1 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

14. 7/2014, ergänzt 25.7.2014

Zum historischen Hintergrund von 1529 und 1683 Das Türkennot-Mahnmal in verfasst von Dr. Renate Grimmlinger, MSc am 14.7.2014, ergänzt am 25.7.2014.

Frau J. Kacetl stellte am 14. 7. 2014 die Frage, warum 1991 ein „Türkenmahnmal“ in Gablitz errichtet wurde, und welchen historischen Hintergrund es dazu gibt. Warum das „Türkennot-Mahnmal“ 1991 errichtet wurde, ist mir nicht bekannt, auch nicht, ob es auf öffentlichem oder auf privatem Grund steht. Initiatoren bzw. Ausführende waren Franz Vormaurer, Johann Schmatz und Peter Pilat, die dazu nähere Angaben machen können. Vermutlich ist es wohl das jüngste „Türken - Mahnmal“, das in Österreich errichtet wurde.

Inschrift: „ Türkennot. Um den 24. Sept. 1529 und 12. Juli 1683 wurde Gablitz von den Türken niedergebrannt. Alle Bewohner wurden dabei getötet oder verschleppt. Errichtet 1991.“

Historische Recherche - mit dem Fokus auf Gablitz: 1529

Über Gablitz gibt es nur sehr spärliche Angaben: Der Ort selbst war seit 1337 Eigentum der Habsburger, 1529 wurde das Dorf und seine Bewohner von der Kartause verwaltet, während Holzhauer Untertanen des Waldamtes waren. 1572 sind 11 Urlehen 1 urkundlich erwähnt.

Am 10. Mai 1529 war Sultan Suliman mit etwa 300.000 Mann von Konstantinopel aufgebrochen. Am 23. September war die Vorhut vor Wien, das Hauptheer traf am 26. September 1529 ein 2. Ohne dass es den Osmanen gelang, Wien einzunehmen, zog das Heer zwischen dem 15. und 18. Oktober 1529 wieder ab. In diesen Tagen kam es zu dramatischen

1 Klein Kurt: Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Orts- und Siedlungsgeschichte. 4. Band. S. 55 2 Schachinger (1934) S. 235 2 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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Ereignissen: wurde von den Truppen des Paschas von Anatolien verwüstet. Schachinger 3 vermutet: „ Wahrscheinlich war der Wald hinter Penzing jener Ort, wo nach Meldemann die Türken „etlich tausent von man, weib und Kindern erbermlich erwürgt, die man an vil orten hin und wider also ligent gefunden hat. 4“

Die Bevölkerung wurde von den Reitern Akindschi Mihaloghus, den „Rennern und Brennern“ in Angst und Schrecken versetzt. Burgen, Kirchen und Klöster wurden zerstört, die vorwiegend aus Holz erbauten Häuser in Brand gesetzt, ganze Ortschaften verwüstet. Dorfbewohner wurden verschleppt, verletzt oder getötet, sofern sie nicht geflüchtet waren. Kaum ein Ort rund um unsere Gegend blieb verschont: Hütteldorf, Hacking, Purkersdorf, Mauerbach wurde gebrandschatzt. Die Gablitzer Kapelle wurde schwer beschädigt, aber offenbar nicht zur Gänze zerstört 5. Fußbodensteine mit Brandspuren sind im Gablitzer Heimatmuseum zu besichtigen. Um 1540 ist die zur Pfarre Purkersdorf gehörige „ Capell Gablitz“ 6 erwähnt.

Auch das Franziskaner-Kloster „St. Maria im Paradies“ am Riederberg wurde am 25. September 1529 zerstört und „18 ungenannte Mönche gemartert.“7 Interessant ist, dass zwar die Bibliothek vorsorglich weggebracht wurde, die Mönche sich aber nicht in Sicherheit bringen konnten? - Eine mögliche Antwort darauf findet sich in der Festschrift des Ordens: Es war den Mönchen gestattet, zu fliehen oder ihr Kloster zu verteidigen. Aber es war für Mönche auch eine Option, für Gott bzw. wie Jesus zu sterben und so „das ersehnte Martyrium 8“ zu erlangen - ähnlich wie man heute von muslimischen „Gotteskriegern“ kennt. In der Festschrift „500 Jahre Franziskaner“ ist zu lesen: „Von der Erlaubnis in den Klöstern bleiben zu dürfen, wenn der Türke kommt, hatten einige Gebrauch gemacht und so das ersehnte Martyrium erlangt 9.“

Was Purkersdorf betrifft, so findet sich folgendes Zitat: „ In Purkersdorf wurde die Siedlung samt der Kirche, den Pfarrhof und dem Schlosse zerstört und alle Akten vernichtet. Die Pfarre blieb auf Jahrzehnte hinaus verödet und der Pfarrhof in Schutt; das arme Waldvölkel lebte samt den Holzhackern in großer Anzahl und ohne Gottesfurcht ganz unchristlich.“ 10

Die Folgen von 1529 waren schwerwiegend: Menschenverluste, gebrandschatzte und verwüstete Dörfer, brachliegende Felder. Krankheiten, Seuchen, Hunger…. „Die Gründe waren unfruchtbar und zur Hälfte öd und der Pfarrer Mathias Weinmann [Purkersdorf] musste sich mit ´Holzfueren` [sic!) wie ein Holzknecht ernähren.“ 11

3 Schachinger (1934) S. 239 4 Schachinger (1934, S. 239) zitiert G.d.St.Wien II/338, Anm. 2. Winna (1983 S.16) 5 Schreiben von Hans Wolffstrigl aus 1642, dem damaligen Besitzer des Ortes, im NÖLA 6 Diözesanarchiv Wien, Handschrift PP 245, VUWW, ca. 1540, fol. 13v: „ Pharr Purkhensdorf die Ku[nigliche] M[ayestät] Lehenheer Capell Gablitz incorporiert gen Purkhenstorf. 7 1451 1951: 500 Jahre Franziskaner der österr. Ordensprovinz. Festschrift (1950), S. 114 8 1451 1951: 500 Jahre Franziskaner der österr. Ordensprovinz. Festschrift (1950), S. 89 9 1451 1951: 500 Jahre Franziskaner der österr. Ordensprovinz. Festschrift (1950), S. 89 10 Schachinger (1934): Der Wienerwald, S. 251 - zitiert Wiedemann IV, S. 12ff 11 Schachinger (1934) S. 251, zitiert Wiedemann 3 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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In Gablitz wurden 1529 wohl nicht ALLE Dorfbewohner getötet , denn 1572 12 (43 Jahre nach 1529) scheinen 15 Familien auf, die die 11 Urlehen bewirtschaften (9 Ganz-, 4 Halblehen, 1 Hofstatt, 1 Kleinhaus). In den Waldamtsbüchern 1572 13 sind fünf Hütten erwähnt, die nacheinander von verschiedenen Holzhauerfamilien bewohnt wurden, die dem Waldamt untertan waren. Nach dem knapp drei Wochen dauernden Osmanensturm wird es wohl auch Hungersnöte, Krankheiten oder Seuchen gegeben haben, an denen Menschen gestorben sind, und andererseits Menschen, die zugewandert sind.

1572, 43 Jahre nach den Wirren von 1529, scheinen insgesamt 20 Familien (15 steuerpflichtige Dorfbewohner und fünf Waldamtsuntertanen) in Gablitz auf. Da es vor 1529 elf Urlehen gegeben hat, kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass 1529 ALLE Bewohner von Gablitz getötet oder verschleppt wurden.

1590 gab es ein schweres Erdbeben der Stärke 6 , Epizentrum war vmtl. in . In Wien stürzten Kirchtürme ein, der Stephansdom wurde beschädigt, auch die Kartause Mauerbach trug Schäden davon. Welche Schäden es in Gablitz gegeben hat, ist nicht bekannt.

Das 17. Jahrhundert:

Das 17. Jahrhundert war eine sehr unruhige Zeit. Folgen des 30jährigen Krieges (die Schweden waren vor Wien - ein Drittel des Landes war kriegszerstört 14 ) waren entwurzelte, verrohte, herumstreunende Nahrung und Beute suchende ehemalige Söldner, Bauern trauten sich nicht alleine auf die Felder..... Auch der Wienerwald war sehr gefährlich, da er Räuberbanden beherbergte. Dazu kam die weiterhin drohende Türkengefahr, hohe Steuern, Aberglaube, Verfolgung von Hexen, Zauberern, Juden und Protestanten, Reformation und Gegenreformation, Missernten, Hungersnöte Seuchen und Pest ..... Die Pestepidemie von 1679/80 hatte in Wien 12.000 Tote 15 gefordert und hatte diesmal auch Purkersdorf - vielleicht auch Gablitz - erreicht. Pesttote wurden am Rand der Ortschaften begraben, und „Pestkreuze“ bzw. „Fieberkreuze“ errichtet. 1683

Da die osmanische Gefahr trotz hoher Tributzahlungen weiter bestand, wurden Maßnahmen für die Bevölkerung getroffen: Flucht- und Zufluchtsorte waren vorgesehen, wohin die Bevölkerung fliehen oder sich verstecken konnte. Alarmsysteme wurden eingerichtet: Sobald Gefahr drohte, wurden auf Burgen und Berghöhen Kreidefeuer 16 entzündet, vermutlich auch am Gablitzer Rauchbuchberg, dessen Name darauf hinweisen könnte.

12 Hofkammerarchiv „Grillparzerakt“ 1056/2.7. Blatt 67, 68, 69 13 Waldamtsbücher ab 1572, ab Seite 81 14 Gutkas Karl (1974) Geschichte des Landes Niederösterreich, S. 248 15 Winna (1983) S. 18 16 Kreidefeuer:– von cri – lärmen, schreien. Mit Lärm und Rauchsignalen wurden Warnsignale vor den herannahenden Feinden von Bergkuppe zu Bergkuppe weitergegeben. Ab 1621 gab es Pläne von Fluchtorten für die Bevölkerung. 4 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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Zwischen 1621 und 1648 gehörten die Gablitzer Dorfbewohner nicht zur Kartause Mauerbach, während die Holzhauer nach wie vor Untertanen des kaiserlichen Waldamts Purkersdorf waren. Das Dorf mit den „18 Untertanen 17 “ (1572: 15 Familien) war 1621 vom Kaiser an Sophie Strauss von Hadersdorf verliehen worden. 1640 erwarb es der Steuerhändler und Wiener Ratsbürger Johann Wolff Strigl / Hans Wolffstrigl . Er bemühte sich, der Gablitzer Bevölkerung den „richtigen (=katholischen) Glauben“ zu ermöglichen, was zu dieser Zeit große Bedeutung hatte. Von Wolffstrigl sind Originalschreiben aus 1641 und 1642 18 vorhanden, aus welchen hervorgeht, dass das „ Gemäuer des Khirchleins, der Lorenzi Capellen “ noch vorhanden war, und er es mit Hilfe der Gablitzer renovierte und die Dachschindeln aufbrachte, die aber der Verwalter der Kartause wieder herunter reißen ließ. Darüber beschwerte sich Hans Wolffstrigl 1641 und 1642 bei der NÖ Landesregierung. Der Rechtsstreit ging 1642 zu Gunsten der Kartause Mauerbach aus. Daher auch das Mauerbacher Wappen mit „1642“ auf der Gablitzer Kirche, die 1643 zum Hl. Laurentius und zum Hl. Bruno 19 geweiht wurde. Anders als bei Wolffstrigl ist diese Situation in Unterlagen der Kartause Mauerbach aus dem 18. Jahrhundert erwähnt: „ Im selben Jahr [1643] wurde die Kapelle der heiligen Laurentius und Bruno in Gablitz auf Kosten der Kartause Mauerbach, ohne Beihilfe irgendeines anderen, auf Eigengrund der Kartause errichtet; sie war im Jahr 1529 von den Türken in Asche gelegt worden, wie die Reste des Gablitzer Friedhofes bezeugen. 20 “ Es bleibt dem geschätzten Leser überlassen, wie er diese widersprechenden Aussagen interpretiert. Wolffstrigl verkauft jedenfalls den Ort Gablitz mit den Untertanen 1648 an die Kartause. D ie Stiftstaverne (Kirchengasse, heute Hauptstr.19) wurde nach 1648 um 5.000 fl. errichtet, wo auch ein Mauerbacher Wappen angebracht wurde.

Am 7. Juli 1683 flüchtet der Kaiser aus Wien nach Linz, zahlreiche andere taten es ihm gleich. Reiffenstuel berichtet, dass „so vile Volckes aus Wienn geflohen, daß es nicht zu beschreiben.“ 21 Wien wurde vom 7. Juli bis 12. September 1683 belagert. Die Stadt war zwar gut gesichert, aber die Schanzen im Wienerwald bei Purkersdorf und Gablitz waren nur notdürftig wieder hergestellt. „Spanische Reiter“, also mobile Sperren für Reiterhorden, wurden rasch errichtet. Die Waldamtsuntertanen erhielten Musketen und andere Waffen, die bereits 1681 ins Schloss Purkersdorf verbracht worden waren. Die Untertanen des Waldamtes aus Purkersdorf und Gablitz waren gemeinsam mit den Forstbeamten zur Abwehr verpflichtet. Doch die Abwehr war vergeblich. Der Waldschaffer Johann Egger 22 (Purkersdorf) berichtet am 16. Juli 1683 der Hofkammer, wie sich die Situation am 12. / 13. Juli gestaltete, dass nach heftiger Gegenwehr die Untertanen den Mut

17 Regest: Repertorium XIV/4 Bd. 2 fol. 203. http://www.mom-ca.uni-koeln.de. Damit waren wohl 18 Familien/18 Häuser gemeint. Zur Erinnerung: 1572 waren es 15 Familien und vor 1529 11 Urlehen. 18 NÖLA Klosterrat K 159/- (1) - Gablitz, St. Laurentiuskapelle 1641 19 Hl. Bruno ist Patron der Kartäuser 20 ÖStA W 89 f. 108 und 109. Übersetzung von Dr. Weißensteiner, Diözesanarchiv Wien 21 Ignaz Reiffenstuel (1702): Tagebuch der Belagerung, Die Ereignisse in und um Wien vom 7. Juli bis 12. September 1683 in: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683, Seite 73 22 Bericht des Waldschaffers 1683, Original im Hofkammerarchiv, zitiert von Anton Schachinger (1948) 5 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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verloren und „mit den Gewehren heimlich flüchteten.“ Er schreibt: „.. alß die türckhen und tartaren noch den 12. July nechsthin mit villen tausent an den verhackhten waldt und in eill zusamben gemachten spännischen reithern 23 nachher Purckherstorff khomben, haben wür waldtambtsleuth, mit denen auch waldtambtsholtzhackhern, hütlern und unterthanen selbigen biß 13. huius gegen 3 uhr abents mit starkhen schiessen aufgehalten, und 5 mahl würckhlich abgetrüben, bis endlich die maisten holtzhackher mit dem gwöhr heimblich durchgegangen, und der feindt unß an allen orth und enden angegrüffen und zur retirada genöttigt“

In Purkersdorf wurden die Kirche, das Pfarramt, das Schloss und viele Häuser in Brand gesetzt, der Ort war aber nicht „völlig zerstört“. Anton Schachinger weist ausdrücklich darauf hin, dass Purkersdorf keine völlige Ruinensiedlung war. 24 Ähnlich wird es in Gablitz gewesen sein, dass viele der vorwiegend aus Holz errichteten Häuser eingeäschert wurden, dass Menschen flüchteten, gefangen genommen, verletzt oder getötet wurden. Schäden an den gemauerten Häusern, an der alten, aus dem Spätmittelalter stammenden Mühle 25 oder an der „Stiftstaverne 26 “ sind nicht erwähnt, sind aber zu vermuten. Sehr interessant ist, dass ich ein bisher verschollen geglaubtes Dienstbuch aus 1665 entdeckte mit „Gäblitz von behäusten guettern und überlenten “.

Das Interessanteste dabei ist wohl, dass in diesem Buch die Abgaben der Besitzer von sechs Gablitzer Häusern (behauste Güter) notiert sind, und zwar ab 1665 bis 1750. 1665-1690 ist Tobias HACKHER mit der Mühle: „Müll Mülfelt u Wüßen “ eingetragen, nach ihm der Prauer (Brauer) Christoph ZÄCH. 1665 ist Niclas KELLNER mit „ain Hauß Türnhoff genant“ mit „22 Tagwerk Wüßen“ notiert. 1665 scheint Jacob HOLA mit „ain Hauß bey Maydbach Wüßen“ auf, bis 1750 MAYERHOFER. Lukaß BAMBL ist mit „ain Hauß bey Parzgraben“ erwähnt. Auf „ain Hauß, Waydn und Wüßen Mödlinßfelt“ zahlt 1665 Johann FEDRIGOTI, später ZÄCH Siegmundt und Anna Elisabeth, zuletzt bis 1749 Catharina BOGENBERGER. Es bleibt Historikern überlassen, dies im Zusammenhang mit 1683 zu beurteilen.

Erwähnenswert ist vielleicht, dass gegenwärtig in Gablitz vorhandenen Familiennamen seit

23 „Spanische Reiter“ sind mobile Holzgestelle, die als Barriere aufgestellt wurden, um die Reiter abzuwehren 24 Winna (1983) S.25 zitiert Schachinger 25 „Eignerhaus“ Bachgasse 5. 26 nach 1648 von der Kartause Mauerbach errichtet, heute: Kirchengasse/Hauptstr. 19 6 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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langem vorhanden sind: Schober scheint bereits 1661 in Gablitz-Hochbuch auf, und Mayerhofer mit „ain Haus bey Maydbach- Wüßen (Wiesen)“ in o.a. Buch. Auch die Namen Lindner und Gruber und sind früh erwähnt.

In der Purkersdorfer Häuserchronik 27 sind die Hausbesitzer und deren Schicksal angeführt: Nach dem Türkensturm von 1683 sind 48 Personen am Leben, 35 sind in Gefangenschaft geraten oder getötet worden, von 15 gibt es keine Angaben.28 Diese Zahlen betreffen nur die Hausbesitzer, nicht aber die Inwohner und Holzhacker. Da es von 1683 keine Angaben über alle Bewohner gibt, können letztlich auch keine exakten Angaben gegeben werden. Es kann allerdings gesagt werden, dass keinesfalls ALLE Personen getötet oder verschleppt wurden . Zwischen 1684 und 1696 wurden in Purkersdorf 13 Häuser/Brandstätten vom Waldamt ex offo neu vergeben, weil die Besitzer oder Erben tot waren oder sich nicht mehr gemeldet hatten. Demnach wurden etwa ein Drittel 29 der Häuser/Brandstätten nach 1684 neu vergeben . Diese Objekte wurden zumeist von Adeligen, Hofbeamten und Bürgern erworben. (Nach den Türkenkriegen wurden viele in den Adelsstand erhoben). Weiters wurden Zuwanderer aus der Steiermark, Oberösterreich, Salzburg, Bayern und aus Schwaben als Holzhauer angeworben.

Vischer Georg M (1674): Schloss Hacking (1683 zerstört)

Der Geheime Rat, Reichsritter und Hofkammerpräsident 30 Christoph Ignaz von Abele, Freiherr von und zu Lilienberg (*1628 Wien †1685 Wien), u.a. Erbherr auf Schloss Hacking und von Schloss Winterspach in Laab , scheint bereits um 1680 als größter Grundbesitzer in Gablitz auf mit mehr als 105 Tagwerk Grund, allein „ 30 Tagwerk neue Rämb am Hauersteig “31 . Er war es, der 1682 dem Waldamt Purkersdorf den Befehlt erteilte, für die Verteidigung Wiens 200.000 Pallisaden, Bauholz u.a. herbeizuschaffen. 32 1683 wurde das Schloss Hacking wie auch das Schloss Winterspach in Laab zerstört. Nach der Belagerung Wiens übernahm er das Verpflegungswesen für die Armee in Ungarn, und kehrte schwer erkrankt zurück.33 Erbin war seine Frau Maria Clara, die Graf Sallaburg ehelichte. Nach Abele von Lilienberg sind einige Adelige auch in Gablitz als Grundbesitzer erwähnt.

27 Winna (1983): Purkersdorfer Häuserchronik 1572 bis 1819 (bis 1978 ) 28 Nach Winna (1983) Seiten 27-31 29 Lt. Winna: 47 Hauser davon 13 Neuvergaben, entspricht ca. 30 % 30 entspricht dem Finanzminister 31 Recherche in den Waldamtsbüchern 32 http://www.1133.at/document/view/id/761 Zugriff 24.7.2014 33 http://www.laab-heimatmuseum.at/geschichte_von_laab_im_walde.htm Zugriff am 24.7.2014 7 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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Reiffenstuel 34 vermerkt am 20. August 1683: „...daß der Türck schon in die 20.000 gefangene Christen nacher Türckey verschicket.“ Verschleppte Gefangene wurden gegen Lösegeld frei gelassen . Maria Clara Sallaburg (+1695), die Witwe nach Christoph Ignaz Abele von und zu Lilienberg, hatte 10.000 fl zum Rückkauf für in türkische Gefangenschaft geratene Menschen vorgesehen, pro Person waren 50 fl zu bezahlen, was für 200 die Freiheit bedeutet hätte. Wegen einer Verpflichtung gegenüber der Pfarre Laab musste der Betrag auf die Hälfte reduziert werden,35 sodass letztlich nur 100 Menschen freigekauft werden konnten.

Was die Todesfälle von 1683 betrifft, waren in Purkersdorf 48 Tote zu beklagen 36 . In den Unterlagen des Waldamtes sind 1683 in Gablitz vier Todesfälle 37 dokumentiert. Es waren Waldamtsuntertanen, Hüttler in Hochbuch, die 1683 starben:

LÜNDTNER Conrad Hüttler Hochbuch Nr. 93 LÜNDTNER Sybilla Hüttler Hochbuch Nr. 93 LÜNDTNER Leonhardt Hüttler Hochbuch Nr. 97 LÜNDTNER Elisabeth Hüttler Hochbuch Nr. 97

Ich habe auch im Sterbebuch der Pfarre Purkersdorf recherchiert: Da das Pfarramt samt aller Unterlagen am 13./ 14.7.1683 in Brand gesetzt worden war, wurde das „ Todten Buech “ im Dezember 1683 neu aufgesetzt. In diesem sind die Todesfälle aus Purkersdorf, Gablitz, , , Laawies eingetragen, nicht aber jene aus den Schreckenstagen von 1683. Im Jahr 1684 sind 21 Todesfälle vermerkt, davon 2 aus Gablitz. Interessant scheint folgende Eintragung aus dem Sterbebuch, die aber nicht Gablitz betrifft: „ Den 30. dito {1684] ist Martin...MAYER alhier geweßener Nachbar und kayl. Forst Heerführer begraben worden.38 “ 1685 sind 11 Todesfälle eingetragen, einer war aus Gablitz, 1686 11 Todesfälle, zwei aus Gablitz. Erwähnt wird, dass im Sterbebuch der Pfarre Purkersdorf vorwiegend die Hüttler aufschienen. Die Wohlhabenderen wurden wohl auch am Gablitzer Friedhof (rund um die Kapelle) begraben, worüber ich keine Aufzeichnungen gefunden habe.

In den Taufbüchern sind ab 1684 die Geburten der Pfarre Purkersdorf, so auch die aus Gablitz, erwähnt. Anstatt der von den Türken gefangen genommene Rosina DIRNBACHER musste beim Täufling Maria Magdalena STEPHAN eine Vertretung als Patin einspringen.39 1687 fanden 37 Taufen statt, wovon zwei aus Gablitz bzw. Hochbuch waren.

34 Ignaz Reiffenstuel (1702): Tagebuch der Belagerung, Die Ereignisse in und um Wien vom 7. Juli bis 12. September 1683 in: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683, Seite 75 35 http://www.laab-heimatmuseum.at/geschichte_von_laab_im_walde.htm Zugriff am 24.7.2014 36 Winna (1983): Purkersdorfer Häuserchronik 1572 bis 1819 (bis 1978). S 25 37 Pölzl Rudolf (1983): 1683 - 1850 Waldamt Purkersdorf: Gablitz Sterbedatum u Ortsteil. Quelle: Wr. Stadt- und Landesarchiv, Grundbücher 194 - Waldamt Purkersdorf 1684 - 1850 38 Sterbebuch der Pfarre Purkersdorf ab 1684, Seite 4 39 Winna (1983) S. 221 8 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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1694 sind in Gablitz 260 Einwohner 40 registriert - keine Häuserzahl. Verglichen mit den „ 18 Untertanen“ aus 1621 - womit wohl die Hausbesitzer gemeint waren - , oder mit 27 Häuser aus 1657 41 ist eine Bevölkerungszunahme nach 1683 anzunehmen.42

1699/70 ist im Plan von Vischer das befestigte „Wienn“ dargestellt und das Dorf „Gäpplitz“ mit der Kapelle ist auch zu erkennen:

Kupferstich von G.M. Vischer 1699/70, Ausschnitt

Der Historiker Thomas Winkelbauer erwähnt 2003 in dem Werk „Österreichische Geschichte 1522-1699 “ folgende Zahlen: 1683 wurden durch Tataren u andere Reiter etwa 30 % aller Häuser des Erzherzogtums Österreich mehr oder weniger stark beschädigt. Die Tartaren sollen etwa 30.000 Menschen getötet und 87.000 (davon 56.000 Kinder ) in Gefangenschaft genommen haben. Durch das Gemetzel an der Bevölkerung, durch Seuchen (Typhus) gab es innerhalb weniger Monate einen 15%igen Bevölkerungsverlust .43

Gutkas 44 gibt folgende Zahlen bekannt: 35.736 unversehrte Häuser; 7757 abgebrannte Häuser und ohne Bewohner; 5880 abgebrannte Gehöfte, Bewohner aber vorhanden; 7667 Häuser wurden geplündert. Auch wenn die Zerstörungen in Niederösterreich nicht überall gleich hoch waren, so waren nach 1683 doch 62% der ca. 57.000 Häuser unversehrt, 13% der Häuser und Bewohner waren vernichtet, 10% der Häuser waren zerstört , die Bewohner aber heil geblieben und bei 13% fanden Plünderungen statt.

40 Klein Kurt: Historisches Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Orts- und Siedlungsgeschichte. 4. Band. S. 55 41 Klein a.a.O. 42 Bei 27 Häusern mit je 6 bis 8 Personen wären dies 162 bis 216 Einwohner 43 Thomas Winkelbauer (2003): Ständefreiheit u Fürstenmacht, Länder u Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Teil 1. Seite 16 - er stützt sich u.a. auf Lechner: Türkenschäden; Gutkas: Türkenjahr 1683 u.a. 44 Karl Gutkas (1974): Geschichte des Landes Niederösterreich, S. 289 9 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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„Es waren auch nicht lauter Tartaren, die raubten und plünderten. Ungarische Rebellen, katholisch und evangelische, waren in ihren Reihen. Wie oft waren die Leute überrascht, als sie von Tartaren deutsch angesprochen wurden,“ erwähnt Gutkas. 45 Es gab auch Spione, die sich als kaiserliche Kommissare ausgaben, und die Bewohner und ihre Verstecke an die Feinde verrieten.

Im Jahre 1696 wurde im Wald bei Gablitz Graf Hallwyl ermordet. Zur Erinnerung wurde eine Holzpyramide im Dreiföhrenpark aufgestellt. Bei meiner Recherche im Jahre 2011 46 stieß ich auf den Historiker Manfred Zollinger, der mir zu dem Fall interessante Details aus seiner international angelegten historischen Forschung mitteilte. Nicht zuletzt ging es nämlich um Spionage, um Agententätigkeit während der Türkenkriege - nicht vom Opfer, wohl aber vom vermeintlichen Täter. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.....

Resümee:

Warum oder aus welchem Anlass 1991 das „Türkennot-Türkenmahnmal“ errichtet wurde, ist nicht bekannt. Dazu müssten die Initiatoren befragt werden.

Gablitz und seine Bewohner waren - wie die umliegenden Orte - vom Türkensturm schwer betroffen. Die meisten der 11 (1529) bzw. 18 (1683) aus Holz erbauten Häuser des Dorfes wurden wohl in Brand gesetzt, wie auch Hütten der Holzhauer und Teile des Waldes.

Die Inschrift hat folgenden Text: „Türkennot. Um den 24. Sept. 1529 und 12. Juli 1683 wurde Gablitz von den Türken niedergebrannt. Alle Bewohner wurden dabei getötet oder verschleppt. Errichtet 1991.“ Auch wenn es sich um sehr dramatische historische Ereignisse handelt, kann man wohl nicht davon ausgehen, dass alle Bewohner 1529 und 1683 getötet oder verschleppt wurden. Nachweisbar ist, dass 1683 vier Personen, Waldamtsuntertanen aus Hochbuch, Conrad, Sybilla, Leonhardt und Elisabeth LÜNDTNER starben. Schriftlich erwähnt ist die Gefangennahme von Maria DIRNBACHER. Wie viele Männer, Frauen und Kinder aus Gablitz insgesamt verschleppt oder getötet wurden, ist zahlenmäßig nicht eruierbar, ALLE waren es wohl nicht. Aufgrund der Recherchen ist davon auszugehen, dass es in Gablitz - wie z.B. in Purkersdorf - Überlebende gegeben hat. Dazu kamen Missernten, Hungersnöte, Seuchen, Pest...., die der Bevölkerung schwer zusetzten.

Elf Jahre nach der zweiten Türkeninvasion gab es vmtl. sogar mehr Bewohner in Gablitz als vorher: 1694 wurden 260 Bewohner gezählt, 47 was nicht nur auf Zuwanderung und auf Geburtenzahlen zurück zu führen war.

Das von Peter Pilat – nach einem Stich von Erhard Schön 48 - gemalte Fresko am Gablitzer „Türkennot -Mahnmal“ zeigt ein von Türken aufgespießtes Kind. Es ist wohl richtig, dass von

45 Karl Gutkas (1974): a.a.O, S. 287 46 Grimmlinger (2011): 315 Jahre nach dem Mord am Grafen Hallwil/Halleweil/Hallwyl: Gedenkfeier am 6.8.2011 in Gablitz 47 Klein Kurt a.a.O. 48 Stich von Erhard Schön nach H. Guldemundt in der Fürst Liechtenstein-Hauslab-Sammlung Wien 10 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

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den Osmanen Kinder getötet wurden. Kinder wurden gefangen genommen, verschleppt, versklavt oder zu Kindersoldaten ausgebildet. Unbestritten ist, dass 1683 etwa 56.000 Kinder entführt wurden . Gefangene konnten durch Lösegeldzahlungen freigekauft werden, für wie viele dies gelang, ist unbekannt.

Holzstich von H. Guldemundt Fresko am Gablitzer „Türkenmahnmal“ von P.Pilat

So viel zu den Recherchen der Jahre 1529 und 1683. Gablitz, im Juli 2014

Dr. Renate Grimmlinger, MSc. Leiterin des Gablitzer Heimatmuseums

Literatur:

Diözesanarchiv Wien, Handschrift PP 245, VUWW, ca. 1540, fol. 13v

Grimmlinger Renate/ Haunschmid Angelika (2011): Auf Spurensuche in Gablitz. Broschüre

Grimmlinger Renate (2011): 315 Jahre nach dem Mord am Grafen Hallwil/Halleweil/Hallwyl: Gedenkfeier am 6.8.2011 in Gablitz. Broschüre

Gutkas Karl (1974): Geschichte des Landes Niederösterreich. 5. Auflage. St. Pölten: NÖ Pressehaus Verlag-

Holzapfel/Hojos: Ober St. Veit. http://www.1133.at/document/view/id/761 Zugriff 24.7.2014

Klein Kurt: Historisches Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Orts- und Siedlungsgeschichte. 4. Band, S. 54 f http://www.oeaw.ac.at/ Zugriff 2.1.2010 11 Dr. Renate Grimmlinger: Zum „Türkenmahnmal 1991“ einige Recherchen aus 1529 und 1683

14. 7/2014, ergänzt 25.7.2014

Laaber Ortschronik: www.laab-heimatmuseum.at/geschichte_von_laab_im_walde.htm

Pfarre Purkersdorf: Heirats-, Tauf- und Sterbebücher ab 1683

Pölzl Rudolf (1983): 1683 - 1850 Waldamt Purkersdorf: Gablitz Sterbedatum u Ortsteil. Quelle: Wr. Stadt- u. Landesarchiv, Grundbücher - Waldamt Purkersdorf 1684 - 1850

Reiffenstuel Ignaz (1702): Kurtz Lesens-würdige Erinnerung von Herrührun, Erbau und Benamsung Auch Vielfältig=anderen alt: und neuen Seltenheiten Bemerck: und Andenckungen sowohl in: als um die kayserliche Haubt: und Residentz=Stadt Wien in Oesterreich Allen Wissens=Begierigen Einheimisch; als Frembden zum besten sambt einer klaren Beschreibung von dersoselben letzt Türckischen Beläger: und frohen Entsätzung wie auch der Kayserlichen Schatz: und Kunst=Kammer neu = kürtzlich in Druck verfertiget und mit Kupfer=Stichen gezieret. Wien 1702 in: Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683 .Katalog zur 82. Sonderausstellung 1983. Historisches Museum der Stadt Wien, Karlsplatz. zitiert im Artikel: Tagebuch der Belagerung, Die Ereignisse in und um Wien vom 7. Juli bis 12. September 1683 Eigenverlag der Museen der Stadt Wien. 2. Auflage 1983

Schachinger Anton (1934): Der Wienerwald. Eine landeskundliche Darstellung. Forschungen des Vereins für Landeskunde, Band 1 / 2. Wien: Verein für Landeskunde und Heimatschutz von NÖ und Wien

Winkelbauer Thomas (2003): Länder u Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter in: Wolfram Herwig (Hg): Ständefreiheit u Fürstenmacht. Teil 1. Überreuter Verlag Wien 2003

Winna Friedrich (1983): Purkersdorfer Häuserchronik 1572 bis 1819 (bis 1978) und die Schicksalsjahre 1683 (Türkennot) und 1713 (Pest). Eine wirtschafts-, sozial- und rechtsgeschichtliche Ortskunde nach Archivaufzeichnungen von Dr. Anton Schachinger (+1960) und Rudolf Pölzl bearbeitet und herausgegeben von Oberschulrat Friedrich Winna. Selbstverlag der Stadtgemeinde Purkersdorf mit Unterstützung der Kulturabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung Purkersdorf 1983

Bilder:

Vischer Gorg M: Feste Hacking http://www.1133.at/document/view/id/604 Zugriff 1.8.2014

Vischer Georg M. (*1628 +1696) Auszug aus der Karte aus 1699/1700 http://www.noe.gv.at/bildung/landesbibliothek/wissenswertes/vischerkarte.html

Holzstich von H. Guldenmundt, Stich von E. Schön, Faksimile in Weiß: Geschichte d. Stadt Wien zitiert bei Winna (1983) S 16

Die Fotos stammen von der Autorin.