṭabarī (2001: vol. 1, De Salomon à la chute des Sassanides) — ﺑــﻠــﻘــﻴــﺲ 14-23). Bei letzterem steht Balqīs in Beziehung zu einem Schlangenwesen (ebd.:19-23) wie auch die Make- da in der äthiopischen Volkslegende nach Mercier (2000:18). Hintergrund ist vermutlich ein antiker Schla- ngenkult des alten Herrscherhauses, das durch die neue salomonische Dynastie abgelöst wurde (Leeman 2006: 63-65). Zur archäologischen und literarischen Einordnung siehe Yamauchi 2004: 77-105. – 89 – orthodoxen Taufe unterziehen, um Sicherheit zu erlangen, dass er nicht heimlich den ka- tholischen Glauben angenommen hatte. Im Alter von 13 Jahren wurde Täfäri von seinem Vater am 1. November 1905 in den Rank eines Däjjazmatch („Befehlshaber des Tores“, vergleichbar mit „Graf“) erhoben, was mehr ein symbolischer Akt war, der jedoch dazu führte, dass Täfäri bei Regierungsgesprä- chen seines Vaters zugegen sein durfte. Nach des Vaters Tod am 21. März 1906 wurde er, ungeachtet der Tatsache, dass sein Vater ihn als Erben eingesetzt hatte, zunächst nicht dessen Nachfolger, sondern Gouverneur in verschiedenen Provinzen, bis er im März 1910 das Erbe seines Vaters in Harar antreten konnte. Der Neunzehnjährige, der bereits eine Ehe hinter sich hatte, heiratete dann am 3. August 1911 Wayzäro („Dame“) Mänän Asfaw (1890-1962), eine Enkelin von Ras Mika>el von Wollo, die ihrerseits auf drei zivile Eheschließungen zurück- blicken konnte (Juniac 1979: 49).8 Der Ehe sollten drei Söhne und drei Töchter entstammen. Die Hofintrigen in der neuen Haupstadt Addis Abeba, die mit der Erkrankung des Kai- sers ab 1906/7 begannen, überstand Täfäri Mäkonn´n, trotz der Feindschaft von Lej Iyasu (1887-1935), dem Onkel seiner Ehefrau, der 1913 als Enkel Meneliks II. offiziell die Regent- schaft übernahm. Seine Stärke bestand darin, im Hintergrund zu verbleiben und abzuwarten. Lej Iyasu, der niemals gekrönt werden sollte, beging den unverzeihlichen Fehler, in das isla- mische Lager überzuwechseln: Statt der Abkunft von Salomo liess er sich eine Abstammung vom Propheten Muhammad konstruieren, heiratete unter Hinweis auf den Koran vier Frauen und gab sich auch ansonsten als Muslim zu erkennen (Selassie 1977: 48-50; Juniac 1979:61-63.66-67; Marcus 1987:14-20). Sofern das wirklich zuträfe,9 wäre das gewisser- maßen eine Revision der „salomonischen Restauration“ von 1270 gewesen! Auf jeden Fall legte Iyasu sich mit den Territorialherrschern an: Ras Täfäri hatte er z.B. seine Stammprovinz Harar entzogen. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass die Stadt Harar als die viert- heiligste Stadt des Islam gilt, die erst 1887 unter Menelik II. erobert worden war. Adel, Armee, Minister und Kirchenführung setzten Lej Iyasu wegen Hochverrats und Apostasie am 27. September 1916 ab und brachten Meneliks Tochter Wayzäro („Dame“) Zawditu (1876-1930) als N´g´såtä Nägäsåtat (ንግሥተ ;ነገሥታት, „Königin der Königinnen“10) auf den Kaiserthron. Ihre Krönung am 11. Februar 1917 war die erste einer Frau seit der le- gendären Königin von Saba! Da sie aber als Frau in dem androkratischen Land nicht allein regieren durfte, wurde ihr Täfäri Mäkonn´n als Kronprinz mit dem Titel eines Ras und Re- genten des Reiches zur Seite gestellt. Die Dyarchie war nicht unkompliziert, insofern die Kaiserin eher einen konservativen Kurs zu steuern wünschte, sich aber mehr mit Religion als mit Politik beschäftigte, während Ras Täfäri für Reform und Fortschritt eintrat. Allerdings geschah das unter dem Vorbehalt, „that Ethiopia must evolve her own concepts and forms suitable to conditions prevailing in

[8] Man unterschied nach Juniac drei Arten von Ehen: „l’union libre, le mariage libre et le mariage religieux“ (1979:119). [9] Siehe dazu kritisch Zelleke/Heyer 2001:54-57. [10] Zur Schreibung des Titels siehe Ullendorff (1987: 136). – 90 – this ancient realm“ (Ullendorff 1990: 91f.). Nach Christian Potyka (1974: 84) hatte jedoch der Ministerrat ein Triumvirat unter Einschluss des Kriegsministers Fitawrari („Befehlshaber der Vorhut“, vergleichbar mit „Baron“) Habte Giyorgis, eines der mächtigsten Männer des Landes, mit der Führung des Staates beauftragt. Letzterer sollte die Reformgelüste Ras Täfä- ris im Zaume halten und für die Aufrechterhaltung der Privilegien der Rases (Plural von Ras) sorgen. Außenpolitisch gelang Täfäri die Aufnahme Äthiopiens in den Völkerbund im Sept- ember 1923, was sich später in der Auseinandersetzung mit Italien als Vorteil erweisen sollte. Voraussetzung war jedoch die Aufhebung der Sklaverei gewesen. Die Rastafarier haben bislang kaum zur Kenntnis genommen, dass es im Äthiopien der Zeit Ras Täfäris afrikanische Sklaven gab. Auch wenn seine Vorgänger sich bereits durch Dekrete gegen die Sklaverei ausgesprochen hatten, so gehörte doch Äthiopien – neben Ara- bien und Teilen des afrikanischen Kontinents – zu den Gebieten, wo Sklaverei und Sklaven- handel offen praktiziert wurden.

L’esclavage existait en Ethiopie de temps immémorial. L’expansion musulmane avait eut pour effet d’isoler l’Ethiopie du monde chrétien qui se dirigeait vers l’abolition de l’esclavage, et de l’entourer de musulmanes qui s’autorisaient du Coran pour le pratiquer. Au surplus, l’esclavage était aux yeux du peuple abyssin justifiée par les Saints Livres. Le Fetha Negast11, proclame au début de son chapitre [X]XXI que tous les hommes ont été crées libres, mais que les lois de guerre font du vaincu un esclave. Et il invoque un passa- ge de la Bible (Lévitique XXV, 44): „Les esclaves que tu auras, hommes ou femmes, tu les prendras des nations qui t’entourent, c’est d’elles que vous achèterez serviteurs et ser- vantes“. (Juniac 1979: 84)

Das hier angesprochene Reservoir an Sklaven bestand aus der afrikanischen Bevölke- rung des Südens und Südwesten Äthiopiens, auf die die Ham-Legende Anwendung fand (Klatt 1998:133). Die von Äthiopien angestrebte Aufnahme in den Völkerbund setzte jedoch die Beseiti- gung der Sklaverei voraus. Schon Tewodros II. (1855-1868), Yohannes (Yohann´s) IV. (1872-1889) und auch Menelik II. (1889-1913) hatten Maßnahmen gegen die Sklaverei er- griffen, wenn auch nur mit mäßigem Erfolg. Denn der Sklavenhandel ist für die Herrscher von Schoa gerade im 19. Jh. ein bedeutender Wirtschaftsfaktor gewesen (Abir 1985: 133-134). Mit den „Regulations for the Emancipation of Slaves und Their Conditions of Life“ vom 11. November 1918 hatte Täfäri jedoch das Verbot Meneliks II. bezüglich des Kaufs und Verkaufs von Sklaven erneuert. Sklaven sollten nun 7 Jahre nach dem Ableben der Besitzer freigelassen werden und in ihre Heimat zurückkehren dürfen (Marcus 1987: 60). Kurz vor seiner großen Reise nach Europa erliess er noch am 31. März 1924 eine Proklama- tion, die die Sklaverei unter Strafe stellte (Juniac 1979: 87.125). Offensichtlich fürchtete er

[11] F´thä Nägäsåt, G´>´z ፍትሐ ; ነገሥት , Kap. XXXI (Strauss 1968: 175). – 91 –

Sanktionen von Seiten des Völkerbundes (Miers 1997:404). Es war jedoch bekannt, dass sei- ne Rivalen, die Kaiserin und Giyorgis, selbst Sklavenhalter waren (Potyka 1974: 85; Marcus 1987: 49-50) — ungeachtet der Tatsache, dass letzterer einst selbst ein Galla [= Oromo-]- Sklave gewesen war (Juniac 1979:85), was immerhin von einer gewissen Mobilität in der da- maligen äthiopischen Gesellschaft zeugt. Die Administration erzielte wohl nach und nach Erfolge, dennoch kam 1931 eine Dele- gation der „British Anti-Slavery Society“ nach Addis Abeba, der Ras Täfäri die endgültige Abschaffung der Sklaverei im Verlauf der nächsten 15 bis 20 Jahre versprach. Ihm war aber bewusst, dass dieses in einem Lande mit der geographischen Struktur und ethnischen Vielfalt wie Äthiopien schwerlich durchzusetzen war:

But in any country a few offenders must always be expected, and if some men are found transgressing the proclamation that has been promulgated, all the foreign envoys know that We have punished them even with the death penalty. Therefore, Our conscience does not rebuke Us, for We have done unceasingly everything possible as regards the liberati- on of the slaves. (Selassie 1977: 81)

Nach Potyka hatte Haile Selassie mit dem Kampf gegen die Sklaverei das vielleicht „größte soziale Problem“ Äthiopiens im Blick, was eine große Herausforderung an die Zen- tralmacht wie an die Regionalherrscher darstellte, blühte doch der Sklavenhandel insbesonde- re in den peripheren, grenznahen Gebieten (1974: 86). 1935 haben noch 300.000 Menschen in irgendeiner Form der Sklaverei gelebt (Henze 2000: 210). Die Rolle der äthiopisch-ortho- doxen Kirche in dieser Frage scheint auch wohl nicht ganz eindeutig gewesen zu sein: „Zwar stehe die Kirche an sich für Freiheit, aber ihr Klerus stehe für Sklaverei, lautet das bissige Wort eines aufgeklärten Äthiopiers zu diesem Problem“ (Potyka 1974: 92). Erst mit dem Edikt vom 27. August 1942 wurde die Sklaverei endgültig beseitigt und unter Strafe gestellt (Juniac 1979:213-214). Faktisch bestand sie jedoch bis in die späten 1960er Jahren!12 Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass die herrschenden Amharen sich selbst nicht als „Neger“ fühlten und damit keineswegs dem Bild entsprachen, welches der Äthiopismus (sie- he IV.4.c.) von dem konkreten Äthiopien entwickelt hatte. Noch kurz vor dem Einmarsch der Italiener hegte man für den „negriden Bevölkerungsteil und für den Rest Schwarzafrikas“ Verachtung.

Als Melvin Lasky Anfang der sechziger Jahre in Addis Abeba einen „intelligenten und erfolgreichen Vertreter der neuen Generation“ nach seinem und seiner Vorfahren Ver- hältnis zu Afrika befragte, erhielt er eine interessante Antwort: den Großvater des jungen Mannes (der ein „reiner Äthiopier“ gewesen sei) hätte ein solcher Gedanke noch empört,

[12] So Gilchrist, Horace Eric. 2003. Haile Selassie and American missionaries: inadvertent agents of Oromo identity in Ethiopia (MA-Thesis North Carolina State University, History), 46. – 92 –

sein Vater habe beim Einmarsch der Italiener genauso empfunden, erst danach habe er begonnen, sich nebenher auch als Afrikaner zu fühlen; und er selbst sei zum Afrikaner geworden, als er nach Europa gekommen sei. Damit ist das Problem zwar anekdotisch verkürzt, aber doch ein wenig erhellt. (Potyka 1974: 258f.)

Nach der Invasion Äthiopiens 1935/1936, durch die Italien sich zu einer aufstrebenden Macht am Roten Meer entwickelte, sollten die Briten bestrebt sein, die Sklavenfrage in der gesamten Region herunterzuspielen (Miers 1997: 405). Mussolini seinerseits hatte auf der Pa- riser Konferenz von 1935 darauf hingewiesen, dass Italien „als zivilisierte europäische Groß- macht den noch immer bestehenden Sklavenhandel in dem an seine Kolonien grenzenden Land nicht länger dulden (kann)“.13 Doch kehren wir zurück zum Regenten Täfäri und seinem Aufstieg zum Alleinherrscher. Der Tod des Kriegsministers Giyorgis und des Abuna Mattewos, also des Oberhauptes der Kirche, im Dezember 1926 führte dazu, dass Zawditu ihre mächtigsten Beschützer verlor. Ihr Putschversuch sowie die zwei anderer Täfäri-Gegner konnten nicht verhindern, dass Ras Täfäri mit Hilfe von Adel, Armeeführern und Amtsträgern in der Hauptstadt 1928 die Kö- nigswürde erlangte: Am 7. Oktober wurde er zum N´guså von Gondar erhoben und empfing die Krone aus der Hand der Kaiserin Zawditu (Marcus 1987: 92). Das Krönungsfoto ging da- mals um die Welt und sollte unter den Rastafariern den Rang einer Ikone einnehmen. Als am 2. April 1930 die Kaiserin starb, wurde N´guså Täfäri zum Nachfolger erklärt. Er erlangte die Alleinherrschaft und übernahm bei der Inthronisation als 225. N´gusåä Nägäsåt14 in der Nach- folge Meneliks I. am 2. November 1930 in der St. Georg-Kathedrale in Addis Abeba den Na- men Haile Selassie I. (Ḫaylä Śəllase,15 ኃይለ ; ሥላሴ‚ an: „Kraft der Dreifaltigkeit [= Trini- tät]“. Diesen Namen hatte er bereits bei der Taufe erhalten. Schon im K´brä Nägäsåt 115 heißt es von jenen, die auf die „heilige Dreifaltigkeit“ (በቅስት ; ሥላሴ) getauft sind: „die werden ihm (= Jesus) Diener sein von ganzem Herzen“ (Bezold 1909:135). Für die Rastafarier je- doch war die Kaiserkrönung die göttliche Selbstoffenbarung (Bones [1985] 1987:169) des Messias und Erlösers in unserer Zeit. Zugleich war es die Erfüllung einer Prophezeiung des schwarzen Nationalisten Marcus Garvey, des Begründers der UNIA16, der 1929 in einer Ver- sammlung in Kingston (Jamaika) seine Zuhörer dazu aufgefordert hatte, nach Afrika zu schauen und wenn sie dort einen schwarzen König krönen würden, dann sei der Tag der Erlö- sung des schwarzen Volkes gekommen (Bones [1985] 1987:14; siehe jedoch Seite 170). Der Rückgriff auf den Taufnamen hatte für Haile Selassie I. sicherlich die Bedeutung,

[13] Neues Wiener Tagblatt vom 24.08.1935, p. 13. [14] Die Zahl 225 sollte nicht so ernst genommen werden, da die monarchischen Verhältnisse Äthiopiens sich recht kompliziert gestalteten; bisweilen werden auch andere Zahlen genannt. [15] Zur Schreibung und Aussprache siehe Ullendorff 1987: 430 Fn. 3 u.ö.; wir benutzen im Folgenden die üb- liche Form „Haile Selassie“. [16] Die „Universal Negro Improvement Association“, 1914 von Garvey in Jamaika gegründet, hatte seit 1918 ihre Zentrale in Harlem. – 93 – dass er sich als treuer Sohn der orthodoxen Kirche verstand! Das sollte sich in einer Anzahl von kirchlichen Reformen (Haile Sellassie 1977:164-167; Loth 1991: 82-85 [Übers.]) zeigen, die auch die Autokephalie der äthiopischen Kirche zum Ziel hatten. Damit wurde die uralte Vorschrift des F´thä Nägäsåt IV, 42 (Strauss 1968:18) aufgehoben, wonach der äthiopische Metropolitan oder Abuna vom koptischen Patriarchen in Alexandrien ernannt wurde und die- sem untergeordnet blieb (Marcus 1987:104). Die „Versammlung der orthodoxen Kirchen des Orients“ in Addis Abeba im Jahre 196517, an deren Zustandekommen Haile Selassie maßgeb- lichen Anteil hatte, sollte ihn dann auch als den Konstantin der orthodoxen monophysisiti- schen Kirche feiern (Shahîd 1976:164 Anm. 72) und ihm den Titel eines „Verteidigers des Glaubens“ verleihen; mit diesem war einst im Jahre 1521 Heinrich VIII. von Leo X. ausge- zeichnet worden (Juniac 1979: 311f.).18 Die Titulaturen, die Kaiser Haile Selassie I. — amharisch ኃይለ ; ሥላሴ ፡ ቀዳማዊ ፡ አፄ — bei der Thronbesteigung erhielt, waren: „Der Löwe aus dem Stamme Juda hat überwunden“ (Offb 5, 5, G´>´z ሞዓ ; አንበሳ ; ዘእሞነገደ ; ይሁዳ .) und der „Erwählte Gottes“ (ሥዩመ; እግዚአብሔር)19 – Titulaturen, die bereits vor ihm Menelik II., Yohannes IV (Zelleke/Heyer 2001:13.29) und der erste Herrscher der „salomonischen Dynastie“, Y´kuno Amlak (Regie- rungszeit 1270-1285), sich beigelegt hatten (Bertaux 1966:101).20 So befremdlich diese Herr- schaftsbezeichnungen erscheinen mögen, so sind solche durchaus auch noch in Europa selbst in Gebrauch gewesen: In einem Brief vom 26. Mai 1945 schreibt beispielsweise der katholi- sche Kardinalspatriarch von Lissabon, Manuel Gonçalves Cerejeira, an den Diktatur Oliveira Salazar, dass er „ein Erwählter, quasi ein Gesalbter Gottes [ist]“.21 Die von Haile Selassie am 16. Juli 1931 unterzeichnete Konstitution bestätigte den göttli- chen Herrschaftsanspruch des Kaisers als Nachkomme Meneliks I., des Sohnes Salomos und der Königin von Saba (Henze 2000: 207). Auch die revidierte Verfassung vom 4. November 1955 sollte dies in Art. 2 festhalten (Ullendorff 1990:187f.)22 sowie die Funktion des Herr- schers als Verteidiger des „heiligen orthodoxen Glaubens“. Über die Eheschließung mit Mänän Asfaw ergab sich zudem die Verknüpfung mit einer bis auf den Propheten Muham- mad zurückreichenden Genealogie.23 In diesem Zusammenhang sei noch einmal darauf hin- gewiesen, dass es in Äthiopien neben der orthodoxen Nationalkirche eine ebenso große isla- mische Gemeinschaft gibt.

[17] Es war dieses das erste Treffen der orientalischen orthodoxen Kirchen seit dem Konzil von Ephesus 431. [18] Siehe auch den Bericht „The Oriental Orthodox Churches Addis Ababa Conference, January 1965“ auf der Website der Ethiopian Orthodox Tewahedo (Einheit) Church ( [Zugriff vom 03.03.2006]). [19] Siehe z.B. den kaiserlichen Brief bei Ullendorff 1987: 144. [20] Für „Majestät“ dienten auch die Bezeichnungen germawi, ግርማዊ, und janhoy, ጃንሆይ. [21] Brandão 2002: 49: „um eleito, quase um ungido de Deus“. [22] Siehe auch die Autobiographie: „… We Ourselves, by virtue of Our descent from the Queen of Sheba and King Solomon…“ (Haile Sellassie 1977: 5). [23] Siehe die Website des „Imperial Crown Council of Ethiopia“: „Imperial Ethiopia - Imperial Descent from Muhammad“: (Zugriff vom 25.05.2001). – 94 –

Die Aufnahme Äthiopiens in den Völkerbund im Jahre 1923 konnte die italienische In- vasion nicht verhindern: Sie begann unter Führung von Pietro Badoglio (1871-1956) am 3. Oktober 1935 und endete am 5. Mai 1936 mit dem Einmarsch in Addis Abeba. Mussolini (1883-1945) konnte die Eingliederung des Landes in das italienische Kolonialreich ver- künden. Der König von Italien, Viktor Emanuel III. (1869-1947) legte sich den Titel „Kaiser von Äthiopien“ zu und Badoglio wurde Generalgouverneur und Vizekönig des Landes. Haile Selassie hatte zwar die Modernisierung Äthiopiens und seiner Armee vorangetrieben, war aber trotzdem nicht in der Lage gewesen – Äthiopien war noch immer trotz der Verfassung von 1931, die das F´thä Nägäsåt ablöste, durch einen aristokratischen Parteiengeist gespalten (Iliffe 1997: 310) –, das Land erfolgreich zu verteidigen. Es war eben doch nicht gelungen, aus freien Kriegern und Bauern eine diszipliniert kämpfende Truppe zu machen. Zu berück- sichtigen ist auch die Tatsache, dass die Bevölkerung Äthiopiens sich aus etwa 80 Ethnien zusammensetzt. Das Staatsvolk der Amharen stellte seit langem nicht mehr die Mehrheit. Aber auch die vom Völkerbund 1936 in Genf erbetene Intervention blieb ohne Antwort. Der Kaiser ging nach England ins Exil, während in manchen ländlichen Regionen eine Guerilla, die jedoch eher dem äthiopischen Shiftanet, d.h. Brigantentum ähnelte, gegen die Italiener ge- führt wurde. Lediglich im Süden konnten die Armeen von Ras Imiru und Ras Desta einen be- grenzten Widerstand leisten. Es bedarf noch der Erwähnung, dass dem Krieg sowie dem italienischen Terror in Äthio- pien 330.000 bis 380.000 Menschen zum Opfer fielen (Mattioli 2005: 153). Der massive Ein- satz von Senfgas, auch gegenüber der Zivilbevölkerung, die Ermordung von Gefangenen, das Niederbrennen von Dörfern und Feldern sowie die Massaker an der Zivilbevölkerung machen diesen Krieg zu einem ungesühnten Kriegsverbrechen des faschistischen Italiens. Von Seiten des damaligen Papstes, Pius XI., gab es keine Verurteilung des Agressionskrieges, ihm lagen die katholischen Interessen in Äthiopien am Herzen (Zelleke/Heyer 2001: 67-69). Auch das Niederbrennen von fast 2000 äthiopischen Kirchen, die Ermordung von Mönchen (z. B. die des berühmten Klosters Debre Libanos) und die Füsilierung des Abuna Petros haben weder den Papst noch den italienischen Episkopat zu einer moralischen Verurteilung bewegt! Statt- dessen hatte der Mailänder Erzbischof Ildefonso Schuster am 28. Oktober 1935, dem Jahres- tag des faschistischen Marschs auf Rom, zu einem heiligen Krieg für den „einzig wahren Glauben“ aufgerufen (Mattioli ebd.: 122) und bisweilen hatten die militärischen Verbände Heiligen- und Madonnenstatuen vorausfahren lassen, „um dem Unternehmen auf diese Weise himmlischen Schutz zu sichern“ (ebd.: 123). Auch der Nuntius Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., schrieb in einem Brief vom 24. Mai 1936: „Wie dem Duce alles ge- lungen ist, ein Punkt nach dem andern, eine Schlacht nach der andern, ohne Rückschlag oder Unterbrechung, verleitet einen beinah zu glauben, eine himmlische Kraft habe Italien geleitet und geschützt. Vielleicht war es der Lohn dafür, dass er mit der Kirche [in den Lateranverträ- gen, 1929] Frieden geschlossen hat.“24 Das alles mag u. a. auch der Grund dafür sein, dass

[24] Aram Mattioli, „Eine veritable Hölle: Giftgas und Pogrome: vor 60 Jahren endete die beispiellose Terror- – 95 –

Rastas im Papst und der römisch-katholischen Kirche eine Perpetuierung Babylons sehen (Faristzaddi 1982: s. v. Vokabular des Iyarischen). Der italienisch-äthiopische Krieg sollte in Afrika (Pankhurst 1964: 158 f.) und in der Ka- ribik weitreichende Reaktionen nach sich ziehen:

It fueled anti-colonial mobilization, and a consideration of the war offered an analysis of congealed race/ethnic/class oppression for Caribbean blacks, the vast majority of whom were working class. (Yelvington 1999)

Es gab jedoch auch Kritik und zwar ausgerechnet von Marcus Garvey, in dem die Rasta- farier den prophetischen Ankündiger und Vorläufer des Gottes Jah Rastafari sehen. Er tadelte in seiner Zeitung „The Black Man“ in den Jahren 1936 bis 1937 von London aus den Kaiser wegen der Rückständigkeit Äthiopiens, der Sklaverei im Lande und stellt die Frage, ob jener als Amhare wirklich ein „Negro“ sei und nennt ihn schließlich einen

[…] great coward who ran away from his country to save his skin and left millions of his countrymen to struggle a terrible war that he brought upon them because of his political ignorance and his racial disloyalty. (Yelvington 1999)

Diese Kritik am äthiopischen Herrscher wurde von der afrokaribischen Diaspora nicht geteilt und brachte Garvey eher Vertrauensverluste ein. Den „König der Könige“ hatte die Ausgabe des Time Magazine vom 6. Januar 1936 als „Mann des Jahres“ auf die Titelseite ge- bracht! Haile Selassie und das Schicksal Äthiopiens hatten die breiten Massen Amerikas er- reicht und beschäftigten die Medien. Die italienische Besetzung des letzten freien afrikani- schen Staates wurde als Schande empfunden und der Kaiser selbst in den Kinosälen mit Ap- plaus bedacht. Und der äthiopische Herrscher sollte die Gelegenheit ergreifen und um die Sympathien der Afroamerikaner werben: Am 25. August 1937 wurde von seinem Cousin und Leibarzt, Melaku Emmanuel Bayen, in Harlem, dem Zentrum schwarzer Kultur, die „Ethio- pian World Federation“, ኢትዮጵያዊ ፡ ዓለም ፡ ፌድሬሸን, gegründet, die bis heute besteht.25 Damit kam Äthiopien auch in konkreter Form in die afrikanische Diaspora Amerikas! Was vielleicht noch wichtiger war: Äthiopien begann mit einem Prozess der Reafrikanisierung, der in die spätere Afrika-Politik Haile Selassies mündet. Der Wegbereiter war Melaku Bayen (siehe Seite 171.177). Als 1941 Haile Selassie mit Hilfe der Briten, über Khartum kommend, wieder nach Äthi- opien gelangte, wo er am 5. Mai 1941 seinen Thron ein zweites Mal besteigen konnte, war das für Afrika und die afrikanische Diaspora wiederum ein herausragendes Ereignis. Es för-

herrschaft Italiens über Äthiopien“, in: ZEIT ONLINE ( [Zugriff vom 24.08.2008]). [25] Siehe die Website . – 96 – derte verständlicherweise das eigene Selbstwertgefühl angesichts des Sieges eines schwarzen Herrschers über die weißen Invasoren. Wie schon der Sieg Meneliks II. über die Italiener 1896 bei Adua war wiederum gezeigt worden, dass die „weiße Rasse“ nicht unbesiegbar ist. Die Rückkehr des äthiopischen Herrschers trug dann auch zur Deifikation von Haile Selassie in der Rastafari-Religion bei. Für Äthiopien selbst begann jedoch eine Zeit der Entdeckung der eigenen Zugehörigkeit zu Afrika (Pankhurst 1964: 159-162). Der Kaiser versuchte sich von neuem an einer Modernisierung Äthiopiens, die noch während der britischen Militärverwaltung bis 1944 danach strebte, eine zentralisierte Armee und eine Reform der Verwaltung auf den Weg zu bringen. Dem sollte auch die zweite Ver- fassung von 1955 dienen, die auf einem repräsentativen Prinzip beruhte. Der Putsch seiner Leibgarde im Dezember 1960 und die aufkommenden Unruhen der zunehmend politisierten Studenten in den Jahren 1964-1969 waren bereits Vorboten des Scheiterns seiner zunehmend sich autoritär gebärdenden Politik. Die Vernachlässigung der Landreform und das Ausbleiben einer Demokratisierung führten schließlich zur Hungerkatastrophe von 1973 und einer an- schließenden Welle von Unruhen und Unzufriedenheit mit dem Regime des alternden Herr- schers, der auch nicht rechtzeitig Vorsorge für seine Nachfolge getroffen hatte: Im Februar 1974 kam es zu einem Coup der Streitkräfte, auf den Haile Selassie falsch reagierte, insofern er am 3. Juli die vom Militär gewünschte Revolution von oben ablehnte. Die äthiopisch-or- thodoxe Kirche, die er schrittweise aus der Abhängigkeit von der koptischen Kirche zur Selb- ständigkeit (Autokephalie) geführt hatte, kehrte sich von ihm, dem „Verteidiger des Glau- bens“, ab. Der Abuna Tewoflos (Theophilos), der 1971 zum ersten Patriarchen gewählt worden war,26 billigte am 11. September 1974 die Revolution. Diese wird als eine „schlei- chende“ bezeichnet, insofern sie in kleinen Schritten die bestehenden Machtverhältnisse ab- schaffte (Asserate 2008: 256). Einen Tag später wurde Haile Selassie vom Derg (ደርግ), „Union“)27 inhaftiert, am 17. März 1975 durch Proklamation die Monarchie abgeschafft und der Kaiser aller Wahrscheinlichkeit nach am 26. oder 27. August 1975 ermordet. Nachfolger Haile Selassies wurde sein Sohn Asfa Wossen, der sich seit 1973 aus Ge- sundheitsgründen im Ausland aufhielt und am 8. April 1989 im Exil zum N´gusåä Nägäsåt zä Itjopja gekrönt wurde und den Thronnamen Amha Selassie I. annahm. Haile Selassie I. selbst erhielt posthum durch Proklamation den Ehrentitel „der Große“.28 Seit dem Tode von Amha

[26] Das Unabhängigkeitsstreben der äthiopischen Kirche begann schon im Dezember 1926 mit koptisch-äthi- opischen Gesprächen in Alexandria, die 1929 zu der Ernennung des Kopten Sidarus El-Antoni zum Ober- haupt (Erzbischof) der äthiopischen Kirche führte. Als Abuna Qerillos (Anba Kirolos) stand er der Kirche bis 1951 vor, musste aber während der italienischen Besetzung Äthiopiens hinnehmen, dass die Italiener fünf Bischöfe wählen und von Rom konsekrieren ließen, Abba Abraham zum Metropolitan machten und die Unabhängigkeit der äthiopischen Kirche von der koptischen proklamierten (siehe Yunan Labib Rizk, „Sepa- rate ways“, in: Al-Ahram, Issue no. 760, 15-21 September 2005 []. Nach der Rückkehr von Haile Selassie I. wurden diese fünf Bischöfe exkommuniziert. [27] Die wörtliche Ableitung aus dem Ge'ez bedeutet „in einer Reihe stehen“. Es entbehrt nicht der Ironie, dass auch der willfährige Abuna Tewoflos vom Derg inhaftiert, abgesetzt und im Frühjahr 1975 ermordet wurde. [28] Siehe die Website des „Crown of Ethiopia“ (Zugriff vom – 97 –

Selassie I. im Jahre 1997 ist dessen Sohn Prinz Ermias Sahle-Selassie Haile-Selassie Präsi- dent des ,,Crown Council of Ethiopia“. Aber erst am 5. November 200029 fanden die Gebeine Haile Selassies – nach wechselnden Aufbewahrungsorten (Henze 2000:192) – eine würdige Ruhestätte in der Krypta der Hl. Dreifaltigkeits-Kathedrale in Addis Abeba, neben denen sei- ner Frau Mänän.

Dressed in coloured robes and wearing large crosses of silver and gold, priests of the Ethiopian Orthodox Church chanted and prayed at the Holy Trinity Cathedral while ordi- nary Ethiopians bowed their heads in reverence. Some wept openly. But although his re- burial was intensely emotional, not many lined the route of his funeral procession and only a few thousand gathered in the vast Meskel Square to see the coffin. To Rastafarians all over the world, Haile Selassie is God, and Rita Marley, widow of the reggae legend , was amongst the Rastas at the ceremony. „We will all be lo- ving his Imperial Majesty“, she told reporters. „There will be no end to his reign“.30

Asfa-Wossen Asserate, der in Deutschland lebende Prinz aus dem kaiserlichen Herr- scherhaus, berichtet von einer zehn Kilometer langen Prozession, an der 2000 aus Jamaika, Trinidad and Tobago und anderen Ländern zugegen waren. Allerdings hat der Autor wohl wenig Kenntnisse von dieser Religion, wenn er als ihren Gründer Marcus Garvey be- zeichnet und schreibt, dass die Rastafarier in Haile Selassie den „wiedergekehrten Messias“ sehen (Asserate 2008: 351). Haile Selassie ist nicht nur der wiedergekehrte Messias, sondern als Jah Rastafari der lebendige Gott, der nicht sterben kann. Von Bedeutung ist daher die bei der Trauerfeierlichkeit an Rita Marley gerichtete Frage: „Wenn du glaubst, dass Haile Selas- sie unsterblich ist, wieso nimmst du dann an seiner Beerdigung teil?“ (ebd.: 352). Denn es ist bekannt, dass Rastas kein Verhältnis zu Beerdigungen haben, gilt doch, dass der Einzelne, der über die theologische Formel „I-an-I“ mit Jah Rastafari in Gemeinschaft sich befindet (siehe V.4.), den herkömmlichen Tod nicht erleidet. Asfa-Wossen Asserate führt als Antwort Rita Marleys an, dass so viele Gläubige sich nicht irren können. Wir treffen hier auf ein Ar- gument, dass wir auch von anderen Religionen kennen: Die wachsende Zahl der Anhänger wird zur Plausibilisierung der eigenen religiösen Anschauungen angeführt! Eine Würdigung des Lebenswerkes von Haile Selassie fällt nicht leicht. Da ist zum einen das einflussreiche Buch von Ryszard Kapusåcinåski (1986), das ihn als einen exzessiven Ver- treter des Missbrauchs von Macht zeigt, da ist andererseits der Herrscher, der erstmals einen äthiopischen Einheitsstaat mit Verfassung schuf und damit „une véritable autorité de l’Etat“ (Juniac 1979: 385). Bis zum Putschversuch des General Mengistu (Mäng´stu) von 1960 war er ein Mann der Reformen, der nicht nur Sklaverei und Zwangsarbeit abschaffte, sondern

04.04.2002): Current news and policy statements (July 23, 1999); vgl. auch Henze 2000: 189). [29] Siehe Scheubel 2001: 38-41; die Website „Pictures and stories on the imperial funeral events“, (Zugriff vom 01.08.2002). [30] BBC Focus on Africa, vol. 12, Nr. 1, January to March 2001, 6 – 98 – auch für die Entwicklung von Wirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen eintrat. Dagegen gingen seine Reformen – als Reformer war er eher ein Gradualist (Henze 2000: 340) – hin- sichtlich der Demokratisierung des Landes nicht über bescheidene Anfänge hinaus, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er die vom Feudalismus geprägten gesellschaftlichen Ver- hältnisse nicht antastete. Die amharische Oberschicht saß an den Schalthebeln der Macht, Kultur, Religion und Sprache der nichtamharischen Völker wurden in Richtung Assimilation gedrängt. Nach dem Putsch von 1960 nahm seine Herrschaft allerdings konservative Züge in der Innenpolitik an, während er in der internationalen afrikanischen Politik eine einflussreiche Rolle spielte. Als „elder statesman“ war er in der panafrikanischen Bewegung eine herausra- gende Gestalt, insofern er entscheidend an der Gründung der „Organization of African Unity (OAU)“ am 25. Mai 1963 beteiligt war. Diese hatte bis 2002 ihren Sitz in Addis Abeba, was auch von der Nachfolgeorganisation der „African Union“ gilt. Seitdem ist der Gedanke einer Einheit Afrikas — neben den afrikanischen Distrikten gibt es einen sechsten, der die Afro- amerikaner, afrokaribischen Völker und die Afroeuropäer mit einschliesst — quasi zu einem afrikanischen Credo geworden und Haile Selassie I. zu einem ihrer Väter! Möglicherweise kommt Paul B. Henze mit seiner Würdigung des Lebenswerks dieses Herrschers der Wahr- heit am nächsten:

Accustomed to having ultimate decisions made by the Emperor, and to the Emperor’s style of shumshir31 rule, the elite of the country lost the ability to think in terms of taking responsibilty themselves. Haile Selassie must nevertheless be judged by the entire range of his accomplishments, not merely by his shortcomings as he reached advanced age. Menelik laid the groundwork for the creation of modern Ethiopia. Haile Selassie carried the process much farther ahead than seemed possible in 1916 or 1936. (Henze 2000: 340)

Im Kontext der Geschichte Äthiopiens dürfte dann doch wohl zutreffen, dass, wie die Autoren Kefelew Zelleke und Friedrich Heyer formuliert haben, Haile Selassie unter den Re- formkaisern wie Theodoros und Menelik der größte war (Zelleke/Heyer 2001: 60). Auch Christopher Clapham kommt zu einer positiven Würdigung Haile Selassie I. als Staatsbilder, auch wenn er keine Konzeption hinsichtlich eines modernen Staatswesens besaß, was die Heranziehung des Volkes bei der Regierung angeht (Clapham 2005). Während es in Jamaika noch Widerstände gibt, Bob Marley (1945-1981), den großen Propheten des Rastafari, zu einem Nationalhelden zu machen, gelang es seiner Witwe, Rita Marley, und der Bob Marley Foundation, den 60jährigen Geburtstag ihres verstorbenen Man- nes am 6. Februar 2005 in Addis Abeba in einem internationalen Rahmen und unter dem Motto „Africa unite“32 zu der wohl größten Geburtstagsfeier der Welt zu gestalten: Mehr als

[31] Gemeint ist ein System der Umbesetzung von Beamten. [32] Hierbei handelt es sich auch um ein Lied Bob Marleys. – 99 –

200.000 Menschen aus aller Welt fanden sich zum Reggae-Konzert ein, das u.a. von der UNICEF und der African Union gesponsert wurde und zu dem international bekannte Künst- ler anreisten. Damit ist es Rita Marley gelungen, Äthiopien, die spirituelle Heimat der Rasta- farier, wieder stärker in den Mittelpunkt des Denkens zu rücken. Unter dem Titel „One Love, one legend“ schreibt Clay Muganda in der kenianischen Zeitung „The Nation“:

Marley’s son, Ziggy, was quoted as saying that Ethiopia was of huge importance to his father as the cradle of civilisation. „This is where all of us came from. That’s science, not religious rhetoric. The message today is that Africa should unite. This is what we’re focu- sing on.“33

Dennoch war dieses eine Feier von ungeheurer religiöser Symbolkraft, ist doch Äthiopi- en das heilige Zion der Rastas, das gepriesene Land der göttlichen Gerechtigkeit, wo man Jah Rastafari nahe ist. Haile Selassie selbst hatte durch eine Landschenkung im Jahre 1948 in Shashemene34 afrikanischen Nachkommen im Westen die Möglichkeit eröffnet, nach Afrika zurückkehren zu können. In den Jahren zwischen 1952 und 1974 waren auch Siedler aus Ja- maika gekommen — „nach Hause gekommen“ —, um hier eine Rastasiedlung zu errichten, die sich nach Anfangsschwierigkeiten in den letzten Jahren konsolidieren konnte.35 Auch wenn es von Seiten der äthiopisch-orthodoxen Kirche wegen des Glaubens an die Göttlich- keit des letzten Kaisers Vorbehalte gegenüber den Rastafariern gibt, so lebt dennoch die Le- gende fort:

… when he [Haile Selassie] was invited in 1966 by the Jamaican government to that country to denounce that he was God, he is said to have told the movement’s spiritual leaders there: „I am who you say I am.“ (Clay Muganda)

Dennoch, im Internet finden sich viele Webseiten, die Auszüge aus dem Interview des CBS-Reporters Bill McNeil enthalten, die dieser mit dem Kaiser 1967 an Bord eines Zuges in Canada führte. Auf die Feststellung des Reporters, dass Millionen von Christen ihn als die Reinkarnation Jesu Christi ansehen, antwortet Haile Selassie:

I have heard of that idea. I also met certain Rastafarians. I told them clearly that I am a man, that I am mortal, and that I will be replaced by the oncoming generation, and that they should never make a mistake in assuming or pretending that a human being is ema-

[33] February 12, 2005, posted to the web February 14, 2005 ( [Zugriff vom 15.02.2005]). [34] Es handelt sich um eine zentrale Stadt 250 km südlich von Addis Abeba. [35] Siehe die von den Rastafari-Organisationen Nyahbinghi, Boboshanti, The Twelve Tribes of Israel und der Ethiopian World Federation gegründete Jamaican Rastafarian Development Community (). – 100 –

nated from a deity.

2. Der historische Rahmen

Der Diskurs in der wissenschaftlichen Literatur, die die Forschung am Phänomen Rasta- fari zum Gegenstand hat, muss von seinem Charakter her als „Afrikanismus“ bezeichnet wer- den. Mit dem Begriff ist keineswegs das Wissen um Afrika gemeint. Von „Afrikanismus“ sprechen wir, wenn Werner Zips die folgende Forderung erhebt: „Any methodologically sound attempt to elucidate the blind spots of imperialist (Caribbean) historiography needs to be ,africanized‘ and ,engendered‘“ (Zips 1998: 196). Dass ein solches Vorgehen nicht unproblematisch ist, weiß Zips sehr wohl und schickt deshalb hinsichtlich seines Vorhabens, die Maroon-Kulturen mit denen Westafrikas, also mit den Kulturen ihrer Herkunft zu vergleichen, die folgende Einschränkung voraus: „The com- parative reconstruction of the political field at the time in question rests much more on practi- cal reasons, contextual arguments, and structural probabilities (filling the historical blind spots by analogy) than on empirical evidence“ (ebd.). Zips redet daher zutreffend von einem gewissen spekulativen Zustand! Das gilt natürlich auch mit Blick auf die „afrikanische“ Kul- tur und Religion in Jamaika. Das Problem ist nun einmal, dass es nicht wie im Falle des Can- domblé in Brasilien einen Flux und Reflux zwischen Jamaika und Westafrika gegeben hat. Barry Chevannes umgeht diese Schwierigkeit, indem er die „cultural roots“ von Rastafa- ri mit den Anfängen der afrikanischen Diaspora verknüpft. In seiner inzwischen klassischen Studie (Chevannes 1994) formuliert er wie folgt:

It argues that the worldview of the Jamaican peasantry, the direct descendants of „those who came“ after Columbus, the Africans forced into slavery, resonates in the Rastafari. I call this worldview Revivalism from the religion of the same name and argue that the dri- ving force in its formation was their determination to make the best of this new situation on their own terms, which meant resistance to European slavery and colonialism, both physical and mental. (Chevannes ebd.: ix)

Widerstand ist jedoch nicht denkbar ohne irgendwelche Vorstellungen oder Visionen be- züglich der Befreiung. Nach Monica Schuler entwickelte sich schon früh ein afrokaribischer Vorstellungskomplex, zu dem die Erwartung einer Befreiung durch einen vorbildlichen Kö- nig gehört und die Rückkehr — „[the] recrossing of the Atlantic Ocean“ — der Diaspora- Afrikaner zu Afrika als dem Gelobten Land: „Such beliefs have inspired Caribbean millenia- lism, Ethiopianism, repatriationism and pan-Africanism“ (Schuler 2000: 20). Schon 1768 er- hofften die Afrikaner in ihre Befreiung durch einen afrikanischen Monarchen und für Jamaika gilt nach Dianne Stewart: „Repatriation to what is considered home, is one of the most powerful religious motifs from the period of African exile and enslavement in Jamaica“ (Stewart 2005: 60). Im 20. Jahrhundert war es dann Marcus Mosiah Garvey mit seiner Black – 101 –

Star Steamship Line, die die Afroamerikaner nach Afrika zurückbringen sollte. Nach Garveys Scheitern wurde das „water-crossing cliché“ mit Haile Selassie verknüpft, dem gekrönten Herrscher Äthiopiens (Schuler, ebd.: 21). „Äthiopien“ ist jedoch schon seit dem 19. Jahrhun- dert von zentraler Bedeutung für das Denken sowohl der Afrikaner als auch der Diaspora- Afrikaner, heißt es doch in Psalm 68, 31 „Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God“ („Authorized King James Version“; Loth 2002a). Die Entstehung von Rastafari ist folglich auch nach Schuler in einem historischen Kontinuum zu sehen:

Central Africans formed the nucleus of the Rastafarian movement that emerged around 1930 in eastern Jamaica. They propagated the idea of Selassie as King Zambi (KiKongo: kinzambi, God; formerly the most remote or „highest spiritual authority“), an apocalyptic World Emperor who would restore them to Africa and restore Africa to greatness. Selas- sie was expected to fetch his scattered subjects in a huge modern ship or a whole flotilla, either in 1934, the anniversary of slave emanicpation, or in 2000. When Selassie’s ships failed to materialize in 1934, Rastafarians apparently planned to clear a path with their beards and walk across the sea to Africa. (Schuler, ebd.)

Aber bereits 1977 hatte schon Leonard Barrett die Ansicht vertreten, dass „[T]he emer- gence of the Rastafarians will remain a puzzle unless seen as a continuation of the concept of Ethiopianism which began in Jamaica as early as the eighteenth century“ (Barrett 1977: 68; vgl. Besson 2002: 264) und auf George Lieles „Ethiopian Baptist Church“36 hingewiesen (Barrett 1977: 76). Jean Besson verweist in diesem Zusammenhang auf die Emanzipations- plakette vom 1. August 1838 in der Memorial Baptist Church zu Falmouth, auf der sich der für den Äthiopismus berühmte Schlüsseltext aus Ps 38, 31 findet: „ETHIO- PIA shall soon stretch out her hands unto God“ (Besson 2002: 265).37 In diesem Zusammenhang sei auch der Forschungsansatz bei John Homiak angeführt, wonach die Rastafari-Religion eine Form des schwarzen Zionismus sei, „a complex ideatio- nal synthesis based on a distinctive fundamentalist approach to the Bible, selected aspects of an Afro-Christian revivalism, and a racial eschatology embodied in the ideology of Ethio- pianism” (Homiak 1987: 222): Breit gefasst ist auch der Ansatz bei Robert Hill, der am Schluss seiner klassischen Stu- die über Leonard Percival Howell und die millenaristischen Visionen der frühen „Rastafari- religions“ (sic!) drei methodische Wege zur Erforschung von Rastafari für unabdingbar hält:

[36] Ob diese Bezeichnung wirklich verbürgt ist, bleibt offen. Allerdings hat Liele seine Gemeinde als „the poor Ethiopian Baptists of Jamaica“ bezeichnet. Ferner schreibt Clement Gayle: „A matter of interest due to the emphasis present day Rastafarians place on Ethiopia is that Swigle refers to his members als ,Ethiopian Baptists“ (Gayle 1983: 24, vgl. 69). [37] Daselbst findet sich auch eine Abbildung derselben. Zur Bedeutung dieses Schlüsseltextes aus der Bibel (Authorized King James Version) siehe Loth 2002a. – 102 –

1. das Studium des Erwachens von Rastafari als integraler Aspekt der größeren Matrix des schwarzen religiösen Nationalismus, des volksreligiösen Revivalism und des Widerstandes des jamaikanischen Bauern gegen die Plantagenwirtschaft und Staat, 2. die Reintegration dieses Forschungsvorhabens in den dynamischen Fluss volkssozialer Be- wegungen und Beachtung der komplexen Aspekte von Kontinuität und Diskontinuität und 3. die Beachtung der zu Grunde liegenden Bewusstseinsbildung des Volkes unter den Bedin- gungen der Unterdrückung — an Stelle der üblicherweise angewandten Akkulturationsfor- schung (Hill 1981: 53).

Es ergibt sich dann auf diesem Hintergrund in etwa die folgende Chronologie:

[1] Marronage und Rebellion in der Sklavenhaltergesellschaft Jamaikas [2] Obeah, Myal, Kumina/Pukkumina, Native Baptists und Revivalism [3] Äthiopismus, Pan-Afrikanismus und Marcus Garvey [4] Alexander Bedward, Leonard Howell und die frühen Lehrer [5] Haile Selassie in Jamaica 1966 und die Akzeptanz der Rastafari-Bewegung [6] Reggae-Musik und Globalisierung von Rastafari [7] die postradikale Phase: die „Veralltäglichung“38

Für diese Untersuchung sind nur die Topoi 1 bis 4 von Interesse und in einem gewissen Umfang auch der Topos 7; letzterer ist insofern von Interesse, als wir unter dieser Rubrik Phänomene aufgreifen werden, die unsere These von der Transkulturation belegen sollen. Wir stellen daher die folgenden zwei Kapitel in den Kontext der interkulturellen Begeg- nung, wobei wir von der grundlegenden Erkenntnis der afroamerikanischen Forschung Ge- brauch machen: Die nach Amerika verschleppten Afrikaner und ihre Nachkommen haben zu keiner Zeit Sklaverei und Rassismus akzeptiert, ebenso wenig die Amerindianer. Von Anfang an gab es Widerstand verschiedenster Art und unterschiedlicher Intensität, so dass man hier

[38] Dieser Begriff stammt von Max Weber (Weber 1985: 142 ff.) und wird in der Regel in der Soziologie nicht ganz zutreffend als „Routinisierung“ (engl. routinization, franz. routinisation) bezeichnet. Der Begriff „Veralltäglichung“ gehört jedoch zu Webers Konzept der charismatischen Herrschaft und ist die Antithese zu dem „außeralltäglichen Charakters“ des Charisma. Letzteres setzt Weber, dem damaligen Diskurs fol- gend, mit mana, orenda oder iran. maga gleich und beschreibt Charisma als eine außeralltägliche Eigen- schaft, die Dingen oder Personen anhaftet (ebd.: 245-246). Damit folgt er den Ausführungen des Missionars und Linguisten Robert Henry Codrington (1830-1922); die neuere Forschung zeigt jedoch, dass mana ein weitaus komplexerer Begriff ist (Keesing [1991] 2007). – „Veralltäglichung“ bedeutet dann nach Weber das Fehlen der charismatischen Qualität, was eine Neuorientierung von Herrschaft und Einstellung zur Welt und ihren Lebensformen nach sich zieht. Gegen diese scharfe Trennung bei Weber hat der amerikanische Sozio- loge Edward Shils zutreffend eingewandt, dass „an attenuated, mediated, institutionalized charismatic pro- pensity is present in the routine functioning of society“ (Shils 1965: 200). Bemerkenswert ist, dass Shils hier u. a. anführt das „tremendum mysteriosum which Rudolf Otto designated as the central property of the ,idea of the holy‘“ (ebd.: 205 [vermutlich nimmt er hier Bezug auf Otto 1963: 13. 29]). — Das Verständnis von „Alltag“ im Sinne von Routine findet sich bereits in der Weber-Übersetzung von Talcott Parsons [1947] 1966: 266 Anm. 98. 361 Anm. 41. – 103 – besser von einem Kontinuum der Resistenz spricht. Ein solches Kontinuum haben wir schon einmal vorgeschlagen (Loth 2002a: 398), möchten es aber hier durch Einbeziehung amerindi- scher Traditionen erweitern. Es gibt keine Verknüpfung der einzelnen Widerstandsbewegungen miteinander. Die qui- lombolas oder Bewohner der quilombos (siehe unten) in Brasilien waren keine maroons, aber was sie gemeinsam hatten, das war der Wille zum Widerstand gegen die weißen Plantokraten (Plantagenbesitzer). In diesem Sinne stimmen wir der Kritik von Jessica Krug an Werner Zips (Zipps 1999: xi) zu: „eighteenth-century Maroons were not Rastafarians“ (Krug 2005: 6). Krug wirft dem Autor Anachronismus vor, die in „a conflation of Maroon society and Ra- stafarians“ bestünde (ebd.). Der Grund dürfte in der persönlichen Erfahrung des Autors zu se- hen sein; in der deutschen Ausgabe heißt es:

Bei meinem ersten (Forschungs-)Aufenthalt in Jamaica (im Jahr 1984) historisierten Ras- tafari in stundenlangen Reasonings meine thematische Ausrichtung. Auf den kürzesten Nenner gebracht, hieß die Botschaft: Die Wurzeln von Rastafari liegen in Afrika. Die Weißen wollten diese abtrennen, um aus den Afrikanerinnen und Afrikanern dauerhaft Sklaven zu machen; das hat die jahrhundertelange Gegenwehr verhindert. In den Worten des Rasta-Sozialwissenschaftlers JAH BONES (198539: 5 u. 12): „So in effect, Rasta was a slave, but Rasta rebelled hard and gradually fashioned a substantial, ,contracultural‘ sy- stem that produced heroes and warriors such as Paul Bogle, Alexander Bedward, Marcus Garvey, Leonard Howell and all the Rasta Youths … Rasta is the totality of a life’s expe- rience which is reflected in history and projected into the future. (Zips 1993: 12)

Jah Bones stellt diese seine Ausführung unter die Überschrift „Literature, Ideology and Rasta“ und unterstellt eine ideologische wie auch „social-class difference“, die es dem Nicht- Rasta unmöglich macht, adäquat über Rastas zu schreiben (Bones [1985] 1987: 4). Zu dieser ideologischen Haltung kommt noch die religiöse Überzeugung:

Rasta has a tradition that goes back to times immemorial. Rasta has its roots in the great and Ancient Ethiopian Culture ... Adam of the Garden of Eden was an Ethiopian so was Eve. Adam was the first Patriarch, a symbol of divinity, King, nationality and religion. He was the first whom Jah gave dominion over the fish of the sea … The Black People (Rastas) of ancient Ethiopia, Egypt and Atlantis were the originators of the One-God con- ception: the doctrine of Father and Son in One-Spirit. (Bones ebd.: 9)

In diesem Stil geht es weiter! Das ist u. E. nicht die Sprache eines Sozialwissenschaft- lers, sondern die des Theologen. Nach Jah Bones hat die eigene Religion von Anfang an exis- tiert — ein Motiv, das aus der Religionsgeschichte gut bekannt ist. Auch Judentum, Chri-

[39] Wir benutzen den Reprint von 1987. – 104 – stentum und Islam verbinden mit Gott als Schöpfer des Universums den Anfang der Mensch- heitsgeschichte und der Religion. 40 Es gibt natürlich auch einige wenige Neureligionen, die das Vorhandensein anderer Religionen als Grundlage der eigenen Entstehung voraussetzen, wie z. B. die Bahá’í.41 Das gilt auch für die brasilianische Umbanda, die 2008 ihr hundertjäh- riges Bestehen feierte. Diese Religion, die in São Paulo für ihre Priesterausbildung eine Fa- culdade de Teologia Umbandista unterhält,42 versteht sich als eine Fusion von afrikanischen, amerindischen und indoeuropäischen Kulten. Die „Ba Beta Kristiyan Haile Selassie I“ (The Church of Haile Selassie I) versucht eben- falls ihren Ursprung in die biblische Tradition zu verlegen: Moses verbrachte bekanntlich 40 Jahre in Ägypten, wo er sich mit den Ritualen und dem Tempeldienst des alten äthiopischen Glaubens vertraut machte. Daselbst wurde er zum König von Äthiopien ernannt und ging erst danach zu den Midianitern, die selbst Äthiopier waren. Mithin ist der Tempeldienst Äthiopi- ens älter als der der Kinder Israels und in eben dieser alten äthiopischen Tradition steht die „Church of Haile Selassie I“, die sich als Erfüllung von Micha 4, 1-2 versteht. In diesem Kontext ist Äthiopien Zion und Axum das heilige Jerusalem.43 Auch in Afrika gibt es in der Yorùbá-Tradition das Bestreben, diese in die vorchristliche Zeit hinein zu interpolieren. Es war eine kleine Bewegung der „Ifisten“, denen es um die uni- verselle Anerkennung des Orakels Ifá44 und der damit verbundenen Kultur der Yorùbá ging. Im Zentrum steht OÆŸru;nmìlaæ, die Orakel-Gottheit — zugleich identisch mit Ifá —, die Akin Fagbenro-Beyioku zum Propheten Gottes für die Yorùbá erklärte, der als Melchisedek in Ju- däa wirkte. Er habe die unfruchtbare MoÙrówà (= Maria) zu Kindersegen verholfen und so wurde J’-ewé-sùn („Let the herbs sleep“, d. i. Jesus) geboren. Somit steht Jesus, wie auch später Muhammad, im Erbe OÆŸru;nmìlas (Idowu [1962] 1966: 214-215; Müller 2004: Nr. 33).45 Selbst der Candomblé kann seine Religion auf den Anfang der Welt zurückführen:

No princípio de tudo, quando não havia separação entre Céu e Terra, Obatalá e Odudua viviam juntos dentro de uma cabaça. … No começo devia Obatalá criar o mundo a mando de Olodumare. Mas Obatalá não realizou os sacrifícios que lhe foram recomendados.

[40] Für Judentum und Christentum siehe Gen 1, wobei sich das Christentum als „Neuer Bund“ in der Nach- folge versteht. Im Islam gilt Allah ebenfalls als Schöpfer der Welt (siehe z. B. Sure 3, 18 ff.; 6, 1.72.95-99 u.ö.), zudem wird darauf hingewiesen, dass der Islam eben keine neue Religion ist, sondern in der Nachfolge von Abraham, Ismael, Isaak und Jakob, Mose und Jesus den uranfänglichen wahren Glauben vertritt (Sure 2, 129-134). [41] Weitere Beispiele bei Pye 2001: 6. [42] Siehe [43] Siehe (Zugriff vom 07.03.2008). [44] Eigentlich hat Ifá nach KóláÙ AbímbóláÙ sechs Bedeutungsvarianten (AbímbóláÙ 2006: 47). [45] George Simpson schreibt, dass die Bewegung mit ihren Vorläuferorganisationen in den frühen 1930er Jahren entstand, als Yorùbá-Christen sich wieder ihrer alten Religion zuwandten (Simpson 1970: 81-82). – 105 –

Seu castigo não tardou e no caminho da Criação ele bebeu vinho demais. Ao matar a sede que o consumia, acabou se embebedando e adormeceu na estrada. Odudua, que tinha feito os sacrifícios, roubou de Obatalá o saco da Criação e com tudo o que havia dentro fez o mundo. Quando Oxalá acordou da bebedeira deu-se conta do seu erro e inconformado viu que o mundo acabara de nascer. O Ser Supremo castigou Obatalá impondo-lhe muitos tabus, mas deu-lhe a oportunidade de completar a Criação, uma vez que o homem ainda não havia sido feito. E Obatalá criou o homem. (Prandi 2001: 424f.)46

Das bedeutet natürlich nicht, dass der afrobrasilianische Candomblé seit endloser Zeit existiert oder gar eine einfache Fortsetzung afrikanischer Yorùbá-Religion sei! Zwischen den afrikanischen Wurzeln und der jeweiligen Gegenwart von Rastafari und Candomblé liegen Kreolisierung und Transkulturation, wobei diese Wandlungsprozesse in Brasilien sehr viel anders als in Jamaika abliefen und folglich das Ergebnis ein anderes ist. Dennoch besteht sehr wohl die „history of resistance“ (Zips 1999: xi), die - sieht man die gesamte afrikanische Dia- spora in beiden Amerikas – ein Kulturmuster darstellt. Im Grunde ist auch Krug dieser Über- zeugung, wenn sie schreibt: „The Jamaican Maroons are thus both unique and part of a conti- nuity of culture and maroonage“ (Krug 2005: 55). Zu den Ergebnissen ihrer Untersuchung gehört dann die Feststellung:

Even maroonage, so often regarded as unique to the plantation slavery societies in the New World, has African antecedents and analogs. The Maroons created their society in response to the particular needs of their social, physical, political, and spiritual environ- ment, but they modified patterns of behavior and belief from Africa to do this. (ebd.)

Zweifellos hat der Widerstand in der Neuen Welt mit Kreolisierung zu tun, war also kei-

[46] „Im Anfang von allem, als es noch keine Trennung zwischen Himmel und Erde gab, lebten Obatalá und Odudua zusammen in einem Flaschenkürbis … Im Anfang sollte Obatalá auf Befehl Olodumares die Welt schaffen. Aber Obatalá vollzog nicht die Opfer, die ihm empfohlen worden waren. Seine Strafe ließ nicht lange auf sich warten und auf dem Wege zur Schöpfung trank er zuviel Wein... Um den Durst zu besiegen, der ihn plagte, wurde er schließlich volltrunken und schlief auf der Straße ein. Odudua, der seine Opfer voll- zogen hatte, raubte Obatalá den Sack der Schöpfung und mit allem, was er darin hatte, machte er die Welt. Als Obatalá vom Rausch erwachte, wurde ihm sein Fehler bewusst und trotzig sah er, dass die Welt bereits entstanden war. Das Höchste Wesen bestrafte Obatalá, indem er ihm viele Tabus auferlegte, aber gab ihm die Möglichkeit die Schöpfung zu vollenden, zumal der Mensch noch nicht geschaffen worden war. Und Obatalá schuf den Menschen.“ – 106 – ne Fortschreibung afrikanischer Verhältnisse, sondern führte über den Prozess der Transkul- turation zu neuen Formen sozialer und kultureller und damit auch religiöser Existenz. In dies- em Sinne bestimmte das Kontinuum der Resistenz die interreligiöse Begegnung zwischen afrikanischen, christlichen und amerindianischen religiösen Vorstellungen. An dessen einem Ende kann die Übernahme des Christentums stehen, in das jedoch afrikanische Religiosität und afrikanisches Ritual eingebracht werden; im Falle der Indianer wäre es dann indianische Religiosität und indianisches Ritual. Am anderen Ende des Kontinuums der Resistenz stünde jedoch eine neue „Afro-Religion“47, die neben christlichen Elementen auch solche amerin- dianischer Herkunft im Zuge der Transkulturation aufgenommen hat. Natürlich kann das Er- gebnis auch eine neue amerindianische Religion sein, die afroamerikanische und christliche Traditionen im Zuge der interreligiösen Begegnung in die eigene Vorstellungswelt und Praxis einbezogen hat. Zu verweisen wäre hier auf die Pajelança und den Catimbó in Brasilien (Bas- tide 1995: 241-254; Pollak-Eltz 2001: 226-228, vgl. Pollak-Eltz 1994: 113-115),48 die nach Reginaldo Prandi Beispiele für die religiöse Entwicklung im Nordosten Brasiliens sind, wel- che zeitlich der Neuorganisation afrikanischer Religionen auf dem Boden Brasiliens voraus- ging (Prandi 1995/96: 66, vgl. 70). Nach Olga Cacciatore haben auch der Spiritismus der Kardecisten und der aus der hebräischen Kabbala stammende europäische Okkultismus Einflüsse ausgeübt (Cacciatore 1988: 24f.).

a. Cimarrones, Maroons und andere Rebellen in Jamaika

Der Fluss Martha Brae im Norden Jamaica (Trelawny Parish) erfreut sich bei Raftern großer Beliebtheit. Der Name stammt von einer Taíno-Frau, die der Volkslegende nach auf übernatürliche Weise den Lauf des Wassers ändern konnte und so die Gold suchenden Spanier ins Verderben führte.49 Sie wurde zur Vorläuferin einer Vielzahl von rebellischen Sklavinnen afrikanischer Herkunft, unter denen „Grandy“ Nanny im 18. Jahrhundert eine herausragende Stellung einnehmen sollte (Mathurin 1975). „Xaymaca“, das „Land der Wälder und Wasser“50 oder vielleicht „Yemaya“51, das

[47] Dieser Begriff ist Übersetzung von „religião afro“, womit die Anhänger des Candomblé oder Xangô in Brasilien ihre religiösen Traditionen zusammenfassen. [48] Die im brasilianischen Portugiesisch übliche Schreibung ist nicht „Pagelança“ und „Catimbo“, sondern die von uns angegebenen Formen. Es ist ein Ärgernis, dass Herausgeber und Verlag in jenen Beiträgen von Angelina Pollak-Eltz (Encyclopedia of African and African-American religions, 2001), die sich auf Brasilien beziehen, fast durchweg die spanischen Begriffe haben stehen lassen und keine Ersetzung durch die Origina- lsprache vorgenommen haben. Pajelança ist abgeleitet von Tupi-Guarani payé und bezeichnet den Zauberer und magischen Heiler (Cacciatore 1988: 206), typologisch den Schamanen (Pollak-Eltz 2001: 226). Catimbó wiederum stammt nach den neueren Forschungen von Yeda Pessoa de Castro aus der Bantusprache und meint eine Trommel (Castro 2001: 206; anders Cacciatore ibd.: 86 und Pollak-Eltz ibd.: 227). [49] „Beware the wisdom of Martha Brae“ ( [Zugriff vom 19.03.2006]). [50] Siehe Art. „Jamaica“, in: Gran Enciclopedia de España, vol. 11, 5461. [51] Siehe Oruno D. Lara, „Jamaïque“, in: Encyclopædia Universalis (DVD Version 10.1, Paris 2004). – 107 –

„Land der Quellen“, von Taínos – eine Untergruppe der Sprachfamilie der Arawaks52 – besie- delt, von Kolumbus 1494 entdeckt und seit 1509 von Spaniern besiedelt, wurde ab dem 10. Mai 1655 von den Briten erobert. Taíno-Indianer gab es möglicherweise nicht mehr (Wil- liams 1938: 379 Anm. 153), dafür aber mehrere Hunderte von Sklaven afrikanischer Herkunft, welche die spanischen Herren freigelassen hatten, damit sie gegen die Briten kämpfen soll- ten. Teilweise führten sie, zurückgezogen in den Bergen, zusammen mit dem spanischen Gouverneur, Don Christoval Ysassi Arnaldo, einen Guerilla-Krieg gegen die Briten, während andere Sklaven sich in drei Siedlungen zurückzogen. Eine Gruppe von ihnen unter Führung des ehemaligen Sklaven Juan de Bolas (alias Juan Lubolo) wechselte zu den Briten über und verhalf diesen 1660 zum entscheidenden Sieg über die Spanier. Juan de Bolas fiel 1663 im Kampf gegen die zwei anderen Sklavensiedlungen, die sich der britischen Herrschaft entzo- gen hatten. Dort in den Bergen lebten die ehemaligen Sklaven der Spanier in autonomen Siedlungen – als Maroons, und bildeten den Kern für die kommenden Maroon Wars! Wer waren diese Maroons, die in weiten Teilen des kolonialen Amerika autonome Gemeinschaften bildeten und sich bewaffnet gegen die Kolonialherren wehrten? Das engli- sche Wort „Maroon“ ist aus philologischer Sicht eine Ableitung aus dem hispanischen ci- marrón, wie auch das portugiesische cimarrão, französische marron oder das niederländische marron. Das Adjektiv cimarrón (Plural: cimarrones) hat die Bedeutung von „aufständisch“ und „wild“ angenommen, „aplicado a los indios, negros y animales huídos, ,salvaje, silve- stre‘, probablemente derivado de cima, por los montes adonde huían los cimarrones“.54 Der Begriff taucht erstmals in einem spanischen Dokument 1535 auf, in der englischsprachigen Literatur 1626 zunächst noch als Symerons in Philip Nichols „Sir Francis Drake revived“55 und schließlich 1666 als Marons, meint aber immer noch die „original Spanish fugitives“. Erstmalig im Jahre 1730 werden nach Robert Charles Dallas’ „History of the Maroons“ auch

[52] Siehe Susanna Monzon, „Taïno“, in: Encyclopædia Universalis (DVD Version 10.1, Paris 2004) [53] Die Möglichkeit des Überlebens von Taínos bleibt jedoch gegeben, wie die Maroon-Expertin Barbara Ko- pytoff formuliert hat: „ … there may have been some Amerindians among the Maroons. There is a possibili- ty that some of the Arawak Indians, most of whom had died out by the 17th century, remained in the interior to mix with later escapees from Spanish and, later, British rule in the island“ (Kopytoff 1976: 36f.). Auch Kofi Agorsah verweist auf Grund neuerer Untersuchungen auf kulturelle Interaktionen zwischen Taínos und entlaufenden afrikanischen Sklaven (Agorsah 1994a, 1994b). [54] „angewandt auf die Indianer, Schwarzen und entflohene Tiere, ,unzivilisiert, verwildert‘, möglicherweise abgeleitet von Bergspitze, wegen der Berge, wohin die cimarrones flüchteten“ (Joan Corominas con la co- laboración de José A. Pascual. 1984. Diccionaro crítico etimológico castellano e hispánico, 1. reimp. [Bi- blioteca románica hispánica, V. Diccionarios, vol. 7], Madrid: Editorial Gredos, 76; vgl. Real Academia es- pañola (ed.). 1992. Diccionario de la lengua espanõla, 21. ed., Madrid, vol. 1, 475; zur Elimination der Vorsilbe ci- siehe Georg Friederici. 1947. Amerikanistisches Wörterbuch [Abhandlungen aus dem Gebiet der Auslandskunde, vol. 53, Reihe B: Völkerkunde, Kulturgeschichte und Sprachen, vol. 29], Hamburg: Cram; de Gruyter, 191-192 und The Oxford English dictionary being a corrected re-issue ... of a new Eng- lish dictionary on historical principles. 1933, Oxford: At the Clarendon Press, vol. 6, 178). [55] Auf Seite 7 wird angeführt, dass diese bereits vor 80 Jahren, d.h. 1512 ihren spanischen Herren entflohen waren, „and since grown to a Nation, under two Kings of their own“ ( [Zugriff vom 21.03.2006]). – 108 – die in Jamaica entflohenen Sklaven als Maroons bezeichnet:

The term Maroon has been hitherto confirmed to the body of original Spanish fugitives, and it was not till about the year 1730, when Cudjoe had become formidable, and the par- ties were fitted out against him, that he and his people were included in the appellation. They began at that time to pursue a more regular and connected system of warfare, and, in their frequent skirmishes with the troops sent out against them, acquired an art of at- tack and defence, which, in the difficult and hardly accessible fastnesses of the interior of the island, has since so often foiled the best exertions of disciplined bravery. (Dallas I: 33f.)

Auch wenn man den Thesen von Sultana Afroz (siehe Seite 20) nicht immer zustimmen kann, weil sie zu wenig differenziert, so dürfte sie sicherlich darin Recht haben haben, dass sich unter den spanischen Maroons Muslime befanden. Ebenfalls dürfte es zutreffend sein, dass sich auch unter den britischen Sklaven — sofern sie aus der Region von Senegambia und der „Windward Coast“ kamen — viele Muslime befanden, die dann als Krypto-Muslime auf den Plantagen arbeiten mussten (Afroz 1999). Das islamische Erbe unter den britischen Maroons bedarf noch der Erforschung, z. B. an Hand der Schiffslisten über die Sklaven- importe. Die bisherigen Ausführungen dienten dem Nachweis, dass Jamaica in die allgemeine Ge- schichte der Marronage oder englisch Maroonage56 – das Wort meint den Akt des Verlassens des Sklavenbesitzers seitens des marron bzw. maroon (Debbasch 1961: 1) – gehört, wie sie aus der gesamten Karibik und beiden Amerikas überliefert ist. Ziel derselben war häufig die Schaffung eines eigenen Gemeinwesens, spanisch palenque. In Jamaika sind es die maroon communities, in Brasilien sind es die quilombos57 oder (wenn auch seltener) mocambos58 –, die wehrhafte Gemeinschaften bildeten. Das Wort palenque verweist bereits auf diesen Charakter der Wehrhaftigkeit, wird es doch abgeleitet von katalanisch palenc, was empaliz- da, d.h. von „Palisaden umgeben“ bedeutet.59 Voraussetzung für die Bildung solcher Gemein- schaften war jedoch der Prozess der Kreolisierung (Debbasch 1961: 192), der es den aus ver- schiedendsten afrikanischen Nationen stammenden und von ihren afrikanischen Wurzeln abgeschnittenen Sklaven erlaubte, neue Strukturen in Amerika zu entwickeln und aufzubauen. Erin Mackie 2005: 39 hat jedoch unter Hinweis auf Edward Long und Bryan Edwards jüngst zutreffend erklärt, dass man im 18. Jahrhundert für das Wort Maroon eine andere Ety-

[56] Siehe Aaron Myers, „Maroonage in the Americas“, in: Africana, pp. 1253-1255. [57] Quilombo stammt von Kikongo/Kimbundu kilombo, was eine Wohnsiedlung bezeichnet (Castro 2001: 324). [58] Mocambo, auch mucambo, wird von Kikongo mukambu abgeleitet, was eine Zuflucht oder ein Versteck bezeichnet (Castro 2001: 285). [59] Real Academia española (ed.). 1992. Diccionario de la lengua espanõla, 21. ed., Madrid, vol. II, 1506. – 109 – mologie kannte. Bei Long, der die Form Marons anführt, lesen wir:

Probably derived from the Spanish Marráno, a porker, or hog of one year old. The name was first given to the hunters of wild hogs, to distinguish them from the bucaniers, or hunters of wild cattle and horses. (Long [1774] 1970, vol. II: 338 Anm. l)

Diese Etymologie führt auch Edwards [1798] 1966, vol. I: 523 an. Bedenkt man jedoch, dass der Begriff Marranos in Spanien und Portugal vor dem 18. Jahrhundert seit geraumer Zeit bereits für Krytojuden benutzt wurde, andererseits aber während der holländischen Inva- sion des portugiesischen Brasilien im 17. Jahrhunderts auch auf die Protestanten angewandt werden konnte, dann erscheinen Etymologie und Semantik des Begriffs Marranos keines- wegs mehr sicher.60 Interessant ist aber im obigen Zitat der hier gesehene Zusammenhang zu den Bukaniers (Piraten); diese hatten bekanntlich zeitweilig ihre Landbasis auch im jamaikanischen . Maroons, Piraten, die rude boys oder yardies Kingstons und Rastafari bilden nach Mackie die vier karibischen Subkulturen, die für Widerstand gegen die bestehenden Gesell- schaftsverhältnisse und eine andere Gesellschaft stehen.61 Ab 1673 begann dann die Kette von größeren und großen Sklavenrevolten in Jamaika: Mindestens 300 Sklaven in St. Anne Parish flohen in die Berge. 1690 flohen mehr als 500 Sklaven in die Berge von St. Clarendon Parish; zu ihrem Führer sollte Cudjoe62 werden, der dann bis 1739 als einer der wichtigsten Militärführer der Maroons Krieg gegen die Briten führte. Diese holten 1720 afroamerindische Miskito von der Karibik-Küste Nikaraguas ins Land, um die maroon communities zu erobern, was jedoch misslang. Von 1730 bis 1739 ver- suchten die Briten dann in einem regelrechten Krieg, dem First Maroon War, vergeblich die Maroons, die nun von Captain Cudjoe, seinem Bruder , Quao und Nanny ange- führt wurden, militärisch zu besiegen. Da das aber nicht gelang, wurde am 1. März 1739 mit Cudjoe und den Leeward Maroons ein Friedensvertrag geschlossen, der die jahrzehntelangen kriegerischen Auseinandersetzungen beendete. Am 23. Juni 1739 unterschrieb Quao, der Führer der Windward Maroons einen Friedens- vertrag, aber die „[…] Windward Maroons never ceased to be suspicious of the whites and made it quite clear that the treaty was signed with great reluctance and out of sheer necessity“ (Patterson 1970: 313). In beiden Verträgen wurden die Maroons vertraglich an die britische Krone gebunden, erhielten jedoch eine Autonomie, die es ihnen ermöglichte, die Vielfalt eth- nischer Elemente in ihrer Mitte zu einer neuen gemeinsamen ethnischen Identität zu ent- wickeln, wenngleich der Vertrag mit den Windward Maroons restriktiver formuliert war.

[60] Zum gesamten Anwendungsspektrum des Begriffs Marranos siehe Elias Lipiner. 1999. Terror e linguag- em: um dicionário da Santa Inquisição, Santa Maria da Feira: Círculo de Leitores, 166-169. [61] Gestützt auf die neueren Forschungen zeigt Mackie 2005, dass die „Piratenrepubliken“ wenig mit dem Schreckbild der Rebellen auf der Leinwand zu tun hatten. [62] Siehe Alonford James Robinson, „Cudjoe“, in: Africana, p. 542. – 110 –

Auf jeden Fall errangen sie auch eine Autonomie in Fragen der Religion, die dazu führte, dass einzelne pattern afrikanischer Religiosität — z. B. die Verknüpfung von Ahnen und All- tagsleben, der Reinkarnationsgedanke, das Heilen durch „bush doctors“ und vor allem die Zeremonie des „Kromanti Play“ mit Phänomenen der Besessenheit (Bilby 2008)— bis heute überlebt haben. Allerdings muss auch gesagt werden, dass ab 1827 mit Errichtung der ersten Missionsstation der Church Missionary Society (Anglican Church) ein merklicher religiöser Wandel sich vollzog, der zu einer Verdrängung der alten afrikanischen Kosmologie durch die christliche Gottesvorstellung führte (Kopytoff 1987). Nach Ende der Maroonkriege gab es vier große Maroon-Städte: Trelawny Town (Cud- joe’s Town) und Accompong63 als Hauptsiedlungsgebiete der Leeward Maroons im Cockpit Country sowie Crawford Town und Nanny Town64 in den Blue Mountains als Siedlungsge- biete der Windward Maroons. Die Selbstbehauptung der afrikanischen Maroons im Kampf gegen die Briten ist bis heute nicht vergessen und ist auch für Rastafari immer noch von Be- deutung.65 Die Traditionen der Maroons von Moore Town sind inzwischen von der UNESCO auf die Liste der „Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity“ gesetzt worden! In diesen Kämpfen hatte obeah (siehe IV.3.a.) eine wohl nicht unbedeutende Rolle ge- spielt, auch insbesondere was die jamaikanische Nationalheldin „Grandy“ Nanny angeht (Gottlieb 2000: 55-65). Schon der Titel „Grandy“, den die Maroons auf bedeutende Persön- lichkeiten anwenden, bedeutet u.a. auch „possessing female ancestor spirit“ (Bilby zit. in Go- ttlieb 2000: 41):

Her role was very much in the tradition of Ashanti priests/priestesses and magicians who performed essential function in African warfare. Such magico-religious leaders customa- rily advised on the best time for waging war, they gave warriors charms to protect them from injury, they participated with the military commanders in rituals designed to weaken the enemy. Nanny became celebrated as a great worker of magic. In the words of a nineteenth centu- ry Maroon chief, „Nanny had more science in fighting than even Cudjoe ... After the signing of the treaty, Nanny say that she show them science. She told fifty soldiers to load their guns and then to fire on her. She folds back her hands between the legs and catches the fifty shots. This was called Nantucompong, Nanny takes her back to catch the balls.“ (Mathurin 1975: 36)

Werner Zips dagegen vergleicht Nanny eher mit der „Königinmutter“ (Ohemma) — sie

[63] Wahrscheinlich eine inkorrekte Transliteration des Akan-Wortes OnyankopÇn. [64] Siehe Alanford James Robinson, „Mooretown, Jamaica ()“, in: Africana, p. 1332. [65] Siehe z. B. „Domination and resistance in Jamaican history“ auf der Website (Zugriff vom 19.03.2006); die Dokumente werden häufig abgedruckt, vgl. z. B. Wil- liams 1938: 451-453 und 457-459. – 111 – musste nicht die leibliche Mutter des Königs oder Chief sein — im westafrikanischen, ins- besondere Ashanti-Kontext (Zips 1998). Sie war gleichzeitig die „personifizierte Weisheit“ (aberewa; ebd.: 208). Nanny starb einige Jahre nach 1750 und wurde auf einem Hügel in Moore Town (= New Nanny Town) begraben; der Platz, Bump Grave genannt, gilt als ein heiliger Ort. Sie ist in Übereinstimmung mit der Ashanti-Tradition für die Maroons zur Ahnfrau geworden, zur Mutter ihres Volkes: „Queen Nanny“ (Gottlieb 2000: 67-78 ). Ihre Statue steht zusammen mit denen der übrigen sechs Nationalheroen Jamaikas im National Heroes Park in Kingston, ihr Konterfei (sofern es dann historisch ist), ziert den 500-$-Schein der jamaikanischen Währung. Von Juli 1795 bis März 1796 gab es einen zweiten Maroon-War, der sich ausschließlich gegen die rebellierenden Trelawny Town Maroons richtete. Diese ließen sich jedoch dazu überreden, die Waffen niederzulegen – im Austausch gegen eine Amnestie.66 Überdies hatte Major General Walpole, dem die Maroons vertrauten, ihnen neues Land versprochen. Der neue Gouverneur, Earl of Balcarres (1795-1801), und die Assembly of Jamaica hielten sich jedoch nicht an das Versprechen. Sie hatten das Beispiel Haitis vor Augen, wo Toussaint L’Overture (1743?-1803) 1794 die Sklaven der französischen Kolonie befreit hatte. Die Kun- de von der erfolgreichen Revolution der Sklaven (Schüller 1992: 22-37)67, die am 1. Januar 1804 zur Unabhängigkeitserklärung Haitis führen sollte, fand nicht nur ein furchteinflößendes Echo in der Karibik und Europa (Sheller 2000:81-82)68, sondern beschäftigte auch die Skla- venhalter in Nordamerika und Spanisch-Südamerika, nachdem Haiti dazu übergegangen war, Simón Bolívar zu unterstützen. Der Unabhängigkeitskampf Haitis sollte sogar die deutsche Historiographie beschäftigen (Schüller 1992; 2001). Es erstaunt also nicht, dass die Trelawny Town Maroons nach Nova Scotia deportiert wurden. Im Juli 1796 kamen 550 Maroons in Halifax an, wo sie unter menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit an der Zitadelle gezwungen wurden. Im Jahre 1800 werden dann die meisten von ihnen nach Sierra Leone gebracht. Dieser Vorgang fällt in die aus rassistischem Denken geborene „Back to Africa“-Bewegung der britischen und amerikanischen Regierun- gen. Thomas Jefferson konnte sich keine gleichberechtigten und schwarzen Bürger vorstellen und fürchtete die „miscegenation“, wie auch die Briten um ihre rassische „purity“ besorgt waren (Campbell 1993: ii). Aber Olaudah Equiano alias Gustavus Vassa (1745-1797), der

[66] Siehe Kimberley Henke Breuer, „Trelawney Town Maroons“, in: The historical encyclopedia of world slavery, Vol. 2, pp. 648-649. [67] Siehe Art. „Haitian Revolution“, in: Africana, pp. 912-913. In der Africana wie auch bei Schüller (ebd.: 25) findet sich noch der Gründungsmythos Haitis, wonach der aus Jamaika stammende Sklave Boukman in der Nacht vom 14. August 1791 mit Hilfe einer Vaudou-Zeremonie auf einer Lichtung im Bois-Caïman im Norden von Saint-Domingue seine Gefährten darauf eingeschworen hätte, die weißen Herren zu töten und für die Freiheit zu kämpfen. Auch wenn der Freiheitsbaum noch heute gezeigt wird, findet sich darüber nichts in den Kolonialarchiven oder Deklarationen der Rebellen (Hoffmann 1992: 269-271). [68] Siehe auch Matthew J. Shaw, „Emigration, abolition and the Atlantic world in the revolutionary era“, in: Electronic British Library Journal, vol. 2003, article 3 ( [Zugriff vom 07.04.2007]). – 112 –

Ex-Sklave aus Nigeria und Kämpfer für die Abolition, ließ sich für das Projekt der Repatriie- rung von freigelassen Sklaven nach Sierra Leone engagieren, entdeckte jedoch bald, dass es sich nicht um ein philanthropisches Unternehmen handelte und wurde nach seiner Kritik aus dem Projekt entlassen.69 Jahre später sollte der afroamerikanische Unternehmer und Philanthrop Paul Cuffe (1759-1817) die Massenemigration von Afroamerikanern nach Sierra Leone empfehlen: „ins- tances of racial discrimination demonstrated to him that blacks would never be considered equal by white Americans“. 1815 brachte er die ersten 38 Afroamerikaner nach Sierra Leone. Er unterstützte sogar die „American Colonization Society“ weißer Südstaatler, die freigelas- sene Sklaven aus den USA abschieben wollten. Cuffe war bezüglich der Repatriierung ein Vorläufer von Marcus Garvey, der für die Rastas von erheblicher Bedeutung ist. Es ist zwei- fellos eine Ironie der Geschichte, dass den aus Afrika stammenden freien Sklaven und/oder deren Nachkommen zu einer Zeit, als die Sklaverei sich ihrem Ende näherte, die Rückkehr nach Afrika aus rassistischen Gründen nahegelegt wurde, während die Rastas mit ihrer vor Jahrzehnten erhobenen Forderung nach Repatriierung von Seiten der jamaikanischen Regie- rung keine ernsthafte Unterstützung gefunden haben. Es bleibt abschließend noch die Frage zu klären, warum die Maroons von Accompong dem „Trelawny people“ nicht zur Hilfe kamen, sondern sich auf die Seite der Regierung ge- schlagen haben (Dallas 1968, vol. I: 205). Die Antwort lässt sich nur in einem größeren Kon- text finden, zu dem auch die Mithilfe der Maroons bei der Niederschlagung von „Tacky’s Re- bellion“ und anderer Sklavenaufstände zählt, dann die einträgliche Jagd auf entlaufende Sklaven und schließlich 1865 die Mitwirkung bei der Ermordung von Paul Bogle und der Massenexekution von 438 schwarzen Siedlern im „Morant Bay incident“. „Jamaicans still cite the ,betrayal of Paul Bogle‘ as the major reason for dislike of and prejudice towards Ma- roons“ (Krug 2005: 36). Warum gab es keine Solidarität zwischen Maroons und anderen Schwarzen in Jamaika? Krug sieht wohl zu Recht die Erklärung darin, dass mit den Friedensverträgen von 1738 und 1739 eine Grenzlinie zwischen Maroons und anderen schwarzen Jamaikanern gezogen wurde (2005: 31), insofern die Verträge die Maroon-Identität institutionalisierte:

No longer “rebellious Negroes”, the former fugitives now had rights and duties in the eyes of the British crown; more importantly, to the Maroons, they had rights and duties that were sworn upon by a sacred blood oath, sworn to the gods. The cohesion of the Ma- roons into a singular ethnic identity occurred within the period between 1690, and the re- volt of the Kromantis in Clarendon, and 1739, or one or two generations. Though ama- zingly rapid, this identity would be powerful force in Jamaican history. (Krug 2005: 32)

Sklavensysteme mit Plantagenwirtschaft führen häufig zu Sklavenaufständen (Schuler

[69] Siehe Leyla Keough, „Equiano, Olaudah“, in: Africana, pp. 684f. – 113 –

1970), die sicherlich eine Gefahr für die bestehende Ordnung darstellen. Dagegen gilt: „Le phénomène de marronage n’est plus, tout compte fait, une menace permanente contre l’ordre public“ (Debbasch 1961: 195). Im Falle Jamaikas ging die britische Maxime des divide et impera voll auf: Die Maroons wurden politisch isoliert und damit aus der Geschichte des afri- kanischen Widerstandes auf Jamaika ausgeklammert: sie haben zu dieser Geschichte aktiv nichts mehr beigetragen! Insofern ist es historisch richtig, wenn der oben zitierte Jah Bones die Maroons in der Vorgeschichte von Rastafari nicht erwähnt. Aber dennoch ist die Erfolgs- geschichte der Maroons für die übrigen Schwarzen Jamaikas dahingehend ein Vorbild, dass der Widerstand gegen die Sklaverei durchaus zu einem Erfolg führen konnte.70 Und dass es möglich war, Teile der eigenen Kultur und Religion in kreolisierter Form zu bewahren! Die schon erwähnte Rebellion unter Führung des Koromantin [= Akan-]-Sklaven Tacky begann am 7. April 1760 in St. Mary’s Parish (Long [1774] 1970, vol. III: 450-463).71 Ob- gleich Tacky — zusammen „with all all his feathers, teeth, and other implements of magic“ (ebd.: 452) — gleich zu Beginn ergriffen und gehängt worden war, verbreitete sich die Gue- rilla über weitere fünf Parishes und zog sich bis Oktober 1761 hin. Bemerkenswert war auch die herausragende Rolle einer Sklavin mit Namen Cubah, die als „Queen of Kingston“ — „at their meetings she had sat in state under a canopy, with a sort of robe on her shoulders, and a crown upon her head“ (ebd.: 455) — offenbar die Funktionen einer traditionellen westafri- kanischen Königinmutter übernahm (Mair 2006: 67). Im 19. Jahrhundert wird sich zeigen, dass schwarze Frauen nicht nur an politischen Rebellionen entscheidend Anteil hatten (Shel- ler 2000:179-182), sondern als „Mother“ oder „Queenie“ auch Führungsrollen in Revival Zion, Pukkumina und Kumina übernahmen. Für das 20. Jahrhundert und die Gegenwart gilt das auch mit Blick auf die Pfingstler und Holiness-Denominationen in Jamaika (Sheller 2002: 10). Die Frau als religiöser Führer findet sich auch in anderen Teilen der Afrikanischen Dia- spora, wie das Beispiel des Candomblé zeigt. Von der Gründung des Ilê Axé Opô Afonjá in Salvador durch Mãe Aninha im Jahre 1910 bis zu Mãe Stella do Oxossi in der Gegenwart liegt die Führung dieses Terreiro in den Händen von Frauen: Iyalorixás. Das gilt auch von der Casa Branca do Engenho Velho (Ilê Axé Iyá Nassô Oká) oder dem Terreiro do Gantois (Axé Yamassê). Mãe Menininha do Gantois (Maria Escolástica da Conceição Nazaré, 1922-1986), die als Oberpriesterin den Candomblé modernisierte und auch gegenüber Weißen und Katholiken öffnete, ist bis heute in Brasilien unvergessen! Man kann sogar von weiblichen Dynastien sprechen, insofern die Iyalorixás innerhalb einer Linie, die in der Tra- dition des Terreiro steht, aufeinander folgen.

[70] Im Oktober 2000 kam es zur Erinnerung an den Freiheitskampf der Maroons, insbesondere den der Tre- lawny Town Maroons während der „Heritage Week“ zu einer großen Zusammenkunft (siehe Mary Lang- ford, „Remembering the Maroons of the Cockpit Country“ [ (Zugriff vom 28.03.2006)]). [71] Siehe Diana Paton, „Tacky’s rebellion (1760-1761)“, in: The Historical encyclopedia of world slavery, vol. II: 625. – 114 –

Die Rebellion von 1760 war eine der größten Revolten afrikanischer (Akan-)Sklaven in Jamaikas Geschichte, die mit Hilfe der Scot’s Hall Maroons niedergeschlagen wurde. Etwa 500 Sklaven fielen im Kampf oder wurden exekutiert, weitere 500 wurden nach Britisch- Honduras (Belize) deportiert. John Thornton vergleicht diese Revolte mit der Revolution in Haiti (1791-1804; Thornton 1993: 201). Wie schon bei den Maroons, die ebenfalls überwie- gend dem Volk der Akan entstammten, spielte Obeah wieder eine wichtige Rolle, wie der Schilderung von Edward Long, dem Pflanzer und Historiker Jamaikas, über einen gefangenen „Obeah man“ entnommen werden kann:

He was an old Coromantin, who, with others of his profession, had been a chief in coun- seling and instigating the credulous herd, to whom these priests administered a powder, which, being rubbed on their bodies, was to make them invulnerable: they persuaded them into a belief that Tacky, their generalissimo in the woods, could not possibly be hurt by the white men, for that he caught all the bullets fired at him in his hand, and hurled them back with destruction to his foes. This old impostor was caught whilst he was tricked up with all his feathers, teeth, and other implements of magic, and in this attire suffered military execution by hanging… (Long [1774] 1970, vol. II: 451-452)

b. Der „Baptist War“, 1831-1832

1831 kam es in Jamaika zu einem neuen Sklavenaufstand, der als „Baptist War“ bezeich- net wurde, weil ihr Anführer, der Sklave Samuel Sharpe (1801-1832), Diakon des populären Baptistenpfarrers gewesen war. Die Native Baptists unterstützten indirekt die Rebellion, insofern sie die Emanzipationsbewegung unterstützten. Burchell selbst weilte zu jenem Zeitpunkt nicht auf der Insel. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Sharpe wurde gehängt, Burchell und sein Kollege William Knibb wurden verhaftet; letzterer floh nach seiner Freilassung nach England, wo er sich engagiert für die Emanzipation einsetzte (Loth 2003: 703)72. Diese außerordentlich große Rebellion von 50.000 Sklaven, die auch als „Christmas Rebellion“ oder „Samuel Sharpe’s Rebellion“ in die Geschichte einging, ergab sich aus Sharpes Plan, die Plantagensklaven zum Streik aufzurufen: „The slaves would go on strike (“sit down” as they said!) and refuse to go out to work until the owners agreed to pay them a wage for their labour“ (Reid 1988: 59; vgl. Bleby [1853] 2008: 113). Die Maroons von der ganzen Insel boten sich den Briten freiwillig als Helfer an (ebd.: 79f.). Samuel Shar- pe wurde durch Hängen hingerichtet, 438 Afrojamaikaner73 wurden unter Kriegsrecht exeku- tiert, dennoch stellten die Ereignisse einen Wendepunkt in der Geschichte Jamaikas dar: 1834 folgte die Abolition! Samuel Sharpe zählt heute zu den sieben „National Heroes“ des Staates

[72] Siehe auch Diana Paton, „Jamaica Rebellion (1831)“, in: The Historical encyclopedia of world slavery, vol. I: 376f. [73] Die Zahlen sind schwankend, siehe Besson 2002: 101. – 115 –

Jamaika. c. Gab es in Jamaika einen Jihād?

Der Versuch von Sultana Afroz, diesen ganzen Vorgang als einen Jihād zu interpretieren (Afroz 2001), muss als nicht überzeugend abgewiesen werden, selbst wenn es sehr wahr- scheinlich ist, dass auch Krypto-Muslime an der Rebellion teilnahmen. In diesem Zusammen- hang wird eine wathīqa, also ein muslimisches „pastorales“ Schreiben74 aus Afrika angeführt, das in den Besitz von Muḥammad Kabā (siehe Seite 21) gelangt war und in dem die Anhän- ger des Propheten Muhammad aufgefordert werden, treu zu ihrem Glauben zu halten, wenn sie in den Himmel gelangen wollen (Madden II 1835: 135-136). Dieses Schreiben stammte wohl aus den Jahren 1827/28 (Diouf 1998: 59), wurde aber leider während der Sklavenrebel- lion von der Ehefrau Muḥammad Kabās aus Angst vernichtet. Ob in dieser wathīqa wirklich zum Jihād aufgerufen wurde wie etwa in der berühmten wathīqat ahl al-Ṣūdān des Shehu Us- uman dan Fodio aus dem Jahre 1804, in der gegen die Haussa-Emirate aufgerufen wurde, muss wohl eher verneint werden. Denn erstens kam es auf jenen Plantagen im Parish Man- chester, wo Kabā offensichtlich Einfluss hatte, zu keinem Austand (Gomez 2005: 54) und zweitens gehörten die Kabā zwar der Bruderschaft der Qādiriyya im westlichen Sudan an, galten aber als Gegner des Jihād (Daddi Addoun/Lovejoy 2007: 321). Bemerkenswert ist jedoch, dass eine wathīqa in Jamaika zirkulierte, woraus geschlossen werden kann, dass es doch eine gewisse Anzahl von Krypto-Muslimen gab, die den Bezug zu ihrer afrikanischen Heimat nicht verloren hatten. Und auch untereinander hat es in Jamaika wohl Kontakte gegeben, wie die Aussage von Robert Madden belegt. Im Anschluss an den Briefwechsel zwischen Muḥammad Kabā und Abū Bakr al-Ṣiddīq führt er an: „These letters are selected from a great many, addressed to me by negroes, both in English and Arabic“ (Madden II 1835: 137). Allerdings steht außer Zweifel, dass das geheime Festhalten am muslimischen Glauben keineswegs mit Rebellion oder gar Jihād gleichzusetzen wäre. Dem steht das Zeugnis des Missionars Henry Bleby (1809-1882) entgegen, der ein Augenzeuge der Geschehnisse war und den inhaftierten Samuel Sharpe und seine Mitstreiter befragt hatte. Er schildert ihn als ei- nen außergewöhnlichen charismatischen religiösen Führer, der sich auf die Bibel berief (Ble- by [1853] 2008: 111.116; 1858: 10) und den passiven Widerstand gegen die Plantokraten propagierte (ebd.: 113). Von einem der führenden Rebellen, Captain Dehany, weiß Bleby zu berichten, dass er mit dem Gebet auf den Lippen starb (Bleby 1858: 8). Kurzum, Anzeichen für einen Jihād gibt es nicht!

.“Note „diplomatische „Zeugnis“, „Beleg“, „Dokument“, wörtlich bedeutet وﺛﻴﻘﺔ .Arab [74] – 116 – d. Die „Morant Bay Rebellion“, 1865

Die Plantokraten kämpften nach der Sklavenbefreiung in den nächsten Jahrzehnten mit allen Mitteln um die Erhaltung ihrer Macht. Das führte notwendigerweise zu Auseinanderset- zungen mit den Baptisten, die den ehemaligen Sklaven bei der Gründung einer freien Exis- tenz, d.h. als kleine Farmer mit eigenem Land, halfen. Es entstand das System von „Free Vil- lages“ mit Kirche und Schule als Mittelpunkt, die ein Gegengewicht zu den großen Plantagen darstellen sollten. Die Gründung von 1834 durch den Baptistenmissionar James M. Phillippo (1798-1879) war das erste Projekt dieser Art. Die Veränderung der sozialen Ver- hältnisse führte allerdings zu einer mehr informellen Zugehörigkeit zu den Kirchen, von der die „Native Baptists“ profitierten (Loth 2003: 703). Auf Dauer gesehen sollte letzteres jedoch die religiöse Landschaft entscheidend verändern. George William Gordon (1820-1865), der — allerdings nur indirekt — eine Rolle in der „Morant Bay Rebellion“ von 1865 spielte, hatte seine Kindheit zunächst in der Church of England verbracht, sich dann aber mit „Pres- byterians“ und „Orthodox Baptists“ angefreundet, schließlich jedoch — unter dem Einfluss des „Great Revival“ (siehe IV.3.i.) — eine eigene baptistische Kirche mit Namen „Taber- nacle“ in Kingston errichtet. Wiewohl er nicht als Geistlicher ordiniert war, hat er jedoch eine Anzahl von Diakonen ernannt (Austin-Broos 1997:60), unter ihnen 1864 auch Paul Bogle (1822-1865)75, den eigentlichen Anführer der Rebellion. Um 1860 befand sich Jamaika seit einem halben Jahrhundert in einem wirtschaftlichen Niedergang, der bedingt war durch den Verfall der Zuckerpreise einerseits, aber auch infolge des Verlassens der Zuckerplantagen seitens der afrojamaikanischen Landarbeiter nach der Sklavenbefreiung, um eigenes Land zu bearbeiten. Weitere Faktoren waren: „A combination of drought and ruling-class attempts to push squatters and poor tenants from abandoned estate lands led, in the southeast of the island in the mid-1860s to a volatile sitaution“ (Watson 1997: no. 3). In dieser Situation wurde der Afrojamaikaner Paul Bogle, der auf Stony Gut in St. Tho- mas lebte, zum Anführer. Er besaß nicht nur eigenes Land, er konnte auch lesen und schrei- ben und besaß überdies das Wahlrecht. Sein Nachbar war George William Gordon, Sohn ei- nes schottischen Pflanzers und einer Sklavin — ein vermögender Selfmademan und Anwalt der armen Landbewohner. Bogle unterstützte ihn politisch nach Kräften, indem er Wähler für ihn warb. Am 12. August 1865 führte Bogle eine Gruppe von Leuten aus Stony Gut nach , um dem Gouverneur Edward Eyre ihre Sorgen und Nöte vorzutragen. Dieser weigerte sich, die Protestler anzuhören. Als dann zwei Männer aus Stony Gut vor Gericht in Morant Bay erscheinen sollten, begleitete sie Bogle mit einigen Männern. Dort verhinderten sie die Verhaftung eines Freundes, was wiederum einen Haftbefehl gegen Bogle zur Folge hatte. Den Vollzug desselben verhinderten die Bewohner von Stony Gut. Am 11. Oktober kam es

[75] Die Geburtsdaten Paul Bogles sind umstritten, wir folgen hier den „Jamaica Archives and Records De- partment; Office of the Prime Minister“ ( [Zugriff vom 02.04.2006]). – 117 – unter Führung von Bogle zu dem berühmten Protestmarsch auf das Morant Bay Court House, der zu einer Zäsur in der britischen Kolonialgeschichte führen sollte. Es kam mit Polizei und Soldaten zu einem Feuergefecht, das Gerichtshaus ging in Flammen auf, Gouverneur Eyre verhängte das Kriegsrecht. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden 439 Menschen getö- tet, überwiegend ohne Gerichtsurteil, Hunderte von Afrojamaikanern ausgepeitscht und 1000 Häuser niedergebrannt (Austin-Broos 1997: 60). Paul Bogle wurde am 24 Oktober gehenkt. Einen Tag zuvor war George William Gordon wegen Hochverrats gehenkt worden, ob- gleich er an der Rebellion nicht beteiligt und auch nicht der Drahtzieher im Hintergrund ge- wesen war. Aber für Edward Eyre war es die Gelegenheit, sich eines lästigen Gegners im „House of Assembly“ zu entledigen, was ihm den Zorn der Liberalen und Radikalen in Eng- land und Jamaika einbrachte (Watson 1997: no. 22). Aber Gordon galt nicht nur als ein aus- gesprochener Unterstützer der schwarzen Massen, er war vor allem ein „coloured“, das Er- gebnis von „hybridity“, was im aufkommenden „hereditarian racialism“ der „mid-Victorian“ Zeit die Ablehnung zur Folge haben musste: „[…] the spectre of the “hybrid” haunted the mid-nineteenth-century imagination in Britain“ (ebd.: no. 19). Trotz Charles Darwins „On the Origin of Species“ von 1859 tauchte wieder die Theorie vom polygenetischen Ursprung der Menschheit auf und James Hunt formulierte in seiner Eröffnungsansprache der 1863 gegrün- deten „Anthropological Society of London“:

Whatever may be the conclusion to which our scientific inquiries may lead us, we should always remember, that by whatever means the Negro, for instance, acquired his present physical, mental, and moral character, whether he has risen from an ape or descended from a perfect man, we still know that the Races of Europe have now much in their men- tal and moral nature which the races of Africa have not got. (zit. in Watson 1997: no.12)

Im Vergleich mit dem Sepoy-Aufstand von 1857-1859 war Morant Bay laut „The Ti- mes“ vom 18. November 1865 nur „a fleabite“, aber „it touches our pride more and is more in the nature of a disappointment. … Jamaica is our pet institution, and its inhabitants are our spoilt children“ (zit. in Watson 1997: no. 15). Dennoch stellte sich angesichts des Nieder- gangs Jamaikas und damit auch des British Imperialism die moderne Frage nach einer Gleichbehandlung aller seiner Bürger, was zur Folge hatte, dass Jamaika 1866 im Zuge einer Neuorientierung des British Empire in eine Kronkolonie umgewandelt wurde. George William Gordon und Paul Bogle sind heute Nationalheroen Jamaikas und über letzteren hat Bob Marley in seinem „Exodus“-Album von 1977 ein Lied mit dem Titel „So much things to say“ verfasst. Es bleibt jedoch noch ein wichtiger Aspekt zu erwähnen: Es war eine Mrs Geoghagan, die am 11. Oktober den ersten Stein auf die Miliz warf und später als „a sort of leader“ erwähnt wurde. Und ein Polizist beschrieb Mrs Caroline Grant als „a queen of the rebels“. Frauen wurden gehenkt und „at least two or three hundred women and girls were flogged“ (Sheller 2002: 15f.). Diese Tatsache sollte im Mutterland England zu ei- ner Anklage gegen den Gouverneur Eyre führen – 118 – e. Zwischenergebnis

Zweifellos bestand von Anbeginn der britischen Herrschaft in Jamaika eine Widerstands- bewegung. Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist festzuhalten, dass Religion in den Krie- gen der Maroons, in den Sklavenrevolten sowie den Rebellionen der Afrojamaikaner unter Samuel Sharpe und Paul Bogle eine Rolle gespielt hat. Seit Sharpe ist das Christentum in sei- ner baptistischen Form daran beteiligt. Die Morant Bay Rebellion wiederum bringt eine Rich- tungsänderung, die eine Folge des Kreolisierungsprozesses ist:

These events discredited orthodox religion and allowed the expansion of an Afro-Christi- an rite that treated biomoral malaise through healing practice and possession. (Austin- Broos 1997: 71)

Wenn Rastafari mit der Tradition des Widerstands gegen die weiße Unterdrückung ver- glichen wird, dann fällt jedoch auf, dass zum einen der Rahmen des Christentums in entschei- denden theologischen Fragen verlassen wird. Der Glaube, dass Haile Selassie der lebendige Gott ist, wäre nur als ein Indiz anzuführen. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die histori- schen Traditionen des Widerstands aus geographischer Sicht innerhalb des Landes verblei- ben. Die Rastafarier sehen dagegen in Äthiopien ihre Heimat, wiewohl sie keine echten Be- ziehungen zu diesem Land haben: Ihre Vorfahren kamen aus anderen Regionen Afrikas! Ihre Geographie ist daher eher eine mythologische oder „fantasy geography“:

Rastafarian fantasy geography has woven strands from biblical Israel and ,real‘ Africa into a picturesque, dynamic, and functional ,map‘ for mental and behavioral orientation. Specific features of the Israelite wilderness encampment, as given in the Old Testament and many of its levitical laws, were consciously interpreted and incorporated into Rasta- farian communities and the spatial organization of activities within their yards. (Eyre 1985: 145)

Drittens zeigt der gegenwärtige Forschungsstand, dass Frauen eine zentrale Stellung im Widerstand der afrokaribischen Bauernkulturen einnahmen (Sheller 2002: 1); das gilt auch mit Blick auf die Zeit der Apprenticeship von 1834-1838 und danach. Auch in der religions- geschichtlichen Entwicklung bis in die Gegenwart hinein kommt den Frauen eine herausra- gende Rolle zu. Die untergeordnete Stellung der Frau in Rastafari befindet sich im Wider- spruch zur afrojamaikanischen Widerstandsbewegung. Offensichtlich treffen wir jedoch auf einen Gegenentwurf, in dem die Rolle der Frau eher nach biblisch-christlichem Vorbild ge- prägt ist. Es ist zudem zu fragen, ob nicht auch die untergeordnete Rolle der indischen Frau — ab 1845 kamen ostindische Vertragsarbeiter ins Land — von Bedeutung ist. – 119 – 3. Afrikanische Traditionen der jamaikanischen Volksreligionen

Bekanntlich haben alle Religionen ein Repertoire an religiösen Erfahrungsformen, Sprachformen, Handlungsformen und Sozialformen (Tworuschka 2006: 148-164). In Anleh- nung an Thomas/Luneau [1975] 2004 wählen wir die folgenden Phänome aus, die wir in die- sem und dem folgenden Kapitel behandeln wollen: die „Ahnenverehrung“, Besessenheit, ri- tualisierter Tanz und Trommeln sowie die Dialektik von Ordnung und Unordnung, d. h. das Problem von Gut und Böse. Unter „Ahnenverehrung“ ist das Verhältnis zwischen Lebenden und Toten zu verstehen, wobei vorausgesetzt wird, dass mit letzteren eine Kommunikation möglich ist, dass diese sich manifestieren und die Lebenden in Besitz nehmen können. Wich- tig in diesem Zusammenhang ist die Kontinuität zwischen lebenden und toten Alten, weshalb Igor Kopytoff die Begriffe „ancestor cult“ oder „ancestor worship“ für unangemessen hält und lieber von „eldership“ spricht (Kopytoff 1971). In diesem Sinne werden wir, aus Erman- gelung eines anderen Begriffes, von „Ahnen“ und „Ahnenverehrung“ sprechen. Die Besessenheit oder Inbesitznahme kann durch den Ahnen oder eine Gottheit gesche- hen; in der Regel ist dafür eine Initiation erforderlich. Der ritualisierte Tanz und auch der Einsatz der Trommeln kann zu verschiedenen Gelegenheiten erfolgen: als Gottesdienst, zur Einleitung der Trance oder — im umgekehrten Uhrzeigersinn — zur Fokussierung von Geis- tern Verstorbener. In den Bereich der Dichotomie von Gut und Böse fallen solche Phä- nomene wie Magie und Zauberei, aber auch Heilen als Gegenpol zum Schadenszauber. Wir wollen im Folgenden sehen, inwieweit diese Phänomene in den jamaikanischen Volksreligionen anzutreffen sind. Dieses ist insofern wichtig, um beurteilen zu können, ob Rastafari als eine afrojamaikanische Religion in dieser Tradition steht oder hinsichtlich des einen oder anderen Phänomens abweicht. Wir erhoffen uns davon Rückschlüsse auf den „afrikanischen“ Charakter dieser Religionen!

a. Obeah — eine afrojamaikanische Glaubenstradition

Eine bekannte jamaikanische Redewendung lautet: „Duppy know who fi frighten“!76 Außerhalb Jamaikas ist duppy durch ein Lied Bob Marleys bekannt geworden: „Duppy Con- queror“, womit eine streitlustige oder herrische Person gemeint ist (Cassidy/Le Page 2002: 165). In ihrem Buch über jamaikanische Folklore der Gegenwart schreibt Daryl Cumber Dance:

Some of the most interesting, unusual, fascinating, and frightening inhabitants of Jamaica are the duppies. Duppies are spirits, but they are very different from the ghost spirits with whom most of us are familiar. Unlike the rather drab, colorless ghosts that float around in

[76] In etwa zu übersetzen mit „Duppy weiß in Furcht und Schrecken zu versetzen“, vgl. ex-Prime Minister Edward Seaga in „Daily Gleaner“ vom 24.02.1992: „Duppy know who to frighten“. – 120 –

European lore, Jamaican duppies take on many interesting and different forms and perso- nalities. (Dance 1985: 35).

Duppy ist, wie schon Frederic Cassidy feststellte, ein afrikanisches Wort „from some such form as Bube dupe, ghost“ (Cassidy [1961] 1982: 247; vgl. Cassidy/LePage [1967] 2002 : 164), womit der Geist des verstorbenen Ahnen gemeint ist. Eine andere Bezeichnung ist jumbee, die jedoch in Jamaika weniger gebräuchlich ist als im übrigen Westindien (Cassi- dy [1961] 1982: 250). In der Kumina-Religion ist es dann der nkúyu (Bilby/Bunseki 193: 77), der in einer spirituellen Kommunion beopfert werden muss (Warner-Lewis 1977: 72), und im Vaudou schließlich der zombie. Ein duppy kann sich auch über Pflanzen (z. B. „duppy pumkin [Cucurbitaceae]“ oder „duppy tomato [Solanum ciliatum]), Tiere (z. B. das furchterregende Rollin’ Calf [„Roaring Calf“] mit seinen rot funkelnden Augen und der rasselnden Kette um den Hals, das zudem die Gestalt verschiedener Tiere annehmen kann) oder Vögel (wie z. B. die Eule).77 Duppies „live at the root of cotton trees (Ceiba pentandra), in burial grounds and old abandoned buil- dings, and in dark places such as caves, mangrove swamps, bamboo thickets and forests“ (Rashford 1984: 62). Ein berühmer, von duppies heimgesuchter Wollbaum (Kapokbaum) — er soll in der Geschichte als „hanging tree“ gedient haben — war der bis 1971 in Kingston stehende „Tom Cringle’s cotton tree“, unter dem der Schotte Michael Scott sich zu seinen Berichten über die Karibik inspirieren ließ (siehe unten).78 Der gefährlichste von allen dup- pies ist jedoch der coolie duppy, d. h. der duppy eines verstorbenen ostindischen Vertragsar- beiters; er gilt als der bösartigste Geist, den Obeah-men einsetzen können (Cassidy/Le Page [1980] 2002: 120). Nach Olive Senior beruht das möglicherweise auf dem indisch-mysti- schen Einfluss in Folge des Schrifttums von de Laurence (Senior 2003: 244). Gefürchtet war also der duppy als ruheloser Geist eines Verstorbenen, während die guten Geister der Ahnen ihrerseits nicht gesehen werden können. Sie sind die verstorbenen Famili- enmitglieder, die immer noch Interesse am Leben der Familie haben. Der älteste Beleg hier- für ist wohl die differenzierende Anmerkung von Edward Long: „Those of deceased friends are duppies; others, of more hostile and tremendous aspect, like our raw-head-and-bloody-bo- nes, are called bugaboos“ (Long [1774]1970, vol. II: 416). Mit letzterem Begriff ist nach Cassidy „a caterpillar or worm“ gemeint, also duppy als Tier (Cassidy ebd.: 251). Der Planta- genbesitzer Matthew Gregory Lewis stellt sich Jahrzehnte später die folgende Frage:

[77] Weitere Beispiele bei Götz 1995: 46; siehe auch die umfassende Darstellung bei Leach 1961. „John Crow“, der einheimische Truthahngeier (Cathartes aura), gehört zwar nicht direkt zu den duppy birds, aber „this black angel of death“ (Madden 1835 II: 72), wird jedoch wie die nach ihm benannte „John Crow bead“ (Abrus precatorius) dem Kontext von Obeah zugeordnet. [78] Siehe Rebecca Tortello, „The fall of a gentle giant. the collapse of Tom Cringle’s cotton tree“, in: A speci- al Gleaner Feature of the past ( [Zugriff vom 04.12.2006]) – 121 –

As the negroes are extremely superstititious, and very much afraid of ghosts (whom they call the duppy), I rather wonder at their choosing to have their dead buried in their gar- dens; but I understand their argument to be, that they need only fear the duppies of their enemies, but have nothing to apprehend from those after death, who loved them in their lifetime; but their duppies of their adversaries are very alarming beings, equally powerful by day as by night, and who not only are spiritually terrific, but who can give very hard substantially knocks on the pate, whenever they see fit occasion, and can find a good op- portunity. (Lewis [1834]1999 : 63).79

Grundlage dieser Vorstellungen ist die westafrikanische kulturelle Tradition von multip- len Seelen (Pulis 1999: 393). So führt Robert Rattray für die Ashanti, die bekanntlich die Mehrzahl der ehemaligen Sklaven Jamaikas stellten,80 fünf Begriffe an81, die nur unzurei- chend mit den englischen Wörtern „soul“, oder „spirit“ oder „ghost“ umschrieben werden können (Rattray [1927]1954 : 152-155). Für den westlichen Beobachter, der in seinem Kul- turkontext gelernt hat, dass das Individuum indivisum in se ist und autonom, d.h. ab alio dis- tinctum (Bastide 1973: 39), bereiten west- und zentralafrikanische Vorstellungen über die menschliche Person nicht unerhebliche Schwierigkeiten (Dieterlen 1973). Das wird auch deutlich in Rattrays Darstellung, in der er alternative Erklärungen anbietet: „different kinds of soul or spirit, or … a series of multiple souls, or particular spirits, with different functions du- ring life and with a varying destination after death“ (ebd.: 152). Vielleicht spricht man mit Roger Bastide mit Blick auf den Personenbegriff besser von einer „structure de classificati- ons“, die ihrerseits mit Umwelt, Gesellschaft, Kosmologie und Metaphysik zu tun haben (Ba- stide 1973: 43). In Jamaika haben offensichtlich nur zwei Elemente der individuellen Strukturen überlebt (Morrish 1982: 43), denn man unterscheidet nur noch zwischen duppy und shadow:

the soul within the body and the shadow outside it. At death the soul goes to heaven, but the shadow lingers near the corpse. Unless it is laid, it becomes a duppy, as one man ex- plained it. But the two words have now become confounded; duppy is the usual one, and when shadow is used it means very much the same. (Cassidy [1961]1982: 245).

[79] Später notiert er in sein Journal: „I have not been able to ascertain exactly the negro notions concerning the Duppy; indeed, I believe that his character and qualities vary in different parts of the country“ (Lewis ebd.: 290). [80] Neuere Untersuchungen stellen das jedoch wieder in Frage (Chambers 2007: 296). [81] Saman bezeichnet die geisterhafte Erscheinung des Verstorbenen, wenn er auf der Erde sichtbar wird; sasa ist dagegen die unsichtbare Kraft eines Menschen (oder Tieres), „which disturbs the mind of the living, or works a spell or mischief upon them, so that they suffer in various ways“ (Rattray 1954: 153). Okra oder ’kra ist am ehesten mit „Seele“ gleichzusetzen, die nach dem Tode in die spirituelle Welt geht, während sun- sum den beweglichen Teil von ’kra meint, der im Schlaf herumwandert. Und schließlich bezeichnet ntoro je- nen Teil des Vaters, der auf die Kinder übergeht, die ihn dann an ihre eigenen Kinder weitergeben (vgl. Ma- noukian [1950]1964: 58). Dagegen geht Kwame Gyekye von einem psychophysikalischem Dualismus aus (siehe folgenden Haupttext). – 122 –

Der duppy verlässt nach dem Tod den Körper, verweilt aber für einige Tage82 am Ort des Sterbens oder am Grabe, um dann zu den Ahnen zu gehen (Besson/Chevannes 1996: 212). Ein umfangreiches Totenritual von „Neun Nächten“ (Cassidy [1961]1982: 254-255) hilft beim Übergang in die andere Welt,83 welche ursprünglich die der Ahnen ist. Offen bleibt je- doch, was mit dem shadow geschieht! Folgt man dem Akan-Philosophen Kwame Gyekye, dann würden die Seele, ōkra, und sunsum, der spirit, zusammen die spirituelle Einheit bilden, die den Tod überdauern und in die Ahnenwelt asamando eingehen (Gyekye 1998: 63; vgl. Manoukian [1950]1964: 58). Nach Gyekye bestünde der Mensch dann aus einem materiel- len Körper, honam, und der immateriellen Einheit von ōkra und sunsum. Folglich könnte man nur bedingt von einer multiplen Seelenvorstellung sprechen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Gyekye zugeben muss, dass bei seiner Feldforschung einige der Be- fragten die drei Elemente für identisch hielten (ebd.: 62). Unter der Voraussetzung, dass dup- py wirklich auf die Akan-Vorstellung vom Menschen zurückgeht, wäre die Gleichsetzung von shadow und duppy dann in Jamaika nachvollziehbar. Bei Elizabeth Pigou findet sich da- her die Unterscheidung von spirit/soul und duppy (Pigou 1987: 24-25). Die volksreligiöse Vorstellung in Jamaika ist nun die, dass der shadow vom shadow-cat- cher, d.h. vom Obeah-man für seine Zwecke und zum Schaden anderer Menschen eingefan- gen werden kann, der Obeah-man ist duppy-catcher (Cassidy [1961] 1982: 248). Der Um- gang mit dem als gefährlich eingestuften duppy ist folglich Sache des Obeah-man bzw der Obeah-woman (Heinemann 1997: 74-78). Im Zusammenhang mit der Tacky-Rebellion von 1760 war oben unter Hinweis auf Edward Long bereits die Rede von Obeah. Ob auch „Queen Nanny“ (siehe oben) eine Obeah-woman war, wie Karla Gottlieb anführt, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit sagen (Gottlieb 2000: 55-65).84 Auch der Pflanzer Bryan Edwards schreibt ausführlich über diese afrikanische Religion, die zu seiner Zeit in Jamaica weit ver- breitet war:

[…] the professors of Obi are, and always were, natives of Africa, and none other; and they have brought the science with them from thence to Jamaica, where it is so universal- ly practised, that we believe there are few of the large estates possessing native Africans, which have not one or more of them. (Edwards [1798] 1966, vol. II: 108)

Aber nicht nur die neu aus Afrika angekommenen Sklaven hatten mit Obeah zu tun, auch

[82] Hurston [1938]1990: 44: „But the third day at midnight it rises from the grave“. [83] „Nine-Night“ steht jedoch in der Regel für „ninth night“, das Abschlussritual für den Verstorbenen. Es dient der Verabschiedung des Toten: „The duppy that was once a man can have not more friendly relation- ship with mortals“ (Hurston [1938] 1990: 51). Zu den gemeinschaftlichen Aktivitäten gehören Singen, Tan- zen, Spiele, „Anansi tales“, u.a.m. (Senior 2003: 505-506 s. v. wake; Henriques 1951); das Trinken von Al- kohol wie beispielsweise Rum gehört ebenfalls dazu. Zu den modernen Ritualen im postkolonialen Jamaika siehe jetzt Paul 2007a. [84] Die von Gottlieb angeführten „Beweise“ erscheinen uns nicht gerade überzeugend zu sein, beruhen sie doch auf Schlussfolgerungen; siehe aber Mair 2006: 63. – 123 – die kreolisierten Schwarzen verehrten, konsultieren und fürchteten Obeah (ebd.: 109). Zutref- fend berichtet Edwards, dass es verschiedene Schreibweisen gibt: obeah, obiah oder obia; sein Versuch einer etymologischen Herleitung aus dem ägyptischen und hebräischen ob muss jedoch als unhaltbar zurückgewiesen werden. In der Forschung ist man sich hinsichtlich des afrikanischen Ursprungs einig (Bilby/Handler 2004: 154). Obeah bezeichnet dann spezifische Glaubensvorstellungen und Praktiken, über die seit dem 18. Jahrhundert in der britischen Ka- ribik berichtet wird. Auch wenn infolge der geographischen Streuung — die Inseln Westin- diens unterschieden sich nicht nur in geographischer Hinsicht, sondern auch was demogra- phische Zusammensetzung, Kultur und Gesellschaft anging — lokale Unterschiede angenommen werden müssen, so gibt es doch zumindest zwei fundamentale Übereinstim- mungen:

(1) its practice involved the manipulation and control of supernatural forces; and (2) it was primarily concerned with divination (e.g. foretelling, finding lost or stolen goods, ascertaining the cause of illness), healing and bringing good fortune, and protection from harm – although it was sometimes used malevolently to harm others. The practice of obe- ah usually involved specialists, often skilled in the use of plant medicines, who were sometimes paid fees by individual clients. The practitioners as well as their clients could be men or women. (Bilby/Handler 2004: ebd.).

Da Obeah in Sklavenrevolten häufig eine Rolle spielte (siehe oben) und insbesondere in solchen von Akan-Sklaven (z. B. Schuler 1970: 16-17; Handler 56: 16), sahen die weißen Plantagenbesitzer und Missionare in Obeah nicht nur „Schwarze Magie“, sondern auch ein bedrohliches soziales Übel, das man mit einer Anti-Obeah-Gesetzgebung zu unterdrücken suchte (siehe Appendix bei Bilby/Handler 2004: 167-172). Es ist daher nicht überraschend, wenn der Begriff Obeah in der modernen Wissenschaft von Ashanti-Twi Ç-bayifó, „der He- xer“ oder „Zauberer“ (Rattray [1927]1954: 28) abgeleitet wurde. Der erste Vertreter dieser etymologischen Ableitung war der schon auf Seite 63f. erwähnte Joseph Williams, der sich bei seiner Analyse auf die Forschungen von Rattray bezog (Williams [1932]1970: 120-121 u. ö.). In seinem zwei Jahre später veröffentlichtem Werk „Psychic phenomena of Jamaica“ greift er noch einmal diese angebliche Beziehung zwischen dem Ç-bayifó und dem Obeah- man auf und rückt ihn in die Nähe der Dämonolatrie und des Satanismus (Williams [1934] 1979: 251. 258-259).85 Dieser etymologischen Erklärung folgte auch Orlando Patterson in seiner einflussreichen Soziologie der Sklaverei (Patterson 1975: 185). Er beruft sich aus-

[85] In der Einleitung zur brasilianischen Ausgabe weist Marcos Torrigo den Leser darauf hin, dass man bei der Lektüre an die Zeit der Entstehung denken müsse. Die von Williams berichteten Phänomene hätten ihre Parallelen in der Santería, dem Candomblé, dem Catimbó und dem Vodou. Unter den Gründen der Überset- zung wird dann die Tatsache genannt, dass die brasilianische Kultur Afrika sehr viel verdankt. Vor allem aber: „a religião africana saiu dos guetos e faz parte hoje de amplos setores da sociedade“ („die afrikanische Religion trat aus den Ghettos heraus und erweist sich heute als Teil weiter Sektoren der Gesellschaft“) (Wil- liams 2004: 8). – 124 – drücklich auf Williams und Cassidy 1982: 241, meint dann jedoch, das verwandte Twi-Wort obeye sei überzeugender. Joseph Williams war Jesuit und vermutlich war ihm bekannt, dass die katholische Kirche in Südamerika abweichende Glaubensformen der Sklaven, die u. a. dem Widerstand gegen die Kolonialmacht dienten, als „brujería, hechicería y reniego“86 bezeichnet hatte und von der Inquisition verfolgen ließ. Hierbei handelte es sich nach José Enrique Sánchez Bohóquez um „prácticas hereticales, empleadas como medio para obtener la libertad, poseer fortunas, ven- garse de sus enemigos y amos, encontrar cónyuge, librarse del castigo, o averiguar si le espe- raba una mejor suerte en el futuro“87 (Sánchez Bohórquez 1996: 41). In Bezug auf Obeah haben Bilby und Handler jedoch, wie schon andere vor ihnen,88 jüngst darauf hingewiesen, dass Obeah höchstwahrscheinlich nicht von einem Wort abzulei- ten ist, das eine schädliche Macht bezeichnet wie Ç-bayifó, sondern eher etwas mit heilenden Kräften oder Techniken zu tun hat und damit positiven sozialen Zwecken dient: „We argue that the term obeah probably derived from Igbo or a related language of the Niger Delta, such as Efik or Ibibio, where the term dibia refers to a ,doctor‘ or ,healer‘, one who enjoys a very positive role in the communities he serves, and where a related term, abia, denotes various kinds of esoteric knowledge, including knowledge of herbal healing“ (Bilby/Handler 2004: 163). In diese Richtung geht auch der Hinweis von Douglas Chambers, der auf Nri-Awka Igbo ôbia verweist, was „doctoring“ bedeutet (Chambers 2007: 297). Auch wenn Obeah bisweilen negative oder antisoziale Auswirkungen entwickelte, hat es jedoch auf Grund der hier vorgeschlagenen Ableitung eine neutrale oder überwiegend positi- ve soziale Konnotation (Handler/Bilby 2001: 92). Olaudah Equiano (siehe Seite 111f.^), der Igbo aus Benin, überliefert, dass es neben den Priestern die „magicians, or wise men“ gab, die auch als „doctors or physicians“ tätig und sehr erfolgreich in der Behandlung von Wun- den und Vergiftungen waren (Equiano 2001: 28). Wir sind daher der Ansicht, dass der Ver- such von Nicola Götz, eine „kulturelle Kategorie“ Obeah zu konstruieren und zwar als eine „hegemoniale kulturelle Kategorie“ (ebd.: 14), abgelehnt werden muss. Auch die Einordnung als „Hexerei“ – so schon im Titel der Monographie von Götz – ist folglich nicht zutreffend! Historisch ist es doch wohl eher so, dass Obeah ursprünglich als ein System aus Divina- tion, Heilen und dem Umgang mit sakralen Gegenständen („Fetisch“)89 und Ahnengeistern,

[86] „Hexerei, Zauberei und Blasphemie“. Das Tribunal de la Inquisición en Cartagena de Indias sah in erste- rer die Verleugnung des katholischen Glaubens und die Blasphemie, während die Zauberei sich auf den Glauben an abergläubische Vorstellungen und den Gebrauch von Gebeten bezog, die das Profane und das Heilige miteinander vermengten (Sánchez Bohórquez 1996: 53). [87] „[H]äretische Praktiken, als Medium benutzt zur Erlangung der Freiheit, Reichtümer zu besitzen, sich an seinen Feinden und Eigentümern zu rächen, einen Ehepartner zu finden, sich von Strafe zu befreien oder zu ermitteln, ob ein besseres Schicksal in der Zukunft zu erwarten wäre“. [88] Siehe Handler/Bilby 2001: 96. [89] Früher fasste man diese unter dem Begriff des Fetisch zusammen; wir folgen hier Anton Quack und spre- chen von sakralen Gegenständen (Quack [1987] 1995: 176; vgl. Loth 2003: 158f. [Anm. 85]). Als solche galten nach dem Act of Jamaica von 1760: „Blood, Feathers, Parrots Beaks, Dog’s Teeth, Alligator’s Teeth, Broken bottles, Grave Dirt, Rum, Egg Shells“ (Colonial Office Records 139, Vol. 21, zit. bei Patterson 1975: – 125 – duppies, zu verstehen ist, welches Teil einer kreolisierten karibischen Religion mit westafri- kanischen Wurzeln (Richardson 1997: 173) war. Aber im Unterschied zu Vaudou oder Voo- doo in Haiti ging ganz offensichtlich das Religionssystem im Prozess der Transkulturation verloren (Stewart 2005: 4190), während sich volksreligiöse Traditionen herausbildeten, die mehr oder minder ein Kontinuum darstellen. Zutreffend hat Winston Lawson festgestellt:

The traditional cosmology did undergo change and adaptation but there is traceable a sig- nificant continuum in the variation which has survived in Revival, Pocomania, Kumina, Myal or Obeah. The link between them all is the undying sacredness of life, the regard for the spirit-world as powerful and influential, and the centrality of the communal princi- ple. The enhancement of the health, happiness and good fortune of all the people in the community, not only that of those who have the power to seek their own happiness, at the expense of everyone else’s, is a cardinal principle of Afro-creole religion. (Lawson 1996: 201).

Dieses verwirrende ethnoreligiöse Kontinuum ist übrigens auch die Grundlage für Rasta- fari, wie z. B. Dianne Stewart oder Cassandra Perrone91 sehr schön dargestellt haben (Stewart 2005: 131; Perrone 2002). Obeah war also Teil einer kreolisierten karibischen Religion, zu der auch ursprünglich der rituelle Tanz Myal gehörte. — Auf den Begriff „Myal“ werden wir im nächsten Kapitel 3.d. eingehen. — Wie Stewart in Gestalt einer Tabelle zeigt, gibt es in der Zeit vor der Skla- venemanzipation keine Obeahpraxis ohne Myal (Stewart 2005: 45-46). Auch Jean Besson spricht von einem „magico-religious Obeah-Myal complex“ (Besson 2002: 27; 30-32 u.ö.), weshalb auch die üblicherweise (vgl. z.B. Patterson 1975: 185-195) vorgenommene Dichoto-

190; vgl. Edwards [1819] 1966, vol. II: 112; Brathwaite 1971: 162). Bei den Akan sprechenden Völkern Afrikas wäre das suman, worunter „charms, talismans, and amulets“ zu verstehen sind (Rattray 1954: 11): „[t]his object is also closely associated with the control of the powers of evil and black magic, for personal ends, but not necessarily to assist the owner to work evil, since it is used as much for defensive as for offen- sive purposes“ (ebd.: 23). Noch informativer sind die Ausführungen von Madeline Manoukian: „A suman contains various symbolic ingredients and its power comes from plants or trees, or sometimes, directly or in- directly, from fairies (mmoatia), forest monsters (sasabonsam) or witches (obayifo), or from some sort of unholy contact with the dead, i.e. contact in the ordinary way unclean or repellent, unconnected with ances- tor worship“ (Manoukian [1950] 1964: 57). Es handelt sich also um machthaltige Symbole, die jedoch als solche keine abgeschlossenen Systeme darstellen, sondern auch fremde Objekte und Ritualgegenstände auf- nehmen können (Slenes 1991/92: 58), wie z. B. die Hostie im Brasilien des 18. Jahrhunderts (Sweet 2003: 204-205). [90] Dianne Stewart spricht allerdings von Akkulturation: „In the slaveholding context of Jamaica, where eth- nic African identities intermittently and ultmately yielded to the acculturating influence of Pan-Africanizati- on, these religious practices were thus collapsed under the generic category of ,Obeah‘“ (ebd.). Da das Kon- zept der Akkulturation jedoch feste Gruppen voraussetzt (Siehe oben S. 42), greift dieses Konzept nicht, insofern es auch keinen Aktor gegeben hat, der im Sinne einer „Pan-Africanization“ hätte tätig werden können. [91] Dieser Beitrag stammt übrigens aus einer Internet-Rastafari „Dreadlibrary“ (siehe Literaturverzeichnis). – 126 – misierung zwischen Obeah als schädlicher Hexerei und Myal92 als eine gegen Hexerei und Zauberei gerichtete Bewegung nicht zutrifft (ebd.: 30f.). Erst nachdem der Myalism im 19. Jahrhundert im Prozess einer fortschreitenden Kreolisierung christliche Elemente aufgenom- men hat und zum Vorläufer des Revivalism wird, gehen beide Religionsformen eindeutig auseinander! Grundsätzlich gilt, dass die Dichotomie Gut und Böse eher ein Problem von Christentum (siehe schon Hogg 1964: 70) und Islam sind. Im Judentum, wo Satan Gott unter- worfen bleibt und ein dualistisches Denken abgelehnt wird, soll der Mensch Gott für das Böse preisen, so wie er ihn für das Gute preist (Berachot 33b).93 In ähnlicher Weise verläuft auch das afrikanische Denken, wie John Bewaji nachgewiesen hat. Erst auf dem Hintergrund des christlichen bzw. muslimischen Denkens wird Eshu (Exú in Brasilien) in der Yorùbá-Re- ligion mit dem Teufel oder Satan gleichgesetzt, obgleich er seine Aufgaben als „special rela- tions officer“ zwischen Himmel und Erde ausschließlich im Auftrage von Gott Olodumare ausübt. Er belohnt und bestraft und wird deshalb umworben und man versucht sogar, ihn zu bestechen: „When such overtures fail to mitigate punishment, Esu is then given a bade name“ (Bewaji 1998: s.v. Esu and Olodumare).94 Grundsätzlich sind also Gut und Böse Teil dessel- ben kosmischen Kontinuums und beide werden durch Rituale und Praktiken kontrolliert (Sweet 2003: 163). Ähnlich sind die Vorstellungen über den schon erwähnten L°gba (siehe Seite 54) im Vodun-Pantheon Dahomeys (Aguessy 1970). Bei Edward Long findet sich die Beschreibung eines Rituals, das Obeah und Myal in sich vereinigt:

Not long since, some of these execrable wretches [obeah-men] in Jamaica introduced what they called the myal dance, and established a kind of society, into which they invi- ted all they could. The lure hung out was, that every Negroe, initiated into the myal socie- ty, would be invulnerable by the white men; and, although they might in appearance be slain, the obeah-man could, at his pleasure, restore the body to life.The method, by which this trick was carried on, was by a cold infusion of the herb branched colalue [u];95 which, after the agitation of dancing, threw the party into a profound sleep. In this state he continued, to all appearance lifeless, no pulse, nor motion of the heart, being percepti- ble; till, on being rubbed with another infusion (as yet unknown to the Whites), the ef-

[92] Zur Erklärung des Begriffs siehe IV.3.d. [93] Siehe auch Louis E. Newman, „Good and evil“, in: Werblowsky/Wigoder 1997: 280-281. [94] Aus einem Forschungsaufenthalt in Salavador da Bahia 1996 ist dem Verf. noch die schreckhafte Einstel- lung einiger Besucher von Terreiros in Erinnerung, die beim Passieren der stets anzutreffenden Exú-Statue sofort vom „devil“ sprachen. [95] Long bezeichnet die Droge als eine Spezies von Solanum, auch als „Solanum somniferum officinale“, welche von der „myal gentry“ mit Rum vermischt wird (ebd.: 417 Anm.). Die Terminologie ist jedoch ver- wirrend, insofern solanum somniferum eine alte Bezeichnung für Hyosciamus niger (Bilsenkraut) ist, das in Europa Bestandteil der so genannten „Hexensalbe“ war und pharmakologisch den ganz starken Parasympa- thikolytika zugeordnet werden muss. Es kann also nicht sein, dass diese Pflanze — wie Long in der Fußnote anführt — zur täglichen Nahrung der Sklaven gehört! – 127 –

fects of the colalue gradually went off, the body resumed its motions, and the party, on whom the experiment had been tried, awoke as form a trance, entirely ignorant of any thing that had passed since he left off dancing. (Long [1774] 1970, vol. II: 416-417)96

Einen noch ausführlicheren Bericht finden wir bei Matthew Lewis, der somit belegt, dass die Verbindung von Obeah und Myal über einen längeren Zeitraum bestand. Edward Long weilte von 1757 bis Januar 1769 in Jamaika, Lewis dagegen im Jahre 1816 und 1818. Unter dem Datum vom 15. Fabruar 1818 berichtet er zunächst über seinen Sklaven mit Namen Adam, der als praktizierender Obeah-man entlarvt wurde und schildert dann ein ähnliches Ri- tual wie Long, wenn auch weitaus ausführlicher und anschaulicher. Dieses sei hier angeführt, weil nach unserem Dafürhalten Elemente desselben bis heute im Revivalism weiterleben.

The Obeah ceremonies always commence with what is called, by the negroes, ‚the Myal dance‘. This is intended to remove any doubt of the chief Obeah-man’s supernatural pow- ers; and in the course of it, he undertakes to show his art by killing one of the persons present, whom he pitches upon for that purpose. He sprinkles various powders over the devoted victim, blows upon him, and dances round him, obliges him to drink a liquor pre- pared for the occasion, and finally the sorcerer and his assistants seize him and whirl him rapidly round and round till the man loses his senses, and falls on the ground to all appea- rances and the belief of the spectators a perfect corpse. The chief Myal-man then utters loud shrieks, rushes out of the house with wild and frantic gestures, and conceals himself in some neighbouring wood. At the end of two or three hours he returns with a large bundle of herbs, from some of which he squeezes the juice into the mouth of the dead person; with others he anoints his eyes and stains the tips of his fingers, accompanying the ceremony with a great variety of grotesque actions, and chanting all the while some- thing between a song and a howl, while the assistants hand in hand dance slowly round them in a circle, stamping the ground loudly with their feet to keep time with his chant. A considerable time elapses before the desired effect is produced, but at length the corpse gradually recovers animantion, rises from the ground perfectly recovered, and the Myal dance concludes. After this proof of his power, those who wish to be revenged upon their enemies apply to the sorcerer for some of the same powder, which produced apparent death upon their companion, and as they never employ the means used for his recovery, of course the powder once administered never fails to be lastingly fatal. (Lewis [1834] 1999: 222-223)

Ähnliche Berichte finden sich auch bei Bryan Edwards [1798] 1966, vol. II :108 und auch bei dem berühmten Baptistenmissionar James Phillippo [1843] 1969: 248-249. Beide Autoren vollziehen übrigens keine Trennung zwischen Obeah und Myal. Erst der britische

[96] Vgl. Edwards [1798] 1966, vol. II: 108. – 128 –

Kolonialbeamte Richard Madden trifft die folgende Unterscheidung: „There are two descrip- tions of obeah; one that is practised by means of incantations; and the other, by the administe- ring of medicated potions — in former times, it is said of posions, and these practitioners were called myal men“ (Madden 1835, vol. II: 68). Natürlich handelt es sich bei dieser Beschreibung nicht um ein wirkliches Tötungsritual, sondern um eine Machtdemonstration des Myal-man, der hier vor allen Augen einen schein- bar Toten wieder zum Leben erweckt. Edward Long spricht in seiner Darstellung von einem „trick“. Den Vorgang muss man sich jedoch nach Elizabeth Pigou als ein Ritual vorstellen, bei dem es um Leben und Tod geht: „This ritual was supposed to protect Myalists against death inflicted by Europeans“ (Pigou 1987: 25)97, da der Myal-man die Macht hat, Leben zurückzugeben (Patterson [1969] 1975: 186). Es handelt sich also um ein Initiationsritual im Kontext von Tod und Wiedergeburt, bei dem der Tanz — nach Einnahme des Narkotikums Calalu — zu einem todesähnlichen Zustand der Dissoziation führt (Schuler 1979a: 67). In der Ethnologie und Religionswissenschaft ist zum Thema Initiation viel reflektiert worden (Grohs 1993). Im vorliegenden Fall muss jedoch offen bleiben, ob hier wirklich das Erleben des Todes gemeint ist oder vielmehr die „Reise“ zu den Ahnen. Von Immogene Kennedy wissen wir, dass ihre Initiation zu einer „Queen of Kumina“ mit einer langen Phase der Dis- soziation begann, in der sie erstmalig die Kommunikation mit den Ahnen erlebte (Loth 2009). Bei Lewis werden die Trommeln nicht mehr erwähnt, was bereits auf den Prozess der Trennung von Myalism und Obeism verweist, der im Myalist Revival von 1840-41 offen zu Tage treten sollte. Das Aufstampfen mit den Füßen auf dem Boden dient nicht dem Rhyth- mus, sondern dem Herbeirufen der Ahnengeister. Auf jeden Fall ist Judith Terry, der Heraus- geberin von Lewis’s Tagebuch zuzustimmen, wenn sie erläuternd zu dieser Szene schreibt: „The distinction between Obeah and Myal must often have been more imaginary than real. The Myal-dance is that by which members were initiated, by being apparently rendered dead and then revived“ (Lewis 1999: 286). Wir haben es hier also mit einer Geheimgesellschaft zu tun, um deren Verständnis die weißen Plantagenbesitzer sich nicht bemühten. Für den Rassisten Edward Long waren die Sklaven „a different species of the same [= mankind] genus“ und einige Schwarze rückte er in die Nähe des Orang-Utan (Long [1774] 1970, vol. III: 356, 365), während Matthew Lewis mit Blick auf Obeah von „foolish prejudice“ oder „absurd persons“ sprach (Lewis [1834] 1999: 85; 242). „Obeah“ oder „Obi“ diente am Ende des 18. Jahrhunderts als Bezeichnung für jegliche Form übernatürlichen Glaubens und religiöser Praktiken der Sklaven (Patterson 1975: 185), deren afrikanische Herkunft und Gefahr für die europäische Zivilisation nach- drücklich in der damaligen Literatur abgehandelt wurde (Richardson 1997). Bryan Edwards berichtet im Zusammenhang mit der Tacky-Rebellion von Obeah-Pro-

[97] Bei James Phillippo [1843] 1969: 248 heißt es: „exemption from pain and premature death; from death, especially as designed by white men“. – 129 – zessen, bei denen Elektroschocks an aufgegriffenen Obeah-men angewandt und auch andere Experimente vorgenommen worden sind (Edwards [1819] 1966, vol. II: 119). Ab 1760 ent- wickelte die britische Kolonialmacht sowohl auf Jamaika als auch auf anderen westindischen Inseln eine strenge Anti-Obeah-Gesetzgebung (Götz 1995: 141-156). Auch in der Gegenwart enthalten die „Laws of Jamaica“ in ihrer 1974 veröffentlichten revidierten Form einen Obeah Act, der vom 2. Juni 1898 stammt.98 Dort heißt es unter Section 2: „In this Act ,obeah‘ shall be deemed to be of one and the same meaning as ,myalism‘ und unter Section 3:

Every person practising obeah shall be liable to imprisonment, with or without hard la- bour, for a period not exceeding twelve months, and in addition thereto, or in lieu thereof, to whipping: Providing always, that such whipping shall be carried out subject to the provisions of the Flogging Regulation Act.

Auch dieses Gesetz der weißen Gesetzgeber zeugt wiederum von einem Unverständnis afrojamaikanischer Phänomene: Seit dem ausgehenden 18. Jh. war es bereits zu einer Annä- herung zwischen Myalism und den Native Baptists gekommen, mit der “Great Myal Proces- sion“ von 1841 zu einer Trennung von Obeah, die ihrerseits nach 1861 zu der neuen kreoli- schen Religion des Revival führen sollte (siehe IV.3.h.). Myal in seiner alten Bedeutung ist also heute nicht mehr als ein religiöses Phänomen existent! Revival aber wurde zu einer „new and more Christian Creole religion …, which became the popular religion of Jamaica“ (We- denoja 1988: 106). Ergänzend sei auf Cassandra Perrone verwiesen:

The Myal cult was the first of these folk religions shortly followed by Kumina, Pukumi- na, Convince, and Zion Revival. Each of these folk religions plays a role in the belief sys- tems of Jamaicans and has also played a role in the evolution of early reggae music. Rat- her than focusing on the religion separately and wholly, I focus on one common characteristic that still exists today in Jamaica as well as all over the West Indies and even in various spots in the southern United States-healing practices and the practitioners. From the Jonkonnu (John Canoe) dance of the Myal to the ancestral trances of Kumina to the Rastafarian nyabinghi circles, the drum is present. Its is hard to study Jamaican folk- lore without running into themes of folk medicine and music… (Perrone 2002).

[98] Als pdf-Datei zugänglich über „Laws of Jamaica – Ministry of Justice Jamaica“ ( [Zugriff vom 28.05.06]). – 130 – b. Obeah im heutigen Jamaika

Während seines Forschungsaufenthaltes in Jamaika 1992 hat der Verf. in der Nähe von Morant Bay selbst einen Obeah-man kennen gelernt, der eher der „bush medicine“ zuzuord- nen war: ein root doctor oder herbalist, der auch von Maroons frequentiert wurde. Seit An- kunft des vom amerikanischen Verleger William Lauron de Laurence verbreiteten Okkultis- mus in Jamaika muss man ohnehin zwischen diesem älteren Typus von Obeah und einer neuen, mit Magie arbeitenden Obeah, genannt „science“, unterscheiden. So wurde im Nov- ember 1915 erstmals während eines Gerichtsverfahrens wegen Obeah in Kingston Bezug ge- nommen auf „The Sixth and Seventh Books of Moses“ (Elkins 1986: 215). Auch wenn es wohl übertrieben ist, mit Leonard Barrett das „Siebente Buch Moses“ als „Black Bible“ zu bezeichnen (Barrett 1976: 49), so dürften jedoch dieses und andere magisch-religiöse Bücher in Jamaika und anderen Teilen der Karibik von großem Einfluss gewesen sein und der mehr magischen Seite von Obeah entsprechen.99 Aus dem Jahre 1957 datiert die Anmerkung von George Simpson und Joseph Moore, dass Revivalists und Obeah-men für einige Heil- und Beschwörungsformeln die verbotenen Bücher der de Laurence Company benutzen (Simpson/ Moore [1957/58] 1970: 165). Auch in der Gegenwart verbinden Afrojamaikaner die Bücher von de Laurence mit mys- tischer Kraft (Brodner 1999: 92). Nach Erna Brodner ist diese Art von Mystik mit Religion und Heilmethoden verbunden. (ebd.: 93). Sie schildert dann ihre Begegnung mit „Bishop Ko- hath“ — offenbar Mitglied einer in den USA beheimateten kleinen Gruppe von messiani- schen Juden —, der über die Lektüre der de Laurence-Publikationen in Jamaika zum Prediger und Heiler geworden ist.100 Es ist bemerkenswert, dass diese Form okkulten Denkens aus dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Deutschland unter Afroamerikanern diesen Erfolg erzie- len konnte! Sowohl in Jamaika als auch in der Karibik überhaupt ist Obeah ein fester Bestandteil des Lebens – wenn auch in der Regel verleugnet. Im „Sunday Gleaner“ vom 15.03.1992101

[99] Das ist sicherlich auch heute noch der Fall, auch wenn die Bücher der de Laurence Company seit dem 2. Weltkrieg offiziell in Jamaika verboten sind. „Das sechste und siebente Buch Moses“ erfreut sich auch in Deutschland einer gewissen Beliebtheit, wie man dem Internet sowie aus der Tatsache seines Nachdruckes auch in der Gegenwart entnehmen kann. Es handelt sich um mittelalterliche magische Werke deutscher Her- kunft. In der 1950 erschienen Neuauflage im Planet-Verlag Braunschweig wird angeführt, dass „Das sechste Buch Moses“ 1522 aufgefunden und dann erstmalig bei Peter Michel in Erfurt gedruckt wurde (Seite 13). Die de Laurence-Ausgabe, die 1906 in Chicago erschien, „The sixth and seventh books of Moses: the myste- ry of all mysteries, etc“, ist eine Ansammlung verschiedener Schriften und magisch-kabbalistischer Texte, die teilweise alt oder neueren Charakters sind. So wird das 7. Buch Mose auf einen Rabbi Chaleb zurückge- führt, der es aus der „Weimar Bible“ übersetzt habe. Damit war sicherlich nicht die Weimarer oder Kurfür- stenbibel von 1640 gemeint, sondern eher die Bibel des Hanns Weymar (siehe Bachter 2005: 102). In der de Laurence-Ausgabe befindet sich ein überaus wichtiger Artikel von Joseph Ennemoser (1787-1854) über die „mosaische“ Magie: „The Magic of the Israelites“, die seinem Buch „Geschichte der Magie, Leipzig 1844, entstammt (siehe Peterson 2005-2006a). [100] Leider sind die bibliografischen Angaben von Erna Brodner zu den Büchern von Lauron William de Lau- rence sehr dürftig! Im Internet kann man jedoch schnell feststellen, dass diese Publikationen sogar in Neu- auflagen immer noch angeboten werden. – 131 – schreibt Eron M. Henry über Politiker, Polizisten, Geschäftsleute und schutzsuchende Frau- en, die den Obeah-man aufsuchen und zieht daraus den folgenden Schluss:

Obeah therefore, will not be eradicated at least not on this side of eternity. Its commercia- lization will see to that; but partially because it is cultural phenomenon that has deep roots in religion. ... If one feels threatened by a neighbour, a colleague, a rival, or if some inadequacy pre- sents itself, then the obeahman, or ,mother‘ is the answer.102

Carl Wint wiederum forderte im „Star“ vom 21.04.1992103 die Regierung zum Handeln auf:

Round up obeahman And it is time ... that the Prime Minister round up all the obeahmen and obeahwomen in this country. There are hundreds of them, and the Jamaican people believe in them, deep- ly and implicity. Take off the thin veneer of education and sophistication and you will find your Jamaican peasant in fear of rolling calves, duppies at the root of cotton trees, and the ability of obe- ah practitioners to do things.

Es ist bemerkenswert, dass in der Gegenwart gerade jamaikanische Rastas dazu aufrufen, die Anti-Obeah-Gesetzgebung endlich aufzuheben, so z.B. der bekannte Rasta-Anwalt Miguel Lorne unter Hinweis auf die koloniale Vergangenheit: „[t]hese laws came about from the colonial masters and these laws were intended to suppress the African race and to sup- press the spirituality that is within the African. Anything him [the colonial master] can’t un- derstand, him call it obeah and witchcraft“ (Bilby/Handler 2004: 166).104 Ziggy Marley, Bob Marleys Sohn, erklärte bereits 1993, dass Obeah Teil des Erbes und der Kultur Jamaikas ist (Spencer 1998: 374). Vom Reggae-Sänger wissen wir, dass er nach dem Bericht seines Managers 1982 in Nigeria einen Bush Doctor aufsuchte und sich behandeln ließ,105 was sein Sohn, Andrew Tosh, wegen der Nähe zu Obeah in Abrede stellte (Spencer 1998: 373-374). Insbesondere der Parish St. Thomas ist bekannt für seine Obeah-men, die inzwischen

[101] „Guzum and obeah“, S. 9A. [102] Vgl. Grace Jones, die in einem Interview „blamed obeah on the string of misfortune that has befallen her and boyfriend Chris Stanley, head of Music Mountain“ (Daily Gleaner vom 06.02.89). [103] „Send forth the obeahmen“, S. 5. [104] Zuerst veröffentlicht von InterPress Third World News Agency am 20.01.1999, veröffentlicht von Sam Pragg, „Away with Obeah laws say Rastafarians“ (www.hartford-hwp.com/archives/43/165.html [Zugriff vom 20.05.2006]). [105] Siehe Copeland Forbes, „Peter Tosh: a manager’s memoir“, in: Riddim, vol. 04/07, p. 56-59. – 132 – auch an die Öffentlichkeit treten wie z. B: Quaco (Nachname unbekannt), der erklärt hat: „Obeah ah [is] one religion, not witchcraft“ (ebd.).106 Den Reader-man Simon Davis in Sligo- ville hat inzwischen das Institute of Jamaica im Zusammenhang mit einer Obeah-Ausstellung konsultiert.107 Es ist inzwischen auch kein Geheimnis mehr, dass Obeah auf dem kommerziel- len Markt ist und der Klientel u.a. Wellness-Produkte anbietet.108 Zu Beginn des Kapitels haben wir von Bob Marleys Lied „Duppy Conqueror“109 gespro- chen, deshalb soll an dieser Stelle ergänzend darauf hingewiesen werden, dass hier der Sän- ger nach der Entlassung aus dem Gefängnis110 sich selbst als duppy conqueror verstand, der mit der Hilfe Jahs — „the powers of the most-high“ — den Feind, d.h. das Establishment be- siegt hatte (Brodber 1987: 154). Im Lied heißt es:

Don’t try to cold me up on this bridge, now I’ve got to reach mount zion – The highest region So if you’re a bull-bucker, Let me tell you this – I’am a duppy conqueror, conqueror! (bis)111

Die Verknüpfung von „duppy conqueror“ mit „bull-bucker“ entspricht der Redeweise: „If yuh bull-bucker, me duppy conqueror“, die zum Ausdruck bringt: „[Y]ou can’t frighten me“ [Cassidy/Le Page [1967] 2002: 77). Der Bezug auf „Jah“ wiederum zeigt, wie die religi- ösen Anschauungen von Rastafari den Text von Bob Marleys Songs zu beeinflussen begin- nen. Die Botschaft ist klar: Mit Hilfe der Rasta-Spiritualität lässt sich das Establishment reli- giös und politisch besiegen! Dass der bösen Macht des duppy religiös begegnet werden kann, ist jedoch eine alte Tradition, die bis ins 19. Jh. zurückreicht, wie im nächsten Kapitel ausge- führt werden soll. Von daher ist es durchaus plausibel, wenn der Lebensgefährte der „Duppy woman of New Hall“, die seit 18 Jahren von einem duppy namens Wenticko heimgesucht wird, zu ihrem Schutz sich u.a. eines „Zion table“ bedient, um diesen auf Abstand zu hal- ten.112 Kurzum, es ist wohl noch heute so, wie Leonard Barrett vor drei Jahrzehnten geschrie-

[106] Siehe vorhergehende Fußnote. [107] Roland Henry, „A Jamaican obeahman explains his world of magic“, in: The Jamaica Observer vom 07.05.2006 (www.jamaicaobserver.com [Zugriff vom 28.05.2006)]. [108] Roland Henry, „Obeah enters mainstream commerce: expert says the ritual is its own religion; calls for its decriminalisation“, in: The Jamaica Observer vom 07.05.2006 [Zugriff vom 28.05.2006]). [109] Das Lied wurde im September 1970 aufgenommen und danach sehr häufig wieder herausgegeben. [110] Grund der Inhaftierung war der geringfügige Besitz von Ganja gewesen. [111] [Zugriff vom 04.11.2006] [112] Robert Lalah, „Duppy woman of New Hall“, in: Jamaica Gleaner vom 27.10.2006 [Zugriff vom 31.10.2006]; dass der Glaube an die Heimsuchung durch duppies durchaus lebendig ist, beweist auch der jüngste Bericht von Robert Lalah, „Derrick the duppy“, in: Jamaica Gleaner vom 25.05.2007: Panton Town in St. Catherine wurde heimgesucht von zwei duppies, weshalb die Einwohner eine „madda woman“, d.h. die Führerin einer Revival-Gruppe mit der Vertreibung beauftragten, die mit Hilfe von Feuer und heiligem – 133 – ben hat: „Jamaican witchcraft is an accepted fact and is part of the whole belief complex of the folk religion“ (Barrett 1976: 76). c. Neoafrikanische religiöse Traditionen im kolonialen Jamaika

Der Zeitraum von den 1780er Jahren bis zu den 1860er Jahren war von entscheidender Bedeutung für die religionsgeschichtliche Entwicklung auf der Insel. In diesem Zeitraum war Jamaika Ziel zahlreicher Missionsgesellschaften, die danach strebten, ein europäisches Chris- tentum an die Sklaven und nach 1834 an die emanzipierten Afrojamaikaner zu vermitteln. Dieser Zeitraum ist also auch durch die von 1834 bis 1838 sich vollziehende Emanzipation der Sklaven gekennzeichnet, was wiederum zu einem gewaltigen Umbruch der sozialen und ökonomischen Verhältnisse führte. Es stellt sich somit die Frage, ob und wie afrikanische kulturelle und religiöse Traditionen entstehen und überleben konnten, zumal die koloniale Gesetzgebung danach strebte, solche zu unterdrücken und zu eliminieren. Diese Frage ist in- sofern wichtig, wenn wir Rastafari im Kontext neoafrikanischer Traditionen interpretieren wollen. Aus der Literatur ergeben sich zwei Faktoren, die es offensichtlich ermöglicht haben, dass sich unter den Sklaven neoafrikanische Traditionen entwickeln konnten: 1. Es gab eine strikte Geheimhaltung gegenüber den weißen Kolonialherren und die Zusammenkünfte der Sklaven fanden nächtens im „Busch“ statt. 2. Die ins Land gebrachten Sklaven sprachen ihre jeweilige Sprache, welche die Kolonialherren und auch die Missionare nicht verstanden. Erst die Kreolen waren in der Lage, hier eine vermittelnde Position einzunehmen. Als Hope Waddell, der von 1829-1846 in Jamaika als Missionar tätig war, mit dem Mya- lism konfrontiert wird, stellt er erstens fest:

This kind of work was long kept a secret. … The Guinea negroes never spoke to “Buck- ra” of their “country fashions”; and not till we had Christian young men growing up around us could certain information be obtained on those subjects. Even they spoke about them with such reserve and dread as the idea of “a familiar spirit”, a “medium” of com- munication with the invisible world, was fitted to create. (Waddell [1863] 1970: 138)

Zweitens muss er bekennen, dass diese Ekstatiker aus den Missionskirchen selbst kom- men und sich von Gott beauftragt wissen, „to purge and purify the world“ (ebd.: 189), und drittens muss er mit Blick auf die Bewegung zugeben: „It has come in like a flood“ (ebd.: 194). Zu dem Sprachenproblem seien hier noch zwei Quellen angeführt. Da ist zunächst der Bericht von Sir Hans Sloane (1660-1753), dem bekannten Mitglied der „Royal Society“, aus dem Jahre 1688 über ein nächtliches Fest von Plantagensklaven. Mit der Hilfe des französi-

Wasser einen der Übeltäter einfing und in eine kleine Flasche einschloss. – 134 – schen Musikers Baptiste nimmt er die Noten und Worte der Gesänge auf und schildert den Tanz „inside a ring of people surrounding the fire“ sowie die Musikinstrumente. Dieser Be- richt zeigt eindringlich, dass afrikanische Kultur die „Middle Passage“ überlebt hatte und eine neoafrikanische Kultur, über die fragmentierten ethnischen afrikanischen Grenzen hin- weg, im Entstehen begriffen war (Rath 1993: 701). Denn die Bildung eines Rings steht für den Versuch, eine Identität herzustellen und weiter zu konsolidieren. Wichtig an dieser Szene ist auch, dass es dem Aufseher nicht gelingt, mit den Sklaven ein Gespräch über ihre Musik zu führen. Für den Umgang miteinander gab es nur „the one-way communication of work commands“. Auch noch 1727 gibt es dieses Sprachenproblem, wie der Pastoralbrief von Bi- schof Edmund Gibson zu berichten weiß (Feil 2001: 265). Und selbst noch 1842 gibt es nach einer Aufstellung in der Baptist Church zu Salters Hill 12 verschiedene Ethnien, von denen die meisten, ausgenommen die Kreolen, sich ihrer nati- ven afrikanischen Sprache bedienten (Davis 1998: 51). Bevor wir uns mit dem Myalism beschäftigen, seien hier noch einige weitere Beispiele an afrikanischen/neoafrikanischen Traditionen angeführt. Der „cultural focus“113 westafri- kanischer Kulturen und ihrer Diaspora-Gemeinden wird nach Herskovits bestimmt von Reli- gion in allen ihren Manifestationen, als Glaubenssystem, Weltbild und Ritual (Herskovits [1948] 1966: 552). In diesen Kontext gehören auch Gesang und Tanz, die auch in der Neuen Welt die Kommunikation mit den Mächten, die menschliches Leben erhalten und fördern, er- möglichten. Es gilt also, was Craemer, Vansina und Fox in ihrer Studie über Zentralafrika angeführt haben: „Music cures, music communicates with those above and beyond the visible world; it is inspired“ (Craemer/Vansina/Fox 1976: 470). Die Macht des „spirit“ oder der „an- cestral spirits“ wird durch Gesang, Tanz und teilnehmender Gemeinschaft vergegenwärtigt (Lewin 2000: 163)! Auch der baptistische Missionar James Phillippo, der von 1823-1879 in Jamaica tätig war, hat noch ganz offensichtlich einen afrikanischen Ring-Tanz gesehen, begleitet von Trommeln und „accompanied by various contortions of the body, with strange and indecent attitudes“ — „the performeres being nearly naked“ (Phillippo [1843] 1969: 241. 242). Auch sein Bericht über das Beerdigungsritual der Sklaven verweist noch auf viele afrikanische Strukturen wie z. B. die Tieropfer am Grabe sowie die Libationen mit Blut und der von Trommeln begleitete Tanz (ebd.: 244-246).114 Die afrikanische Trommel ist nicht nur ein In- strument der Kommunikation, sie lässt auch einen Raum entstehen, in dem Afrikaner und ihre Nachkommen unter sich sind und mit ihren Gottheiten bzw. den göttlichen Kräften und den Ahnen kommunizieren können.

[113] „Cultural focus designates the tendency of every culture to exhibit greater complexity, greater variation in the institutions of some of its aspects than in others. So striking is this tendency to develop certain phases of life, while others remain in the background, so to speak, that in the shorthand of the disciplines that study human societies these focal aspects are often used to characterize whole cultures“ (ebd.: 542). [114] Später, wohl zum Zeitpunkt der Abfassung seines Berichts schreibt er, dass diese Rituale verschwunden sind (ebd.: 283). – 135 –

Dem afrikanischen Brauchtum in Sachen Tod und Beerdigung noch näher sind die Be- richte von Charles Leslie aus dem Jahre 1730 und die von Sir Hans Sloane von 1707. Ersterer schreibt, dass das Grab generell in der Savane oder Ebene angelegt wird (Leslie [1740] 1741: 226), während Sloane anmerkt: „The Negroes from some Countries think they return to their own Country when they die in Jamaica, and therefore regard death but little, imagining they shall change their condition, by that means from servile to free, and so for this reason often cut their own Throats“ (Sloane vol. I 1707: xlviii, vgl. liii). Eine gute Zusammenfassung afro- jamaikanischer Glaubensvorstellungen und Rituale in Bezug auf den Tod findet sich bei Eliz- abeth Pigou 1987. In einem afrikanischen Kontext könnte man diesen Selbstmord als einen Übergangsritus verstehen: Der Tod vollzieht die Trennung von den Sklavenhaltern und einem nicht lebens- werten Leben, ermöglicht das Durchschreiten der Kalunga, d.h. des Wassers, um die Wieder- eingliederung in der alten Gemeinschaft der Familie und der Ahnen, des Clans oder Dorfes in Afrika zu erlangen. Motiv ist jedoch keinesfalls irgendeine Todessehnsucht, sondern die Sor- ge um ein vollwertiges Lebens (Thomas/Luneau 2004: 260). Darauf verweist auch Hans Slo- ane, wenn er schreibt: „… and at their Funeral throw in Rum and Victuals into their Graves, to serve them in the other world. Sometimes they bury it in gourds, at other times spill it in the Graves“ (ebd.: xlviii). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass auch die in die Karibik gebrachten ostin- dischen Vertragsarbeiter diese Vorstellung von Tod und Rückkehr in das Heimatland teilten. So verweist der wesleyanische Missionar H. V. P. Bronkhurst, der von 1860-1895 mit der Mission an den Ostindern in British Guiana beauftragt war, darauf hin, dass die Verhängung von Todesstrafen von den Indern stoisch hingenommen wurde:

It is a well known fact that the great majority of our coolies believe that whenever a man dies on the gallows in a strange land he goes back to his native land immediately after death, consequently hanging is no punishment whatever … (zit. in Mohapatra 1995. 238-239)

Bronkhurst schlägt deshalb das Enthaupten nach dem Hängen vor, da ein Mensch ohne Kopf nicht nach Indien zurückgehen könne! Die britische Kolonialverwaltung folgte diesem Vorschlag jedoch nicht. Kehren wir zu den Afrojamaikanern zurück: Erwähnenswert ist die Schilderung Phillip- pos der Religion der Afrikaner, wenngleich diese vom Unverständnis christlicher Missionare geprägt ist: Die Afrikaner besitzen eine, wenn auch diffuse Vorstellung von einem höchsten Wesen, das durchaus menschliche Züge tragen kann. Ihre Verehrung erstreckt sich eher auf die Phänomene der Natur und „ascribed divine power to the material itself“ (ebd.: 269-270). Diese Vorstellungen treffen durchaus auf afrikanische Religionen zu. Auch wenn die Aufzählung hier sicherlich nicht vollständig ist, kann gesagt werden, dass es unter den Sklaven in Jamaika noch religiöse Vorstellungen und Praktiken afrikanischer – 136 –

Herkunft gab, die als Grundlage für neoafrikanische Religionsvorstellungen und -praktiken dienen konnten!

d. Myal, Jonkonnu und Gombay

Was aber nun ist Myal oder Myalism? Die Herkunft des Wortes aus Afrika gilt als si- cher, seine Etymologie dagegen nicht (Stewart 2001: 168). Olive Lewin spricht im Anschluss an Edward Seaga von einem „African-derived cult“, der abzuleiten ist von Hausa maya, „sor- cerer“ (Lewin 2000: 190). Edward Seaga führt als weitere Übersetzungen „intoxication“ und “return“ an (Seaga 1969: 4). Aber diese Ableitung aus dem Hausa ist zweifelhaft, erklärt auch nicht die Herkunft des Konsonanten „l“ im Wort Myal. Dagegen hatte Monica Schuler schon in den 1980er Jahren in ihren Forschungen Myalism eher in die Nähe zentralafrikani- scher Vorstellungen gerückt (Schuler 1979a: 66; 1979b: 127. 129) oder als eine Mischung von west- und zentralafrikanischen Glaubensvorstellungen beschrieben (Schuler 1979: 76 Anm. 4). In jüngster Zeit hat Maureen Warner-Lewis ebenfalls eine zentralafrikanische Her- kunft erwogen und zwar von Kikongo mayaala, „the physical representations of power“: „[a] mayaal man or woman exercised the power of the Creator God, or of powerful spirits or of ancestral presences“ (Warner-Lewis 2003: 190). Hazel Carter als ausgewiesene Spezialistin für Bantu-Linguistik übersetzt dagegen mayal mit „possession by a spirit“ (Carter 1996: 112). Dianne Stewart wiederum knüpft an die Forschungen von Martha Beckwith und Kenneth Bil- by an, die unabhängig voneinander Myal in den Kontext der Jonkunnu-Maskerade und der Gumbay-Trommelrituale stellen. Jonkonnu oder John Canoe — in älteren Berichten finden sich auch noch andere Schreib- weisen115 — bezeichnet den Führer oder Haupttänzer in der gleichnamigen, von Musikbands begleiteten Maskenprozession, die in Jamaika während der Weihnachtsfeiertage in Verbin- dung mit einem „Grand Market“ ein afrikanisches Gegenstück zum christlichen Weihnachts- fest darstellt. Während dieses afrokreolische Straßenfestival im Süden der USA um 1865 ver- schwand, verlor Jonkonnu in Jamaika erst nach 1980 an Bedeutung. Denn in den 1960er Jahren hatten sich die jüngeren Generationen Rastafari zugewandt und konnten über diese an afrikanische Traditionen anknüpfen (so Bettelheim 1988: 41). Es bleibt jedoch festzuhalten, dass Jonkonnu in seiner Gestaltung nicht nur einer afrokaribischen Ästhetik folgt, sondern auch — wie Judith Bettelheim anführt — eine Version des afrikanischen Tanzes ist (ebd.: 63). Und wichtig ist, dass Jonkonnu — auch bezeichnet als „Pitchy-Patchy (Barnett 1979) — ursprünglich vor allem von der Gumba, Gumbay oder Gombay begleitet wird. Diese Trom- mel erwähnte schon Edward Long [1774] 1970, vol. II, 423-424. Und im Anschluss daran schreibt er: In the towns, during Christmas holidays, they have several tall robust fellows dressed up

[115] Siehe Cassidy/Le Page [1967] 2002: 249. – 137 –

in grotesque habits, and a pair of oxhorns on their head, sprouting from the top of a horrid sort of vizor, or mask, which about the mouth is rendered very terrific with large boar- tusks. The masquerader, carrying a wooden sword in his hand, is followed with a nume- rous croud of drunken women, who refresh him frequently with a sup of aniseed-water, whilst he dance at every door, bellowing out John Connú! with great vehemence; so that, what with the liquor and the exercise, most of them are thrown into dangerous fevers; and some examples have happened of their dying. This dance is probably an honourable memorial of John Conny, a celebrated cabocero at Tres Puntas, in Axim, on the Guiney coast; who flourished about the year 1720. He bore great authority among the Negros of that district. (Long ebd.: 424)

Auch wenn John Conny eine bekannte Persönlichkeit war, die für die Brandenburger Sklavenhandelsgesellschaft arbeitete (Bettelheim 1979: 81), liegt es wohl näher, mit Cassidy und Le Page nach einer westafrikanischen Etymologie zu suchen: Eine lautliche Analogie be- steht zu Ewe dzonÇ, sorcerer + kúnu, something deadly, a cause of death; or Ewe dzoΩ´kÇ, sorcerer’s name for himself + -nu, man: thus, a ‘witch-doctor’“ ([1967] 2002: 249). Selbst wenn diese Etymologie nicht als gesichert gelten kann, so wies jedoch schon Martha Beck- with darauf hin, dass es einen Zusammenhang zwischen Jonkonnu, dem Spiel der Gombay- Trommel, dem Myal-Tanz und dem „spirit or ‘death’ gibt (Beckwith [1929] 1969: 148-155):

In St. Elizabeth … the dance is definitely connected with obeah pratices. White says that before “building” the house-shaped structure worn in the dance, a feast must be given consisting of goat’s meat boiled without salt, together with plenty of rum. As the building progresses, other feasts are given. On the night before it is brought out in public, it is ta- ken to the cemetery, and there the songs and dances are rehearsed in order to “catch the spirit of the dead”, which henceforth accompanies the dancer until, after a few weeks of merriment during which performances are given for money at the great houses and at vil- lage crossroads, it is broken up entirely. For “as long as it stays in the house the spirit will follow ist”. (Beckwith 1969 [1929]: 151)

In „Christmas Mummings in Jamaica“ berichtet Martha Beckwith überdies von einem myal man in , der nicht nur mit den „spirits of the dead“ kommunzierte, sondern auch seine Kopfbedeckung, d.h. „the Jonkonnu house headdress“ zum Friedhof brachte und dort Gesänge und Tänze zwischen den Toten vollführte (Beckwith 1923: 11). Dieser Befund wur- de durch die Feldforschung von Kenneth Bilby 70 Jahre später bestätigt: Myal ist die gemein- same Klammer von Gumbay Play und Jonkonnu, d.h. die Trance/Besessenheit, die durch Trommeln und Tanz erlangt wird — in der Gegenwart der lokalen Ahnen auf dem Friedhof (Bilby 1999; vgl. Stewart 2005: 52f.). Bilby kommt zudem zu der überraschenden Erkennt- nis, dass in Nassau „one of the most African of Jamaican’s indigenous religions“ überlebt hat: – 138 –

This local community religion is probably closer than any other in Jamaica to the forms of slave religion described by European writers during the eighteenth century (before missionary Christianity had made major inroads) as “myal” or the “Myal Dance”. Even today, Gumbay Play shows virtually no evidence of Christian influence. (Bilby 1999: 55)

Die afrikanischen Strukturen des Rituals in Nassau, das die Anhänger des Gumbay Play selbst als Jangkunu bezeichnen und von der Jonkonnu-Maskenprozession unterscheiden, sind unverkennbar: Die Trommel oder Gumbay Drum, der Gesang, das Opfer von Hühnerblut u.a.m. und die Verbindung des Tänzers in der Trance mit dem/den Ahnen sind zweifellos Strukturen eines ehemals afrikanischen mediumistischen Rituals. Eine bekannte Parallele zu diesem Ritual ist das Egúngún-Festival der Yorùbá im Febru- ar. Egúngún oder Maskenträger verkörpern die ará-òrunÙ , die „Bewohner des Himmels“ (Abraham (1981 [1946]: 149f.), d. h. die Ahnen, die „Lebend-Toten“. Während des Tanzes des Maskenträgers erfolgt eine „Transformation“ desselben, insofern sein menschlicher Kör- per die Gegenwart des Ahnengeistes in der Egúngún-Maske ermöglicht, d.h. er wird von die- sem in der Trance in Besitz genommen.116 Maureen Warner-Lewis sieht, auf dem Hintergrund der Forschungen von Beckwith und Bilby, eine Verbindung von Jonkonnu mit dem Kongo (Warner-Lewis 2003: 223-224). Patterson [1969] 1975: 244-246 wiederum verweist auf die Ähnlichkeit mit westafrikanischen Geheimgesellschaften. Aus welchem Teil Afrikas die Maskenprozession auch kommen mag, lässt sich nicht mehr sicher feststellen. Sicherlich han- delt es sich nicht um die unilineare Fortsetzung eines afrikanischen Festes, sondern eher um eine neoafrikanische Schöpfung, bei der es zur Überlagerung verschiedener „Survivals“ ge- kommen ist. Sicher ist auch, dass dieses Sklavenfest eine Beziehung zu Afrika herstellt — mit den Worten von Michael Craton:

… the masked figure at the heart of the Junkanoo masque — John Canoe or Pitchy Pat- chy — personifies a more essential continuity or continuous essence, allowing Junka- noo’s modern participants to focus their identity and gather pride and strength from their spiritual roots. And through the whole colourful continuum pulses the blood-beat rhythm of the goombay drum. (Craton 1995: 39-40)

Über die Jonkonnu-Prozession mit ihrem Tanz und Gesang haben die Kolonialherren be- richtet, nicht dagegen jedoch über die Tänze und insbesondere die Gesänge von Frauen in ih-

[116] Im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen kennen afrikanische und afroamerikanische Religionen kein letztes Gericht am Ende der Tage. Aber da die ará-òrunÙ — im Falle der Yorùbá — über unbegrenzte Möglichkeiten verfügen, jene auf der Erde zu fördern oder zu bestrafen, erfüllen sie die Funktion der sozia- len Kontrolle, wenn sie z. B. mit dem Verhalten eines Familienmitgliedes nicht einverstanden sind: „Egun- gun express the continuing and dialectical relationship of the living and the dead, as well as the relationship between living members of a family“ (Hackett1998: 183). Die egúngún verleihen der Yorùbá-Gesellschaft ein gewisses Maß an Stabilität! – 139 – rer jeweiligen afrikanischen Muttersprache, zumal wenn diese in der Abwesenheit von Weißen vollführt wurden. Diese Tänze und Gesänge leisteten jedoch einen wertvollen Bei- trag für den Zusammenhalt der Sklaven-Gemeinschaft im Sinne einer Gruppenbildung über ethnische Grenzen hinweg, konsolidierten die afrikanische Identität, wenn Tanz und Gesang afrikanischen Strukturen folgten, und hielten die Erinnerung an Afrika aufrecht (Altink 2000). Die Sehnsucht nach Afrika wiederum steht auch heute noch im Zentrum der Rasto- logie — neben dem Gesang und dem Tanz! Erwähnung verdient jedoch auch der ostindische Einfluss auf die neuzeitliche Jonkonnu-Prozession beispielsweise in Gestalt des „Babu“ (Se- nior 2003: 243).

e. Die Ahnen und das Salz

Was den Genuss des Fleisches ohne Salz in der Schilderung von Martha Beckwith (S. 134) angeht, so hat das eine lange Geschichte. Von Imogene „Queenie“ Kennedy, der 1998 verstorbenen berühmten „Queen of Kumina“ — der Verfasser hat sie 1992 persönlich kennen gelernt und tanzen gesehen117 —, stammt der Ausspruch: „nkuyu food no feh [for] cook with you food. You feh cook it different, because salt and nkuyu food not agree“ (Schuler 1980: 77). Auch unter den Sklaven und ihren Nachkommen in der Karibik war der Glaube weit ver- breitet, dass man nach Afrika zurückgehen oder fliegen könne, sofern man sich vom Salz nur fernhalte (Warner-Lewis 1977: 73). Die stark gesalzene Nahrung auf den Sklavenschiffen und Plantationen mag diese Vorstellung beeinflusst haben (Schuler 2000: 22). Es ist auch bekannt, dass die Portugiesen im 15. Jahrhundert bei Taufen im Kongo Salz auf die Zunge des Täuflings legten, anstatt ihn mit Wasser zu besprengen: „“To be baptized” was “to eat salt” and by extension, “to become too much like Europeans.” So in Jamaica to resist eating salt may have been a metaphor for resistance to foreign ways (including Christi- an conversion). Thus, only those who were faithful to African ways were worthy to return to Africa“ (Schuler 1980: 96). Folgt man dagegen dem Bericht des schottischen Geschäftsmannes, Plantagenmanagers und Schriftstellers Michael Scott (1789-1835), so verweist der Sachverhalt auf das Ahnenop- fer. In „Tom Cringle’s Log“118 beschreibt er einen wake, d.h. die Beerdigung eines verstorbe- nen Sklaven, in deren Verlauf getanzt, die „gumbies“ gespielt, eine Tritonsmuschel geblasen wird und die Frauen im Chor u. a. singen: „Den you go in a Africa“. Danach soll dem Ver- storbenen Ahnenopfer in Gestalt von drei Kalabassen mit Schweinefleisch, Rum und Jams in den Sarg gelegt werden. Der für die Bestattung verantwortliche Afrojamaikaner probiert das

[117] Olive Lewin hat dieser Persönlichkeit, die — trotz ihres Bekanntheitsgrades in Jamaika und darüber hin- aus — in Armut leben musste, ein würdiges literarisches Denkmal gesetzt (Lewin 2000: 215-313). [118] Ursprünglich erschienen im britischen „Blackwood’s Magazine“ in den Jahren 1829-1833; es gibt zahlrei- che Nachdrucke in Buchform, aber auch die Ausgabe als eBook im „Project Gutenberg“ () – 140 –

Fleisch und den Jams, um dann festzustellen: „How is dis? I can’t put dis meat in Quacco’s coffin, dere is salt in de pork; Duppy can’t bear salt … Duppy hate salt too much“. Und be- züglich des Jams fährt er fort: „Salt here too — who de debil do such a ting? — must not let Duppy taste dat.“ Aber „Duppy love rum — if it be well strong.“ Die Beerdigung119 wird durch das Auftauchen einer großen Schlange gestört: „Come to catch Quacco’s Duppy, befo- re him get to Africa, sure as can be. De metody parson say de debil old sarpant — dat must be old sarpant, for I never see so big one, so it must be de debil“ (zit. in Abrahams/Szwed 1983: 169-170). Offensichtlich ist es ein weit verbreitetes afrikanisches Erbe, dass die Ahnen kein Salz mögen120 und nach dem Tode — wie schon S. 139 erwähnt — nach Afrika zurückkehren (Pi- gou 1987: 24). Insofern dürfte Monica Schulers Annahme eines Zusammenhangs zwischen dem Verzicht auf Salz mit dem Widerstand gegen das Christentum nicht überzeugend sein. Bemerkenswert an diesem Bericht ist auch die Tatsache, dass hier eine afrikanische Tradition durch den christlichen Glauben an den Teufel erweitert werden kann, ohne dass die afrikani- schen Vorstellungen der Ahnenverehrung aufgegeben werden! Bekanntlich bereiten auch die Rastas ihr I-tal food ohne Salz zu! Und auch die Trommel ist neben dem Gesang bei den Nyabinghis wesentlicher Bestandteil. Es ist zudem die Frage, ob „Ganja smoking“ oder „Herbal Meditation“ (Forsythe 1983: 158-168) nicht zu analogen Zuständen führt wie Myal, auch wenn der Inhalt ein anderer ist. Auf jeden Fall wird deutlich, dass Rastafari als eine neue Religion von den volksreligiösen Traditionen nicht völlig abzu- trennen ist.

f. Kumina und Convince

Myal ist eine Form der Trance, die auch in der Kumina-Religion, bei den Maroons und im Convince anzutreffen ist. In der Forschung ist man allgemein der Überzeugung, dass die Religion Kumina erst mit bantusprachigen Vertragsarbeitern nach der Emanzipation, im Zeit- raum von 1841 bis 1865, nach St. Thomas in den Osten Jamaikas gelangte.121 Die Zentral- afrikaner in Jamaika müssen sich dann offensichtlich teilweise vom Myalism angezogen ge-

[119] Siehe Pigou 1987. [120] An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es in den USA medizinische Forschungsergebnisse gibt, wonach die Afrodeszendeten oder African Americans an größerer Salzsensitivität leiden als die Weißen (siehe z.B. Stephen J. Dubner, „Toward a unified theory of Black America“, in: The New York Times vom 20.03.2005). Aus methodologischer Sicht wird man jedoch einwenden müssen, dass phänotypisch und geno- typisch ein Individuum bereits als „African American“ zu definieren ist, auch wenn er nicht mehr als 20 % an afrikanischen Genen besitzt (siehe Wiktor Stoczkowski, „L’antiracisme doit-il rompre avec la science?“, in: La Recherche, N° 401, Octobre 2006, pp. 44-48). Ein „African American“ kann deshalb auch sehr wohl europäische Vorfahren haben (siehe Lynn Jorde/Stephen Wooding, „Génome sans frontières“, in: ebd., pp. 38-42). Andererseits führt Mimi Sheller einen Bericht an, wonach „salt-fish“ Bestandteil der Ernährung von Afrojamaikanern war (Sheller 2002: 4). [121] In diesem Zeitraum kamen auch „indentured labourers“ mit Yorùbá-Abstammung nach Jamaika. – 141 – füllt haben (Schuler 1980: 86-87); dennoch ergab sich die Aufspaltung in Revival Zion und Pukkumina, zumal Kumina als eigenständige Religion bis heute erhalten blieb. Oder es gab schon vor der Emanzipation von 1834 zentralafrikanische Einflüsse. Die These von Orlando Patterson, wonach „cumina“ bereits 1730 in Jamaika existiert hätte, basiert auf der Gleich- setzung von Zora Hurstons Bericht über ein Kumina-Ritual (Hurston [1938] 1990: 52-56) und Charles Leslies Bericht122, den Patterson mit den Forschungen von Melville Herskovits in Dahomey vergleicht (Patterson [1967] 1969: 199-201). Auch Douglas Chambers verlegt die Anfänge von Kumina in die Zeit von 1776-1808 (Chambers 2007: 303), da in dem Zeitraum von 1786-1810 rund 62.000 Sklaven aus Westzentralafrika nach Jamaika verbracht wurden. Die Herkunft des Wortes Kumina aus dem Kikongo dürfte nach den Untersuchungen von Bilby/Fu-Kia 1983 heute niemand mehr bestreiten: Das Wort bezeichnet einen zeremoni- ellen Tanz mit der dazu gehörenden Musik und ist semantisch von kumu und kumunu abzu- leiten (ebd.: 76-77). Die Religion der „Bongo Nation“ oder „Kongo Nation“ hat zum Mittel- punkt die Kontinuität zwischen dem verstorbenen Ahnen und seinen lebenden Nachkommen, d.h. die durch myal oder Geistbesessenheit hervorgerufene Kommunikation zwischen den Lebenden und den „lebenden“ Toten. Kumina muss jedoch nach Ansicht der vorgenannten beiden Autoren als eine Schöpfung der Neuen Welt angesehen werden „and not an exact rep- licate of any specific African cultural complex“, auch wenn es eine Prädominanz der Kongo- Elemente in der Kumina-Tradition festzuhalten gilt (ebd.: 34). Tatsache ist nun jedoch, dass die ersten Einwanderer der „Bongo Nation“ Gemeinsam- keiten mit ihrer afrojamaikanischen Umwelt erkannt haben müssen, da auch diese Afrikaner den Aufstand des schon erwähnten Paul Bogle von 1865 unterstützten. Unter den Kumina- Anhängern erinnert man sich seiner, obgleich er kein „Bongo“-Ahn ist: Bisweilen besucht er Kumina-Rituale und es gibt auch ältere Berichte, wonach er Besitz vom Körper eines Tän- zers ergreifen soll (ebd. 29-30. 104). Auch zu den Maroons besteht eine lange Geschichte des Kontaktes und des kulturellen Austausches, insbesondere im Bereich der Musik. Kenneth Bilby bezeichnet Kumina „as the vehicle of a broader African identity in Jamaica“.123 Man wird also davon auszugehen haben, dass der afrojamaikanische Myalism teilweise den neuen afrikanischen Einflüssen ausgesetzt war, im Sinne einer Reafrikanisierung, was nach Auftre- ten des Revivalism zur Entstehung des mehr afrikanisch orientierten Pukkumina führte. Ein Problem stellt dagegen Convince — auch Bongo oder Flenkee genannt — dar, eine auf Ahnenverehrung ausgerichtete Religion, von der Donald Hogg annimmt, dass sie unter den Maroons in den Blue Mountains entstanden ist (Hogg 1960: 4). Die Trance ihrer Anhän- ger gleicht der Inbesitznahme wie sie durch die lwa/loa im Vaudou Haitis bekannt ist. Diese Religion, die nach Mervyn Alleyne die älteste überlebende Form von Myalism sein soll (Al-

[122] Siehe Leslie [1740] 1741: 224-225; die von Patterson angeführte Ausgabe von 1730 konnte in der British Library über „Search“ nicht gefunden werden. [123] Kenneth Bilby, „Performing African nations in Jamaica“ (Ethnomusicologie caribéenne, Séminaire d’Eth- nologie caribéenne: Sommaire ( [Zu- griff vom 10.12.2005]). – 142 – leyne 1989: 93), ist heute nur noch in wenigen Gemeinden in Portland und St. Thomas anzu- treffen. Ein Hinweis auf diese findet sich beim Missionar William James Gardner, der Bericht darüber führt, dass nach der Ankunft der Baptistenmissionare Liele und Baker (siehe unten) viele „Native Baptist“-Kirchen eine Verbindung mit dem Myalism eingingen und ein Ritual mit Namen Convince kannten:

Evidence for conversion and qualification for was sought not so much in repen- tance and faith as in dreams; but if the applicant has experienced a “convince”, that is, had swooned away, and while in that state had a vision, or passed through a stage of great excitement, attended by physical contortions, then all was well.“ (Gardner [1873] 1971: 357; vgl. Alleyne ebd.: 93)

Donald Hogg hat Convince als eine Bewegung für Freiheit und gegen Unterdrückung be- zeichnet und darauf hingewiesen, dass diese Aufgaben heute von Rastafari besser ausgeübt wird (ebd.: 22-23; vgl. Brandon 2001: 102). Im Zusammenhang mit der Mission des ameri- kanischen Evangelisten George Lewis zu Beginn des 19. Jahrhundert wird ebenfalls Convin- ce erwähnt: „The slaves had what they called ,The Convince‘, and asked … what they must do to be saved“ (Hutton 1923: 208-209). Lewis war ein Sklave aus Guinea, der nach einem Aufenthalt in Jamaika nach Virginia geschickt worden war, wo er in die Baptistenkirche auf- genommen wurde. Danach kehrte er wieder nach Jamaika zurück und wurde Sklave einer Miss Valentine in Kingston. Zwischen Lewis und Muḥammad Kabā (siehe Seite 115) bestand eine wohl enge Beziehung, die dazu führte, dass Kabā sich für den Freikauf von Lewis ein- setzte. Vermutlich war es dann letzterer, der Kabā das Notizbuch für dessen „Kitāb al-ṣalāt“ („Buch der Gebete“) beschaffte (Daddi Addoun/Lovejoy 2007: 316). Die Moravians kauften Lewis frei, er aber schloss sich keiner bestehenden Kirche an. Kabā wiederum stand als Hel- fer in einer festen Beziehung zu den Moravians. Vielleicht war es nicht nur die gemeinsame Herkunft aus Guinea, die Muḥammad Kabā und George Lewis miteinander verband, sondern auch die Tatsache, dass beide trotz der Taufe an ihrem muslimischen Glauben insgeheim festhielten. Zutreffend spricht Paul Lovejoy davon, dass die religiöse Zugehörigkeit im dama- ligen Jamaika eine komplexe Angelegenheit war (Lovejoy 2005: 362)!

g. Die Native Baptists und das afrikanische Erbe

Myalism war offenbar eine geheime neoafrikanische Religion, die längere Zeit in Ko- existenz mit den „Native Baptists“ sich zu einer kreolischen Religion entwickelte. Von den „Native Baptists“ war bereits die Rede im Zusammenhang mit dem „Baptist War“ von 1831/32 und der „Morant Bay Rebellion“ von 1865. Ihre Anfänge gehen zurück auf die „Black Loyalists“, die nach der amerikanischen Revolution (1775-1782) nach Jamaika kamen. Ihre Zahl umfasste etwa 1000 Personen (Pulis 2006: 195). Der erste schwarze Baptistenmissionar war George Liele (1750-1828), der im Januar – 143 –

1783 ins Land kam und 1784 in Kingston die Gemeinde der „Ethiopian Baptists“ schuf. Er bekehrte dann den aus New York stammenden ehemaligen Sklaven Moses Baker (c1731-1828), welcher seinerseits ein herausragender Pionier der Baptistenmissionar wurde. Die europäische Baptistenmission kam erst viel später ins Land (Loth 2003: 702). Schwarze Prediger kamen selbst noch nach 1802 aus den Vereinigten Staaten, von den Bahamas, Santo Domingo und selbst aus Haiti. 1807 wandte sich der Kingston Council gegen „the pretending preaching, teaching und expounding the Word of God“, das allenthalben in Häusern, Hütten und Yards der Stadt zu beobachten war (Gordon 1996: 48). Die „Black American Baptists“ kamen auch noch nach der Sklavenemanzipation ins Land und kümmer- ten sich insbesondere um die Sklaven auf den Landgütern, wo noch Myal praktiziert wurde. Der schon erwähnte Baptistenmissionar James Phillippo wettert in seinem 1843 geschriebe- nen Bericht gegen eine „fraternity“, bestehend überwiegend aus „free men“, die nach 1782 ins Land gekommen sind, als Lehrer und Prediger auftreten und sich nächtens auf Wander- schaft begeben.124 Die Institution des schwarzen Wanderpredigers war in den Südstaaten Nordamerikas entstanden (Pulis 2006: 198). Ein solcher Prediger war auch der auf Seite 142 angeführte George Lewis. Sie wenden sich an Hausgemeinschaften, in denen keine Prediger sind. Träume und Visionen bilden die Grundlage ihres Glaubens:

Some supernatural revelations were regarded as indispensable to qualify for admission to the full privileges of their community. Candidates were required, indeed, to dream a cer- tain number for dreams before they were received to membership, the subjects of which were given by their teachers. (Phillippo [1843] 1969: 273)

Anhänger dieser „fraternity“ müssen ein oder zwei Tage in der Woche fasten; ihre Zu- sammenkünfte umfassen fast die halbe Nacht und ihre Liturgie ist durch ein im Chor gespro- chenes „Hallelujah“ am Ende eines jeden Gesangsverses gekennzeichnet. Einzelne von ihnen gehen zu bestimmten Zeiten auch in die Einsamkeit der Wälder, „in search of the Saviour, professedly after the manner of John the Baptist in the wilderness“ (ebd.: 272). Diese Bruder- schaft breitete vor der Ankunft der Missionare ihren Einfluss über die ganze Insel aus: „[I]t must soon have involved consequences of the most serious character, not only with regard to morals and religion, but also as it respected the pecuniary interests of the colonists“ (ebd.: 274). Die Prediger der „fraternity“ hatten eine Kenntnis der „formularies of the English Church“ und predigten mit der Bibel und legten diese wörtlich aus. Dies ist bereits ein Indiz dafür, dass die Fixierung der Rastafarier auf die Bibel und ihre wörtliche Auslegung auf eine lange Tradition zurückgeht. Andererseits gingen diese Prediger mit ihren Gläubigen zu Weih- nachten in den Busch, „to see the angels“, legten die Zukunft aus, beherrschten die Prophetie

[124] Der schwarze Wanderprediger war eigentlich keine Neuerung in der Religionsgeschichte Jamaikas, be- dienten sich doch auch die Misisonare dieser Helfer, um deren Freikauf man sich auch bemühte. – 144 – und die Glossolalie. Pulis hat jüngst darauf hingewiesen, dass George Liele die Anfänge einer „black exege- sis“ legte: „the first example of a distinctly Afro-Jamaican exegesis“ (Pulis 2006: 204-205), und mit seinem aus 21 Artikeln bestehenden „Covenant of the Anabaptist Church, Begun in America, Dec 1777, and in Jamaica, Dec 1783“ seine religiöse Bewegung von anderen ab- grenzte. Was Phillippo so erboste, war nach Pulis die „alternative and oppositional religious practice“ der Anabaptisten (Pulis 2006: 205)! Die Mehrheit der Jamaikaner hat also — so Shirley Gordon — das Christentum durch schwarze Lehrer und Prediger kennen gelernt (ebd.: 41). Und das war eher ein auf Wider- stand und Rebellion ausgerichtetes Afrochristentum, wie ein Bericht von „Monk“ Matthew Lewis aus dem Jahre 1816 zeigt: Im Verlaufe eines Kinderbegräbnisses, bei dem ein Schwein durch den Vater geopfert worden ist, versammelt sich eine verschworene Gemeinschaft von 250 Afrikanern, die die Beseitigung aller Weißen auf der Insel beschließen. Maßgeblich be- teiligt sind ein Sklave aus Haiti und „a brown Anabaptist missionary“. Die Verschwörer wäh- len einen „King of the Eboes“, geben ihm zwei „Captains“ zur Seite und singen einen „Song of the King of the Eboes“. Nach der Aussage des „Königs“ habe er nur solche Lieder gesun- gen, von denen der Priester gesagt hätte, sie seien von Johannes dem Täufer gebilligt worden. Johannes der Täufer sei ein Freund der Schwarzen (ebd.: 138-140). Der Missionar Hope Waddell wird später mit „Native Baptists“ konfrontiert, die ihm erzählen, dass sie zu Johan- nes dem Täufer beten, denn er sei größer als Jesus Christus, der von ihm getauft worden ist. Hierbei handelte es sich um leitende Gemeindemitglieder aus der Gemeinde von Moses Ba- ker (Waddell [1863] 1970: 35-36). Aus diesem Bericht von Hope Waddell und der unten folgenden Nachricht aus dem „Watchman“ (Seite 146) kann der Schluss gezogen werden, dass für viele Sklaven und Afro- jamaikaner ganz offensichtlich das baptistische Verständnis von Taufe, verbunden mit dem Akt des Untertauchens im Wasser (siehe Abbildung bei Reid 1983: 2-3), vor allem im „le- bendigen“, d.h. fließendem Wasser eine Affinität zu afrikanischen Vorstellungen und Prakti- ken herstellte (Ogungbile 1997). Hier ist auf die Tatsache hinzuweisen, dass Flüsse und Ströme im Yorúbà-Land als òrìÍà angesehen werden, beispielsweise neben YemoÙja auch die drei Frauen ˛aængós: OÙya als Gottheit des Niger und OææÙÆÍun sowie OÙbaæ für die nach ihnen be- nannten Flüsse (Abímbo;Ùla; 1994: 104). OææÙÆÍun, die starke, schöne und intelligente afrikanische Mutter, die keiner männlichen Autorität unterworfen ist, gewährt mit ihrem heiligen Wasser Heilung in vielfältiger Weise, insbesondere bei ausbleibender Schwangerschaft, weil sie auch in kosmologischer Hinsicht eine Quelle der Macht ist (Badejo 1996). Auch Olokun, der im Zentrum des Edo-Geistbesessenheitskultes steht, wird mit dem großen Wasser identifiziert (Ben-Amos 1994: 118-134). Die dem Yorùbá-Milieu entstammende „Celestial Church of Christ” benutzt heiliges Wasser wegen seiner Wirksamkeit in prophylaktischer und therapeu- tischer Hinsicht (Adogame 1998: 11). Wachsender Beliebtheit erfreut sich die überaus erfolgreiche Gottheit aus dem Vodun- /Vodu-Pantheon: Mami Wata (auch: Water). Diese Meeres- und Wassergöttin der Ewe in – 145 –

Togo, Benin und Ghana, die neben afrikanischen auch indische und europäische Einflüsse in sich vereinigt, äußert sich in Träumen und erscheint in der Besessensheitstrance. Das Bad im Fluss als Initiationsritual steht für den rituellen Tod, der nach acht Tagen zu einem neuen Le- ben führt (Christoph/Müller/Ritz-Müller 1999: 61-62).125 Auch in der Black Diaspora haben sich bekanntlich Vodun-Rituale erhalten, in denen wir der Verehrung von Fluss- und Meeresgottheiten begegnen, die insbesondere im Vaudou Hai- tis von Trancephänomenen begleitet sind. Berühmt sind die Wasserfälle von Saint d’Eau bei Villebonheur oder die drei Schlammlöcher in Plain-du-Nord, die als Göttersitze dienen. Der Meeresgottheit Agoué oder Agwe — Agbé oder Agboe in Benin — werden am Ufer kleine Schiffe mit den von ihm bevorzugten Speisen dem Meer übergeben; seine Gemahlin ist La Sirène (Vaudou: 82). OææÙÆÍun lebt in Kuba und Brasilien weiter als Ochún bzw. Oxum und Ye- mo≥ja als Yemayá bzw. Yemanjá oder Iemanjá. Dem Bildnis oder der Statue von Iemanjá, „a grande mãe africana do Brasil“, begegnet man in vielen Teilen Brasiliens. Während Oxum in Salvador da Bahia mehr wegen ihrer erotischen Anziehungskraft verehrt wird, kommt Ieman- já, der „Königin des Meeres“, eine einzigartige Stellung zu, wird sie doch jeweils am 2. Fe- bruar, dem Tag von „Nossa Senhora das Candeias“ („Maria Lichtmess“), in Salvador am Strand des Rio Vermelho und mit Ritualen auf dem Meer im Rahmen eines großen Volksfes- tes gefeiert (Vallado 2002: 168-177). Und am 31. Dezember bewegen sich Tausende von Brasilianer an die Küste, um der „Königin des Meeres“ Opfer darzubringen (ebd.: 190-195). Francis Osbourne und Geoffrey Johnston sind unseren Wissens die einzigen Autoren, die es für möglich halten, dass mit der sakramentellen Benutzung von Wasser in Strömen oder der See seitens der Baptisten „a responsive chord in the slave’s mind“ angesprochen wurde, „which they didn’t even know was there“ (Osbourne/Johnston [1972] 1989: 153). Allerdings hatte Melville Herskovits bereits 1941 auf die „river spirits“ und die Macht der mit der kulti- schen Verehrung von Flüssen verbundenen Priester hingewiesen (Herskovits [1941] 1963: 232). Gleichermaßen sah er einen Zusammenhang zwischen dem baptistischen Taufritual des Untertauchens im Wasser und der afrikanischen Tradition der Flussverehrung (ebd.: 233). Für Sklaven aus dem Kongo kommt noch eine afrikanische Interpretation des Kreuzes hinzu: Die Horizontale wurde mit der Oberfläche des Wassers verglichen, unter dem sich die kalun- ga befindet, die von der Welt der Ahnen trennt (Sinclair 1997: 5). Das Kreuz symbolisiert also die zwei Welten: die der Lebenden und die der Toten/Geister. Ganz offensichtlich haben dieses baptistisches Ritual und auch noch anderes die Afrika- ner und Afrojamaikaner in ganz besonderer Weise angesprochen, wie der Volksglaube aus dem 19. Jahrhundert und die Praktiken der Revivalists belegen. Vermutlich wird man aber auch davon ausgehen müssen, dass es in Jamaika vor und nach der Emanzipation bereits un- terschiedliche Gruppierungen gab, die neoafrikanische Traditionen pflegten, auch wenn sie scheinbar dem christlichen Lager angehörten. So führt Mimi Sheller einen Bericht aus dem

[125] Zu Mami Wata in Togo siehe auch Gert Chesi. 1979. Voodoo: Afrikas geheime Macht, Wörgl: Perlinger; ders. 2003, Voodoo in Afrika: Menschen im Banne der Götter, Innsbruck: 2003. – 146 –

„Watchman“ vom 31. Oktober 1829 an:

An 1829 newspaper unhappily reported the ‘self-stiled Reverends, alias Baptist prea- chers’ who ‘roared out’ psalms and hymns one Saturday night in Port Royal, ‘to the great annoyance of the quiet and orderly portion of the inhabitants’, until joined on Saturday morning ‘by a large party of female slaves, when the whole moved off in a body toward the sea, where they were well soused’. (Sheller 2002: 9)

Offensichtlich wurde ein neoafrikanisches Wasserritual vollzogen, das im Revivalism und bei Alexander Bedward wieder auftauchen wird. Bemerkenswert ist hier wieder die Er- wähnung von zahlreich erscheinenden Frauen. Hinsichtlich des Weiterlebens von afrikani- schen Traditionen in veränderter Gestalt muss bedacht werden, dass den Tausenden von Ge- tauften während des Höhepunktes der missionarischen Tätigkeit auf der Insel von 1815-1830 nur 50 weiße Missionare gegenüberstanden (Senior 2003: 312). Wie wir bei Henry Bleby le- sen können, haben die inhaftierten Rebellen des „Baptist War“ (siehe IV.2.b.) zwar seit Jah- ren der Baptistenkirche angehört, aber nie einen weißen Prediger gesehen; ihre Unterweisung sei ausschließlich durch Sharpe erfolgt (Bleby [1853] 2008: 120). Die Rechtgläubigkeit der Sklaven konnte nur schwerlich überwacht werden! An dieser Stelle soll einmal darauf hingewiesen werden, dass die historische Erforschung von „Afrikanismen“ in Jamaica ein schwieriges Unterfangen ist, da die weißen Kolonialher- ren kein Interesse an afrikanischer oder neoafrikanischer Kultur hatten, aber auch nicht an ei- ner Christianisierung ihrer Sklaven. Das gilt natürlich auch von den Londoner Bischöfen, die für die königlichen Kolonien in Amerika zuständig waren und nicht selten diese Regionen sich selbst überließen. Der Pastoralbrief des missionswilligen Bischofs Edmund Gibson von 1727, der einen Versuch darstellte, den Sklavenhaltern die Unterweisung ihrer Sklaven in den christlichen Glauben nahezubringen, bezeichnet letztere als „jene armen Kreaturen von heid- nischer Finsternis und Aberglauben“ (Feil 2001: 264). Liest man diesen Brief in Gänze, dann muss man ihn als einen Ausbund an Perfidie bezeichnen, stellt er doch fest, dass die Evange- lisierung der Sklaven nichts an ihrer Versklavung ändert, sondern diese vielmehr zu Fleiß und Treue verpflichtet, ist doch die Herrschaft über diese „Anzahl heidnischer Götzendiener“, die „noch unter der Vorherrschaft des Satans verharren“, von Gott gegeben (ebd. 267-268). In Brasilien ist die Situation eine andere, da mit der Errichtung der „Heiligen Inquisiti- on“ seit Ende des 16. Jahrhunderts — zuständig war das Tribunal in Lissabon — nicht nur gegen „Neu-Christen“ (cristãos-novos) ermittelt wurde, sondern u. a. auch gegen die aus Afrika stammenden religiösen Vorstellungen und Praktiken von Sklaven und Freigelassenen (Sweet 2003). Unterlagen über durchgeführte Inquisitionsfälle finden sich heute im Arquivo Nacional do Torre de Tombo in Lissabon oder in katholischen bzw. brasilianischen Archiven. In Jamaika dagegen verfügen wir nicht über ein solches Faktenwissen und wir müssen davon ausgehen, dass Einzelheiten über „Afrikanismen“ vielfach verloren gegangen sind! Die Folklore weiß indes noch um 1830 von einem „water spirit — the diving duppie“ – 147 –

(Cassidy 51961] 1982: 252). Auch eine „River Mumma“ oder „River Maiden“, die an der Quelle von großen Wassern sitzt und ihr langes schwarzes Haar mit einem goldenen Kamm kämmt. Die Fische galten als ihre Kinder und waren für den menschlichen Genuss tabu. „In times gone by people would go to the rivers at stated times to sing, dance myal and bring food for the River Mumma“.126 Um 1950 wurden ihre Assistenten aus dem Kreis der Reviva- lists als „water shepherd, water shepherdess, water boy“ und „water girl“ bezeichnet (Cassidy ebd.). „Rivermaid“ ist heute in Jamaika der prinzipielle Wassergeist (Senior 2003: 508-509), der nicht nur im Kult des Revivalism auftauchen kann, sondern auch einen festen Platz im Pocomania-Tanz hat (Nettleford 1969). Das den Sklaven vom 1. August 1834 (Tag der Sklavenbefreiung) bis zum 1. August 1838 auferlegte System der „apprenticeship“ führte zu einer erheblichen Verschlechterung zwischen Exsklaven und Pflanzern, waren diese Jahre doch bestimmt durch Zwangsarbeit und nahezu ungezügelte Rechtsverletzungen von Seiten der Pflanzer und der von ihnen be- herrschten staatlichen Rechtsorgane.127 An den Konflikten auf den Plantagen spielten wieder- um Frauen als Sprecherinnen und Anführerinnen eine prominente Rolle (Sheller 2002: 3), unterlagen sie doch nicht nur denselben unmenschlichen Formen der Bestrafung wie die Männer, sondern wurden auch noch sexuell missbraucht. Es ist von daher nicht verwunder- lich, wenn insbesondere Frauen sich der brutalen Plantagenwirtschaft entzogen und mit ihren Familien in die „“ der Baptisten zogen (ebd. 5-7; Mair 2006: 306-313). Von 1838-1844 waren es 19.000 Familien, was einer Gesamtzahl von 100.000 Menschen ent- sprach (Mintz 1958: 49-50). Obgleich die „Free Villages“ einer relativ starken Kontrolle durch die Missionare unter- lagen, konnten diese nicht verhindern, dass wenige Jahre nach Ende der „apprenticeship“ der religiöse Eifer der Afrojamaikaner hinsichtlich des Christentums nachliess und Lehren und Praktiken Einzug hielten, die eher denen von Obeah und Myal entsprachen (ebd.: 55-57). Of- fensichtlich waren europäische Kultur und Religion nicht so überzeugend, wie es sich die Missionare wohl gedacht hatten. Die Abwendung von den europäischen Kirchen muss auch dahingehend verstanden werden, dass die Afrojamaikaner nach religiöser Selbstbestimmung strebten. Dieses folgt aus Berichten der Kirchen nach 1840: Immer deutlicher wird das Be- streben, Nichtweiße in Führungspositionen zu wählen. Ein besonderes Problem war dabei, dass Frauen in einem nicht unerheblichen Maße Führungsrollen innehatten — ganz im Unter- schied zur kirchlichen Situation im Mutterland England (Sheller 2002: 8-9). Später sollten afrojamaikanische Frauen einen entscheidenden Anteil am Revivalism haben. Schon lange vor der Sklavenemanzipation hatte „black religion“ die weiße Gesellschaft und ihr Religionssystem bedroht. So war es auf den Plantagen ganz offensichtlich zu einer

[126] „Jamaican Folklore | River Mumma“ ( [Zugriff vom 02.01.2006]) [127] Der im Sommer 1834 angekommene Gouverneur Lord Sligo wollte eine liberale Durchführung der Emanzipation-Gesetzgebung, kapitulierte aber bereits zwei Jahre später wegen der Obstruktion der Assemb- ly of Jamaica. – 148 –

Koexistenz von Native Baptists und „African religious survivals“ gekommen (Gordon 1996: 132). Es waren also afrikanische religiöse Praktiken, die das Leben der Sklaven prägten, wie Moses Baker noch 1803 in einem langen Brief an einen Freund feststellt (Gayle 1983: 29). Dazu gehört auch, dass auf den Plantagen die männlichen Sklaven bis zu fünf Frauen hatten, was die Durchsetzung der christlichen Monogamie sehr erschwerte. Die von Afrikanern ge- gründeten Kirchen gewährten den Sklaven nicht nur einen gewissen Freiraum an Meinungs- bildung, sondern ermöglichten auch eine Afrikanisierung (Gerloff 1993), wie sie dann ty- pisch werden sollte für die „Native Baptists“: „Myalism, obeah and witchcraft all found their place in the religious observances of the Native Baptists“ (Gayle 1983: 34; vgl. Gardner [1873] 1971: 344). Insbesondere ist in diesem Zusammenhang Thomas Nicholas Swingle, der von Liele getaufte Afrojamaikaner, zu nennen, der als sein „deacon“ eine Trennung von Liele vollzog. Als Grund wird u.a. angegeben, „that some of the members began speaking in tongues and were excluded by Liele“ (Gayle 1983: 19). Bei William James Gardner lesen wir: „Some … black men, separating from Lisle, established churches in other places“ (ebd.). Die Tatsache, dass Liele die britischen Baptisten um Hilfe bitten musste, hing dann auch damit zusammen, dass er die Kontrolle über die zahlreichen schwarzen Baptistengruppen verloren hatte. Über Moses Baker sollte später Hope Waddell schreiben: „He seems to have been a good man, and zealous, but ill informed, and most superstitious. He …initiated them into a strange system of mingled truth and error, which his leaders carried to the length of a monstrous superstititon“ (Waddell [1863] 1970: 26). Als dann der alternde Baker um die Entsendung eines englischen Baptistenmissionars bat und 1824 seine Gemeinde zu Missionar Thomas Burchell in Montego Bay schickte, zeigte sich, wie stark seine Gemeinde vom Mya- lism geprägt war:

The grand doctrine of these people was the Spirit’s teaching. It gave life. The written word was a dead letter. … The Spirit was sought in dreams and visions of the night, which thus became the source of their spiritual life. Without them inquirers could not be born again by water or the Spirit. The leaders expounded these dreams to their kneeling followers in weekly class meetings; which, when judged to be of a right kind, were called “the work”. that is, of the Spirit, and supplied the place of knowledge, faith, and repen- tance. As Christ was led of the Spirit into the wilderness, his disciples must follow him into the wilderness to seek the Spirit. To the bush, the pastures, or the cane fields, those people resorted at night, when preparing for baptism, and were ordered to lie down, each apart, without speaking, but keeping eye and ear open to observe what way the Spirit would come to them. Doubtless they would see and hear strange things in their excited imaginations, and the leaders could make what they liked of them. The result of such a system among such a people may be imagined. (Waddell ebd.: 26).

Am Ende trennten sich solche Gruppen von „Native Baptists“ von den „English Bap- tists”, „but not without rending some congregations in pieces“ (ebd.: 27). Aufschlussreich ist – 149 – an dieser Schilderung das Verhalten der Anwärter auf die Taufe, die gewissermaßen im Rahmen einer Initiation (Alleyne 1989: 93) in den nächtlichen Busch gehen müssen, um dort dem „Spirit“ zu begegnen. Dieser Typus der Suche nach Offenbarungen ist in Afrika durch- aus bekannt! Die „leaders“ sind dann die Meister, die die Neophyten trainieren und mit ih- nen eine Initiationsbruderschaft bilden (Zahan 2000: 20-25). Dies erklärt den Zusammenhalt der „Native Baptists“ und später der „Revival cults“ in der Konfrontation mit den anderen, weißen Kirchen. Die Laienführer spielten in dem von den schwarzen Predigern übernommenen „ticket- and class-leader system“, das John Wesley entwickelt hatte, eine entscheidende Rolle: Kleine Gruppen von Konvertiten („classes“) erhielten einen Laienführer („Class Leader“), auch „daddy“ genannt, der für das spirituelle und moralische Wohl der Gruppe verantwortlich wurde. Es bildete sich die Gewohnheit, dass die „class members“ sich ihre eigenen Führer wählten, was bei den Wesleyanern nicht der Fall war (Besson/Chevannes 1996: 224). Biswei- len wurde den „tickets“ auch ein sakraler Charakter beigelegt, als „passport to heaven“, den man dann dem Verstorbenen in den Sarg legte.

The planters’ accusation that missionaries were selling “passports to heaven” was not far from the truth. To the illiterate African the ticket was a fetish — a white man’s fetish, and therefore a fetish of superior power. It was the Christian equivalent of the fetishes carried by Negroes in the Gambia region of West Africa, where even among non-Moslem Negroes a few words from the Koran on a scrap of paper were credited with special po- wers. The Baptist ticket in Jamaica was similar: it bore the member’s name, the signature of the parson, and was inscribed around the edge with mottos like “Pray for your Child- ren” and “Pray for the Grace to live near God”. (Curtin 1955: 37).

Es ist sicherlich nur zu einem Teil die Vermutung richtig, dass die „Native Baptists“ sich selbst als Christen verstanden, „but their religion resembled Myalism as much as secta- rianism“ (Hogg 1964: 110). Es ist wohl so, dass die Gemeinschaften der „Native Baptist“ den afrikanischen Sklaven nicht nur einen gewissen Freiraum an Meinungsbildung gewährten, sondern dass dieser Freiraum ähnliche Möglichkeiten eröffnete wie die katholischen Bruder- schaften, d. h. die irmandades und confrarias in Portugal und Brasilien bzw. die cabildos (Palmié 1991: 125-51) und confradías in Spanien und Spanisch-Amerika: Die eigenen afri- kanischen Traditionen konnten hinter der Fassade eines nominell angenommenen Christent- ums gepflegt werden. Das war auch wohl der Einwand der Presbyterianer gegen das „leader ticket system“ (Osbourne/Johnston [1972] 1989: 152-153). Dies gehörte zu den Verbergungsstrategemen afrikanischer Sklaven und ihrer Nach- kommen, bis zu dem Tage, an dem demokratische Verfassungen die offene Ausübung von afrikanischen Diaspora-Religionen erlaubte! Mit Blick auf Kuba, Brasilien und Haiti sprach Melville Herskovits auf dem „II Congresso Afro-Brasileiro“ 1937 davon, dass der katholi- sche Glauben immer nur nominell angenommen wurde, – 150 –

ao mesmo tempo em que (os negros) pertencem aos “cultos fetichistas” dirigidos par sa- caerdotes cujas funcções são essencialmente africanas e cujo exercicio segue, mais ou menos, bem conhecidos processos de instrucção e da iniciacão. (Herskovits 1940: 20)128

Es gibt natürlich auch das umgekehrte Beispiel: die Verbergungsstrategeme der in Japan seit dem 16. und 17. Jh. verfolgten Katholiken. Letztere beteten vor kleinen Statuen der Jung- frau Maria, die als Kannon-sama verkleidet war oder stellen auch heute noch kleine Kreuze und die Jungfrau auf den buddhistischen Altar, der der Verehrung der Verstorbenen gewid- met ist. Und die Grabsteine unterscheiden sich von denen der Buddhisten lediglich durch ein eingraviertes goldenes Kreuz.129

h. Myalism und die „Great Myal Procession“

Zwei Dinge standen im Mittelpunkt der Myal-Bewegung: die mediumistische Erfahrung des „spirit“ sowie das Heilen mit Hilfe der empfangenen Botschaften. Deshalb gilt auch die „Great Myal Procession“ von 1841-42 als „Obeah War“. James Henry Buchner, der Missio- nar der Mährischen Brüder („Moravians“), beschreibt diesen in seiner Geschichte über die Mission in Jamaika dahingehend, dass einige „Negroes on an estate“ in der Nähe von Monte- go Bay sich als „Myalmen“ ausgaben und ihre Rituale zu praktizieren begannen. In unglaub- lich kurzer Zeit folgten ihnen Tausende in St. James, Westmoreland und Trelawny.

As soon as the darkness of evening set in, they assembled in crowds in open pastures, most frequently under large cotton trees, which they worshipped, and counted holy; after sacrificing some fowls, the leader began an extempore song, in a wild strain, which was answered in chorus; the dance followed, grew wilder and wilder, until they were in a state of excitement bordering on madness. Some would perform incredible evolutions while in this state, until, nearly exhausted, they fell senseless to the ground, when every word they uttered was received as a divine revelation. At other times, Obeah was to be discovered, or a “shadow” was to be caught; a little coffin being prepared in which it was to be enclosed and buried. (zit. in Alleyne [1988] 1989: 99)

Die Schilderung enthält zahlreiche afrikanische Strukturen: der heilige „cotton tree“, die nächtlichen Tieropfer, Gesang und Tanz, die Trance und der Bezug auf die Ahnen (vgl.

[128] „während sie (die Schwarzen) den ,fetichistischen Kulten‘ angehörten, die von Priestern geleitet wurde, deren Funktionen essentiell afrikanische waren und deren Ausübung, mehr oder weniger, gut bekannten Pro- zessen der Instruktion und Initiation folgt“ [129] Siehe Philippe Pons, „L’archipel du Japon chrétien“, in: Le Monde, 22.09.2007, p. 28-29. – 151 –

„shadow“) und die Erwähnung von Obeah als Symbol des Bösen. Ähnliches geschieht be- kanntlich in den Ngòmà-Kulten (von Bantu ngòmà, „Trommel“) bantusprachiger Gesell- schaften Afrikas, in denen es ebenfalls um öffentliche und kollektive Heilungspraktiken geht: Musik, Tanz, Wechselgesang sowie Befragung der Ahnen-, Natur- und Territorialgeister mit- tels eines Mediums gehören zum Ritual (Schoenbrun 2006: Nr. 33; Janzen 1994). Dahinter steht ein Weltbild mit dem Axiom, dass „ancestral shades and spirits, ultimately expressions of the power of God, may influence or intervene in human affairs“ (Janzen 1994: 167). Auch in den neuen unabhängigen Kirchen Afrikas steht das Heilen mit Hilfe des Heiligen Geistes neben dem Streben nach Freiheit des Gottesdienstes im Mittelpunkt der religösen Praxis. Das Leben etwa der Begründerin oder zumindest Mitbegründerin der „Cherubim and Seraphim Society“, Christiana Abiodun Emmanuel (1907-1994), ist voll von Träumen, Visionen und Trance-Erfahrungen (Dipe 1998), die heute wesentlicher Bestandteil der Aladura-Kirchen sind. Nach dem Bericht des jamaikanischen Reverend Thomas Banbury bezeichneten sich die „Myalmen“ auch als „angel men“ und erklärten, die Welt würde an ihr Ende kommen, Chri- stus würde kommen und Gott hätte ihnen gesagt, alle Obeahs zu sammeln und alle Schatten [shadows] zu fangen, die durch Zauber an die Kapokbäume (cotton trees) gefesselt wären (zit. in Alleyne ebd.). Durch diesen Bericht kommt ein millenaristischer Aspekt in die Bewe- gung! Konnte man vorher von einem Obeah-Myal-Komplex sprechen, so gilt nunmehr, dass die Gesellschaft von Obeah befreit werden muss. Es gilt jetzt der „fortune-misfortune-com- plex“ (Craemer/Vansina/Fox 1976: 463), der nicht nur in Zentralafrika, sondern auch in an- deren Teilen Afrikas anzutreffen ist. Obeah und Myal vollziehen eine Trennung, wobei Obe- ah nunmehr unter die Rubrik „misfortune“ fällt. Damit wird aber der von den Missionaren gepredigte individuelle christliche Sündenbegriff abgelehnt! Denkbar ist diese Entwicklung, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass zwischen 1786 und 1810 die Briten vermehrt Sklaven aus dem Kongo und Angola ins Land brachten. Insgesamt stammten 15, 8 % aller von 1661 bis 1810 ins Land gebrachten Sklaven aus dem westlichen Zentralafrika (Chambers 2007: 299130). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Statistik über „Runaway“-Sklaven: Mit rund 29 % stellen hier die Sklaven aus Zentralafrika die größte Gruppe! John Thornton hat jüngst die Ansicht vertreten, dass die Sklaven ihre Vorstellungen über Hexerei und den Kampf dagegen — im individuellen wie auch kollektiven Kontext — nach Amerika mitgebracht haben (Thornton 2003: 293). Die Kampagne gegen Obeah würde dem entsprechen. Dem nachhaltigen „Kongo“-Einfluss auf Jamaika ist jüngst Maureen War- ner-Lewis in umfassender Weise nachgegangen (Maureen-Lewis 2003). Einen Schritt weiter geht Monica Schuler, wenn sie schreibt:

Central Africans formed the nucleus of the Rastafarian movement that emerged around 1930 in eastern Jamaica. They propagated the idea of Selassie as King Zambi (KiKongo:

[130] Chambers’ Angaben beruhen auf der Datenbank „The Trans-Atlantic Slave Trade Database“. – 152 –

kinzambi, God; formerly the most remote or “highest spiritual authority“), an apocalyptic World Emperor who would restore them to Africa and restore Africa to greatness. (Schu- ler 2002: 349)

Schuler zieht dann einige Parallelen zwischen den Rastafariern und den Jordanites in Gu- yana, auf die wir noch zurückkommen werden. Allerdings sei schon an dieser Stelle ange- führt, dass u. W. Gott Zambi nicht auf die Erde herbsteigt, um sich zum Weltenherrscher krö- nen zu lassen. Die Deifikation Haile Selassies muss einen anderen Ursprung haben! Vergleicht man nun den Ausbruch des Myalist Revival von 1841-42 mit der Studie von Craemer/Vansina/Fox von 1976 fallen die Analogien (siehe unten) zu den religiösen Bewe- gungen in Zentralafrika auf. Die anschauliche Schilderung eines Myal-Rituals durch den Missionar Hope Waddell aus dem Jahre 1842 soll hier angeführt werden:

We used to meet in the old “great house”, but on this occasion were attracted to the villa- ge by the noise of the Myal proceedings. There we found them in full force and em- ployment, forming a ring, around which were a multitude of onlookers. Inside the circle some females performed a mystic dance, sailing round and round, and wheeling in the centre with outspread arms, and wild looks and gestures. Others hummed, or whistled a low monotonous tune, to which the performers kept time, as did the people around also, by hands and feet and the swaying of their bodies. A man, who seemed to direct the per- formances, stood at one side, with folded arms, quietly watching their evolutions. Entering the circle, I attempted to address the assembly, but was unheeded. The dancing women engrossed all the attention. Addressing him who seemed the president, I request- ed him to quiet the people, and let me speak to them. He did so in a moment, and most gently. They were silent, and I mentioned my object, and proposed they should come with me to the former place of meeting in the old Great House. They objected to move from the spot, and desired me to stand and preach there. Some proposed I should first sing a hymn, and I commenced one; but observing how much it affected them, ceased, and began to pray. That calmed them for a while, but soon they grew impatient, and re- sumed their own song, and the dancing women their performances. Turning to the ma- nager, I said, “They are mad.” “They have the spirit.” “You must be mad yourself, and had best go away.” “Let the women go on; we don’t want you.” “Who brought you here?” “What do you want with us?” (Waddell [1863] 1970: 189-190)

So schnell aber wollte der schottische Missionar das Feld nicht räumen, er lässt sich von seinen Begleitern einen Stuhl bringen, „to preach the word of God“. Danach aber veranlasst er seine Begleiter, das Ritual mit Gewalt zu beenden, indem diese den Ring der Tanzenden sprengen. Die Teilnehmer des Myal-Rituals ziehen sich in ein benachbartes Haus zurück:

They were terribly disconcerted; for they had all day been engaged in that yard to cleanse – 153 –

it from the hidden poison, had discovered the very spot where it lay concealed in the earth, just under the chair on which I stood, and were ready to conclude their operations, by digging it out, but for our unexpected interruption. (ebd.: 191)

Die Bewegung verstand sich als „corrective of Obea“ (ebd.: 187), die im Auftrag des „Lord Jesus Christ“ oder „Spirit of God“ das Böse ausgraben: „Their Obea articles, wrapped in old crooks, and some ill-looking compound in Bottles, were produced to the amazement of the court“ („Cornwall Chronicle“ zit. bei Waddell ebd.: 193). Es geht den Myalists also dar- um, „to get the spirit“, weshalb sie auch zu den Gräbern gehen, „praying to the dead“. Auf der Plantage Gale’s valley sollen sie sogar die Gräber geöffnet haben, „to release the spirits which they said were confined therein“ (ebd.: 194). Einen Obeah-man haben die Myalists er- griffen und auf eine neue Weise getauft: Er wurde auf den Rücken gelegt, mit acht Eimern Wasser überschüttet und am Boden festgehalten, „while the party danced and sung round him for a full hour, to exorcise the devil. At length they bade him rise, confess his sins, and call on the name of the Lord“ (ebd.: 193). Für die Vertreter des europäischen Christentums müssen die Phänomene, die mit der Ek- stase der Myalists einhergehen, als Besessenheit durch den Teufel erscheinen, wie es im Be- richt von Mr. Drummond, dem Lehrer an der Hampden School, ausgeführt wird:

They were yelling, wheeling round, and striking against one another in a frightful man- ner, and would not hear me speak to them. One young man was beating himself, and spinning about, till he fell down in convulsions. Afterwards, several men and women went reeling and staggering about, moaning and striking themselves. Two of the party, young men, seemed possessed of the devil. One of them had been at our school. Next morning he wept, and said he did not know what was the matter with him. Soon after he rolled on the ground, and then ran up and down like a mad dog. I took hold of them, and they trembled all over, with eyes fixed and starring. The next day they came to me com- posed; but feared “the spirit” would return on them again in the afternoon; and them, they said, they knew not what they were doing, and felt no pain. If it was God’s spirit that was in them, or the devil, they could not tell, nor could they restrain themselves. (zit. bei Waddell ebd.: 193-194)

Auch wenn der Bericht des weißen Schullehrers von Abneigung geprägt ist, führt er den- noch die Phänomene an, die für die Trance typisch sind: Gesang und Tanz, „spirit posses- sion“, unkontrollierte Bewegungen in der Trance, Zittern und starrer Blick. Diese Form der Ekstase ist auch noch heute im Revivalism anzutreffen. Bei seinem Besuch von Revival Churches in Jamaika konnte der Autor eben dieses alles beobachten, auch die Tatsache, dass junge Männer in Trance fielen und von den umstehenden „Müttern“ dann behutsam in die Arme genommen wurden, um langsam zurückgeführt zu werden. Es konnte ebenfalls beob- achtet werden, dass — sofern das Ritual nicht in einem Kreis vollzogen wurde — sich in – 154 –

Trance Befindliche durchaus an herumstehenden Gegenständen stoßen konnten. Einige Forscher haben diese Entwicklung psychologisierend auf die miserablen ökono- mischen Bedingungen im Zeitraum von 1840-1860 zurückgeführt (Wedenoja 1978: 50. 52; Schuler 1979: 71) und die These erhoben, „the distressed freedmen found it convenient to blame their misfortune on evil magicians and duppies“ (Hogg 1964: 134). Wenn wir den oben zusammengetragenen Afrikanismen in Jamaika Rechnung tragen wollen, dann erscheint eine Zurückführung des Myalism auf nur äußere Faktoren zu vordergründig! Man wird wohl eher davon auszugehen haben, dass der „Myal cult“ nach Cassandra Perrone die erste Volks- religion Jamaikas war (siehe S. 129; vgl. Schuler 1979b: 129). Mervyn Alleyne nimmt die folgende religionsgeschichtliche Einordnung vor: „Myalism must be viewed along a diachro- nic continuum of change beginning in Africa; and along a continuum of synchronic variation within the population at any one particular time“ (Alleyne 1989: 89; Besson 1995: 57). Hilfreich zum Verständnis des Myalism ist der Hinweis von Monica Schuler auf die an- erkannte Studie von Craemer/Vansina/Fox 1976; sie zählt ihrerseits sechs Analogien auf (Schuler 1979: 66-67). Wir wollen hier unsererseits auf fünf Strukturen verweisen, die auf Zusammenhänge des Myalism mit den religiösen Traditionen Afrikas hinweisen:

1. Die neue religiöse Bewegung besteht aus bereits vorhandenen Ritualen, Symbolen, Glaubenslehren und/oder Mythen, die einen Prozess der Umbildung erfahren haben; nur gelegentlich werden völlig neue Elemente inkorporiert. Im Falle des Myalism wären es solche aus dem Christentum. 2. Am Anfang steht ein charismatischer Führer, der seine Inspiration aus Traumvisionen oder kontrollierter Besessenheit ableitet. Leider bleiben die Führer der Myal-Gruppen in Jamaika anonym, bis auf den Fall des „Myalman Dr Taylor“ aus dem Jahre 1848, der in der Strafanstalt landete und dort durch einen Unfall ums Leben kam. Mervyn Alleyne sieht in ihm einen Vorläufer von Alexander Bedward, dem Propheten von August Town (Alleyne [1988] 1989: 98-99). 3. Das Universum ist erfüllt von guten Geistern — die Schatten der Ahnen und die guten Geister — und bösen Geistern und Kräften, deren sich Personen zum Zwecke der Hexerei und Zauberei bedienen („fortune-misfortune complex“). Die neue Bewegung kommt mit Tanz und Gesang und mit der Überzeugung, dass alte Beschwörungen durch Elimination des Hexenwesens beseitigt und Harmonie und Frieden herbeigeführt werden können. In Jamaika musste eine solche Bewegung sich gegen den Obeah-man richten. 4. Wesentliche Charakteristika der Bewegung ist ihr kollektiver Charakter sowie die in- nere Dynamik der Ausbreitung über die ursprünglichen Grenzen hinweg. Myalism be- wegte sich von einer Pflanzung zur anderen, von einem Parish zum nächsten. 5. Der religiöse Glaube ist nicht das primäre Element, sondern die Rituale als symboli- sche Handlungen: Tanz, Musik und Trance sind die Medien der Kommunikation mit der Welt jenseits des Sichtbaren, weil sie ihre symbolische und rituelle Macht erhalten haben. Christliche Glaubensvorstellungen konnten Eingang finden, um signifikante Lücken in – 155 –

der „klassischen Religion“ zu füllen. In Jamaika hat es im Sinne der zentralafrikanischen Tradition keine „klassische Religion“ gegeben, wohl aber haben Tanz, Musik und Trance als afrikanische Strukturen die „Middle Passage“ überstanden.

i. Vom Myalism zum Revivalism

Obgleich der Myalism nach 1842 die Züge einer starken Gegenkultur annahm und die „Native Baptists“ sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für die „orthodoxen“ europäischen Kirchen entwickelten, kam es zu einem Prozess der Überlagerung: „Beginning in the for- ties… the elements of Christianity became stronger in myal practice — preaching, Christian hymns, Christian phraseology, ‘prophesying’ in the name of the Christian God — but the ba- sic African elements were also retained“ (Curtin 1955: 170). Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung mit dem „Great Revival“ von 1860-1861. Der Ursprung ist eigentlich der evan- gelikale „Revival“ in den USA, Irland und Großbritannien, den die Missionare nach Jamaika brachten. Zunächst war das Unternehmen 1860 von Erfolg gekrönt — sprunghaft stiegen die Mitgliederzahlen der Kirchen an (Davis 1998: 59) —, aber 1861 übernahmen die „Myalists“ und „Native Baptists“ die Bewegung und die alten afrikanischen Rituale dominierten: Trom- mel, Tanz und Trance, Visionen und Träume, Prophetie und Glossolalie, Flagellantismus und „mysterious sexual doings“131, mit den Worten von Philip Curtin: „the Great Revival had tur- ned African“ (Curtin 1955: 171). Die schwarzen Kleinbauern verließen die Missionskirchen, die sie einst gegen die Plantokraten unterstützt hatten; die Missionare wandten sich nunmehr dem kolonialen Establishment und der sich entwickelnden Mittelklasse zu (Wedenoja 1978: 56). Der Revivalism beginnt danach ein Eigendasein als eine afrochristliche Volksreligion — eine neue Variante neoafrikanischer Religion in kreolisierter Gestalt und im Kontext des von Myal geprägten Weltbildes! Zwei Ausprägungen bestimmen das Bild der „Revival cults“: Revival Zion und Puk- kumina (oder: Pukumina, Pukko), auch Pocomania genannt. Letzteres wird volkstümlich ge- deutet als „ein bißchen Wahn[sinn]“ (aus dem Spanischen), woraus bei Murphy 2003: 244 „Smaller Kumina“ wird. Damit ist die semantische Nähe, aber auch die Nähe zur neoafrikani- schen Vorstellungswelt von Kumina gegeben, auf die schon Edward Seaga in seiner klassi- schen Darstellung der „Revival cults“ hingewiesen hatte (Seaga [1969] 1982: 4; siehe auch Nettleford 1969). Die Frage ist jedoch, ob Pocomania nicht auf ältere Traditionen eines afri- kanischen Kultes zurückgeht, der schon unter den Sklaven des spanischen Jamaika heimlich praktiziert wurde. Ranny Williams berichtet im Jahre 1955 über orale Traditionen, wonach die Spanier dem Ritual, das in abgelegenen Höhlen stattfand, auf die Spur gekommen sind und die Anhänger desselben mit dem spanischen Wort pocomania bezeichnet haben sollen (Williams 1955).

[131] Das passt eher zu Convince (vgl. Hogg 1960: 14). – 156 –

Revival Zion wiederum ist als eine kreolische Religionsform zu bezeichnen: „an African way of entry into the spiritual world of the Christian scripture“ (Murphy 2003: 114). Biswei- len wird auch eine Unterscheidung nach dem Jahr der Entstehung vorgenommen: „Sixty“ — nach dem Jahr 1860 benannt — steht für einen stärkeren Gebrauch von Bibel und christlichen Symbolen, während „Sixtyone“ — so benannt nach dem Jahr 1861 —mehr im afrikanischen Erbe steht. Edward Seaga hat in seiner klassischen Darstellung die spirituelle Welt in drei Bereiche unterteilt:

• die „Heavenly spirits“ in der hierarchischen Abfolge: die christliche Trinität, Erzengel, Engel und Heilige; mit diesen Geistern und den Aposteln und Propheten der nächsten Gruppe beschäftigt sich der Zion Revivalism;

• die „Earthbound spirits“: die satanischen Kräfte, d.h. die gefallenen Engel, die bibli- schen Propheten und Apostel,

• und die „Ground spirits“, zu denen die Verstorbenen wie z.B. die Ahnen gehören, aber nicht die in der Bibel erwähnten Menschen. Mit diesen und den gefallenen Engeln arbei- tet Pukkumina, aber auch mit ostindischen „spirits“ (vgl. Seaga [1969] 1982: 10)

Offenbar hat es schon sehr früh einen indischen Einfluss auf den Revivalism gegeben, denn die ersten Vertragsarbeiter kamen 1845 aus Indien. Edward Seaga schreibt, dass im Pukkumina (Pocomania) nur dann Trommeln benutzt werden, wenn besagte ostindische „spi- rits“ anwesend sind (ebd.). Auch Rex Nettleford spricht von den „Indian spirits“, die den Tanz anführen können, wenn es um die „Reise in die spirituelle Welt geht“ (Nettleford 1969:: 24). Aber die Grenzen zwischen den einzelnen Traditionen sind fließend und vom Standpunkt des Betrachters abhängig (Murphy 2003: 126; Simpson 1956: 342 u.ö.). Der Revivalism ist recht gut erforscht (Simpson 1956; Wedenoja 1978; Chevannes1995; Besson/Chevannes 1996; Murphy 2003: 114-144; Loth 2002b), weshalb wir uns hier mit einigen zentralen Aus- sagen begnügen können. Ziel im Revivalism ist die Verbindung mit der spirituellen Welt durch Träume, Visionen und Trance bzw. Inbesitznahme (z. B. durch Hyperventilation beim Tanzen: „trumping“). Dem Wasser in einem Teich im „Yard“ kommt eine besondere Bedeutung zu, ist er doch dem Wassergeist heilig. Für den Heiligen Geist selbst gibt es in der Kirche oder außerhalb ein weißes Becken. Und auch unter dem „Table“ befindet sich stets ein weißes Becken mit Wasser (Chevannes 1995a: 246). Beim „trumping“ oder „labouring“, der rhythmischen Be- wegung im umgekehrten Uhrzeigersinn, kann bisweilen der oder Bischof ein mit Was- ser gefülltes Glas auf dem Kopf balanzieren. Wie schon auf Seite 147 angeführt, spielten und spielen auch noch heute Frauen als „Mother“ oder „Queenie“ eine herausragende Rolle im Revivalism, wie auch im Pfingstler- tum und in der Holiness-Bewegung in Jamaika (Sheller 2002: 10). In gleicher Weise wie die – 157 –

„Mütter“ der Kumina-Religion haben die „Mütter“ des Revival einen Balmyard, in dem auch u. a. Heilungen mit Hilfe von Wasserritualen vollzogen werden (Heinemann 1990: 137-143). Besonders aufschlussreich sind die Ausführungen von Joseph Murphy zur Symbolik von Zion bei den Anhängern von Revival Zion: Es handelt sich hierbei um das Zion der bibli- schen Psalmen, gleichzeitig ist es jedoch auch das Land der Ahnen, das für die goldene Ver- gangenheit Afrikas steht. Zion ist die gedankliche religiöse Konstruktion eines Raumbewusst- seins, das im Mittelpunkt des Denkens und der Sehnsucht steht; Zion ist zugleich die my- thische Zeit: „In Zion the temporal and spiritual were brought together in the past, are brought together under spiritual conditions in the present, and will be brought together in the apocalypse to come“ (Murphy 2003: 142). Der von Musik begleitete ekstatische Tanz über- brückt Raum und Zeit und öffnet die Welt von Zion, damit die Gläubigen — „in the spi- rit“ — sich dorthin begeben. In der Zwischenzeit gilt es jedoch, das Böse in der Welt — die „bad“ duppies und obe- ah — zu entdecken und unschädlich zu machen. Insofern ist Zion auch sicherlich ein irdi- sches Ziel: ein Land der Freiheit, in dem Gerechtigkeit herrschen wird. Im weitesten Sinne handelt es sich um eine messianische Vorstellung, wie sie auch unter den tausenden von „Zionist Churches“ in Afrika, insbesondere in Südafrika, anzutreffen ist. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um hier die Parallelen zu den Rastafari-Vorstellun- gen über Ethiopia und Babylon zu sehen. Babylon, „die Mutter der Hurerei“ (Offb 17, 9), d. i. die Welt der Unterdrückung durch die Weißen, muss überwunden werden, damit Ethiopia, das gelobte Land, obsiegen kann. Zutreffend stellt Murphy fest: „It would be worth investiga- ting whether Rastafarianism owes more to the revival tradition than is usually thought“ (ebd.: 231). Der letzte große Revival Zion Shepherd war Mallica Renolds, genannt „Kapo“ (1911-1989). Der durch einen Traum berufene Prophet (Lanternari 1975: 276-229) war or- dinierter Bischof (Revivalism) und schließlich Patriarch und Gründer des Saint Michael’s Re- vival Tabernacle. Darüber hinaus war er begnadeter Künstler, ein Autodidakt, der auch in den USA Ausstellungen hatte. Neben vielen Auszeichnungen Jamaikas hatte er 1966, im Rahmen des Besuchs von Haile Selassie im Lande, von diesem eine Goldmedaille erhalten.132 Der letzte große (Pukkumina/) Pocomania-Führer in den 1920er Jahren war „Brother Sal“ in Smith Village — heute bekannt als . Mit bürgerlichem Namen hieß er Solomon Hewitt und stammte aus Costa Rica. Dieser schwarze Prediger erlangte großes An- sehen durch eine Scheinkreuzigung vor Ostern und „Auferstehung” am Ostersonntag. Seine Bezeichnung als „Sal“ kommt wohl aus dem Spanischen und kann zum einen „Salz“ bedeu- ten, aber auch ein Spitzname für „Salvador“, „Erlöser“ sein. Seine Anhänger sahen in ihm ei- nen Heiler, aber auch einen Propheten und Warner, der offensichtlich die Wiederkehr Jesu voraussagte: „,They put me — the Lord’s anointed — in Sutton Street gaol.‘ God surely would bring fire and brimstone to punish those who had tried to stop his work, he promised“

[132] Siehe National Library of Jamaica: Personalities ( [Zugriff vom 23.08.2007) und das Foto auf Flikr ( [Zugriff vom 03.01.2009]). – 158 –

(Elkins 1977: 47). Nach dem Bericht des Ranny Williams 1955 war in den 1950er Jahren Trench Town in West-Kingston das Hauptzentrum von Pocomania. Es gab hier „camps“ mit 50 bis 300 Mitgliedern, insgesamt 9.000 in 108 „Pocomania camps“ (Williams 1955). Dies aber war nicht nur die Region, in der sich Revivalist Churches befanden, sondern auch die „camps“ von Rastafari! Der letzte Revival-Prediger und -Heiler (Chevannes 1994: 80-81) von überragender Be- deutung war der in August Town (heute Greater Kingston) wirkende charismatische Alexan- der Bedward (1859-1930), dessen Anhänger später dem Garveyism folgen sollten und damit den Weg für die Entstehung von Rastafari vorbereiteten: „Bedward und Garvey waren wie Aaron und Mose, einer war der Hohepriester, der andere der Prophet und beide führten die Kinder Israels aus dem Exil“ (ebd.: 39). Bedward baute 1894 ein Kirchengebäude für die am 19. April 1889 von Harrison „Shakespeare“ Woods (1800-1901)133 gegründete „Jamaica Na- tive Baptist Free Church“, deren „Bishop“ er war und zu der noch zwei weitere Pastoren, 24 Presbyter und 72 Evangelisten nach dem Vorbild der Apostolischen Kirche gehörten. Auf der ganzen Insel entstanden Filialen, die als „Camps“ bezeichnet wurden. Auch nach Costa Rica, Panama und Kuba wurden Missionare zu den dort lebenden Jamaikanern gesandt. Alexander Bedward war nicht nur Prediger, sondern auch „faith healer“, der Tausende von ihren Sünden befreite, indem er sie eintauchen ließ in den Hope River, dem wunderbare heilende Kräfte nachgesagt wurden. Daraus resultierte auch das bekannte Lied: „Dip dem Bedward, dep dem / Dip dem in de healing stream / Dip dem sweet but not too deep / Dip dem fe cure bad feeling“ (Senior 2003: 55). Die alte afrikanische Vorstellung von der erneu- ernden und Leben spendenden Kraft des Wassers lebte in kreolisierter Form weiter! Als von Gott auserwählter Prophet — in zwei Träumen hatte er 1885 in Colón (Panama) seinen Auftrag erhalten (Pierson 1969: 68-69) — verkündete er das Ende des Gesetzes, das die Schwarzen unterdrückt, und aller Kirchen, die die Menschen nach ihrer Hautfarbe klassi- fizieren wollen; eine neue Zeit der Gnade und Barmherzigkeit sei im Anbeginn. Was ihn in den Augen der Kolonialverwaltung verdächtig machte, waren Aussprüche wie:

There was a white wall and a black wall. The white wall has been closing around the black wall, but now the black wall was stronger than the white wall and must crush it. … Remember the Morant War. The fire of hell will be your portion if you do not rise and crush the white people. (Jamaica Post, 30.04.1895, zit. in Chevannes 1971: 35)

Veront Satchell bezeichnet Bedward zutreffend als einen poltisch-religiösen Nationalis- ten und politischen Priester, dem es um die Befreiung der unteren Schichten der Schwarzen von der weißen Unterdrückung ging (Satchell 2007: 346). Insofern war er ein Vorläufer der Rastas, die diese Thematik wieder aufgriffen — in der Nachfolge auch von Marcus Garvey

[133] Die umfassendste Darstellung zum Bedwardism ist A. A. Brooks. [1917] 2005. History of Bedwardism or the Jamaica Native Baptist Free Church, Union Camp, Augustown, St. Andrew, JA. B.W.I., 2nd ed., revised and enlarged ed. by Jarett Kobek, Resurrectionary Press, 2005 []). – 159 – und seiner UNIA. Mit der Ankunft des konservativen und apolitischen Pfingstlertums in Ja- maika verlor das afrojamaikanische Christentum seine politische Brisanz. 1907 kam die Holi- ness Church of God als Wegbereiter ins Land und heute gehört dieser Kirche etwa jeder 5. Jamaikaner an!134 Nach Ashley Smith ermöglicht der Pentekostalismus, Gefühle der Depriva- tion so auszudrücken, dass sie in sozialer Hinsicht harmlos werden (Smith 1978: 13). Doch zurück zu Alexander Bedford. Kritisch wurde es für ihn, als er seinen Anhängern für den 31. Dezember 1920 seine Himmelfahrt ankündigte, verbunden mit einer Vernichtung der Weißen. Bedward selbst hielt sich zu jener Zeit für eine Inkarnation Christi: „I myself am Jesus Christ; I was crucified“. Nach der nicht erfolgten Himmelfahrt — Gott habe ihm befoh- len, noch weitere 17 Jahre auf der Erde zu verbringen (Elkins 1977:16) — marschierte er mit 800 Anhängern am 27. April 1921 auf Kingston; Soldaten und Polizei nahmen sie in Haft. Der Magistrat ließ Bedward in eine Irrenanstalt einweisen, wo er am 8. November 1931 starb. Ein interessantes Beispiel für die Verknüpfung von afrojamaikanischer Volksreligion mit Politik und Widerstand bieten die Streiks der Afrojamaikaner in Costa Rica von 1911-1912. Die United Fruit Company hatte sie zu tausenden für ihre Bananenplantagen ins Land geholt. Wie Avi Chomsky sehr anschaulich gezeigt hat, führte Obeah zu einer Verbrüderung von Afrokariben aus Jamaika und St. Kitts. Der Revivalism führte wiederum dazu bei, dass nach Gewerkschaftstreffen die folgenden Veranstaltungen sich anschlossen: „public, mass reli- gious meetings and healings, with the dancing, drumming and spirit possession characteristic of myalism, Black Baptism and pocomania“ (Chomsky 1995: 847). Obeah und Myalism bil- deten die Grundlage der jamaikanischen Identität im Ausland und waren die Quelle, die die soziale Ordnung herausforderte (ebd.: 849). Die 30er Jahre im Heimatland Jamaika, das sind jene Jahre, in denen auch Rastafari ent- stehen sollte, charakterisiert Ken Post wie folgt:

In the 1930s many of the Jamaican poor lived in a world of the spirit — indeed, of the spirits — which was far from respectable in the eyes of the more well-to-do. This was the world of Afro-Christian revivalism, or ,pocomania‘, as its most active section had come to be called by the 1930s. (Post 1978: 145)

Religion als politische Kraft sollte dann in neuer Gestalt als Rastafarianismus auftreten.

[134] Siehe (Zugriff vom 04.01.2009). – 160 – j. Zwischenergebnis

Zweifellos haben pattern aus afrikanischen Traditionen im kolonialen Jamaika überlebt. Da ist vor allem der Obeah-Myal-Komplex anzuführen, der allerdings als ein neoafrikani- sches Phänomen bezeichnet werden muss, weil er in dieser Form in Afrika nicht bestanden hat. Im Myalist Revival von 1841-42 kommt es zu einer Entwicklung, die zentralafrikani- schen Vorstellungen vom „fortune-misfortune complex“ ähnelt: Obeah wird zu einer Art He- xerei, die mit bösen Geistern (duppies) arbeitet, Myal zu einem kultischen System, bestehend aus Trommelschlag, Gesang, Tanz und Trance oder Ekstase, die als Kommunikationsmittel mit den Ahnen und Geistern dient, aber auch mit dem „Spirit of God“. Es kann diesbezüglich auch von einem Kontinuum von Tod und nachtodlicher Existenz gesprochen werden. Dane- ben gibt es noch Träume und Visionen, die mit der spirituellen Welt verbinden. Was davon lebt in Rastafari weiter, nachdem die Rastas lange mit Revivalists in Trench- town zusammen gelebt haben? Rastafari lehnt den gesamten Komplex von Tod — Rasta gilt als unsterblich! — und Kommunikation mit den Toten ab (siehe Seite 86.97.181f.195). Folg- lich gibt es auch nicht das bekannte afrojamaikanische wake-Ritual der „Nine Night“ (siehe Seite 139), das sogar das schiitische Muḥarram-Fest im Zuge der Kreolisierung dahingehend beeinflusst hat, dass beim heutigen „Hosay“ (gesprochen hussay, abgeleitet von Ḥusayn )135 Rum getrunken wird, afrokaribische Trommler an der Prozession teilnehmen und Rasta-Fah- nen in den Tazias flattern (Mansingh/Mansingh 1995). Trommel, Gesang und Tanz sowie Trance, die kennzeichnend sind für die Nyabinghis, stammen sehr wahrscheinlich aus dem Revivalism und der Kumina; die Trance wird jetzt je- doch durch Ganja hervorgerufen. Natürlich wird die Sehnsucht nach Afrika übernommen so- wie die Bibel als Buch des Widerstandes, von der jedoch gesagt wird, die Weißen hätten sie verfälscht. Wir haben auch bereits schon auf die Parallele zwischen dem mythischen Zion der Revivalists dem Äthiopien der Rastas hingewiesen, das uns nicht weniger mythisch erscheint. Rastafari unterscheidet sich in drei Punkten grundlegend von der afrojamaikanischen Volksreligion:

1. Wie bereits erwähnt wurde, ist die Stellung der Frau eine untergeordnete. 2. Es fehlt die Kommunikation mit Ahnen und Geistern. 3. Rastafari kennt keine Verehrung der Phänomene der Natur.

Selbst der jamaikanische Pentekostalismus bietet den Frauen die Möglichkeit zu aktiver Mitgestaltung, während Rastafari sie marginalisiert. Schwerwiegend ist jedoch das Fehlen

[135] Die Schiiten denken an den ersten zehn Tagen des Monats Muḥarram an den Tod des Imams Ḥusayn b. ‘Alī 680, Höhepunkt ist der zehnte Tag — ‘Āšūrā’ —, an dem die Prozessionen stattfinden. Aus der ta‘ziya, der Trauerveranstaltung, wird im indischen Kontext die tazia, die Nachbildung des Grabes des Prophetenen- kels, in der Karibik auch als tadjah bezeichnet. Es handelt sich um ein rollendes Modell des Grabmals des Prophetenenkels, gefertigt aus Papier und Bambus. – 161 – der Kommunikation mit der spirituellen Welt und der Besessenheit, gemeint sind Ekstase oder Inkorporation. Es ist schlichtweg keine afrikanische Religion ohne die Beziehungen zwischen Lebenden und Toten vorstellbar — auch nicht in der Afrikanischen Diaspora. Hier sei auf den Candomblé verwiesen. Die Inkorporation steht für die „afrikanische Kosmovisi- on“ (Joaquim 2000: 294f.; Loth 2003: 238), bei der es zu einer Fusion von Mensch und Gott kommt (Loth 2003: 237), aber auch zu einer solchen von Mensch und Ahn (Loth 1992: 399; 2009). Mit den Worten von Thomas und Luneau:

Bien que le culte des ancêtres nous introduise plus intimement dans le secret de la religi- on africaine, il faut voir en lui une conception philosophique de la vie, un instrument au service de la société, un mode d’accès au divin …. (Thomas/Luneau [1975] 2004: 106)

Rastafari kennt auch keine Verehrung der Phänomene der Natur — wie etwa der Reviva- lism mit seinen Wasserritualen (siehe Seite 146.156ff.) oder der Candomblé in der Verknüp- fung der orixás mit den Kräften der Natur oder der Sakralisierung von Pflanzen, die bei den Ritualen eingesetzt werden. Die Rastas kennen nur ein „heiliges Kraut“, Ganja, das angeblich schon Mose rauchte (Gen 3, 2). Bei Rastafari beobachten wir also eine Abkehr von der „afrikanischen Kosmosvision“ und damit auch einen Bruch mit der Tradition des Revivalism. Monica Schulers These von Haile Selassie als „King Zambi“ (Seite 152f.) erscheint uns folglich nicht überzeugend!

4. Rastafari, Marcus Mosiah Garvey und Äthiopismus/Panafrikanismus a. Rastafari — gestiftete Religion und Buchreligion

Rastafari ist eine karibische Religion, die die Kulturen und Gesellschaften in dieser Regi- on mit geprägt hat. Im Zuge einer Globalisierung hat sie auch eingewirkt auf die afrikanische Diaspora in anderen Teilen der Welt und auch Menschen erfasst, die nicht von afrikanischer Deszendenz sind. Rastafari ist eine gestiftete Religion, die über mehr als einen Stifter verfügt, also eigentlich aus dem Rahmen religionswissenschaftlicher Typologie herausfällt. Aller- dings kennen auch die Bahá’í zwei Stifter: Sayyid Ali Muhammad (1819-1850), genannt der „Báb“ (arab. „Tor“) und Mirza Husayn Ali Nuri (1817-1892), genannt „Bahá’u’lláh“ (pers. „Herrlichkeit Gottes“). Manfred Hutter spricht diesbezüglich von einer „Zwillingsoffenba- rung“ (Hutter 2009: 39). Es kommt aber hinzu, dass die Religionsstiftung in der Regel mit ei- nem Stiftungserlebnis von besonderem Charakter verbunden ist, das als Offenbarung be- zeichnet werden kann, bei dem etwas entscheidend und dauernd Wichtiges aus der Verbor- genheit heraustritt (Tworuschka 1999: 225). Im Rastafarianismus kommt der Marcus-Gar- vey-Ära (1914-1940) eine besondere Bedeutung zu, gilt sie doch als „Morgenröte“ (englisch dawn) der neuen Religion. Im Anschluss an die Hymne der UNIA (Universal Negro Impro- – 162 – vement Association) schreibt Douglas Mack: „Thus the Honorable Marcus Garvey set the stage to herald in the era of His Imperial Majesty, the Emperor Haile Selassie I, conquering lion of the tribe of Judah“ (Mack 1999: 47). Aber eine Offenbarung im klassischen Sinne, wie sie die Religionsgeschichte kennt, ist das jedoch nicht. Rastafari ist eine Buchreligion, die die folgenden Bücher in den Mittelpunkt ihrer Rasto- logie stellt: die „King James’s Bible“ (KJV, d. i. die „King James Version“), „The Holy Piby” des „Shepherd“ Robert Athlyi Rogers von 1924, „The Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“ des Reverend Fitz Balintine Pettersburgh von etwa 1925, „The Promised Key“ von Gangunguru Maragah alias Leonard Percival Howell von etwa 1935 und endlich das „K´brä Nägäsåt“. Und dennoch hat sich keine Theologie entwickelt, die für alle Rastas verbindlich wäre, sondern eben die Rastologie oder Rastaologie in der Diktion von Ras Ever- ton McPherson (ders. 1991: 21-22).136 Auf Grund dieses Befundes muss einschränkend ge- sagt werden, dass Rastafari keine Buchreligion im klassischen Sinne ist wie z.B. Judentum, Christenutm und Islam (Lang 1990). Der Terminus „Buchreligion“ kann hier nur in einem „allgemeinen Sinn gegenüber Religionen ohne heiliges Buch“ Anwendung finden (Men- sching 1966: 101). Was den kulturellen, sozialen und politischen Rahmen angeht, dem diese Quellen und auch die einzelnen Stifter zugeordnet werden müssen, so sind folgende Gegebenheiten bei der Entstehung von Rastafari zu bedenken: Da ist zunächst der neoafrikanische Kontext Ja- maikas mit seinen afrikanischen Traditionen. Davon war die Rede im letzten Kapitel. Neben diesen Afrikanismen, die einen religiösen und politischen Widerstand gegen europäische Kultur, Religion und Politik ausübten, gab es in einem internationalen Kontext den Äthiopis- mus, der sich zum einen religiös, zum anderen aber auch politisch artikulierte und schon im frühen 19. Jahrhundert einsetzte. Von Panafrikanismus oder Négritude im Sinne von Léopold Sédar Senghor kann man sprechen, wenn man mehr die politische und kulturelle Seite dieses Widerstandes bezeichnen will. Senghor, der Präsidenten des Senegals von 1960-1980, legte Nachdruck auf die Revaluation afrikanischer kultureller Werte. Senghor und auch Aimé Cé- saire, der jüngst verstorbene afrokaribisch-französische Schriftsteller und Politiker, wandten sich gegen die intellektuelle Dominanz des Westens. Die Négritude ist insofern auch eine li- terarische und künstlerische Bewegung auf der Suche nach afrikanischer Identität. In diesem Sinne können sogar die Forschungen von Melville Herskovits über die afri- kanische Diaspora als Beiträge zum Panafrikanismus des 20. Jahrhunderts angesehen werden und hatten seit den 1960er Jahren einen Anteil an der Selbstbezeichnung von Schwarzen als „Afro-Americans“ (Frank 2001: 191). Allerdings begann der Panafrikanismus ursprünglich

[136] Siehe auch „Rastaology site“ ( [Zugriff vom 01.04.2007]). McPherson ist sowohl in organisatorischer als auch in publizistischer Hinsicht sehr rührig: Er hat inzwischen seinen Wohnsitz von Clarendon, Jamaika, in die Bronx von New York verlegt, wo die von ihm gegründete „Ethiopian National Front“ Publikationen für die Rastafari-Erziehung herausgibt (Siehe [Zugriff vom 01.04.2007]). – 163 – als eine Reaktion auf die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776, welche die schwarzen Amerikaner von der zivilrechtlichen Gleichberechtigung ausschloss (Esedebe [1982]1994: 8). Von großer Bedeutung ist dabei auch die Betrachtung des Afrikaners aus ras- sistischer Sicht, sei es in den USA oder sei es durch die europäischen Kolonialmächte. Ferner ist daran zu erinnern, dass Jamaika seit 1880 im besonderen Maße von dem Phä- nomen der Migration seines Proletariats betroffen war. Zigtausende Afrojamaikaner waren infolge der Armut und der mißlichen Wirtschaftslage auf der Insel gezwungen, immer wieder den Weg der Arbeitsemigration zu beschreiten. Das gilt auch von Marcus Garvey: „He was a member of the wandering tribe of Afro-Caribbean proletariat“ (James 1998: 1439). Die 1930er Jahre, in die Rastafaris Anfänge fallen, war durch bittere Armut und politische Ohn- macht gegenüber der britischen Kolonialmacht gezeichnet, was 1938 zu Arbeiterrebellionen führen sollte (Post 1978). So bitter diese Jahrzehnte auch für die gesamte afrokaribische Be- völkerung war, so machte jedoch andererseits die Arbeitsemigration, sei es zum Kanalbau nach Panama oder später nach Nordamerika, mit internationalen und panafrikanischen Per- spektiven vertraut und half, den Äthiopismus nach Jamaika zu bringen. Abschließend sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es verschiedene Formen der „Négritu- de“ gibt und nach Roger Bastide „la négritude centripète” durchaus der nationalen Integration dienen kann, also faktisch nicht immer eine Zurück-nach-Afrika-Bewegung beinhaltet (Basti- de 1976). So spricht Bastide mit Blick auf Brasilien von einer Integration der Schwarzen „en tant que noirs, c’est-à-dire sans renier leur négritude“ (ebd.: 25). In analoger Weise vertreten auch wir die Ansicht, dass ein ähnliches Phänomen unter den Rastas zu beobachten ist: die Forderung nach „repatriation“, dem aber das Verbleiben in Nordamerika, Karibik und Eng- land gegenüber steht. Roger Bastide erwähnt mit Blick auf Brasilien allerdings auch eine Be- wegung „Zurück nach Afrika“ („Volta na África“), die er als „Africanitude“ bezeichnet. Die- se ist den Religionsgemeinschaften der Candomblés und Xangôs zuzuordnen, die ihre Mitglieder zum Studium und zur Initiation in die Yorùbá-Religion nach Nigeria schicken, um mittels dieser Verknüpfung dem Assimilationsdruck der eurobrasilianischen Gesellschaft standhalten zu können (Bastide 1976b: 76). Mit Blick auf Rastafari muss festgestellt werden, dass diese Art der Reafrikanisierung nicht bekannt ist!

b. Marcus Mosiah Garvey

„There has never been a Negro leader like Garvey. None ever enjoyed a fraction of his universal popularity“ (McKay [1940] 1968: 143)!137 Marcus Mosiah Garvey (1887-1940), wiewohl selbst kein Rasta, genießt bei diesen große Verehrung — als „the Great Redeemer“ (Hannah 2002: 26). Seinem Bild begegnet man allenthalben in Rastafari-Kreisen; viele bege- hen seinen Geburtstag am 17. August feierlich. Und in der Reggae-Musik hat Burning Spear

[137] McKay überschreibt seine Darstellung mit „Marcus Aurelius Garvey” (ebd.: 143-180). – 164 –

(Winston Rodney) mit seinen Alben „Marcus Garvey“ 1975 und „Marcus’ Children“ von 1978 seinem politischen Vorbild ein Denkmal gesetzt. Marcus Garveys Leben und Werk sind inzwischen wissenschaftlich gut erforscht, wie dem von Robert A. Hill geleiteten Projekt „The Marcus Garvey and Universal Negro Improv- ement Association Papers“ entnommen werden kann.138 Dagegen gibt es hinsichtlich der Deutung seines Lebenswerkes durchaus keine Einigkeit. Während Robert Hill von einer Fusi- on von Realismus und Glaube spricht (Hill 1983: xlv) — zwanzig Jahre später charakterisiert er Marcus Garvey als einen „promoter“ (Herbert 2003: 695) —, bezeichnet Randall Burkett diesen als einen herausragenden Theologen des frühen 20. Jahrhunderts und den Garveyis- mus als eine „black civil religion“. Letzterer verweist auf den jamaikanischen Intellektuellen Claude McKay, dessen Artikel „Garvey as a Negro Moses“ im April 1922 im radikalen Ma- gazin „Liberator“ erschien.139 Garvey ist also der neue „Negro Moses“, den McKay mit Alex- ander Bedward vergleicht (in Burkett 1978: 15). Dennoch sind Garvey und die von ihm ge- gründete UNIA (siehe Seite 11) wohl eher dem Panafrikanismus zuzuordnen.140 Aber es muss gesagt werden, dass die Grenze zwischen politischer Bewegung und ideologischer Samm- lungsbewegung mit religiösen Akzenten fließend ist. Burkett untersucht das religiöse Ethos der von Marcus Garvey gegründeten UNIA, deren einzelnen Abteilungen „chaplains“ vorstanden, über die der „Honored Chaplain-General“ stand, George Alexander McGuire, der wiederum 1921 das „Universal Negro Ritual“ und den „Universal Negro “ für die UNIA herausgab. Der am häufigsten zitierte Bibel- vers war Psalm 68, 31 KJV: „Princes shall come out of Egypt: Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God.“ Dieser Vers ist nicht nur symbolträchtig, er ist Programm für die religi- öse und politische Erlösung Afrikas und seiner Söhne in der amerikanischen Diaspora (Loth 2002a)! Aber er findet sich auch schon als Beweis des Wirkens des Hl. Geistes bei den Mis- sionaren wie z. B. bei James Phillippo [1843] 1969: 457). Als „black theologian“ entwickelt Garvey nach Burkett jedoch seine eigenen Lehren über Gott, Jesus Christus, Anthropologie, Erlösung, Eschatologie und Ekklesiologie (ebd.: 45-70). Auch Philip Potter sieht in Garvey den religiösen Denker, der stets Gedanke mit Stra- tegie und Handlung verband, gemäß dem Leitmotiv von Jakobus 2, 20, wonach der Glaube ohne Werke nutzlos ist (Potter 1988: 161). Die Kontroverse zwischen McGuire und Garvey im Jahre 1921, nach der Gründung der „African Orthodox Church“ (AOC)141 durch ersteren in New York, zeigt jedoch, dass Garvey

[138] Vol. I - X, Berkeley u.a.: University of California Press, 1983-2006 [139] McKay (1889-1948), der schon 1912, also vier Jahre vor Garvey in die Vereinigten Staaten emigrierte, hatte entscheidenden Anteil an der „Harlem Renaissance“. [140] Es bestanden jedoch Einflüsse von Seiten Robert Loves, einer prominenten radikalen Figur in der Politik Jamaikas um 1900, auf Garvey (siehe Rupert Lewis. 1987. „Garvey’s forerunners: Love and Bedward“, in: Race & Class, vol. 28, 3, pp. 29-40). [141] Zur afrikanischen AOC siehe Africana, p. 30; zu der 1924 gegründeten südafrikanischen Kirchenprovinz siehe Pitts Library, Archives & Manuscripts, Emoray University, Atlanta, GA ( [Zugriff vom 03.04.2007]). – 165 – die UNIA keineswegs auf eine Kirche festlegen wollte (Burkett 1978: 88-99). Das wird auch darin deutlich, wenn McGuire zunächst aus der Organisation ausgeschlossen wurde, dann aber 1924 wieder als „Honorary Chaplain-General“ fungierte. Auch wenn Garvey an der Gründung der AOC nie beteiligt und auch nie ein Mitglied war, steht doch fest, dass viele Aktivisten der UNIA mit dieser Kirche, die in sich Äthiopismus und Panafrikanismus ver- schmolz, verbunden waren. Auf dem 4. Internationalen Konvent in New York, August 1924, verkündete dann McGuire die „canonization of Jesus as the Black Man of Sorrows“, womit er an alte afroamerikanische Traditionen anknüpfte. Im Convention Report vom 6. August 1924 ist auch die Rede von der „canonization of the Virgin Mary as a black woman“.142 Auch Arnold Josiah Ford (1876-1935) aus Barbados, Rabbi143 der New Yorker „Beth B’nai Abraham“, der als Musikdirektor das offizielle Hymnenbuch „Universal Ethiopian Hymnal“ entwickelt hatte144 und auch maßgeblich an der Nationalhyme der UNIA „Ethiopia, Land of Our Fathers“ beteiligt gewesen war, musste ebenfalls die Erfahrung machen, dass Garvey keineswegs bereit war, „Black Judaism“ als offizielle Religion für die Organisation zu akzeptieren (Burkett 1978: 180-181). Ford propagierte den Äthiopismus und machte die Erlösung Afrikas zu einem zentralen Thema seines Hymnenbuches (Chireau 2000: 26). Viele seiner Anhänger der von ihm gegründeten Organisation der „Ethiopian Hebrews“ waren Gar- veyiten. Vergeblich versuchte er jedoch, Garvey davon zu überzeugen, den Begriff „Negro“ durch „Ethiopian“ zu ersetzen (Scott 1975: 193).145 Arnold Josiah Ford war der erste schwarze Amerikaner, der nach Äthiopien ging — bei der Krönungszeremonie Haile Selassies war er zugegen —, um hier zusammen mit seinen Gemeindemitgliedern und den am Lake Tana ansässigen Falāschā/Beta Israel ein „schwarzes jüdisches Zion“ zu errichten.146 Auch wenn er scheiterte — sein früher Tod fiel mit der italienischen Invasion zusammen —, so war er doch einer der wichtigsten Wegbereiter für die Ausbreitung des Judentums unter den Afroamerikanern. In Rastafari-Kreisen gedenkt man durchaus noch seiner, wie z. B. dem französischen Rasta-Magazin „Mäbräq“, vol. 8, 2006, 11-12147 entnommen werden kann. Dieses Magazin enthält übrigens neben der Rubrik „Selassie I dit“ stets auch eine solche mit dem Titel „Marcus dit“. Black-Zionist-Themen durchziehen das Denken von Marcus Garvey und das jüdische Volk war für ihn auch von besonderer Bedeutung als ein „model for racial self-development“

[142] Siehe (Zugriff vom 07.06.2007). [143] Über Fords Ordination zum Rabbiner gibt es jedoch keinerlei Belege (Berger 1978: 77). [144] Sein Konterfei befand sich auf der ersten Seite (Chireau 2000: 27). [145] Von etwa 1930 bis in die 60er Jahre war „Negro“ die bevorzugte Bezeichnung für Afroamerikaner in den Reihen der Intellektuellen sowie in der schwarzen Mittelklasse (Geneva Smitherman. [1994] 2000. Black talk: words and phrases from the hood to the amen corner, rev. ed., Boston-Mew York: Houghton Mifflin Company, 208. [146] Siehe den Bericht in Scott 1975. Allerdings leitete bereits 1903 der afroamerikanische Börsenmakler Wil- liam Henry Ellis eine Expedition nach Äthiopien, unterstützt von Henry M. Turner, dem Bischof der African Methodist Episcopal Church (Shepperson 1960: 302). [147] Amhar. መብረቅ bedeutet „Blitz“ oder „Blitz und Donner“. – 166 –

(Burkett 1978: 182). Auch ihn erreichten die Nachrichten von Jacques Faitlovitch und an- deren Reisenden über die Falāschā, die in den frühen 1920er Jahren überall auf großes Inte- resse stießen. Dennoch existieren von ihm antijüdische Aussprüche nach der von J. Edgar Hoover mit allen Mitteln betriebenen Verurteilung Garveys im Jahre 1922. Wie wir noch weiter unten genauer ausführen werden, hat Rastafari viele Motive aus dem „Black Judaism“ übernommen, zählten doch die Rastas zu den aktiven Unterstützern Marcus Garveys. Hier sei nur an die vom „Propheten Gad“ gegründeten „Zwölf Stämme Is- raels“ erinnert, denen Bob Marley angehörte, und daran, dass Prince Emanuel Charles Ed- wards die von ihm gegründete Kommune Bobo Shanty Tribe als „schwarzes Haus Israels“ bezeichnet hat. Schließlich muss auch Robert Athlyi Rogers, der Autor von „The Holy Piby: the Black- man’s Bible“, angeführt werden. Auch er sollte erkennen, dass Garvey nicht an einer be- stimmten Religion interessiert war, was ihn zunächst zu irritieren schien:

In the year of 1921 Garvey spake saying: „I have no time to teach religion“. Because of this saying Athlyi took up his pen and was about to declare him not an apostle of the twentieth century. And it came to pass that the word of the Lord came to Athlyi saying, „Blame not this man for I the Lord God hath sent him to prepare the minds of Ethiopia’s generations, verily he shall straighten up upon the map“. Nevertheless in the year nineteen hundred and twenty two, Apostle Garvey issued a reli- gious call throughout the world which fulfilled the last item upon the map of life. Therefore, Athlyi yielded him a copy of the map, and declared Marcus Garvey an apostle of the Lord God for the redemption of Ethiopia and her suffering posterities. (Rogers [1924] 2000: 54-55)

Athlyi bezeichnet dann Marcus Garvey sogar als „God’s foremost apostle“ (ebd.: 81) und von da aus ist der Schritt nicht mehr weit zur Funktion des Erlösers: Athlyi, Marcus Gar- vey und Kollegen sind gesandt, die niedergedrückten Kinder Äthiopiens zu erheben (ebd.: 101)! Diese Form der spirituellen Verklärung hat Garvey nicht gefallen, wie er auch gegenüber der Frömmigkeit „traditioneller schwarzer Religion“ sehr kritisch eingestellt war (Hill 1983: xlv). Dennoch entstanden in Jamaica zahlreiche Mythen über Garvey, die bis hin zur Divini- sierung reichten (Chevannes 1988; 1994: 99-110). Die Bedwarditen, die zu den Anhängern Garveys gehörten, sahen in ihm theologisierend die Reinkarnation des Mose — war doch sein zweiter Vorname auf Wunsch der Mutter „Mosiah“ —, während Bedward als die des Aaron angesehen wurde: „the two brothers, one prophet, the other high priest, on whom God has bestowed the responsibility of leading his chosen people out of bondage“ (Chevannes 1988: 123; 1994: 99). Natürlich kannte Garvey das Revival-Milieu, hatte jedoch nach der Übersiedlung nach Amerika die Themen „racial pride“, „Africa for the Africans, those at – 167 – home and abroad“ und „African Redemption“ in den Mittelpunkt seines Denkens gestellt, konkret: den Kampf gegen die koloniale Herrschaft über Afrika und die Unterdrückung afri- kanischer Völker weltweit. Die volksreligiösen Traditionen sind auf diesem Wege nur hin- derlich. Zwar weiß er um den eufunktionalen Charakter der Religion, die das Volk in der Vergangenheit zusammen hielt und tröstete. Aber es entwickelte sich nach der Sklavenbefrei- ung eine Entwicklung, die der Befreiung entgegenstand:

Immediately after the Emancipation, when the Negro was thrown back upon his own re- sources, the illiterate race preacher took charge of us, and with the eye of selfishness he exploited the zeal of the religious. Our emotions were worked upon by our illiterate prea- cher-leaders of the early days. (Garvey vol. I [1923] 1967: 75)

Zusammen mit dem „illiterate race-politician“ bezeichnet er diese Prediger als „illiterate parasites“. Es ist Garveys feste Überzeugung, dass Gott nicht verantwortlich ist für die physi- schen Verhältnisse der Menschen untereinander: „God does not interfere and that should be the Negro’s interpretation in this twentieth century of Christ’s religion“ (Garvey vol. II [1925] 1967: 33). Und im Sinne dieser „interpretation of Christianity scientific“ ist der Mensch zum Handeln aufgerufen, wozu Gott ihm die Kraft gegeben hat. Schon zuvor, in ei- ner Rede aus dem Jahre 1921, hatte er im Kontext seiner Kritik an der Rückständigkeit Ja- maikas, ausgeführt:

You Negroes in Jamaica pray too much! (laughter and cheers) With all your prayers you have hurricanes, earthquakes, droughts and everything! You know why! Because God is not satisfied with prayers alone. God says you must work and pray! And you people seem to give up the world to the white man and take Jesus! Don’t you know the white man has a right to Jesus, too? Jesus belongs to everybody so you are foolish to give up the world and take Jesus only. You must take part of the world and part of Jesus, too! (Hill 1984: 282)

In diesem Kontext ist die „kalte Wahrheit“ eben die, dass der Weg zum Erfolg über den reinen Materialismus führt, der die entscheidende Rolle in der Weltzivilisation spielt. Auch wenn seine Anhänger in ihm einen „black Moses“ sahen, so teilte er doch die Nähe zum „New Thought“, d. h. zu Amerikas Mythos vom Erfolg, der selbst schon zu einer Art Religi- on geworden war (ebd.: xlix). Robert Lincoln Poston, der 1924 verstorbene Secretary General der UNIA, bezeichnete ihn als „truly the apostle of new thought among Negroes“.148 Der Weg zum Erfolg führt jedoch über Erziehung und Bildung: Der Autodidakt Garvey war ein erfolg- reicher Redner, Schreiber und Poet, der sich der englischen Sprache der Gebildeten bediente

[148] Siehe Robert L. Poston, „Apostle of New Thought among the negroes“, in: The Negro World, 08.12.1923 ( [Zugriff vom 07.06.2007]). – 168 – und nicht zum jamaikanischen Patois griff (Dagnini 2008: 204). Die UNIA selbst predigte der „Negro race“ ein neues Evangelium des Erfolgs, das in sich die Potenz zu einer neuen, aber eher säkularen „Religion“ enthielt. Garveys Doktrin des politischen und ökonomischen Erfolgs — nicht ohne Grund propagierte er die Bücher von El- bert Hubbard (1856-1915) und zitierte aus ihnen — verband sich mit dem radikalen Flügel der schwarzen Kirchen. Der Reverend J. D. Brooks, Generalsekretär der UNIA im Jahre 1920, brachte dieses mit der Formel von dem „African gospel“ auf den Punkt. Auf diesem Hintergrund ist auch das Motto „One God, One Aim, One Destiny“ aus dem Jahre 1914 zu verstehen!149 Als eigentlicher Begründer von New Thought gilt jedoch Phineas Quimby (1802-1866), der eine Theorie des mentalen Heilens verkündete, in deren Mittelpunkt das positive Denken stand. Mary Baker Eddy (1821-1910) verband dann diese Theorie mit dem Christentum und entwickelte die Theologie von „Christian Science“. Weitere Komponenten des sich ausbrei- tenden „New Thought“ waren dann die protestantische Arbeitsethik, wonach „mind-power also brought financial and material rewards“, mystische und metaphysische Vorstellungen aus Asien, was zur Aufnahme von neuen Vorstellungen wie Reinkarnation und zölibatäres Leben führte. Im frühen 20. Jahrhundert fand die Ideologie von „New Thought“ auch ihre Anhänger in afroamerikanischen Kreisen und entwickelte die Philosophie der schwarzen Selbsthilfe. „New Thought“ prägte viele Fazetten der amerikanischen Gesellschaft (Weiss [1969] 1988). Drei Thesen waren es vor allem, die in allen Richtungen von „New Thought“ anzutreffen waren: „that God existed in all people, that the channeling of God’s spirit eradi- cated problems, and that unity with God guaranteed salvation“ (Watts [1992] 1995: 22). Und ein eifriger Unterstützer von Marcus Garvey war der Prediger Reverend Bishop Saint John the Vine (siehe Seite 244), dessen religiöse Äußerungen und Auftreten Rastafari bereits vor- wegnimmt. Das gilt auch von Reverend R. R. Porter, der unter dem Titel „Garveyism as reli- gion?“ in der „Negro World“ vom 22.11.1920 geschrieben hatte, dass der fromme Garveyit die Existenz Gottes nicht leugnen kann, „but sees God in you, (me) and the world. He knows God because he is part of God, and is assisting in the making of the Kingdom of God in earth“. Hier werden in einem religiösen „New Thought“-Kontext Gedanken formuliert, die im „I an I“ von Rastafari wieder auftauchen (siehe V.4.b.)!150 Die von Marcus Garvey in Angriff genommenen ökonomischen Projekte wie z. B. die 1918 gegründete „Negro Factories Corporation“, eine Kette von „schwarzen“ Geschäften in Harlem, oder die — allerdings kläglich gescheiterte — „Black Star Steamship Corporation“ zeigen jedoch, dass er im wirtschaftlichen Fortschritt der „Negroes“ die entscheidende Mög- lichkeit zur Unabhängigkeit sah, im Sinne schwarzer Selbstbestimmung. Garvey mag kein

[149] Es erscheint im Pamphlet mit dem Titel „A talk with Afro-West Indians. The Negro race and its pro- blems“, wo es dann auch heißt: „The Negro today is handicapped by circumstances; but no one is keeping him back. He is keeping back himself, and because of this, the other races refuse to notice or raise him“ (Hill 1983: 61). [150] Nachdruck in „Archives“ der „New York Amsterdam News“ vom 19.11.2001. – 169 – guter Geschäftsmann gewesen sein (Herbert 2003: 698-700), aber er war Realist genug, um zu erkennen, dass eine Gleichberechtigung der Afroamerikaner nur im Kontext des Kapitalis- mus zu erreichen ist. Er warnt vor dem Kommunismus und sieht in seinen Vertretern „Feinde des menschlichen Fortschritts“ (Garvey vol. II [1925] 1967: 72). Im Kontext dieses Denkens war auch kein Platz für die frühen Rastafarier! Robert Hinds, Bedwardit, Garveyit und ein Patriarch des Rastafarianismus, führte 1934 eine Delegation von Rastas in den Edelweiss Park zu Kingston, als dort die 6. Internationale Konvention der UNIA abgehalten wurde. Hinds berichtet:

We the Rasses151 march, and when we went to Edelweiss Park he said he welcome every- body but the Rasses. Because he ignorant, of course, for him never know that Ras Tafari was God; him only say that God was black. And he made a junction between us. Him deh ya so, and we deh ya so. And him have a crowd at the back so that we couldn’t come near to him. (zit. in Chevannes 1994: 109)

Garvey wandte sich wieder gegen religiösen Fanatismus und verurteilte auch die Reviva- listen und religiösen Kulte wie z. B. das Peace Mission Movement von Father Divine (Her- bert 2003: 702).152 Garveys Stellung im Rastafarianismus hängt wohl zum einen damit zusammen, dass nach Barbara Makeda Blake Hannah „The African consciousness of Rastafari was first and best expressed by Marcus Mosiah Garvey…“ (Hannah 2002: 19). Zum anderen hat Garvey im Rahmen seiner kulturellen Veranstaltungen im Edelweiss Park, dem Hauptquartier der UNIA in Jamaika, auch Theaterstücke geschrieben wie „Coronation of an African King“. Das war im Jahre 1929, Haile Selassie wurde dann am 2. November 1930153 gekrönt. Garvey wur- de — wohl deshalb — auch die Prophetie nachgesagt: „Look to Africa when a King is crow- ned, for your redemption is at hand“ (Chevannes 1994: 95). Möglicherweise geht diese „Ras- tafari-Prophetie“ (siehe Seite 91), die Joseph Hibbert, einer der frühen Propheten von Rastafari, von Garvey nie gehört haben will (Mansingh/Mansingh 1985: 107), auch auf den Bericht über die Krönung von Ras Tafari zum Kaiser zurück, der am 8. November 1930 in Garveys jamaikanischer Zeitung „The Blackman“ erschien. Dort wird auch sehr positiv über den „Emperor Ras Tafari“ gesprochen und auch die berühmte Psalmstelle 68, 31 erwähnt.154 Am 4. Januar 1931 gab es in Harlem, zusammen mit den Black Jews, eine Parade, bei der le- bensgroße Photos von Garvey und Haile Selassie vorangetragen wurden. Robert Hill weist im Zusammenhang mit der Garvey-Prophezeiung auf den schwarzen Reverend James Morris Webb hin, der im September 1924 in der „Liberty Hall“ der UNIA

[151] Anglifizierter Plural des amhar. ras ራስ (siehe Seite 85). [152] Zu Father Divine siehe die eindrucksvolle Schilderung bei McKay [1940] 1968: 32-72 [153] Das Krönungsdatum 11. November 1930 bei Chevannes 1994: 95 ist nicht zutreffend. [154] „The Marcus Garvey’s statement called Rastafari ,Prophecy‘“ ( [Zugriff vom 26.03.2006]) – 170 – zu New York prophezeite, dass nach der Zerstörung Großbritanniens „The universal black king will then appear und dominate all. … When the prophetic part of the Bible is preached the world will realize that the universal black king is coming“ („The New York Times“, 15.09.1924, zit. in Hill 1981: 32). Besagter Webb (Loth 2002: 405-406) hatte bereits 1919 in seiner kleinen Schrift „A black man will be the coming universal king, proven by Biblical hi- story“ von diesem Erlöser gesagt: „[T]here shall come a Universal King and according to Bi- blical History, he will be a black man with wooly hair“ ([1919] 2008: 3). James Morris Webb propagierte nicht nur den „Negro Universal King“, sondern auch, dass „Jesus Was a Negro by Blood“.155 Bei einigen Rasta-Gruppen gewinnt inzwischen die Erkenntnis an Boden, dass Garvey irrtümlich mit dieser Prophezeiung verknüpft wurde.156 Somit gehört die afrozentri- sche Bibelauslegung des James Morris Webb zu den Anfängen von Rastafari. Auch Robert Hill sieht hier ganz offensichtlich Zusammenhänge (Herbert 2003: 701). Was jedoch Marcus Garvey angeht, so wirft er dem Kaiser im Jahre 1937, also nach der italienischen Invasion Äthiopiens, vor, sein Land nicht auf die moderne Zivilisation vorberei- tet zu haben (Lewis 1998: 150) und tadelt ihn auch noch in anderer Hinsicht (siehe S. 95). Im „Editorial“ seiner Zeitschrift „Black Man“ von März/April 1937 bezeichnet Garvey Haile Selassie als „a great coward who ran away from his country to save his skin“ und als „slave master“.157 Zuvor hatte Garvey im Jahre 1935 im „Black Man“ vom Juli 1935 schon so ähnlich ar- gumentiert und dabei von „Negro Abyssinian“ gesprochen und die herrschende Ideologie des äthiopischen Herrscherhauses angegriffen:

The new Negro doesn’t give two pence about the line of Solomon. Solomon has been long dead. Solomon was a Jew. The Negro is no Jew. The Negro has a racial origin run- ning from Sheba to the present, of which he is proud. He is proud of Sheba, but he is not proud of Solomon. (zit. in Berger 1978: 52)

Die Verachtung Marcus Garveys für den äthiopischen Herrscher und dessen Ansprüche der Abkunft, an denen auch das heutige Herrscherhaus im Exil noch festhält, könnte nicht deutlicher sein. Es erhebt sich dann schon die Frage, wie die Rastafarier in Garvey den Pro- pheten ihrer Religion zu sehen vermögen, gleich an zweiter Stelle nach dem divinisierten

[155] Siehe Guido van Rijn s.a. The Black Man the father of civilization: the story of Rev. James Morris Webb ( [Zugriff vom 02.05.2007]). Der Beitrag beruht auf Sessions mit Rev. Webb aus dem November 1927 in Blues & Gospels Records und enthält Daten zu seinem Leben. Das der frühen Afrozentrik zuzuordnende Buch von James Morris Webb The black man, the father of civilization, proven by biblical history erschien erstmals 1910 in Seattle. [156] Siehe Ras Nathaniel 2006. „Origins of the Rastafaris: Rev. Webb, The Prophecy and Marcus Garvey“ in: The Freedom Fighter: the peoples newspaper, vol. 9, pp. 12-15 (enthält ebenfalls wichtige Daten zum Leben von Webb) = Repatriation News page 18 ( [Zu- griff vom 01.05.2007]). [157] Siehe auch (Zugriff vom 06.04.2007). – 171 –

Haile Selassie. Edwin Yamauchi spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von Ironie (Yamauchi 2004: 105). Der Kaiser selbst hat den Bericht über Salomo und die Königin von Saba jedoch nicht als Legende verstanden: „This is not a legend. It is based on the most uni- versal book in the world — the holy Bible“ (ebd.: 104). Das ist genau die Argumentation der Rastas! Dennoch irrt Garvey mit der Behauptung einer Abstammung der Afrikaner von Saba, das sicherlich nicht in Afrika anzusiedeln ist, sondern auf Grund der sabäischen Texte in Süd- westarabien (ebd.: 105). Es gibt mehrere Erklärungsversuche zur Kritik Garveys an Haile Selassie: Er soll in Lon- don vergeblich um Kontakt nachgesucht haben, der Kaiser habe jedoch jeglichen Kontakt mit „Negroes“ abgelehnt. Melaku Bayen, der Neffe und Gesandte des Kaisers, sprach von Eifer- sucht Garveys hinsichtlich der Popularität Hailes Selassies. Tatsache ist jedoch, dass es sehr wohl eine „hamitische Kontroverse“ über die Herkunft der Amharen gab und Äthiopiens Oberschicht wohl eher einer Nähe zu den „so-called Negroes“ ablehnend gegenüber stand (Scott 1993: 192-207). Auf jeden Fall hatte Garvey keinen Erfolg mit seiner Denunziation, waren doch die Afroamerikaner — so der schon erwähnte Claude McKay — emotional fi- xiert auf das wundervolle Äthiopien der Bibel. Für sie blieb Haile Selassie „a symbol of au- thority over the Negro state of their imagination“ (zit. in Scott 1993: 207). Außerdem erwies sich Bayen, der in den USA studiert und eine Afroamerikanerin geheiratet hatte, als ein guter Sachwalter des besetzten Äthiopens und seines Kaisers. Er war der lebende Beweis der äthio- pischen Identifikation mit den Afroamerikanern. Was Haile Selassie angeht, so steht fest, dass der spätere Täfäri Mäkonn´n zu den Afroamerikanern ein positives Verhältnis ent- wickelte und sich dankbar zeigte für die Unterstützung im italienisch-äthiopischen Krieg (Scott 1993: 218-219). Davon zeugt auch die Landschenkung „to the Black People of the West“ (siehe Seite 178). Andererseits darf man dieses auch nicht überbewerten, insofern Hai- le Selassie 1935 auch bereit war, japanischen Investoren Land zur Verfügung zu stellen (Clarke 1999). Garvey und Garveyismus fanden erst nach der Unabhängigkeit Jamaikas ihren Platz als kulturelle und politische Kraft. Als Marcus Gravey 1964 offiziell zu einem National Hero er- klärt und seine sterblichen Überreste aus London nach Kingston gebracht und im National Heroes Park ein „Garvey shrine“ errichtet wurde, war er im Volksglauben schon lange ein Held mit übernatürlichen Fähigkeiten (Hamilton 1991). Es ist hinlänglich bekannt, dass Garveyiten an der Entstehung von Rastafari beteiligt wa- ren, wie z.B. Leonard Howell oder der oben erwähnte Robert Hinds. Es gab auch noch andere Gemeinsamkeiten. Der UNIA Convention von 1922 in New York hatte Ras Tafari eine Bot- schaft zukommen lassen: „Tell the people to come home. Here their race originated and here it can be lifted to its highest plane of usefulness and honor“ (zit. in Hill 1985: 1006). Das war sicherlich eine Brücke zu der alten „Back-to-Africa-Ideologie“, die auch Garvey vertrat. Aber bereits hier wird deutlich, dass Garvey keineswegs daran dachte, dass alle Afrikastämmigen zurückkehren sollten. 1932 hatte er als Parallele auf die weißen Europäer verwiesen, die auch nicht alle nach Amerika gekommen waren, um eine großartige Republik zu begründen (Le- – 172 – wis 1987: 60). Das Gebot der Stunde bestand daher eher in der Forderung nach Freiheit für die Schwarzen, um ihr eigenes Schicksal bestimmen zu können (Magubane 1987: 113). Bei allen Darstellungen von Garveys Losung Back-to-Africa gibt es jedoch einen Aspekt, der bislang unseres Wissens nicht ausreichend berücksichtig wurde: der Rassismus in den USA der 1930er Jahre sowie der Einfluss des Ku Klux Klan auf die weißen Bürger. Im „Convention Report“ vom 6. August 1924 wird darüber diskutiert, dass 66 % der Amerikaner von den Vorstellungen dieser rassistischen Bewegung durchdrungen sind: „the activities of the Ku Klux Klan had redounded to the benefit of the Universal Negro Improvement Asso- ciation, when the intolerance of the Klan pressed hard on Negroes they realized the logic of the ‘Back-to-Africa’ slogan. “ Wie die Juden durch die Ägypter zu einem Nationsein getrie- ben wurden, so jetzt der „Neger“ durch den Klan.158 „Back-to-Africa“ ist also auch die Ant- wort auf eine konkrete soziale und politische Situation in den USA! Diese Losung hat auch noch eine andere Seite, nämlich die des Auszugs aus dem System weißer Unterdrückung und Ausbeutung, denn der Garveyismus ist politischer und ideologi- scher Protest gegen dieselben (Magubane 1987: 93). War die Rückkehr nach Afrika, das da- mals fast ausschließlich unter den Kolonialmächten aufgeteilt war, eine Chimäre, so schuf Garvey jedoch „a durable consciousness among blacks which he linked with the fortunes of Africa“ (ebd.: 103). Das wiederum führte zur Forderung nach einer Trennung von dem „Sys- tem“ (ebd.: 105). Alle drei Momente finden sich bei Rastafari wieder: das Wissen um die afrikanischen Wurzeln, die Forderung nach „repatriation“ sowie der Imperativ einer Trennung vom „Sys- tem“ Babylon mit seinen sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnissen in Jamaika. Marcus Garvey hat hierzu die Impulse gegeben, weshalb er dann auch diese Wertschätzung erlangte: „Marcus Garvey wi fada & help wi find wi Africa…“ (Niaah 2003:13). Auch unter Nicht-Rastas ist er im heutigen Jamaika der populärste Held des Volkes (Nettleford [1970] 2001: xiv). Mit der Krönung Haile Selassies zum Kaiser kommt es jedoch zu einem Paradigmen- wechsel: Der Kaiser wird nun zum Vater, der die von Garvey geforderte „African Redempti- on“ verkörpert und die messianischen Verheißungen der Bibel erfüllt; die Krönung zum „Kö- nig der Könige“ macht ihn zum göttlichen Über-Vater, zum Gott. Und damit verbunden ist das Weltbild einer Gegenüberstellung von Babylon — zunächst ist damit nur Jamaika gemeint, wo man fern der Heimat lebt — und Äthiopien. „African Redemption“ bedeutet dann auch die Rückkehr in das eigene Land. Zwar hatte man auch schon nach der Versklavung und Verschiffung nach Amerika die Erinnerung an Afrika nicht vergessen und an der Überzeugung festgehalten, nach dem Tode dorthin wieder zurückzukehren (siehe Seite 139), dennoch ergibt sich hier eine Übereinstim- mung mit der jüdischen Konzeption von Exil und Rückkehr. Exil und Restauration sind das Thema des Pentateuchs! Jacob Neusner bezeichnet dieses geradezu als eine paradigmatische

[158] Siehe (Zugriff vom 07.06.2007). – 173 –

Erklärung, in der jede Form des Judentums ihre Struktur und Syntax ihrer sozialen Existenz, „the grammar of its intelligible message“ fand (Neusner [2000] 2003c: 9). Es ist nur folge- richtig, wenn Rastas das Thema „Chanting down Babylon“ entwickelt haben, bedeutet doch das Leben in der Diaspora nicht nur Unterdrückung, sondern auch Entfremdung von der ei- gentlichen Heimat Äthiopien!159 Wie im Judentum gilt die Diaspora bzw. die Versklavung als eine Strafe Gottes des Vaters (Smith/Augier/Nettleford 1960: 48). Rastafari zur Zeit des Re- ports von Smith et al. sieht in der „black race“ die wahren Israeliten, während die Juden le- diglich falsche Juden waren (ebd.). Zweifellos hat die Lektüre der Bibel hier zur Gleichset- zung mit Israel geführt! Dennoch gilt aus historischer Sicht, dass bereits die „Universal Ethiopian Anthem“ der UNIA eine Gleichsetzung Äthiopiens mit Israel vollzogen hatte.160

[159] „One idea predominates in nearly all Judaic religious systems, the conception that the Jews are in exile but have the hope of coming home to their own land, which is the Land of Israel (a.k.a Palestine)“ (Neusner [2000] 2003c: 8). [160] Ethiopia, thou land of our fathers, Thou land where the gods loved to be, As storm cloud at night, suddenly gathers Our armies come rushing to thee. We must in the fight be victorious When swords are thrust outward to gleam: For us will the vict’ry be glorious When led by the red, black and green.

Advance, advance to victory, Let Africa be free; Advance to meet the foe With the might Of the red, the black and the green.

Ethiopia, the tyrant’s falling, Who smote thee upon the knees, And thy children are lustily calling From over the distant seas. Jehovah, the Great One has heard us, Has noted our sighs and our tears, With His spirit of Love he has stirred us To be One through the coming years.

Avance, advance, etc…

O Jehovah, thou God of the ages Grant unto our sons that lead The wisdom Thou gave to Thy sages When Israel was sore in need. Thy voice thro’ the dim past has spoken, – 174 –

Die theologische Aussage über die Göttlichkeit Haile Selassies hat Marcus Garvey nicht geteilt, hatte er doch 1932 Leonard Howell — letzterer kannte Garvey seit seiner New Yorker Zeit und war auch Mitglied der UNIA — verboten, Bilder des Kaisers im Edelweis Park zu verkaufen (Hill 1983b: 32). Danach begab sich Howell auf die Stufen von Coke Chapel, ei- nem bekannten Platz der Politagitation in Kingston, wo er das Bild Haile Selassies verkaufte, im Bestreben, eine eigene Bewegung in Konkurrenz zu Garvey auf den Weg zu bringen. In der „Jamaica Times“ vom 25. August 1934 war dann später zu lesen: „Mr. Garvey also refer- red to the Ras Tafari cult, speaking of them with contempt“ (zit. ebd.). Marcus Garveys Thesen und die Krönung Haile Selassies mögen als Katalysatoren an der Entstehung von Rastafari beteiligt gewesen sein, ebenso die ökonomischen und politi- schen Verhältnisse in der Kronkolonie, aber das erklärt noch nicht die Entstehung einer neu- en Religion. Hier muss man sicherlich mit der Lebenskraft neoafrikanischer Religiosität (sie- he IV.3.c.) rechnen, wenn man verstehen will, was in den 1930er Jahren in Jamaika geschah. Der Revivalism erlebte in den Jahren 1930/31 einen neuen Aufschwung, was dann dazu führ- te, dass die Regierung 1931 über ein Verbot nachdachte; 1935 und 1937 gab es dann Überle- gungen, Pukkumina und Rastafari zu verbieten. 1930 beklagt ein gewisser E. A. Glen Camp- bell im „West Indian Critic and Review“, dass die arbeitende Bevölkerung die christliche Kirche verlässt und „following no end of strange religion that can do them no good“ (zit. in Hill 1983b: 30). Ähnlich beklagt 1932 auch Garvey, dass eine große Anzahl von Leuten die etablierten Kirchen verlassen, um sich Religionen anzuschließen: „religions that howl, religi- ons that create saints, religions that dance to frantic emotion“. Ein Jahr später erinnert er an Bedward, der in den Himmel fliegen wollte, und dass dieselbe Art von Dummheit und Aber- glauben die Menschen immer noch im Griff habe (ebd.). Abschließend bleibt zu konstatieren, dass die Verehrung von Marcus Garvey — er war wohl der einflussreichste Führer der Schwarzen in der modernen Geschichte — durch die Ra- stafarier und der damit verbundene Gedanke, in seiner Nachfolge zu stehen (Tafari 1985; Niaah 2003: 13), als Glaubensakt zu interpretieren ist, der die Kritik Garveys am aufkom- menden Rastafarianismus schlichtweg ausblendet. Dennoch fehlt es nicht an Versuchen, das Handeln von Marcus Garvey damit zu erklären, dass er mit seinem menschlichen Verstand „didn’t overstand [= understand] what His Majesty did.“ Er konnte infolge seines Todes 1940 nicht erkennen, was Haile Selassie mit seinem Handeln beabsichtigte und dann auch verwirk- lichte. Auch die Bibel kennt bedeutende Männer, die „Jah“ nicht gehorchten und damit be- straft wurden, die Erfüllung ihres Lebenswerkes nicht mehr zu sehen — wie z. B. Mose.161

Ethiopia shall stretch forth her hand, By Thee shall all fetters be broken, And Heav’n bless our dear fatherland.

Advance, advance, etc… (Quelle: [Zugriff vom 04.04.2006]) [161] Siehe das lange Reasoning „Garvey’s attitude towards H.I.M.“ (

Ein jedoch nicht mehr zu überbietender Beweis, dass Marcus Garvey der große Prophet war, der Prophet Elias und „a spiritually empowered African“, ergibt sich beispielsweise aus den Visionen des Ras Mobutu, in denen dieser sogar als „M’Adonai“162 bezeichnet wird. Dieser tritt in der Vision dem Papst mit seinem schwarzen Hirtenstab entgegen und fordert von diesem die rot-schwarz-grüne Flagge Äthiopiens, mit der er St. Peter verlässt und das Exil der Israeliten, sprich der Rastafarier, beendet (Homiak 1987: 228-231). Dieser Hirten- stab wiederum stammt jedoch aus dem Revivalism, aus dem viele Führer später nach Homiak zu führenden Gestalten des Rastafarianismus werden sollten (ebd.: 231). c. Äthiopismus und Panafrikanismus

Bevor wir zu Howell und den anderen „Patriarchen“ des Rastafarianismus übergehen können, müssen wir noch kurz den Äthiopismus und Panafrikanismus streifen, die mit ihren politisch-kulturellen Programmen zu der Matrix beigetragen haben, aus der Rastafari dann entstanden ist. Beide Bewegungen werden nicht streng voneinander getrennt, sondern je nachdem, ob mehr der religiöse Aspekt betont wird oder der politische, benutzt man entweder den ersten oder den zweiten Begriff. Beide Phänomene sind jedoch hinreichend erforscht (Appiah 1999; Drake 1970; Esedebe [1982] 1994; Geiss 1968; Hanciles 1997a, 1997b, 2004; Shepperson 1952, 1962, 1968; Davis 1999), so dass wir im Folgenden nur einige markante Daten anführen wollen. Eine erste Bekanntschaft mit dem Äthiopismus machte Jamaika bereits am Ende des 18. Jahrhunderts, mit der Ankunft von George Liele, der die Baptisten- gemeinde der „Ethiopian Baptists“ in Kingston gründete. Bekanntlich hat die „Authorized King James Version“ der englischen Bibel das hebräische שׁוּכּ im Anschluss an griech. AiÍqio- piÑa mit Ethiopia übersetzt. In Verbindung mit Ps. 68,31 „Princes shall come out of Egypt; Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God“ wird „Ethiopia“ zu einem heilstheolo- gisch bedeutsamen Begriff: Gott hat in seinem Heilsplan den Afrikanern einen besonderen Platz zugewiesen und sie zu seinen Auserwählten gemacht. Die Bestätigung findet sich dann in Act. 8, 26-39 (Loth 2002: 402). Sieht man einmal von der sogenannten Verfluchung Hams in Gen. 9, 25 ab, so enthält die Bibel, insbesondere in der „Authorized King James Version“, zahlreiche Hinweise auf Äthiopien und Afrika, die in keiner Weise diskreditierend sind: In Num. 12, 1 ist die Rede von der „Ethiopian woman“, die Mose geheiratet hatte; im Hohenlied Salomos heißt es in 1, 5: „I am black, but163 comely“, der königliche Offizier Ebed-Melech aus Äthiopien kommt

dex.cgi?board=haile&action=print&num=1070902812> [Zugriff vom 03.05.2007]). [162] Bekanntlich steht „Adonai“ für den Schem ha-meforasch (siehe Seite 195). [163] Sicherlich ist hier keine schwarze Frau gemeint, dennoch kommt durch das adversative but — das hebr. we kann ohne Zwang auch als and/und übersetzt werden — ein ästhetisches Urteil über weibliche Schönheit zum Ausdruck (Goldenberg 2003: 79-83). Für deutsche Übersetzungen scheint die Farbe Schwarz, hebr. schaḥor, in diesem Zusammenhang überhaupt nicht tolerabel, so dass die Übersetzung lautet: „Ich bin שָׁחֹר braun, aber gar lieblich“ („Stuttgarter Erklärungsbibel“ [evang.] von 1999), oder in der Einheitsübersetzung – 176 – dem Propheten Jeremia zu Hilfe (Jer. 38, 7-13) und schließlich ist da noch die Geschichte vom Besuch der „queen of Sheba“ bei Salomo (1 Reg. 10, 1-13). Überdies lässt die KJV den Eindruck erwecken, dass Gott schwarz ist, heißt es doch in Jer. 8, 21: „For the hurt of the daughter of my people am I hurt; I am black; astonishment hath taken hold on me.“ Und erin- nert nicht das Haar des Messias in Offb 1, 14 an das krause Haar des Afrikaners, wenn gesagt wird: „His head and his hairs were white like wool…“ (vgl. Dan. 7, 9 KJV)? Was lag näher als der Rekurs auf die vertraute afrikanische Vorstellung, wonach Gott bzw. die Götter natür- lich von gleicher Hautfarbe waren wie ihre Anhänger? „Ethiopia“ als Instrument der Identitätsfindung für Afrikaner und Afroamerikaner wird seit dem 19. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil insbesondere, was die Hoffnung auf eine bessere Zukunft angeht. Robert Alexander Young, ein New Yorker Stadtprediger, veröf- fentlichte 1829 „The Ethiopian Manifesto, Issued in Defence of the Blackman’s Rights, in the scale of Universal Freedom“, in dem er von dem „black African or Ethiopian people“ spricht, für das Gott einen quasi-messianischen Führer vorbereitet hat.164 In „David Walker’s Appeal“ von 1830 wird das Kommen eines unbesiegbaren „Negro Savior“ vorausgesagt,165 während der berühmte Edward Wilmot Blyden (1832-1912; Lynch 1967) sowohl von „Africa for Africans“, „African Empire“ redete und einen „Black Mes- sianism“ propagierte, suchte James Morris Webb den Nachweis zu erbringen, dass Mose, Da- vid, Salomo und auch der wiederkehrende Jesus „Negro blood“ in ihren Adern hatten bzw. haben werden. Auch Joseph Ephraim Casely-Hayford (Ekra-Agiman, 1866-1930), Blyden- Verehrer und Panafrikanist, spricht in seinem Roman „Ethiopia unbound: studies in race emancipation“ von 1911166 vom äthiopischen Ursprung Gottes und Jesu und träumt von gött- licher Hilfe und einem „Ethiopian Empire“. Marcus Garvey wiederum redete vom „God of Ethiopia“ — gemäß der Losung: „One God! One aim! One destiny!“ —, stellt jedoch darüber das politische Programm: „Wake up Ethiopia! Wake up Africa! Let us work…“ (Loth 2002: 402-407). Allen diesen Vertretern des Äthiopismus geht der französische Abbé, ehemaliger Bischof von Blois und Abolitionist Henri Grégoire (1750-1831)167 voraus, der in seinem gegen die Sklaverei gerichteten Buch „De la littérature des nègres“ von 1808 mit Hilfe der antiken Au- toren die Verbindung von Äthiopiern und Ägyptern erstellt. Ferner folgt er den Forschungen des Orientalisten und Ägyptenreisenden Constantin-François de Chassebœuf (comte de; 1757 bis 1820), der die Überzeugung vertritt, dass „à la race noire, aujourd’hui esclave, nous de-

der Bibel von 2004: „Braun bin ich, doch schön“. [164] Siehe Herbert Aptheker (ed.). 1973. A documentary history of the Negro people in the United States: from colonial times to 1910, Secaucus: Citadel Press, vol. I: 90-93 [165] David Walkers Schrift wandte sich an eine gebildete Leserschaft, vor allem an die Abolitionisten des Nor- dens, nicht jedoch an eine schwarze Leserschaft (Peter Buckingham. 1979. „David Walker: an appeal to whom?“ in: Negro History Bulletin, vol. 42, pp. 24-26. [166] Neuauflage in „Cass Library of African studies: Africana modern library“, London: Routledge, 1969. [167] Er war Mitglied der 1788 zu Paris gegründeten „Société des amis des Noirs“. – 177 – vons nos arts, nos sciences, et jusqu’à l’art de la parole.“168 Der bekannten rassistischen Ver- achtung des schon erwähnten Edward Long für die afrikanischen Sklaven in Jamaika (Long [1774] 1970, vol. II: 351-378) hält er entgegen, dass die gelehrten Männer Griechenlands in den Ägyptern eine „école célèbre“ sahen. Die „Neger“ („Nègres“) haben wie die Weißen dieselben Rechte und Pflichten (Grégorie 1808: Kap. I). Grégoire stellt dann die moralischen Qualitäten und Talente der „Neger“ dar, um dann in Kap. VIII die Biographien herausragen- der „Neger“ und „Mulatten“ zu schreiben, u. a. auch die des ersten prominenten Afrikaners in Deutschland, Anton Wilhelm Amo (1703-1754), den die Universität Halle 1965 mit einer Statue ehrte. Ergänzend muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werde, dass Grégoire sei- ne fortschrittliche Haltung veröffentlichte, nachdem Napoléon Bonaparte im Jahre 1802 per Gesetz („Loi relative à la traite des noirs et au régime des colonies“, 20. Mai 1802) die Skla- verei wieder eingeführt und auf den französischen Antillen mit brutaler und blutiger Gewalt die neuerliche Versklavung der mit Gesetz vom 4. Februar 1794 befreiten Afrikaner durch- setzen ließ. Der Massenmord an den rebellierenden ehemaligen Sklaven hatte Züge eines ras- sistischen Genozids; man bediente sich sogar im Jahre 1802 des Schwefeldioxydgases, um „farbige“ Truppenteile auf den Schiffen zu vergasen (Ribbe 2005: 139). Im Jahre 1810 erschien Grégoires Buch in englischer Übersetzung in Brooklyn. Zweifel- los inspirierte dieses das Interesse der Afroamerikaner (Grégoire [1810] 1997: xx) und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens wurde hier die von den weißen Sklavenhaltern behauptete Infe- riorität des Afrikaners widerlegt und zweitens die afrikanische Zivilisation Ägyptens mit der Europas verknüpft. Die heutigen „Afrozentristen“ der Gegenwart gehen noch einen Schritt weiter und behaupten den schwarzafrikanischen Ursprung der Zivilisation Europas.169 Gré- goires Kampf gegen Sklaverei, rassische Vorurteile und koloniale Herrschaft fand auch Wi- derhall in Brasilien.170 Aber es bedurfte noch einiger historischer Anlässe, bevor Äthiopien auch wirklich zum konkreten „Black man’s Zion“ werden konnte, zum Heimatland der Rastafaris und jener schwarzen Nationalisten, die mit der „Ethiopian World Federation“171 ኢትዮጵያዊ ፡ ዓለም ፡ ፌድሬሸን, sich verbunden wissen. Letztere wurde bekanntlich am 25. August 1937 von dem Beauftragten Haile Selassie, Melaku Emmanuel Bayen, in New York gegründet. Im Jahre 1939 wurde in Jamaika das berühmte Büro „Local No. 17“ gegründet, an dem L. F. C. Mant- le, Redakteur des Garvey-Journals „Plain Talk“, Paul Earlington und die Rasta-Führer Joseph

[168] Grégoire nimmt hier Bezug auf Constantin François Volney. 1787. Voyage en Syrie et en Égypte pendant les années 1783, 1784 et 1785, 2 vol., Paris: Volland [Erstausgabe 1787]; das Werk wurde danach noch mehrmals aufgelegt. [169] Siehe Martin Bernal 2003. „Die Schwärzung Ägyptens und die Bildung eines arischen Modells“, in: Trans: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften, vol. 15, November 2003 ( [Zugriff vom 09.03.2006]. [170] Siehe Marco Morel 2005. „O abade Grégoire, o Haito e o Brasil: repercussões no raiar do século XIX“, in: almanack braziliense, vol. 2, pp. 76-90 [171] Siehe – 178 –

Nathaniel Hibbert und Archibald Dunkley beteiligt waren. Nach der Krönung Haile Selassies und insbesondere nach der Invasion Äthiopiens durch die Italiener, die in den USA und in Ja- maika eine Welle der Sympathie für das afrikanische Land auslöste (Yelvington 1999), kam es in Jamaika zur Gründung von mehreren Organisationen, die in ihrem Namen häufig das Adjektiv „Ethiopian“ führten (Hill 1981: 35-37). Afrika und der Widerstand gegen die Kolo- nialmächte rückte zusehends in das Blickfeld der Afroamerikaner. Eine herausregende Rolle in der Verteidigung Äthiopiens übernahm Mantle, der zudem mit Hilfe der Bibel geschickt die Göttlichkeit des äthiopischen Kaisers propagierte:

I beg to inform you hypocrites [referring to the clergy] that what you have taught us about Jesus, is fulfilling in the land of Ethiopia right now: with the said same Romans or so called Italian or Fascist. These are said people who crucified Jesus 2,000 years ago, and as we read that after 2,000 years, Satan’s kingdom or organization shall fall; and righteousness shall prevail in all the earth, as the waters cover the sea … we are now in the time that the 2,000 years have expired. (Plain Talk vom 2.11.1935, zit. in Hill 1981: 35)

Nach Mantle sollen die Prophetien in Offb 5, 5, Gen 49, 10, Offb 17, 14 und 19, 16 die göttliche Natur des Kaisers erklären, für den das Buch mit den sieben Siegeln (Offb 5, 5) bei der Kaiserkrönung geöffnet worden ist und der 1930 das goldene Zepter erhielt (Hill ebd.). Solche in „Plain Talk“ veröffentlichten Äußerungen eines Nicht-Rastas dürften erklären, wa- rum die jamaikanischen Zweige der EWF bald einen großen Zulauf an Rastafariern erlebten, was der New Yorker Zentrale zweifellos nicht gefiel. Gleichzeitig gab es seit 1919 äthiopische Bestrebungen, Fachkräfte unter den Afroameri- kanern für Äthiopien zu gewinnen. Dazu gehören der Besuch des Bürgermeisters von Gon- dar, Gabrou Desta, von 1919, der in Harlem mit Rabbi Ford und Anhängern über eine An- siedlung in Äthiopien sprach; das Scheitern einer Ansiedlung in Liberia, nachdem die UNIA daselbst verboten worden war; der Besuch des äthiopischen Arztes und Diplomaten Azaj Workneh Martin im Jahre 1927 in den USA, der Fords „Ethiopian Hebrews“ über die Mög- lichkeit einer Teilnahme am Bau des Laka Tana-Dammes informierte; die Nachricht, dass Gabrou Desta Ras Tafari überredet habe, die Ansiedlung von „Hebrews“ und schwarzen Amerikanern zu gestatten; das Treffen Fords mit dem Falāschā-Gelehrten Tamrat Emanuel, der das Schwarzenghetto Manhattans 1928 (oder 1929) aufgesucht hatte und schließlich die konkrete Planung mit Gabrou Desta 1930 über die Rekrutierung schwarzer Helfer für sein Land. Äthiopien konnte für Ford und seine Anhänger nun wirklich zu einer Heimat werden. Des Weiteren ist dann die Schenkung von 800 Acres für schwarze Siedler im Jahre 1931 anzuführen. Offensichtlich war am Zustandekommen der Landschenkung Gabrou, inzwi- schen Vizepräsident des äthiopischen Senats, entscheidend beteiligt (Scott 1975). Die Landschenkung von 1955 von 500 Acres „to the Black People in the West, who aid- ed Ethiopia during her period of distress“, die von der New Yorker Zentrale der „Ethiopian – 179 –

World Federation“ der Niederlassung in Jamaika mitgeteilt wurde,172 war also keineswegs die erste Landgabe an die afrikanische Diaspora. Offenbar geht sie auf eine Schenkung Haile Se- lassies aus dem Jahre 1948 zurück.173 Die Nachricht von 1955 versetzte aber viele in Jamaika in einen Zustand der Erwartung einer unmittelbar bevorstehenden Repatriierung, so dass Gruppen 1955 und 1956 zu den Piers gingen, um nach Booten für die Überfahrt zu suchen (Smith/Augier/Nettleford 1960: 16f.). Aber erst 1963, nach dem Besuch einer Delegation aus Rastafaris und anderen Back-to-Africa-Enthusiasten in Afrika im Jahre 1961 — hierbei gab es auch eine erste Begegnung mit Haile Selassie, bei der auch der Rasta-Philosph Mortimo Planno (1920-2006) zugegen war (Dijk 1993: 153-159) —, kam es zu der Gründung der Ra- sta-Kommune in Melka Oda, nahe der Stadt Shashamane (amhar. ሻሽመኔ).

d. Zwischenergebnis

Man muss die Frage stellen, wie es zu der religiösen Einvernahme der Gestalt von Mar- cus Garvey kam. Entscheidend war sicherlich, dass mit der Erstürmung von Leonard Howells „Pinnacle“-Kommune (siehe IV.5.c.) dieser seine Führungsposition in der neuen Religion verlor und die Reafrikanisierung einsetzte. Diese ist keineswegs vergleichbar mit der im Can- domblé, sondern hat eher zu tun mit der 1949 gegründeten Youth Black Faith und der Bewe- gung Black Power in den 1960er und 1970er Jahren. Die Heimholung Garveys, des „Mister Africa“, lag nahe (siehe Seite 218). Aber der Marcus Garvey der Rastafarier bleibt eine my- thische Gestalt: Der historische Garvey griff keineswegs auf das afrikanische kulturelle Erbe zurück und dachte eher an „an African version of Western society“ (Dagnini 2008: 206). Mit seinen ideologischen Vorstellungen und seinem Lebenstil war er kein Symbol für ein neues Afrika, das sich aus der intellektuellen Kolonisierung befreien wollte. Überaus kritisch führt Jérémie Dagnini aus:

… when we take a closer look at Garvey’s life and ideologies, the notion of African pride is not perceptible at times. Indeed, we sometimes get the impression that he tended to put Western culture/civilization on a pedestal. For example, it would appear that he tended to idolize Western leaders such as Napoleon and Hitler – though both of them were ex- tremely racist. It also seems that he tended to prefer Christianity over African religions, Western music such as classical music over African music, and Western uniforms rather than African clothing, and so on. All these points seem to be the fruits of intellectual co- lonization, and thus make Garvey a controversial figure in the history of Pan-Africanism. (Dagnini 2008: 299)

[172] Der Brief aus New York vom 24. September 1955 findet sich unter „Appendix 1“ in Smith/Augier/Nettle- ford 1960: 39-40. [173] Siehe (Zugriff vom 24.04.2007), (Zugriff vom 24.04.2007). – 180 –

Aus der Sicht der Rastas müsste Garvey mit seiner Nähe zum „New Thought“ und sei- nen Vorstellungen eigentlich „Babylon“ zugerechnet werden, dem korrupten Establishment der westlichen Gesellschaft mit ihrem „brainwashing“. Vielleicht muss jedoch die Tatsache bedacht werden, dass hier Dagnini als Afrikaner, der aus der Elfenbeinküste kommt, ar- gumentiert, während die Väter des Panafrikanismus afroamerikanische und afrokaribische In- tellektuelle waren und die Bewegung zunächst in der Neuen Welt begann und erst danach sich in Afrika ausbreitete (Appiah 1999: 1485). Der Blickwinkel aus Afrika ist wohl ein an- derer als der aus der Afrikanischen Diaspora. So ist auch der Blick der Rastas auf Afrika ge- prägt von der geographischen Lage. Eine Korrektur durch Flux und Reflux zwischen Jamaika und Afrika hat es, wie bereits angeführt, nicht gegeben. Zwar mag die Identifikation der Rastafarier mit Äthiopien zu einer Revitalisierung der Bewegung im Sinne von Anthony Wallace geführt haben, „to create a more satisfying culture“ (Wallace 1956: 279), es war jedoch keinesfalls das „historische Äthiopien“, wie Caitlin O’Neill schreibt174, sondern eher die idealisierte Konstruktion eines Afrikas als „funktionale ,Karte‘“ (Eyre 1985: 145) zum Zwecke der Orientierung, sowohl was mentale Ausrichtung als auch Verhalten angeht (Loth 2002: 408f.). Shashamane mit sei- nen etwa 200 Rastas ist bislang nicht zu einer Erfolgsstory geworden.175 Nicht ohne Grund wird man sich deshalb fragen müssen, ob „Äthiopien“ in diesem Kontext nicht eher zu jenem Konstrukt gehört, dass man als eine Erfindung Afrikas bezeichnen muss (Yelvington 2006). Dazu gehört sicherlich aber auch, basierend auf jene oben erwähnten „afrikanischen“ Bibel- stellen, die in Ps. 68, 31 gipfeln, die „doctrine of Providential Design“ (Drake 1970: 53): „God’s Hand in Black History” (ebd.: 41). Jesus ruft die Söhne Äthiopiens und wird im End- gericht Feuer und Schwefel auf die Bösen regnen lassen.

This Biblical myth is the core of a thought-style that might be called “Ethiopianism”, and which became more complex and secularized as it developed during the 19th and 20th centuries. It emerged as a counter-myth to that of Southern white Christians (and many Northern ones). It functioned on a fantasy level giving feelings of worth and self-esteem

[174] „Mythical pasts: Ethiopianism as a revitalization movement“ (The Dread Library [ (Zugriff vom 03.04.2007)]). [175] Siehe z. B. Dutch Rastafari Forum, „Ervaringen van Westerse rasta’s in Afrika …“ vom 28.07.2004: „De gemeenschap van Melka Oda vromt geen hechte commune“(

to the individual, but also as a sanction for varied types of group action. It generated con- cern for the “redemption” of black men in the Motherland as well as the Diaspora so that the ancient state of power and prestige could be restored. (Drake ebd.: 50)

Rastafari folgt wieder dieser religösen Interpretation: Das apokalyptische Urteil über Ba- bylon steht fest, in der Zwischenzeit gilt die Losung: „Chant down Babylon“176 oder „Beat down Babylon“ mit der Macht des Reggae. Biblische Symbolik wird hier zu einem Modell der Wirklichkeit, die über das typologisierte Babylon ihren Platz in der biblischen Apokalyp- tik hat. Damit hat man sich jedoch der Möglichkeiten des sozialen und politischen Handelns begeben. Als Ausweg bleibt nur noch der Exodus nach Zion— „repatriation“ (vgl. Seite 172) — , dem Gegentypus von Babylon, mit den Worten eines Rasta-Gebets:

Oh Father, free us from the chains of Babylon! And make us free to walk in Zion! For we are pressurised, just like the Israelites. (Forsythe 1983: 94)

Das aber ist der große Unterschied zum säkularen panafrikanischen Programm Garveys, der für politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Fortschritt für alle Afrikaner und Afrodeszendenten kämpfte. Auch den frühen Äthiopisten in Afrikas Kirchen ging es um kon- krete soziopolitische Veränderungen (Loth 1991: 17. 74-77) — ohne zu einer irgendwie gear- teten Mystifizierung der weißen Kolonialherren oder gar apokalyptischen Sichtweise zu grei- fen. Rastafari aber folgt dem jüdisch-biblischen Schema von Exil und Exodus, wie es auch das Lied von Bob Marley zur Sprache kommt: „Exodus, movement of JAH people … we’re leaving Babylon into our father’s land“.177 Ähnlich wie die Rastas in Jamaika nicht ihre Heimat sehen, so haben auch die Anhänger des Judentums in Babylonien sich als Fremde verstanden, die sich nach ihrer angestammten Heimat sehnten. In diesem Kontext kommt auch die Gestalt des Messias auf, der unlösbar mit dem Thema Exil verknüpft ist. Deshalb hat es auch in fast jedem Jahrhundert der Diaspora- Existenz eine messianische Bewegung gegeben (Green/Silverstein [2000] 2003: 248f.). Wir tun also gut daran, im frühen Rastafarianismus eine messianische Bewegung zu sehen und in Haile Selassie den Messias. Mit dem Tode des äthiopischen Herrschers hätte aber das eintre- ten müssen, was nach dem Tode eines jeden jüdischen Messiasprätendeten geschah: der ab- rupte Zusammenbruch der Bewegung, der in irgendeiner Weise theologisch aufgearbeitet werden musste. Der von vielen erwartete Zusammenbruch von Rastafari geschah jedoch nicht, die traumatische Erfahrung wurde überwunden: Der Tod von Haile Selassie wurde da- hingehend interpretiert, dass er seine fleischlich-irdische Hülle abgelegt habe, um zu einer

[176] Dieser Titel findet sich auch in Bob Marleys Album „Confrontation“ aus dem Jahre 1983, ist also weitaus jüngeren Datums. [177] Text nach der CD „Exodus: Bob Marley & the Wailers“, Tuff Gong 1977. – 182 – allwissenden und allgegenwärtigen Kraft zu werden. Die Losung heißt nunmehr: „Jah no Dead“, „Jah live“ (Lutanie [1999] 2007: 87). Das Messias-Modell reicht also nicht zur Inter- pretation des Gottes Jah Rastafari (siehe V.2.). Aus soziologischer Sicht muss kritisch angemerkt werden, dass die Rastas — in Folge bestimmter theologischer Annahmen — über ein falsches Bewustsein verfügen: Sie sind we- der Juden noch die Söhne Äthiopiens, sondern die Nachkommen afrikanischer Sklaven, die aus verschiedenen Gebieten Afrikas, jedoch nicht aus Äthiopien stammten. Das Problem be- steht nun darin, dass ihr Selbstverständnis nicht den objektiven Verhältnissen entspricht, sie sich vielmehr in unterprivilegierten Schichten eingerichtet haben und das unter Hinweis auf Äthiopien sogar noch rechtfertigen. Es fehlt vielmehr ein kritisches Bewusstsein, um die eige- nen Verhaltensorientierungen in die Institutionen der Gesellschaft Jamaikas einzubringen. Wenn nach der Auffassung von Barry Chevannes das Wissen der Rastafari-Philosophie dem rituellen Reasoning (siehe Seite 27) und dem Teilen von Ganja (das „heilige Kraut“) ent- stammt und damit ein Diskurs über das Irdische beginnt und auf eine Ebene des Einsseins mit Gott überleitet (Chevannes 2007: 123), dann wird das, was allgemein als kritische Tradition bezeichnet wird, eindeutig verlassen. נְטוֹרֵי Zum Vergleich sei auf die kleine Charedi-Gruppe der Natorei Karta (aramäisch Wächter der Stadt“) verwiesen, die im Jerusalemer Stadtteil Mea Schearim leben: Sie„ ,קַרְתָּא lehnen den politischen Zionismus und damit den Staat Israel ab und leugnen auch den Holo- caust. Der Staat ist ein goyish-Staat, d. h. ein heidnischer Staat, weil seine Gründung nicht mit der Ankunft des Messias zusammenfiel und dadurch die messianische Ära hinausgezögert wird. Folglich lehnen sie die demokratisch gewählte Regierung ab und nehmen am sozialen und politischen Leben nicht teil. Insofern sie die historischen, politischen und sozialen Rea- litäten auf Grund bestimmter theologischer Überzeugungen leugnen, sind Staat und moderne Gesellschaft ein Affront gegenüber dem Judentum und Gott. Auch ihr Bewusstsein ist aus so- ziologischer Sicht falsch und sie schließen sich dadurch von der Gesellschaft aus!

5. Leonard Howell, die ersten Rastas und der Nyabinghi-Mythos a. „The Holy Piby“ und die „The Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“

Rastafari ist, wie auch Candomblé, eine urbane Religion, auch wenn es von Anfang an Rastas in ländlicher Region gegeben hat. Auch wenn Barry Chevannes erklärt, dass die Mehrheit der frühen Rastafarier ländlicher Herkunft war (Chevannes 1994: 44), so sind doch Kingston und andere Städte von Anbeginn an Zentren der Lehre und religiösen Praxis gewe- sen. Selbst Leonard Howells „Pinnacle“-Kommune mit ihren zeitweilig mehreren Tausend Mitgliedern wird man kaum als eine dörfliche Idylle beschreiben können. Der Versuch der Missionare in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einen „Christian Black“ in Jamaika heranzubilden (Russell 1983), war gescheitert. Die „Creole Negroes“ (An- – 183 – thony Trollope) waren nicht das Produkt einer Akkulturation, sondern waren das Ergebnis ei- ner Transkulturation im Sinne von Fernando Ortiz. Die interkulturelle Schnittstelle war die Geistbesessenheit gewesen: der Heilige Geist auf Seiten der Baptists und die spirits auf Sei- ten der Afrojamaikaner. Nach dem Great Revival von 1861 war allen klar geworden, dass letztere in ihrer großen Mehrheit nicht das europäische Kulturmodell übernommen hatten. Mit der Entwicklung von neoafrikanischen Traditionen war es zu einer „Neokulturation“ (Fernando Ortiz) gekommen: „[…] Afro-Jamaican subjects engaged in a process of symbolic construction in which texts, signs and myths were intentionally reordered. This made the symbolic universe of colonial rule the site of everyday struggle for the subaltern subject“ (Bogues 2002: 17). Damit war der Widerstand gegen die koloniale Verwaltung und die da- hinter stehenden ideologischen Grundlagen — diese bestand u.a. in dem Versuch einer Erzie- hung des kreolischen Afrikaners zu einem homo economicus — gemeint. Myalism, Revivalism und die Bewegung von Alexander Bedward hatten die koloniale Verwaltung in Frage gestellt, Rastafari sollte dies auf der Grundlage von Garveyism, Youth- Black-Faith-Bewegung und Black Power noch radikaler und vor allem in offener Konfronta- tion mit der Kolonialmacht artikulieren. Dieser Widerstand wird sich dann auch gegen die frei gewählten Regierungen Jamaikas erstrecken, ermöglichten doch diese im Zuge der Deko- lonisation zugleich eine Konsolidierung des „klientistischen“ politischen Systems, „which spawned political violence, a system of patronage, and left in its wake many wasted lives. The political hat turned into ‘politicks/politricks’“ (Bogues 2002: 11). Auch wenn es namhafte Rastas wie Jah Bones (siehe Seite 113) oder Ras Boanerges178 gibt, die der Überzeugung sind, dass Rastafari weit in die Geschichte der Menschheit zurück- geht, so steht jedoch aus historischer Sicht die Kaiserkrönung Haile Selassies vom 2. Novem- ber 1930 am Anfang. Dieses Ereignis ging um die Welt, schickten doch 12 Nationen ihre Vertreter zu diesem Ereignis. Der „Daily Gleaner“ vom 4. November 1930 berichtet zunächst in einem „Editorial“ darüber, in der Ausgabe vom 14. November folgten dann Fotos des ge- krönten Kaisers zusammen mit seiner Frau, Kaiserin Mänän. Im Juni 1931 veröffentlichte dann das „National Geographic Magazine“ zwei Krönungsberichte.179 Bringt man diese Be- richte in Beziehung zu der so genannten Garvey-Prophezeiung — „Look to Africa when a King is crowned, for your redemption is at hand“ (siehe Seite 169) —, dann ergibt sich auch eine Grundlage für die Genese von Rastafari. Dass Afroamerikaner große Sympathie für den äthiopischen Herrscher empfanden, wird aus der Wochenausgabe von „Time“ deutlich, die am 3. November 1930 erschien: Auf dem Cover findet sich das Bildnis Haile Selassies und im Innenteil über die Krönung heißt es: „… throughout the world last week newsorgans hail- ed him as their own, recalled the honors conferred by His Majesty on ‘The Black Eagle of Harlem’, Colonel Hubert Julian,180 ‘The Negro Lindbergh’“.181

[178] Siehe „Teachings > Interviews > Nyahbinghi“ () [179] Siehe A. E. Southard. „Modern Ethiopia: Haile Selassie the First, formerly Ras Tafari, succeds to the world’s oldest continuouesly sovereign throne“, pp. 679-738, und W. R. Moore. „Coronation days in Addis Ababa“, pp. 738-746. – 184 –

In der Regel werden nun Leonard Percival Howell, „Teacher Hibbert“, Robert Hinds und Archibald Dunkley als die charismatischen Autoritäten (Chevannes 1994: 142) angeführt, die die ersten Rasta-Organisationen ab 1932 begründet haben. Mithin gab es von Anbeginn an mindestens drei unterschiedliche Rastafari-Gruppen. Im Laufe weniger Jahre übernahm, wie wir noch sehen werden, Howell mit seiner Gruppe die Führung der neuen Religion. Es sei je- doch bereits im Vorfeld formuliert, dass der Rastafarianismus nach der Zerstörung von Ho- wells Pinnacle-Kommune eine Reform durchlief, durch die Rastafari eine neue Ausrichtung fand — in Richtung auf eine mehr oder minder erfundene Afrikanizität! Problematisch ist die religionstypologische Einordnung dieser drei Personen: Waren sie Propheten? Oder nur Prediger (van Dijk 1993: 85-87)? Propheten waren sie sicherlich nicht (Legesse 1994: 337), fehlt es den vorgenannten Personen doch an einer wesentlichen Eigen- schaft hierzu: Sie sind nicht legitimiert durch eine „von Gott verliehen empfundene Voll- macht“, die aus der Unmittelbarkeit des Verhältnisses zu Gott folgen würde (Mensching [1947] 1968: 300). Weder gibt es eine Vollmacht von Haile Selassie, noch hat dieser sich als Gott verstanden. Dem steht nicht entgegen, wenn John Homiak später von den Visionen des Ras Mobutu berichtet, die jedoch Marcus Garvey zum Gegenstand haben (Homiak 1987: 228-229. 233-234). Nirgendwo ist die Rede von einer Beauftragung durch Gott. Eine typologische Zuordnung fällt also schwer. Am ehesten kann man die Vorgenannten als predigende Lehrer bezeichnen, die an der pluriformen Stiftung des Rastafarianismus als erste beteiligt sind. Sie sind religiöse Führer, die vergleichbar sind mit den „Shepherds“ im Revivalism, insofern sie zuständig sind für Lehre und rituelle Dinge (Seaga [1969] 1982: 9). Die Vermittlung von „Vorstellungen, Gedanken, Wissen, die Übermittlung von mythischem, ethischem und theologischem Gut“ gehört nach Kurt Goldammer zu seinem 2. Typus des Lehrers (Goldammer 1960: 170). Zu den Lehren gehört auch die Verkündigung der Ankunft der Erlösung aller schwarzen Menschen durch die Inkarnation Ras Tafaris in Haile Selassie. Wir entscheiden uns daher für die Bezeichnung „frühe Lehrer“, wurde doch Hibbert von sei- nen Anhängern als „Teacher“ bezeichnet und Leonard Howell nannte sich selbst einen Guru: „Gangunguru Maragh“, etwa „Lehrer von Weisheit und Tugend Großer König“ (Hill 1981: 49) — sofern „Maragh“ eine Korrumpierung von maharaja ist. Möglich ist aber auch die Ab- leitung von Hindi marg, „Weg“, „Pfad“ (Spencer 1998: 386). Dann ergäbe sich der Titel „Pfad des verehrungswürdigen Guru“ (Prashad 2001: 91). Allerdings wird Howell von sei- nen Anhängern auch als Heilsvermittler angesehen. Rastafarier sprechen dagegen bisweilen von „Matriarchs and Patriarchs of Rastafari: The Elders, The Statesmen and Women“.182 Dazu gehören dann weitaus mehr Personen als die

[180] Zu Hubert Julian siehe den Eintrag in Africana, p. 1071; für einige Jahre trainierte der für seine Kühnheit bekannte Flugpilot aus Trinidad die Luftwaffe Haile Selassies. [181] Siehe TIME Online ( [Zugriff vom 01.08.2007]). [182] So z. B. Ras Forever 2002. „Tribute to the Matriarchs and Patriarchs“ ( [Zugriff vom 12.08.2007]). – 185 – vorgenannten und auch solche, die die ersten Rastafari-Gruppen in den Elendsvierteln von Kingston gründeten: die „camps“ und „yards“183 in den Shanty [= Ashanti] Towns von Dung Hill („Dungle“, d.h. „Misthaufen“) , Back O’Wall („hinter der Mauer [des Friedhofs]“ oder Ackee Walk, Trench Town oder entlang des Sandy Gully (Lee [2000] 2003: 227; Planno 1995: mp35.html), in denen ebenfalls die neue Lehre in einzelnen Yards gelehrt, diskutiert und die „Grounations“184 abgehalten wurden, wo Ganja geraucht und Count Ozzie und Pa A- shanti — auch bekannt als Bongo Claudy, Boanerges oder Shanti — die Nyahbinghi-Musik schufen. Einige der ursprünglichen „camps“ aus den Jahren 1930 bis 1950 nennt Brother Douglas Mack (Mack 1999: 59-73). Dies waren die Orte, wo vor allem die Rastafari-Philo- sophie gelehrt und erworben wurde:

The camps were the places of retreat from Babylonian pressures of life, where we acqui- red our spiritual meditation. We became avid scholars of the Bible, reading, reasoning, and interpreting the passages while chanting our songs of praises to the “Most High”. The spirit of the camp created a soothing balm to the aching soul. Our philosophy of life meant living the physical and spiritual according to the dictates of the Scriptures, not as the Babylonian world demanded. Cleanliness meant Godliness within and out. To be a Rastafarian meant to abide by the ten commandments. The biblical scriptures were our guide, to be applied with reason to the physical frailties of mankind’s everyday existence. (ebd.: 66)

Die Ergebnisse der Bibellektüre und weitergehenden Reflexionen gingen dann von ei- nem „camp“ zum anderen. Merkwürdig ist jedoch, dass Mack mit keinem Wort die Tatsache erwähnt, dass die Rasta-Camps in den „shanty-towns“ von Kingston sich häufig in unmittel- barer Nachbarschaft zu Revivalist-Gruppen und Wohngebieten von Indern befanden (siehe Shepherd 1987: 175-176)! In Smith Village (siehe Seite 157) etwa waren 1938 75 % der Be- wohner Inder (Shepherd 1994: 109). Barry Chevannes erwähnt, dass in den 1930er Jahren der Slum von Ackee Walk, in dem auch Rastas lebten, Ostindern gehörte (Chevannes 1994: 67). Ein betagter Informant berichtete ihm auch, dass um die Zeit des 1. Weltkrieges in dem „yard of an East Indian“ Ganja-Rauchwettkämpfe stattgefunden hätten. Das Herumreichen des „Kutchie“ (d. i. Kugelkörper des Chillums) oder „cup“ wurde zu einem gemeinsamen Ritual von Revival und anderen afrojamaikanischen Religionen (ebd.: 153). Joseph Owens wieder- um berichtet, dass einige wenige Chinesen und „more than a few ,East Indians‘“ von den Ra- stas als brethren akzeptiert wurden (Owens [1976] 1979: 28-29). Das war allerdings nicht immer so! Die Jahre insbesondere von 1930-1938 waren gekennzeichnet durch die sich ver- schlechternden Beziehungen zwischen Ostindern und Afrojamaikanern: Die Ostinder fühlten

[183] In Jamaika ist „yard“ ein stark emotional gefärbtes Wort, insofern es sowohl die räumlichen als auch so- zialen Beziehungen eines Lebens- und Wohnbereichs bezeichnet (Senior 2003: 528). [184] „Grounations“ oder groundation, von ground („Boden“), auf dem die Teilnehmer sitzen, ist eine andere Bezeichnung für die Nyabinghi-Feiern (siehe IV.5.d.). – 186 – sich durch die Afrojamaikaner diskriminiert (Shepherd 1987: 181. 184-185). Hervorzuheben ist in Macks Bericht die starke Betonung der Bibellektüre und -interpre- tation, die auf ein christlich-protestantisches Vorbild verweist. Die frühen Rastas lebten auch in Nachbarschaft der Anhänger von Kumina und von Burru-Musikern, hier wurden auch die Ideen von Fitz Balintine Pettersburgh über „Black supremacy“ und „The Holy Piby“ des Ro- bert Athlyi Rogers verbreitet und gelesen: die „root documents of Rastafari“. Hier in der El- gin Street No. 7 in Smith Village wurde die „Hamitic Church of the African Baptist of the Ehtiopian Race“ von Grace Jenkins Garrison gegründet, der Grundstein am 20. November 1925 gelegt und die Rückkehr nach Afrika gepredigt. Missionare verbreiteten die Botschaft in anderen Teilen Jamaikas.185 Reverend Charles Goodridge aus Barbados, Mitglied der UNIA, war ihr Mitarbeiter und hatte diese „Black Man’s Bible“ in Colón (Panama) entdeckt. Nach seiner Überzeugung war die „King James Version“ eine Fälschung des weißen Mannes, die Gott und seine Propheten als Kaukasier und nicht als Schwarze darstellt. Von besonderer Bedeutung sollte die folgende Prophezeiung im „Holy Piby“ sein:

And it came to pass that I continued to look, and behold I saw a natural man standing be- fore Angel Douglas, and after a brief conversation, the mighty Angel conveyed him to the throne Elijah, God of heaven and the earth. Then upon the head the natural man did Elijah place a crown on the front part of the crown there was a brilliant star whose light extended from heaven to the earth. Now when the crown was bestowed upon him, behold the mourning apparel disappeared and there was joy in heaven. And it came to pass that I saw a great host of Negroes marching upon the earth and there was a light upon them, then I looked towards the heaven and behold I saw the natural man standing in the east and the star of his crown gave light to the pathway of the child- ren of Ethiopia. (Rogers [1924] 2000: 86-87)

Dieses wurde durchaus als eine Anspielung auf die Krönung Haile Selasses am 2. Nov- ember 1930 angesehen.186 In seinem Vorwort zur Neuausgabe führt Ras Sekou Sankara Tafa- ri an, dass Archibald Dunkley, Bedward (sic!), Leonard Percival Howell und überhaupt die Pioniere von Rastafari vom „Holy Piby“ beeinflusst waren (ebd.: 17). Bekanntlich hat Howell das Buch in Gestalt seines „Promised Key“ plagiiert. In seiner Einführung zur Neuausgabe weist der bekannte Ras Miguel Lorne darauf hin, dass Athlyis „Shepherd’s Prayer“ (ebd.: 39) fast ganz übernommen wurde in dem folgenden Rasta-Gebet:

[185] Siehe die Original- und Regierungsdokumente unter (Zugriff vom 06.01.2007). [186] Siehe Boris Lutanie. „The Holy Piby: ,La bible noire‘“, in: Rastalogie (Zugriff vom 10.03.2008). – 187 –

Prince and princesses shall come out of Ithiopia Ithiopians shall stretch forth their hand Unto JAH Oh thou JAH of Ithiopia Thy Ivine Majesty, They spirit come into our hearts and bless us, Lead us, Teach us to love, Teach us to forgive Teach us love, loyalty on earth as It is in Zion. Endow us with thy wise mind, knowledge and overstanding, to do thy will Thy blessing to I-n-I That the hungry be fed The naked clothed The sick nourished The Aged protected, and The infants cared for

Iliver I-n-I from all evil When our enemies are passed and decay, In the depths of the earth, In the depths of the sea, or In the belly of a beast,

Oh JAH Give I-n-I a place in thy everloving Kingman, Forevermore. (ebd. 10-11)

Der Anguillaner Robert Athlyi Rogers hatte 1922 in Newark Marcus Garvey und die UNIA kennen gelernt. Er war von Garvey so überwältigt gewesen, dass er in ihm einen Apo- stel Gottes hinsichtlich der Erlösung Äthiopiens sah (siehe Seite 166). Im Januar 1924 veröf- fentlichte er den „Holy Piby“ in Newark, der die lehrmäßige Grundlage seiner „Afro-Athli- can Constructive Church“ war, die zunächst in Newark, New Jersey, ihren Anfang nahm, dann aber — nach der Begegnung mit dem südafrikanischen Aktivisten Sol Plaatje — ihr Hauptquartier nach Kimberley in Südafrika verlegte.187 Es war der „National Council of Ras- tafari“ in Kimberley, der vor einigen Jahren den „Holy Piby“ wieder entdeckte, nachdem er in der 2. Hälfte der 1920er Jahre in Jamaika und der Karibik verboten worden war. „The Holy Piby” ist ein religiöser Text in der Tradition des Äthiopismus, in dem sich ein

[187] Zu den Schwierigkeiten mit der Kolonialverwaltung siehe die Dokumente unter (Zugriff vom 06.01.200). – 188 – neues Verständnis der christlichen Tradition artikuliert und damit dem Rastafarianismus den Weg weist. Es ist ein neues Evangelium für die Erlösung der Kinder Äthiopiens (Roger [1924] 2000: 100). Gott, der „Vater Äthiopiens“, hat sein neues Gesetz durch den „Shepherd Athlyi“ — der Titel „shepherd“ erinnert an Alexander Bedward — offenbart (ebd.: 50) und versprochen, die im biblischen Deuteronium festgelegte Unterdrückung Hams zu beenden (ebd.: 64). In Newark wird Rogers die Offenbarung eines neuen Namens zuteil, der da lautet „Gaathly“: „From that day unto this the Holy House founded upon the Gospel of God through Athlyi is known as the Gaathly“ (ebd.: 67). Bei diesem Namen handelt es sich ganz offensichtlich um eine Kontraktion von „Garvey“ und „Athlyi“, folgen doch beide den Lehren des „Holy Law“ (ebd.: 35). In den darauf folgenden „Holy Commandments“ finden sich dann auch Werte, für die Garvey eingetreten ist, wie z. B. Fleiß, Einigkeit und Willen, der leidenden und unterdrückten Menscheit zu helfen (ebd.: 36-38). Es ist durchaus nicht grundlos, wenn der „Daily Gleaner“, die maßgebliche Tageszeitung Jamaikas, in ihrer Ausgabe vom 6. Juni 1927 von einer „neuen äthiopischen Religion“ spricht, aber betont, dass der jamaikanische Zweig der UNIA vehement gegen die neue Reli- gion protestiert. Der Kritiker „H. G. D.“ in der Ausgabe vom 14. Mai 1927 verweist jedoch darauf, dass „some Garveyites are endeavouring to convert this country“. Es ist nicht überra- schend, wenn der in Morant Bay tagende „Jamaica Reform Club“ vor dem „Holy Piby“ warnt, weil er gegen die Interessen des Volkes sich richte, „against good order, and had in it the germs of civil disorder“ („Daily Gleaner“ vom 27. Mai 1927). Der schon angeführte „Daily Gleaner“ vom 6. Juni 1927 zitiert aus einem zweiten Werk, das oben (siehe S. 162) schon erwähnt wurde und zu den „root documents“ von Rastafari ge- hört, und zwar aus dem Kapitel 6 des von Reverend Fitz Balintine Pettersburgh 1925 [?] ver- fassten „The Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“. Dort ist die Rede davon, dass der „Balm Yard“ kein Krankenhaus ist, kein Obeah-Laden, sondern die „Assembly of Black Su- premacy“. Zu dieser haben „Obeah dogs“, Wahrsager, Hexen und „Old Hige“ keinen Zu- gang. „Old Hige“ oder „Ol’Hige“ ist in Jamaika die Hexe oder Zauberin in Gestalt einer Eule, die Menschen im Schlaf zerstört (Senior 2003: 358f.; Cassidy [1971] 1982: 251f.), eine Vorstellung, die westafrikanischer Herkunft ist, gilt doch z. B. unter den Yorùbá das nächtli- che Schreien eines Vogels in Hausnähe als sicheres Anzeichen dafür, dass eine Hexe zugegen ist (Peel 2000: 379f.). Im „balm-yard“ als Ort des Heilens in der Volksmedizin bedient man sich einer „mixture of prayer, bush remedies and special types of magical healing“ (Kerr [1952] 1963: 137). Häu- fig kennzeichnen Pallisaden und Flaggen eine solche Heilstätte, die der Myal-Tradition ent- stammt, deshalb auch in Beziehung zum Revivalism und Obeah stehen kann. In der Regel wird der obeah-man erklären, dass er „duppy and demon“ im Sinne weißer Magie entfernen will (ebd.: 141). Dass diese Form des Exorzismus auch heute noch gefragt ist, berichtete jüngst der „Daily Gleaner“.188

[188] Robert Lalah. „Joseph the obeah man“, in: Daily Gleaner vom 28.06.2007 (Internetausgabe). – 189 –

Pettersburgh will ganz offensichtlich mit seinen Aussagen den „Balm Yard“ reinigen, denn dieser ist „wholly consecrated to God Almighty for the cleansing and healing of the Na- tions. Where the Holy Spirit of God ALONE is ALLOWED to do the Royal Work of He- aling“ (Pettersburgh [1925] 2007: 14). Dieser „Balm Yard“ wird dann in Beziehung gesetzt zu Äthiopien: „Ethiopia Balm Yard“ (ebd.: 18), „Ethiopia is a Baptized Dynasty“ (ebd.: 20) und „The Ethiopian is the CROWN HEAD of this Earth Field since Heaven and Earth has been BUILT by the Living God“ (ebd.: 52). Äthiopien wird das anglosächsische Königreich ablösen (ebd.: 9). Die Bibel ist eine Fälschung (ebd.: 50), das Buch Exodus handelt von „Black Peoples (ebd.) und Eigentümer der Bibel ist „THE Black Man“ (ebd.: 65). Der Mensch vor Adam und Eva waren „Alpha & Omega, The Black man & his wife“, die prosperieren können, sobald die anglosächsischen Völker ausgestorben sein werden (ebd.: 55), war doch Eva die Mutter allen Übels, d.h. der Generationenkette „Adam-Abraham-Anglo-Saxon“ (ebd.: 47). Mit dem Beginn der „Black Supremacy“, die am 23 Dezember 1925 einsetzen soll, werden Christen- tum und Zivilisation von dieser übernommen (ebd.: 66). Das radikale Manifest Pettersburghs, das Boris Lutanie als dadaistisch bezeichnet (Lu- tanie 2007: 45), nimmt in semiotischer Hinsicht die Ankunft Haile Selassies vorweg: „I am His Majesty King Alpha, The King of Kings, The Copyright of Creation, The First and The Last“ (26, vgl. Lutanie ebd.). Grundlage dieser Aussage ist die Überzeugung, dass „I AND MY CREATOR ARE ONE in PURPOSE“ (32), die an das spätere Iyarische „I&I“ erinnert. Und immer wieder ist die Rede von „King Alpha and Queen Omega“ (9.15.19 u.ö.), eine Diktion, die Percival Howell wie auch später die Rastas übernehmen sollten.189 Selbst die Feindschaft gegen den Papst findet sich bereits formuliert (18). Der Autor führt auch eine polemische Auseinandersetzung mit Robert Athlyi Rogers, zu dessen Kreis er einst gehörte (40). Den Offenbarungsengel Rogers, Douglas, bezeichnet er als „Judge Lucifer The Devil“ (29) und Rogers selbst als „His Holiness Pope Rodgers [sic!], The House of Athlyi“ (40). Vom „Holy Piby“ — dem „Athlican Piby“ nach Pettersburgh — wird dagegen ausgesagt, dass er „a good little MESSENGER“ sei (40). „Pilot Marcus Garvey“ wird dagegen bescheinigt, dass er die schwarzen Sklaven als Nation aufforderte, sich nach dem „Ethiopian’s Yard Limit“ aufzumachen (ebd.). Aber Garvey wurde fehlgeleitet durch den gefallenen Engel „Lady Astonishment“, dem „Angel-Militant Upside Down Queen“, die ihn zur Gründung der UNIA verleitete. Rogers und Garvey fordert er auf: „Speak with MOR- TALS, not Angels“ (29). Der wahre Weg ist der der „Black Supremacy“!

[189] Nach der Offb 1, 8 und 21, 6 ist damit Gott gemeint, nach 22, 13 Jesus. – 190 – b. Die frühen Lehrer von Rastafari

Alexander Bedward, Robert Athlyi Rogers, Fitz Balantine Pettersburgh, Marcus Josiah Garvey, James Morris Web, Arnold Josiah Ford u. a. m. können aus der Sicht von Rastafari als Wegbereiter bezeichnet werden. Aus religionwissenschaftlicher Sicht sind sie und einige andere mehr diejenigen Lehrer, die ein spirituelles und emotionales Milieu „geschaffen“ haben, in dem die neue Religion Rastafari sich entwickeln konnte. Der erste bekannte Rasta im eigentlichen Sinne war jedoch Leonard Percival Howell, der 1932 seine Karriere als Stra- ßenprediger in Kingston begann. Allerdings war Joseph Nathaniel Hibbert der erste Rasta- Prediger überhaupt, der Haile Selassie als wiedergekehrten Messias verkündete! Von grundlegender Bedeutung für das Verständnis von Howell, dieser schillernden Fi- gur, sind die Arbeiten von Robert Hill (1981, 1983b) und Hélène Lee (1999). In der Person von Howell fließen alle volksreligionen Traditionen Jamaikas zusammen, bis hin zu den Tra- ditionen der in Jamaika lebenden Nachkommen indischer Kulis! Als ältestes von zehn Kin- dern wurde er 1898 in May Crawle (Clarendon) geboren. Die Jahre bis 1932 sind ausgefüllt durch Aufenthalte in Colón in Panama — hier hielten sich zeitweilig auch Joseph Nathaniel Hibbert und Archibald Dunkley auf — und den Vereinigten Staaten, wo er 1924 seinen An- trag auf Einbürgerung stellte. In Harlem, der Hochburg von Garveys UNIA, eröffnete er ei- nen Teesalon, in dem wohl auch Ganja verbreitet wurde (Lee 1999: 47). Er war Mitglied der UNIA, aber die Garveyiten lehnten ihn wegen bestimmter Praktiken ab und bezeichneten ihn als „con-man“190 und „samfie [obeah] man“, während ein ehemaliger Bekannter in ihm einen „mystic man“ und sein Bruder Hope L. Howell in Leonard einen Menschen mit heilenden Fä- higkeiten sah. Wie Howells „The promised key“ später zeigen sollte, wurde er nachhaltig von den Ideen Garveys beeinflusst, den Athlyi Rogers zu „God’s foremost apostle“ erklärt hatte (Seite 166). Beziehungen bestanden auch zu dem schwarzen Kommunisten und Panafrikanis- ten aus Trinidad, George Padmore (1902-1959).191 Im November 1932 kehrte Howell nach Jamaika zurück. Hatte es Probleme mit der New Yorker Polizei gegeben, wie es ein Bericht der jamaikanischen Polizei nahezulegen scheint (Dijk 1993: 85; Lee 1999: 48)? Seine Ankunft in Jamaika fiel in eine Zeit, die durch einen Aufschwung des Revivalism geprägt war (siehe Seite 174). Howell begann im Januar 1933 mit seiner Predigttätigkeit in Kingston, hatte gute Kontakte zu dem nach Jamaika zurück ge- kehrten Marcus Garvey, die aber schnell endeten, als Howell Bilder von Haile Selassie im Edelweis Park verkaufen wollte (siehe ebd.). Er verkaufte dann Postkarten mit Abbildung des Kaisers zum Preis von einem Shilling (siehe Abbildung bei Hill 1981: 40) und verbreitete die Kunde von den Ankunft des „black Messiah“. Nach der Darstellung von Hélène Lee gelang es Howell, der im Niedergang befindlichen Gemeinde der „Hamitic Church“ (siehe Seite 186) die Gläubigen abzuziehen (ebd.: 71). Als Mitarbeiter gewann er Joseph Nathaniel Hibbert (1894-1985), der von 1911-1931 in Costa

[190] „Betrüger“, „Schwindler“, „Bauernfänger“. [191] Siehe Jonathan Edwards, „Padmore, George“, in: Africana, p. 1477. – 191 –

Rica und Panama gelebt und dort Karriere als Freimaurermeister im „Ancient Mystic of Ethiopia“ gemacht hatte. Nach seiner Rückkehr nach Jamaika 1931 lehrte er zunächst im Be- noah District (St. Andrew), dass Haile Selassie als „König der Könige“ der „zurückgekehrte Messias“ und „Erlöser Israels“ sei. Als er nach Kingston kam und dort Howell predigend am Redemption Market vorfand, schloss er sich ihm an und übernahm den Predigtdienst in Kingston, während Howell in den Parish von St. Thomas zog. Hier in Trinityville hat er nach einem Polizeibericht am 18. April 1933 verkündet:

1. Der Löwe von Juda hat die Kette zerbrochen und wir von der schwarzen Rasse sind frei. 2. Ras Tafair (sic!) ist König der Könige und Herr der Herren. 3. Ras Tafair ist der König der Schwarzen und nicht Georg V. 4. Georg V. sandte seinen dritten Sohn, damit er vor unserem neuen König Ras Tafair sich beuge. 5. Der „Neger“ („negro“) ist nun frei und die Weißen müssen sich vor der „Negerrasse“ („Negro Race“) verneigen. 6. Die Nationalhymne gilt nunmehr unserem neuen König Ras Tafair. (Hill 1981: 41)

Die Bezüge zu Offb 19, 16 und 5, 5 sind offensichtlich. Zudem ist das christliche Lied „The Lion of Judah shall break every chain“ auch eine bekannte Hymne des Revivalism. In Robert Hinds fand Howell ebenfalls eine Stütze, der wie viele Bedwardisten durch den Tode Alexander Bedwards im Jahre 1930 nun ohne Führung war. Ein Zeitzeuge überlie- ferte Robert Hill, dass bei Howells erstem Auftreten in Kingston viele der alten Bedwardisten anwesend waren, zu denen er Kontakte knüpfen konnte. Aber nicht nur in diese Richtung er- öffnete sich ihm ein Reservoir an potentiellen Anhängern, sondern auch durch die Kontakte zu „The Israelites“ um David und Annie M. Harvey. Hierbei handelte es sich um eine kleine religiöse Gemeinschaft, die das Ehepaar Harvey nach ihrer Rückkehr aus Äthiopien in den Jahren 1930-1931 in Kingston gegründet hatten. Henry Dunkley, von dem noch die Rede sein wird, hat Robert Hill erzählt, dass Howell nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten das Hauptquartier der „Israelites” in der Paradise Street in Kingston aufgesucht und dort das Bild Hailes Selassies erhalten habe: Howell „copied all of what they [the Isrelites] were doing and launched out himself and formed a body of people, Back-to-Africa movement“ (Hill 1981: 39). Ein weiterer Einfluss auf Howell bedarf noch der Erwähnung, wiewohl er in der Rastafa- ri-Forschung von den Vertretern einer ausschliesslichen Ableitung des Rastafarianismus aus den afrojamaikanischen Traditionen gerne negiert wird: der spirituelle Einfluss des Hinduis- mus auf Howell (Mansingh/Mansingh 1985). 1935 legt er sich eine neue rituelle Identität zu: Gangunguru Maragh. Unter diesem Namen erscheint dann sein „Promised Key“, der Name erscheint auch in dem von ihm verfassten Kultgebet. Dieses enthält eine große Anzahl von Hindi-, Urdu- und Bengali-Wörtern, die wohl auf seinen Leibwächter „Laloo“ zurückgehen, – 192 – wie auch wohl die Tatsache des Gesangs („chant“) an sich. Aber auch die auf Pettersburgh zurückgehende Lehre von der „Black Supremacy“, die Howell übernehmen sollte, muss wohl zuerst von „Laloo“ vertreten worden sein (Hill 1981: 50-51). Letzterer leitete übrigens unter dem Einfluss von Howell eine eigene Kirche in Trinityville (ebd.: 69). Bezüglich der Vorstel- lungen, die mit dem Begriff „Guru“ verbunden sind und das spätere autoritäre Regiment Ho- wells in der Kommune Pinnacle erklären, verweisen wir auf das nächste Kapitel. Der Parish St. Thomas gehörte zu den Gebieten, in die die überwiegend in Ostindien an- geworbenen Arbeiter auf die Plantagen geschickt worden waren. Von der Einwanderung der ostindischen Vertragsarbeiter war bereits die Rede; heute leben in Jamaika rund 70.000 Indo- jamaikaner. Die Wohngebiete der frühen Rastas in West-Kingston waren — wie schon im letzten Kapitel ausgeführt — auch Siedlungsgebiete der Indojamaikaner, die zunehmend vom Land in die Hauptstadt gezogen waren. So war es gekommen, dass dieser Teil der Stadt um 1918 sich zum Zentrum indischer Kultur und des Hinduismus entwickelt hatte (Mansingh/ Mansingh 1985: 104). Es gab also von den 1920er bis in die 1940er Jahren gemischte Wohn- gebiete von Afro- und Indojamaikanern (ebd. 102-103), In diesen Jahren waren folglich in- terkulturelle und interreligiöse Begegnungen mit den Anhängern der entstehenden Rastafari- Religion möglich! In den Distrikten von St. Thomas wiederum, wo die Kumina-Religion seit dem 19. Jahr- hundert mit zahlreichen „Bands“ die eigenen afrikanischen Traditionen pflegte, gab es ver- mutlich auch zwischen den Kumina-Anhängern und den frühen Rastas Übereinstimmungen (Hill 1981: 53), sollten doch die Kumina-Trommeln die Rastafari-Musik beeinflussen. Man kann auch davon ausgehen, dass Leonard Howell seine Predigt und Bewegung so anlegte, dass sich eine Schnittmenge auch mit den anderen afrojamaikanischen Traditionen ergab. Als er die „King of Kings Mission” gründete, stellte er sich damit in einen Kontext, in dem „the term ,mission‘ was always used interchangeably with ,bands‘ as the designation for reviva- lists-pocomania-Pentacostal sects in Jamaica“ (ebd.: 52). Es war deshalb nur folgerichtig, dass er die Trennung von Joseph Hibbert vollzog, als dieser in seiner Abwesenheit Howells Anhänger zu einer neuen festen Organisation mit dem Namen „Ethiopian Coptic Faith“ zusammengefasst hatte, was nicht der Intention von Howell entsprach. Hibbert setzte seine Predigt fort und hatte noch lose Kontakte zu Archibald Dunkley. Seine mystische und freimaurerische Orientierungen ließen ihn dann eine auf festen Regeln basierende „Ethiopian Coptic Church“ gründen. Nach dem Report von Smith/Augier/ Nettleford 1960 soll Hibbert in Kingston Auszüge aus der „Ethiopic Bible of St. Sosimas“ und der „Ethiopia Dascalia [sic!] (Apostolic Constitution)“ für die Unterrichtung seiner An- hänger haben drucken lassen (ebd.: 10). An dieser Stelle kann der Report nicht stimmen!192 Ganz abgesehen davon, dass es „Di- daskalia“ heißen muss, so gibt es doch keine äthiopische Bibel vom Hl. Sosimas193 Im Inter-

[192] Bereits Ken Post 1978: 164. 196 hat zur Vorsicht gegenüber dem historischen Material im Report von Smith/Augier/Nettleford ermahnt (vgl. Hill 1981: 31). [193] Siehe die einschlägigen Artikel sub voce „Bible“ in der Encyclopaedia Aethiopica, vol. 1. Eine Anfrage – 193 – net-Forum erwähnt ein „Iyabinghi“ „The Ethiopian Bible“ und führt als Autor „Hayla Mik-a-el also known as St. Sosimas“ an; ergänzend verweist er auf die Übersetzung des Ägyptologen Wallis Budge. Dieser Hinweis führt zur Lösung des Problems: Es handelt sich in Wirklichkeit um Bakhayla Mīkā’ēl (በኀይለ ፡ ሚካኤል), der auch unter dem Namen Baṣalōta Mīkā’ēl und Zōsīmās bekannt ist und „Das Buch von den Geheimnissen der Himmel und der Erde“ (መጽሐፈ ፡ ምሥጢረ ፡ ስማይ ፡ ወምድር) verfasst hat. Das aus vier Teilen bestehende und aus dem 15. Jahrhundert194 stammende Werk wurde erstmalig von E. A. Wal- lis Budge 1934 in englischer Sprache in London publiziert (Budge [1935] 2004). Der erste Teil des Buches handelt von den Geheimnissen der Schöpfung und endet mit der Ankündi- gung der Wiederkehr Christi und der Vernichtung des Antichristen. Der zweite Teil stellt eine esoterische Interpretation der Offenbarung des Johannes dar, während der dritte von dem Geheimnis der Trinität handelt. Den vierten und letzten Teil bezeichnet Cerulli als „die kab- balistische Auslegung der Berechnungen und Zahlen der [Hl.] Schrift“ (Cerulli [1963] 1968: 44). Das alles passt zu dem, was wir von Hibbert wissen (siehe unten). Welchen Teil von die- sem äthiopischen und ins Englische übersetzten Werk Hibbert bei der Star Printery in Kings- ton hat drucken lassen, lässt sich jedoch nicht mehr eruieren. Die äthiopische Didaskalia — Didəsqəlya (ዲድስቅልያ) (Bausi 2005) — wurde 1920 von John Mason Harden in englischer Übersetzung herausgegeben.195 Auch wenn die „Didəsqəlya“ von geringerer Autorität ist, ge- hört sie dennoch zum äthiopischen Kanon der 81 Bücher (Brandt 2003: 572). Auch in den Besitz dieser Übersetzung konnte Hibbert gelangen. Wenn er die Übersetzung von Wallis Budge als „Bible“ bezeichnet, so muss das nicht überraschen. Auch „The Holy Piby“ wird als „The Blackman’s Bible“ von Robert Rogers so bezeichnet. Und in der Gegenwart bezeichnet Gerald Hausman seine Ausgabe des „K´brä Nägäsåt“ als „The lost bible of Rastafarian wis- dom and faith“ und schreibt: „The tenets of Rasta are buried deep in the Old Testament, but they have more in common with the Kebra Nagast than with the King James Bible“ (Haus- man 1997: 20). Er geht sogar so weit zu behaupten, die Herausgeber der KJV seien angehal- ten worden, die Kapitel über den „K´brä Nägäsåt“ aus der Bibel zu entfernen (ebd.). Er beruft sich dabei auf die neue Übersetzung des „K´brä Nägäsåt“ von Miguel Brooks. In Wirklichkeit handelt es sich lediglich um einen (vom Verlag zu verantwortenden?) Hinweis auf dem rück- wärtigen Cover: «These pages were excised by royal decree from the authorized 1611 King James verson of the Bible“ (Brooks [1995] 2001). Eine solche Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und entspricht auch nicht der Einführung des Autors.196 Diese Aussage dient ihrer

an die „The Ethiopian Orthodox Tewahedo Church Faith and Order“ vom 27. 08.2007 blieb ohne Antwort. [194] Enrico Cerulli ordnet das Werk dem späten 14. Jahrhundert zu (Cerulli [1963] 1968: 42). [195] The Ethiopian Didascalia (Translations of Christian literature, ser. IV: Oriental texts), London: S.P.C.K [196] Der Nachdruck von 2001 ist in Kingston, Jamaika, erschienen und empfiehlt sich den Rastas auch durch Abbildung von Haile Selassie I. mit dem von den Rastas übernommenen mystischen Handzeichen: Die Fin- gerstellung beschreibt zum einen als „Friedenszeichen“ die Heilige Trinität und in der Abwärtsrichtung des Dreiecks als esoterisches Zeichen das Siegel Salomos (Seite ii). – 194 –

Tendenz nach einer Reafrikanisierung von Rastafari (siehe Seite 179.218). Der Afroamerikanist George Simpson begegnete Hibbert 1953 in seinem Yard in Trenchtown und schreibt darüber: „He seemed to me to be a man of great dignity, and his demeanor toward me in our brief meetings was one of reserve“ (Simpson 1994: 7). Hibbert, dessen Gruppe nunmehr die Bezeichnung „Ethiopian Coptic League“ führt, lässt sich von ihm in seiner rituellen Robe mit Krone — versehen mit Streifen in den Rastafarben Rot, Gold und Grün — ablichten, dabei einen Säbel haltend, der zwischen den Füßen den Boden be- rührt (Abbildung ebd.: 3).197 Nach Simpson erinnert die Kleidung Hibberts an die Haile Se- lassies bei der Kaiserkrönung. In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch schon Marcus Garvey eine Vorliebe für Uniformen hegte und sich mit ein- em Säbel zwischen den Beinen haltend abbilden ließ (Foto bei Kallen 2006: 43). Simpson wird bezüglich der Person von Hibbert hinterbracht, dass dieser als „scientist“ angesehen wird, „as one of the early leaders who was thought to have formidable powers of an occult nature“ (ebd.: 7). Bei Hill 1981: 55 findet sich ein handschriftliches Diagramm mit Ideogram- men aus dem Protokollbuch Hibberts, dass an die kabbalistischen Talismane in „The sixth and seventh books of Moses“ von de Laurence (siehe Seite 130) erinnert.198 Barry Chevannes vertritt sogar die Auffassung, dass ein Grundstein der Organisation Hibberts der Okkultismus war. Er benutzte seine vormalige „Common-law-Frau“ als Medium für Fernwahrnehmung und führte auch eine Gruppe, die er in „Science“ einführte. Viele aber verließen ihn wieder, weil er sie nicht in die letzten Geheimnisse der Magie einführen wollte. Tatsache ist nun, dass die „Sixth and seventh Books of Moses” auf Hellsehen Bezug nehmen und dabei in englischer Sprache aus den „Untersuchungen über den Lebensmagnetismus und das Hellsehen“ von Jakob Karl Passavant (1790-1858), 2. Auflage 1837199, Seite 167, zi- tieren. Dort ist u. a. davon die Rede, „that the highest magical knowledge must be a divinely illuminated power of second-sight, a spiritual beholding, which is moved and led by the divi- ne spirit“. Der Mensch erreicht damit eine höhere Stufe des Seins und wird aus den Banden irdischer Gesetze befreit und wird zum Spiegelbild, „in which the divine type is reflected just in proportion to the purity of this image [= God]“ (Sixth and seventh books of Moses 1906: 52). Nach diesem Zitat wird darauf hingewiesen, dass das Volk Israel nur langsam zu seiner wahren Bestimmung hingeführt werden konnte. Möglicherweise war das ein Grund für Hib- bert, seine Gruppe nur graduell in die Magie einzuführen. Sicherlich spielte dabei auch eine Rolle, dass er auf seine herausragende Stellung als Wissender nicht verzichten wollte. Hibbert ertrug es auch nicht, dass er nur 3. Vizepräsident der „Ethiopian World Federati- on“ wurde, als der berühmte „Local 17“ 1939 von Paul Earlington, L. F. C. Mantle, Archi- bald Dunkley und anderen in Kingston gegründet; er befahl seinen Anhängern, diese Vereini-

[197] Zwei weitere Fotos von „Father Joseph Nathaniel Hibbert“ aus dem Jahre 1983 finden sich bei Bishton 1986: Cover, 108). [198] Es muss jedoch bezweifelt werden, dass die Diagramme in dem genannten Buch wirklich kabbalistische Talismane darstellen sollen und nicht vielmehr nur magische Diagramme. [199] Das seltene Werk ist zu Frankfurt am Main erschienen. – 195 – gung zu verlassen (Chevannes 1994: 124-126). An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass entgegen der in der Rastafari-Forschung vertretenden Behauptung Earlington sich nach eigener Aussage nie als Rastafarier angesehen hat (Hill 1981: 33). Weitere interessante Angaben zur Person von Joseph Hibbert finden sich bei Mansingh/ Mansingh 1985, die auf ein Interview mit ihm aus dem Jahre 1982 zurückgehen. Danach habe sich dieser bereits 1918 für die indische Vorstellungen bezüglich der Inkarnationen Got- tes interessiert. Er habe Bücher erworben und mit Freunden über deren Gottheit gesprochen „and conceived the idea of an African God-incarnate, similar to Rama, Krishna and Buddha“. Er war überzeugt: „[E]very nation have their Gods; whiteman have Christ, Indians have their Gods, and African too have ours except that we don’t know of him“ (zit. in Mansingh/ Mansingh 1985: 105). Offenbar war dann Haile Selassie der unbekannte Gott, den er gesucht hatte. Wir begegnen hier einem Motiv, das in der Religionsgeschichte gut bekannt ist: die Su- che nach einer alternativen Religion! Es sei hier verwiesen auf Gustav Menschings Buch „Die Söhne Gottes“, wo eine Vielzahl von religiösen Suchern angeführt werden. Ein wesent- liches Moment ist bei dieser Suche nach Mensching der Protest gegen eine bestehende Tradi- tion (Mensching 1973: 13), hier die der christlichen Kirchen aus kolonialer und postkolonia- ler Zeit. Dies gilt auch für die anderen Rastafari-Prediger der Frühzeit. Joseph Hibbert kannte sicherlich die „Sixth and seventh Books of Moses“ — dafür spricht nicht nur die Bezeichnung „scientist“ (siehe auch Seite 194) oder der obige Hinweis von Robert Hill —, sondern auch ein weiteres ideographisches Diagramm aus dem Protokoll- buch Hibberts (bei Hill 1981: 54), das an die Darstellungen des Schem ha-meforasch200 der de Laurence-Ausgabe erinnert (Seite 127). Klappt man jeweils eines der beiden unter dem Kreis sich befindlichen Dreiecke hoch und zwar in den mittleren Kreis, dann wird die Ähnlichkeit noch offensichtlicher. An Stelle des hebräischen Jod steht bei Hibbert ein großes lateinisches Jod, beginnt doch das Tetragramm mit einem Jod. In diesem Kontext wird auch Hibberts Interesse für den Hinduismus verständlich, finden sich doch in den „Sixth and seventh books of Moses“ zahlreiche Hinweise. Auf Seite 31 wird das „Magikon“201 mit der „Indian Brahmin Doctrine“ verglichen; auf Seite 46 ist die Rede von den ekstatischen Zuständen des Magiers, des indischen Brahmanen und mystischen Prie- sters, die sich auf diese Weise mit Gott vereinen. Auf Seite 47 lesen wir, dass für den Brah- manen die Erde die Hölle ist, „a place of torment“; die „weisen Männer des Ostens“ gehören auf Seite 62 neben Kabbalisten, Theosophen u. a. zu jenen, die außerordentliche Kräfte der Krankenheilung besitzen. Und schließlich werden in einem Auszug von Gideon Brechers

:meint den herausragenden, aber unaussprechlichen Namen Gottes ,שֵֵׁם הַמְפֹרָשׁ .Schem ha-meforasch, hebr [200] JHWH. Dieser hat seit den frühesten Zeiten in der jüdischen Mystik und Kabbala eine wichtige Rolle gespielt! [201] Es handelt sich hierbei um das anonym von Johann Friedrich Kleuker veröffentlichte „Magikon oder das geheime System einer Gesellschaft unbekannter Philosophen unter einzelne Artikel geordnet, durch Anmer- kungen und Zusätze erläutert, etc.“, Frankfurt-Leipzig 1784 – 196 –

„Das Transcendentale“202 auf Seite 177 die „ancient Hindoos“ erwähnt. Es war also keines- wegs abwegig, wenn Jospeh Hibbert sich für die Glaubensanschauungen der Hindus in Ja- maika interessierte! Hinsichtlich des Bruchs zwischen Howell und Hibbert entwickeln Mansingh/Mansingh eine interessante Theorie. Jospeh Hibbert und seine Anhänger waren ex-Garveyiten, die wie Marcus Garvey nur die Bibel kannten und von daher noch die Idee des „wiedergeborenen Je- sus“ vertraten, der sich in Haile Selassie reinkarniert habe. Hibbert hat den Autoren gegen- über auch geäußert, dass er die so genannte Garvey-Prophezeiung — „Look to Africa when a King is crowned, for your redemption is at hand“ — (siehe Seite 169) von Garvey nie gehört habe. Dagegen haben Leonard Howell et alii in dem äthiopischen Kaiser die Manifestation Gottes selbst gesehen — wie im Hinduismus Rama als erste menschliche Emanation Vish- nus. Denkbar wäre natürlich auch christlicher Einfluss, im Sinne einer Umprägung der Chris- tologie. Nicht bekannt ist dagegen diesem Autor, dass es afrikanische Vorstellungen gäbe, wonach sich Gott in einem Menschen inkarnieren würde — ausgenommen in der Trance als Inbesitznahme, d. h. Inkorporation. Haile Selassie als „returned Messiah“ (Barrett [1988] 1997: xi) oder als „spiritual, visionary, divine African Messiah“ (Legesse 1994: 336) ist keine afrikanische Glaubensvorstellung! In Afrika findet man eher die Vorstellung einer Vergot- tung des Menschen. Die verstorbenen Alten werden zu Ahnen und bisweilen — in einem my- thisch-historischen Kontext oder wenn es politisch-religiös opportun erscheint — auch in den Rang von Gottheiten erhoben. So wird z. B. bei der Krönung der Yorùbá-Könige die Ge- schichte der ersten Herrscher erzählt, die dann zu Orishas wurden: Shango, Ogun, Oduduwa oder Oranyan (Thomas/Luneau [1975] 2004: 152). Hier stoßen wir zudem auch auf ein großes theologisches Problem des Rastafarianismus: Wessen Manifestation war Haile Selassie, die Gottes selbst oder die von Jesus? Oder muss man mit dem Rasta-Führer Samuel Elisha Brown von einer Kette von aufeinander folgenden 72 Inkarnationen rechnen, wonach Haile Selassie für das „72nd house of power“ steht (Brown 1966/67: 39)? Barrett [1988] 1997: 112 spricht in diesem Zusammenhang von „avat- ar“ und merkt an: „On the subject of reincarnation the Rastafarians have a unique teaching akin to Hinduism“ (ebd.). Allerdings entstammt die Zahl 72 der bekannten kabbalistischen Zahlenspekulation (Gematria) über den Schem ha-meforasch (Werblowsky/Wigoder 1997: 278; siehe auch Seite 195 Anm. 200). So finden sich auch in den „Sixth and seventh books of Moses“ auf den Seiten 118f. zwei Abbildungen des „Schemhamphoras“ mit den zweiund- siebzig Gottesnamen, von denen der 5. Name „Jah“ ist. Unter der ersten Abbildung des „Schemhamphoras“ steht (in einem fehlerhaften Latein) der Text: „… septuaginta duo Divina Nomina in lingua Hebraic[a]…“. Ein weiteres Problem ist das Gott-Mensch-Konzept, wonach Gott als Mensch auch gleichzeitig den Menschen als Gott inkludiert. Daraus folgt bekanntlich, dass der physische

[202] In der de Laurence-Ausgabe wird als Autor „Gideon Brechee“ angegeben, es muss jedoch heißen „Gide- on Brecher“ (siehe auch die digitale Ausgabe von Peterson 2005-2006b), dessen Buch „Das Transcendenta- le, Magie und magische Heilarten im Talmud“, Wien 1850, ihn berühmt machte. – 197 –

Tod Haile Selassies im Jahre 1975 keineswegs gleichbedeutend ist mit einem Ende von Ras Tafari auf der göttlichen Ebene. Und daraus folgt auch, dass ein Rasta nicht sterblich ist: „This idea derives directly from the premise that every Rastaman is Ras Tafari, every black man is a fragment of the godhead“ (Legesse 1994: 338). Das wiederum erscheint uns eher als ein Theologumenon indischer Herkunft. Barry Chevannes schreibt über die Einbeziehung des Menschen als Gott in das „God-man concept“, dass es „derives from folk belief in the imma- nence of God“ (Chevannes 1990: 69). Weder führt er dafür Belege an, noch geht er der Frage nach, wie eine solche Vorstellung entstehen konnte. Afrikanisch will uns dieser Gedanken- gang nicht erscheinen, gilt doch hier die „,présence absente‘ de Dieu“ (Thomas/Luneau [1975] 2004: 146). Und auch in der afrikanischen Diaspora ist es beispielsweise für einen candomblezeiro (Anhänger des Candomblé) nicht vorstellbar, dass der Mensch ein Fragment des göttlichen Seins wäre. Im haitianischen Vaudou wiederum ist die radikale Alterität Gottes eine Grundlage: „Autrement dit, Dieu et l’homme ne sont pas emprisonnables dans la même totalité“ (Hurbon 197: 185). Es gibt also gute Gründe, hier nicht nach einer Erklärung im Kontext der jamaikanischen Volksreligion zu suchen. Mansingh/Mansingh sehen Hibbert mehr im christlichen Erbe — seine Kenntnis der Bibel überliefert auch Chevannes 1994: 125 — und Howel et alii eher als zugehörig zu den Hindu-Glaubensvorstellungen. Hibbert warf Howell vor, sich selbst zu einem Propheten er- klären zu wollen und es kam zum Bruch zwischen beiden (ebd.: 108f.). Tatsache ist nun, dass Leonard Howell, wie bereits gesagt, sich eine zweite rituelle Identität zulegen sollte: Gangun- guru Maragh oder — wie Mansingh/Mansingh schreiben — Gangunju Mahraj, „a misspel- ling of Gyangunji, meaning knowledgeable, virtuous“ (ebd.: 109). Über Archibald Dunkley ist nicht viel bekannt. Er war Matrose auf den Schiffen der Atlantic Fruit Company mit Ziel Panama und kehrte im Dezember 1930 nach Jamaika zurück. Dunkley gilt als der intensive Bibelleser, der zweieinhalb Jahre lang die Bibel stu- dierte, auf der Suche nach Beweisen für die Messianität Haile Selassies. Ez 30, Tim 6, Offb 17 und 19 sowie Jes 43 sollen ihn davon überzeugt haben. 1933 begann er seine Misison und verkündete Ras Tafari als den Sohn des lebendigen Gottes (Smith/Augier/Nettleford 1960: 10). Ein gewisses Ansehen verschaffte ihm die Tatsache, dass er eine Ausgabe jenes Buches besaß, das angeblich Wahrheiten für den Schwarzen enthält, welche der weiße Mann zu ver- bergen trachtet: „the Book of the Macabees, a part of the Bible not found in the King James version“ (Chevannes 1994: 117). Die Angaben sind wenig präzise, da es erstens zwei kanoni- sche apokryphe Makkabäerbücher gibt und zweitens diese durchaus Bestandteil der „Autho- rized King James Version“ seit 1611 sind, wenn auch nicht in allen seit etwa 1827 im Umlauf befindlichen Editionen der KJV. Dunkley war ein Gegner der Geistbesessenheit, wie sie im Revivalism üblich war (ebd.: 126). Von ihm wurde dagegen gesagt, er könne sich unsichtbar machen und habe den Brand des katholischen Konvents in der Duke Street im Oktober 1937 vorausgesagt (ebd.: 143). Nach Hélène Lee wurde er 1934 und 1935 mehrfach verhaftet und musste danach 6 Monate in einer Psychiatrie verbringen. 1938 war er bei der Gründung des „Local 17“ der Ethiopian – 198 –

World Federation dabei (siehe Seite 194). Zum Zeitpunkt der Feldforschung von Barry Che- vannes 1974 und 1975 soll er noch gelebt haben, dann aber verliert sich seine Spur. Zu den Predigern der neuen Religion gehörte auch Altamont mit seiner 1936 gegründe- ten „Ethiopian King of King Salvation“ in Jones Pen. Er war dann aber 1938 in die Arbeiter- aufstände involviert und verließ 1940 die Bewegung, zog aus dem Ghetto und schloss sich der Leibwache von Norman Washington Manley203 an (Lee 1999: 245). Seine Gruppe soll er einem gewissen Johnson übergeben haben. Ras Forever zählt ihn zu den Patriarchen von Rastafari. Die herausragende Gestalt unter allen frühen Lehrern ist jedoch Leonard Percival Ho- well, mit dem wir uns im nächsten Kapitel ausführlich beschäftigen wollen. Hier dagegen soll noch einmal auf den bereits erwähnten Robert Hinds eingegangen werden, dem Stellvertreter Howells in Kingston. Der ehemalige Bedwardit und Garveyit Hinds war nach Barry Chevan- nes der erfolgreichste von allen frühen Lehrern, scharte er doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere mehr als 800 Mitglieder um sich (Chevannes 1994: 127). Zusammen mit Howell wurde er, nach der Verhaftung im Dezember 1933 in Seaforth, im März 1934 in Morant Bay verurteilt und zwar zu einem Jahr Gefängnis, während Howell zwei Jahre erhielt. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis gründete er seine eigene „King of Kings Missi- on“ in Kingston, die starke Ähnlichkeiten mit einer Revival-Gruppe aufwies (ebd.: 127-130). Ganz in der Tradition von Alexander Bedward sahen seine Anhänger im „Shepherd“ einen Propheten. Wie auch im Revivalism waren Frauen in Hinds Gruppe stark vertreten, was be- kanntlich bei Rastafari heute anders ist. Wie bei den Revivalists und Native Baptists wird im Flusswasser getauft, im Ferry River. Gefastet wird vor Ostern, ein Lamm, aber in der Regel eine Ziege, wird geopfert und — wie im Judentum – werden während der 14tägigen Osterfei- ern nur ungesäuerte Lebensmittel genossen. Das erinnert an das jüdische Chamez-Verbot. Das ganze Osterritual soll daran erinnern, dass die Mitglieder der Gruppe sich in Jamaika im Exil befinden und auf die Rückkehr nach Afrika hoffen. Pessach im Judentum erinnert an den Exodus aus der Gefangenschaft nach Kanaan, hier dagegen ist das Osterritual ein Vorgriff auf den noch ausstehenden Exodus nach Afrika. Die Gruppe Hinds lebte keineswegs ganz zurückgezogen, sondern bemühte sich ins- besondere um Literatur, die ihrem antikolonialen und antiweißen Nationalismus entsprach. Dazu gehört auch Pettersburghs „The Black Supremacy“ (siehe IV.5.a.). Robert Hinds Vors- tellungswelt wurde — so Chevannes 1994: 138f. — von zwei Strukturen getragen:

1. Haile Selassie ist der König der Könige, der dazu ausersehen ist, die Macht Englands und aller anderen Kolonialmächte zu stürzen. Offb 17, 10-14 beweist die Identität Se- lassies, während Italien das Tier ist, das gegenwärtig gegen den König der Könige kämpft, aber besiegt werden wird.

[203] Norman W. Manley (1893-1969) war Begründer der PNP (People’s National Party) und Chief Minister of Jamaica von 1955-1962. – 199 –

2. Nach dem Motto „Der König ist tot, lang lebe der König“ wird aus der Tatsache, dass Georg VI. nicht gekrönt und ein Pilot in der Royal Army war, der Schluss gezogen, dass er kein ordentlich eingesetzter König war und keine Gefolgschaft von seinen so genannten Untertanen einfordern kann. Der wahre König ist dann Haile Selassie!

Mit dieser subversiven Losung knüpfte Hinds an die regierungsfeindliche Politik Bed- wards an, der 1921 bekanntlich gegen Kingston marchierte. Dagegen bekam Robert Hinds die organisatorischen Probleme seiner Bewegung nicht in den Griff, was zu Absplitterungen und einem Niedergang seiner Gruppe seit Mitte der 1940er Jahre führte. Als er am 12. Mai 1950 starb, hatte er faktisch keinen einzigen Anhänger mehr und starb in völliger Einsamkeit (ebd.: 140-142).

c. Leonard Howell: vom Prediger zum Guru

Im März 1934 wurden — wie bereits angeführt — Leonard Howell zusammen mit Ro- bert Hinds und zwei Anhängern, die aber bald freigelassen wurden, der Prozess in Morant Bay gemacht und zwar wegen Aufwiegelung. Der „Daily Gleaner“ berichtete in drei Arti- keln204 ausführlich darüber und sorgte damit ungewollt für eine inselweite Kenntnis der Lehren Howells. Der Prozess endete ohne Recht auf Widerspruch und ähnelt auch darin der Verurteilung von Paul Bogle in Morant Bay im Jahre 1865. Der Prozessverlauf weist einige skurrile Episoden auf, so z. B. wenn Howell nicht auf die Bibel schwören will, weil er Muslim sei. Er wird als „dapper“ bezeichnet, weil er einen Bart trägt, der an den Kaiser Äthiopiens erinnert. Sein dreiteiliger schwarzer Anzug ist mit ei- ner Rosette in den Farben Schwarz, Grün und Gold geschmückt, also mit den Farben Äthio- piens, die zu einem Symbol von Rastafari werden sollten. Eine große Zahl seiner Anhänger- Innen im Gerichtssaal tun es ihm nach.205 Dieser Prozess ist insofern sehr interessant, weil er wichtige Aussagen über die Entstehung von Rastafari enthält. Dem „Daily Gleaner“ vom 15. März 1934, Seite 20, können wir die folgenden Eckpunkte des neuen Glaubens entnehmen:

1. Jesus, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist am 1. Januar 1919 zurückgekehrt. 2. Der in menschlicher Gestalt wiedergekehrte Messias ist Ras Tafari. 3. Die Herrschaft des Messias wird, entsprechend der Lebensspanne Jesu von 33 Jahren und 6 Monaten auch ebenso lange dauern und im April 1934 beginnen. 4. Der Messias wird das Götterbild von Nebukadnezar zerstören; alle Kirchen werden nach 1934 geschlossen werden, da der Geist Gottes in diesen nicht zugegen ist, zumal im Jahre 1120 Whitcliffe und Bischof Jewel den Antichristen in England proklamiert

[204] Siehe die Ausgaben vom 14. 15. und 16. März 1934. [205] Siehe „Daily Gleaner“ vom 14. März 1934, p. 21. – 200 –

haben, der daselbst noch heute regiert. 5. Ras Tafari ist König der Könige, Herr der Herren, der siegende [conquering] Löwe von Juda, der Erwählte Gottes und Messias der Liebe. Alle Könige der Welt müssen sich vor ihm verneigen; der Duke of Glouchester als Vertreter George V. hat bei der Krönung von Ras Tafari diesem Tribut gezollt. 6. Ras Tafari wird die Menschheit auf den Pfad der Tugend führen. 7. Die Schwarzen sind die geliebten Äthiopier und zugleich die Juden, die der Messias aus ihrem „Schlaf“ erweckt hat; er wird sie erlösen und in ihr Mutterland Afrika zurückführen. 8. „God never intended individual salvation“ („Daily Gleaner“, 14.03.1934, S. 21) — eine internationale Erlösung ist das Gebot der Stunde! 9. Die Bibel des Alten und Neuen Testaments (vgl. Offb 17, 5; 2. Thess 11) ist Beweis dafür, dass Ras Tafari derselbe Gott ist wie der, der zu Mose sprach.

Auf diesem Hintergrund wird auch klar, dass Howell keinen Eid auf die Bibel ablegen wollte: Das derzeitige Christentum ist nicht die Religion des wahren Gottes Ras Tafari, der nach Howell von sich gesagt hat: „Ich bin der Anfang und das Ende“. Das heißt, Ras Tafari ist der Schöpfer und zugleich alles, was die Schöpfung ausmacht! Ras Tafari ist also einer- seits Gott selbst in menschlicher Gestalt, andererseits aber auch Christus redivivus! Dieses entspricht durchaus dem Befund im Neuen Testament: Nach Offb 1, 8 und 21, 6 ist es Gott selbst, der diesen Ausspruch tätigt, nach Offb 22, 13 ist es Jesus. In Jes 44, 6 und 48, 12 wie- derum ist es der Gott Israel; nach Röm 11, 36 und Eph 1, 10 ist Christus derjenige, in dem al- les zusammengefasst ist, was im Himmel und auf Erden ist. Der unter Punkt 4 genannte „Whytcliffe“ muss auf einen Druckfehler beruhen und sich auf den Reformator John Wycliffe (c1330-1384) beziehen, der mit seiner Kritik an der Trans- substantionslehre auf starken Widerstand in England stieß; seine diesbezügliche Lehre wurde von der Universität Oxford, wie auch viele andere seiner Lehren und die seiner Anhänger verworfen. Bei „Jewel“ handelt es sich um den Bischof von Salisbury, John Jewel (1522-1571), der 1554 eine Reihe von antiprotestantischen Artikeln unterschrieb, wenige Jahre später aber zum Unterstützer der anglikanischen Kirche wurde und sich gegen Katholi- ken und Puritaner wandte. Wie Howell auf die Jahreszahl 1120 kommt, bleibt wohl sein Ge- heimnis wie auch die Behauptung von der Proklamation des Antichristen. Von besonderer Bedeutung sind die unter Punkt 7 erstellten Linien der Deszendenz und des Erbes zwischen den schwarzen Menschen und den Äthiopiern sowie den Juden. Es ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt, dass solche Formen der Identifikation eine identitätsstif- tende Funktion haben. Man denke an die abessinischen Christen, die im 10. Jahrhundert sich als Nachfolger Israels verstanden, jenes Israels, das den Messias abgelehnt hatte, und — über das K´brä Nägäsåt (siehe Seite 88.92) — zum neuen Zion wurde, wo die Bundeslade sich nunmehr befindet (Silva 1992: 268). Diese frühe Entwicklung eines Bewusstseins von De- szendenz und Erbe wird wesentlich zur Entwicklung von Rastafari beitragen! Auf jeden Fall – 201 – wird hier am „Black Judaism“ (siehe Seite 22.165f.) angeknüpft. Howell erklärt nun im Kreuzverhör, wie er zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Ras Tafari der Messias sei: einerseits durch die Prophezeiung, andererseits durch die Krönung desselben im Jahre 1930. Zu der Zeit will Howell sich in Afrika aufgehalten haben. Aus dem ganzen Kontext lässt sich entnehmen, dass hier eher an die biblische Prophetie — Howell macht vor Gericht reichlich Gebrauch von der Bibel und seiner Interpretation derselben — zu denken ist. Im „Daily Gleaner“ vom 16. März 1934, Seite 16, heißt es. “Howell said it was prophesied that in the days of the kings of the earth, Jehovah would raise up a king with a righteous government“. Hier findet sich kein Bezug auf die so genannte Marcus-Garvey-Pro- phezeiung! Bemerkenswert ist auch die Bezeichnung Gottes als „Jehovah“, also die Benut- zung der aus dem 16. Jahrhundert stammenden Form des Gottesnamens, die JHWH mit der Vokalisation von Adonaj verbindet und im englischsprachigen Raum bis heute weit verbreitet ist. Es fällt nicht der für Rastafari typische Gottesnamen „Jah“, die der „Daily Gleaner“ si- cherlich vermerkt hätte. Auch George Eaton Simpson berichtet noch 1953 über ein Rasta Street Meeting, bei dem über Ras Tafari gesagt wird: „This man is Jehovah God“ (Simpson 1955: 141). Erstaunlich ist der bei der Verhandlung erwähnte „Personenkult“ um Howell. Da heißt es dann:

Leonard Howell seeks me an he finds me, Fills my heart my glee: That’s why I am happy all the day. For I know what Leonard Howell is doing for my soul, That’s why I am happy all the day. („Daily Gleaner“, 15.03.1934, S. 20)

Ergänzend sei hier auf die sechs Punkte hingewiesen, die Leonard Barrett, einer der frü- hen Rastafari-Forscher, als wesentlich für die Howell-Gemeinschaft angeführt hat:

At that time [= 1933] Howell had advocated six principles: (1) hatred for the White race; (2) the complete superiority of the Black race; (3) revenge on Whites for their wickedness; (4) the negation, persecution, and humiliation of the government and legal bodies of Jamaica; (5) preparation to go back to Africa; and (6) acknowledging Emperor Haile Selassie as the Supreme Being and only ruler of Black people. This first glimpse of the new doctrine that launched the Rastafarian movement has not changed significantly over the years. (Barrett 1977:85) – 202 –

Das Jahr 1935 wiederum ist in zwiefacher Hinsicht für die Geschichte von Rastafari von Bedeutung: Erstens erscheint Howells „The Promised Key“ unter Howells Pseudonym G. G. Maragh (siehe Seite 197), abgekürzt auch Gong, und zweitens geht von Wien aus die rassisti- sche Kunde eines Geheimbundes der Schwarzen, genannt Nya-Binghi. Auf diesen wollen wir dann im nächsten Kapitel eingehen. „The Promised Key“, 1998 und 2001 von McPherson herausgegeben — ein Text mit Kommentar findet sich auch in Spencer 1998206 — besteht ursprünglich nur aus 14 Seiten und ist ein Plagiat des „Holy Piby“ von Robert Athlyi Rogers und der „Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“ von Fitz Balintine Pettersburgh (Hill 1983: 27). Angeblich wurde der Traktat in Accra (Ghana) veröffentlicht, was aber nicht sicher ist (Spencer 1998: 363). Die Frage, die sich dem Betrachter stellt, ist die nach dem Einfluss dieses Traktats auf die Rasta- fari-Religion. Auf jeden Fall wurde „Black Supremacy“ zu einem wichtigen Programmpunkt der sich bildenden Bewegung. Unter „The Mystery Country“ beginnt Howell mit der Behauptung, dass Äthiopien von schwarzen Menschen bevölkert sei und sich in den letzten 6.000 Jahren207 nicht verändert habe. Am wichtigsten ist jedoch während der Krönung 1930 der Kniefall des Duke of Glou- cester in Vertretung des englischen Königs vor „Ras Tafari the Kings of Kings and Lord of Lords the conquering Lion of Judah, the Elect of God and the Light of the world“. Dabei habe er ihm, „King Alpha“, wie auch der Kaiserin, der „Queen Omega“ ein goldenes Zepter überreicht.208 Darin sieht Howell eine Erfüllung von Ps 72, 9-11 und Ps 21 [3-4]. Merkwürdig ist jedoch dann wiederum, wenn er im Kap. „The Promised Key“ Ras Tafari als „Supreme God“ bezeichnet, dem alle Könige der Erde ihre Kronen übergeben haben, nachdem dieser zuvor mit der Herrschertitulatur (siehe Seite 93) als „ Erwählter Gottes“ angeführt worden ist Maragh [1935] 2001: 7). Es ist diese Inkonsequenz des Denkens, die überrascht! So wird in „Ethiopia’s Kingdom“ erklärt, dass es auf der Erde keinen größeren Gelehrten und besseren Christen gäbe als King Alpha. Zugang zum „Balm Yard“ erhält nur derjenige, der an „King Ras Tafari the living

[206] „The Promised Key“ findet sich auch im Internet unter ; im kommentierten Text von Spencer fehlt jedoch die letzte Seite über „ Forward to the King of Kings“ mit der Unterschrift “The Gong“ () [207] Woher Howell diese Zahl hat, bleibt unklar. Der Artikel von Addison Southard 1931: 683 führt das Jahr 4478 vChr als Beginn der Königsliste an, was jedoch auf einen Fehler des Autors beruhen muss. Seit Charles Fernant Rey sein Buch „In the country of the Blue Nile“, London 1927, veröffentlichte, ist die so genannte Ras Täfäri Liste in der Forschung bekannt, die der damalige Thronfolger im Juni 1922 dem Rei- senden und Wirtschaftsberater Rey übergeben hatte. Diese Liste beginnt mit Ori oder Aram im Jahre 4470 vChr und wird natürlich in Rasta-Kreisen verbreitet (z. B. [Zugriff vom 29.08.2007]. Zur wissenschaftlichen Wertung dieser fiktiven Königsliste siehe Manfred Kropp. 2005. „Die traditionellen äthiopischen Königslisten und ihre Quellen“, in: Genealogie: Realität und Fiktion von Identität (Internet-Beiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie, vol. 5), Berlin, pp. 21-46 ( [Zugriff vom 29.08.2007]). Die alte äthiopische Kirche hatte den 25. März 5593 vor unserer Zeitrechnung als Schöpfungstag errechnet (Hahn 2000: 60). [208] Tatsache ist, dass die Briten wenige Jahre zuvor die von Lord Napier geraubte Krone sowie den Thron des Kaisers Theodoros zurückgegeben hatten (Southard 1931: 736). – 203 –

God“ glaubt. Auch das Thema „Balm Yard“ findet sich bereits bei Pettersburgh; wie dieser wendet sich auch Howell gegen Obeah und Science (Kap. „Royal Notice“). Andererseits sol- len im „Balm Yard“ wohl auch wirklich Heilungen erfolgen, für die eine Gebühr von 4 Shillings aufwärts zu entrichten sind. Wie schon angeführt, es wurde Howell nachgesagt, er sei in Harlem ein „con-man“ und „samfie [obeah] man“ gewesen. Und sein Bruder Hope L. Howell bestätigte gegenüber Robert Hill, dass Leonard ausgezeichnete Hände des Heilens gehabt hätte (Hill 1983: 30). Aber dieses Heilen scheint auch eine spirituelle Seite aufzuwei- sen, wenn Howell in „The Healing“ schreibt, dass es um „the cleansing and healing of the na- tions“ ginge. Deshalb ist der „Balm Yard“ ein Ort

Where only the Holy Spirit of God alone is allowed to do the Royal work of healing. Who does the balming work? Consecrated men and women that the Holy Spirit moves upon the blazing altar of their soul and endowed them with power that they command and handle the infirmities of the nations. Have we any authority from King Alpha? Yes we are vessels of the divine honor. Have we any authority from the world? Assuredly yes indeed. King Alpha signs for our destiny and gave us His Supreme Affidavit a trillion centuries after the end of eternal life. (Ma- ragh [1935] 2001: 10)

„The Holy Spirit moves upon the blazing altar of their soul“ ist eindeutig mystische Sprache! Es ist bemerkenswert, dass „soul“ hier im Singular angeführt wird, wiewohl die Rede ist von Männern und Frauen im Plural. Das erinnert aus religionswissenschaftlicher Sicht an den vedischen Purusha, der einmal den individuellen Menschen meint, aber unter dem Aspekt des Ātman der Menschheit gemeinsamer Teil und nach der Kātha-Upanishad II, 1, 13 wie eine Flamme ist. Swami Nikhilananda schreibt in seiner mit dem Kommentaren Shankaras versehenen Ausgabe derselben: „Die vedischen Mystiker betrachten das Herz als eine Lotosknopse von der Größe eines Daumens, in der sich ein leuchtender Punkt befindet, in dem sich Brahman manifestiert“ (Nikhilananda [1949] 1989: 112f.). Der „Holy Spirit“ ist hier das Medium, durch das sich Gott offenbart und die Kraft vermittelt zur Heilung der Na- tionen. Wir alle sind Gefäße göttlicher Gnade und haben deshalb auch Autorität in der Welt. Gott, King Alpha bzw. Ras Tafari leitet das Schicksal der Menschen und gibt eine Zusage, die alle vorstellbare Zeit überschreitet. Auch das erinnert sehr wohl an indisches Denken! Die Menschen als Gefäße Gottes, dieser Gedanke findet sich schon in der Bhagavadgītā: Gott Krishna ist in allen Wesen anwe- send (10, 20), im Körper (15, 10), als göttlicher Teil im Menschen (15, 7) und alle Wesen befinden sich in ihm (9, 4). Auf diesem Hintergrund wird das spätere Iyarische I & I erst rich- tig verständlich! Und in diesem Kontext kann Ras Tafari sowohl Gott als auch Jesus Christus sein und zugleich wiederum eine Inkarnation bzw. ein Avatār des Gottes Vishnu. Da über 70 % der Indojamaikaner aus der Region Varanasi-Ayodhya stammen, kamen auch Krishna- und Rama-Verehrung nach Jamaika (Mansingh 1985: 105). Und mit der ersten Einwande- – 204 – rung von Lohnarbeitern aus Chota Nagpur in Bihar (Mansingh ebd.: 103) kam auch die Kali- Verehrung und der Konsum von bhang (Sanskrit bhaṅgā) bzw. ganga/gañjā. Auch die indi- schen Heiligen der Shiva-Verehrung, die in Nachahmung von Shiva Gaṅgādhara („Träger der Ganga“) Bart und lange verfilzte Haare (jaṭā) tragen: „a symbol of detachment, on which oc- casionally are shown the crescent moon, symbol of time, and a stream of cascading water re- presenting the GANGA“ (Dallapiccola 2002:176). Dem liegt der Mythos zu Grunde, wonach der königliche Asket Bhagiratha Shiva und Ganga verehrte, woraufhin die himmlische Ganga mit Gewalt herabstürzte und Shiva sie mit seinen Filzlocken auffing, damit sie nicht die Erde überflutete. Bhagiratha besänftigte Shiva, der die Ganga dann auf die Erde herabließ (ebd.: 81). Einer dieser indischen „locksmen“ — genannt jaṭādhara — findet sich auf einer Abbil- dung von indojamaikanischen Siedlern aus der Zeit um 1900 (Mansingh 1999: 90). Für die späteren „Dreadlocks“ gabe es also durchaus im Lande schon ein Vorbild!209 Auch die Entstehung von Cannabis ist mythischen Ursprungs! Dominik Wujastyk zitiert aus dem medizinischen Lexikon des Rājavallabha, das in der Rezension von Nārāyaṇadāsa Kavirāja (18. Jahrhundert) vorliegt:

Once upon a time, Cannabis (vijayā) was born from the churning of Mount Mandara in the ocean of milk. It is favourite of the god Śiva, and it is called ‘Conquest’ (vijayā) be- cause it gives victory over the three worlds. It was received by men here on earth for the good of humankind. It is aphrodisiac, it destroys all wories, and it is exciting. (Wujastyk 2001: 16)

Auch Ganja oder Bhang, the „hola herb“ der Rastas, hat also sein Vorbild im indischen Brauchtum der Shaktas und Kali-Anhänger (Mansingh 1985: 102f.), ist aber noch heute fes- ter Bestandteil von Holī und Mahāshivarātrī. Bhang ist das besondere Getränk des Gottes Shiva, welches Parvati ihm reicht oder Shiva sich selbst zubereitet.210 Deshalb ist es auch des Gottes prasāda, eine besondere Form der Gunst Shivas. Wir werden auf diese für Rastafari wichtigen Elemente noch ausführlicher eingehen. Auf Grund der gut bezeugten indischen Präsenz in Jamaika muss es verwundern, wenn die einschlägige Rastafari-Forschung auf mögliche indische Einflüsse fast nie eingeht! Dass es sich bei den Vertragsarbeitern nicht nur um ungebildete Inder handelte, zeigt die Tatsache, dass eben auch Priester wie Pandit Ramadhar Maragh oder Pandit Muneshwar Mahraj nach Indien kamen (Mansingh 1999: 138; 1985: 104). Eine herausragende Gestalt war der aus Bi- har stammende Gelehrte Dhanuk Dhari Tiwari Maragh, der 1885 mit dem Versprechen einer Anstellung als Priester ins Land gelockt worden war. Als er gezwungen wurde, als Landar- beiter zu arbeiten, schnitt er sich in Gegenwart des Magistrats Finger von der linken Hand ab

[209] Ein Rāma ergebener Asketen mit extrem langen Haaren in Nepal findet sich in Michaels 1998: 283. Wenn bei Google eingegeben wird: „Saddhus with long hair“, dann ergibt sich eine reiche Fülle an Beispielen! [210] Siehe nach Eingabe des Suchwortes „bhang“. – 205 –

(Mansingth 1999: 37). 1915 zog er nach Kingston und erwarb in der 1920er Jahren Kingston Pen (heute Tivoli Gardens), das zusammen mit Denham Town und den Four Mile eine Art Hindu Town mit 500 indischen Familien bildete. Es ist genau dieses West-Kingston, in dem auch Rastafari sich nach 1930 etablieren sollte — also in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Indojamaikanern! In den 1940er Jahren errichtete hier besagter Maragh auf der Spanish Town Road eine indische Halle; eigentlich hatte es ein indischer Tempel (mandir) werden sollen. An dieser Straße befanden sich übrigens auch Rasta-Yards! Aber auch in der ländlichen Region hatte es noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts Hindu- priester gegeben, wie der Autobiographie von Ivan Parboosingh — er ist selbst brahmani- scher Abkunft211 — entnommen werden kann (Parboosingh 1985). Außerdem arbeiteten die Kontraktarbeiter aus Ostindien auf den Plantagen zusammen mit den Afrojamaikanern, wenn auch unter verschiedenen Vorgesetzten (ebd.: 3). An Sonntagen badeten sie in einem in der Nähe befindlichen Fluss und verrichteten ihre Gebete. Der Vater Parboosinghs eröffnete nach Erfüllung des Kontrakts ein kleines Geschäft in einem afrojamaikanischen Dorf; die mit dem Geschäft verbundene Bar entwickelte sich zu einem sozialen Zentrum. Der Autor führt an, dass es selten Konflikte zwischen Indern und Jamaikanern gab (ebd.: 10). William Spencers Interpretation, wonach Howell mit den Abschnitten „The Healing“, „Balm Yard“ und „Royal Notice“ vielleicht beabsichtigt hätte, „the healing yard of African traditional religion, where sufferers take up residence until they are healed, in order to com- bat the destructive effects of Obeah“ (Spencer 1998: 174), wieder einzuführen, kann schon deshalb nicht überzeugen, weil auch im jamaikanischen „Balm Yard“ durchaus Obeah prakti- ziert, aber auch bekämpft werden kann. Woher sollte auch Howell afrikanische Heilverfahren kennen? Dass der Terminus „Balm Yard“ an die Myal-Tradition anknüpft, sei dagegen nicht bestritten. Der „Balm Yard“ als ein von Gott konsekrierter Raum „for the cleansing and he- aling of the Nations“ im Kampf gegen Obeah war bereits von Pettersburgh vorgegeben (Pet- tersburgh [1925] 2007: 18f.). Die Rastafari-Forschung scheint u. E. zu schnell mit dem Adjektiv „afrikanisch“ zu arbeiten und bleibt in der Regel den Beweis dafür schuldig! In „Eve the Mother the Evil“ ist „King Alpha the Most Sacred and Everlasting God“ der Schöpfer von Himmel und Erde (Maragh [1935] 2001: 16). In welchem Verhältnis steht je- doch Gott Ras Tafari zu Jesus Christus? Unter „Ethiopia’s Kingdom“ werden Mt 3, 13 ge- nannt und der Ausruf der Samaritanerin in Joh 4, 29, die Jesus als Christus bezeichnet (ebd.: 9). Beide Bibelstellen dienen hier jedoch als Beweis dafür, dass das Königreich Äthiopien Nachfolger des anglosächsischen Königreichs ist. Im Verhältnis zu Ras Tafari gehört Jesus offenbar der Vergangenheit an: Mit Ras Tafari und Queen Omega hat im Kap. „Ethiopian Question“ die „Black Supremacy“ begonnen und zugleich eine neue Bibel (ebd.: 18). In der Vergangenheit wurde den Weißen der Baum des Lebens, der Garten Eden, Ägypten, Daniel und „the body of the Black Virgin, the mother of Jesus“ gegeben und sie nahmen auch Jo-

[211] Bei der Anwerbung des Vaters des Autors änderte der Beamte den Namen „Parboodat“ in „Parboosingh“ um, weil er keinen Brahmanen registrieren wollte. – 206 – seph. In dem Kapitel zuvor, „The Rapers“, war die Rede davon, dass die weißen Sklavenhal- ter die schwarzen Frauen fortgenommen und mit ihnen Unzucht getrieben haben. Das Ergeb- nis ihres sexuellen Tuns haben sie als „Advance Rate“ bezeichnet, wodurch eine dritte Klasse von Menschen entstand (ebd.: 17). War Jesus auch das Ergebnis einer Überwältigung des Körpers der schwarzen Maria? Auf jeden Fall werden weiße wie auch schwarze Vergewalti- ger von weißen Frauen von Gottes Erde vertilgt werden! Offensichtlich geht „Black Supre- macy“ einher mit einer Trennung der Menschen nach der Hautfarbe. Etwas anderes könnte hier — wie auch schon bei Athlyi Rogers — im Spiel sein: die mindere Stellung der schwarzen Frau, die aus der psychologisierenden Sicht des patriarcha- len Denkens nicht nur Opfer, sondern auch zum Mittäter wird. Denn ein Mitgefühl mit den Opfern der Vergewaltigung schwingt hier nicht mit, wohl aber die Klage aus der Sicht des schwarzen Mannes: „the black men’s blood was burning up in their bodies for the sexual sup- port of their own women“ (ebd.). Oder sind Frauen grundsätzlich pejorative Wesen? Im Kap. „Eve the Mother of Evil“ wird Eva zur Mutter allen Übels, „perfect Virginity“ wird nur der „Queen Omega“, also der Kaiserin, zugesprochen. Howell war ganz offensichtlich nicht be- kannt, dass die Kaiserin vor ihrer Eheschließung mit Ras Tafari schon verheiratet gewesen war (siehe Seite 89). Die negative Seite der Frau zeigt sich auch in der bekannten Samson- Geschichte in Ri 14; 15, 10. Nach Howell war sie eine weiße Frau, wie auch die Linie Adam - Abraham - Anglosachsen. Zutreffend spricht Spencer von einer patriarchalen Botschaft, die zu Beginn des Rastafa- rianismus verkündet wird, unter der die Rastawomen zu leiden haben werden (Spencer 1998: 380-381)! In diesem Zusammenhang wird man nicht vergessen dürfen, dass Babylon in Offb 17 gleichgesetzt wird mit der „großen Hure“ — auch zum Ärgernis christlicher Leserinnen. Die Offenbarung des Johannes, eine zutiefst messianische und apokalyptische Schrift, sollte jedoch zu einer zentralen Schrift der Rastas werden. Zwar ist in Offb 19, 9 die Rede von der Hochzeit des Lammes — man vergleiche Kaiser Haile Selassie und Kaiserin Mänän —, aber Ras Tafari ist nicht nur das Lamm (gleich Christus redivivus), sondern auch der kampfbereite Löwe von Juda. Die Symbolik des alten Revival-Lieds „The Lion of Judah shall break every chains“ wurde auch von den Rastas übernommen. In einer Interpretation von Bob Marleys „Lion of Judah (Conquering Lion)“ findet sich dann der Refrain: „Give us Jah victory again and again“. Im Internet findet sich die Interpretation, wonach Haile Selassie der „Yahshua Ha Maschiach“ — eine Zusammenfassung von Jah und Jeschua“ (hebr. für Jesus) zu „Jahschua der Messias“ — ist und als solcher zugleich das Lamm und der „Layeesh ya Yahudah“, d. h. der Löwe von Juda.212 Der Löwen-Symbolik kommt jedoch eine besondere Bedeutung zu (Loth 1991: 44). Dies gilt insbesondere für die Dreadlocks! Die Symbolik des Löwen jedoch verweist eher auf eine Männerwelt, die sich im Kampf mit der „Hure Babylon“ befindet!213

[212] Twelve Tribes live up ( (Zu- -ist belegt, nicht ersichtlich ist jedoch, was ya vor dem Nomen Ya לַיִשׁ .griff vom 10.10.2007). Layeesh, hebr bedeuten soll; eigentlich würde man eine Constructus-Verbindung erwarten oder eine , יְהוּדָה .hudah, hebr solche mit partitiver Präposition. – 207 –

Die Bibel der Weißen ist nach Howell eine „fake Bible“ (vgl. schon Pettersburgh [1925] 2007: 51): „There is no book in the Bible for the Anglo Saxon Creation, there is no book of Isaac or his father Abraham in the ” (Maragh [1935] 2001: 16). Dies ist zwei- fellos eine sehr eigenartige Betrachtung der Bibel, die den Eindruck vermittelt, dass Howell hier von einem bibelfernen Kontext heraus argumentiert, der im krassen Gegensatz zur Tradi- tion Jamaikas und vor allem auch Äthiopiens steht! Er schreibt ja selbst in „The Mystery Country“, dass Kaiser und Kaiserin zum Zwecke der Krönung sich zur Kathedrale begaben und sich daselbst Bischöfe und Priester befanden. Insofern erscheint die Abrogation der Bibel insgesamt wenig schlüssig, auch wenn eine neue Bibel in der „Ethiopian Question“ angeführt wird. „Black Supremacy“ wird sehr häufig angeführt, im Kap. „The First and The Last“ wird diese verknüpft mit dem „neuen Bibelland“, das Jamaika ist — „Xaymaca“, das „Land der Wälder und Wasser“ —, ausgeweitet zu dem Plural „the isles of Springs the same country that the Anarchy called Jamaica British West Indies“. Denn Ras Tafari ist der „Bible Owner of Holy Times“. Die Linie Adam Abraham-Anglosachsen, der „Leprakranke“, hat keinen Anteil an diesem Stück Erde! Wie diese neue Bibel aussieht, bleibt unbeantwortet, aber es ist auch nicht die Rede einer Rückkehr nach Afrika („repatriation“). So spricht in ernster Angelegenheit G. G. Maragh und verkündet: „Persons of good will to the Kingdom of H. I. M. will live forever. The other[s] will remain dead forever“ (Maragh ebd.: 21). Und im letzten Kap. „Forward to The King of Kings“ erfolgt der Ruf des „Gong“:

His Majesty Ras Tafari is the head over all man for he is the Supreme God. His body is the fullness of him that fillet all in all. Now my dear people let this be our goal: Forward to the King of Kings must be the cry of our social hope. Forward to the King of Kings to purify our social standards and our way of living, and re- build and inspire our character. Forward to the King of Kings to learn the worth of manhood and womanhood. Forward to the King of Kings to learn His code of Laws from the mount demanding abso- lute Love, Purity, Honesty, and Truthfulness. Forward to the Kings of Kings to learn His Laws and social order, so that virtue will eventually gain the victory over body and soul and that truth will drive away falsehood and fraud. Members of the King of Kings arise for God’s sake and put your armor on. (ebd.: 23)

Zweifellos spricht hier eher ein indischer Guru über einen afrikanischen Lord Rama oder Krishna, wie es vor wenigen Jahren Laxmi und Ajai Mansingh ausgedrückt haben (Mansingh 1999:119), denn ein afrikanischer Lehrer. Der inkarnierte Gottkönig ist — wie schon mehr-

[213] Die Symbolik des Löwen und des geopferten Lammes hat 1973 in Frankreich zur Gründung katholischer Familiengemeinschaften mit der Bezeichnung „Communauté du Lion de Juda et de l’Agneau immolé“, die sich seit 1991 sogar als „Béatitudes“ bezeichnen, d.h. als die auserwählten Seligen. – 208 – fach gesagt wurde — kein afrikanisches Konzept: Heroen als angesehene Elders können zu Ahnen und Gottheiten werden, wie z.B. Shango, aber nicht umgekehrt! Es ist auch keine christliche Vorstellung, insofern die Christologie theologisch gesprochen dazu dient, die Dif- ferenz von Immanenz und Transzendenz zu überbrücken. Bei Leonard Howell jedoch ist der Körper Gottes die Fülle, die alles miteinander verbindet: Soziales, Lebensweise, Ethik, Gen- der, Gesetze und Sozialordnung. Vergleicht man „The Mystery Country“ (Maragh ebd.: 3ff.) mit dem 1. Kapitel in Pet- tersburgh „Royal Parchment“ (Pettersburgh [1925] 2007: 11f.), dann fällt auf, dass in letzte- rer vorausgesagt wird, „The Coronation of Ethiopia’s Postarities are as sure as the purity of pure gold“, während Howell seinerseits jetzt über den Vollzug der Krönung schreiben kann. In diesem Zusammenhang steht an erster Stelle, dass der Duke of Gloucester im Auftrag des englischen Königs Ras Tafari und Queen Omega Gaben überreicht und dann durch Kniefall seine Ehrerbietung erweist. Dann folgt die Fahrt zur Kathedrale und schließlich folgt das Krönungsritual in Anwesenheit von Bischöfen und Priestern. Die Darstellung Howells beschreibt die Konsekrierung Ras Tafaris vom gewöhnlichen Menschen zu einem Gott — als ein Mysterium! Dies ist auch insofern notwendig, wenn das von ihm verkaufte Bildnis des äthiopischen Herrschers mehr sein soll als nur das Abbild ei- nes Menschen. Die Krönung in ihrem Handlungsablauf verweist also auf eine andere Bedeu- tungsebene, in der menschliche und göttliche Wirklichkeit zusammenlaufen. Howell spricht von der Erfüllung des Psalms 21, in dessen „King James Version“ König und Gott eine wohl stärkere und innigere Einheit bilden als in deutschen Übersetzungen. Außerdem eignet sich dieser Psalm auch für eine apokalyptische Auslegung, insofern die Rede ist von der Zerstö- rung der Feinde des Königs bzw. Gottes! Wer Ras Tafari anschaut, schaut zugleich in die dahinter liegende Dimension. Das erin- nert an das „Sehen“, Sanskrit darśana, der Gottheit im indischen Tempel, bei der es sich um die Vision des Göttlichen handelt. Gleichzeitig kann dieser Begriff die Epiphanie bezeichnen, die sich ereignet durch den wechselseitigen Anblick von Gläubigem und Gott. Dieses ist ja bekanntlich der zentrale Teil des indischen Gottesdienstes im Tempel (pūjā; Michaels 1998: 254). Bei dem Schauen der Gläubigen auf die Götter und dem Schauen der Götter auf die Menschen entsteht ein Spiegeleffekt, bei dem man sich bewusst machen muss, „dass sowohl Mensch als auch Gottheit sehen, dass sie gesehen werden und dass sie wiederum sehen, dass dieses Sehen gesehen wird, usw.“ (Schnepel 2008: 87). Dieses „Schauend-ineinander-Versin- ken“ führt zu einem rapiden Positionswechsel, der letztlich zu einer mystisch-mentalen Ver- schmelzung zwischen Gottheit und Anbeter führt (ebd.). Der Blick auf das Ras-Tafari-Bild trifft nicht mehr auf einen Menschen, sondern auf ei- nen Gott, der im Menschen selbst bereits zugegen ist. Daraus entwickelte sich wohl der Brauch, ein Bild von Rastafari im Haus aufzuhängen — vergleichbar einer Ikone oder indi- schen mūrti. In dem Reggae-Klassiker der Natural Ites von 1985 heißt es u. a. dann:

Jah ruleth all nations ’pon the earth, o yeah (true, true) – 209 –

The root of David, light of this world, oh yeah His eyes as red as fire, my picture ain’t no liar (true, true) Beca’ the whole world see and know Rasta live for-I-ver more In my house there’s a picture on the wall, Rastafari sit upon his throne In my house there’s a picture on the wall, Rastafari sit upon the throne214

Das Bild von Rastafari als Gottheit an der Wand entspricht nicht dem afrikanischen oder afroamerikanischen Verständnis: Der höchste Gott kann nicht künstlerisch dargestellt wer- den, dagegen aber die Ahnen und Manifestationen der von Gott kommenden Lebenskraft bzw. die Naturkräfte. Es gibt z. B. im Candomblé keine Darstellung des höchsten Gottes Olórun, aber eine solche der Orixás. Diese werden jedoch wiederum nur in Plastiken darge- stellt wie auch die Orishas der Yorùbá. Entscheidend ist jedoch im Kontext dieser Religions- traditionen, dass die Plastik über eine gebündelte Energie, eine verhaltene Kraft und eine ver- innerlichte Konzentration verfügen (Ulli Beier). Ein Foto könnte u. W. nie Gegenstand der Gottesverehrung sein! Hélène Lee hat zweifellos Recht, wenn sie schreibt: „La culture indienne est la plus obscure des influences rastas“ (Lee 1999: 122). Erst die Veröffentlichungen von Laxmi und Ajai Mansingh nach 1980 haben erstmals auf die indischen Einflüsse aufmerksam gemacht. Hindu-Einflüsse auf afrokaribische religiöse Traditionen hat auch Dal Bisnauth beschrieben, etwa in dem „White-Robed Army (Jordanite) Movement“ (Bisnauth 1989: 180-185) in Guya- na. Die Anfänge reichen bis 1882 zurück und gehen auf Gespräche zurück, die der aus Gre- nada stammende Joseph MacLaren in Trinidad mit dem ostindischen Einwanderer Bhagwan Das (oder Chatto Maharaj) geführt hatte. Als MacLaren 1895 nach Guyana kam, begann er mit der Gründung der „Church of the West Evangelical Millennium Pilgrims“, wegen der weißen Kleidung auch „White-Robed Army“ genannt. Ihr trat 1917 Nathaniel Jordan bei und prägte diese bis zu seinem Tode 1928 in so starkem Maße, dass die Religion auch als „Jorda- nites“ bezeichnet wurde (Gibson 2001: 56). Die Bewegung ist Teil der Faithist Church, deren Anhänger neben der Bibel auch Bücher wie „The Sixth and Seventh Book of Moses“, das „Aquarian Gospel of Jesus the Christ“ oder die Bhagadvadgītā u.a.m. lesen. Judith Roback, die sich eingehend mit den Jordanites beschäftigt hat, erwähnt auch die Tatsache, dass diese vegetarisch leben, Speiseverbote kennen und einige auch kein Salz es- sen. Hier ergeben sich Parallelen zu Rastafari. Der Reinkarnationsglaube der Gruppe ist der Hindu-Vorstellung ähnlich. Insgesamt bezeichnet sie die Jordanites als einen „einzigartigen Synkretismus“ bestehend aus jüdisch-christlichen, ostindischen und guyanisch-volksreligi- ösen Traditionen (Roback 1974: 250). Monica Schuler, die in „ schwarzer nationali- stischer Jordanite-Sekte“ einen Vorläufer der Rastafarier sieht, kennt noch weitere Details

[214] Auf dem Album „The Natural Ites & the Realistics - Picture On The Wall“ (CSA LP #CSLP 18 1985). Das Lied kann auf http://www.youtube.com/watch?v=bTgFy70VGYo heruntergeladen werden. – 210 – und schreibt:

They rejected white hegemony, revered Selassie, opposed the Italian invasion of Ethio- pia, and supported African independence. In 1941, a Jordanite preacher was arrested for allegedly identifying Queen Victoria as the Whore of Babylon. (Schuler 2002: 349)

Ein anderes religionswissenschaftlich hoch interessantes Phänomen ist die Verschmel- zung der Kali Mai Puja mit Obeah wiederum in Guyana, wobei auch christliche Traditionen eine Rolle spielen (Case 2001). Kali Mai ist selbst das Ergebnis eines Zusammenwachsen der nordostindischen Kali-Verehrung mit der tamilischen Göttin Mariamma. Es kann folglich kein Zweifel darüber bestehen, dass es in der Karibik zu interreligiösen Begegnungen gekommen ist, die ihre Spuren in afrokaribischen religiösen Traditionen hinter- lassen haben. Von daher ist auch die Frage berechtigt: Steht also Leonard Howell wirklich im Erbe der Sādhus, wie Lee schreibt (ebd.: 121)? Sie stellt fest, dass Howell nicht wie Petters- burgh einfach die Machtverhältnisse umkehren wollte. Es ist zutreffend, dass das vorletzte Kapitel des „Promised Key“ überschrieben ist mit „Black People Black People Arise and Shi- ne“ und erklärt, dass „Every man was created for the earth in order that he might have and enjoy the fullness of the richness of the Earth“ (Maragh [1935] 2001: 20). G. G. Maragh spricht, dass schwarze Menschen im Glauben an Ras Tafari ihr Glück erlangen können. Aber es gibt auch Millionen Menschen, die das von den kirchlichen Organisationen — und dazu gehören auch der Papst in Rom und seine Prediger —ihnen angetane Unrecht sehen. Es ist der Wille Ras Tafaris, dass auch die Menschen guten Willens die Botschaft der Wahrheit hö- ren sollen und zum ewigen Leben gelangen können. Alle anderen kommen mit Körper und Seele in die Hölle. Das Kapitel schließt mit den Worten „PEACE BE UNTO YOU, PEACE BE UNTO YOU.“ Mit der Krönung und Selbstoffenbarung Ras Tafaris hat eine neue Zeit be- gonnen! Es gilt nunmehr, das Reich Gottes auf Erden zu errichten, eine neue Gemeinschaft zu gründen. Nach der Entlassung aus dem Gefängnis im Frühjahr 1936 muss Howell jedoch feststel- len, dass die staatliche Verfolgung seine Bewegung nahezu zerschlagen hat. Aber die Rasta- fari-Bewegung als solche ist keineswegs an ihrem Ende, verschlechtert sich doch die ökono- mische Lage der Menschen sowohl in Kingston als auch auf dem Lande infolge der Krise im Absatz des Zuckerrohrs. Auf Jamaika wie auch auf anderen Karibikinseln kommt es zu Streiks. Die Menschen werden empfänglich für religiöse Heilsbotschaften! Leonard Howell begibt sich in das Thermalbad Bath im Parish St. Thomas, wo er als Wunderheiler tätig ist. Für den 10. Januar 1937 plant er ein großes Fest der Liebe in seinem alten Quartier in Morant Bay, auf dessen Eingangstor die Worte „Haus des Königs“ prangen. An diesem Tag sollen drei in den Rasta-Farben geschmückte Kühe eine durch die gesamte Stadt geplante Prozession anführen. Zu Recht verweist Hélène Lee wieder auf indischen Einfluss (Lee 1999: 129). Aber das Camp von Howell wird von der Polizei gestürmt, die Ras- tas werden verprügelt und Howell festgenommen. Er wird — wie vor ihm schon Alexander – 211 –

Bedward und andere unbequeme Jamaikaner — in die psychiatrische Klinik Bellevue Mental Hospital eingeliefert. Ende 1938 wird Howell entlassen, errrichtet sein Hauptquartier in Kingston und nennt es „The Temple“ und nennt sich nun „Menena Pascha“. Zu jener Zeit hatte er seine Mitglieder auf ein Gebet verpflichtet, das diese nicht verstanden, aber als „African prayer“ bezeichnet wurde (Hill 1981: 50). Der „Daily Gleaner“ hatte bereits am 18. Januar 1937 das „Kultgebet“ veröffentlicht, dass aus Ableitungen von ursprünglichen Hindi-, Urdu- und Bengali-Wörtern bestand:

To Allah alpha to matta edoo koo to ganzasngoo roo Mangae anne jabo novy moosoo hel at ataga gerier Anne nunia amil nunia gandec annxe etoza gandec annxe nokeye Anne etobeph anne enophele anne yaran anne amntour Ceraz anne veke sum you go amme pata pata amme pata pata Loohoo neeyou an cierez aquk chow are bhoo hec hew Mee jng anne pata pate muchra hoo roo wee hezoo jungle helot pata Pata nee jng nee coo doo be hoo moowo nee coodoabo Hezoo mee macheo k juge helah nee pata pata a cobanabium Anne pata pata helat anoomba mee aguychow ganyoongaororoo Dilitil novgm aosoo novyke yasancheoog mantaan coervz Nunis estope anne dro u b madam annequdu gatoopee backa Liked go cosomina ki acencen cuso lozoo k fnoo k coloramez

2. Loohoo gabe neeallah jay coso last lanto k cooclooba e wah Yavan ciewoog loo oke k janier so – 212 –

shelper fuoon iedg nee k lookoo Yas an ccerez can cant life without k herbo lookoo gala for medicine Ya alla for wee pata pata mee gangoon goo roo wice aquzchow Etza k coochoobo k cosmina anne nokas moosoo noveve akaka E wal aquzchow yas an cieval goloo k jenie but nee gaz Nee matta edookoo k muchew anne heke he lah k lo And co k segui choro hench yar an cook lahenie geanene Halin cebon minz cooroodund yan go annedocoos Am sawsback anne watie anne jurah anne apez To Allah. (in Hill 1981: 57-58)

Mansingh/Mansingh 1999: 119 geben die ersten vier Zeilen in etwas veränderter Schrei- bung wider und übersetzen wir folgt: „Undoubtedly, the reporter has misspelled many words. Some of the Hindi words which we can understand are: tu (you), mata (mother), edoo koo is probably ye dekho (look here); Gangungoroo (Howell’s Hindu name), mange (beg), anne (food grains), jaboo (when), halat (condition), ataga is probably atana (so much), and garir is probably garbi (poor). Demnach hätten wir hier ein Gebet an die Große Mutter, gemeint ist wohl die große Göttin Kali, da Kali-Anhänger bekanntlich nach Jamaika gelangten (siehe Seite 204). Ein solches Gebet wäre nicht ungewöhnlich, kennen wir doch die Bitte um Nah- rung beispielsweise von dem bengalischen Poeten und Kali-Verehrer Rāma Prasāda (1718-1775).215 Die Erwähnung Allahs am Anfang und Ende ist allerdings merkwürdig. Robert Hill er- klärt sich das mit Federico Philos Artikel (siehe nächstes Kapitel). Tatsache ist, dass letzterer in seinem ersten Artikel davon spricht, dass die „Schwarzen“ sich „unter Führung des Islams gegen die europäischen Länder erhoben (haben)“ („Neues Wiener Tagblatt“ vom 17.08.1935, p. 7), im zweiten Artikel aber „Nya-Binghi“-Bund und Haile Selassie zum Anführer aller afrikanischen Staaten macht, unter Nennung auch der islamischen Staaten („Neues Wiener Tagblatt“ vom 24.08.1935, pp. 9-10).

[215] Siehe Judunath Sinha. 1966. Rama Prasada’s devotional songs: the cult of Shakti, Calcutta: Sinha Pu- blishing House, n°. 3/S. 2, dt. Übers. in: Loth, Heinz-Jürgen/Tworuschka, Monika u. Udo (eds.). 1981. Christsein im Kontext der Weltreligionen, Frankfurt a. M. u.a.: Moritz Diesterweg; Kösel-Verlag, n° 167/S. 66. – 213 –

Dass Howell dieses merkwürdige Kultgebet — in der 2., 20., 33. und 34. Zeile findet sich nach Hill wieder der Ausdruck „Gangunguru“ — gesprochen hat, ist bezeugt. Auf Ver- langen des Reporters des „Daily Gleaners“ hat er jedoch eine Übersetzung abgelehnt. Es soll jedoch „a pivotal part of all Ras Tafarian ceremonies“ gewesen sein, „and after each incanta- tion, the cultists are thrown into a fanatical frenzy not far removed from the throes of poco- mania“ (in Hill 1981: 50). Aber der Unterschied zu Pocomania besteht in der Tatsache, dass das Gebet aufgeschrieben wurde. Als Howell und 14 seiner Anhänger im April 1937 vor Ge- richt standen, soll er auch wieder in einer unbekannten Sprache den König der Könige gebe- ten haben, ihn zu rächen. Hill wertet das Gebet als zugehörig zur Xenoglossie, beruhend auf den Einfluss des schon erwähnten Indojamaikaners „Laloo“. Aus religionswissenschaftlicher Sicht ist bekannt, dass Gebete in fremden Sprachen auf manche Gläubige durchaus eine Anziehungskraft aus- üben können, weil sie vermutlich im Geruch besonderer Wirkfähigkeit stehen. Man denke an die lateinische Messe, die von den wenigsten Katholiken verstanden wird, oder an die arabi- schen Gebete in der islamischen Diaspora, die häufig von der zweiten oder dritten Generation der Einwanderer nicht mehr verstanden werden. Das gilt natürlich auch for das G´>´z in der äthiopischen Kirche oder die in Arabisch gehaltene Liturgie des Abuna bei der Krönung Hai- le Selassies (Moore 1931: 741). Der Prozess von 1937 endete wieder mit einer Einweisung in das Bellevue Mental Hospital, wo er — mit einer kurzen Unterbrechung — bis Ende 1938 blieb. Seine Gefolg- schaft zerbrach in mehrere kleine Gruppen. Lansford Hope, führendes Mitglied der von King Silver geführten Gruppe, soll im April 1937 im Gerichtsprozess ebenfalls in einer unbekann- ten Sprache gesprochen haben und landete ebenfalls im Bellevue Hospital (Dijk 1993: 98). Nach seiner Entlassung aus der Psychiatrie nannte Leonard Howell seine Bewegung numehr „Ethiopian Salvation Society“. Bei einem Straßentreffen am 3. Dezember 1939 in Port Mo- rant, an dem etwa 500 Menschen anwesend waren, verkündete er als Gesandter Ras Tafaris, dass die Zeit der Weißen bald beendet sei. Nach einem neuerlichen Treffen in Chapel Hill am 7. Januar 1940 entschloss sich die Regierung zum Verbot aller Rasta-Versammlungen. Der zweite Weltkrieg hatte begonnen und die Arbeiterstreiks von 1938 waren noch in guter Erin- nerung. Mit dem Kauf von „Pinnacle“, einem nicht erschlossenen Gelände von etwa 500 Acres in der Nähe von Sligoville, von dem Chinesen Albert Chang, entsteht etwas Neues: eine Rasta-Kommune. Soll man sie als eine Maroon-Niederlassung beschreiben (Hannah [1980] 2002: 12)? Oder doch eher als einen indischen Ashram? Maroon Towns in Jamaika wie auch die quilombos Brasilien bzw. palenques in der hispanischen Welt sind historische Phänome, die aus der Zeit heraus verstanden werden müssen (siehe IV.2.a.). Zudem ist bei Howell keine Nähe zu den Maroons auszumachen! Frank Jan van Dijk konstatiert, dass mit der Pinnacle-Kommune „the influence of Hindu beliefs on Howell was becoming increasin- gly apparent“ (Dijk 1993: 98). Leider führt van Dijk seine These nicht näher aus! Der Diskurs ist, wie bei nahezu allen Forschern des Rastafarianismus, ein afrikanistischer: Rastafari ist eine religiöse Protestbe- – 214 – wegung, die im afrojamaikanischen und afrikanischen Erbe steht (Savishinsky 1998 u. a.). Die Eventualität von anderen Einflüssen, etwa der von indischen Emigranten, wird entweder negiert oder unbegründet zurückgewiesen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass zur Abwehr der Hindu-These der beiden Mansinghs (Mansingh/Mansingh 1985) sogar die „Rasta psycho- logy“ bemüht wird (Hutton/Murrell 1998). Wie weit die afrikanistische Interpretation über- haupt zutreffend ist, soll jedoch im letzten Kapitel untersucht werden. Es gibt jedenfalls nur wenige Wissenschaftler, die wie Vincent Burgess den Thesen Mansinghs nachgehen und in- dische Einflüsse in der „Rastafarian bricolage“ nachweisen (Burgess 2007). Nach dem Kauf von „Pinnacle“ eilten viele Rastas dorthin, insgesamt wohl 500, zeitwei- lig sollen es sogar 4500 gewesen sein (Lee 1999: 167). „Pinnacle“ wird zum inselweiten Zen- trum für die neue Religion, die hier — in räumlicher Trennung zu „Babylon — sich ent- wickeln kann. Leonard Howell, der sich jetzt stets als „Gong“ anreden lässt, schlüpft nunmehr ganz in die Rolle des indischen Guru. Ergänzend sei angemerkt, dass der Parish St. Catherine seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu den Regionen gehörte, wo indische Immigran- ten vermehrt anzutreffen waren (Shepherd 1993: 104). Mit gutem Grund kann daher ange- nommen werden, dass in der Nähe von „Pinnacle“ indische Siedler anzutreffen waren (Pras- had 2001: 88). Im Universitätsreport Smith/Augier/Nettleford von 1960 lesen wir:

Some brethren say that at Pinnacle, Howell represented himself as God and took the title of Gangungu Maraj or more familiarly, Gong. He is said to have lived in a large house with thirteen wives or concubines. His followers worked the estate under his direction: yam was the main subsistence crop, and ganja (also known as marihuana, hashish, Indian hemp, or simply ‘the herb’) was the main cash crop. The trade in ganja is said to have been controlled (ebd.: 12).

Robert Hill weiß aus der Henry-Dunkley-Sammlung zu berichten, „that he let the people know that he is the returned messiah“ (Hill 1981: 49). Und weiter heißt es im Bericht von Hill:

Paul Earlingen also described to the author that Howell made his followers believe that “when you go to him, [it] is God you are talking to.” This was confirmed by “Ginger”, in his “Pepper Pot” column in the Jamaica Times, on January 11th, 1941, when he com- mented that “the height of delusion has been reached when men sell their possessions, leave home and friends and travel miles to join about 700 others under this ‘leader’, whom they worship as a god.” … Furthermore, when Jephet Wilson was asked by the writer to explain the meaning of “Gangunguru Maragh”, he responded: “We hold him to be the Christ,” and as proof, he pointed to the existence of what he referred to as “the nail print” present on Howell’s feet, an observation which he said confirmed that “God is on the face of the earth right here in Jamaica now.” He qualifies this, however, by saying – 215 –

that “Howell don’t tell us that he is the Christ, but is our knowledge reason up, and to what we have seen what miracle he has performed.“ (ebd.)

Die Analyse dieser Darstellung enthält vier Aussagen:

1. Howell ist Guru; 2. Howell ist Gott bzw. Christus (vgl. „the nail print“) und 3. Howell sagt nicht, dass er Gott bzw. Christus ist; 4. die Anhänger Howells setzen „Guru“ mit Gott bzw. Christus gleich.

Das Missverständnis auf Seiten der Howell-Rastas hinsichtlich seines Guru-Titels ist nicht verwunderlich, ist doch die indische Geisteswelt den meisten Afrojamaikanern fremd. Zudem haftet dem Guru-Begriff eine Mehrdeutigkeit an, die abhängig ist von den jeweiligen Texttraditionen. Ein viel zitierter Text aus dem Kulārṇava-tantra XII, 49 lautet: „Der Guru ist Vater; der Guru ist Mutter; der Guru ist Gott Śiva. Wenn Śiva sich erzürnt, ist der Guru der Erretter; aber wenn der Guru erzürnt ist, bleibt niemand [zur Errettung]“ (zit. Steinmann 1986: 100). Der Guru als Nachfahre der Rishis ist Lehrer der Welt und eröffnet den Zugang zum Heil, das in der Hinführung zum kosmischen Guru besteht. Letzterer erscheint als göttli- che Inkarnation, als avatāra, d.h. Herabstieg. Müssen wir Howells Selbstverständnis so ver- stehen? Aus seinem Aufenthalt in den USA waren ihm „göttliche Menschen“ keine Fremd- heit (siehe I.4.). Für den Hinduismus sei hier auf Sai Baba verwiesen, der als avatāra Shivas gilt (Spurr 2007). Es ist zudem tatsächlich so, dass dem traditionellen indischen guru-śiṣya-paramparā, d.h. dem Meister-Schüler-Verhältnis göttliche Aspekte zueigen sind (Nuttall 1997: 102). Die- sem Modell liegen seit alters her die Haltungen von śuśrūṣā und śraddhā zu Grunde, also Ge- horsam und blinder Glaube (Zimmer [1961] 1994: 56). Der Schüler schuldet dem Meister bhakti, d.h. Verehrung, die der eines Gottes ähnelt (Nuttall 1997: 101). Der Guru, der „Ehr- würdige“ oder „Meister“, ist nicht nur geistlicher Lehrer und Führer, sondern nach der Tradi- tion auch „Vater, Mutter, Gott“ (Kölver 2003: 189). Weil er Kenntnis von der Gottheit hat, steht er über den „normalen“ Menschen. Eine letzte Steigerung besteht dann darin, dass er, eben weil er den Weg zur Gottheit kennt, auch „die Gottheit vertritt, verkörpert, ist“ (ebd.: 235). In diesem Sinne kann der schon erwähnte „Personenkult“ angeführt werden: „Leonard Howell seeks me an he finds me …“ (siehe Seite 201). Eine Besonderheit der indischen Meister-Schüler-Relation ist die daraus resultierende fiktive Verwandtschaft (Nuttall 1997: 91), die dazu führt, dass alle Schüler sich als gurubhais verstehen, also als bhai oder Bruder bzw. behin oder Schwester. Ist es wirklich ein Zufall, dass die männlichen Rastas sich als bredren (von engl. brethren) anreden und von einer „Bruderschaft von I&I Rastafari“ sprechen (Faristzaddi 1982: Vokabular des Iyarischen)? Frauen wiederum werden als sistern/sistrin bezeichnet, „Schwestern in dem Namen Rastafa- ris“. So wie im indischen Kontext der Guru als Vater/Mutter das Zentrum der Verwandt- – 216 – schaft bildet, so bei den Rastas Haile Selassie oder Rastafari. In diesem indischen Kontext kann auch durchaus das iyarische „I and I“ verstanden werden, das für die Einheit von Gläu- bigen und Rastafari steht (siehe Kap. V.4.c.). Allerdings verzeichnet auch das „Dictionary of Jamaican English“ Begriffe wie bredda, bredder und breder, die zurückreichen bis in das Jahr 1837, und sister, sista und ähnliche Formen der höflichen Anrede für Frauen (Cassidy/ Le Page [1967] 2002: 68. 410). In dem oben angeführten Lied, das wir zunächst dem Personenkult zugeordnet haben, ist die Rede, dass Leonard Howell den Menschen sucht und findet. Auch in dem traditionellen guru-śiṣya-Verhältnis kann es geschehen, dass der Meister den Schüler gezielt aussucht. In der indischen Geschichte war dieses Beziehungsverhältnis mit dem Leben in einem Āśram oder Maṭha verknüpft. Aber das scheint für das 20. Jahrhundert schon nicht mehr durchweg der Fall gewesen zu sein. Ralph Steinmann führt dazu aus:

Insofern heutzutage die Schülerschaft gegenüber einem Guru in der Regel mit der Auf- nahme in eine zahlenmässig grosse Gemeinschaft bzw. mit der Anhängerschaft einer Be- wegung verbunden ist und damit gruppendynamischen Mechanismen unterworfen wird, ergeben sich für sie stark veränderte Voraussetzungen. (Steinmann 1986: 191)

Ergänzend ist auf den Bericht von Denise Nuttall zu verweisen, die in Mumbai bei einem Guru das Tabla-Spiel nach der Hindustani-Tradition erlernte und in keiner Kommunität lebte (Nuttall 1997). Howells „Pinnacle“ hatte individuelle Häuser, zu denen eine kleine Landwirtschaft und Viehzucht gehörte, aber auch die kommunale Arbeit zum Wohl der Gemeinschaft sowie die Teilnahme an einem gemeinsamen Sozialleben. Letzteres umfasste nach der sonntäglichen Mahlzeit — Ziegen wurden geschlachtet und wohl zu curry goat, einem indischen Gericht, zubereitet — eine Parade, Tanzen und Singen zu den Rhythmen der zwei Kumina-Trommeln baandu und funde (Chevannes 1994: 123). „Pinnacle“ hatte keine Parallele in den Maroon- Siedlungen und sprengte auch den Rahmen des jamaikanischen Yards. Es wird ferner überlie- fert, dass Howell nicht nur autokratisch herrschte, sondern auch körperliche Züchtigungen verfügte (ebd.: 124) — was beispielsweise für einen demokratisch gewählten „Chief“ einer Maroon-Siedlung nicht vorstellbar ist. Da Leonard Howell sich als Guru bezeichnete, wird er wohl auch über seinen indischen Gewährsmann einige Kenntnisse von den indischen Saṃskāras gehabt haben, zumal es in Ja- maika bis in die 1940er Jahr hinein die Upanaya sowie die abschließende Zeremonie des Saṃvartana, mit der der Schüler seine Studien beim Guru beendete, durchaus noch gegeben hat (Shepherd 1994: 168). Möglicherweise hat er die Bedeutung von śiṣya — wörtlich „einer, der zu züchtigen ist“ — selbstherrlich auch in die Tat umgesetzt! Eine Parallele zu den sonntäglichen Festlichkeiten in „Pinnacle“ findet sich wiederum im Leben der Indojamaikaner. Auch auf den Plantagen fanden die religiösen Aktivitäten der Hindus am Sonntag statt. Eine Schilderung des Zeremoniells des Sat Sangh, d. h. der – 217 –

„Gemeinschaft der Wahrheit“, findet sich bei Mansingh/Mansingh 1999: 66f. Neben dem Chanten von Mantras, dem Singen der bhajan216, dem ārti/āratī-Ritual der Gottesverehrung und dem damit verbundenem Schwenken von Lichtern vor dem Gottesbildnis, dem Blasen der Muscheln, Schlagen von Trommeln und Läuten von Glöckchen sind es die wiederholten Jubelrufe auf die Gottheit wie Jai Ramji217 oder Jai Bhagwanji218, die auf den Plantagen er- schallten und zweifellos Aufsehen erregten. Zu den Thesen der Eheleute Mansingh hinsicht- lich des indischen Einflusses auf Rastafari gehört die Nähe von Jai zu Jah, der Rasta-Be- zeichnung für Gott. Wir werden darauf noch zurückkommen. Wie hinlänglich bekannt ist, war Leonard Howell der erste Großproduzent von Ganja; zwischen 1939 und 1940 begann der großflächige Anbau des „heiligen Krauts“. Hélène Lee stellt sogar die These auf, wonach die Bewegung der Rastas sich erst im Kielwasser des Gan- ja-Anbaus entwickelt habe: „il a été porté par la ganja“ (Lee 1999: 197). Das klingt nicht ge- rade schmeichelhaft, dürfte aber insofern zutreffen, als dem Marijuana-Genuss eine zentrale Bedeutung zukommt. Dieses ist allerdings keine Erfindung der Rastas, sondern ist zweifellos eine Folge des indojamaikanischen Einflusses! Und damit letztlich eine Folge der Diffusion des asiatischen „ganja complex“ (Hamid 2002). Das Ehepaar Mansingh schildert in ihrer Darstellung der Vertragsarbeiter in Jamaika, dass die in der kolonialen Zeit ausgebeuteten Inder gelegentlich und heimlich an einem abge- legenen Ort eine Kali-pūjā ausführten und der Göttin einen Schafbock opferten und laut chanteten Jai Kali mai, d. h. „Heil der Mutter Kali“! Einige mögen am Blut geleckt haben, alle aber rauchten anschließend Ganja. Danach traf man sich im Haus des Gastgebers, um zu singen, zu tanzen, bhang219 zu trinken, Ganja zu rauchen und die Göttin laut zu bejubeln, während Curry-goat zubereitet wurde (Mansingh/Mansingh 1999: 67). Wenn man bedenkt, dass Hindi जैjai von Sanskrit जय jayá abgeleitet ist und auch als Bezeichnung für cannabis dient (Russo 2005: 4), dann lässt sich wohl kaum bestreiten, dass es eine Verknüpfung von Gottesverehrung/Gottesanrufung und Ganja gibt! Zum Ganja-Komplex werden wir noch aus- führlich in Kap. V.5.g. Stellung nehmen. Kehren wir zu Leonard Howell zurück. Am 14. Juli 1941 kam es zu einer ersten Polizei- razzia: Howell und einige Mitglieder wurden verhaftet. Wegen mehrfacher Körperverletzung wurde Howell zu zwei Jahren mit Schwerstarbeit verurteilt; er selbst hat die Anklagen ge- leugnet. 1943 kehrte Leonard Howell zurück und begann mit einem groß angelegten Ganja- Anbau und -handel. Erstaunlicherweise konnte er, von der Polizei ungestört, bis 1954 seine Geschäfte betreiben. Es wird vermutet, dass es Beziehungen zwischen Howell, dem kolonia-

[216] Ein bhajan ist ein religiöses Volkslied, in denen Gläubige ihre Liebe zu Gott besingen. [217] Bedeutet etwa „Heil (oder: Sieg) dem Rama (mit dem Höflichkeitspartikel ji). [218] Bhagwan steht hier für „Gott“. [219] Bhang von Sanskrit bhaṅgā ist ein Derivat des Blattes und der Blüte der weiblichen cannabis sativa und wird mit anderen Ingredienzen zur Herstellung eines leicht berauschenden Getränks hergestellt, das geradezu als offizielles Holi-Getränk Indiens bezeichnet werden kann. Bhang war schon das heilige Getränk der indi- schen Götter in der Antike, insbesondere wird Shiva als „Herr des Bhangs“ gefeiert und zahlreich sind die Abbildungen, auf denen Parvati ihm Bhang darreicht. – 218 – len Establishment und der Regierung unter Alexander Bustamente gab (Dijk 1993: 103). „Pinnacle“ blieb das unangefochtene Zentrum von Rastafari bis zum Tage der großen Razzia am 22. Mai 1954, als Polizei und Militär die Kommune mehr oder minder zerstörten und 140 Rastas verhafteten. Howell befand sich nicht unter den Verhafteten, er war bereits wegen des Besitzes von Medizingeräten im April in Kingston verhaftet worden. Barry Che- vannes berichtet diesbezüglich:

Besides preaching and ruling the community, Howell also had a practice. “He had his in- strument like a doctor when him perform ’pon the people, just like a doctor up at U.C. [= University College of the West Indies].” This would seem to be a stethoscope. There is some truth to this claim, for after his release from the mental asylum, Howell set up an office along East Queen Street, where he treated people coming to him for cures. Like Hibbert, he had a reputation of being a „scientist“. (Chevannes 1994: 124)

Leonard Howell als „scientist“ kannte sicherlich aus seiner Zeit in Harlem die in Jamaika verbotenen Publikationen von Lauron William de Laurence aus Chicago wie z. B. „The great book of magical art, Hindu magic and East Indian occultism, and the book of the secret Hin- du, ceremonail, and talismanic magic“, das in seinem Verlag in Chicago 1915 erstmals er- schien (Prashad 2001: 90). Auf einer der Tafeln nach dem Inhaltsverzeichnis von „Book One“ findet sich die Abbildung „A Hindu ascetic of Benares, India“: Der Asket im so ge- nannten halben Lotus-Sitz trägt sehr lange und ungeschnittene Locken! Interessant ist ferner, dass de Laurence auch zusammen mit William Walker Atkinson (1862-1932), einem Pionier des „New Thought“, publiziert hat. Letzterer hat auch unter dem Pseudonym Yogi Rama- charaka, Swami Bhakta Vishita und Swami Panchadasi geschrieben. Von der Abbildung ei- nes jamaikanischen jaṭādhara war bereits die Rede auf Seite 204. „Pinnacle“, die große Kommune, ist zerstört, seine Bewohner haben sich in die Slums von Kingston begeben. 1980 verliert Leonard Howell aus unbekannten Gründen den Landbe- sitz und stirbt im Februar 1981 in einem Luxushotel in Kingston. Zu diesem Zeitpunkt hatte der „Gong“ keinen Einfluss mehr: 1949 hatten einige „Brothers“ aus Trenchtown die „Youth Black Faith“ gegründet. Es war eine radikale Reformbewegung (Chevannes ebd.: 169), die mit den alten Führern und ihren Ritualen unzufrieden war. Zu diesen gehörten auch solche bedeutenden Elders wie Ras Sam Brown oder Prince Edward Emmanuel von dem Orden der „Bobos“. War bis dahin Jamaika von einer „mulatto-orientation“ geprägt, so entstand nach und nach eine „Afro-orientation“, die sich zu einer „Afro-centricity“ entwickelte. Es beginnt die Zeit der „Reafrikanisierung“, bei der auch Elders wie Mortimer Planno als intellektueller Kopf eine Rolle spielen werden und Count Ossie mit seinen afrikanischen Trommeltechniken entscheidend zur Verbreitung von Rastafari beitragen wird. Dazu gehört auch die „Heimho- lung“ des Propheten Marcus Garvey, eben jenes Mannes, der Rastafari abgelehnt und Haile Selassie heftig getadelt hat. Aber Marcus Garvey mit seiner Agitation für Afrika war die Klammer, die die Rastas in Jamaika mit Afrika verbinden konnte! – 219 –

Die 1960er und 1970er Jahre sind nach Erna Brodner von „Black consciousness“ geprägt sowie von eigener lokaler Musik (Brodner 1985). In diese Zeit fällt auch die „Culture of Dread“ (siehe Seite 83). Ein wichtiges Medium sollte der afrozentrische Reggae sein. Inso- fern haben die Rastas sicherlich einen gewichtigen Anteil an der Entdeckung des afrikani- schen Ursprungs der Mehrzahl der Bewohner Jamaikas! Man kann auch noch auf solche Einflüsse wie Panafrikanismus und die Black Power-Be- wegung verweisen. Ihre Losung „Black is Beautiful“ wurde von den Ostindern in der Karibik nicht geteilt: „East Indians in the Caribbean do not see themselves as black“ (Brathwaite [1974] 1985: 47). Die Unabhängigkeit des Inselstaates Jamaika dürfte den afrikanischen Charakter seiner Bewohner in den Vordergrund geschoben haben. Nichts könnte die Einstel- lung der Afrojamaikaner besser ausdrücken als der Ausspruch eines afrojamakanischen Leh- rers zum Inder Guha Shankar während seines Forschungsaufenthalts, als ersterer über den „Emancipation Day“ sprach und in scharfem Ton zu ihm sagt… “That’s not for you. It’s not your celebration“ (Shankar 2003: 153). Wenn es um diesen Gedenktag oder um „Indepen- dence Day“ geht, sind die Medien voll über die „African-ness of Jamaica and the importance of African culture and heritage to the nation“ (ebd.: 150). Nach der Unabhängigkeit waren afrojamaikanische Intellektuelle damit beschäftigt, für eine Dekolonisierung von „Black Ja- maica“ zu kämpfen (ebd.: 173). Andere ethnische Gruppen verloren an Bedeutung. Das verhindert jedoch nicht, dass auch Indojamaikaner ihre „roots“ entdecken, doch bleibt die Zukunft indischer Religion und Kultur ungewiss (Mansingh/Mansingh 1999: 129f.). Mit dem Ende von Pinnacle endete auch die interkulturelle Begegnung zwischen Afro- und Indojamaikanern.

d. Nyavingi/Nyabingi/Nyabinghi — Realität und Mythos

Mit dem Begriff „Nyabingi“ beginnt die Entwicklung eines großen Mythos, der zugleich dazu dient, die Afrikanizität von Rastafari zu erfinden! Heute gehört das angeblich gegen Ende der 1930er Jahre begründete Nyabinghi-Kollektiv zu den ältesten und ausgesprochen orthodoxesten Gruppen im Rastafarianismus. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass es u. W. als Beleg für diese frühe Gründung nur die Ausführungen im Universitäts-Re- port von Smith/Augier/Nettleford 1960 gibt.

… Niyabingi [sic!] was defined in Jamaica as ,Death to black and white oppressors‘. Some of those people who worshipped the Emperor and were locally known as „Ras Ta- faris‘ or ,Rastamen‘ came to describe themselves as ,Niyamen‘ — that is, members of Niyabingi. The Niyabingi commitment to racial violence generalised the violence already preached by Howell. (ebd.: 11)

George Eaton Simpson, der als erster Sozialwissenschaftler sich mit Rastafari beschäftigt – 220 – hat, vermerkt, dass er sich nicht erinnern kann, zu jener Zeit, also 1953, den Terminus Nya- binghi gehört zu haben (Simpson 1994: 5) und verweist bezüglich des „House of Nyabinghi“ auf Homiak [1990] 2000. Letzterer schreibt, dass das „House of Nyabinghi“ seine Gründung auf die Erfahrungen in den camps und yards in den 1940er und 1950er Jahre zurückführt (ebd.: 51). Jack Johnson-Hill wiederum schreibt, dass Howell nach Lektüre des Zeitungsbe- richts über den Nyabingi-Orden in Äthiopien den Begriff „nyabinghi as a rallying cry for Ra- stafarians“ geprägt habe und zwar in dem Sinne „death to black and white oppressors“ (Johnson-Hill 1995:18). Einen Beweis hierfür teilt er jedoch nicht mit! Simpson berichtet in einer weiteren Veröffentlichung, die auf der Feldforschung von 1953 beruht, dass während eines Meetings der Ausspruch fällt: „Ras Tafari started Mau Mau“ (Simpson 1955a: 136). Auch hier zeigt sich wieder historische Unkenntnis seitens der Rastas hinsichtlich des antikolonialen Kampfes der Kikuyu. Zwar bezeichneten die Briten diesen bereits ab 1947 als „Mau Mau“, aber die eigentliche „Mau-Mau-Rebellion“ von 1952-1956 stand unter der Führung von Jomo Kenyatta (1894-1978). Wenn also im Anschluss an die Veröffentlichung des Artikels von Philos (siehe unten) in der „Jamaica Times“ vom 7. Dezember 1935 von einem „Niyabingi commitment“ der Rastas gesprochen wird, dann ist Vorsicht geboten. Es sei daher auf die Kritik von Ken Post hinge- wiesen, wonach der Report zwar wertvolle Informationen enthält, „but its historical material must be treated with some care, as it contains inaccuracies“ (Post 1978: 196; vgl. Hill 1981: 31). John Homiak vertritt inzwischen den Standpunkt, dass es in der Frühzeit der Bewegung sicherlich keine Gruppe mit dem Namen „Nya-Binghis“ gab; zweifelhaft ist, was überhaupt darunter verstanden wurde. In den 1950er Jahren stand der Begriff ursprünglich für den rassi- schen Protest, entwickelte aber weitere Bedeutungen. Danach wurde daraus ein Sammelbe- griff für gewaltlosen Widerstand und dem „ritual-drumming-complex“ of Rastafari. Seit den frühen 1970er gibt es solche zeremoniellen Zusammenkünfte, die unter der Bezeichnung „Nyahbinghi“ bekannt sind (Homiak 2005: 88). Nach dem Universitätsreport wiederum ge- hört das „Niyabingi ethos“ (Smith/Augier/Nettleford 1960: 28) zu den unterschiedlichen Gruppierungen, die es um 1960 in der Rastafari-Bewegung gibt: „Niyabingi“ ist eine Losung für jene, die als „Locksmen“ zu bezeichnen sind und in den elendesten Slums leben (ebd.). Über die Zeit der Entstehung erfahren wir jedoch nichts! Am Anfang der Nyabinghi Rastas steht die blühende Phantasie eines gewissen Federico Philos (wohl ein Italiener wegen der Schreibung des g mit „h“ als ghi, um auch im Italieni- schen das g als solches aussprechen zu können), der in der Wochenzeitung „Neues Wiener Tagblatt“220 vom 17. und 24. August 1935 die Gefahr heraufbeschwört, die Europa durch die „gelbe und schwarze Gefahr“ drohen: „,Nya-Binghi‘ — Tod der weißen Rasse, Tod den Eu- ropäern — heißt dieser Geheimbund“ (17.08.1935, S. 7). Als Haupt desselben wurde im sta- linistischen Moskau (sic!) im Jahre 1930 Ras Tafari, der Negus von Abessinien, Haile Selas- sie, gewählt.

[220] Im Internet unter ONB/ANNO AustriaN Newspaper Online () verfügbar. – 221 –

Der erste Erfolg des Negus war nach Philos ein rätselhaftes Sterben in Kreisen des Ku Klux Klan infolge von Gift. Das nächste Ziel ist „die Verdrängung der Europäer aus den Ne- gerländern!“ Im zweiten Artikel ist die Rede von der „Verschwörung der Neger“ und der „Kampfansage an die weiße Rasse“ (24.08.1935, S. 9). Angeblich seien 180 Millionen Schwarze zum großen Teil Freunde oder Mitglieder des „Nya-Binghi“. Im Kongostaat sei der Geheimbund besonders vorbildlich organisiert. Abgesandte des Negus gingen auch nach Ja- pan. Überall hört man nach Philos den Namen Haile Selassie: „Er wird als wirklicher Messi- as, Retter aller Negervölker und künftiger Kaiser des riesigen, einzigen und freien Negerrei- ches betrachtet“. Und bezüglich der Nennung des Negus schreibt Philos: „[D]ie Augen des Schwarzen leuchten auf im wilden Fanatismus, verehren sie ihn doch als ein Idol, als ihren Gott“. Wer für ihn stirbt, dem sei das Paradies sicher. Außerdem werden dem Kaiser wegen seiner göttlichen Ehren „blutige Opfer dargebracht“ (ebd., S. 10). Erst gegen Ende des Arti- kels wird deutlich, welchem Zweck diese Propaganda dienen soll: dem Sieg Italiens über Abessinien, das Italien im Oktober 1935 überfallen sollte. Einen Nyabingi- oder Nyavingi-Kult hat es in der Tat gegeben, es gibt ihn auch noch heute in der Region der Großen Seen Ostafrikas und er ist inzwischen gut erforscht (Packard 1982; Freedman 1974, 1984; Feierman 1999; Schoenbrun 2006). Eine Beschreibung dieses überwiegend auf oralen Traditionen basierenden Phänomens ist nicht ganz einfach, zumal der Kult sich dem sozialen, kulturellen und politischen Wandel in der Region angepasst hat. Ste- ven Feierman schlägt deshalb vor, Nyabingi-Erzählungen in Übereinstimmung mit den For- schungen von Renee Tantal über den Cwezi-Heilungskult221 dahingehend zu verstehen, „that many of the oral narratives about mediumship are meant as both descriptions of actual events in the past and as allegorical descriptions of healing rites“ (Feierman 1999: 191). Deshalb können auch unterschiedliche weibliche Persönlichkeiten in den Erzählungen als Nyabingi angeführt werden. Schon Elizabeth Hopkins hatte darauf hingewiesen, dass es unterschiedli- che Traditionen über den Ursprung des Kults gibt (Hopkins 1970: 262-264). Im Kult waren Priester und Priesterinnen als bagirwa, Medien als Spezialisten, anzutref- fen. Aber vor allem sind es Frauen, die einen kritischen Widerstand gegen königliche Auto- rität anführten, insbesondere nach der Wende zum 19. Jahrhundert (Schoenbrun 2006: Nr. 59). Die Nyabingi-Erzählungen lassen erkennen, dass die „natürliche“ Macht der Patriarchen als willkürlich angesehen wurde (Feierman 1999: 208). Es ging in diesem Kult vorrangig um Gesundheit, Fruchtbarkeit und kollektives Wohlergehen. Während also hier Frauen überwie- gend als Medium fungierten und die patriarchale Autorität in Frage stellten — in ähnlicher Weise bilden auch im Revivalism Frauen die Mehrheit —, sollten diese in Rastafari margina- lisiert werden. Nyabingi machte von sich Reden in der Grenzregion zwischen Kongo, Uganda und Ru- anda. Ursprünglich stand Nyabingi in Beziehung zu den Bashambo-Königreichen, die gegen

[221] Cwezi bezeichnet ursprünglich alte ostafrikanische Dynastien, deren Geister oder Gottheiten ebenfalls Cwezi genannt werden und als Wächter der Abstammungsgruppen gelten. – 222 –

Ende des 18. Jahrhunderts in Uganda und Ruanda entstanden, nach dem Zusammenbruch des Königreichs Ndorwa. Nyabingi/Nyavingi war der mächtige Geist eines verstorbenen weibli- chen Ahns (Packard 1982). Später wurde dieser Besessenheitskult von anderen Ethnien über- nommen wie den Bahunde und Bashu im Nordostkongo und den Kayonza in Kigezi (Ugan- da), weil er als spirituelle Stütze weltlicher Herrschaft diente. Der Zugang zur „Mutter der Fülle“ („mother of abundance“, Packard 1982: 81) über ein weibliches Medium war biswei- len das exklusive Recht der Herrscher. Im Zuge der Kolonialisierung, insbesondere unter den Belgiern, wandelte sich bei den Bashu der verstorbene weibliche Ahn Nyabingi/Nyavingi in eine lokale therapeutische Institution: ein Buschgeist unter vielen, den man individuell um Hilfe anging. Bisweilen konnte der Nyabingi-Kult, um dessen Einvernahme Herrscher sich zum Zwecke ihrer Legitimation bemühten — unter Führung von heroischen Medien — auch zum politischen Widerstand gegen Feinde mobilisieren — im späten 19. Jahrhundert gegen Ruan- da (Iliffe 1997: 248) — oder auch als grenzübergreifende antieuropäische Widerstandsbewe- gung fungieren. Letztere wandte sich zwischen 1880 und 1910 und darüber hinaus gegen bri- tische, deutsche und belgische Kolonialherren in der oben genannten Grenzregion (ebd.: 263; Philipps 1928; Schoenbrun 2006: Nr. 58). Nyabingi war jedoch nicht der einzige religiös mo- tivierte Widerstand gegen die Kolonialmächte, es gab ihrer mehrere, wie Iliffe 1997: 259-263 zeigt! Es entspricht dem kolonialen Diskurs (Ashcroft/Griffiths/Tiffin 1998: 42-43), wenn die Gefahr, die angeblich von der „schwarzen Rasse“ droht, bei denen „es sich ja zum größten Teil um primitive Völker handelt“ (Federico Philos), auch im British Empire Gehör fand. Zu- nächst wurde Philos’ Artikel in gekürzter Form im November 1935 in der kanadischen Zeit- schrift „Magazine Digest“, vol. 11, pp. 80-83, veröffentlicht und danach am 7. Dezember 1935 in der „Jamaica Times“ abgedruckt. Ein Nachdruck findet sich als Appendix III in Smith/Augier/Nettleford 1960: 43-47, wobei vorausgeschickt wird, dass es sich dabei wahr- scheinlich um Erfindungen der italienischen Kriegspropaganda handelt. Dennoch, „its state- ments were accepted at face value by some Ras Tafari brethren, who thereupon constituted themselves members of the “Niyabingi Order”, and preached violence against whites“ (ebd.: 43). Dass der Vorname Philos’ in „Frederico“ abgewandelt wird und bis in die Gegenwart fortlebt (z. B. Lutanie 2007: 41), ist nur eine Marginalie. Auf Unverständnis muss jedoch stoßen, dass die Autoren des Universitätsreports sich nicht kundig gemacht haben, was denn eigentlich wirklich mit Nyabingi gemeint ist. Unkritisch wurde die frei erfundene Behaup- tung Philos’ übernommen, wonach „Nya-Binghi“ „Tod der weißen Rasse, Tod den Europä- ern“ — in der englischen Ausgabe: „Death to the Whites“ or „Death to the Europeans“ — be- deuten soll. Das aber heißt, man bleibt im kolonialen Diskurs, mit Folgen für die Rastafari- Forschung bis in die Gegenwart hinein! Das zeigt sich in Barry Chevannes’ Standardwerk über Rastafari — „Rastafari: roots and ideology“ —, in dem unkritisch auf den Bericht von Philo und der Organisation „Nya-Binghi or ,Death to the whites“ Bezug genommen wird – 223 –

(Chevannes 1994: 43), dann aber wiederum angeführt wird: „Now by the 1960s, according to the University Report, Nyabinghi meant ,Death to black and white oppressors‘“ (ebd.: 164; vgl. Smith/Augier/Nettleford 1960: 11). Dieses ist jedoch eine Interpretation, die historisch nicht haltbar ist. Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches von Chevannes gab es bereits schon eine umfangreiche Literatur zum Nyabingi-Kult (z. B. Packard 1982; Freedman 1984), die nicht berücksichtigt worden ist. Wer den Originaltext des Philos-Elaborats untersucht, wird schnell feststellen, dass der Autor sich widerspricht: In der „Neuen Wiener Ausgabe“ vom 17. August 1935, Seite 7, wur- de der Geheimbund im belgischen Kongo 1923 gegründet und Nya-Binghi bedeutet „Tod der weißen Rasse, Tod den Europäern“, in der Ausgabe vom 24. August 1935, Seite 9, wird Nya- Bingi mit „Tod den Weißen“ übersetzt und „ist der abessinischen Sprache entnommen“. Das ist mit Sicherheit unzutreffend: „Nya-Binghi“/„Nya-Bingi“ ist keine amharische Wortverbin- dung, sondern ist eindeutig ein Bantuwort. Das gebräuchlichste Wort für „Tod“ ist amhar. mot ሞት und „Weißer“ wäre pejorativ amhar. näc˚\ac˚\´bba ነጫጭባ oder färänj ፈረንጅ, im Plu- ral färänjoc˚c˚ ፈረንጆች. „Tod den Weißen“ wäre dann mot läfäränjoc˚c˚, ሞት ለፈረንጆች.222 Es gibt im Amharischen auch noch andere Synonyme für „Tod“ und „Weißer“, aber keines hat nur eine entfernte Ähnlichkeit mit „Nya-Bingi“. Offensichtlich ist der Autor nicht der am- harischen Sprache mächtig gewesen. Es bleibt auch zu fragen, ob der Autor — wie im Vorspann des Artikels angegeben — sich im August 1935 überhaupt in Addis Abeba aufgehalten hat, nachdem Italien bereits am 5. Dezember 1934 mit dem Überfall auf die Oase Walwal im äthiopischen Ogaden seine Ag- gression begonnen hatte. Im August 1935 war die Lage zwischen Äthiopien und Italien äu- ßerst angepannt, so dass es zweifelhaft ist, ob ein italienischer Journalist sich noch in Addis Abeba aufhalten konnte. Nyavingi/Nyabingi ist also ein Bantuwort mit der Bedeutung „Mutter der Fülle“, in dem Sinne, dass sie die Mutter vieler Dinge ist.223 Und einen Geheimbund der Afrikaner mit dem Namen Nyahbinghi hat es also nie gegeben. Gerade deshalb, weil es keine Nyabingi-Gemein- schaften gab, bleiben die politischen Nyabingi-Bewegungen rätselhaft (Feierman 1999: 202). Gleichfalls erscheint die Mediumität weniger als Religion denn als eine Form „praktischer Vernunft“: Dem Medium ging es nicht um religiöse Äußerungen, sondern um eine Reorien- tierung in der Welt aus praktischen Gründen, den Kranken zu heilen, den Hunger und eine epidemische Krankheit zu beenden (ebd.: 202f.). Nyabingi geht es also nicht darum, über Ge- walt die Situation zu kontrollieren: „Nyabingi’s drum is situated in a domain which is beyond violence“ (ebd.: 199). Nach Elizabeth Hopkins bestand auch eine Schwäche des Nybingi- Kults darin, dass „despite its magico-religious matrix, the cult remained secular in intent“ (Hopkins 1970: 335), er verlor in den späten 1920er Jahren seine Bedeutung als Träger des

[222] Ich danke Herrn Prof. Dr. Voigt, Berlin, für die freundliche Überprüfung der amharischen Wörter (E-Mail vom 12.06.2008). [223] Das Präfix nya bedeutet „Mutter“, verbunden mit Präfix bi/vi und Adverb ingi, „plenty, much, many“ (Johnston [1919-1922] 1977, vol. II: 242.228.491). – 224 –

Widerstands: Eine neue afrikanische Elite war durch die kolonialen Strukturen entstanden! Aber, wie oben schon gesagt, Nyabingi-Heiler gibt es auch noch heute! Insofern ist es unzutreffend, wenn Werner Zips noch im Jahre 2007 schreibt: „Nyahbing- hi hat die wörtliche Bedeutung von ,death to Black and white downpressors‘ (Tod allen Schwarzen und weißen Unterdrückern) und bezog sich auf den antikolonialen und antifa- schistischen Kampf Kaiser Haile Selassies I. von Äthiopien gegen die italienische Invasion Mussolinis“ (Zips 2007: 193). Auch die diesbezüglichen Ausführungen von Bianca Brynda sind mit äußerster Vorsicht zu betrachten, spricht sie doch von einem „Nyahbinghi Order of Warriors in Ethiopia” (Brynda 2000: 80), den es nie gegeben hat und dessen Oberhaupt Haile Selassie gewesen sein soll. Die Verknüpfung von Nyabingi mit Kaiser Haile Selassie ist völ- lig abwegig und ein ideologisches Produkt von Federico Philos! Folglich ist auf keinen Fall ihre These zutreffend: „The African origin of the Nyahbinghi cult is an ancestor of Rastafari“ (ebd.). Das gilt auch für die Ausführungen von Werner Zips. Der Mythos über Haile Selassie und den angeblichen Nyahbinghi-Orden ist unter den Rastas weit verbreitet und findet sich z. B. auch in einer von E. S. P. McPherson und Leah- cim Tufani Semaj verfassten „Rasta Chronology“, die 1985 in einer wissenschaftlichen Zeit- schrift veröffentlicht wurde.224 So auch in Internetforen wie z. B. „Rastafari forum: IMPORT- ANT FACTS ABOUT H.I.M. HAILE SELASSIE I“225 aus dem Jahre 2003. Aber es gibt bereits auch Rastas, die — wie „twelvetribeslion“ — ihre Zweifel haben, weil sie niemals ein Dokument über dieses angebliche Treffen von Haile Selassie und afrikanischen Führern in Moskau gesehen haben. Die Antwort von „Jahphet Anbesa“ ist dann: „Yes, I haven’t saw a document or something like that too. But I n I Elders teach so. And how could so many diffe- rent people say the same, when this never happened?“ Das Nyabinghi-Mythologem wird auch in einschlägigen Lexika226 verbreitet, weshalb ein Ende desselben nicht abzusehen ist! Die Nyahbinghi Rastas in Jamaika sind eine Schöpfung von Rastafariern, die nach Boris Lutanie sich am Rande der von Howell, Dunkley, Hibbert oder Hinds geführten Gruppen in loser Form sammelten (Lutanie 2007: 41-42); nach Hélène Lee sind das die Rastas in den Ghettos von Smith Village und Trench Pen (Lee 1999: 117). Vermutlich war der Wunsch entscheidend, dem bedrängten Kaiser in irgendeiner Weise zu unterstützen bzw. seine Sym- pathie auszudrücken, indem eine Gemeinschaft mit diesem Namen gegründet wurde. Die zeitliche Einordnung einer solchen Entwicklung bleibt jedoch vage! Wir werden auf die Gruppe noch später zu sprechen kommen, aber soviel sollte klar sein, dass diese Rasta-Tradi-

[224] Siehe die Monographie „Rastafari“, in: Caribbean Quarterly Monograph, pp. 116-119, hier p. 117. [225] (Zugriff vom 15.08.2007), vgl. auch Rastafari.de unter „Teachings“. [226] Jace Clayton, „Nyabinghi“, in: Africana, p. 1450: „The term nyabinghi originally meant ,death to the whi- te oppressors and their black allies‘“; Carole Yawney/John P. Homiak. „Rastafari“, in: Encyclopedia, p. 261: „… the term ,Nyabinghi‘ entered Jamaica through reportage about the Italian-Ethiopian conflict which stated that Emperor Selassie I was the head of the Nyabinghi-Order, a secret anticolonial society. From that point forward, the term, interpreted as death to black and white oppressors, became a fixed part of the Rasta- fari and Jamaican vocabulary“. – 225 – tion nichts mit Afrika zu tun hat, ist doch Philos’ Bericht bereits eine Fiktion. Wie Hélène Lee zu Recht ausführt, ist der Gründungstext dieser Bewegung „un texte de propagande raci- ste, écrit par un Blanc et conçu pour exacerber la paranoïa des Blancs. Un monde sépare la rédemption noire des Garvey, Athlyi et autres, et la guerre des races qu’évoque Philos“ (ebd.). Hier konstatieren wir einen Bruch mit der bisherigen Tradition, auf die Rastafari sich so gerne beruft.

Lá où Howell parlait d’amour, il parle de haine; là où Howell parlait de renaître, les nya- binghis, selon Philos, parlent de tuer. Mais cette haine des Blancs, propre aux nyabinghis (bien que présentée comme intrinsègue au mouvement rasta par la plupart des ethnolo- gues), est elle-même le produit de l’imaginaire blanc… (Lee 1999: 118).

Abschließend bleibt noch einmal festzuhalten: Der wirkliche Nyavingi/Nyabingi-Kult in Afrika ist — wie oben dargestellt — eine Kulttradition, die dem Rastafarianismus völlig ent- gegengesetzt ist. So lehnen z. B. die Rastas seit den 1950er Jahren die Geistbesessenheit ab, die in Nyavingi — wie auch im Revivalism — von zentraler Bedeutung ist (Barsch [2003] 2004: 96). Die Rastafari-Forschung aber hat sich bislang mit einer Aufarbeitung dieses Sachverhalts nicht auseinander gesetzt, sondern ist unkritisch dem Universitätsreport von 1960 gefolgt. Eine Ausnahme im deutschsprachigen Raum stellt dagegen die Arbeit von Volker Barsch dar, der dem Philos-Mythologem über Haile Selassie und Nya-binghi nachgeht und sich auch mit dem ostafrikanischen Nyabingi beschäftigt und feststellt: „Die genauen historischen Hinter- gründe der Nyabingi-Bewegung in Afrika dürften sehr vielen Rastas unbekannt sein“ (Barsch [2003] 2004: 96). Allerdings hat Volker Barsch nur die ältere Forschung über Nyabingi rezi- piert, deren Ergebnisse heute durch neuere Untersuchungen korrigiert worden sind.

e. Zwischenergebnis

Rastafari kennt zwar keine kanonischen Schriften, die verbindlich wären, dennoch gibt es wichtige „root documents“: „The Holy Piby“ von Robert Athlyi Rogers von 1924 und „The Royal Parchment Scroll of Black Supremacy“ des Fitz Ballantine Pettersburg von etwa 1925. Diese an Umfang schmalen Bücher werden von den Rastas nach 1930 neben der Bibel gelesen und interpretiert. „The Holy Piby“ wurde zudem in Leonard Howells „Promised Key“ plagiiert. Das Buch über die „Black Supremacy“ nimmt mit Aussagen über „I AND MY CREATOR“ und „King Alpha and Queen Omega“ theologische Aussagen der Rastafari- er vorweg. Beide Autoren zählen neben Marcus Garvey, James Morris Web u.a. zu den Wegberei- tern von Rastafari. Die eigentlichen Lehrer — typologisch gesehen — sind Leonard Howell, Jospeh Hibbert, Robert Hinds und Archibald Dunkley. Von überragender Bedeutung ist aller- – 226 – dings Howell, der als erster das Bild Haile Selassies verbreitete und die erste Rasta-Kommu- ne, „Pinnacle“, gründete. Bei diesem werden auch erstmals wichtige Strukturen des Glaubens an den Gott Ras Tafari erkennbar. Es kann auch kein Zweifel darüber bestehen, dass Howell in Auftreten und in ritueller Praxis von Traditionen der Indojamaikaner sich hat beeinflussen lassen. Er verstand sich selbst als Guru, bediente sich eines Kultgebets, das auf indische Ursprünge verweist. Mit dem Ganja-Anbau und Genuss desselben in „Pinnacle“ reihte er sich ein in den indischen Ganja- Komplex: Ganja wird zum heiligen Kraut, das jene Ekstase/Trance vermitteln soll, die in Kumina, Revivalism oder Candomblé mit Trommeln, Singen, Tanzen, Hyperventilation und vor allem durch Initiation — sei es auch nur im Rahmen religiöser Sozialisation — erreicht wird. Ganja wird in Rastafari zum chemischen Weg hin zu einer Gotteserfahrung. Das ist der leichtere und kürzere Weg! Indischer Herkunft ist, so unsere These, auch die Verehrung Jah Rastafaris im Bild. Denn der Bilderkult ist weder afrikanischer Herkunft noch gehört er zur Tradition anglikani- scher und verwandter Kirchen. Er ist dagegen fester Bestandteil der orthodoxen und katholi- schen Kirche, letztere wird jedoch von Rastafari ausgesprochen negativ bewertet. Die mūrti des Gottes Haile Selassie ist wohl eher von der Tradition der mūrti-pūjā und des darśana (siehe Seite 208) im Hinduismus beeinflusst worden. In der Verknüpfung von Haile Selassie und Äthiopien mit Nyabinghi liegt Mythenbil- dung vor. Des Weiteren gilt das auch für die Übersetzung dieses Bantuwortes mit „Tod den Schwarzen und weißen Unterdrückern“. Nyabinghi hat mit dieser politischen Semantik der Gewalt nichts zu schaffen! Die Rasta-Nyabinghis sind zudem Männer, während der ostafri- kaische Nyavingi-/Nyabingi-Kult in den Händen von Frauen lag und noch liegt. Von zentra- ler Bedeutung war und ist die von den Rastas abgelehnte Geistbesessenheit. Es lässt sich zwar nachweisen, wie es zu der Mythenbildung kam, aber dennoch bleibt es rätselhaft, wie Rastas und ihnen wohlmeinende Wissenschaftler diesen Mythos wider besseren Wissens he- gen und pflegen können.

6. Ergebnis

Wenn wir die Zwischenergebnisse in diesem Kapitel zusammenfassen, dann können wir das folgende Ergebnis formulieren: 1. Rastafari kennt keine kanonischen Schriften, aber „root documents“, die immer wieder gelesen und interpretiert werden. 2. Leonard Percival Howell war zweifellos der entscheidende Prediger, Lehrer und Füh- rer des Rastafarianismus. Er verstand sich als Guru und griff auf indojamaikanische Traditio- nen zurück. 3. Die Verehrung Haile Selassies als Gott kann nicht als Fortsetzung einer afrojamaikani- schen Glaubenstradition angesehen werden. Von den Maroons bis zur Morant Bay Rebellion – 227 – ist die Religion in Widerstand und Rebellion gegen die britische Kolonialmacht involviert: Waren es zunächst die afrikanischen Götter, von denen leider wenig überliefert ist, so trat im Lauf der Jahrhunderte der christliche Gott an deren Stelle. Die Verehrung von Haile Selassie gleicht dagegen eher der mūrti-pūja in den Hindutraditionen. 4. Die fehlende Kommunikation mit Ahnen/Geistern und die fehlende Verehrung von Phänomenen der Natur verweisen auf einen Bruch der Rastafarier mit der afrojamaikanischen Volksreligion. Das Kontinuum von Tod und nachtodlicher Existenz wird abgelehnt. 5. Die Unterordnung der Frau stellt ebenfalls einen Bruch mit den Traditionen der afroja- maikanischen Widerstandsbewegung dar. 6. Die Dichotomie von Zion und Babylon im Weltbild der Rastafarier erinnert an die my- thische Welt von Zion im Revival Zion. 7. Trommeln, Gesang und Tanz sowie ein durch Ganja hervorgerufener, vielleicht tran- ceähnlicher Zustand erinnern an den Revivalism und an Kumina. 8. Das Anknüpfen an die jüdische Exodustradition und das Selbstverständnis als Söhne Äthiopiens zeugen von einem falschen Bewusstsein, insofern die Rastas weder Juden noch Äthiopier sind. Dadurch unterscheiden sie sich wieder von der afrojamaikanischen Resistenz- bewegung und dem politischen Programm von Marcus Garvey; in beiden Fällen ging es um die Verbesserung der ökonomischen und politischen Verhältnisse der Afrodeszendenten in der Black Diaspora. 9. Zwischen Jamaika und Afrika gab es keinen Flux und Reflux, wie etwa zwischen Bra- silien und Afrika; insofern gibt es auch kein Korrektiv in Sachen Afrikanizität. 10. Die vermeintliche Afrikanizität von Rastafari ist bedingt durch eine Reafrikanisie- rung, die mit der „Heimholung“ von Marcus Garvey, dem Nyabingi-Mythos und mit der Youth-Black-Faith-Bewegung ihren Anfang nahm. – 228 – V. Rastafari im Kontext der Transkulturation

Die Geschichte von Jah Rastafari, des Gottes der Rastafarier, ist eine solche, die sich in realer Zeit und in einem realen Raum vollzog — vor den Augen der Welt. Es fällt schwer, zwischen diesem autokratischen Herrscher, der einige wenige Kontakte zu Rastas hatte (siehe Seite 232.234), und der Religion Rastafari eine Brücke zu schlagen. Wenn Rastafari sich als Widerstandsbewegung gegen schwarze und weiße Bedrücker versteht, verliert die Verehrung von Haile Selassie an Glaubwürdigkeit: Er war kein Symbol für Freiheit! Es bleibt zudem das Faktum, dass Haile Selassie seiner Verehrung als Gott eine Absage erteilt hat. Somit stellt sich die Frage, ob der historische Ras Tafari an der Entstehung dieser Neureligion in ir- gendeiner Weise beteiligt war. Diese Frage wird man verneinen müssen! Wie kommt es dann jedoch dazu, dass ein afri- kanischer Herrscher von Afrojamaikanern zur Gottheit erhoben werden konnte? Wie kann man das psychologisch erklären? Welche theologischen Vorstellungen stehen dahinter? In afrikanischen Religionen steht Gott als das Höchste Sein an der Spitze der unsichtbaren Welt und ist Schöpfer der Kette des Seins. Er inkarniert nicht. Folglich bieten sich zur Erklärung nur die zwei großen Religionen Christentum und Hinduismus zur Erklärung an. Mit beiden religiösen Traditionen sind Afrojamaikaner in Berührung gekommen. Das Christentum kennt die Inkarnation Gottes in Jesus Christus. Doch den christlichen Jesus lehnen die Rastas ab (siehe Seite 205). Bleibt der Hinduismus, in dessen Tradition die Vishnuiten die Lehre von den avatāras oder Inkarnationen des Gottes Vishnu in systemati- scher Form vertreten. Aber auch die shivaitische Richtung kennt in ihrer Tradition avatāras des Gottes Shiva: In der Kūrma Purāṇa wie auch in der Vāyu-Purāṇa ist die Rede von 28 In- karnationen des Gottes (Gonda 1963: 70),1 in der volksreligiösen Tradition gelten bei- spielsweise Ganesh und Hanuman, aber auch der große Lehrer Adi Shankara (traditionell 788-820) oder Sai Baba in der Gegenwart als avatāras. Shivaiten reden heute lieber von rūpa2 oder mūrti3 des Gottes und kennen verschiedene Listen, u.a. eine solche über 108 ma- heśvara mūrtis oder ikonographische Darstellungen des „Höchsten Herrn“. Altbekannte mūr- tis sind z.B. die Yoga Dakṣiṇāmūrti (Shiva, der höchste Guru als Lehrer des Yoga [Kramrisch 1981:226), die Vīṇādhara Dakṣiṇāmūrti (Shiva, der höchste Guru als Herr der Musik [ebd.: 23]) oder die Kālārimūrti (Shiva, der Bezwinger des Todes [ebd.: 49]). Eine Besonderheit von Shiva ist zudem, dass er als Patron der Asketen wie diese zum jaṭādhara wird, zum Träger von Filzlocken — man könnte auch sagen: Dreadlocks! Und Lord Shiva liebt bhang, jenes Getränk aus Cannabis Sativa und anderen Zutaten. Wir werden

[1] Die Liste in der Kūrma Purāṇa findet sich auch im Internet ( [Zu- griff vom 31.12.2008]). [2] Rūpa bezeichnet im Sanskrit die Gestalt, Form und Erscheinung. Zu den Shiva-rūpas siehe Jain/Daljeet 2004. [3] Mūrti bezeichnet im Sanskrit den materiellen Körper, die Manifestation und Repräsentation als Bild oder Statue. – 229 – insbesondere im Kap. V.5.g. untersuchen, ob zwischen den Rastas und dem Hinduismus Be- ziehungen bestehen. Der bisherige Gang der Arbeit hat überdies bereits verdeutlicht, dass von einer pauscha- len Afrikanizität Rastafaris, wie sie in den meisten Arbeiten vorausgesetzt wird, sicherlich nicht gesprochen werden kann. Es führt keine ungebrochene Linie von Afrika nach Jamaika: Zwischen beiden geographischen Punkten steht der Prozess der Kreolisierung. Daraus erge- ben sich religiöse Traditionen, die — anders als im Candomblé — keinen Flux und Reflux kennen. Wir wollen daher in diesem letzten Kapitel der Frage nachgehen, wie die verschiedenen religiösen Traditionen der kreolischen Gesellschaft Jamaikas in Rastafari zu einer neuen Reli- gion „zusammenfließen“. Zur Erklärung soll unser Modell von Transkulturation herangezo- gen werden. Wie wir auf Seite 50 ausgeführt haben, sehen wir in der kreolisierten Gesell- schaft das Milieu für die interreligiöse Begegnung, während uns die Ausführungen von Alfred Schütz über die intersubjektive Alltagswelt und die in ihr ablaufenden kommunikati- ven Akte die Vermittlung von religiösen Symbolen plausibel zu erklären vermag. In diesem Kontext ergeben sich die interkulturellen und interreligiösen Schnittstellen, die transitive Prozesse ermöglichen. Es wird also darum gehen, diese transitiven Prozesse, von denen Ortiz spricht, aufzuzei- gen, die dazu geführt haben, dass afrojamaikanische, jüdisch-christliche und indojamaikani- sche Traditionen über partielle Deskulturation zu neuen religiösen und kulturellen Phänomen geführt haben: zu der Neureligion Rastafari. Damit wird dann auch zu erkennen sein, inwie- weit Rastafaris Wurzeln nach Afrika zurückreichen. Im Falle dieser Untersuchung wird dem Ganja-Komplex eine besondere Bedeutung zugeschrieben: Zum einen kam mit Ganja die damit verbundenen religiösen und kulturellen Vorstellungen Indiens über Gott, Gott und Mensch und die Möglichkeit unmittelbarer Gottes- erfahrung in die Karibik und zum anderen ist das „heilige Kraut“ für die Rastas von eminen- ter Bedeutung. Der Ganja-Komplex steht somit für einen Transfer von Kultur und Religion.

1. Religiöse Erfahrungen

Rastafari ist keine theologisch reflektierende Religion! Es gibt folglich kein in sich halb- wegs abgeschlossenes System, das über irgendwelche Strukturen der Abgrenzung nach außen oder nach innen verfügen würde. Es gibt also weder eine Theologie wie im Christentum, die normativ über Rechtgläubigkeit entscheiden würde, oder eine Halacha/Scharia wie im Juden- tum bzw. Islam, die rechtes Handeln und Verhalten definieren würden. Insofern unterscheidet sich Rastafari nicht von den oben angeführten afrojamaikanischen Religionen wie Revival, Kumina und Pukkumina. Wie aber bereits geschildert wurde, steht im Zentrum dieser Reli- gionen die Trance. Ob der Ganja-Genuss bei den Rastas aber ebenfalls einen visionären Zu- stand hervorruft, der durch die Erfahrung der Einheit und Verbundenheit mit Jah Rastafari – 230 – kennzeichnet ist (Yawney/Homiak 2001: 264), muss fraglich erscheinen, da unseres Wissens keine diesbezüglichen Aussagen vorliegen. Zumindest für die grounations kann das jedoch wiederum nicht ausgeschlossen werden, da diese von Trommelrhythmus und Tanzbewegung begleitet sind. In Afrika selbst und im afrobrasilianischen Candomblé bedürfen Trance und Einheitserfahrung nicht eines Rauschmittels. Allerdings muss die Frage gestellt werden, ob der Ganja-Genuss nicht traditionelle afrikanische Strukturen verdrängt, nämlich die Inbesitz- nahme oder „Inkorporation“ (Fohr 1997: 30) durch Ahnen, Geister oder Gottheiten wie die orixás. Das schließt natürlich nicht aus, dass auch afrikanische Völker Rauschmittel gekannt und benutzt haben. Ganz offensichtlich passt Rastafari nicht so recht in das Schema der afro- jamaikanischen Volksreligionen („folk religions“). Auch wenn Rastafari nur begrenzt als Religionssystem angesprochen werden kann, so gibt es dennoch viele Phänomene, die als charakteristisch für diese neue Religion bezeichnet werden können — ungeachtet der Tatsache, dass sie bisweilen nicht von allen Rastas aner- kannt werden. Zu den wichtigsten Erfahrungen jeder Religion gehört die Erfahrung des Glau- bens, die im Rastafarianismus ähnlich wie in den monotheistischen Religionen eine solche des Vertrauens und der Zuversicht in einen persönlichen Gott ist (Tworuschka 2006: 148).

2. Gott — Jah Rastafari

Die frühen Gottesvorstellungen von Leonard Howell haben wir bereits auf Seite 199f. angeführt. Mit dem Glauben an Haile Selassie als Gott ist auch der Glaube an die „Black Su- premacy“, d.h. die Herrschaft der Schwarzen über die Welt verbunden. Jahrzehnte später, 1973, nennt Robert Owens die folgenden neun Punkte als grundlegen- de Glaubensanschauungen der Rastas:

1. das Menschsein Gottes und dazu korrespondierend das Gottsein des Menschen 2. Historizität des Wirkens Gottes 3. Diesseitigkeit der Erlösung und Repatriierung nach Zion als conditio sine qua non 4. Vorrang des Lebens und Ablehnung der nachtodlichen Existenz 5. die Wirksamkeit des Wortes, das eine Manifestation der göttlichen Gegenwart und Macht ist 6. das nahe Bevorstehen des Gerichts 7. die korporativen Dimensionen des Bösen 8. Sakramentalität der Natur 9. das Prophetentum der Rastas als auserwähltes Volk Gottes (Owen 1973)

Offenbar sind diese Basisanschauungen wohl immer noch gültig, führt doch Michael Jagessar im Jahre 1991 noch die ersten acht aus der Liste von Owens als zutreffend an (Jagessar 1991: 15). Für ihn, den indoguyanischen Theologen, ist die Rastafari-Theologie je- – 231 – doch eher experimenteller denn philosophischer oder intellektueller Natur und verfügt auch nicht über ein Verstehensmodell hinsichtlich des kulturellen Mix, der die Wirklichkeit der ka- ribischen Gesellschaft ausmacht. Rastafari ist afrozentrisch, was jedoch in einem ideologi- schen Sinn zu verstehen ist (siehe Seite 170.219) und keineswegs die Kontinuität mit Afrika meint. Bei dem charismatischen und einflussreichen Mortimer oder Mortimo „Kumi“ Planno (1929-2006) lesen wir dann das folgende Gebet, das während der Ganja-Kommunion rezitiert werden soll:

Prince’s hast come out of Egypt Ethiopians now Straches forth his hand unto God. Oh God of Ethiopia Our Divine Majesty Thy Spirit has Come into our hearts; leads us. Help us to forgive, that we may forgiven. Teach us love loyalty on earth as it is in Zion. Endowed us with wisdom knowledge and Understanding to do thy will. They blessing to you that the hungry be fed; The Naked be Clothed, The Sick Nourished, the age protected and The infants cared for Diliver us from the Lands of our enemies That we may prove fruitful in these last days. When Our enemies are past and decay, in the depths of the Sea in the depths of the Earth or in the bowels of a Beast Oh give us all a place in thy Kingdom forever. Selah. let the words of our mouth and the meditation of our hearts Be accepted in thy sight oh Lord Thou art my strength and I Redeemer That sit and Reigneth in the hearts of man forever Selah. (Planno [1970] 1995: mp54.html)

Dieser Text aus dem Manuskript „The Earth strangest man: the Rastafarian“, das auf Wunsch von Professor Lambros Comitas 1970 abgegeben wurde, aber erst 1995 seine jetzige Form erhalten hat,4 weist zahlreiche Anklänge an die christliche Tradition auf, wie der Be-

[4] Zu den Problemen eines Druckes dieses Werks, das erst durch die html-Technik ins Internet gestellt werden konnte, siehe . – 232 – ginn aus Psalm 68, 31 KJV oder das bekannte „Selah“ aus den Psalmen. Gewissermaßen haben wir hier einen Rastafari-Psalm, der Plannos Behauptung zu bestätigen scheint: „One of the Elements of the Rastafarian is a sense of awareness that the Composition of the Move- ment base upon accepted principle of the Bible and Christian Ethos“ (ebd.: mp53.html). Doch die Fortsetzung des Gebets nach dem Anzünden des Ganja und Herumreichens der Pfeife lässt deutlich werden, welcher Gott gemeint ist:

I an I thank thee lord for this food But most of all through Negus Precious Love Let manner to our Soul’s be given This Bread of life send from Zion Through the powers of the most wise God Rastafari Our living father. Selah. (ebd.: mp54.html)

Der Gott des Ras Mortimo Planno ist der Negus von Äthiopien, Ras Tafari — der Höhe- punkt der Ganja-Kommunion wird begleitet vom Lied „Rastafari is mi God an mi King …“ (Planno ebd.) —, Seine Kaiserliche Majestät Haile Selassie. „I an I“ zweifelt nicht, dass er der neue Messias ist. Denn wie Planno über sein Gespräch mit dem Abuna, dem Oberhaupt der äthiopischen Kirche, während der Afrika-Mission von 1961 berichtet, findet er in dessen Worten eine Bestätigung hierfür. Zunächst lässt der Abuna ausrichten, dass der Kaiser als Christ seine göttliche Verehrung ablehnt. Planno argumentiert nun mit den folgenden Fragen:

If the Throne of David is the Said Throne that H. I. M. is now sittin on? He Said Yes! Does H. I. M. bear these Titles as King of kings + Lord of Lords Conquering Lion of Judah; Prince of Peace? He said yes! I an I classified our Understanding of certain chap- ter of the Bible which points to the Coming of the New Messiah. The Abuna Said if it is the bible that we are interpreting then we can continue in so doing. This particular case was not brought up Before H. I. M. I an I did not doubt that H. I. M. is the New Messiah. (Planno ebd.: mp33.html)

Schließlich aber ist „the living God“ „Jah“ oder „Jah Rastafari“ (ebd.: mp33.html.; mp35.html und mp53.html). Nichts könnte das Vertrauen in diesen Gott mehr zum Ausdruck bringen als die obige Wendung: „the most wise God Rastafari Our living father“! Ausdruck einer darüber hinausgehenden Verbindung zwischen Gläubigen und Gott findet ihren Aus- druck in dem bekannten selbstreflexiven „I and I“ im „Rasta talk“. Es handelt sich hierbei um ein Hauptsymbol der Religion: Nach Mortimer Planno kommt „I and I“ die Aufgabe zu, die Menschheit zu erlösen, nachdem Rastafari „I an I“ zum Wächter der Mauern Zions gemacht hat: „The Good Lord Send me from Zion The Good Lord Send me Down“ (ebd.: mp5.html). Bevor wir in der Abhandlung uns mit dem Begriff „Jah“, „I and I“ und Ganja — alle drei Begriffe sind nicht voneinander zu trennen —müssen wir in einem kurzen Exkurs einige – 233 –

Ausführungen zu Mortimo Planno machen. Offensichtlich nahm dieser Rasta Elder nach Leonard Howell die führende Position in der weiteren Entwicklung von Rastafari ein. Danach wird zu fragen sei, woher der Gottesname Jah kommt.

3. Exkurs: Ras Mortimo Planno

Von Mortimer oder Mortimo Planno, auch „Brother Kumi“ genannt, gibt es keine Bio- graphie. Die folgenden Ausführungen beruhen daher weitgehend auf Internetrecherchen. Planno wurde am 6. September 1929 in Kuba als Sohn einer jamaikanischen Mutter und ei- nes kubanischen Tabakhändlers geboren. In den frühen 1930er Jahren kam seine Familie nach Jamaika, wo Planno in West Kingston aufwuchs. 1939 fand er zu dem Glauben, dass Haile Selassie der lebendige Gott sei, und zog nach Trenchtown und gründete dort zusammen mit anderen das urbane Rastacamp von Brother Skipper im „Dungle“ (siehe Seite 185), das zu den ersten in Kingston gehörte (Mack 1999: 64). Er gehörte dann auch zu jenen, die eine der frühesten Niederlassungen der „Ethiopian World Federation Inc.“ in Jamaika gründeten: „Local 37“. Seine Rhetorik und seine Intelligenz lassen ihn in den 1950er Jahren zu einem der bekanntesten und einflußreichsten Rasta werden,5 der quasi nach Howells Niedergang die Führung der Hauptrichtung von Rastafari übernehmen sollte. Das trifft insbesondere seit der Übersiedlung in die Fifth Street 18 zu, wo er nach dem Tode der Mutter sein „camp“ errichte- te. Es sollte dann für „for all-night ,reasoning sessions‘“ bekannt werden (Bogues 2003: 190). Am 1. März 1958 kam es an der Spanish Town Road zum ersten großen nationalen Groun(d)ation (siehe 185) von rund 3000 Personen. Zu dieser „ökumenischen“ Begegnung hatten Mortimo Planno, der Patriarch Emanuel Charles Edwards (siehe Seite 166) und ande- re idren (= brethren) des Nyabinghi Order eingeladen. Die Polizei beendete die Zusammen- kunft nach 21 Tagen mit Gewalt und die Nyabinghis drohten 1959 dem Chief Minister des Landes mit (bewaffneter) Rebellion. Am 7. Mai 1959 kam es wieder zu einer Konfrontation von Rastafariern und der Polizei („Coronation Market Riot“), die zu einer teilweisen Zerstö- rung der „camps“ in Back O’Wall führte. Planno berichtet, dass in diesem Wohnbezirk „bands of rivalists [= revivalists] with barnyards or Seals as there Mission houses are called“ sich befanden (Planno [1970] 1995: mp46.html). Im April 1960 erreichte die Auseinandersetzung zwischen den Rastafariern und der Staatsgewalt ihren Höhepunkt, als die Polizei das Hauptquartier des Rastafari-Predigers Reverend Claudius Henry, genannt „The Repairer of the Breach“6 (Chevannes 1976), durch- suchte und ein großes Waffenlager sowie einen an Castro gerichteten Brief fand. Henry wur- de wegen Hochverrats zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt; sein Sohn Ronald kehrte daraufhin mit einigen „hard-core Rastas“ aus Amerika zurück und führte in den Red Hills nahe von Sli-

[5] Siehe „RootZ - H.I.M. - Mortimer Planno - Ein Rasta Elder Jamaikas“ ( [Zu- griff vom 25.03.2008]). [6] Siehe Jes 58, 12 KJV. – 234 – goville einen Guerillakrieg, der auf Seiten der Staatsgewalt zu einem Aufmarsch von 1000 Polizisten und Soldaten führte. Die Folge dieser Ereignisse waren vermehrte Repressionen gegen die Rastafarier, die wiederum dazu führten, dass Ras Mortimo Planno sich an den Prinzipal des University Col- lege of the West Indies wandte: „Being one of the foremost Representative of the Rastafarian movement since 1958, I was the one who ask Dr A. W. Lewis to make his Survey“.7 Es kam danach zu einem Treffen von einigen Rastas mit den drei Wissenschaftlern, die dann den „University Report“ erstellen sollten. Eine der Konsequenzen des Berichts war die im April 1961 von der Regierung nach Afrika geschickte Mission, an der vier Rastas teilnahmen, u.a. Planno und der ebenfalls schon erwähnte Douglas Mack. Die Delegation wurde auch von Haile Selassie empfangen und Planno erhielt vom Kaiser eine Goldmedaille als Geschenk. Am 21. April 1966, als Haile Selassie Jamaika besuchte und Menschenmassen das Flug- zeug umringten und an einem Aussteigen des Kaisers nicht zu denken war, zeigte sich das Prestige und die ganze Autorität dieses Rasta Elder, der zum Kaiser ins Flugzeug gerufen wurde und dann die Menschen auf dem Rollfeld zu Ordnung und Rückhaltung aufforderte. Während des Staatsbesuches wurden Planno und einige andere Rasta Elders zugelassen und ihnen wurde auch eine Privataudienz gewährt: Planno erhielt vom Kaiser seine zweite Gold- medaille. Haile Selassie ließ auch einen Rasta ins Sheraton Hotel rufen und fragen, warum sie Dreadlocks tragen würden. Der Rasta Brother Wallace soll als Antwort auf Num 6 ver- wiesen haben, wo das bekannte Nasiräergelübde angeführt wird.8 Der 21. April 1966 wird für die Rastas als Grounation Day zum Feiertag. Planno setzte sich auch weiterhin für eine Repatriierung der Rastafarier ein und nahm 1972 an einer zwei- ten Mission nach Äthiopien teil. Mortimo Plannos größter Erfolg dürfte jedoch die Einführung von Bob Marley (1945-1981) in den Rastafarianismus gewesen sein. Aus dem „Rude Boy“ wurde der Rasta- Sänger, dessen Reggae-Lieder dann die Botschaft in alle Welt tragen sollten. Planno vermit- telte ihm all sein Wissen über Glauben und Leben im Rastafarianismus — und in den Ge- brauch von Ganja, dem „wisdom weed“. Für Bob Marley schrieb er u.a. 1968 das Reggae- Gebet „Selassie is the chapel“.9 Planno gehörte zu jener Zeit dem „Divine Theocratic Temple of Rastafari“ an, während die „Rastafari Movement Association“ in den 1960er und 1970er Jahren mehr eine radikale Politik vertrat. Ersterer war deshalb eher ein Vertreter einer mehr theologisch ausgerichteten Rastafari-Bewegung: „His interpretation of the doctrine stressed not only the divinity of Selassie but also the fact that Rastafari was a cultural-religious practi- ce rather than an explicitly political one“ (Bogues 2003: 190f.). In den 1960er Jahren hatte Mortimo Planno sich als „thoughtist“ bezeichnet, der britische

[7] „Repatriation News 2006: Ras Mortimo Planno and repatriation“ ( ]Zugriff vom 16.01.2007]) [8] Siehe „Interviews mit Donald Manning“, wo allerdings irrtümlich Num 7 genannt wird ( [Zugriff vom 19.01.2009]). [9] Siehe ; vgl. Planno [1970] 1995: mp15.html (Text!). – 235 –

„Guardian“ nennt ihn einen „spiritual guru to Rastafarians“10. Auf der Ras-Planno-Website11 findet sich noch heute eine Abbildung mit dem Titel „All 5th Street-University Stars“: Das Bildnis von Planno wird von acht Köpfen umrahmt, u.a. von Ras Michael12, Jimmy Cliff13 und Bob Marley. Auch andere Musiker kamen in sein Haus. Planno brachte in die neue Reli- gion eine intellektuelle Struktur (Rasta-Rechtsanwalt Miguel Lorne) ein. Dazu gehörte auch Unterricht in Amharisch und auch der bekannte äthiopische Gelehrte Ephraim Isaac, Begrün- der der „Afro-American Studies“ in Harvard, hat Planno besucht und Tonbänder für das Am- harisch-Studium mitgebracht.14 Als Haile Selassie Jamaika besuchte, konnte er mit einem Banner in Amharisch begrüßt werden. Donald „Tesfa Gabriel“ Manning, von der Reggae- gruppe „Abyssinians“ berichtet in diesem Zusammenhang die folgende Geschichte:

Let me tell you now what an Ethiopian man say when Morty Planno and some brethren ask if Selassie is the Almighty God. The man say: ,No I don’t say that. But I know light- ning come out of His palace!‘ If them say lightning come out of His Palace, him control lightning! When His Majesty come to Jamaica and the plane doors open I see lightning come out of the plane! I take my eyes and see that. Nobody can tell me. I know. And I know who His Imperial Majesty Haile Selassie I is. If they want to kill me for saying that I’m going to keep on saying He is Jesus Christ. To me. (Interviews mit Donald Manning, Anm. 8)

Ras Mortimo Planno hat die Leute in Trench Town nicht nur geprägt, er hatte auch Kon- takte bis in die Regierungskreise hinein. Und er weiß auch immer wieder, die verschiedenen Rasta-Gruppen miteinander auszusöhnen, wobei er sich auf das Ansehen von Bob Marley stützte. Seine intimen Kenntnisse über Howell, Ganja und Parteien verrät auch der schwer- kranke Planno nicht (Lee [1999]: 213). Im Juli 1961 hatte er ein Treffen mit Malcolm X, bei dem auch die Frage aufkam, was wohl die Alternative der Schwarzen Muslime wäre, wenn die amerikanische Regierung die Forderung nach eigenen separaten Staaten ablehnen würde. Plannos Antwort lautete: „Africa is the only land for the Black man when the Black man all realize that africa can not Refuse her Son when she can so identifiy her Son“ (Planno [1970] 1995: mp54.html). Das Ansehen dieses Rasta-Führers war so groß, dass die Sozialwissen- schaftliche Fakultät der Universität West Indies, Kingston, ihm 1998 ein Forschungsstipendi- um als „Folk Philosopher“ gewährte. Für den Außenstehenden ist es indes schwer nachvollziehbar, dass Mortimo Planno auch zu den Gründungsmitgliedern der Ethiopian Orthodox Tewahedo („Einheit“) Church (siehe

[10] Phil Davison, „Obituary: Mortimo Planno“ ( [Zugriff vom 17.01.2009]). [11] Siehe , daselbst kann auch „A little prayer“ von Planno angehört werden. [12] Ras Michael (alias Michael George Henry) ist ein Spezialist für Nyabinghi-Musik. [13] Jimmy Cliff trat 1974 zum Islam über. [14] Siehe „Interviews mit Donald Manning“ (Anm. 8). – 236 –

Seite 69) gehörte, die 1970 auf Wunsch Haile Selassies nach Jamaika kam. Auch andere Ras- ta Elders fanden Zugang zu der Kirche. Dennoch kam es zwangsläufig zu Spannungen, inso- fern die Taufe von Rastafariern die Absage an die Göttlichkeit Hailes Selassies voraussetzt: Es wird natürlich getauft auf den Namen Jesu Christi. Auf diese Weise kommt es zu einer Spaltung der „Rasta Christians“ von allen anderen Rastas! Viele namhafte Rastas haben sich taufen lassen, z.B. Peter Tosh, Tommy Cowan — Mu- sik-Promoter und Freund von Bob Marley — und natürlich auch der „King of Reggae Music“ selbst: Bob Marley. Er hatte zeitlebens zu den größten Förderern der äthiopisch-orthodoxen Kirche gehört. Ein Jahr vor seinem Tod ließ es sich vom äthiopischen Erzbischof, Abuna Ye- sehaq, in New York auf den Namen Berhane Selassie („Licht der Trinität“) taufen. Seine Frau Rita und die Kinder waren schon 1972 zum orthodoxen Glauben übergetreten. Bob Marley erhielt ein orthodoxes Begräbnis, ebenso Peter Tosh und — Ras Mortimo Planno! Anwesend waren übrigens auch Vertreter der Rasta-Gruppe „Twelve Tribes of Israel“, die ihm posthum den Titel „Rt Honourable“ verliehen, obgleich er, im Gegensatz zu Bob Marley, ihrem Rasta-House nicht angehört hatte. Der 2005 verstorbene Gründer dieser ersten Rasta- Gruppe, „Prophet Gad“ (alias Dr. Vernon Carrington), hatte bereits 1997 in einem Interview mit der jamaikanischen Radiostation IRIE FM erklärt, dass seine Anhänger an Jesus Christus glauben. Wenn man jetzt fragt, was Rastafarier eigentlich glauben, dann fällt die Antwort schwer. Wie konnte Ras Mortimo Planno Gründungsmitglied einer Kirche sein und gleichzeitig glau- ben, dass Haile Selassie Gott war (siehe oben)? Wie können wir uns das vorstellen? Wir zi- tieren noch einmal aus seinem Werk „The earth most strangest man: the Rastafarian“.

I an I exaulteth the Prince of Peace in what manner would the world be handled if that of Love of God was not in the Heart of His Imperial Majesty Haile Selassie I King of Kings, Lord of Lords Conquering Lion of Judah. Elect God. … There is a foundation stone that Doctrines and philosophies of God and Christ built upon. These accepted words and ideas in any Language must be interpreted as a creed. We are aware of the Apostle Creed which I an I interpret to be Evangelism. But what of the first creed. Christ and the life of Christ Represent christianity. God and King and Faith and Hope Represent Religion. Christ Doctrines manifest, the all in all Representation of God and the Man Christ. For this Truth, and wisdom, the institution of Learning are on a Re- volting. Those in the churches preaches that God is the word. I an I accept. In the chur- ches I an I was only allow to use the name that satisfy the church, yet still there is a doc- trine of the church which said my name shall be terrible and dreadful amongst them I an I chant this chant in this time to fulfill this line: A new name you got And it terrible amongst them The heathen no like your name A new Name you got – 237 –

And it dreadful amongst them The heathen no like your Name Such name I an I say Shout it out if you are not a heathen: RASTAFARI: RAS-FA-TA-RI. Girmawi Kadamawi Hyla Silase. (ebd.: mp10.html)

Da dieser Absatz mit Haile Selassie und dem siegreichen Löwen von Juda (Offb. 5, 5) begonnen hat, ergibt sich, dass Gott eben derselbe ist: die Majestät, amharisch girmawi (gir- māwī, siehe Seite 93 Anm. 20) oder im Dread Talk „HIM“ (oder H.I.M., „His Imperial Maje- sty“), der Kaiser, amharisch kadamawi (ḳadāmāwī, amharisch ቀዳማዊ, siehe Seite 93). Die Umdrehung von Ras Tafari in Ras Fatari (siehe auch mp12.html) führt zur Bedeutung „der zu fürchtende“, was aber philologisch nicht korrekt ist (siehe Seite 87). Es ist schwer zu sagen, an welche Bibelstellen Planno hier denkt. Der „dreadful God“ er- scheint in der KJV in Dan 9, 4; in Mal 1, 14 lesen wir: „[F]or I am a great King, saith the LORD of hosts, and my name is dreadful among the heathen“. Diese Textstelle zitiert Planno dann in mp14.html. Von einem „new name“ ist dagegen die Rede in Offb 2,17 und 3, 12: Der erhöhte Jesus Christus spricht in dem ersten Beleg von einem weißen Stein mit einem neuen Namen, „which no man knoweth saving he that receiveth it.“ In Offb 3, 12 folgt im Zusammenhang mit dem Tempel und dem neuen Jerusalem, das vom Himmel hernieder- kommt, die Aussage: „[A]nd I will write upon him my new name“. Rastafari ist der neue an- gekündigte Name, den die Kirche nicht zulässt, weil er ihr nicht gefällt. Der „Auserwählte Gottes“, Haile Selassie, ist die Erfüllung der Lehre, wonach das Wort Fleisch wurde. Wenn Ras Tafari als Ras Fatari gelesen wird, dann ist er die Fleischwerdung biblischer Ankündi- gung! Deshalb kann dann auch Planno in der Fortsetzung des oberen Texte sagen: „I an I ac- cept that is the word the word made into flesh and God become a man and finish creation as a man. So he God created I an I in his own image and likeness He-God created He-Them“ (ebd.: mp10.html). Während die Kirchen den „neuen Namen“ auf Jesus Christus beziehen, sieht Mortimo Planno hierin eine Ankündigung des neuen Heilbringers Ras Tafari. Er ist der Fleisch gewor- dene „Logos“, der zudem von der Ebenbildlichkeit her, die zwischen Gott und Mensch be- steht, dem schwarzen äthiopischen Herrscher entspricht. Er ist derjenige, der im apokalypti- schen Endkampf gegen Babylon führen wird. Diese Interpretation der Bibel ist die der Rasta- farier, die im Grunde genommen sich gegen den Abschluss der göttlichen Offenbarung, wie sie die Kirchen lehren, rebellieren („the institution of Learning are on a Revolting“). Planno schreibt auf dieser Seite: „The most important thing about I an I is the way I an I interpret the Bible as Rastafarians“. Nach diesem Verständnis ist die Ankunft Jesu Christi, auf die die kirchlichen Christen noch warten, bereits in Haile Selassie geschehen. Deshalb sind die Ras- tas das erneuerte Israel, die Versiegelten nach Offb 7.14, die 144.000 Auserwählten, die nach Äthiopien repatriiert werden sollen (ebd.: mp60.html). Was die Rastas hier von den kirchlichen Christen trennt, ist eigentlich die Ablehnung der – 238 – kirchlichen Interpretation, die nicht offen ist für eine neue Auslegung in der Geschichte. Wir zitieren noch Luthers Worte aus der Vorrede zur Offenbarung: „Summa, unsere Herrlichkeit ist im Himmel, da Christus ist, und nicht in der Welt vor den Augen, wie ein Kram auf dem Markt“ (zit. in Lohse 1971: 120). Nichts könnte mehr die Differenz zwischen den christlichen Kirchen und dem Bibelverständnis der Rastas verdeutlichen! Ein transzendentes Heil ist schlichtweg nicht vorstellbar, wenn die Menschen unter dem System Babylon leiden: „God did trod earth“ (mp35.html). Auch die afrikanischen und afroamerikanischen Religionen lehren kein transzendentes Heilsziel, denn diese Welt ist die Bühne des Lebens. Ergänzend kann noch auf Hinduismus und Buddhismus verwiesen werden: moksha und nirvāna sind keine transzendenten Heilsorte. Wesentliche Elemente des Rastafarianismus sind: Freiheit von Dogmen, die individuelle Gotteserfahrung, der existentielle Umgang mit der Bibel, die Diesseitigkeit des Handelns Gottes und die Erlösung in einem irdischen Zion (Loth 1991: 62). Auf diesem Hintergrund stellt es eigentlich keine Unvereinbarkeit dar, wenn Ras Mortimo Planno der äthiopisch-or- thodoxen Kirche angehörte, aber dennoch seine eigene Theologie entwickelte. Der 2005 ver- storbene Erzbischof, Abuna Yesehaq, gab in einem Interview zu erkennen, dass er sehr wohl wisse, dass viele seiner Konvertiten in ihrem privaten Glauben an der Göttlichkeit Selassies festhalten würden.15 Mortimo Planno zählt u. E. zu jenen Rasta-Denkern, die die Beziehung zwischen Afroja- maikanern und Äthiopien bzw. Afrika systematisch durchdacht haben. Im Zusammenhang mit dem „University Report“ führt er an:

I wanted to know more about Marcus Garvey. Since he had advocated Repatriation back to Africa. I had to satify Self of How this could ever be done. I realizes that all can be achieve by the determination of a people to cite Law’s that were made especially for them I started thinking upon certain lines. How one can be born in Jamaica and claim to be an African and need Repatriation to Africa. This Question as puzzling as it may Sound the answer was very easy: Slave’s were taken away from Africa Some forceably while others were bought and Sold. To accept that I an I the product of Slavery gave I an I The Right to Speak as an African. Garvey Philosophy and Opinion was Studied. I an I also Studied booker T. Washington up from Slavery, and the Maroons. What did I an I find? (Planno [1979] 1995: mp20.html)

Die Tatsache, dass er wie auch die meisten anderen Rastafarier Nachkommen von Afri- kanern sind, genügt als Begründung. Kritisch wird man einwenden müssen, dass damit Jahr- hunderte der Kreolisierung negiert werden wie auch das Eingebundensein in die karibische Geschichte und Kultur. Negiert wird auch die Tatsache, dass sich Afrika in der Zwischenzeit verändert hat. Das wirkliche Äthiopien oder Afrika mit seinen Problemen scheinen Mortimo

[15] Siehe (Zugriff vom 28.02.2007). – 239 –

Planno und die anderen Rastas auf ihren Afrikareisen wohl nicht entdeckt zu haben. Es finden sich keine kritischen Ausführungen über den Autokraten Haile Selassie und die Lebensbedin- gungen der armen Landbevölkerung. Eine andere Frage ist natürlich, warum gilt gerade Äthiopien als Heimat der Rastas. Hierzu finden wir bei Planno die folgende Erklärung:

By Ethiopia I an I mean one continent, by Ethiopia I an I mean the Country Ethiopia with its capital Addis Ababa. By Ethiopia I an I mean All for One, One for all operating in this manner there can be no failure. The only true interpretation for Africa for Africans. I an I being in captive Has to admit, to names of those who did pass through great tribulation: Such as Daniel, John, John the Baptist, Peter, Paul, David, Shadrack, Meshek and Aben- dego,16 Dreamer Interpreter17 and Dreadlock Rasta: All these names are Biblical, but there true identity has reproduces its manifestation. (ebd.: mp3.html)

Es ist bemerkenswert, dass keine äthiopischen Namen genannt werden, sondern solche jüdischer Herkunft. Mag das auch noch verständlich sein, wenn Äthiopien als Synonym für Afrika angesehen wird — wie es die Missionare in Jamaika häufig getan haben —, aber Afri- ka mit biblisch-jüdischen Namen zu verknüpfen, erscheint befremdlich. Diese Ausführungen insgesamt verweisen auf keine realistische Einschätzung der historischen Gegebenheiten. Es macht eher den Eindruck einer ideologischen Gegenüberstellung von Afrika/Judentum und Jamaika/Babylon. Dabei kommt es zu einer erfundenen Reafrikanisierung und Judaisierung im Kontext eines Denkens, das dem Panafrikanismus und Marcus Garvey sowie der Rasta- Bibelauslegung entstammt. Ras Mortimo Planno ist für uns ein Beispiel dafür, wie Deskulturation und Neokulturati- on nach dem Modell der Transkulturation von Fernando Ortiz verlaufen: Die interkulturelle Schnittstelle ist hier die Bibel: Zum einen erfolgt diesbezüglich eine Selektion, bei der be- stimmte Elemente — hier biblische Aussagen — aus ihrem Kontext und der herkömmlichen Interpretation herausgelöst werden (partielle Deskulturation). In einem zweiten Schritt er- folgt dann eine Inkorporation von Elementen, die mit der ursprünglichen Tradition nichts zu tun haben: der äthiopische Herrscher als biblischer Gott, die Gleichsetzung biblischer Gestal- ten mit Afrika und schließlich die Gleichsetzung von Afrojamaikanern mit Afrikanern (Neo- kulturation). Hier wird bereits deutlich, dass Rastafari das Ergebnis einer Transkulturation ist, das Ergebnis eines dynamischen Wandels, der durch Selektivität und Erfindungsreichtum gekennzeichnet ist. Gladys Portuondo beschäftigt sich auch mit den Folgen der Transkulturation: Diese redu- ziert sich nicht auf eine ethnische Gruppe, sondern hat auch Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen und Schichten: „Pues la transculturación

[16] Hierbei handelt es sich um die drei im Feuerofen nach Dan 3: Shadrach, Meshach und Abednego (nach der englischen Schreibung). [17] Der Traumdeuter ist Joseph, der 11. Sohn Jakobs. – 240 – posee un significado fundacional y originario, en virtud del cual actúa generando nuevas estructuras y relaciones entre los hombres“ (Portuondo 2000).18 Die Zweiteilung der Welt in Babylon und Zion/Äthiopien/Afrika in der Rastologie (siehe Seite 157.227) kann auch als ein Ergebnis der Transkulturation angesehen werden.

4. Gott und Mensch - I and I

Was bedeutet „I and I“ (oder: „I-an-I“), von dem George Simpson sagt, dass er es 1953 noch nicht gehört habe (Simpson 1994: 4)? Das Pronomen „I“ des Standard Jamaican English weicht dem „mi“ in Jamaica Creole und wird erläutert als „I, my, mine, me“ — entsprechend dem Kontext. Nach Ansicht der Linguistin Velma Pollard kann dieses „I“ im Jamaica Creole sowohl den Singular als auch den Plural beinhalten, so dass „I an I“ auch als Pluralform ver- standen werden kann. Außerdem wird „I“ im Rasta Talk/Dread Talk auch als Präfix für eini- ge Nomina benutzt, wie z. B. „I-tal“ als Bezeichnung für die Rasta-Nahrung (siehe unten) (Pollard 2000: 11-12). Neben dieser linguistischen Erklärung gibt es auch eine theologische, da „I an I“ auch Synonym für Gott oder Jah ist. Somit steht „I an I“ nicht nur für „you and I“, also „we“, son- dern auch für „I and the Creator who lives within I“ (Steffens 1998: 256). Das „I“ am Ende von RastafarI steht für für die Gemeinschaft und für das Lebensprinzip der Rastas, für die Ordnung der Dinge, für die Jah der Anfang und das Ende ist. So wird „I an I“ zu einem Glau- bensbekenntnis und „denotes a harmonious synthesis of the empirical and the metaphysical: I am one with Jah Ras Tafari“ (McFarlane 1998: 108; vgl. Lake 1998: 4 Anm. 1). In diese Ein- heit wird auch das „Du“ hineingenommen und geht in diesem auf. Bei Carole Yawney lesen wir die folgende Erklärung:

Who is you? There is no you. There is only I and I. I is you, I is God, God is I. God is you but there is no you, because you is I. So I and I is God. It’s the same God in all of I and I. (Yawney 1979: 171).

Zutreffend weist Yawney jedoch darauf hin, dass „I and I consciousness“ sich auf dem rituellen Rauchen von Cannabis oder „herbs“ gründet (ebd.: 158). Das erinnert aus religions- wissenschaftlicher Sicht eher an die Technik von indischen Sādhus, über Drogen einen verän- derten Bewusstseinszustand zu erlangen. Diese Technik „göttlicher Intoxikation“ ist jedoch nur einer von den weniger wichtigeren Wegen, zu denen auch vor allem die anspruchsvol- leren Wege des devotionalen Bhakti und der zum Samādhi führende Yoga gehören (Gross 2001: 97-106). Gerade letzterer ist besonders schwierig (Michaels 1998: 295).

[18] „Dann besitzt die Transkulturation eine begründende und Ursprung verleihende Bedeutung, aufgrund de- ren sie neue Strukturen und Beziehungen zwischen den Menschen hervorbringt.“ – 241 –

Zweifellos trägt also auch der gemeinsame Genuss von Ganja zu einem Gefühl der Zu- sammengehörigkeit bei. „I and I consciousness“ enthält aber darüber hinaus noch eine „mys- tische“ Dimension, die mit dem Begriff vibrations umschrieben werden kann. Bestimmte Weisen des Schauens, der Gestik und der Modulation der Stimme beim Sprechen sowie die Art des Sichbewegens gelten als Indikatoren für die vibrations, die eine Verbindung zur Mentalität des Gegenüber schaffen. Die langen Haare oder locks dienen dabei als Behälter der vibrations (Johnson-Hill 1995: 24). So entsteht eine Form der Gemeinschaft, die Jack Johnson-Hill mit den shipmates (vgl. I.11.) auf den Plantagen oder den Gemeinschaften der Maroons vergleicht (ebd.: 134). Ganz offensichtlich sollen hier die Rastas als Teil einer alten afrikanischen Tradition angesehen werden. Dem steht jedoch entgegen, dass shipmates und Maroons in den Kontext der Sklaverei gehören, Rastafari jedoch in dem Umbruch von der kolonialen zur postkolonialen Zeit anzusiedeln ist. Was hier über die vibrations und damit über die Ästhetik der Rastas ausgesagt wird, ist durchaus nicht singulär. Es hat gewisse Parallelen zum Yorùbá-Begriff ìfarabaleÙæ, der totale Kontrolle und Konzentration bedeutet und die Stellung der Vernunft über die Emotion mit einschliesst. Das zeigt sich dann auch in der körperlichen Haltung, z. B. beim Gehen. Und es zeigt sich in einer besonderen Qualität gegenüber dem Nächsten, die auf sùúrù basiert, d. h. auf Geduld und auf innerer Ruhe. Nach Rowland Abiodun ereignet sich dann in der Gegen- wart des Anderen „a radiation, a strong magnetic field that charges your spirit. And I am sure it is this sùúrù, this inner calm.“ (Abiodun/Beier 1991: 10-11). Allenfalls Kolanüsse mit ihrer stimulierenden Wirkung werden angeboten.

a. Der Rasta Talk „I and I“ und die Philosophie

Die Interpretationen von „I an I“ von Seiten mancher Wissenschaftler muten bisweilen recht bizarr an. So vergleicht Adrian McFarlane den Rasta Talk „I an I“ mit Platos Ideenleh- re, dem Kynismus des Diogenes in seinem Verhältnis zur korinthisch-athenischen Heuchelei und Baruch Spinozas Idee, dass die Welt in ihren korrekten logischen Strukturen nur sub spe- cie aeternitatis verstanden werden kann (ebd.: 119). Zwischen Kynismus und Rastafari beste- hen in der Tat Parallelen: Beide nehmen in ihrer Gesellschaft eine marginale Rolle ein und kritisieren die Moral ihrer jeweiligen Republik und grenzen sich durch äußere Erscheinung und Lebensweise — livity im Rasta Talk — von derselben ab. Kyniker und Rastas erheben folglich die Unabhängigkeit des Individuums zum Prinzip! Das mag auch einer der Gründe sein, warum es keine Rastafari-Kirche im soziologischen Sinne gibt. Beide wollen zur Natur zurück, aber Rasta I-tal oder Ital ist dennoch nicht vergleichbar mit der radikalen Rückwendung der Kyniker zur Natur, insofern diese eine solche in jeglicher Hinsicht ist, was alle Lebensäußerungen angeht. Denn schließlich leitet sich die Bezeichnung dieser Philosophen von griech. kuÑwn, „Hund“, ab (Loth 1994: 793). Das Abstreifen der so- zialen Fesseln und Konventionen soll das Individuum befähigen, sich voll und ganz seines autonomen logos zu bedienen. Dazu gehört die Freiheit in sexuellen Dingen sowie die völlige – 242 –

Gleichberechtigung der Frau (Goulet-Cazé 2005). Zu letzterem muss kritisch angemerkt wer- den, dass in Rastafari-Kreisen bislang noch keine Hipparchia von Maroneia — Ehefrau des Kynikers Krates von Theben, selbst kynische Philosophin und erste Feministin der Antike — erstanden ist! Stattdessen ist hinlänglich bekannt, dass die Rastas den Frauen die moralische Gleichbe- rechtigung absprechen und Ideen über die Unreinheit derselben entwickelt haben — weil Frauen menstruieren und Kinder zur Welt bringen können! Dieses erinnert eher an die Miso- gynie der ostindischen Männer, die im 19. Jahrhundert eingewandert sind (Prashad 2001: 90), auch wenn darauf verwiesen werden kann, dass Frauen im orthodoxen Judentum wegen ihrer Periode bestimmten Einschränkungen unterliegen. Was jedoch die Rasta-Frauen erzürnt, das ist die Tatsache, dass in den Forschungen immer nur die Rede von Männern ist, obgleich es von Anfang an auch Rasta-Frauen gegeben hat (Lake 1998). Rasta-Männer dürfen ihre Dreadlocks offen tragen, Frauen dagegen müssen sie bedecken und sich dem Mann unterord- nen (1 Kor 11, 3-9; Eph 5, 22-24; Lake 1998: 109f.). Zutreffend merkt Obiagele Lake an:

Ironically, the language of RastafarI is considered by some to be a language of resistance. In order to arrive at such a conclusion, the status of women must be factored out of the picture. (ebd.: 115)

Zu livity gehört auch ital food (Loth 1991: 60-61), welche die Nähe zum Natürlichen und Spirituellem herstellt und auf diese Weise dazu dient, den ursprünglichen Schöpfungszustand des Menschen hinsichtlich seiner physischen und geistigen Struktur zu bewahren. Diesbezüg- lich stellen die Rastas jedoch keine singuläre Gemeinschaft dar! Hier sei nur auf den 1458 von Jambho Ji (= Jambeshwar, 1451-1536) gegründeten Bishnoi Samaj hingewiesen, der bis heute sehr erfolgreich in der Wüste Thar (Rajasthan) überlebt hat. Zu den 29 Geboten der Bishnoi-Gemeinschaft gehören auch die Verbote des Genusses von Opium, Tabak, Cannabis und Alkohol.19 Auf diesem Hintergrund kommt man nicht umhin zu konstatieren, dass die Lebensweise der Rastas keineswegs als konsequent natürlich, d. h. als ital bezeichnet werden kann, insofern der Cannabis-Genuss als Teil des religiösen Rituals angesehen wird. Hier be- steht ganz offensichtlich ein Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit, denn der ri- tuelle Genuss von Rauschmitteln kann wohl schwerlich als Teil einer natürlichen Lebenswei- se angesehen werden. Davon unberührt bleibt die Tatsache, dass Rauschmittel in vielen Reli- gionen zum Einsatz kommen. Kehren wir zu McFarlane zurück, der auch von einer „I-an-I epistemology (or theory of knowledge)“ spricht (ebd.: 107). Wir halten ein solches Verständnis des Rasta Talk für wis- senschaftlich unhaltbar. Auch wenn hinsichtlich der Epistemologie zwischen einer solchen im Sinne der Theorie der Wissenschaft und einer solchen, die hier als Erkenntnistheorie ver- standen wird, unterschieden werden kann, so muss auch letztere von einem glaubenden Wis-

[19] Siehe (Zugriffe vom 27.08.2008). – 243 – sen unterschieden werden. Letzteres trifft zu, wenn gegen Ende seines Beitrags McFarlane die „Rasta I-deas“ als Ideen sui generis bezeichnet und ausführt:

Thus Rastas reject what they see as the artificial means of knowledge, in favor of an em- phasis on the stirrings in persons to the truth conditions of Jah’s inspiration. Knowledge becomes self-knowledge, and self-knowledge is made possible by the knowledge of Jah. (ebd.: 119)

Wir haben hier eine tautologische Proposition, die keine neue rationale Erkenntnis über die Welt vermittelt. Sie ist allenfalls in einem religiös-theologischen Sinn signifikant. Patrick Taylor wiederum vergleicht die „I-an-I“-Logik des Rastafari-Diskurses mit der Ich-Du-Beziehung bei Martin Buber oder der Gottesbeziehung bei Søren Kierkegaard. Auch Jacques Derridas Begriff des „Supplement“ (franz. supplément) — ein zentraler Begriff der „Dekonstruktion“ — wird bemüht, um „Ethiopian Judaism and Ethiopian Christianity“ als Gegenüber zur europäisch-jüdisch-christlichen Tradition zu entwerfen. Von Rastafari heißt es dann am Ende: „Exposing the radical “difference” of the biblical text, the Rastafari reversion to Ethiopianism reveals, in Glissant’s terms, the “point of entanglement” that unleashes the creolization process to its plural histories“ (Taylor 2001: 75).

b. Der Rasta Talk „I and I“, die Bibel und New Thought

Es muss also erstaunen, wie McFarlane und andere Rastafari-Forscher mit dem Rasta Talk „I an I“ umgehen und nach einer tiefen metaphysischen Dimension suchen oder diesen in die Nähe moderner Philosophie und wissenschaftstheoretischer Reflexionen rücken. Dabei ist der hinter „I-an-I“ stehende Gedanke keineswegs originell noch neu, sondern verweist auf die amerikanische Tradition der „mystique of mind-power“ (Weiss [1969] 1988: 222). Die klassischen Rastafari-Studien, die diese neue Religion eher als eine Protest- und Widers- tandsbewegung verstanden haben, unterschätzen die religiöse Dimension, die eng mit der esoterischen Dimension afroamerikanischer Religionsbewegungen verbunden ist. Letztere ist verstärkt seit den 1920er Jahren aufgekommen, aber leider noch lange nicht ausreichend er- forscht. So ist Rastafari über die Marcus-Garvey-Bewegung mit dem „New Thought“20 ver- bunden (siehe Seite 168) und über Leonard Howell und die frühen Propheten mit kabbalisti- schem Gedankengut. Das gilt insbesondere auch vom Black Judaism, wie neuere Studien zeigen (Dorman 2007). Auf der Webseite wird unter „Repatriation News 15”21 der

[20] Die deutsche Bezeichnung „Neugeist-Bewegung“ umfasst bei weitem nicht den Gesamtstrom des eklekti- zistischen „New Thought“ in den USA, wie ihn Weiss [1969] 1988 darstellt. Die „New Thought Movement Home Page“ () zählt dazu beispielsweise auch die japanische, von Masaharu Ta- niguchi 1930 gegründete Seicho-no-Ie („the Home of Infinite Life and Growth“), die weltweit vertreten ist. – 244 –

„Chicago Defender“ vom 20. 12. 1919 angeführt: Ein gewisser Bishop J. A. Hickerson kün- digt für den 27. Januar 1920 die Krönung eines „Königs von Abessinien“ an. Wie dem „Chicago Defender“22 zu entnehmen ist, gibt der Bischof sich als Abessinier aus und verkün- det, dass die Königin des Landes auf den Thron verzichtet habe. Man plane bereits einen Empfang für den König. Da Kaiserin Zawditu nie auf den Thron verzichtete und Ras Tafari erst nach ihrem Tode am 2. November 1930 zum Kaiser gekrönt wurde, ist die Geschichte er- funden. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei diesem „Bishop J. A. Hickerson“ um den Garveyiten John Hickerson, der von seinen Anhängern auch „Reverend Bishop Saint John Divine“ („the Vine“) genannt wurde und von 1906-1912 mit Father Divine (alias George Ba- ker, 1880-1965) in Gemeinschaft mit „Father Jehovia“ (alias Samuel Morris) predigend in Baltimore auftrat. Letzterer stammte aus dem Allegheny County (Pennsylvania) und hatte in Baltimore Aufsehen erregt, weil er inmitten einer Predigt den Satz geäußert hatte: „I am the father eternal!“ (Landing 2002: 146). Father Divine nannte sich zu diesem Zeitpunkt noch be- scheiden „The Messenger“. Auf der Grundlage von „New Thought“ hatten die Gefährten von Father Jehovia die Doktrin vertreten, dass Gott sich im Individuum befände. „New Thought“ lehrte nämlich, „that God existed in all people, that the channeling of God’s spirit eradicated problems, and that unity with God guaranteed salvation“ (Watts [1992]1995: 22). Grundlage ist die Vorstel- lung, dass alle Menschen nur individualisierte Teile des Unendlichen Geistes sind und daher in Wirklichkeit das Leben Gottes und des Menschen eines ist. Das Bewusstsein davon be- wirkt Frieden, Stärke und Erfolg. Auf die puritanischen Wurzeln dieses Weltbildes verweist der Rückschluss vom innerweltlichen Erfolg auf die übernatürliche Bedeutung desselben: „Prosperity is evidence of the individual’s realization of oneness with the Infinite and the power this bestows“ (Weiss [1969] 1988: 149). Gott als „Over Soul, the Spirit of Infinite Life and Power“ manifestiert sich in allen Formen der Schöpfung. Und sofern sich der Mensch dem Influx der göttlichen Essenz öffnet, kann er Attribute erwerben, kann er sich graduell von einem natürlichen zu einem spirituellen Wesen entwickeln, „from earth-men to God- men“ (ebd.: 160). Die drei Prediger überwarfen sich 1912, als „John the Vine“ Father Jehovias Monopol auf das Gottsein in Frage stellte und zwar mit 1 Joh 4: 15: „Whoever shall confess that Jesus is the Son of God, God dwells in him and he is God“. Auch „The Messenger“ leugnete, dass Father Jehovia Gott sei und erklärte sich selbst zur wahren Erscheinung von Gottes Geist. Er lehrte, dass „God is within man“ (Landes 1967: 187) proklamierte seine eigene Gottheit und wurde zu Father Divine.23 Hickerson wiederum gründete 1914 in Harlem die „Church of the Living God, the Pillar and Ground of the Truth“. Er machte sich zu einem Äthiopier und lehr-

[21] Siehe (Zugriff vom 03.08.3007). [22] Siehe „Planning for Abyssinians“, in: The Chicago Defender (Big Weekend edition, 1905-1966), 20.12.1919 [ProQuest Historical Newspapers The Chicago Defender], p. 4. [23] Siehe „Black Cult Watch: November 2005: Pimp Daddy Divine“ ( [Zugriff vom 22.05.2008]). – 245 – te eine Variante des „New Thought“, zu der auch das Lied gehörte: „God in you, God in me, You God, I God, Everybody be God“ (Dorman 2007: 70) — als eine Konsequenz seiner Vor- stellung vom „indwelling God“ (Landing 2002: 146). Hickerson ist somit auch in die Ge- schichte des amerikanischen Äthiopismus einzuordnen. Nach James Landing gehört Hickersons Gemeinde zu jener Gruppe von Kirchen, die aus der 1889 von dem Baptisten William Christian in Arkansas gegründeten „Church of the Li- ving God (Christian Workers for Fellowship)“ hervorgegangen sind (ebd.: 147). Diese noch heute existierende Kirche ist dem Spektrum der afroamerikanischen Holiness-Bewegung zu- zuordnen, die auch Elemente des Pfingstlertums in sich vereinigt. Die Kirche des William Christian war eine der ersten, die auf der Grundlage von Ps 119, 83, Hiob 30, 30 und Num 12, 11 die Lehre vertrat, dass Jesus Christus und biblische Gestalten wie Abraham, David, Hiob, Jeremia und Moses’ Frau Schwarze waren. Während weiße Baptisten darüber nach- dachten, ob schwarze Menschen im vollen Sinne des Wortes Menschen waren, lehrte Christi- an, dass Jesus als Nachkomme Abrahams und Davids ein schwarzer Mensch war (Murphy/ Melton/Ward 1993: 172-173). Hickersons Variante von „New Thought“ hatte wiederum einen Vorläufer in der von Charles und Myrtle Fillmore 1889 gegründeten „Unity School of Christianity“, die noch heu- te existiert und über 1 Million Anhänger hat24 und als eine klassische New-Age-Religion be- zeichnet werden kann. Mit dieser Bezeichnung benennen wir jene esoterischen und okkulten Strömungen des 19. Jahrhunderts (siehe I.4.), die sich als eine soziale und spirituelle Erneue- rungsbewegung auf der Suche nach universaler Wahrheit verstand. Während europäische Un- tersuchungen „New Age“ auf die 1970er Jahre zurückführen25, unterscheiden die Autoren der englischsprachigen Wikipedia26 zutreffend zwischen dieser modernen New-Age-Bewegung und einer älteren Bewegung, die mit Emanuel Swedenborg (1688-1772) bis ins 18. Jahrhun- dert zurückreicht. Im „Preface“ zu seinem „Milton: a poem in 2 books“, geschrieben und illu- striert zwischen 1804 und 1810, spricht William Blake (1757-1827) bereits zweimal vom „New Age“ als einer neuen, besseren Zeit: „when the New Age is at leisure to Pronounce; all will be set right“ und „Rouze up O Young Men of the New Age! set your foreheads against the ignorant Hirelings!“27 Zu dieser älteren New-Age-Bewegung gehören nach Sydney Ahl- strom auch „New Thought“ und die vorgenannte „Unity School of Christinity“ (Ahlstrom [1972] 1974: 1026ff.).28 Charles und Myrtle Fillmore waren Schüler von Phineas Parkhurst Quimby (siehe Seite 168). Myrtle war einst Anhängerin von Mary Baker Eddy und Charles Fillmore (1854-1948) und hatte einen Hintergrund, der aus Hinduismus, Buddhismus, Rosenkreuzer und Theo-

[24] Siehe [25] Siehe z.B. Michael Fuß, „New Age“, in: Lexikon der Religionen, p. 458; Kocku von Studrad, „New Age“, in: Wörterbuch der Religionen, p. 376 [26] (Zugriff vom 27.04.2009) [27] Siehe (Zugriff vom 27.04.2009). [28] Auch der Wikipedia-Artikel ordnet „New Thought“ der älteren New-Age-Bewegung zu (Anm. 20). – 246 – sophie bestand. In Fillmores „Christian healing: the science of being“ lesen wir unter „State- ments for the realization of the son of God“ u. a.: „I am the Son of God, and the Spirit of the Most High dwells in me“, „I am the Christ of God“ und „I and my Father are one“ (Fillmore 1922: 29). Es gibt nur eine Menschheit, an der jeder Anteil hat, „eternally existing in Divine Mind as a perfect Man Idea“ (ebd: 32). Dazu gehört dann auch, dass der spirituelle Mensch „I AM“ ist und gleichzeitig ist „I AM“ auch „the Lord God of Scripture” (ebd.: 33). Wenige Jahre zuvor hatte bereits „The International New Thought Alliance“29 1916 von der „Divinity of Man and his Infinite possibilities“ gesprochen und 1917 davon, dass das Kö- nigreich des Himmels in uns ist und „wir eins mit dem Vater sind“:„ [H]is mind is our mind now, that realizing our oneness with Him means love, truth, peace, health and plenty, not only in our lives but in the giving out of these fruits of the Spirit to others“ (Dresser 1919: 211. 216). Im Kontext dieses Denkens bleibt es natürlich nicht aus, dass Analogien zu den Upanishaden und dem Vedanta konstatiert werden (ebd.: 274). Von John Hickerson führt eine Verbindung zu Arnold Josiah Ford (siehe Seite 165.190), der keine unbedeutende Rolle in Garveys U.N.I.A spielte: Hickerson rühmte sich, Ford He- bräisch gelehrt zu haben und dass Ford seinerseits (Chief-)Rabbi Wentworth Arthur Matthew (alias Yose Moshe ben Y’hudha; 1892-1973) unterwiesen habe. Letzterer erlangte in Harlem Berühmheit als Gründer der „Commandment Keepers Ethiopian Hebrew Congregation“ (1919).30 Über Ford kam Matthew zum Black Judaism und identifizierte sich mit den Falāschā, den „Y‘hudim of Ethiopia“. Über Arnold Ford, der bekanntlich nach Äthiopien ge- gangen war, haben sie von Haile Selassie ein Dokument erhalten, in dem bestätigt wird, dass sie die „Ethiopian Hebrews in the Americas“ seien. Auf ihrer Webseite heißt es deshalb: „[W]hat other approval besides Hashem [= Gott], blessed by the HOLY ONE of Yisrael, for- ever and ever, is greater than the approval from a direct descendant of King Solomon?“31 Zutreffend spricht Jacob Dorman davon, dass Bishop John Hickerson den „New Thought“-Gedanken, wonach Gott in dem charismatischen Führer wohne, auch im Black Ju- daism/Black Israel zu verbreiten half. Ein weiterer Pfeiler waren für diese Bewegung die eso- terischen und magischen Bücher des William de Laurence, die eine weite Verbreitung fan- den:

De Laurence’s works played critical roles in the genesis of twentieth-century alternative African American religions such as the Moorish Science Temple’s Black Islam, Rabbi Matthew’s Black Judaism, and Leonard Howell’s Rastafarianism. The central theme in de Laurence’s introductions and glosses, like the central theme in the beliefs of Bishop Hickerson, Father Divine, and Rabbi Matthew, is the New Thought concept of the imma-

[29] Siehe (Zugriff vom 30.08.2008). [30] Siehe . Infolge von Streitigkeiten zwischen dem Vorstand und dem Enkel des Gründers, Rabbi David Mathew Doré, musste diese älteste afroamerikanische Synagoge am 21. April 2007 schließen. [31] (Zugriff vom 25.05.2008) – 247 –

nence of God. De Laurence favored biblical quatations such as “The Kingdom of God is Within You,”32 “You are the temples of the Living God,”33 “The Father is in me, I in Him and we in you,”34 all of which are strinkingly similar to Father Divine’s slogans, and the teachings of the esoteric religious practitioners who studies de Laurence’ books. (Dorman 2007: 71; Herv. H.-J. L.)

Die hinter dem iyarischen „I an I“ stehende Gedankenkette hat wohl auch hier einen ih- rer Ursprünge: im religiösen New-Thought-Denken und natürlich in der Bibel! Abschließend sei noch auf eine interessante Parallele zwischen John Hickerson und Ras- tafari hingewiesen, die Jill Watts anmerkt: „Interestingly, a 1932 picture shows Hickerson in ceremonial robes identical to those of Rastafarian priests. Since Rastafarianism developed about 1932, it seems plausible that the styles evolved independently but may have shared common roots“ (Watts [1992] 1995: 193 Anm. 40).

c. Der Rasta Talk „I and I“ und die Shiva-tattva

Eine analoge Vorstellung findet sich aber auch in der indischen Tradition der Shivaiten, die mit den Kontraktarbeitern in die Karibik kam. Im Gegensatz zu Vishnu sind die Avatare Shivas nicht so bekannt (siehe aber Seite 228), gilt doch von ihm, dass er überall ist, in der Natur und in allen Gegenständen. Als Aṣṭamūrti, Shiva „von den acht Formen“, ist er in allen Teilen des Kosmos präsent, d.h. in den fünf Elementen Raum, Luft, Feuer, Wasser und Erde sowie in der heißen Sonne und dem kühlen Mond — beide stehen für die Zeit — und in der Seele. Der Mensch als Körper lebt in diesen Formen und hat an ihnen Anteil: „As such, Śiva dwells in his body. Over and above, Śiva dwells in man’s consciousness, aware of Śiva’s rea- lity, in and beyond manifestation“ (Kramrisch 1981: xxiii). Kramrisch zitiert den Ramana Maharshi dahingehend, dass der „body is the temple; the jīva is God (Śiva). If one worships Him with the ,I am He‘ thought, one will gain release“ (ebd.: xx).35 Shiva ist dann in jedem Guru vertreten, ist seine Verkörperung und führt seine Schüler zu Shiva. Carole Yawneys obige Erklärung von „I an I“ ist durchaus vergleichbar mit der Shiva-tattva, der Shiva-Wirklichkeit (Shiva-Dasheit), die die Gotteswirklichkeit schlechthin ist. Diese wird bekanntlich erst erreicht, wenn er die jīva-tattva, d. h. die Wirklichkeit des ge- trennten Seins des Individuums überwunden hat und zu einem jīvan-mukta (der „schon zu Lebzeiten Erlöste“) geworden ist. Dann wird er eins mit Shiva und fühlt sich mit dem Abso- luten verbunden, wiewohl er noch in einem Körper lebt (Sivanana [1996] 2000: 31). Diesem

[32] Lk 17, 21 [33] 2 Kor 6, 16 [34] Vgl. Joh 14, 20; 10, 38. [35] Siehe (Zugriff vom 31.01.2009). – 248 – entspricht die Aussage bei Carole Yawney: „It’s the same God in all of I and I“ (siehe Seite 240). In ihrem Gedicht „Jah live“ spricht Sista Ilivi davon, „dass wir alle Göttlich sind in un- seren Möglichkeiten“ (Faristzaddi 1982). Und Mutabaruka, der bekannte Dub-Poet und Ras- ta, erklärt: „Denn basierend auf seiner Erfahrung und auf seinen historischen und kulturellen genetischen Verbindungen sieht dieser Rasta in Haile Selassie auch das höchste Wesen. Doch gleichzeitig weiß er, dass Haile Selassie auch innerhalb des ,I‘, des Ich, ist“ (Mutabaruka 2007: 64). Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Shivaismus und Rastafari: Wie die Rastas ihre Erfahrung durch die „göttliche Intoxikation“ mit Ganja erlangen, so ist auch das bevorzugte Getränk Lord Shivas Cannabis in Gestalt von bhang — Shiva ist der „Lord of bhang“ —, das er sich selbst zubereitet oder das ihm von Parvati gereicht wird. Als Ergebnis halten wir fest, dass im Rasta Talk „I an I“ zumindest zwei, eher drei Tradi- tionen zusammenkommen: „New Thought“, Neues Testament und — im Kontext des Ganja- Komplexes— shivaitische Theologie. Auch wenn die Rastas in ihrer Bibelauslegung so tun, als ob die Bibel ein afrikanischer Text sei, so ist sie das natürlich nicht. Auf keinen Fall ist hier ein Weiterleben afrikanischer oder afrojamaikanischer Tradition anzunehmen. Wohl kennt der Revivalism die Inbesitznahme durch Geister, Engel und Gott, aber nicht unter Ein- bezug des Du, d. h. einer zweiten Person oder gar aller Menschen.

d. „I and I consciousness“ und Transkulturation

Es ist auf den ersten Blick sehr schwer, hier im Rahmen des Transkulturationsmodells die transitiven Prozesse aufzuzeigen. Wenn hier die Gott-Mensch-Beziehung die interkultu- relle Schnittstelle ist, dann haben wir auf der einen Seite die ursprüngliche Tradition des Neu- en Testaments sowie die bereits gewandelte Tradition des New Thought, in der bereits Ele- mente aus anderen Traditionen inkorporiert sind. Wir sehen auf der anderen Seite, dass die Verehrung von Jah Rastafari etwas mit Ganja-Kommunion zu tun hat (Seite 228f.) und der Rasta Talk des „I and I“ fest mit dem rituellen Rauchen von Cannabis verknüpft ist, dann er- scheint es uns sehr wahrscheinlich, dass die traditionelle christliche Vorstellung und das ihr nahestehende New Thought Movement über Prozesse der Selektion partiell deskulturiert worden sind und der neokulturelle Prozess in der Inkorporation/Einfügung von Elementen aus shivaiitischer Tradition besteht. Es ist ja keineswegs so, dass nur zwei kulturelle Systeme in Kontakt treten können, denkbar sind auch mehrere kulturelle Systeme. „I and I consciousness“ und Verehrung von Jah Rastafari müssten dann als Ergebnis ei- ner Transkulturation angesehen werden. Auch das Iyarische (Loth 1991: 30f. 56f.) müsste dann in diesem Kontext als eine neokulturelle Erfindung bezeichnet werden. Der Rasta Talk bleibt ja eigentlich ein jamaikanisches Kreol und unterscheidet sich nicht signifikant von des- sen Phonologie und Syntax, „but is characterized primarily by lexical choice, productive morphological mutation rules, and rhetorical strategy ..., all often metaphorical in motivati- on“ (Patrick 1999: 2). – 249 – 5. Jah, Ganja und Dreadlocks

Diese drei Begriffe stehen wieder in einem engen Zusammenhang. Die Intoxikation durch das „heilige Kraut“ („hola herb“) ist, wie gezeigt wurde, unabdingbarer Bestandteil der Gottesverehrung und verweist auf den shivaitischen Kontext. Schon die „Indian Hemp Drugs Commission Report“ von 1894 berichtete über den Gebrauch der Hanfpflanze im Zusammen- hang mit der Verehrung des „Mahadeo or great god of the Hindu trinity“:

These religious ascetics [= „fakirs, yogis, sanyasis, and ascetics of all classes“], who are regarded with great veneration by the people at large, believe that the hemp plant is a spe- cial attribute of the god Siva, and his belief is largely shared by the people. Hence the [origin] of many fond epithets ascribing to ganja significance of a divine property, and the common practice of invoking the deity in terms of adoration before placing the chill- um or pipe of ganja to the lips. (ebd.: Nr. 435)36

Zweifellos dürfte Ansley Hamids These zutreffend sein, wonach die mit Asche vom Ver- brennungsplatz beschmierten und Dreadlocks tragenden Anhänger Shivas — darin ähneln sie dem großen Yogin selbst! — den Ganja-Komplex in vielen Teilen Indiens verbreitet haben (Hamid 2002: xxxv; Rubin/Comitas 1969). Mit den etwas mehr als 36.000 Immigranten aus Ostindien kam Marihuana nach Jamaika und verbreitete sich von den Plantagen aus ende- misch im ganzen Land. Es kann als ganja geraucht werden, auch als charas37oder als bhang einem Getränk beigefügt werden, sei es als Ganja-Tee oder als Tonikum im Rahmen medi- zinischer oder prophylaktischer Anwendung. Zora Hurston weiß auch von dem Einsatz von „ganga“ für sexuelle Zwecke zu berichten (Hurston [1938] 1990: 19). Der Anwendungs- bereich von Ganja dürfte größer sein als hier angeführt. Es ist auch eine Tatsache, dass die britische Regierung erst relativ spät mit dem „Dange- rous Drugs Act 1920“ seinen internationalen Verpflichtungen nachkam: Dieses Gesetz reprä- sentiert die erste formale Drogengesetzgebung Großbritanniens, befasste sich aber vor allem mit Opium, Kokain und Ecgonin, Morphin und Diamorphin (Heroin).38 Nach den sozialen Revolten von 1938 hatten die herrschenden Pflanzer nach einer Kontrolle des Volkes verlangt und dazu hatte auch gehört, Marihuana unter die Drogengesetzgebung zu stellen und es zu verbieten. In einem Gespräch mit Hélène Lee führt Mortimo Planno jedoch aus, dass der An- bau von Ganja in Britisch-Guyana zum Schuldenabbau ausdrücklich empfohlen wurde. Erst 1953 habe Churchill das Geschäft mit dem Kraut untersagt: „Manley [siehe Seite 198] rief mich an und sagte: ,Morty, du musst deinen indischen Brüdern mitteilen, dass jetzt Schluss

[36] Der Text wurde in Übereinstimmung mit dem Wortlaut bei Hamid 2002: xxxv leicht korrigiert. [37] Charas ist das Harz der unbefruchteten weiblichen Blüten, während ganja aus den unbefruchteten weibli- chen Blüten und oberen Blättern über einen Trocknungsvorgang gewonnen wird. Bhang bezieht sich auf die großen grünen Blätter und Blütenknospen der männlichen und weiblichen Pflanzen. [38] Siehe The British medical journal, vol. 1 (3237) vom 13. Januar 1923, S. 69 ( [Zugriff vom 23.01.2009]). – 250 – ist mit dem Ganjageschäft‘“ (Lee [1999] 2003: 213). Offensichtlich bestand im Ganjage- schäft eine enge Zusammenarbeit mit den Indojamaikanern! Dass zudem zwischen Reggae- Musik und „Herb“ von Anfang an eine enge Beziehung bestand, ist auch bekannt (Bradley [2000] 2003: 205f.). Es steht also außer Zweifel, dass es eine enge Verbindung zwischen Ganja und Shiva- Verehrung gibt, wie auch eine solche zwischen Jah und Ganja-Genuss. Ganja ist hier das Bindeglied zwischen Indojamaikanern und Afrojamaikanern, woraus gefolgert werden kann, dass eine Beziehung zwischen Shiva-Sādhus und Rastafariern bestanden haben muss. Das wird auch darin deutlich, dass die Rastas die reifen Knopsen von Cannabis sativa, die den höchsten Gehalt an THC enthalten, als kali (Hindi: kalee [Mansingh/Mansingh 1999: 16]) be- zeichnen. In Hindi und Urdu bezeichnet kālī nicht nur die Farbe Schwarz bzw. das Adjektiv schwarz, sondern ist auch ein Epitheton für Durga (Platts [1884] 1965: 804)), der Gemahlin Shivas, das ist die Göttliche Mutter Kali, im Hindi Kali mai! In dem Kapitel über Leonard Howell sind wir bereits auf die Beziehungen zwischen ihm und den Indojamaikanern eingegangen. Das Problem besteht nun darin, dass diese Bezüge von den klassischen Rastafari-Darstellungen negiert werden und damit auch vor allem die diesbezüglichen Arbeiten von dem Ehepaar Mansingh. Im Jahre 1982 merkt Ajai Mansingh in einem Artikel im „Daily Gleaner“ an: „For if Rastafarianism is a protest, it may not survi- ve beyond the life of the factors which had prompted the protest; alternatively, as a religious or cultic movement, it will have to stand on the strength of its own beliefs, convictions and philosophy“ (Mansingh 1982). Wie der bisherige Gang unserer Untersuchung zeigt, steht Rastafari keineswegs in einer ungebrochenen Tradition im Kontext der afrojamaikanischen Religionstraditionen. Auch was die „afrikanische“ Tradition des Widerstands in Jamaika betrifft, so haben doch jene Kräfte, die auf Repatriierung setzen und die Einmischung in die politics der Insel ablehnten, Rastafa- ri zu einer unpolitischen Bewegung gemacht, die mit dem Ganja-Komplex und der Reggae- Musik den Weg über die Kontinente angetreten ist. Symptomatisch hierfür ist Ras Mortimo Planno, der die Ansicht vertreten hat, dass die Rastafari-Bewegung keinerlei Sympathie für irgendeine politische Partei hegt (Planno [1970] 1995: mp32.html), Gewerkschaften und poli- tische Parteien für illegitim hält, weil die Rastas Mitglieder einer „neuen Rasse“ sind (ebd.: mp37.html) und die äthiopische Staatsbürgerschaft reklamieren (ebd.: mp59.html). Mit seiner apolitischen Haltung stand er in Konfrontation zu dem Rasta Elder und Ver- treter des „Divine Order of the House of Nyahbinghi“ (1925-1998), Ras Elisha Brown. Letz- terer hatte als Kind noch Garvey kennen gelernt und hatte mehrmals die Reise zu Howells „Pinnacle“ gemacht. Im Gegensatz zu Planno hatte er in einem 21-Punkte-Programm erklärt, dass die Mitglieder der Rastafari-Bewegung untrennbarer Teil der Schwarzen Afrikas seien und dass wegen der Verfolgung und Diskriminierung der politische Kampf aufgenommen werden müsse (Barrett 1977: 148ff.). Folgerichtig kandidierte er in den Wahlen von 1961 für die „Black Man’s Party“ — allerdings ohne Erfolg. Planno hat ihn in scharfer Weise und mit bedrohlichen Worten in seinem Buch bedacht (Planno [1970] 1995: mp46.html). – 251 –

Wenn aber der politische Kampf und damit der eigentliche Widerstand gegen die sozia- len und politischen Verhältnisse auf der Insel nicht aufgenommen wurde, was blieb dann noch — um an das obige Zitat von Mansingh anzuknüpfen — an Glaubensvorstellungen, Überzeugungen und Philosophie? Die Antwort sehen wir mit Ansley Hamid im Ganja-Kom- plex mit seiner kulturellen Transmission: „an (essential Saivite) Indian tradition which had originated 5.000 years before in the Hindu Kush“ (Hamid 2002: 76). Dazu gehören Ganja, Dreadlocks, Vegetarianismus und afroindischer Avatār, dem Hari-Hara gleich, also einerseits Vishnu und andererseits Shiva — genannt Jah.

a. Jah und die Bibel

-jāh, ist die Kurzform des Gottesnamens jahwæh, auch Tetragramma , יָהּ Jah, hebräisch ton JHWH genannt, für das es im Judentum ein qərē perpetuum gibt: ’adonāj, wörtlich: „mein Herr“. Diese Kurzform findet sich 50mal in der Hebräischen Bibel, auch in der liturgischen Formel des Hallelujah, im Halbkadisch des Sidur und mindestens 10mal im Talmud.39 In der „King James Version“ findet sich das Wort nur in dem Vers Ps 68, 4: „Sing unto God, sing praises to his name: extol him that rideth upon the heavens by his name JAH, and rejoice be- fore him.“ Bekanntlich findet sich in diesem Psalm auch der symbolträchtige Vers 31 über die Prinzen aus Ägypten und „Ethiopia shall soon stretch out her hands unto God.“ Was die Aussprache angeht, so wissen natürlich auch im englischsprachigen Raum ge- bildete Bibelleser über die Ableitung von englisch Yahweh Bescheid und dürften folglich yah sprechen. Dem hat auch die „Emphasized Bibel“ von Joseph Bryant Rotherdam wie auch die „Modern Reader Bible“ des Richard Green Moulton Rechnung getragen: In Psalm 68, 4 fin- den wir korrekt Yah.40 Denkbar ist allerdings auch, dass einfache Gläubige eine Angleichung an Jehovah vorgenommen haben, die zur Aussprache von Jah mit anlautendem stimmhaften geführt hat. Eine andere Möglichkeit führt Spencer an, der auf die Möglichkeit verweist, dass Jamai- kaner wie z.B. Joseph Hibbert als Vertragsarbeiter in Costa Rica oder Leonard Howell in Pa- nama mit der hispanischen Bibelausgabe „Reina-Valera“41 in Kontakt gekommen sind (Spencer 1999: 15), ist diese doch bis heute die in protestantischen Kreisen maßgebliche Bibelausgabe.42 Es ist zutreffend, dass hier an vielen Stellen die Gottesbezeichnung JAH an- zutreffen ist, z.B. Ps 68, 4: „JAH es su nombre“ oder Ps 150, 6: „Todo lo que respira alabe a

[39] Siehe Berachot 7a, Pesachim 117a, Sota 34b, Gittin 56b und Sanhedrin 94a. [40] Siehe auch Robert Nguyen Cramer, „#77 - What is the meaning of JAH as used in Psa 68: 4?“ ( [Zugriff vom 21.02.2008]) [41] So benannt nach Casiodoro de Reina (1520-1594) und (1532-1602). Beide Protestan- ten mussten ihr Heimatland verlassen; ersterer verstarb in Frankfurt am Main und letzterer in London. [42] Siehe Jorge A. González. „The Reina-Valera bibel: from dream to reality“, in: Literatur bautista ( [Zugriff vom 008.03.2008]). – 252 –

Jah“. Die heutige spanische Standardform für den Gottesnamen ist Yahvé, wobei die Graphie am Anfang der Lautung dem hebräischen Jot entspricht. „Ein Graphem kann heute, in welcher Varietät des Spanischen auch immer, nicht anders denn als ach-Laut (bzw. zumin- dest als aspiriertes h) ausgesprochen werden“ (Monjour).43 Es kann also ausgeschlossen wer- den, dass Jamaikaner in Lateinamerika mit einer Aussprache von Jah in Berührung gekom- men sind, bei der das Graphem wie das französiche Jot in französich journal gesprochen worden wäre.

b. Jah und der Jabulon/Jahbulon der Freimaurer

Spencer verweist des Weiteren darauf, dass Joseph Hibbert und Archibald Dunkley Frei- maurer waren und zwar des „Ancient Mystic Order of Ethiopia“ (ebd.: 14). In Freimaurer- kreisen bediente man sich des Gottesnamen Jahbulon, was jedoch umstritten ist. William Spencer beruft sich auf Malcolm C. Duncans, „Duncan’s Masonic ritual and monitor“, das 1866 in 3. Auflage erschienen ist und von dem die Freimauerer-Autoren Arturo de Hoyos und S. Brent Morris sagen, dass es keine korrekte Version irgendeines Freimaurerrituals darstelle, sondern des Autors eigene Version sei. Das Wort Jabulon/Jahbulon komme zwar in einigen Freimauerergruppen vor, sei aber von der Interpretation her sehr schwierig und wurde des- halb von einigen eliminiert (Hoyos/Morris [1993] 1998: chapt. 3). Dennoch, Hibbert und Dunkley können sich von dem Werk des Malcolm Duncan, das bis heute noch nachgedruckt und offenbar viel gelesen wird — das zeigt ein Blick ins Internet —, haben beeinflussen las- sen. Auf Seite 224 daselbst finden wir die Worte im Zusammenhang mit dem „Royal Arch Degree“ das so geannte „Grand Omnific Royal Arch Word“ „Jah-buh-lun, Jehovah, G-o-d“ und in der Fußnote zu Seite 226 eine Erläuterung des zusammengesetzten Namens. Da ist dann die Rede von dem unaussprechlichen indischen Namen Aum, der für Brah- ma, Vishnu und Shiva steht. Ferner ist die Rede vom heiligen Namen JEHOVAH, von dem es verschiedene Varianten gibt. Unter diesen sind besonders wichtig für die „Royal Arch Masons“:

JAH unter Hinweis auf Ps 68, 4 BAAL oder BEL als Bezeichnung für den Herrn und Besitzer bei Nationen des Ostens ON als der Name JEHOVAH unter den Ägyptern.

On ist nach Gen 41, 50; 46, 20 eine Stadt in Ägypten, vielleicht Heliopolis (Ir-Heres) nach Jes 19, 18, das zeitweilige Kultzentrum des Sonnengottes Re. Möglicherweise ist jedoch ōn gemeint, d.h. „Vermögen“, „Kraft“. Für unsere Untersuchung ist es’ ,אוֹן auch hebräisch ohne Belang, was dieses Wort wirklich bedeutet und ob es auch wirklich in den Logen be-

[43] So Prof. Dr. Alf Monjour, Universität Duisburg-Essen, Campus Essen, in einer e-Mail vom 26.05.2008. – 253 – nutzt wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass Hibbert und Dunkley dieses Werk, das Indien mit JAH und JEHOVAH verbindet, aller Wahrscheinlichkeit nach kannten! Es sei auch er- gänzend hinzugefügt, dass das Freimaurertum sich in der Black Diaspora großer Beliebtheit erfreut. Bereits 1776 wurde in Boston die „African Lodge No. 1“ von Prince Hall gegründet.

c. Jah in der esoterischen und okkulten Tradition

Wie wir bereits gezeigt haben, kannte Jospeh Hibbert höchst wahrscheinlich auch die „Sixth and Seventh Books of Moses“ (siehe Seite 195) und das dürfte bei dem „con-man“ Leonard Howell ebenfalls der Fall gewesen sein, erfreute sich doch insbesondere das 7. Buch Moses großer Beliebtheit bei den „New World Blacks“ (Barrett 1976: 49). Auch Hoodoo- Praktikanten in New Orleans benutzen diese Bücher, wie auch die Vaudou-Gläubigen und Santeros. Die de Laurence-Ausgabe der angeblichen Mosesbücher war ein Text mit weiter Verbreitung in Afrika und der Afroatlantischen Welt: Ihr Prestige beruhte zum einen auf dem Namen Mose mit seinem Symbolwert für die Spiritualität der Afrikaner und ihre Nachkom- men in beiden Amerikas, zum anderen auf Grund des Ressentiments, die Weißen hätten die wichtigsten Teile der Bibel den Schwarzen vorenthalten. Ein weiteres Moment war die Ver- knüpfung Moses mit dem Okkultismus (Dorman 2007: 71). Jüngere Forschungen verbinden Leonard Howell mit den okkulten Büchern des de Lau- rence. Das gilt von Jacob Dorman (2007: 71), der zudem dazu auffordert, afroamerikanische Religionen nicht mehr zu rein reaktiven Protestbewegungen herabzuwürdigen, sondern ihre Führer eher als „organische Intellektuelle“44 anzusehen, „who were part of the Atlantic world’s circular reciprocity of ideas between disparate races, classes, and nations, much as they themselves circulated transnationally between the far reaches of the globe“ (ebd.: 77). In diesem Zusammenhang stellt er auch den Rastafarianismus. Vijay Prashad ordnet Howell in die okkulte Tradition der Illuminati ein, die, nachdem Madame Blavatsky und Colonel Olcott die moderne Theosophie begründet hatten, aus Indien und Tibet geheimnisvolle Länder ge- macht haben. Insbesondere sollen es die de Laurence-Ausgaben des „Dream Book“ (1904) und „The Book of Magical Art, Hindu Magic and Indian Occultism“ (1915) gewesen sein, die Leonard Howell beeinflusst haben (Prashad 2001: 90f.). Das letztere Buch stellt dem Anfang einige Fotos — „Scenes in India“ — voran, darunter auch das Bild eines Hindu-Asketen aus Benares: einen Sādhu mit sehr langen wilden Haaren und Bartwuchs — wie ein Dreadlocks! Das ist natürlich überraschend! In dem Buch selbst ist dann auch die Rede von „Yoghis“: „[T]he time seems specially auspicious, because of the present opening up of Oriental Occultism and Esoteric Philosophy to Western thought, and the confronting of the Christian church by the Eastern world with its mystic orders and brot- herhoods of ,Holy Men‘, ,Yoghis‘, and Hierophants as possessing the miracle-working Thau-

[44] Der Begriff stammt ursprünglich von Antonio Gramsci, der damit Menschen beschrieb, die die Ideen ei- ner bestimmten Klasse vertreten. – 254 – maturgic Power“ (de Laurence [1915] 1997: 374). Die Hindus können auf eine weitaus ältere Zivilisation, Erfahrung und Spiritualität zurückblicken (ebd.: 375f.). Es ist u.a. die Rede von der Karma-Doktrin (ebd.: 480f.), aber auch von Obeah und Voodoo (ebd.: 507), von Mose „being skilled in the Egyptian Magic“ (ebd.: 143) und von Jah im Zusammenhang mit an- deren Gottesnamen beim Exorzismus (ebd.: 288). Dagegen ist in der de Laurence-Ausgabe des „Sixth and seventh books of Moses“ der Terminus Jah sehr häufig anzutreffen. Von dem „Schemhaphoras“ (= Schem ha-meforasch) und dem Gottesnamen Jah war bereits die Rede (siehe Seite 196). Danach findet sich der Name Jah noch an weiteren 27 Fundstellen, insbesondere in den kabbalistischen Erläuterun- gen zu den Psalmen.45 Bei diesen handelt es sich um eine englische Übersetzung der deut- schen Übersetzung des „Sepher Schimmusch Tehillim oder Gebrauch der Psalme zum leibli- chen Wohl der Menschen“ von Gottfried Selig aus dem Jahre 1788. In Übereinstimmung mit der deutschen Vorlage fährt die de Laurence-Ausgabe fort: „A fragment out of the PRACTI- CAL KABALA, together with an Extract from a few other Kabalistical Writings“ (c1906: 141). Der „holy name Jah“ erweist sich in diesem Kontext als besonders mächtig, sei es als Schutz auf Reisen oder gegen Räuber, zum Erlangen von Visionen oder Träumen, gegen böse Nachrede, zum Sieg über Gegner u.a.m. Ähnlich wie bei einem indischen Mantra findet sich hier die Vorstellung von der Kraft und Wirksamkeit des gesprochenen Wortes! Natürlich ist in diesem Buch auch wieder die Rede von Indiens Brahmanen (ebd.: 31. 46f. u.ö.). Vijay Prashad spricht mit Blick auf Leonard Howell von einem Faible für Okkultes (Prashad 2001: 91) und von okkulter Obsession, die sich in der Aufzählung von Artefakten des Obeah äußert (Maragh [1993] 2001: 23). Mag Howell auch von den Publikationen des de Laurence gelernt haben, so lässt sich jedoch nicht nachweisen, dass er als erster den Namen Jah benutzt hat. Im Prozess war die Rede von Jehovah (siehe Seite 201). Dennoch erscheint es nicht abwegig, auch das 6. und 7. Buch Moses als Quelle für den Rastafari-Gottesnamen Jah heranzuziehen. d. Jah und Hindi Jai

Ein letzte Möglichkeit besteht in der Ableitung des Namens gemäß den Thesen der Ehe- leute Mansingh von Hindi jai. Demnach wären die frühen Rastas von dem Kult der Kali Mai stark beeindruckt gewesen. Auch Vincent Burgess hat jüngst auf die chilam-pūjā als Vorbild des chalice oder cutchie, der Pfeife mit dem Ganjakraut, hingewiesen (Burgess 2007:32f.). Er bezieht sich dabei auf Robert Gross, der sich in jahrelanger Feldforschung mit der heiligen Welt der Sādhus, ihren Ritualen und ihrem Symbolismus beschäftigt hat. Dieser schreibt über die chilam-pūjā, dass der chilam metaphorisch zu einem Bildnis Shivas wird. Die Tonpfeife symbolisiert Shivas Körper und repräsentiert seine äußere Erscheinung: Der Pfeifenkopf wird

[45] Die digitale Ausgabe von Joseph Peterson verfügt über eine gute Suchfunktion und erläuternde Rand- notizen. – 255 – zu seinem Kopf, der Stamm zu seinem Torso und seinen Gliedern. Für Rastafari ist der Ge- nuss des heiligen Krauts ein Sakrament des Tempels, welcher der Körper ist. Wir wollen im Folgenden Aussagen von Gross mit solchen der Rastas selbst gegenüberstellen.

The gānjā/charas mixture is Śiva’s ineffable, un- Das Ritual des Herumreichens der Pfeife, der knowable divine substance; the gītī is the throat Schluck aus dem Kelch, ist Teil der Verehrung cakra from which all sound emanates; the guṇdī Jahs; dies wird als eine Anrufung der universa- is Śiva’s jaṭā, the locus of yogic and supernatural len Kraft des Allmächtigen verstanden. Das powers, and when ignited, it represents the sahaś- Rauchen des Krautes in einer Versammlung rara cakra, the thousand petalled lotus or seat of symbolisiert Vereinigung und Einheit, „I-nity“, liberation, situated at the top of the head.46 The unter denen, die da vor Jah versammelt sind. Es gānjā used in the chilam represents the offering of verbindet die Anwesenden in der Fülle der gött- oneself to God, and the act of smoking is a form lichen Kräfte, schafft einen vibrierenden Aus- of self-sacrifice. Also, the chilam symbolizes the tausch von Meditation zwischen allen, die am transformative powers of Śiva, and the resultant Sakrament teilhaben. state of altered consciousness, perceived as a ma- Das Kraut wird von den Rastas gebraucht, um nifestation of God’s grace, allows the sādhus to die eigene Meditationskraft zu erhöhen und die experience something of Śiva’s divine being. In göttliche und lebendige Präsenz in uns allen zu one sense, the chilam-pūjā is a symbolic ritual of enthüllen. Die Schwingungen, die dabei den transubstantiation in which the sādhus absorb the Körper durchströmen, sind die eines verwandel- substance and essence to their personal deity in ten, aufsteigenden Energieflusses, der jene inne- order to become one with Him. (Gross [1992] re Quelle der Schöpfungskraft offenbart, welche 2001: 365) sonst von der gröberen Wirklichkeit des weltli- When I asked sādhus why they smoked gānjā, chen, physischen Körpers verdeckt wird. Für they would look at me with complete incredulity, Rasta ist die Erfahrung mit dem Kraut ein posi- saying how else should one meet God and receive tiver Akt, der ihn dem Schöpfer näher bringt, his darśana. As part of their life style, smoking und keine negative Flucht wie so oft im babylo- gānjā was the obvious means to those ends. (ebd.: nischen Milieu. 367) Rastafari wird das Kraut nie aufgeben und ver- leugnen. Die Brüder haben teil an den inneren, brennenden Strömen und werden der Fülle in- nerhalb des eigenen Körpers gewahr; sie allein sollen die Summe ihres Bewusstseins und die Wirklichkeit ihrer Erfahrung vertreten. (Farist- zaddi 1982: o. Paginierung)

Die Übereinstimmungen zwischen beiden Texten sind doch recht erstaunlich und können wohl nicht auf Zufall beruhen. Auch Robert Gross selbst spricht von Ähnlichkeiten zwischen Rastas und Sādhus sowohl hinsichtlich des Ganja-Genusses wie auch der Dreadlocks (ebd.: 370 Anm. 8). Unter Bezug auf das Modell vom Ganja-Komplex sprechen wir nicht nur von Ähnlichkeiten, sondern auch von Zusammenhängen aufgrund einer transkulturellen Begeg- nung. Mag auch schon im Revival und anderen afrojamaikanischen Religionen das Weiterrei- chen des cup bekannt gewesen sein, das Rauchen des Ganja als solches geht auf die Ostinder zurück, „including gracing the cup before smoking“ (Chevannes 1994: 153).

[46] Gītī ist ein kleiner Stein oder gebrannter Ton, der im unteren Teil des chilam den Rauch durchlassen, die Asche aber aufhalten soll, guṇdī ist ein Knäuel aus Fasern der Kokosnussschale. – 256 –

Die Frage ist jetzt jedoch, ob es zwischen Jah und Jai eine Brücke gibt. Ajai und Laxmi Mansingh sprechen mit Blick auf Jai von einer phonetischen Ähnlichkeit mit Jah (Mansingh/ Mansingh 1985: 102). Hört man sich aber beispielsweise auf YouTube das bekannte Om Jai Shiv Omkara (Lord Shiva Aarti)47 an, erhält man jedoch eher den Eindruck, dass Hindi jai wie englisch jay (Häher) klingt.48 Es mag im großen Indien phonetische Varianten geben, die die These von Mansingh/Mansingh stützen. Wie es sich damit auch immer verhalten mag, ei- nes dürfte jedoch auffallend sein: die Konstruktion Jah Rastafari, die an Jai Kali oder Jai Shiv erinnert. Sie scheint uns doch ziemlich ungewöhnlich und könnte den mantras oder „Ausrufen“ (siehe Seite 217), wie sie auch nach Gross bei der chilam-pūjā üblich sind (Gross [1992] 2001: 365f.), nachgebildet sein.

e. Jah und der Transkulturationsprozess

Wir vertreten auf Grund des obigen Befundes die These, dass der Doppelname Jah Ras- tafari höchstwahrscheinlich nach dem Vorbild Jai Kali oder Jai Shiv (Sanskrit Śiva) gebildet worden ist. Und dazu gehört dann auch die mūrti des Kaisers, sei es im Krönungsornat, sei es in anderen Frontaldarstellungen, bei denen die Augen des Herrschers den Betrachter an- blicken. Die Augen stehen auch in den indischen Videos im Mittelpunkt (siehe Om Jai Shiv Omkar und Jai Kali Maa) — gemäß der religiösen Praxis des darśana (siehe Seite 208). In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass Jah als Kurzform des Gottesna- mens JHWH eine alttestamentliche Form ist, die im Neuen Testament nicht anzutreffen ist. Der Gott Rastafari ist jedoch, soweit wir sehen, keineswegs Jahwæh redivivus! Eine Ableitung von Jah in Ps 68, 4 halten wir daher für wenig wahrscheinlich, auch wenn in Vers 31 der berühmte Äthiopien-Ausspruch zu finden ist. Auch für das Jah in der spanischen Bibelausgabe der Reina-Valera gilt, was wir im obigen Abschnitt gesagt haben: Hier ist die Rede von einem alttestamentlichen Gott. Auch die Ableitung vom Jahbulon der Freimaurer erscheint fraglich. Starke Argumente könnte man dagegen für eine Ableitung aus dem Gebrauch von Jah in den „Sixth and Seventh Books of Moses“ anführen:

1. Das okkulte Werk erfreute sich großer Beliebtheit in Afrika und der Afrikanischen Diaspora. 2. Howell und Hibbert und möglicherweise andere frühe Anhänger der neuen Religion kannten es auch. 3. Der Gottesname Jah ist hier relativ häufig anzutreffen und wird in einem kabbalisti-

[47] [48] So auch Prof. Dr. Peter Schreiner, Universität Zürich, E-Mail vom 07.02. 2008. Auf YouTube finden sich noch zahlreiche indische Videos, die mit Jai beginnen wie z.B. Jai Kali Maa (): Die Aussprache von jai entspricht auch hier der oben gemachten Beobach- tung. – 257 –

schem Kontext verwendet, sei es im Schemhaphoras (= Schem ha-mephorasch) — Jah ist der 72. Gottesname! —oder in der englischen Übersetzung des „Sepher Schimmusch Tehillim“. 4. Der Gottesname Jah kann dann in einem manipulativen oder theurgischen Sinne ein- gesetzt werden — zweifellos verlockend für Obeah-men und Anhänger des Okkultismus.

Jah als der 72. Gottesname im Schemhaphoras würde die bei Joseph Owens angeführten 72 verschiedenen Formen, Namen, Nationen und Sprachen erklären, in denen sich Selassie bewegt (Owens [1976] 1979: 258). Haile Selassie wäre die derzeit letzte mūrti gewesen, wenn wir wieder den Vergleich mit dem Shivaismus ziehen wollen. Zusammenfassend erscheint es uns jedoch wenig angebracht, die Gottesbezeichnung der Rastas durch Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit der Herleitung festzulegen. Hier bietet sich vielmehr wieder das Modell der Transkulturation an: Die interkulturelle Schnittstelle ist der aus Indien stammende und in Jamaika auch unter Afrojamaikanern ver- breitete Ganja-Genuss. Mit diesem waren in Jamaika auf Seiten der ostindischen Vertragsar- beiter — wie bereits mehrfach angeführt — shivaitische Traditionen verbunden, die über Phasen eines transitiven Prozesses partiell ausgetauscht wurden gegen Traditionen anderer Herkunft. Letztere wiederum sind jüdisch-christlicher Herkunft wie die Bibel sowie europäi- scher Herkunft wie Freimaurertum und Okkultismus (Kabbala). Wir haben also wieder mit Selektivität und Erfindungsreichtum zu tun. Wir halten es daher für möglich, dass alle Traditionen, die für eine Herleitung des Wor- tes Jah in Frage kommen, mehr oder minder an diesem transitiven Prozess beteiligt sein kön- nen. Was aber ist afrojamaikanischer Herkunft? Dazu gehört der Rekurs auf den Äthiopismus und die konsquente Reafrikanisierung der ursprünglich ostindischen Traditionen, sei es durch eigenwillige Bibelauslegung oder Behauptung eines vermeintlichen afrikanischen Erbes. Wollen wir diese transitiven Prozesse noch näher beschreiben, dann müssen wir auf die Kreolisierung verweisen (siehe I.6.), auf die Interkulturation, d.h. die Begegnung verschiede- ner Kulturen und Religionen etwa in den Ghettos von Kingston, wo die yards der Afrojamai- kaner neben denen der Indojamaikaner lagen. Zuvor waren Afrojamaikaner wie auch Indoja- maikaner für lange Zeit dem politischen, kulturellen und religiösen Druck der britischen Kolonialmacht ausgesetzt gewesen. Die christliche Mission unter den Ostindern führte schlie- ßlich zur Konversion eines großen Teils der Hindus und indischen Muslime und erzwangen die Akkulturation, d.h. die Unterwerfung unter die Normen der kreolischen Gesellschaft (Shepherd 1994: 150). Dieses fand seine Fortsetzung im 20. Jahrhundert in Form einer „selektiven Kreolisierung“, in der bewussten Entscheidung von Einzelnen, sich den Normen der Gesellschaft anzupassen, also der Verlust der „core culture“ Indiens, von der Brathwaite gesprochen hat (siehe Seite 31) (Shepherd 1994: 206). Als die Indojamaikaner gegen Anfang des 20. Jahrhunderts in größerer Zahl nach Kingston zogen (siehe Seite 192.205), kann zu- treffend im Sinne von Vijay Prashad daselbst von einem Polykulturalismus gesprochen wer- den. Dieser stellte die Menschen vor besondere Probleme: „Polyculturalism is a ferocious en- – 258 – gagement with the political world of culture, a painful embrace of the skin and all its contradictions“ (Prashad 2001: xii). Damit bewegen wir uns auf Alfred Schütz’ Formel von den „multiple realities“ zu (siehe I.7): Hier stehen sich die religiösen Traditionen als Sonderwelten gegenüber und der Einzel- ne wird damit konfrontiert. Was dann im privaten Modus sich ereignet — die spezifischen Wahrnehmungsweisen von Individuen (Tworuschka 2008: 16) —, lässt sich mit Modellen nur schwerlich nachzeichnen. Das gilt sowohl von den frühen Rastas, die mit Indojamaika- nern in West-Kingston lebten, als auch von Leonard Howell während seines Aufenthalts in Haarlem. In beiden Fällen spielte Ganja eine Rolle. Indische Gangs wie die Kapatoola über- nahmen den Ganja-Handel (Lee [2004] 2005: 2002; Chevannes 1994: 153), Manley warnte Mortimo Planno wegen seiner „indischen Brüder“, die das Ganja-Geschäft betrieben (siehe Seite 249). Leonard Howell wiederum erntete in „Pinnacle“ tonnenweise Ganja! Auch Kenneth Bilby, wiewohl bemüht, die afrikanischen Wurzeln des jamaikanischen Cannabisge- nusses nachzuweisen, muss schließlich doch zugeben, dass der „Jamaican ganja complex“ das Ergebnis von Jahren interkulturellen Austausches zwischen afrikanischen Immigranten (nach 1865) und Indern — beide Gruppen kamen als Vertragsarbeiter nach Jamaika — ist (Bilby 1985: 90). Ganja sollte dann die Schnittstelle werden, die Rastas und Indojamaikaner auf eine besondere Weise verband und zweifellos erleichterte der Rausch die Transmission von kulturellen und religiösen Inhalten.

f. Ganja, Sadhus und „Dreadlocks“

Was den Ganja-Genuss angeht, so werden von Seiten des Rastafarianismus zahlreiche Bibelstellen bemüht, um das Rauchen des „hola herb“ oder des „wisdom weed“, das bereits auf König Salomos Grabe gewachsen sein soll, zu rechtfertigen: Gen 1, 12. 29; Ex 3, 2; Spr 15, 17; Offb 22, 2 u.a.m. Nach Ps 18, 9 soll sogar Gott selbst dem hl. Kraut heftig zugespro- chen haben! Dem steht allerdings entgegen, dass von Haile Selassie nicht bekannt ist, dass er Marihuana geraucht hätte. Allerdings muss auch gesagt werden, dass nicht längst alle Rastas Ganja rauchen oder in irgendeiner Form genießen. Die Versuche, über Bibelstellen den Gan- ja-Genuss als religiöses Ritual zu rechtfertigen, überzeugt nicht. Wir haben es hier wohl eher mit jenen Operationen des Transkulturationsprozesses zu tun, die Ángel Rama als Wiederent- deckung und Einfügung bezeichnet hat (siehe Seite 40). Andererseits besteht jedoch kein Zweifel darüber, dass zumindest in der Mischna Canna- bis erwähnt wird. Bereits Marcus Jastrow vermerkt in Bd. 2 seines „Dictionary of the Targu- mim, Talmud Babli, Talmud Yerushalmi and Midrashic Literature“ die folgenden sprachli- -kanbōs. Jastrow verweist in diesem Zu ,קַנְבּוֹס kanbīs und ,קַנְבִּיס ,kanbās ,קַנְבָּס :chen Formen sammenhang auf Mischna Kil’ajim 2, 5 und 5, 8 u.ö. und übersetzt mit „hemp“; als Etymolo- gie wird κάνναβος und κάνναβις angeführt ([1903] 1967, vol. II: 1388). Dagegen ist es umstritten, ob in der Tora Cannabis erwähnt wird. Raphael Mechoulam und Mitarbeiter von פַּנַּג ,der Hebrew University of Jerusalem halten es jedoch für möglich, dass das Wort pannag – 259 –

(< Sanskrit bhaṅgā) in Ez 17, 17 möglicherweise Cannabis bezeichnet (Mechoulam et al. qəneh-bośæm, in ,קְנֵה–בֹשׂם Bisweilen wird der Versuch gemacht, vom biblischen .(461 :1991 Ex 30, 23 auf kanbōs zu schließen mit Hinweis auf eine Kontraktion, die dann im Hebräi- schen der Mischna sich vollzogen hätte. Dennoch, wenn die Mischna mit kanbōs Cannabis meint, dann dürfte dieses auch schon in vorchristlicher Zeit bekannt und sicherlich auch schon ausprobiert worden sein. Allerdings belegen die von den Rastas angeführten Bibelstel- len keinen Cannabis-Gebrauch. Mit Jah Rastafari sind an neuen kulturellen und religiösen Phänomenen neben dem Gan- ja-Rauchen auch noch die Dreadlocks und die vegetarische Nahrung Ital verbunden. Indien ist nun einmal das Land, in dem Cannabis als heilige Droge einen kulturellen Stellenwert ein- nimmt. Und der einzige Gott, der als „Lord of bhang“ (siehe Seite 248) gilt, ist Shiva — der große Gott Indiens, der Gaṅgādhara („Träger der Ganga“, siehe Seite 204), der mit seinen jaṭās (Filzlocken) das tobende Herabstürzen der Gaṅgā auf die Erde verhindert, damit sie die- se nicht zerstöre. Die Darstellung des Erlösers Shiva mit der Göttin findet sich häufig (siehe z.B. Kramrisch 181: 93. 210. 211. 212), zudem ist sie am Tempeleingang zugegen und ver- heißt dem Eintretenden ein reines und fruchtbares Leben. Die Filzlocken sind fester Bestand- teil Shivas als höchster Yogalehrer: Die jaṭāmukuṭa, d.h. die Krone aus Filzlocken zeichnet ihn als Asketen aus. Als Vīṇādhara Dakṣiṇāmūrti trägt der inkarnierte Guru (gurumūrti) ein jaṭāmaṇḍala: Die Filzlocken strahlen in Gestalt eines Mandalas in alle Richtungen (Kram- risch 1981: 23). Ajai Mansingh schreibt in seinem Artikel von 1982, dass nach Durchsicht fast aller alten Bilder und Fotografien im „Institut of Jamaica“ es keinerlei Hinweise auf Afrojamaikaner mit Dreadlocks gibt (Mansingh 1982). Es gibt jedoch, wie auf Seite 204 angeführt, in der „Natio- nal Library of Jamaica“ ein Foto von ca. 1900, auf dem deutlich erkennbar ein jaṭādhara ab- gebildet ist (Mansingh/Mansingh 1999: 90). Möglicherweise gibt es auch noch Belege in an- deren Archiven auf der Insel. Mansingh zitiert ferner Joseph Hibbert, der angibt, dass in den späten 1930er Jahren einige wenige Rastas Locken zu tragen begannen und als Jagavi49 oder Jatavi bezeichnet wurden (Mansingh/Mansingh 1985: 109). Barry Chevannes hält dagegen, dass vor dem Auftreten der „Youth Black Faith“, die 1949 gegründet wurden, nur Obdachlose, die „outcasts“, Filzlocken trugen. Wohl gab es ab 1934 Bartträger — schließlich trug Ras Tafari bei seiner Krönung als Negus 1928 auch einen Vollbart (Loth 1991: 39) —, aber erst in den 1950er Jahren, nachdem die Nachrichten über den Mau-Mau-Aufstand auch nach Jamaika drangen, entscheidet sich die zweite Generation der Rastas für das Tragen von Dreadlocks, woraufhin es um 1960 zu einer Spaltung in zwei Untergruppen kam. Chevannes vertritt die Ansicht, dass die jungen Dreadlocks sich für diese Haartracht entschieden, „in keeping with the lunatic image of the outcast“ (Chevannes 1995d: 94). Horace Campbell wiederum führt die „Ethiopian Warriors“ an, die Howells „Pinnacle“

[49] Ein Druckfehler für zagavi. – 260 – nach den Polizeirazzien bewachten. Nachdem 1953 die ersten Bilder der „Mau-Mau War- riors“ in der lokalen Presse erschienen waren, identifizierten sich die Rastas mit diesen Frei- heitskämpfern und übernahmen die Dreadlocks als Manifestation des afrikanischen Nationa- lismus. Bei Campbell findet sich das berühmte Bild von Jomo Kenyatta mit „Field Marshall Mwariama“ mit seiner Lockenpracht (Campbell 1987: 97). Dennoch bleibt festzuhalten, dass längst nicht alle Mau-Mau-Krieger „Locksmen“ waren (siehe Abbildungen bei Alao/Hook 2006). Daneben gibt es auch eine Vielzahl von biblischen Gründen: Zum einen wird auf das Na- siräergebot in Num 6, 5 das Scherverbot verwiesen, das in Lev 19, 27 allgemein gilt und in Lev 21, 5 für den Priester. Andererseits wird auf den kaiserlichen Titel des siegreichen Löwen aus dem Geschlecht Davids, auf den Löwen mit Krone und Kreuzstab als Emblem des kaiserlichen Äthiopien hingewiesen, auf den Löwen-Kopfputz der kaiserlichen Garde oder auf den Löwen als Symbol für Afrika schlechthin. Bekanntlich wird Gott beispielsweise in Jer 50, 44 oder Hos 13, 7 als Löwe bezeichnet. Das ist der Gegensatz zu Anancy, dem Spin- nen-Trickstergott der Akan, der für Babylon in Jamaika steht (Loth 1991: 44). Dennoch, Hai- le Selassie liebte nicht die Löwen, er liebte seinen Chihuahua mit Namen Lulu! Es muss hier jedoch ergänzend darauf hingewiesen werden, dass der Löwe als Symbol- tier sich auch in Begleitung von Shiva und seinem weiblichen Partner findet. Obgleich der Stier Nandi allgemeine als Reittier (vāhana) gilt, so tritt er jedoch auch in Gemeinschaft mit Löwe und Tiger auf — insbesondere dann, wenn Shiva zusammen mit Parvati, Durga oder Devi abgebildet wird. Denn Löwe und Tiger sind Reittiere dieser Göttinnen. So erscheint der Löwe in Darstellungen von Shiva als Ardhanārīśvara („der Herr, dessen Hälfte Frau ist“) auf Zeichnungen des 18. und 19. Jahrhunderts (Kramrisch 1981: 164. 165. 212). Das Video „Art shiv ji ki“ auf YouTube beispielsweise enthält u. a. eine Darstellung der Familie Shivas zu- sammen mit Nandi, Tiger und Löwe.50 Kali bzw. Durga scheint ohne Löwe nicht denkbar wie z. B. das Video vom Durga-Bhajan „Jai Devi Jai Devi“ zeigt.51 Videos dieser Art gibt es noch zahlreiche auf YouTube. Diese und die Abbildungen aus dem 18. und 19. Jahrhunderten las- sen die Schlussfolgerung zu, dass wir hier alte volksreligiöse Traditionen haben. Es ist dann sicherlich auch davon auszugehen, dass Shiva- und/oder Kali-Verehrer unter den ostindi- schen Vertragsarbeitern in Jamaika diese kannten und auch pflegten. Die christliche Mission hat diese Traditionen verdrängt, die auch bis heute nicht das Interesse der afrojamaikanischen Wissenschaftler gefunden haben. Kehren wir zu den Forschungen von Barry Chevannes zurück. Interessant an seinen Aus- führungen sind die Hinweise auf die Reformen der „Youth Black Faith“, die zu einer Abkeh- rung vom Revivalism führten: Farbige Kerzen, wie sie auch die Obeah-men benutzten, wur- den abgeschafft, so geschah das auch mit der Ämterhierarchie und der registrierten Mitgliedschaft. Man nannte sich hinfort „House“ und bekannte sich zum Prinzip der freien

[50] Siehe (Zugriff vom 10.03.2009). [51] Siehe (Zugriff vom 10.03.2009). – 261 –

Mitgliedschaft (Chevannes 1995d). Auch die Einführung des Nyabinghi-Tanzes in diese radi- kale Gruppe erfolgte um diese Zeit.

g. Der Ganja-Komplex als interkulturelle Schnittstelle der Transkulturation

Wie haben wir uns nun den Ursprung der Dreadlocks vorzustellen? Vincent Burgess sieht im Rahmen seines Modells von Bricolage (Bastelei)52 keinen Widerspruch zwischen den Ausführungen von Mansingh und Chevannes und verweist darauf, dass Sādhu wie Rasta beide eine marginale Existenz innerhalb einer größeren Gesellschaft führen (Burgess 2007: 40ff.). Aber bei näherem Lesen wird man feststellen, dass Chevannes sich doch nicht so ganz sicher ist. Immerhin hält er es für möglich „that in the interest of their own self-promotion they could have suppressed the Howellite angle of the origin of the Dreadlocks“ (ebd. 1995d: 93). Wir wollen wieder mit dem Modell der Transkulturation eine Lösung vorschlagen: Der Ganja-Genuss dient wieder als interkulturelle Schnittstelle und verbindet Sādhus und Rastas hinsichtlich ihrer marginalen Stellung in der Gesellschaft. Dread ist auch das, was beide mit- einander verbindet: ein bestimmter Verhaltenskodex, der auf bestimmten Glaubensvor- stellungen basiert. Das Haar in seinem besonderen Zustand ist neben dem Ganja-Rauchen nur ein weiteres Indiz für eine interkulturelle und interreligiöse Begegnung. Dazu gehören noch weitere Elemente wie die religiöse Militanz, die vor Jahrzehnten noch die Rastas prägte und in der Vergangenheit ebenso die Sādhus in Indien; ihre religiöse Militanz hielt bis zur briti- schen Kolonialzeit an (Gross [1992] 2001: 370 Anm. 8). Teil von Dread ist auch die vegeta- rische Ernährung, die fester Bestandteil indischer Traditionen ist (Mansingh/Mansingh 1985: 110; Prashad 2001: 90). Hierbei handelt es sich um jene natürliche Ernährung, die als Ital be- kannt geworden ist und die unter Rückgriff auf jüdisch-christliche Traditionen erklärt wird (siehe Loth 1991: 60f.). Wir sind der Ansicht, dass hinsichtlich der indischen Traditionen wieder über Prozesse der Selektion eine partielle Deskulturation stattgefunden hat und mit Hilfe christlicher und neoafrikanischer Erfindung Inkorporationen/Einfügungen erfolgt sind (Neokulturation), wie- derum neue kulturelle und religiöse Phänomene erschaffen worden sind, die wesentlich für die Neureligion sind. Zu dieser gehört auch ein Element, das noch kurz angeführt werden soll. In Rastafari gibt es keine Symbole des Todes, glaubt doch der Dreadlocks, dass ein wahrhafter Rastafari nicht sterben kann (Chevannes 1994: 2000). Deshalb werden auch keine Beerdigungen besucht. Der Tod gilt als Folge des Ungehorsams gegen Jah (ebd.: 253f.). Ans- ley Hamid verweist in diesem Zusammenhang auf den Ganja-Genuss:

It is the ,natural‘ product of the ,natural‘ earth and was given by Jah for the ,healing of

[52] Es handelt sich hierbei bekanntlich um einen Terminus von Claude Lévi-Strauss (siehe Das Wilde Denken (suhrkamp wissenschaft, vol. 14), Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1973, p. 29). – 262 –

nations‘, as recorded in the Book of Genesis. In the Rastafari symbology, marijuana discloses the inner man, the „natural“ man, and inscribes the discipline needed for his evolution into the ,I-man‘, or Oneness with Jah. (Hamid 2002: 87f.)

Er vergleicht dann das Wachstum des „I-man‘ mit dem Wachstum des Marihuana. Wir sehen die Erklärung hierfür jedoch auf einer anderen Ebene: In den indischen Traditionen gilt allgemein, dass der jīva des Individuums unsterblich ist, weil Shiva oder Vishnu der jīva ist, d.h. dessen Form annimmt. Der Tod ist also nur ein Durchgang zu einer neuen Existenz, bis der jīva mit Gott vereint sein wird. In der Bhagavadgītā XV, 7 ist die Rede davon, dass ein Teil des eigenen Selbst von Gott Krishna die Form des jīva angenommen hat (jīvabhūta, d.h. jīva-Gewordener). Das Einzelmenschliche ist das Werk des Allerhöchsten und Teil eines großen Lebens. Die Wirklichkeit der Einzelseele ist das Göttliche und sie wird zum Teilhaber Gottes. Folglich gilt, dass die Einzelgeschöpfe ihrem Wesen nach mit dem Göttlichen eins sind: „jedes einzelne von ihnen (bildet) eine Teilmanifestation des Göttlichen“ (Radhakrish- nan 1958: 378). Es gibt dann auch keinen endgültigen Tod! Insofern konnten auch die Briten in Guyana die stoische Hinnahme der Verhängung von Todesstrafen von Seiten der Ostinder beobachten (siehe Seite 135). Für Christen und auch Afrikaner gleicherweise gibt es jedoch die Vorstellung des end- gültigen Todes. In Brasilien sind die diesbezüglichen afrikanischen Traditionen erhalten geblieben: Berühmt ist die „Irmandade de Nossa Senhora da Boa Morte“53 in Cachoeira (Recôncavo), der nur schwarze Frauen ab einem Alter von 50 Jahren angehören dürfen. Im Candomblé ist es Iansã, eine der Frauen von Xangô, die die Herrin der Toten (eguns) ist. Es ist also völlig ungewöhnlich, wenn die Rastafarier diesbezüglich keine Vorstellungen haben. Wir können uns das nur so vorstellen, dass in der interreligiösen Begegnung mit den Indoja- maikanern Ganja und Erlebnis der Einheit mit Gott übernommen wurden, aber im Zuge der Transkulturation die hinter dem Einheitserlebnis stehenden Vorstellungen verloren gegangen sind. Dieses Vakuum konnte letztlich nur die orthodox-äthiopische Kirche ausfüllen. Damit stimmt auch überein, dass ein mit Chevannes diskutierender Rasta plötzlich von Christus spricht (Chevannes 1994: 254).

[53] „Schwesternschaft unserer Herrin vom Guten Tod“ – 263 – 6. Ergebnis

Das Transkulturationsmodell bietet u. E. eine plausible Erklärung für wichtige theologi- sche Positionen der Rastafarier. Sowohl was die Bibel und die Gott-Mensch-Beziehung an- geht, so können wir uns die Vorstellungen der Rastas im Kontext von transkulturellen Pro- zessen erklären. Selbst der Terminus Babylon macht Sinn, insofern die Ablehnung der vorherrschenden Gesellschaft — ihre Politik, Kultur und Religion — eine Konstituante der partiellen Deskulturation ist. Die Verluste, die sich hier ergeben, werden durch Selektivität und Erfindungsreichtum ausgeglichen. Der transkulturellen Gemeinschaft ist auch eine eige- ne Sprache zueigen, wie schon Ángel Rama angemerkt hat (Rama 1982: 12). Hier ist das Iya- rische der Rastafarier einzuordnen. Den Ganja-Komplex bzw. den Genuss von Ganja vergleichen wir mit dem Tabak, der im Mittelpunkt der Untersuchung von Fernando Ortiz steht. Er bezeichnet in Anlehnung an Bronislaw Malinowski die Religion als „Zement des sozialen Lebens“ der Indios, dessen in- dividuelles Leben wie das seiner Gesellschaft mit dem Tabak verbunden war (Ortiz [1940] 2002: 417). Ganja und die mit der Pflanze verbundenen Hindutraditionen bilden u. E. die wichtigste interkulturelle Schnittstelle zwischen Indojamaikanern und Afrojamaikanern: Jah Rastafari, „I and I consciousness“, Dread und Dreadlocks, die vegetarische Nahrung und selbst noch die Vorstellung, das ein Rasta nicht sterben könnte, halten wir für neokulturelle Phänomene und damit für Ergebnisse einer Transkulturation im Sinne von Fernando Ortiz. – 264 – VI. Abschließende Bemerkungen

Wir haben in der vorliegenden Arbeit versucht, wesentliche theologische Aussagen von Rastafari im Rahmen der Transkulturation zu erklären, wohl wissend, dass die transcultura- ción als Modell im englischsprachigen Raum sich nicht sehr großer Beliebtheit erfreut. Das war aber bereits der Fall, als Fernando Ortiz und Bronislaw Malinowski sich für diesen Ter- minus einsetzten (Santí 2002: 81-94). Die Frage ist jedoch immer, wie man an die Phä- nomene des kulturellen und religiösen Wandels herangehen will. Geht man von einem Herr- schaftsmodell aus, d.h. von einer normativen Kultur und damit auch von einer normativen Religion, der andere Kulturen und Religionen sich unterzuordnen haben, oder versteht man Kulturwandel als ein toma y daca. Diese spanische Redensart bezeichnet einen Austausch von Waren und Diensten, der durch Gleichzeitigkeit gekennzeichnet ist.1 Schon Malinowski gebrauchte diese Redensart in seiner Einleitung zu Ortiz’ Werk. Er schreibt dort, dass er bereits mehrfach darauf insistiert habe, dass der Kontakt, Zusammen- stoß und die Transformation der Kulturen nicht als die komplette Akzeptanz einer Kultur durch eine bestimmte angepasste („aculturado“) menschliche Gruppe aufgefasst werden kann. So haben die Kontakte zwischen Europäern und Afrikanern in Afrika dazu geführt, dass beide sich Elemente aus dem Kulturgut des anderen angeeignet haben: „[B]eide Rassen (razas) verwandeln die Elemente, die sie als Entlehnungen entgegennehmen, und inkorpo- rieren sie zu einer völlig neuen und unabhängigen kulturellen Realität“ (Ortiz [1940] 2002: 127). Fassen wir abschließend kurz die Ergebnisse der Arbeit zusammen: Rastafari ist nicht als Fortsetzung eines afrikanischen Erbes in Jamaika zu interpretieren, da es auf der Insel keine ungebrochene Traditionen afrikanischer Religiosität gibt. Dem steht der Prozess der Kreoli- sierung entgegen. Es gibt auch keinen Flux und Reflux, also keinen Import afrikanischer Tra- ditionen durch freigelassene Sklaven wie im Falle Brasiliens und dem Candomblé. Die Verehrung des Autokraten Hailes Selassie als Gott — ihr hatte der Herrscher eine Absage erteilt — schließt Rastafari aus der Tradition der afrojamaikanischen Widerstandsbe- wegung gegen schwarze und weiße Bedrücker aus. Der Nyabinghi-Mythos soll diesen Bruch mit der afrojamaikanischen Tradition offenbar heilen. Mit der Forderung nach Repatriierung steht Rastafari im Widerspruch zu derselben, insofern diese Forderung den geographischen Rahmen, den Inselstaat Jamaika, verlässt. Die Unterordnung der Frau stellt ebenfalls einen Bruch mit dem Widerstand der afrokaribischen Bauernkultur Jamaikas dar. Der Glaube an die Inkarnation Gottes in Haile Selassie ist keine afrikanische Vorstel- lung! Man wird vielmehr von einer Abkehr von der „afrikanischen Kosmosvision“ und damit auch vom Revivalism sprechen müssen. Die Kommunikation des Menschen mit Gott wird in

[1] Toma ist Imperativ von tomar, „nehmen“, und daca ist eine Kontraktion von da, Imperativ von dar, „ge- ben“, und dem Adverb acá, „hier“. – 265 – den afrojamaikanischen Volksreligionen über Trance oder Ekstase erlangt, die Rastas aber gehen wie die indischen Sādhus den Weg der „göttlichen Intoxikation“. Der gesamte Komplex von Tod und Kommunikation mit den Toten wird abgelehnt; es gibt keine afrikanische oder afroamerikanische Religion ohne diese Vorstellungen. Es fehlt auch die für afrikanische Traditionen typische Verehrung der Phänomene der Natur — abge- sehen von Ganja als „hola herb“. Die „Heimholung“ Marcus Garveys als Prophet ist nicht nachvollziehbar, da ersterer die Rastas abgelehnt hat und mit seinen Vorstellungen über „New Thought“ und Kapitalismus eher „Babylon“ zuzurechnen ist. Dass die Rastas im Erbe des Äthiopismus stünden, kann auch nicht gesagt werden: Sie wollen keine soziopolitischen Veränderungen jetzt und hier in Jamaika, sondern den Exodus nach Äthiopien bzw. Afrika. Es fehlt ihnen zudem an einem kritischen Bewusstsein, insofern sie sich fälschlich für Juden und/oder die Söhne Äthiopiens halten. Die Vorstellungen von Äthiopien sind eher ein ideologisches Konstrukt denn eine rea- le Kenntnis des Landes Äthiopien und des Kontinents Afrika. Die Entstehung von Rastafari lässt sich im Kontext der Transkulturation erklären: Jah Rastafari, seine Verehrung im Bild, „I and I consciousness“, Dread und Dreadlocks und ve- getarische Nahrung halten wir für neokulturelle Phänomene, die sich aus der interkulturellen und interreligiösen Begegnung mit den Indojamaikanern ergeben haben. Die mit der zweiten Generation von Rastas, der Youth Black Faith Bewegung, einsetzende Reafrikanisierung hat diese transitiven Prozesse als afrikanische Elemente ausgegeben. Auf diese Weise entsteht auf den ersten Blick eine Afrikanizität, die sich bei näherem Hinschauen jedoch nicht histo- risch verifizieren lässt. Im Modell der Transkulturation lässt sich dieses — nach den Haupt- operationen von Ángel Rama (siehe Seite 40) —als Wiederentdeckung erklären, um den Ver- lust an afrojamaikanischer Tradition wieder auszugleichen. Rastafari ist insofern eine einzigartige Neuschöpfung von Religion: Sie vereinigt in sich jüdisch-christliche, afrojamaikanische und indojamaikanische Traditionen — ist also eine christlich-afro-indische Religion! Der Weg, den der Rastafarianismus in etwa 80 Jahren zurückgelegt hat, ist nicht immer unproblematisch gewesen. Es fehlt offenbar an anerkannten Führern und Strategien, die welt- weite Gemeinschaft zusammenzuhalten. Am 26. Juli 2006 hat Ras Iration I nach einem Tref- fen von Rasta Houses auf St. Kitts neun Probleme benannt, die der Lösung bedürfen. Von de- nen seien hier vier angeführt:

(1) Selfish misinterpretation of Bible passages. Example: In my father’s house are many mansions. Instead of cooperating with the central authority of Leonard Howell, Brother Nathaniel Hibbert and other early leaders formed their own mansions. (2) Church versus State: Disregarding the biblical declaration that the government shall be upon His shoulders, thereby making it evident that the government is the highest insti- tution of any collective community, early churchical priests like Reverend Claudius Hen- ry, Prince Emanuel Edwards, Ras Boanerges and others formed their own congregations – 266 –

while despising the governmental system and authority of Brother Leonard Howell. (4) Man versus Woman: Again, because of Judeo-Christian indoctrinations, InI elders embraced and perpetuated the mad concept of man superior and woman inferior. (5) Also that a man locks is his crown and that woman locks is her tail to be hidden.2

Des Weiteren wird dazu aufgerufen, dass die Elders beizeiten ihre Autorität an die Jün- geren abgeben, die Gruppen sich organisieren und zu einer zentralen Autorität zusammenfin- den. Ferner wird darauf hingewiesen, dass Repatriierung eine mentale, kulturelle, technische und ökonomische Vorbereitung voraussetzt; die Lehren Haile Selassies sind zu befolgen und nicht die eigenen persönlichen Meinungen. Und schließlich soll der Sabbat als Ruhetag auf- gegeben werden, den die frühen Führer auf Grund ihrer jüdisch-christlichen Erziehung einge- führt haben. Kurzum, es bedarf einer Erneuerung, die dort anknüpfen möchte, wo alles be- gann: bei Leonard Howell. Inzwischen haben seine Tochter, Catherine Howell, und andere Familienmitglieder im Jahre 2006 die „Leonard Percival Foundation“ gegründet und fordern „Pinnacle“ (siehe IV.5.c.) zurück. Dort, wo einige wenige Rastafarier seit Howells Tod 1981 am 16. Juni eines jeden Jahres den „Earthday“ (birthday) des „Father of Rastafari“ feiern, soll ein von der UNESCO anerkanntes „Pinnacle“ als Weltkulturerbe und ein „International Ras- tafarian Research Center“ sowie ein Monument für Howell errichtet werden. Es hat den An- schein, als ob Leonard Percival Howell und die Anfänge von Rastafari keineswegs vergessen sind!

[2] Ras Iration I, „Identifying the problems plaguing Ras Tafari houses at the present time: reasoning to the Tri- nity Trod gathering St Kitts July 26, 2006“ ( [Zugriff vom 06.02.2009]) – 267 – Danksagung

An erster Stelle gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Udo Tworuschka für seine engagierte Betreu- ung dieser Dissertation, insbesondere auch dafür, dass er hartnäckig und doch freundlich auf eine Fertigstellung dieser Arbeit gedrängt hat. Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. Martin Leiner für die freundliche Bereitschaft, dass er sich als zweiter Gutachter zur Verfügung ge- stellt hat. Herrn Prof. Dr. Karl Hoheisel (Universität Bonn) habe ich für seine Ermunterung und Unter- stützung zu danken, als ich ihm das Projekt einer religionswissenschaftlichen Erforschung des afrikanischen Erbes in der Karibik vortrug. Er und Herr Prof. Dr. Wilfried Eckey (Uni- versität Wuppertal) waren so freundlich, ein Forschungsstipendium beim DAAD zu befür- worten. Dem DAAD sei für die Gewährung eines Forschungsaufenthaltes in Jamaika an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Ein herzlicher Dank gilt auch allen Menschen in Jamaika und in Salvador da Bahia, die mir bei meinen Forschungen geholfen haben, ihre Welt besser zu verstehen. Ihre Herzlichkeit und Offenheit halfen mir, die Grenzen meines eurozentrischen Denkens zu erkennen. Dass diese Arbeit nun endlich zustande gekommen ist, verdanke ich vor allem meiner Frau Heike, die mich moralisch unterstützt hat und mit mir gemeinsam Siedlungen der Maroons, zahlreiche Yards und Revival Churches in Jamaika sowie viele Terreiros in Salvador da Ba- hia erkundete und bei der Aufarbeitung des Erlebten half.

Heinz-Jürgen Loth, im Dezember 2009

– 268 – Bibliographie

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Eidesstattliche Erklärung gemäß § 4.3 der Promotionsordnung

Hiermit erkläre ich, dass mir die geltende Promotionsordnung bekannt ist. Die Dissertation habe ich selbst angefertigt und alle von mir benutzten Hilfsmittel und Quellen in der Arbeit angegeben. Ferner erkläre ich, dass mir niemand bei der Auswahl und Auswertung des Mate- rials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes unterstützt hat. Ich erkläre ferner, dass ich die Hilfe eines Promotionsberaters nicht in Anspruch genommen habe und dass Dritte weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten er- halten haben, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Des Weiteren erkläre ich, dass die Dissertation noch nicht als Prüfungsarbeit für eine staatli- che oder andere wissenschaftliche Prüfung eingereicht wurde und dass ich nicht die gleiche oder eine in wesentlichen Teilen ähnliche oder eine andere Abhandlung bei einer anderen Hochschule als Dissertation eingereicht habe.

Neuss, den 14.05.2009 Heinz-Jürgen Loth