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NUMMERIERTE AUSGABE

ISBN 978-3-7307-0342-7 VERLAG DIE WERKSTATT Bibliogra sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte bibliogra sche Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abru ar.

Copyright © 2017 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestr. 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Satz und Gestaltung: Christine Rölke, Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen Druck und Bindung: Gra sches Centrum Cuno, Calbe

ISBN 978-3-7307-0342-7 Dietrich Schulze-Marmeling Die Bayern-Chronik Band 1: 1900 bis 1979

Mit Beiträgen von Elisabeth Angermair · Bernd-M. Beyer Hardy Grüne · Florian Kohnke · Dirk Kämper Anton Löffelmeier · Andreas Wittner

VERLAG DIE WERKSTATT Inhalt

1900 bis 1918 Die Vorgeschichte_20 | Rebellen als Klubgründer_24 | Der MTV_33 | Geburtshelfer aus Freiburg_36 | Juden und FC Bayern_38 | Die Pioniere_40 | Heimat Schwabing und Maxvorstadt_44 | Der Künstler-Klub_50 | Saisonberichte: Erste Lorbeeren_60 –85 | Willem Hesselink_64 | Rothosen_70 | Angelo Knorr_76 | William Townley_80 | Die Landauers_86

1918 bis 1932 Impulse von der Donau_90 | Kon ikte um Berufsfußball_96 | Saisonberichte: Aufstieg zur Fußballmacht_102 –139 | Bayern international_111 | Richard Dombi_124 | Konrad Heidkamp_129 | Oskar Rohr_130 | Spieltag: Finale Deutsche Meisterscha 1932_131

1932 bis 1945 Der FC Bayern unterm Hakenkreuz_142 | Gauliga_156 | Saisonberichte: Mittelmaß unterm Hakenkreuz_158 –181 | Sigmund Haringer_162 | Ludwig Goldbrunner_169 | Wilhelm Simetsreiter_175 | im Exil_182 | Opfer des NS-Regimes_187 1945 bis 1963 Neuanfang_194 | Oberliga-Revolution_200 | Landauers letzte Amtszeit_202 | Saisonberichte: Graue Tage in der Oberliga_205 –234 | Jakob Streitle_213 | Hans Bauer_217 | Spieltag: DFB- Pokal 1957_222 | United-Tragödie_224 | Peter Grosser_231 | Vertriebene Mäzene_235

1963 bis 1979 kommt …_240 | … ohne FC Bayern_246 | Saisonberichte 1963 bis 1969: Die Geburt der Goldenen Generation_248 –278 | Wilhelm Neudecker_251 | „Tschik“ Cajkovski_256 | Franz Beckenbauer_262 | Spieltag: Finale Europapokal der Pokalsieger 1967_268 | Branko Zebec_277 | Saisonberichte 1969 bis 1979: Grandiose Zeiten_279 –331 | Uli Hoeneß & Paul Breitner_285 | Gerd Müller_291 | Wutfans_295 | Spieltag: Finale Europapokal der Landesmeister 1974_300 | Bayern als Weltmeister 1974_303 | Sepp Maier_311 | Rivalen: Bayern und Gladbach_316 | Spieltag: 5:6 beim VfL Bochum_321 | Karl-Heinz Rummenigge_322 | Rivalen: Rote und Blaue_332

Die Spielstätten. Von der  eresienwiese zum Olympiastadion_334 Vereinstrikots seit 1961_346 Das Bayern-Lexikon. Wichtige Spieler, Trainer, Funktionäre 1900 bis 1979_358 Autogrammkarten 1932 bis 1979_395 Die Saisonstatistik. Alle P ichtspiele ab 1900, mit Mannscha saufstellungen ab 1918, mit Saisonverläufen ab 1965 bis 1979_398 Präsidenten und Trainer | Nationalspieler | FC-Bayern-Rekordspieler_455 Danksagung | Fotonachweis | Autoren_460 Inhalt

1979 bis 1990 Die Bayern im Klassenkampf_20 | Saisonberichte: Dominanz in Lederhosen_24 –71 | Dieter Hoeneß_33 | Spieltag: Finale DFB-Pokal 1984_42 | Willi O. Hoffmann_46 | Rivalen: Bayern und Werder_51 | Udo Lattek_57 | Klaus Augenthaler_63 | Bayern als Weltmeister 1990_72

1990 bis 2000 FC Hollywood_76 | Der große Fußballboom_81 | Saisonberichte: „Nur“ viermal die „Number one“_86 –139 | Lothar Matthäus_94 | Mehmet Scholl_103 | Giovanni Trapattoni_120 | Giovane Elber_126 | Spieltag: Mutter aller Niederlagen_132 | Meistermacher Unterhaching_140 | Uli Hoeneß_142

2000 bis 2011 In der europäischen Königsklasse_150 | Allianz Arena_155 | Saisonberichte: Weißbier statt Champagner_162 –245 | Spieltag: Last-Minute- Meister 2001_168 | Spieltag: Finale Champions League 2001_173 | Spieltag: Finale Weltpokal 2001_182 | Stefan Effenberg_184 | Michael Ballack_193 | Ottmar Hitzfeld_199 | Felix Magath_211 | Oliver Kahn_221 | Bastian Schweinsteiger_230 | Louis van Gaal_238 | Franz Beckenbauer_246 Die Fans Erfolgsverwöhnt?_250 | Promifans_252 | Fanklubs_253 | In der Südkurve_254 | Vereinshymnen_256 | Schleißheimer Straße_258 | Fan-Choreografien_259

2011 bis 2017 Der FC Bayern und sein Spiel_270 | Bayern und Real_282 | Rückkehr der Geschichte_288 | Saisonberichte: Die große Bayern-Dominanz_293 –377 | Spieltag: Drama dahoam_300 | Thomas Müller_303 | Manuel Neuer_304 | Spieltag: Finale Champions League 2013_314 | Jupp Heynckes_317 | Spieltag: Dominanz gegen Manchester City_330 | Spieltag: Finale DFB-Pokal 2014_332 | Franck Ribéry & Arjen Robben_334 | Bayern als Weltmeister 2014_336 | Philipp Lahm_344 | Robert Lewandowski_347 | Tattoos_348 | Spieltag: Leidenschaft gegen „Juve“_356 | Pep Guardiola_358 | Spieltag: Krönung gegen RB Leipzig_370 | Jérôme Boateng & Mats Hummels_ 372 | Carlo Ancelotti_374 | Karl-Heinz Rummenigge_376 | Frauenfußball_378 | Säbener & Ingolstädter Straße_380 | „FC Bayern Erlebniswelt“_383

Das Bayern-Lexikon. Wichtige Spieler, Trainer, Funktionäre 1979 bis 2017_384

Autogrammkarten 1979 bis 2017_430

Die Saisonstatistik 1979 bis 2017_434

Rekorde des FC-Bayern_490 Frühes Fußballfieber Unmittelbar nach seiner Gründung stieg der FC Bayern zu einem der führenden Münchner Vereine auf, der auf eine starke Anhängerschaft zählen durfte. Dazu trugen auch Gastspiele prominenter ausländischer Mannschaften bei. Eine Attraktion war vor allem das Starensemble von MTK Budapest, das am 27. Juli 1919 gegen die Bayern spielte und bis zu 15.000 Zuschauer an den Platz an der Marbachstraße lockte (Foto). Solche hochkarätigen Freundschaftsspiele, professionelles Training und eine gute Jugendarbeit ließen den FC Bayern zu einem nationalen Spitzenklub avancieren. 1932 holte er seine erste Deutsche Meisterschaft.

Eine neue Generation Sie kamen als Jugendliche, sie blieben und sie machten aus FC Bayern München den großen Verein, der er heute ist. Die Fotos zeigen als 17-Jährigen (August 1963), Gerd Müller als 19-Jährigen (Juli 1965), Uli Hoeneß als 17-Jährigen (Oktober 1970) und Karl-Heinz Rummenigge als 18-Jährigen (August 1974). Der noch vom Krieg gezeichnete Marienplatz bot 1969 keinen idealen Rahmen für die Siegesfeier der Bayern.

Ballbesitzfußball à la Zebec ein älterer Spieler. Der hat alle gleich gepackt.“ Dies sei Unter dem Analytiker und Taktiker Zebec wurde das Bay- auch ein Grund gewesen, warum er später gehen musste. ern-Spiel defensiver, kontrollierter und systematischer. Der Ebenso sei das Verhältnis zwischen ihm und Manager Ro- Trainer: „Solange wir den Ball haben, hat ihn der Gegner bert Schwan schwierig gewesen. Für war Zebec nicht.“ Obwohl Zebec den FCB keine zwei Spielzeiten trai- „der Erfi nder des Kreisspiels, das heute in der ganzen Bun- nierte, erfolgte unter ihm eine der bedeutendsten spieltak- desliga und selbst in jedem Dorfverein praktiziert wird“. tischen Veränderungen in der Bundesligageschichte des Vereins. Unter Zebec begann, was Bayern-Hasser später „Ich bin ihm dankbar“ abfällig als „Quergeschiebe“ charakterisierten, andere da- Einige Kicker litten allerdings unter Zebecs Härte. Bei den gegen als „Rasenschach“ rühmten. „Kicker“-Redakteur Bayern waren dies die „übergewichtigen“ Gerd Müller und Hans-Günter Klemm: „Kühler, oft unterkühlter Fußball, „Bulle“ Roth, die ständig Sonderschichten einlegen muss- wenig Sturm und Drang, ganz auf Systematik und Diszi- ten. Als Zebec am 13. März 1970 beim FC Bayern entlas- plin abgestellt, eine rationale Spielweise, die darauf aus war, sen wurde, hatte Müller wenig Mitleid für seinen Trainer: die gegnerischen Schwächen eiskalt zu nutzen.“ „Wenn einer so hart trainiert und regiert, muss er sich nicht Günter Netzer, der als Manager Zebec zum Hamburger wundern, wenn es ihn bei einem Misserfolg schnell er- SV holte, verweist auf die Bedeutung, die die jugoslawi- wischt.“ Nur wenige Jahre später sah Müller dies diff eren- schen „Gastarbeiter“ seinerzeit für die Bundesliga hatten: zierter: „Wir haben unseren Trainer damals verwünscht. „Sie (die jugoslawischen Spieler im deutschen Fußball) Wenn ich mir jetzt nochmals so alles überlege, muss ich waren uns vor allem taktisch überlegen. Wir Deutsche sagen: Ich bin ihm dankbar.“ sind damals nur hinterhergelaufen und haben unsere be- Zebec gab seinen Spielern zu verstehen, dass Alkohol, kannten Tugenden einsetzen können. Aber international Zigaretten und Frauen für sie Gift seien. Sepp Maier: „Bei vorzeigbar war das nicht. Wir haben uns erst langsam an sich selber war er großzügiger. Er musste auch nicht spie- die Spielphilosophie gewöhnen müssen. Zum Glück sind len. Wenn er mit Sonnenbrille und brennender Zigarette damals ja auch jugoslawische Trainer nach Deutschland unter die Dusche ging, was nicht selten vorkam, wussten gekommen, die uns diese ihre Art des modernen Fußballs wir Bescheid. Aber er war ein toller Trainer.“ mit der Raumdeckung beigebracht haben. Sie haben alle- Zebec fi el später dem Alkohol zum Opfer. Im April 1980 samt dem deutschen Fußball gutgetan.“ Zebec sei ein „be- wurde er von der Polizei mit 3,25 Promille aus dem Auto sessener und außergewöhnlicher Trainer“ gewesen, viel- geholt. Einige Monate zuvor hatte er mit dem Hamburger leicht der beste, der jemals in Deutschland tätig war. „Als SV seine zweite Deutsche Meisterschaft errungen. Im De- Trainer ließ er als einer der Ersten im Raum verteidigen, zember 1980 wurde Zebec beim HSV entlassen, nachdem was heute selbstverständlich ist.“ er wiederholt benebelt zum Training erschienen war. An- Für Franz Beckenbauer war Zebec „einer der welt- schließend trainierte er noch Borussia und Ein- besten Trainer“. „Mucki“ Brenninger lobt Zebec als einen tracht Frankfurt, scheiterte aber auch hier an seinem Alko- „hervorragenden Trainer“, der alle Spieler gleich behandelt holproblem. Im September 1988 erstickte Zebec in einem habe: „Da war der Nachwuchsspieler genauso viel wert wie Zagreber Restaurant an einem Fleischstück. dsm

278 1969 bis 1979 Grandiose Zeiten Die Saisons 1969/70 bis 1978/79

Lokalrivale 1860 musste am Ende die Bundesliga als 1969/70: Lattek Siebzehnter verlassen, obwohl die „Löwen“ im Bundesliga- löst Zebec ab derby am 7. März 1970 – dem letzten für sieben Jahre – vor 40.000 Zuschauern mit 2:1 die Oberhand behielten. Tor- schützenkönig wurde mit 38 Treffern Gerd Müller, was neuer Bundesligarekord war. Beim 6:2-Sieg am zweitletz- 1969/70 hieß der Meister Borussia Mönchengladbach. Die ten Spieltag gegen Rot-Weiß Oberhausen schlug Müller „Fohlen“, die 1965 gemeinsam mit den Bayern aufgestiegen gleich viermal zu. Für Werner Olk war es der letzte Auftritt waren und zunächst einen risikoreichen Offensivfußball im Bayern-Dress vor heimischem Publikum. Nur 8.000 zelebrierten, hatten von den Bayern gelernt und ebenfalls Zuschauer sahen die Abschiedsvorstellung des Kapitäns. ihre Abwehr verstärkt. Mit vier Punkten Rückstand wurde Im Viertelfinale des DFB-Pokals musste der FC Bay- der FC Bayern Vize-Meister. In der Hinrunde besiegten die ern beim alten Rivalen 1. FC Nürnberg antreten, der aber Gladbacher die Bayern auf dem Bökelberg mit 2:1, wobei nur noch zweitklassig war. Es war das bereits vierte Auf- Müller eine Viertelstunde vor Schluss aus drei Metern Ent- einandertreffen von Münchnern und Franken im Pokal fernung nur die Lattenunterkante traf. In der Rückrunde seit 1965. Anders als 1965/66, 1967/68 und 1968/69 behielt revanchierten sich die Bayern mit einem 1:0-Sieg. dieses Mal der „Club“ die Oberhand, obwohl der Regional-

Gegen den Lokalrivalen TSV 1860 (hier Gerd Müller gegen Perusic) verloren die Bayern in der Rückrunde mit 1:2. Wenig später musste Trainer seinen Hut nehmen.

279 ligist als krasser Außenseiter in die Partie gegangen war. Wettbewerbe bereits in der ersten Runde, dennoch hin- Vor 70.000 Zuschauern im Nürnberger Stadion führten die terließen die Bayern einen guten Eindruck. In München Franken nach 31 Minuten bereits mit 2:0. In der zweiten stand es gegen den französischen Meister AS St. Étienne Halbzeit bliesen die Bayern zwar zur Großoff ensive, aber nach 90 großartigen Minuten durch Tore von Brenninger mehr als der Anschlusstreff er durch Roth sprang nicht und Roth 2:0. Im Rückspiel allerdings ließ ein ganz auf heraus. Ab der 70. Minute musste man zudem mit zehn Off ensive eingestelltes und blendend aufgelegtes franzö- Mann auskommen, nachdem Schwarzenbeck des Feldes sisches Team dem Deutschen Meister keine Chance und verwiesen worden war. gewann mit 3:0. Wie sehr Bayern und Gladbacher nun den Bundesliga- Für die Saison 1970/71 hatten sich die Bay- fußball dominierten, zeigt ein Blick auf den vorläufi gen ern bereits frühzeitig mit als neuem 40-Mann-Kader des Bundestrainers für das WM-Turnier Trainer geeinigt. Neudecker war des Zebec’schen in Mexiko. 13 Spieler waren Akteure des Meisters oder „Eigensinnes“ überdrüssig. Der bis dahin ziem- des Vize-Meisters. Die Gladbacher stellten acht lich unbekannte Lattek hatte sein Engagement Spieler, die Bayern mit Maier, Müller, Be- Franz Beckenbauer zu verdanken, der ckenbauer, Roth und Brenninger fünf. ihn als Assistenten von Bundestrai- ner Helmut Schön kennen und Lehrgeld im Europapokal schätzen gelernt hatte. Manager Im Europapokal spielte der FC Robert Schwan über den Neuen: „Wir Bayern 1969/70 erstmals bei hatten schon lange ein Auge auf ihn den Landesmeistern mit. Zwar geworfen.“ Lattek war weniger als kam das Aus im prestigeträch- Übungsleiter gefragt denn als Mo- tigsten aller europäischen tivator. Beckenbauer: „Wir Bayern waren damals eine Supertruppe, aber irgendwer musste sie schließlich bei Laune halten.“ Nachdem die Bayern in der zweiten Links: Saisonhälft e aus den drei Spielen gegen Der neue Mann am Spielfeldrand: (1:2), den TSV 1860 Udo Lattek (1:2) und Rot-Weiss Essen (1:1) nur einen Punkt geholt hatten, wurde Zebec am 13. März 1970 vorzeitig entlassen. Nur einen Tag später gab Lattek sein Debüt: Der spätere Absteiger wurde mit 6:0 überfahren. Aus den verbleibenden zehn Begegnungen holte Lattek immer- hin noch 15 von 20 möglichen Punkten.

Die Abiturienten kommen Die erste große Aufgabe des neuen Trainers bestand darin, die Bayern-Elf zur Saison 1970/71 drastisch zu ver- jüngen. Mit Rainer Ohlhauser und Ka- pitän Werner Olk gingen im Sommer 1970 zwei langjährige Leistungsträger ins „Rentnerparadies“ Schweiz. Olk schloss sich dem FC Aarau an, Ohl- hauser den Grasshoppers Zürich. Als Ersatz holte Lattek die beiden Jugend- nationalspieler Uli Hoeneß (TSG Ulm) und (ESV Freilassing) nach München, die er noch aus seiner Zeit als DFB-Jugendtrainer kannte. Lattek setzte stark auf die Jugend. Zum Zeitpunkt ihrer Verpfl ichtung waren Hoe- neß und Breitner erst 18 Jahre alt. Hoeneß hatte als 17-Jähriger in der Amateur-Natio- nalmannschaft debütiert. Der „Kicker“ be- richtete aus dem Trainingslager der Bayern in

280 Zwar besiegten die Bayern in einem Nachholspiel am 15. April 1970 Borussia Mönchengladbach, doch die Meisterschaft war den „Fohlen“ der Sportschule Grünwald: „Überraschend, wie die Spieler, nicht mehr zu nehmen. Hier die im Vorjahr noch in der DFB-Jugendauswahl kickten, 1970/71: Latteks erzielt das Tor die Strapazen überstanden. Hoeneß und Breitner hielten des Tages; Torhüter Wolfgang erste Trophäe mit, als hätten sie schon immer unter Profibedingungen Kleff, und Hartwig Bleidick haben das Nachsehen. trainiert. Hoeneß, der wie sein Freund Paul Breitner kör- perlich voll da ist, entwickelt gewaltigen Ehrgeiz: ,Jetzt muss man sich einen Platz in der Mannschaft erkämpfen. Bei der WM 1970 in Mexiko wurde die deutsche Nationalelf Auf eventuelle Verletzungen zu warten, um dranzukom- Dritter. Mit drei Bayern in der Stammformation: Becken- men, darauf verlasse ich mich nicht.‘“ bauer, Maier und Müller, der mit zehn Treffern Torschüt- Breitner wie Hoeneß waren Abiturienten, und auch zenkönig wurde. Das Team von Bundestrainer Helmut der 21-jährige , der von kam, Schön musste zweimal in die Verlängerung. Im Viertelfi- sowie der gleichaltrige Edgar Schneider vom VfR Pforz- nale gegen England (3:2), das in brütender Mittagshitze an- heim hatten das Reifezeugnis im Visier. Bereits ein Jahr gepfiffen wurde, und im Halbfinale gegen Italien (3:4), das zuvor hatte beim FC Bayern ein anderer Abiturient unter- als „Jahrhundertspiel“ in die Annalen einging. Beckenbauer schrieben: der langmähnige Karl-Heinz „Charly“ Mrosko, zog sich gegen die Squadra Azzurra eine schmerzhafte zuvor für die am Ball. Kein anderer Schlüsselbeinverletzung zu. Da das deutsche Auswechsel- Bundesligist konnte sich Anfang der 1970er so vieler kontingent bereits erschöpft war, musste der Kaiser fast Abiturienten rühmen wie der FC Bayern. Der „Kicker“ eine Stunde mit festgebundenem Oberarm kicken. schrieb einige Monate später über Hoeneß, Breitner und Schöns ehemaliger Assistent Udo Lattek musterte der- Co: „Uli Hoeneß zählt zur neuen Generation des Fußball- weil seine neue Mannschaft. Beim Trainingsauftakt sagte profis, obwohl er bis 1972 Amateur bleiben und erst dann er zuversichtlich: „Ich habe hier eine disziplinierte, be- Geld verdienen will. Es sind die jungen Intellektuellen, geisterungsfähige Truppe vorgefunden, wie ich sie mir in die Abiturienten und Studenten Karl-Heinz Mrosko, Paul meinen kühnsten Träumen nicht besser ausmalen konnte. Breitner, Edgar Schneider und Jürgen Ey und der Schüler Es liegt nun an mir, diesen Geist zu erhalten, sportlich das Rainer Zobel, der das Reifezeugnis anstrebt. Es verwun- Beste herauszuholen.“ dert nicht, dass sie beim FC Bayern unter Trainer Udo Aber auch in der ersten kompletten Lattek-Saison Lattek zusammengefunden haben, der einst selbst das 1970/71 musste der FC Bayern bei der Titelvergabe den Abitur ablegte, ehe er Sport und Englisch studierte.“ Den Gladbachern den Vortritt lassen. Noch in der Winterpause Jungspund Hoeneß zitierte die Zeitschrift mit dem Satz: hatte der FCB die Nase vorn, die Entscheidung fiel erst am „Die heutige Art Fußball zu spielen, setzt eine gewisse In- 34. und letzten Spieltag. Davor hatten Gladbacher und Bay- telligenz voraus.“ ern mit jeweils 48:18 ein identisches Punktekonto. Da das

281 Torverhältnis des FC Bayern um einen Treff er besser aus- fi el (74:34 gegenüber 73:34), waren die Münchner Tabel- lenführer. Zum Saisonfi nale mussten beide Klubs reisen, die Gladbacher nach Frankfurt, die Bayern zum MSV Duisburg. Zur Halbzeit hieß der Meister FC Bayern: In Duisburg stand es 0:0, in Frankfurt 1:1. Doch in der 55. Minute ging der MSV durch Budde in Führung. Zehn Minuten später erhöhte derselbe Spieler auf 2:0, während zeitgleich Köppel für Gladbach traf, das am Ende mit 4:1 gewann. Damit war der Borussia als erstem Verein seit Gründung der Bundesliga die Titelverteidigung gelungen. Mit Blick auf die starke Verjüngung beim Personal war der zweite Platz des FCB durchaus respektabel. Von den 17 eingesetzten Spielern waren mit Beckenbauer (24), Breit- ner (18), Ey (23), Hoeneß (18), Koppenhöfer (24), Mrosko (23), Müller (24), Roth (24), Schneider (21), Schwarzen- beck (22), Seifert (21) und Zobel (22) zwölf Akteure noch keine 25 Jahre alt. Sepp Maier war erst 26, wie auch Dieter Brenninger und Johnny Hansen. Ältester Akteur war der von gekommene 29-jährige Erich Maas, gefolgt vom 27-jährigen Peter Pumm. Und sieben der 17 eingesetzten Spieler waren Neuerwerbungen.

„Einige drängt es auszuwandern“ Zuschauerandrang am letzten Spieltag, der über die Meisterschaft entschied: Die teilweise Trotzdem hatte zwischenzeitlich schlechte Stimmung rund schwindelerregend platzierten Zuschauer im Duisburger Wedaustadion freuten sich am um das Team geherrscht. Nach einem torlosen Remis am 6. Juni 1971 über einen 2:0-Erfolg ihres MSV über die favorisierten Bayern. Unten ist Detlef elft en Spieltag gegen Kickers Off enbach schrieb Hans Pirsig vor Uli Hoeneß am Ball.

282 1969 bis 1979

Schiefele im „Kicker“ unter der Überschrift „Wandern die schaft zu verhindern. Neudecker klagte: „Ich verliere bald Bayern aus?“: „Was bei den Münchnern – von spielerischen die Lust. Ich kann das nicht verstehen, eine kleine Schwä- Elementen abgesehen – bedenklich stimmt, ist ein gewisser che, die die Mannschaft zeigt, braucht doch keine Panik- Mangel an Spielfreude, an Begeisterung. Zwar mühen sich stimmung auszulösen.“ gerade die neu verpfl ichteten Spieler bestimmt redlich ab, Der „Kicker“ analysierte: „Inzwischen (…) hat sich he- doch bei einem Teil der Mannschaft ist das Spiel schon zu rausgestellt, dass es vor allem für die neuen Leute enorm sehr zur Routine geworden. Sattheit, Überbeanspruchung schwer ist, den Sprung in die Bundesliga auf Anhieb zu oder gar Unzufriedenheit – was sind die Gründe? Zugege- schaff en. Hinzu kam das Problem mit verletzten Spielern, ben, die Mannschaft wird stark strapaziert. Aber der Ver- von denen Erich Maas am meisten betroff en ist. Doch ent- einsführung bleibt gar keine andere Möglichkeit, als mit scheidend mag für die ersten Rückschläge gewesen sein, Gast- und Pokalspielen die Gehälter für die hoch dotier- dass bei Gerd Müller erst jetzt die enormen Anstrengun- ten Profi s einzuspielen. Dennoch drängt es einige auszu- gen von Mexiko nachwirken. Selbst Franz Beckenbauer lei- wandern. Dieter Brenninger, so stand es jüngst in einer det darunter, wiewohl man es bei ihm dank seiner Routine Münchner Tageszeitung zu lesen, habe Ambitionen nach und seiner Position (Libero) in der Mannschaft nicht in der Schweiz. Dorthin also, wo zuletzt allerdings schon be- diesem Maße spürt.“ Müller kam in der Hinrunde nur auf tagtere Mannschaft skameraden wie Werner Olk und Rai- zehn Tore, das erste davon erst am vierten Spieltag gegen ner Ohlhauser ihre Zelte aufgeschlagen haben. Auch Franz Rot-Weiss Essen. Roth hat seine Fühler bereits ins Land der Eidgenossen Latteks junge Garde schlug sich recht tapfer, war aber ausgestreckt. Und wenn man Nationalstürmer Gerd Mül- anfangs überfordert, da die Säulen der Mannschaft , an ler sprechen hört, dann würde er keine Sekunde zögern, denen sich die Jungen orientieren und aufrichten soll- nach Italien zu gehen, wenn die Ausländersperre aufgeho- ten, zunächst noch WM-müde waren. Uli Hoeneß, dem ben wird. Man sieht, leicht hat es die Vereinsführung nicht; der „Kicker“ am 8. Februar 1971 erstmals sein Titelblatt denn höhere Honorare für die Angestellten auszuschütten widmete („Bayerns bester Kauf: Der Aufstieg des Uli Hoe- als bisher, würde alle kaufmännischen Prinzipien über den neß“), brachte es auf 31 Einsätze (6 Tore), Paul Breitner Haufen werfen. Gemessen am spielerischen Können ist oh- auf 21 (2 Tore), Rainer Zobel auf 34 (3 Tore) und Edgar nehin nur einer ‚ordnungsgemäß’ bezahlt, nämlich Franz Schneider auf 20 (2 Tore). Der FC Bayern war mit 18 Spie- Beckenbauer. Dieser freilich im Vergleich zu den anderen lern in die Saison gegangen. Zum Einsatz kamen davon 17, vielleicht sogar unterbezahlt.“ wobei Seifert und Ey jeweils nur eine Einwechslung ver- Auch im Umfeld des Vereins gab es Unruhe. Nach dem buchen konnten. Europapokalsieg von 1967 und dem Double von 1969 hatte sich die Erwartungshaltung erheblich verändert. Nach elf Trost im DFB-Pokal Spieltagen lagen die Bayern zwar nur einen Punkt hinter Die Saison 1970/71 ging letztlich vor allem wegen des Spitzenreiter Mönchengladbach und hatten erst eine Nie- Bestechungsskandals in die Geschichtsbücher ein. In die derlage kassiert (am neunten Spieltag verlor man beim Aff äre waren Spieler und/oder Funktionäre der Vereine Aufsteiger Arminia Bielefeld, vom „Kicker“ als „Arminias Hertha BSC Berlin, VfB , Schalke 04, Arminia größter Sieg in 65 Jahren Bestehen“ gefeiert). Nichtsdesto- Bielefeld, MSV Duisburg, Rot-Weiß Oberhausen, Ein- trotz wurde Neudecker auf der Bayern-Geschäft sstelle am tracht Braunschweig, Kickers Off enbach und 1. FC Köln Die Bayern als Beatles: Sepp Goetheplatz täglich von Mitgliedern und Fans bedrängt, er verwickelt – die halbe Bundesliga also. Auch der FC Bay- Maier, Franz Roth, Johnny möge einschreiten, um ein weiteres Absinken der Mann- ern wurde kurzzeitig mit Bestechungsvorwürfen in Ver- Hansen und Georg Schwarzen- bindung gebracht, denn einer der Hauptakteure des Skan- beck (von links) „doubeln“ die dals war Kölns Torhüter gewesen. Am Pilzköpfe aus . 31. Spieltag hatte der FCB die Kölner 7:0 besiegt und damit auch etwas für das Torverhältnis getan – Anlass für allerlei Spekulationen, die aber nie bewiesen wurden.

283 Trost für die entgangene Meis- terschaft spendete erneut der DFB- Pokal. Traditionsgemäß tat sich der FC Bayern zunächst schwer. In der ersten Runde musste man gegen den Regionalligisten Hessen Kassel nach- sitzen. Beim 2:2 in Kassel rannten die Bayern zweimal einem Rückstand hinterher. Das Wiederholungsspiel in München gewann der FCB vor nur 8.500 Zuschauern klar mit 3:0. Auch die zweite Runde ging nicht ohne eine Sonderschicht: Einem 1:1 beim 1. FC Kaiserslautern folgte ein fulmi- Franz Beckenbauer trifft im nantes 5:0 an der Grünwalder Straße, DFB-Pokalfi nale zum wichtigen 1:1, und auf der Trainerbank bei dem Gerd Müller alle fünf Tref- wird heftig gejubelt. fer erzielte. Der Zuschauerzuspruch war mit 11.500 erneut Th ielen, Weber, Flohe, Overath, Rupp und Löhr im Team mager. Im Viertelfi nale wurde der MSV Duisburg 4:0 be- standen, hatten in der Bundesliga geschwächelt. Davon war siegt, im Halbfi nale gewann man durch ein Müller-Tor bei aber in Stuttgart nichts zu merken, und in der 14. Minute Fortuna Düsseldorf 1:0. Im Finale wartete der 1. FC Köln gingen sie durch Rupp mit 1:0 in Führung. In der 52. Mi- auf die Bayern. nute sorgte Beckenbauer, der beste Mann auf dem Platz, Zuvor hatte der FCB aber noch einen Strauß mit dem für den Ausgleich zum 1:1 – laut eigenem Bekunden das DFB auszufechten. Gerd Müller war in einem Länderspiel wichtigste Tor seiner Karriere in einem seiner besten Spiele. gegen Peru vom Platz gestellt worden. Einige Tage vor dem Fast eine Stunde lang mussten die Bayern mit nur zehn Pokalfi nale in Stuttgart sprach der DFB gegen ihn eine Mann auskommen, nachdem Koppenhöfer wegen einer Sperre aus. Dass Müller dann trotzdem im Finale aufl au- Catcheinlage gegen Löhr des Platzes verwiesen worden fen durft e, hatte er seinem Kollegen Beckenbauer und dem war. Doch die Kölner wussten diesen Vorteil weder in der russischen Torwartidol Lew Jaschin zu verdanken. Jaschin regulären Spielzeit noch in der Verlängerung zu nutzen. hatte Beckenbauer zu seinem Abschiedsspiel eingeladen, Als nur noch zwei Minuten zu spielen waren und sich die doch der Münchner musste verletzungsbedingt absagen. Zuschauer bereits mit einem Wiederholungsspiel abgefun- Als der DFB Gerd Müller bat einzuspringen, antwortete den hatten, hämmerte Edgar Schneider, der in der 68. Mi- dieser: „Das geht doch nicht, ihr habt mich doch gesperrt.“ nute für „Bulle“ Roth hereingekommen war, den Ball aus Erst als die DFB-Funktionäre eine Begnadigung des Tor- gut 20 Metern in den rechten Winkel des Kölner Tores. Für jägers in Aussicht stellten, erklärte sich Müller spielbereit. Udo Lattek war der „Pott“ die erste Trophäe mit dem FC Drei Tage vor dem Finale erhielten er und der FC Bayern Bayern. Viele weitere sollten folgen. grünes Licht aus Frankfurt. Der FC Bayern feierte seinen fünft en Sieg in einem Die 71.000 Besucher im Stuttgarter Neckarstadion sa- DFB-Pokalfi nale mit folgender Mannschaft : hen am 19. Mai 1971 ein dramatisches Pokalfi nale, das als ® Maier, Koppenhöfer, Breitner, Roth (68. Schneider), eines der besten in die Geschichte des Wettbewerbs ein- Beckenbauer, Schwarzenbeck, Zobel, Mrosko, Müller, ging. Die Kölner, bei denen Spieler wie der Torwart Soskic, Hoeneß (87. Hansen), Brenninger.

284 Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliothek; detaillierte bibliografi sche Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar.

Copyright © 2017 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestr. 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Satz und Gestaltung: Christine Rölke, Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen Druck und Bindung: Grafi sches Centrum Cuno, Calbe

ISBN 978-3-7307-0342-7 Dietrich Schulze-Marmeling Die Bayern-Chronik Band 2: 1979 bis heute

Mit Beiträgen von Christoph Bausenwein · Bernd-M. Beyer Armin Radtke · Kieran Schulze-Marmeling

VERLAG DIE WERKSTATT Die Bayern-Chronik bis 1979

1926 Der FC Bayern wird erstmals Süd- deutscher Meister.

1910 Der FC Bayern wird erstmals Ost- kreismeister und damit Meister Bayerns. Max 1900 In der Fußballabteilung des Männer- Gablonsky wird erster Nationalspieler des FC turnvereins München von 1879, die drei Bayern. 1932 Die Bayern werden erstmals Deut- Jahre zuvor entstanden ist, gibt es Streit. scher Meister. Im Finale besiegen sie Eintracht Einige Mitglieder spalten sich ab und grün- 1911 Mit dem Engländer Charles Griffi ths Frankfurt mit 2:0. Ihr Trainer ist der Öster- den am 27. Februar im Gasthaus Gisela den wird ein erster Profi trainer engagiert. reicher Richard Dombi, der von den Fußball- FC Bayern München. Erster Präsident wird schulen Wiens und Budapests geprägt ist. Franz John. Heimat des neuen Klubs sind 1913 Kurt Lan- Schwabing und die Maxvorstadt. Der FC dauer wird erstmals 1933 Machtübernahme durch die Natio- Bayern wird zum „Künstlerklub“, denn unter Präsident des FC nalsozialisten. Der jüdische Präsident Kurt seinen frühen Mitgliedern fi nden sich viele Bayern. Der Klub Landauer tritt zurück, auch der jüdische Kulturschaff ende. verpfl ichtet als Trai- Meistertrainer Dombi verlässt München und Damit die Mannschaft schnell im Münch- ner William Townley, Deutschland. Ebenso Torjäger Oskar Rohr, ner Fußball eine führende Rolle besetzen den berühmtesten und modernsten der briti- der in Deutschland nicht Profi werden kann. kann, wird sie durch Gastspieler vom Frei- schen Entwicklungshelfer in Deutschland. National spielt der Klub in den folgenden Jah- burger FC unterstützt. ren keine große Rolle mehr.

1902 Erstes Derby mit dem TSV 1860 auf 1935 Der FC Bayern erlässt „Arierparagra- dem Bayernplatz an der Clemensstraße in fen“. Zu diesem Zeitpunkt haben die meisten Schwabing. Am 21. September schlägt der jüdischen Mitglieder den Klub bereits ver- FC Bayern die „Löwen“ mit 3:0. lassen. Ein Teil von ihnen kann emigrieren (so u.a. Kurt Landauer), aber 28 werden von 1903 Der Nieder- 1919 Am 27. Juli empfängt der FC Bayern den Nazis ermordet (u.a. Otto Albert Beer, länder Willem Hes- mit MTK Budapest die beste Mannschaft des ehemals Schülerleiter des Klubs). selink beerbt Franz Kontinents. Nahezu 15.000 Zuschauer kom- John als Präsidenten. men an die Marbachstraße, Rekord für ein Der Student der Fußballspiel in München. Die Bayern unter- Chemie und Philo- liegen der Elf um „Fußballkönig“ Alfred sophie ist auch Spieler und Trainer. Schaff er mit 1:7. Fortan versucht man den Spielstil MTKs zu kopieren – auch durch die 1906 Aufgrund von Platzproblemen Verpfl ichtung von Trainern aus der „Buda- schließt sich der FC Bayern dem noblen pester Schule“. Münchner Sport-Club (MSC) an, bleibt aber als „Bayern, Fußballabteilung des M.S.C.“ 1922 Kurt Landauer wird zum dritten Mal eigenständig. Damit geht ein Wechsel der Präsident des FC Bayern und bleibt dies nun 1944 Der FC Bayern wird Südbayerischer Spielkluft einher. Die schwarzen Hosen wer- bis 1933. Meister – der einzig halbwegs bedeutende den gegen rote getauscht. Fortan ruft man Titel in den NS-Jahren. Ein Empfang beim die Bayern „Rothosen“. Sie spielen nun auf Oberbürgermeister wird mit Verweis auf die dem MSC-Gelände an der Karl-Th eodor- „jüdische Vergangenheit“ des Klubs abschlägig Straße in Schwabing. beschieden.

1907 Umzug auf die neue MSC-Anlage an 1925 Der Klub spielt nicht mehr in Schwa- 1945 Erstes Spiel nach Kriegsende: Der FC der äußeren Leopoldstraße in Schwabing. bing, sondern im Städtischen Stadion an der Bayern besiegt Wacker am 24. Juni mit 4:3. Grünwalder Straße in Giesing. Die Oberliga Süd startet am 4. November.

8 Chronik

„Tschik“ Cajkovski gehören auch die jungen Klub seine erste Millioneneinnahme. Dank Spieler Franz Beckenbauer, Gerd Müller und des mit VIP-Kapazitäten ausgerüsteten Sepp Maier. neuen Stadions kann der Klub seine Stars halten. Gerd Müller wird mit 40 Toren in 34 1966 Aufsteiger FC Bayern ist in seiner Spielen – bis heute Rekord – Torschützen- ersten Bundesligasaison die Überraschungs- könig. elf der Liga. Die Mannschaft wird Dritter und gewinnt den DFB-Pokal. 1974 Der FC Bay- ern triumphiert als 1947 Kurt Landauer wird zum vierten Mal erster deutscher Klub Präsident des FC Bayern und bleibt dies bis im Europapokal der 1951. Landesmeister. Das Finale gegen Atlético 1949 Der FC Bayern bekommt an der Sä- Madrid endet nach bener Straße im Stadtteil Giesing eine Trai- 120 Minuten unent- ningsanlage und Heimat. schieden; im Wieder- holungsspiel behalten die von Udo Lattek 1955 Abstieg in die 2. Liga Süd mit soforti- 1967 Gewinn der ersten europäischen Tro- trainierten Bayern mit 4:0 die Oberhand. gem Wiederaufstieg. phäe. Im Finale des Europapokals der Pokal- WM in Deutschland: Im Finale schlägt das sieger schlägt der FC Bayern die Glasgow Team des DFB die Niederlande im Münchner Rangers mit 1:0. Das Siegtor erzielt „Bulle“ mit 2:1. In der Startforma- Roth. tion stehen mit Maier, Beckenbauer, Breitner, Schwarzenbeck, Hoeneß und Müller sechs Spieler des FC Bayern. Die deutschen Tore er- zielen Breitner und Müller.

1975 Der FC Bayern wird in der Meister- schaft nur Zehnter, gewinnt aber mit einem 2:0-Sieg über Leeds United erneut den Euro- 1957 Der FC Bayern gewinnt am 29. De- papokal. zember erstmals den DFB-Pokal: 1:0 gegen Fortuna Düsseldorf. Trainer ist wie bei der ersten Meisterschaft ein Wiener: Willibald 1969 Mit dem jugoslawischen Trainer Hahn. Branko Zebec gewinnt der FC Bayern seine erste Bundesliga-Meisterschaft und auch den 1962 Der Bau- DFB-Pokal. Es ist das erste Double seiner unternehmer und Vereinsgeschichte. Immobilienmakler Wilhelm Neudecker 1971 Der FC Bayern nimmt die Jugend- 1976 Dem FC Bayern gelingt durch einen wird Präsident des nationalspieler Paul Breitner und und Uli 1:0-Sieg über AS St.-Étienne zum dritten Mal FC Bayern. Hoeneß unter Vertrag. Der „Kicker“ schreibt: in Folge der Gewinn des Europapokals. „Die Abiturienten kommen.“ Trainer ist – wie 1975 – . 1963 Start der Bundesliga ohne den FC Bayern, der bei der Auswahl der 16 Mann- schaften nicht berücksichtigt wird. Der Klub beginnt die neue Ära im deutschen Fußball zweitklassig.

1979 Eine Spielerrevolte verhindert das Engagement des Trainers und 1972 Am letzten Spieltag der Saison beendet die Ära des Präsidenten Wilhelm 1971/72 spielt der FC Bayern erstmals im Neudecker. Sein Nachfolger wird Willi O. 1965 Dem FC Bayern gelingt im zweiten neuen Olympiastadion. Bayern schlägt Hoffmann. Manager des Klubs wird der Anlauf der Aufstieg in die Bundesliga. Zum Schalke 5:1 und sichert sich damit den Meis- 27-jährige Uli Hoeneß. Beim FC Bayern Aufstiegsteam des jugoslawischen Trainers tertitel. 80.000 Zuschauer bescheren dem bricht eine neue Ära an.

9 Solche Trophäen gehören nach München Paul Breitner umarmt innig den soeben errungenen DFB-Pokal. In den 1980er Jahren gewannen die Bayern ihre nationale Dominanz zurück: Zwischen 1980 und 1990 holten sie siebenmal die Deutsche Meisterschaft und dreimal den DFB-Pokal. Das Foto entstand nach dem Pokalfinale 1982 gegen den 1. FC Nürnberg, das die Bayern mit 4:2 gewannen. Breitner schoss ein Tor, doch Matchwinner und Pokalheld war Dieter Hoeneß, der nach Kopfverletzung mit einem „Turban“ weiterspielte – und per Kopf den Siegtreffer erzielte.

Endlich wieder auf dem Gipfel Europas pariert den entscheidenden Schuss im Elfmeter- Krimi von Mailand, und die Bayern haben die Champions League 2001 gewonnen. Im Halbfinale konnten die Münchner ihren europäischen Dauerrivalen Real Madrid zweimal besiegen, doch der FC Valencia erwies sich im Endspiel als unerwartet schwerer Brocken. Die Spanier gaben sich erst im Elfmeterschießen geschlagen; Kahn hielt dreimal und wurde zum Helden. Nach einem Vierteljahrhundert standen die Bayern endlich wieder an der Spitze Europas.

s p i e l t a g 25. Mai 2013 Triumph im deutschen Wembley-Finale

Im Finale der Champions League trafen erstmals in der frühes Tor, am besten noch ein zweites hinterher, das die Geschichte des höchsten europäischen Vereinswettbe- Bayern vollends aus den Schuhen wirft . Ein bisschen so werbs zwei deutsche Mannschaft en aufeinander. Denn im wie 16 Jahre zuvor im Münchner Olympiastadion, als die anderen Halbfi nale hatte sich gegen Borussen gegen Juventus Turin als Underdog ins Finale zo- Real Madrid durchsetzen können. Die Champions-Lea- gen, aber nach 34 Minuten durch zwei Tore von Karl-Heinz gue-Saison 2012/13 war somit auch ein Triumph des deut- Riedle mit 2:0 in Front lagen und das Spiel schließlich mit schen Klubfußballs über den spanischen. 3:1 gewannen. Klar war aber auch: Würde Borussias kräft e- zehrende Anfangsoff ensive nicht mit Toren belohnt, würde Münchner Albträume dem BVB irgendwann die Luft ausgehen. Denn über die Austragungsort des 56. Finales um den „Henkelpott“ war volle Strecke von 90 Minuten war ein solches Powerplay das Londoner Wembleystadion. Bis zu diesem 25. Mai gegen den FC Bayern nicht durchzuhalten. hatten sich beide Teams in dieser Saison bereits viermal Der bayerische Albtraum wäre wohl Wirklichkeit ge- gemessen: In der Bundesliga trennte man sich zweimal worden, hätte am Abend dieses 25. Mai unentschieden, im Supercup und im DFB-Pokal gab es 2013 im Wembleystadion nicht so überragend gehalten. knappe Siege für die Bayern (2:1 bzw. 1:0). Der direkte Bayerns Nummer eins zog dem BVB den Zahn und ließ Vergleich gestaltete sich also nicht so klar, wie es der über- den Matchplan von Trainer Jürgen Klopp scheitern. legene Gewinn der Meisterschaft durch die Bayern sugge- Bereits in der dritten Minute bekam die Borussia ihren rierte. Die Münchner plagte vor dem Champions-League- ersten Eckstoß zugesprochen, nachdem ein Volleyschuss Finale der Albtraum, dass die Mannschaft ausgerechnet von Dortmunds Champions-League-Goalgetter Robert das wichtigste der fünf Spiele gegen den BVB verlöre und Lewandowski geblockt worden war. In der zehnten Mi- damit ihr Status als unumstrittener deutscher Branchen- nute zielte der von bediente Jakub Blaszczy- führer weiter angekratzt wäre. kowski nur knapp am Bayern-Tor vorbei. Drei Minuten Die Geschichte der Finals um die begehrteste Tro- später lenkte Neuer einen Schuss von Lewandowski aus phäe im europäischen Klubfußball stand auch nicht auf 22 Metern über die Latte. Eine weitere Minute später häm- Seiten des FC Bayern und übte einen zusätzlichen Druck merte der erneut von Reus geschickte Blaszczykowski den aus. Für den Rekordmeister bedeutete Wembley das Ball aus sechs Metern per Direktabnahme aufs kurze Eck, dritte Champions-League-Finale innerhalb von nur vier aber Neuer konnte mit einer Klassereaktion gerade noch Jahren. Im Falle einer weiteren Niederlage nach Mad- zur Ecke abwehren. Ebenso in der 19. Minute, als Reus rid 2010 (0:2 gegen Inter Mailand) und München 2012 nach tollem Pass von Großkreutz aus über 20 Metern zum (Drama gegen Chelsea im Elfmeterschießen), also eines Schuss kam – es folgte der bereits fünft e Eckball für den „Vize-Hattricks“, drohte den Bayern in Europa das Image BVB. In der 22. Minute musste Neuer ein weiteres Mal des „Rekord-Verlierers“. Der FCB hatte zwar viermal die sein ganzes Können aufb ringen, als er einen aus acht Me- Königsklasse gewonnen, aber deren Finale auch fünfmal tern abgefeuerten Ball von Bender entschärft e. Die Bayern verloren – davon viermal ziemlich unglücklich. Und nir- wirkten irritiert und gefrustet. Allen voran Franck Ribéry, gendwo in Deutschland wurden zweite Plätze so gehasst der in einem Duell mit Lewandowski den Arm in einer wie in München. Weise ausfuhr, die mindestens gelbwürdig war. Aber der Franzose kam ohne Karte davon. Borussia scheitert an Neuer Anschließend konnten sich die Bayern ein wenig aus Der BVB trat in Wembley ohne Mario Götze an, den der der schwarz-gelben Umklammerung befreien: In der FC Bayern bereits für die kommende Saison unter Ver- 27. Minute zwang Mandzukic BVB-Keeper Weidenfeller trag genommen hatte. Der Jungstar war daraufh in bei der zu einer Glanzparade, als der einen Kopfb all des Kroaten schwarz-gelben Fangemeinde in Ungnade gefallen. Der an die Latte lenkte. Aber die nächste große Chance zur Grund für sein Fehlen war aber eine Verletzung. Führung hatten wieder die Schwarz-Gelben, als Lewan- Der BVB begann schwungvoll und überraschte zu- dowski in der 35. Minute mit einem Schuss aus spitzem nächst nervöse und gehemmte Bayern mit einem druck- Winkel an Neuer scheiterte. So ging es torlos in die Pause – vollen, aggressiven Pressing. Die Strategie war klar: ein dank Manuel Neuer.

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89. Minute: versetzt die halbe Dortmunder Defensive und legt den Ball an BVB-Torhüter Weidenfeller vorbei ins Netz. Das Finale ist entschieden; der Torschütze wird von seinen jubelnden Mitspielern fast zerfl eischt.

Plakat zum Finale. Bayern kommt in Fahrt Bei Neuer wurden Erinnerungen an das „Finale dahoam“ Nach dem Wiederanpfi ff ließen es beide Teams ruhiger wach: „Nach dem 1:1 ging mir der Arsch auf Grundeis.“ angehen. Beim BVB war dies wohl dem sagenhaft hohen Die Bayern hatten dabei noch das Glück, dass nicht Tempo geschuldet, das die Mannschaft in der ersten hal- Gelb-Rot sah. ben Stunde des Spiels angeschlagen hatte. In der 60. Mi- Die Partie war nun wieder völlig off en, aber die Bayern nute gingen die Bayern in Führung, und Neuer war am Tor waren spielbestimmender, da die Kräft e der Borussen im- beteiligt. Von drei Dortmundern umzingelt, drehte sich mer stärker nachließen. In der 72. Minute konnte Subotic Schweinsteiger in Richtung Bayern-Tor und passte den nach einem Müller-Solo mit einer starken Grätsche knapp Ball halbhoch und etwas unsauber zu Neuer. Dieser nahm vor der Torlinie gegen Robben retten. Vier Minuten später das von halbrechts kommende Zuspiel mit dem rechten parierte Weidenfeller ein scharfes Geschoss von Alaba, ab- Oberschenkel an und drosch das Leder volley auf die linke gefeuert aus 20 Metern Entfernung. Auch in der 87. Mi- Angriff sseite zu Ribéry. Der Franzose steckte den Ball zu nute war der BVB-Keeper bei einem abgefälschten Schuss Robben durch, der ihn von der Grundlinie aus an BVB- Schweinsteigers zur Stelle. Doch zwei Minuten später war Keeper Weidenfeller vorbei auf den wenige Meter vor dem er machtlos: Ribéry hatte im Zentrum vor dem Strafraum Tor stehenden Mandzukic brachte. Der Kroate brauchte einen langen Ball aufgenommen und mit der Hacke Rob- die Kugel nur noch über die Linie zu drücken. ben aufgelegt. Der Niederländer dribbelte an Hummels Die kalte Dusche für den FC Bayern folgte nur acht vorbei und verlud auch noch Weidenfeller. Bei diesem 2:1 Minuten später: Ilkay Gündogan glich per Elfmeter aus, blieb es. Der fünft e Triumph des deutschen Rekordmeis- nachdem Reus von Dante tölpelhaft gefoult worden war. ters in der europäischen Königsklasse war perfekt.

315 25. Mai 2013, Wembley-Stadion, London Champions League 2012/13, Finale Borussia Dortmund – FC Bayern München 1:2 (0:0) Tore: 0:1 Mandzukicc (60.), 1:1 Gündogan (68., Foulelfmeter), 1:2 Robben (89.) Gelbe Karten: Großkreutz – Dante, Ribéry Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien) Zuschauer: 86.298 (ausverkauft)

WEIDENFELLER PISZCZEK SCHMELZER SUBOTIC HUMMELS MANDZUKIC** S. BENDER* GÜNDOGAN RIBÉRY* ROBBEN T. MÜLLER BLASZCZYKOWSKI** REUS GROSSKREUTZ LEWANDOWSKI Sie bestritten das große Finale im Wembleystadion. Stehend von links: SCHWEINSTEIGER MARTÍNEZ , Manuel Neuer, Mario Mandzukic, Javier Martínez, Dante, ALABA LAHM Jérôme Boateng. Hockend: Franck Ribéry, , Thomas Müller, DANTE BOATENG Arjen Robben, . NEUER

*90.+1 GUSTAVO **90.+4 GOMEZ * 90. SAHIN ** 90. SCHIEBER

Erschöpfte Sieger und Lobeshymnen Aber nicht nur Robben konnte an diesem Abend eine Nach dem Abpfi ff herrschte bei den erschöpft en Bayern zu- Versöhnung mit den Fans feiern, sondern auch Manuel nächst mehr Erleichterung als Feierlaune. Manuel Neuer: Neuer. Für den Torwart war das Finale in London das bis „Wir sind unheimlich erleichtert. Heute ist uns eine riesige dahin wichtigste Spiel seit seiner Ankunft in München. Last von den Schultern gefallen.“ Kapitän Philipp Lahm: Als die Spieler mit dem „Henkelpott“ zur Kurve der Bay- „Wir hatten heute einen unfassbaren Druck. Damit muss ern-Fans gingen, erklomm Neuer die Balustrade, die die man erst mal zurechtkommen.“ Coach , Fans vom Spielfeld trennte, und reckte die Trophäe mit der mit dem Sieg als dritter Trainer nach beiden Armen in die Höhe. Bayerns Nummer eins wurde und José Mourinho die Champions League mit zwei unter- frenetisch gefeiert und genoss dies sichtlich. Der „Kicker“: schiedlichen Teams gewonnen hatte, analysierte: „Wir wa- „Es war ein besonderer Moment für den Torwart, der bei ren Favorit, diese Bürde war in den ersten 20 Minuten zu seiner Ankunft in München 2011 die Fanschar gespalten spüren. Dann haben wir uns peu à peu befreit und nach hatte wie kaum ein anderer zuvor. Dem gebürtigen Gel- der Pause wesentlich besser gespielt.“ senkirchener und langjährigen Schalker Spieler wurde Die internationale Presse dichtete Hymnen auf das dessen Vereinstreue und Identifi kation mit der Heimat- „deutsche Finale“. Der englische „Guardian“: „Es war eine stadt lange übel genommen. Zwei Jahre ist das her, doch außergewöhnlich dramatische Nacht, die noch einmal be- mittlerweile muss man sich fast schon bewusst daran er- stätigte, was in den vergangenen Tagen über die Strahlkraft innern, dass bei diesem Neuer kein bajuwarisches Blut des deutschen Fußballs gesagt und geschrieben wurde.“ durch die Adern fl ießt. Neuer liebt die Stadt München, Und die spanische Fachzeitschrift „Sport“: „Bayern Mün- er liebt den Verein Bayern, und er trägt Tracht und Ver- chen und Borussia Dortmund errichten dem Fußball ein einsemblem, als sei ihm beides in die Wiege gelegt wor- Monument. Es ist nicht wichtig, wer der Sieger war. Ge- den. Neuer hat sich in 24 Monaten komplett auf Stadt wonnen hat der Fußball. Gewonnen hat Deutschland.“ und Klub eingelassen, deshalb und wegen seiner Art, die Münchner Siegermentalität zu lieben, sind ihm viele Sym- Neuers Spiel pathien zugefl ossen. (...) In London hat Neuer nun auch Ausgerechnet Robben, den ein Teil der Fans nach der un- die Allerletzten im Fanblock der Bayern überzeugt. Vor al- glücklichen Niederlage im Champions-League-Finale ein lem dank seiner Weltklasseleistung gegen den Rivalen aus Jahr zuvor zum Sündenbock erkoren hatte, schoss den FC dem Ruhrpott wurde der Champions-League-Titel wieder Bayern zum fünft en Triumph in der Königsklasse. nach München geholt. Mehr geht nicht.“

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Die größte Auszeichnung: Die FIFA verlieh Jupp Heynckes den Titel „Trainer des Jahres 2013“. p o r t r ä t Jupp Heynckes – Architekt des Triples

Der gebürtige Hannoveraner, neuntes von zehn Kindern Häuser, sondern erfolgreiche und attraktiv spielende Fuß- eines Schmieds, erlernte zunächst den Beruf eines Stucka- ballmannschaften. teurs. Auf diese Weise erhoffte er sich, seinem eigentlichen Als Spieler wurde Heynckes, der meist auf Linksaußen Berufswunsch näherzukommen: Heynckes wollte Archi- kickte, mit Borussia Mönchengladbach viermal Deutscher tekt werden. Daraus wurde erst etwas nach einer Karriere Meister (1971, 1975, 1976, 1977) sowie je einmal DFB-Po- als Fußballprofi. Heynckes baute dann allerdings keine kal- (1973) und UEFA-Cup-Sieger (1975). Außerdem ge-

317 wann er 1974 und 1975 die Torjägerkanone. Als National- In Bilbao bewies Heynckes auch ein gutes Gespür für spieler wurde er 1972 mit der DFB-Auswahl Europa- und Talente und erwarb sich einen Ruf als Förderer junger Spie- 1974 Weltmeister. ler. Schon beim FC Bayern hatte er bewiesen, dass er kein 1979 wurde Heynckes Trainer der Gladbacher und mit Problem damit hatte, arrivierte Stars auszusortieren, um erst 34 Jahren jüngster Chefcoach der Bundesliga. Trotz jungen Spielern eine Chance zu geben. „Ich habe selbst bei der geringen fi nanziellen Möglichkeiten des Vereins ge- Spitzenmannschaft en die Erfahrung gemacht, wenn man staltete sich seine Bilanz beachtlich. 1980 qualifi zierte sich junge Spieler einbaut, bringen sie etwas Neues mit: Elan, die Borussia für das Finale des UEFA-Cups, 1984 für das Ambition, einen Schuss Verwegenheit.“ DFB-Pokalfi nale. In drei Spielzeiten führte Heynckes die Wie Cruyff in Barcelona war auch Heynckes in Bilbao Mannschaft unter die besten vier der Tabelle. Schon damals außerordentlich beliebt. Denn wie Cruyff in Katalonien besaß er den Ruf eines Arbeitswütigen. Sein Name stand ließ sich auch Heynckes im Baskenland auf die regionale für Fleiß, Ehrgeiz, Disziplin, Ordnung, Seriosität und Au- Kultur ein. Heynckes: „Bevor ich ins Baskenland gegan- torität. Aber Heynckes galt auch als sensibler Kopfmensch. gen bin, habe ich viele Bücher über die baskische Kultur gelesen, über ihre Geschichte, ihre Unterdrückung durch Vom Rheinland nach Bayern den Diktator Franco. Ich wusste sogar, welche Industrie- 1987 verpfl ichtete Uli Hoeneß Heynckes als Nachfolger güter dort produziert wurden, konnte Vorstandsmitglieder von Udo Lattek. Heynckes versuchte nun, den Bayern mit dem Vornamen ansprechen. Ich glaube, das hat den seine Vorstellungen eines modernen Fußballs zu vermit- Basken gefallen.“ teln. Dessen Kernpunkte waren: „Fußball als Automatis- mus“, perfekte Ballkontrolle bei höchstem Tempo. Der Kritiker des deutschen Fußballs Jürgen Kohler erinnert sich an eine „sehr gute Trai- Fern der Bundesliga entwickelte sich Heynckes zu einem ningsarbeit, eine harte Vorbereitung sowie viele technische der dezidiertesten Kritiker des deutschen Fußballs und und taktische Schwerpunkte“. Und , Spieler des dessen technischer und taktischer Defi zite. Anfang Feb- FC Bayern 1985 bis 1990 und bei der WM 2014 Assistent ruar 1993 veröff entlichte der „Kicker“ ein Doppelinter- von Bundestrainer Jogi Löw: „Als ich noch ein Spieler war, view mit Heynckes und Cruyff . Die Trainer, vom Fachblatt kam bei den Bayern Jupp Heynckes der heutigen Zeit am als „die beiden Fußballphilosophen“ vorgestellt, spielten nächsten. Er hat schon sehr viel taktisch trainieren lassen sich gekonnt die Bälle zu. Der Fußball benötige technisch und ist trotzdem auch individuell sehr stark auf die Spie- versierte Abwehrspieler. Heynckes: „Beim FC Barcelona ler eingegangen. Er konnte einen Spieler lesen, das ist sehr beginnt schon die Abwehr, Fußball zu spielen.“ Beide wichtig für einen Trainer.“ diagnostizierten einen eklatanten Mangel an technischer In seiner ersten Amtszeit beim FC Bayern wurde He- und spielerischer Qualität in der Bundesliga. Heynckes: ynckes 1989 und 1990 Deutscher Meister sowie zweimal „Gegenüber Italien und Spanien hat die Bundesliga Defi zite Vize-Meister. Auf europäischer Ebene kam der Klub aller- im technischen, spielerischen und individuellen Bereich. dings über drei Halbfi nalteilnahmen (1988/89 UEFA-Cup, (…) Die heutigen Spieler machen Fehler im Stellungsspiel, 1989/90 und 1990/91 Cup der Landesmeister) nicht hinaus. wie sie laufen, wie sie den Ball an- und mitnehmen, zum Bis zum Beginn der Ära Hitzfeld blieb Heynckes dennoch Teil plump in die Füße statt den Lauf.“ der letzte Bayern-Trainer, der auf eine mehrjährige Er- Heynckes zählte damals zu den wenigen deutschen folgsstrecke verweisen konnte. Trainern, die über den nationalen Tellerrand hinaus- Als der FC Bayern in der Saison 1991/92 sportlich ins blickten, statt blind dem heimischen Fußball nebst seinen Trudeln geriet, betrieb die Münchner Boulevardpresse den „deutschen Tugenden“ anzuhängen. Abschuss des Trainers. Im Oktober 1991 wurde Jupp He- 1994 kehrte Heynckes zurück in ynckes entlassen. Ein Schritt, den Manager Hoeneß später die Bundesliga, zu Eintracht Frank- öff entlich bereute. furt. Deren Verantwortliche erhoff - ten sich von Heynckes’ „preußischen Von Bayern nach Spanien Tugenden“ die Disziplinierung ihrer 1992 wechselte Heynckes nach Spanien zu Athletic Bil- „launischen Diva“. Ein Unternehmen, bao. Zum Wechsel ins Baskenland wurde er auch von Jo- das noch vor Saisonende scheiterte. han Cruyff ermutigt, der zu dieser Zeit den FC Barcelona Anschließend rechnete Heynckes mit trainierte. Der Rheinländer war damit nach Hennes Weis- der Bundesliga ab: „Die Spieler be- weiler und Udo Lattek der dritte deutsche Trainer, der den kommen immer mehr Alibis für ihre Sprung in den spanischen Fußball wagte. Heynckes entwi- Unzulänglichkeiten, für mangelnde ckelte die Basken weiter. Unter schwierigen Bedingungen, Professionalität und ihre Defi zite in denn für den Klub mit dem englischen Namen durft en nur ihrer berufl ichen Ausbildung. Moral „waschechte“ Basken kicken. In der Saison 1991/92 war und Verantwortungsbewusstsein der Athletic in der Primera División nur Fünfzehnter gewor- Spieler bleiben auf der Strecke, die Ver- den. 1992/93 hievte Heynckes das Team auf Platz acht, in eine werden erpressbar. Leider haben der folgenden Spielzeit sogar auf Platz fünf, der zur Teil- wir zu wenige Führungskräft e mit Kom- nahme am UEFA-Pokal berechtigte. petenz und Rückgrat.“

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dort zu arbeiten – ist seit Jahren der beste in Europa. Die Mischung macht es. Auch dort gibt es schlechtere Fußballer, schwächere Mannschaft en. Aber es wird ein attraktiver Off ensivfußball gespielt. (…) Der italieni- sche Fußball ist doch eher langweilig.“ Hingegen beobachtete er den Bundesli- gafußball weiterhin kritisch: „Die sportliche, fußballtechnische Ausbildung und die er- zieherische Vorbereitung auf den Profi -Be- ruf ist in Spanien besser. Wie auch bei Ajax Amsterdam, wo die Spieler jahrelang auf die Anforderungen vorbereitet werden und nicht nach dem ersten großen Auft ritt über- schnappen. (…) Der deutsche Fußball muss vor allem im Nachwuchsbereich besser or- ganisiert werden.“

Bayern, Bayer, Bayern Zur Saison 2003/04 kehrte Heynckes nach elf Jahren Ausland – die kurze Zeit in Frankfurt ausgeklammert – in die Bundes- liga zurück. Zunächst übernahm er den FC Schalke 04, wo er aber bereits im Septem- ber 2004 seinen Hut nehmen musste. Auch ein zweites Engagement bei den Gladba- chern dauerte 2007 nur 215 Tage. Feuchter Abschied: Nach Heynckes nahm sich eine Auszeit, be- seinem letzten Spiel als Bayern-Trainer, bei dem in vor er am 27. April 2009 überraschend für Berlin das Triple perfekt fünf Spieltage auf den Trainerstuhl beim gemacht wurde, musste Jupp Und noch einmal Spanien FC Bayern zurückkehrte. Von seinem Freund Uli Hoeneß Heynckes die obligatorische Heynckes ging zurück nach Spanien, zu CD Teneriff a für den glücklosen Jürgen Klinsmann engagiert, holte der Bierdusche überstehen. (1995-97). Der Kanarenverein konnte sich unter ihm erst- knapp 64-jährige Coach aus den verbleibenden Spielen mals in seiner Vereinsgeschichte für den UEFA-Cup quali- noch 13 von 15 möglichen Punkten und rettete den Bay- fi zieren, wo man 1996/97 erst im Halbfi nale an Schalke 04 ern Platz zwei und die direkte Qualifi kation für die Cham- scheiterte. Der Erfolg empfahl den Coach für höhere Wei- pions League. hen: Zur Saison 1997/98 unterschrieb Heynckes einen Zur Saison 2009/10 wurde Heynckes Trainer bei Bayer Zweijahres-Vertrag bei Real Madrid. Mit Real gewann er Leverkusen, blieb mit der Werkself die ersten 24 Spieltage 1998 die Champions League, musste aber anschließend der Saison ungeschlagen, womit er die bis dahin gültige trotzdem gehen, da die „Königlichen“ in den nationalen Bestmarke, von ihm selbst bei Bayern München aufgestellt, Wettbewerben enttäuscht hatten. übertraf. Berücksichtigt man auch noch die letzten Spiel- Seine nächsten Stationen hießen Benfi ca Lissabon tage der Saison 2008/09, blieb der Trainer Heynckes sogar (1999 – 20.9.2000), wo er nach der ersten Saison 14 Ak- 29 Bundesligaspiele in Folge ungeschlagen. Anschließend teure suspendierte, und ein zweites Mal verlor die Werkself den Faden und musste sich am Ende (2001-03). mit Platz vier begnügen. In der Saison 2009/10 wurde He- Während seiner Jahre in Spanien und Portugal lernte ynckes mit Bayer Vizemeister. Heynckes nicht nur die Sprachen dieser Länder, sondern Zur Saison 2011/12 heuerte er zum dritten Mal beim auch einiges über die Bedeutung und Handhabung des FC Bayern an. In der ersten Spielzeit nach seiner Rückkehr „interkulturellen Dialogs“ im globalisierten Fußball. Heyn- reichte es nur zum „Vize-Triple“. National musste Heynckes ckes: „Eine Weltklassemannschaft braucht interkulturellen dem Kollegen Jürgen Klopp und Borussia Dortmund den Dialog. Wenn ich aus einem Spieler Spitzenleistung holen Vortritt lassen. In der Champions League erreichte man will, muss ich seine Neigung als Fußballer genauso berück- zwar das Finale, verlor dieses aber im heimischen Stadion sichtigen wie seine Herkunft und Kultur.“ gegen den FC Chelsea höchst unglücklich. Ein Jahr später Zu einer Zeit, in der Spaniens Nationalmannschaft bei war der FC Bayern der erste deutsche Klub und Heynckes den internationalen Turnieren spätestens im Viertelfi nale der erste deutsche Trainer, denen das Triple aus nationaler regelmäßig ausschied, war für Heynckes der spanische Meisterschaft , nationalem Pokal und europäischem „Kö- Fußball nichtsdestotrotz das Nonplusultra: „Der spani- nigswettbewerb“ gelang. Im Januar 2014 zeichnete ihn die sche Fußball – und deshalb war es für mich ein Vergnügen, FIFA als „Trainer des Jahres 2013“ aus. dsm

319 2013/14: Guardiola-Fußball

Noch nie war im deutschen Fußball vor dem Amtsantritt Peter Penders („Frankfurter Allgemeine Zeitung“) sah eines Vereinstrainers so viel spekuliert, gemutmaßt und den neuen Trainer mit einer „Herkulesaufgabe“ konfron- gefachsimpelt worden – über seine Philosophie, seine tiert: „Heynckes hat mit dem Triumph im Wembley-Sta- Chancen, seine Probleme. Dass Großes zu- dion seinem Nachfolger Pep Guardiola (…) das schwerste zutrauen sei, stand für die meisten fest. Karl-Heinz Rum- Erbe hinterlassen, das vorstellbar ist. Nicht nur wegen des menigge war sich sicher, dass der Katalane „nicht nur dem langersehnten Sieges in der Champions League, sondern FC Bayern, sondern auch dem deutschen Fußball viel vor allem dank der Art und Weise, wie seine Mannschaft Glanz verleihen kann“. Der Hype, den die Guardiola-Ver- in dieser Saison aufgetreten ist.“ Michael Horeni schrieb pflichtung auslöste, war auch vor dem Hintergrund zu se- in derselben Zeitung: „Das Erbe, das Pep Guardiola, der hen, dass die ausländischen Superstars nach wie vor nicht vermeintlich beste Trainer der Welt, in München von in die Bundesliga wechselten, jedenfalls nicht zum Höhe- Heynckes entgegenzunehmen hat, könnte kaum schwe- punkt ihrer Karriere. Die Liga konnte besser als früher ihre rer wiegen.“ Der „Augsburger Allgemeinen“ fiel dazu ein, Stars im Land halten, mehr aber auch nicht. In der Bundes- Guardiola müsse ein neues Format für den FC Bayern liga war der Superstar der Saison 2013/14 ein Trainer. entwickeln, „denn nur das kann seine Aufgabe sein. Die Aber was konnte Guardiola in München noch errei- Bayern zur Stilmarke zu formen, die neben den Prädikaten chen? Getrieben vom bevorstehenden Ende seines En- Rekordmeister, Triple-Gewinner, wirtschaftlicher Muster- gagements, war sein Vorgänger Jupp Heynckes zur Form knabe auch noch für Geist und Kunst steht.“ seines Lebens aufgelaufen und hatte das Triple aus Meister- Auch Jupp Heynckes verspürte offenbar wenig Lust, schaft, Pokal und Champions League geholt. Dabei hatten den Druck von seinem Nachfolger zu nehmen. Nach dem seine Bayern den besten und attraktivsten Fußball in der Champions-League-Finale ärgerte Heynckes die Klubfüh- Geschichte des Klubs gespielt. Guardiola musste sich also rung, indem er auf der Pressekonferenz ungefragt über die nicht nur an Heynckes’ Trophäen messen lassen, sondern Zukunft der Mannschaft philosophierte und seinem Nach- auch noch an der Spielweise. folger einen schweren Rucksack schnürte. „Diese Mann- Riesiges Medienaufgebot: Die Ankunft von Pep Guardiola war nicht nur auf den Sportseiten der Zeitungen ein großes Thema. 2011 bis 2017

schaft ist auf einem Niveau, alle Rekorde wahrten sie zumindest noch theoretisch eine gewisse Kon- zu brechen. Ich übergebe meinem Nach- kurrenzfähigkeit gegenüber den Münchnern und vermie- folger wirklich eine perfekt funktionie- den den Eindruck eines Ausverkaufs. rende Mannschaft . Mario Götze wird dazukommen, Keine Barça-Kopie wird auch nicht lange auf sich warten Von Anfang an zeigte sich Guardiola beim FC Bayern als lassen. Das sind zwei Top-Off ensiv- der erwartet harte und akribische Arbeiter. Der Katalane spieler mehr. Es ist gut möglich, dass saß auch an trainingsfreien Tagen häufi g bis spät in den eine neue Ära in Europa stattfi ndet.“ Abend in seinem Büro auf dem Vereinsgelände an der Sä- Und was die Harmonie im Team an- bener Straße und brütete über Ideen, wie er das Spiel des belange: „So etwas habe ich noch nie Triple-Siegers weiter verbessern konnte. Aber wie macht erlebt – niemals!“ man eine Mannschaft , die alles gewonnen hat und als beste der Welt gilt, noch besser? Rummenigge und der Guardiola wollte die Bayern noch off ensiver sehen. „ehrlichste Titel“ Dafür wurde die „Doppel-Sechs“ geopfert und von einem Guardiola waren der Druck und die 4-2-3-1- auf ein 4-1-4-1-System umgestellt. Mario Gomez Erwartungen bewusst. Im Mai 2013, wurde zum AC Florenz verkauft , weil Guardiola mehr auf einige Wochen vor seiner offi ziellen Vorstellung in Mün- kleine, wendige Spieler sowie auf eine spielende Spitze statt chen, war er zu einem Vortrag in Buenos Aires gewesen eines Strafraumstürmers setzte. Mario Mandzukic dagegen und anschließend mit César Luis Menotti essen gegangen. blieb im Kader, als eine Art „Plan B“. Zwar war der Kroate Menotti berichtete später dem „Süddeutsche Zeitung Ma- ebenfalls eher ein Stoßstürmer, aber im Defensivverhalten gazin“: „Er ist besorgt. Zum ersten Mal, seit der Fußball und Pressing besser als Gomez. erfunden wurde, geht ein Trainer, der Champions League, Guardiola ließ in München nicht „Barça pur“ spielen. Pokal und Supercup gewonnen hat. (Anm. d. A.: Menotti Der FC Bayern des Pep Guardiola wurde kein Abklatsch vergaß die Deutsche Meisterschaft .) Wo hast du so etwas des FC Barcelona, sondern, so Matthias Klappenbach im schon mal gesehen? Normalerweise kommt ein neuer „Tagesspiegel“, dessen „logische Weiterentwicklung“. Dabei Trainer, wenn es schlecht läuft .“ kam Guardiola zur Hilfe, dass er mit Spielern zu tun hatte, Viele Journalisten erwarteten von Guardiola nicht we- die zwar bislang in einem anderen System gespielt hatten, niger als den Gewinn der Champions League. Am besten aber technisch beschlagen und lernfähig waren. Guardiola schon im ersten Jahr. Der FC Bayern sollte der erste Klub mischte die bei den Bayern schon existenten Qualitäten werden, dem die Verteidigung des Titels gelang. Karl- mit Barça-Elementen. Verglichen mit seiner Zeit bei Barça Heinz Rummenigge sah dies anders. Nicht die Champions sah man mehr Flankenwechsel, mehr diagonale Flug- League sei der Maßstab, sondern die Bundesliga. Diese sei bälle und mehr Angriff e über außen. Quer- und Steilpässe mit ihren 34 Spieltagen, an denen sich Glück und Pech die wechselten häufi g. Waage halten würden, der „ehrlichste Titel“. Wer dort am Im Trainingslager im Trentino überraschte Guardiola Ende oben stehe, sei tatsächlich der Beste seines Landes. die Bayern-Verantwortlichen mit einem Wunsch: Der In der Champions League, dieser Mischung aus Liga und Klub möge Barças Th iago Alcántara holen. „Th iago oder klassischem K.o.-Wettbewerb, war dies manchmal anders, nix“, erklärte Guardiola kategorisch auf einer Pressekonfe- wie die Bayern spätestens seit dem Finale von 2012 wuss- renz und somit in größtmöglicher Öff entlichkeit. Spätes- ten. Weshalb der Gewinn der Champions League für Rum- tens jetzt wusste man, dass sich hinter dem freundlichen menigge nur der „schönste Titel“ war. und bescheidenen Auft reten des Katalanen, dessen Wir- Die erste Neuverpfl ichtung für die Ära Guardiola war kung noch durch seinen sanft klingenden Akzent verstärkt der Dortmunder Mario Götze. Mit 37 Mio. Euro war der wurde, eine große Entschlossenheit verbarg. Einige Tage 21-jährige off ensive Mittelfeldspieler nach Javi Martínez später landete Th iago tatsächlich in München. Die Ablöse der zweitteuerste Transfer in der Geschichte des FC Bayern betrug 25 Millionen Euro. und der Bundesliga. Die „Frankfurter Rundschau“: „Er ist Beim FC Barcelona war der nur 1,72 Meter große sozusagen Guardiolas neuer Messi.“ Götze konnte einen 22-Jährige ein Ziehkind Guardiolas gewesen, hatte aber in „falschen Neuner“ spielen und wurde mit dieser Rolle be- der Saison 2012/13 nur zwölfmal in der Startformation ge- reits von Jogi Löw in der Nationalmannschaft und von standen. Th iago war ein Spieler ganz nach dem Geschmack Jürgen Klopp beim BVB betraut. Der „geschädigte“ Klopp Guardiolas: ein gelernter Mittelfeldspieler, der dynamisch zeigte Verständnis für die Entscheidung seines Zöglings, und dribbelstark war, präzise Pässe spielte und mehrere der als größtes Talent des deutschen Fußballs galt: „Er Positionen beherrschte. Guardiola: „Th iago kann auf der möchte sich diese Chance, mit diesem außergewöhnlichen Sechs, der Acht, der Sieben oder der Elf spielen.“ Trainer zusammenzuarbeiten, nicht entgehen lassen.“ Vielleichte sollte dieser Absolvent von Barças Talent- Die Bayern hätten gerne auch noch BVB-Torjäger Ro- schmiede La Masia dem Trainer auch dabei helfen, seine bert Lewandowski geholt, aber die Dortmunder bestanden Vorstellungen im Bayern-Kader durchzusetzen. Bei Th iago darauf, dass der Pole seinen Vertrag erfülle. Den Schwarz- konnten sich die Mitspieler im Training abschauen, wel- Gelben entging dadurch eine erkleckliche Ablöse, aber so chen Typ von Fußballer ihr Trainer bevorzugte, welche

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