Agnes Miegels

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Agnes Miegels ABSTRACT DIE SPRACHGESTALTUNG IN DER ERZKHLENDEN PROSA AGNES MIEGELS: EINE STRUKTURANALYSE BY Anne Marie Fuhrig Agnes Miegel (1879-196h) appears to be best known for her poetry, particularly her ballads, but her prose also distin- guishes her from contemporary German authors. Her careful choice of words as well as her preference for authentic and concise phrasing clearly set her apart from many less disci- plined writers. This characteristic was the central concern of the inquiry whose results are presented here. Aided by some of Roman Ingarden's concepts, the thesis first analyses Miegel's diction, then her tone and style, and finally the re- lationship between her language and some of her principal ideas. Comparisons with other German authors help to cast the characteristics of her prose into sharper focus. Miegel uses almost exclusively standard German diction but, different from most German belletristic literature, it is strongly denotative rather than connotative. This is shown in her choice of words in the description of bodily features, ge- stures, sensory perceptions, landscapes, and weather conditions. Miegel's figures of speech are mostly similes. They are sparingly employed and serve to make descriptions more precise. Anne Marie Fuhrig Metaphors, metonomies, and synecdoches tend to appear in direct speech. The authoress prefers to let the facts stand for them- selves without commenting on them. She leaves relatively few ambiguities; and where they appear, they seem to be intended. In her way of viewing and describing scenes--what Ingarden calls Ansichten--, she chooses to relate only what the actors may be expected to experience, not what others may additionally observe from a wider vista. Miegel's style is characterized by concreteness, consi- stency, and economy. She likes to move quickly to the circum- stances essential to the story. She avoids going off on tan- gents and thus prevents letdowns in the prevailing level of tension. She only speaks through the people, things, and events she describes and does not address the reader directly. The destinies of her people are determined by the world in which they live. This is why she depicts this world in much detail. Their lives, moreover, are devoted to the fulfillment of their obligations which are ascribed to them by their social status and class. Since they accept their fate as inescapable, they seem to be able to face the exigencies of life, misfortune and even death, with a high degree of equanimity. By being relatively down to earth, Agnes Miegel differs markedly from most of her deliberately erudite and esoteric German contemporaries, such as Mann and Hesse, and comes clo- sest to the authors which have been categorized as representa- tives of the "Neue Sachlichkeit". DIE SPRACHGESTALTUNG IN DER ERZAHLENDEN PROSA AGNES MIEGELS: EINE STRUKTURANALYSE BY Anne Marie Fuhrig A THESIS Submitted to Michigan State University in partial fulfillment of the requirements; for the degree of DOCTOR OF PHILOSOPHY Department of German and Russian 1972 INHALTSVERZEICHNIS Seite EINLEITUNG DIE WORTWAHL A. Die Beschreibung des Antlitzes Die Beschreibung der Gestalt 11 Gesten 22 Die Sinneswahrnehmungen 32 Landschaft und Klima 37 Die Wirkung der Wortwahl h8 DER WORTGEBRAUCH A. Die Vergleichsformeln 51 Andere Vergleichspartikeln 60 Gleichstellungen ohne Vergleich 6h Die Unbestimmtheit 72 Die wortliche Rede 79 Die Ansicht 85 Die formelhafte Ansicht 95 Die Wirkungen des Wortgebrauchs 98 ii Seite DER ERZAHLZUSAMMENHANG A. Die Handlungsffihrung 99 B. Die Erzahlweisen 109 C. Die Enthfillung des Themas 119 D. Der Held und sein Schicksal 135 E. Leben und Tod 1&6 SCHLUSSBETRACHTUNGEN 156 ANMERKUNGEN 16h LITERATURVERZEICHNIS 168 iii {fl/'- EINLEITUNG Die Konigsbergerin Agnes Miegel hatte - mit Unterbrechungen ffir ihre Erziehung und ffir Bildungs- und Vortragsreisen - die meiste Zeit ihres Lebens in ihrer Vaterstadt verbracht, als sie bei Kriegsende mit den Flfichtlingen nach Westen kam. In der Pro- vinz am éstlichen Rande des Reichs wuchs sie im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts noch ganz in der biedermeierlichen Sicherheit fiberkommener sozialer, moralischer und religioser Vorstellungen auf. Das Stadtleben war noch stark dem Lande ver- bunden; man war von der Industrialisierung und den damit fort- schreitenden gesellschaftlichen Spaltungen ebenso verschont geblie- ben wie von der politischen Hybris des jungen Nationalstaates. Man fibte noch vallig ungestort das mit viel Aberglauben vermischte alte Brauchtum, das das ganze Leben umgab und jedem Menschen seinen Platz anwies. Jedes der jéhrlich wiederkehrenden Feste und alle Wechselfélle des Lebens wurden mit viel Zeremoniell von der ganzen Hausgemeinschaft geteilt. Dazu kam eine genaue Kenntnis von Mythen- und Traumfiguren, die ihr "so vertraut wie die sehr irdischen Gestalten ... (ihres) Alltags" waren. Auf Grund dieser und vieler ahnlicher Jugenderfahrungen sah sich Miegel nie als "Verstandesmensch" oder "Intellektueller"1. Venn sie dennoch den reichen Schatz an Berichten aus Fami- lien- und Landesgeschichte, die ihr von Jugend auf vertraut waren, durch ein gewissenhaftes Studium auf eigene Faust fundierte und erweiterte, bevor sie sie zum Gegenstand ihrer Gestaltung machte, so zeigt sich darin ihr tiefes Verantwortungsgeffihl ffir die V Wahrheit der dargestellten Ausschnitte aus vergangenem Leben2. Nicht nur in dieser Hinsicht ffihlte sie sich stark der Droste verwandt3. Agnes Miegel hatte als junges Médchen mit ihren Balladen und Gedichten frfihen Ruhm erworben. Prosa begann sie erst im Alter von vierzig Jahren zu schreiben, und zwar zunachst nur zum Broterwerb. Es gelang ihr aber bald, dabei dieselbe Sorgfalt anzuwenden, die sie bei ihren Dichtungen gebundener Sprache gelernt hatteh. Schon 1926 erschienen die ersten ffinf Erzéhlungen unter dem Titel Geschichten aus AltpreuBen. In den néchsten zehn Jahren folgten die meisten anderen. Sie wurden in vielen Sam- melbénden immer wieder neu zusammengestellt. Zwischen 1933 und 19h5 genoB die politisch ziemlich ein- faltige und arglose Frau den ihr sehr unbequemen Ruf einer "Blut-und-Boden" Dichterin. Die Neue Gesamtausgabe, die der Diederichs-Verlag von 1952 his 1965 herausgebracht hat, enthalt keine Dichtungen, von denen man sagen k6nnte, daB sie von ty- pisch nationalsozialistischem Denken gepragt seien. Anni Pior- reck weiB allerdings von sechs Gedichten und einer Erzahlung ("Das Erlebnis des Feldwebels Schmidtke") "mit nationalsozia- listischem EinfluB"5 zu berichten, die deswegen offensichtlich in den Nachkriegssammlungen nicht mehr auftauchen. In ffir sie bezeichnender Geffihlsreaktion wurde ihr die zunehmende Uber- heblichkeit des Regimes bald unheimlich. Sie zog sich nur des- halb nicht in die innere Emigration zurfick, weil sie sich ffir ihre Landsleute verantwortlich ffihlte. Sie wollte ihnen ange- sichts des "Schweren", das "fiber das Land"6 zu kommen schien, vi helfend zur Seite stehen. Man kann ihre Einstellung auch aus der Tatsache ablesen, daB sie nach 1938 nur noch Auftragswerke veroffentlicht hat. Ihre neuere Prosa hat die Dichterin erst 19h9 aus dem Koffer geholt und sodann eine zweite Reihe von Erzahlungen erscheinen lassen. Von 195% an arbeitete sie an den Prosabanden ihrer sechs- bandigen Gesamtausgabe, die nach ihrem Tode 196k noch um einen siebenten Band erweitert wurde. Interessanterweise schrieb die Dichterin solcher Balladen wie "Der Bitter Manuel" und "Die Frauen von Nidden" Erzéhlungen und nicht Romane. Bei der Verwandtschaft dieser beiden Gattungen_ konnen wir in der Prosa die gleiche Sicherheit des Aufbaus, kfinstlerische Bedeutsamkeit der Thematik und Ausdrucksstarke in den Einzelheiten erwarten, die schon die Gedichte ausge- zeichnet hatten. Trotz ihrer Weltoffenheit wahlte Miegel als einen der Schauplatze der Handlung immer wieder das heimatliche Ostpreu- Ben. Diese Wiederkehr der heimatlichen Thematik zusammen mit einer ganz besonderen Gegenstandlichkeit der Sprache brachten der Dichterin groBe Popularitat bei ihren ostpreuBischen Lands- leuten ein. Vielleicht trug diese Tatsache - zusammen mit dem zwélfjahrigen Zwischenspiel - dazu bei, daB viele Kritiker sie auch promt zur "Heimatdichterin" stempelten oder sogar ganz verschwiegen7. DaB dieses Klischee ihrem Wesen nicht gerecht wird, 3011 im Nachfolgenden in eingehender Untersuchung dar- gelegt werden. vii Was den anspruchslosen Leser sofort fesselt, scheint Miegels sehr direkte Wortwahl zu sein. Immer bedient sie sich des sachlich nachstgelegenen Gegenstandes, immer gelangt dabei eine kleine Einzelheit zu groBer Leuchtkraft. Auch der haufige und kritische Leser wird von diesem Phénomen immer von neuem beeindruckt. Eine eigenartige Faszination steigt aus diesen Zeilen auf, die von verschiedenen Kritikern seltsam unterschied- lich charakterisiert worden ist. Der langjahrige Freund Paul Fechter spricht von ihrer "Kraft des Erfassens der sinnlichen Existenz im sinnlich wirksamen Wort"8, Curt Hohoff nennt es eine "mediale Erzéhlweise in einer traumdichten Prosa"9, veh- rend Hermann Kunisch nur auf die "bunten Details" hinweist, die scheinbar "das Kerngeschehen fiberwuchern"1o. Ein einheit- licheres Bild entsteht in den wenigen Dissertationen, wenn Ludwig Boer von "starker Anschauung" und "plastischer Dar- stellungsgabe" spricht11 oder Margaret Woodbridge bemerkt: "She tends to think tangibly, to reduce her ideas to concrete objects"12. Das Zeugnis der Freunde in dem Erinnerungsband Leben, was war ich dir gut scheint ihr am besten gerecht zu werden. So erklért Elisabeth Rémer: "Nicht episch breit, nur andeutend,
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