DONAU-UNIVERSITÄT KREMS Department für E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung Dr.-Karl-Dorrek-Str. 30 A – 3500 Krems

Die Einführung einer Regionalwährung als Instrument für eine positive Regionalentwicklung in Oberkärnten

Master Thesis im Rahmen des universitären Weiterbildungsprogramms MBA Corporate Governance und Management,

eingereicht von: Betreuer:

Markus Tripp Prof. Helmut F. Karner 31. März 2015

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich, Markus Tripp, geboren am 22. Dezember 1975 in Villach, erkläre,

1. dass ich meine Master Thesis selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe,

2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,

3. dass ich, falls die Master Thesis mein Unternehmen oder einen externen Kooperationspartner betrifft, meinen Arbeitgeber über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein Einverständnis eingeholt habe.

......

Ort, Datum Unterschrift

DANKSAGUNG

Ich möchte mich an dieser Stelle bei meinem Arbeitgeber, insbesondere bei den Vorständen der Volksbank Oberkärnten registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, Herrn Dir. Edwin Reiter und Herrn Dir. Horst Hackl, bedanken, dass sie es mir ermöglicht haben, den Lehrgang MBA01 Corporate Governance und Management (Upgrade 01) 2013 zu besuchen.

Vielen Dank auch an meine Kollegen, die mich während meiner häufigen Abwesenheiten in der Bank vertreten haben und mir jederzeit mit tatkräftiger Hilfe zur Seite standen.

Bedanken möchte ich mich zudem bei den Experten, die trotz vollem Terminkalender ein Zeitfenster für die Interviews gefunden haben und mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen einen wesentlichen Beitrag zur Erstellung dieser Master Thesis leisten konnten.

Besonderen Dank möchte ich meinem Betreuer Herrn Prof. Helmut F. Karner für seine Unterstützung aussprechen.

Ein Dankeschön gebührt ebenso den zahlreichen Vortragenden für die vielen verschiedenen Einblicke in die Welt der Unternehmensführung und des Managements sowie die erläuterten Praxisbeispiele. Vielen Dank auch an Mag. Dr. Peter Parycek, MAS MSc, Michael Ginner, MSc und Frau Irene Lehr von der Donau-Universität Krems für die vorbildliche Organisation und Betreuung dieses Lehrganges.

Zuletzt aber möchte ich meiner Familie einen besonderen Dank für ihr Verständnis und ihre Geduld aussprechen. Ohne die Unterstützung meiner Frau Reingard und meines Sohnes Markus wären mir das Studium und die Erstellung dieser Arbeit nicht möglich gewesen.

ANMERKUNG

Zur leichteren Lesbarkeit wurde die männliche Form personenbezogener Hauptwörter gewählt. Frauen und Männer werden jedoch mit dem Text gleichermaßen angesprochen.

KURZBESCHREIBUNG

Diese Master Thesis befasst sich mit den Zusammenhängen zwischen Regionalwährungen und der wirtschaftlichen Entwicklung von Regionen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Untersuchung, inwieweit die Einführung einer Regionalwährung positive Auswirkungen auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Region Oberkärnten hat. Die Darstellung soll den Weg einer erfolgreichen Einführung einer Regionalwährung beschreiben und mögliche Erfolgsaussichten, welche sich daraus ergeben können, aufzeigen.

Die Erforschung des Themas erfolgte einerseits anhand einer Literaturrecherche und der Analyse statistischer Daten. Andererseits wurde das leitfadengestützte Experteninterview als Erhebungsmethode gewählt, da die langjährige Erfahrung und das Wissen von vier Experten zur Beantwortung der Forschungsfrage beitragen. Die Erkenntnisse aus den genannten Bereichen wurden in weiterer Folge zu einem Ergebnis zusammengefasst.

Das Ergebnis zeigt, dass die Vorteile und Auswirkungen von Regionalwährungen vielfältig sind. Im gegebenen Fall wurde für die neue Regionalwährung ein Einführungsprozess auf mittlerer Ebene als gut geeignet identifiziert. Hierzu wird auf vorhandene Gruppen, Institutionen oder Systeme aufgebaut. Regionalwährungen können keine Wunder bewirken, jedoch können sie als ein Baustein fungieren, um die Entwicklung einer Region positiv zu beeinflussen.

ABSTRACT

The following Master Thesis is concerned with the relationship between regional currencies and the economic development of regions. The focus of this paper is to investigate to what extent the introduction of a regional currency has a positive impact on the future economic development of the Upper Carinthian region. The aim is to describe the way of a successful introduction of a regional currency as well as potential prospects of success, which might ensue.

The research of the topic is based on literature and the analysis of statistical data on the one hand and an analysis of various expert interviews on the other. The survey method selected were guided interviews held with four experts, who contributed their experience and knowledge to the research issue. Finally, the findings were summarized to a conclusion.

The result shows that the benefits and impact of regional currencies are manifold. In the given case, an implementation process at intermediate level has been identified as suitable for the new regional currency taken into account existing groups, institutions or systems. Regional currencies can not work miracles; however, they can be a component to affect a region's development positively.

INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... I

TABELLENVERZEICHNIS ...... II

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...... III

GLOSSAR ...... IV

1. EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG ...... 1 1.1. Einleitung ...... 1 1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung der Arbeit ...... 2 1.3. Methode ...... 3 1.4. Aufbau der Arbeit ...... 3

2. REGION OBERKÄRNTEN ...... 5 2.1. Geschichtlicher Abriss ...... 5 2.2. Definition der Region ...... 5 2.3. Wirtschaftliches Regionsprofil ...... 9 2.3.1. Demografie ...... 10 2.3.2. Beschäftigung, Bildung und Arbeitsmarkt ...... 11 2.3.3. Betriebe und Betriebsdynamik ...... 14 2.3.4. Wirtschaftsstruktur ...... 16 2.3.5. Wirtschaftskraft ...... 18 2.3.6. Zwischenfazit ...... 18

3. GELD ...... 21 3.1. Was ist Geld? ...... 21 3.2. Funktionen des Geldes ...... 22 3.3. Die Konstruktionsfehler unseres Geldsystems ...... 23 3.3.1. Exponentielles Wachstum ...... 23 3.3.2. Zinszahlungen nur für eigene Ausleihungen ...... 24

3.3.3. Zinsen als gerechte Gebühr bzw. Prämie ...... 25 3.4. Auswirkungen des Geldsystems auf die Nachhaltigkeit ...... 25

4. KOMPLEMENTÄRWÄHRUNGEN ...... 27 4.1. Definition, Aufgaben und Prinzip der Komplementärwährungen ...... 27 4.2. Historische Beispiele ...... 28 4.2.1. Das Brakteatengeld ...... 28 4.2.2. Das Wörgler Schwundgeld ...... 29 4.3. Regionalwährungen ...... 32 4.3.1. Ziele von Regionalwährungen ...... 32 4.3.2. Bestandteile einer erfolgreichen Regionalwährung ...... 33 4.3.3. Kriterien für Regionalwährungen ...... 36 4.3.4. Einführung einer Regionalwährung ...... 38 4.3.5. Verwaltung und Finanzierung einer Regionalwährung ...... 42 4.4. Kritische Würdigung von Regionalwährungen ...... 43 4.5. Die Rolle der Volksbank als Genossenschaftsbank im Bereich der Regionalwährungen ...... 45 4.5.1. Geschichtliche Entwicklung der Kreditgenossenschaften nach Schulze- Delitzsch ...... 45 4.5.2. Hermann Schulze-Delitzsch heute ...... 47 4.5.3. Die Volksbank als Mitgliedsbank ...... 48

5. FINANZINNOVATIONEN ...... 51 5.1. Crowdfunding ...... 51 5.2. Benefit Corporation ...... 54 5.3. Der genossenschaftliche Vermögenspool ...... 55 5.4. Social Impact Bonds ...... 56 5.5. Zwischenfazit Finanzinnovationen ...... 58

6. FORSCHUNGSMETHODE – EXPERTENINTERVIEWS ...... 59 6.1. Erhebungsmethode – das leitfadengestützte Experteninterview ...... 59 6.2. Interviewleitfaden ...... 60 6.3. Auswahl der Interviewpartner ...... 61

6.4. Die Interviewpartner ...... 61 6.5. Durchführung der Interviews ...... 64 6.6. Transkription ...... 65 6.7. Auswertung der Interviews ...... 65

7. ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN ERHEBUNG ...... 67 7.1. Regionalwährungen – allgemeiner Teil ...... 67 7.1.1. Erfahrungen mit Regionalwährungen ...... 67 7.1.2. Kriterien zur Stärkung der Region ...... 68 7.1.3. Modelle ...... 70 7.1.4. Chancen und Vorteile ...... 72 7.1.5. Auswirkungen auf die Region ...... 73 7.1.6. Nachteile und deren Möglichkeiten zur Beseitigung ...... 76 7.2. Regionalwährungen – Verwaltung/Finanzierung ...... 78 7.2.1. Aufgaben der Verwaltung ...... 78 7.2.2. Finanzierung von Regionalwährungen ...... 79 7.2.3. Verwaltungseinheit und Rolle der Volksbank ...... 80 7.3. Regionalwährungen – Übertragung auf die Region Oberkärnten ...... 83 7.3.1. Einführung ...... 83 7.3.2. Risiken und Schwierigkeiten ...... 84 7.3.3. Chancen ...... 86 7.3.4. Andere Finanzinnovationen ...... 87

8. ZUSAMMENFÜHRUNG VON THEORIE UND EMPIRIE ...... 90 8.1. Regionalwährungen – allgemeiner Teil ...... 90 8.1.1. Kriterien zur Stärkung der Region ...... 90 8.1.2. Modelle ...... 91 8.1.3. Chancen, Vorteile und Auswirkungen auf die Region ...... 93 8.1.4. Nachteile und deren Beseitigungsmöglichkeiten ...... 94 8.2. Regionalwährungen – Verwaltung/Finanzierung ...... 95 8.2.1. Aufgaben der Verwaltung ...... 95 8.2.2. Finanzierung ...... 96 8.2.3. Verwaltungseinheit und Rolle der Volksbank ...... 97

8.3. Regionalwährungen – Übertragung auf die Region ...... 98 8.3.1. Einführung in der Region Oberkärnten ...... 98 8.3.2. Risiken und Schwierigkeiten ...... 99 8.3.3. Chancen ...... 100 8.3.4. Andere Finanzinnovationen ...... 101 8.4. Schlussfolgerung und Beantwortung der Forschungsfrage ...... 102

9. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ...... 105 9.1. Zusammenfassung und Fazit ...... 105 9.2. Methodenkritik und Ausblick ...... 107

10. LITERATURVERZEICHNIS ...... 109

11. ANHANG ...... 116 11.1. Leitfaden Experteninterviews ...... 116 11.2. Transkript Interview Experte A ...... 118 11.3. Transkript Interview Experte B ...... 118 11.4. Transkript Interview Experte C ...... 118 11.5. Transkript Interview Experte D ...... 118 11.6. CD-ROM ...... 118 I

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Die Ebenen NUTS-1, NUTS-2 und NUTS-3 in Österreich ...... 6 Abbildung 2: Verknüpfung von Wohlstandsindikatoren ...... 20 Abbildung 3: SIBs – Länder und Projekte ...... 58

II

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Gemeinden, Flächen und Bevölkerung der Region Oberkärnten nach NUTS-3 ...... 8 Tabelle 2: Qualifikation der Arbeitslosen ...... 13 Tabelle 3: 10 der größten Produktionsbetriebe Oberkärntens – gerundete Anzahl der Beschäftigten 2013 ...... 15 Tabelle 4: 10 der größten Dienstleistungsbetriebe Oberkärntens – gerundete Anzahl der Beschäftigten 2013 ...... 15 Tabelle 5: Wirtschaftsstruktur 2013 – anteilig, Vergleich Oberkärnten, Kärnten, Österreich ...... 17 Tabelle 6: Gemeinsamkeiten Gründungsmotive und Ziele von Regionalwährungen und Volksbanken ...... 49 Tabelle 7: Auswertungsschema ...... 66 III

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

AL Arbeitslosigkeit

AMS Arbeitsmarktservice

BIP Bruttoinlandsprodukt

BRP Bruttoregionalprodukt

BWS Bruttowertschöpfung eGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung

EU Europäische Union

EUR Euro e.V. eingetragener Verein

IHS Institut für Höhere Studien

IWF Internationaler Währungsfonds

KWF Kärntner Wirtschaftsförderungs Fonds

NUTS Nomenclature des unités territoriales statistiques (Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik)

ÖNACE Österreichische Version der NACE (Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft)

SIB(s) Social Impact Bond(s)

WIBIS Wirtschaftspolitisches Berichts- und Informationssystem

WIFO Österreichisches Institut für Wirtschaftsförderung IV Glossar

Arbeitgeberbetrieb

Ein Arbeitgeberbetrieb muss mindestens einmal im Jahr zumindest eine Person über die Geringfügigkeitsgrenze bei der Sozialversicherung angemeldet gehabt haben, um als solcher eingestuft zu werden. Ein Arbeitgeberbetrieb kann dabei mehrere Arbeitsstätten umfassen. Grundlage hierfür ist das individuelle Meldeverhalten des Arbeitgeberbetriebes nach Meldekonten (z. B.: Handelsketten können zentral am Unternehmenssitz oder nach Zweigstellen melden).1

Boom-Bust-Zyklus

Ein Boom-Bust-Zyklus lässt sich mit einer Spekulationsblase vergleichen. Vermögenspreise steigen über einen längeren Zeitraum enorm stark an und fallen dann schlagartig ab.2

Bruttomedianeinkommen

Das Bruttomedianeinkommen zeigt das mittlere Bruttoeinkommen. Die eine Hälfte der Einkommen liegt drüber, die andere Hälfte unter dem Bruttomedianeinkommen.3

Bruttoregionalprodukt

Das Bruttoregionalprodukt ist die regionale Entsprechung zu einem der wichtigsten Aggregate der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das BRP ergibt sich aus den regionalen Bruttowertschöpfungen und beschreibt den in einem bestimmten Zeitraum (üblicherweise ein Kalenderjahr) von den in einer Region ansässigen produzierenden Einheiten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusätzlich geschaffenen Wert.4

Bruttoregionalprodukt je Einwohner

Um das regionale BIP (BRP) unterschiedlich großer Regionen vergleichbar zu machen, wird es durch die Einwohnerzahl (Wohnbevölkerung) dividiert. Dabei ist zu beachten, dass sich das BRP auf den Ort der Leistungserstellung (Arbeitsort)

1 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Arbeit“. 2 Vgl. Dynamicdrive GmbH & Co. KG, „Finanz-Lexikon.de: Boom-Bust-Zyklus“. 3 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Wirtschaft“. 4 Vgl. ebd. V bezieht, während die dazu in Relation gesetzten Einwohnerzahlen auf den Wohnort bezogen sind, sodass regionsüberschreitende Pendlerströme unberücksichtigt bleiben.5

Bruttowertschöpfung

Die Bruttowertschöpfung ergibt sich aus dem Gesamtwert der im Produktionsprozess von gebietsansässigen Einheiten erzeugten Waren und Dienstleistungen (Output = Produktionswert), vermindert um die im Produktionsprozess verbrauchten, verarbeiteten oder umgewandelten Waren und Dienstleistungen (Input = Vorleistungen). 6

Collaborative Finance

Dies ist die gemeinschaftliche Finanzierung ohne Vermittlung durch herkömmliche Finanzierungsinstitute wie Banken, Finanzdienstleister etc.7

Geburten- und Sterberate

Die Geburtenrate gibt Geburten in Relation zur regionalen Wohnbevölkerung an. Sie errechnet sich aus den Geburten innerhalb eines Jahres, geteilt durch die Wohnbevölkerung zu Jahresende. Die Sterberate errechnet sich aus den Sterbefällen innerhalb eines Jahres, geteilt durch die Wohnbevölkerung zu Jahresende.8

Geburtenbilanz

Die Geburtenbilanz entspricht der Differenz zwischen Geburten und Sterbefällen einer Region.9

Langzeitarbeitslose

Langzeitarbeitslose sind Arbeitslose, die länger als 12 Monate durchgehend beim AMS als arbeitslos vorgemerkt waren (Status AL). Unterbrechungen von bis zu 28 Tagen werden nicht berücksichtigt. Wird die Arbeitslosenmeldung durch längere Episoden unterbrochen, so wird von Neuem zu zählen begonnen.10

Sektoren

Das Wirtschaftsgeschehen wird grundsätzlich in die drei Sektoren Primär-, Sekundär- (auch Produktionssektor) und Tertiärsektor (auch

5 Vgl. ebd. 6 Vgl. ebd. 7 Vgl. Koch, „Crowdinvesting und Peer-to-Peer Lending“, 32. 8 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Menschen“. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Arbeit“. VI Dienstleistungssektor) eingeteilt. Der primäre Sektor umfasst Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (ÖNACE A). Im sekundären Sektor (ÖNACE B-F) werden die Bereiche Herstellung von Waren (ÖNACE C), Energieversorgung (ÖNACE D), Warmwasserversorgung und -entsorgung (ÖNACE E) sowie Bau (ÖNACE F) zusammengefasst. Dem tertiären Sektor zugeordnet finden sich alle Branchen des Dienstleistungssektors (ÖNACE G-U). Darunter fallen der öffentliche Bereich sowie Handel und Tourismus.11

Wanderungsbilanz

In Kombination von der Bevölkerungsstatistik mit Informationen zu natürlichen Bevölkerungsbewegungen kann die Wanderungsbilanz abgeleitet werden:

Sie errechnet sich aus der Wohnbevölkerung am 31.12. (Endbestand) abzüglich der Wohnbevölkerung am 31.12. des Vorjahres (Anfangsbestand) abzüglich der Geburten und zuzüglich der Sterbefälle.12

11 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Arbeit“. 12 Vgl. KWF, „WIBIS Kärnten – Begriffserklärung – Menschen“. 1 1. Einleitung und Problemstellung

Dieses Kapitel soll die Motivation zur Behandlung des Themas näher erläutern. Es behandelt die Forschungsfrage sowie die Zielsetzung der Arbeit und widmet sich den angewendeten Methoden der gegenständlichen Forschung. Nachfolgend wird ein Überblick über den Aufbau der Arbeit gegeben.

1.1. Einleitung

Der ländliche Raum verliert zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. Die statistischen Daten der Region Oberkärnten zeigen, dass Wirtschaftsleistung, Bevölkerungszahlen und Arbeitsplätze und somit auch die Kaufkraft seit vielen Jahren schrumpfen.

Der Euro steckt nach wie vor in einer Vertrauenskrise. Als Alternative zum Euro wurden in einigen Regionen Regionalwährungen eingeführt. Sie stellen ein zusätzliches Zahlungsmittel in einer bestimmten Region dar und dienen der Regionalisierung bzw. der Ergänzung der regionalen Vielfalt. Sie gelten als Gegengewicht zur Globalisierung. Ihr Sinn liegt u. a. darin, die regionale Kaufkraft zu stärken und so dem Kreislauf von Kapitalabfluss, Arbeitsplatzverlust und Abwanderung aus der Region entgegenzuwirken. Eine detaillierte Behandlung des Themas Regionalwährung findet sich im Kapitel 4 dieser Arbeit.

Ich arbeite seit vielen Jahren als Mitarbeiter der Volksbank Oberkärnten, einer in im Oberkärntner Raum tätigen regionalen Kreditgenossenschaft, im Bereich der Firmenkundenbetreuung. Durch diese Tätigkeit hat sich auch die Übernahme der Funktion als Kassier beim Verein ‚Spittal gestalten‘ ergeben. Die Hauptaufgabe des Vereins ist die Stadtentwicklung zur Förderung von Wirtschaft, Tourismus, Umweltschutz, Kultur und Geselligkeit.

Der Verein ‚Spittal gestalten‘ sowie die Volksbank Oberkärnten verwalten den ‚Spittaler City-Taler‘. Dieser wurde vor über 20 Jahren von der Spittaler Kaufmannschaft als Gutschein eingeführt, um die Region zu stärken. Mittlerweile verringert sich die Verwendung des City-Talers fortlaufend. Er wird nur noch vereinzelt als Geschenkgutschein zu Weihnachten genutzt.

Viele Regionalwährungen sind aus wirtschaftlicher Not und unter dem Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe entstanden. Einerseits gewinnen Regionalwährungen zunehmend an Beliebtheit, andererseits ist in einigen Regionen aber auch ein 2 Scheitern aus den verschiedensten Gründen zu beobachten. Vor diesem Hintergrund soll wissenschaftlich untersucht werden, wie die Einführung einer Regionalwährung zu einer erfolgreichen Sicherung und Stärkung der regionalen Wirtschaft und somit zu einer positiven Entwicklung der Region Oberkärnten beitragen kann.

1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung der Arbeit

Bei der Recherche zum Thema einer positiven regionalen Wirtschaftsentwicklung ist auffällig, dass in der Literatur häufig das Schlagwort der Regionalwährung genannt wird. Komplementäre Regionalwährungen galten sowohl in Europa als auch in einigen Entwicklungsländern als fixer Bestandteil der regionalen und lokalen Wirtschaftsförderung. Das regionale Geld verzeichnet eine langjährige und vielfach erfolgreiche Geschichte. Es wurde auch nicht von seiner Zeit überholt und durch etwas Besseres ersetzt. Im Regelfall wurde es zur besseren Kontrolle der regionalen Wirtschaft von den jeweiligen Regenten bzw. Regierungen, oft auch mit Militärgewalt, abgeschafft. Natürlich waren nicht alle Regionalwährungen gut gemanagt und funktionierten besser als die Standardwährungen. Auch hier gab es wie bei nationalen Währungen missbräuchliche Nutzungen und fehlerhafte Managemententscheidungen. Allerdings lässt sich sagen, dass Regionalwährungen über Jahrhunderte hinweg ohne Probleme neben den nationalen und internationalen Systemen bestanden und erfolgreich dazu beitrugen, dass Inflation und andere Währungsprobleme viel seltener auftraten.13 Aus diesem Blickwinkel leitet sich die Forschungsfrage für die vorliegende Arbeit ab:

Wie kann die Einführung einer Regionalwährung erfolgreich zur Stärkung der Wirtschaft der Region Oberkärnten beitragen?

Die Beantwortung der Forschungsfrage soll eine klare Aussage mit sich bringen, inwieweit die Einführung einer Regionalwährung positive Auswirkungen auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Region Oberkärnten hat. Sie soll den Weg einer erfolgreichen Einführung einer Regionalwährung beschreiben und mögliche Erfolgsaussichten, welche sich daraus ergeben können, aufzeigen. Weiterhin sollen die Themen Finanzierung und Verwaltung von Regionalwährungen betrachtet werden.

13 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 36. 3 Die Ergebnisse der Arbeit sollen primär der Region Oberkärnten als Entscheidungsbasis hinsichtlich der zukünftigen Nutzung und Weiterentwicklung des City-Talers als Regionalwährung dienen. Sie sollen aber auch für andere Regionen, welche sich in einer ähnlichen Situation befinden, anwendbar sein.

1.3. Methode

Die Grundlage dieser wissenschaftlichen Arbeit basiert einerseits auf Erhebungen in der Theorie durch die Sichtung und Aufbereitung forschungsrelevanter Literatur und wird andererseits durch die Analyse statistisch gewonnener Daten einschlägiger Forschungseinrichtungen, wie z. B. Statistik , AMS, KWF sowie JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, beschrieben. Die Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Bereiche werden im Theorieteil der Arbeit in zusammengefasster Form dargestellt.

Die langjährige Erfahrung sowie das Wissen von Experten werden vom Autor als wichtiger Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage gesehen. Deshalb wurde das leitfadengestützte Experteninterview als Erhebungsmethode für den empirischen Teil der Arbeit gewählt. Auf eine detaillierte Beschreibung der Methode sowie der damit verbundenen Vorgehensweise wird an dieser Stelle verzichtet. Diese erfolgen in Kapitel 6.

1.4. Aufbau der Arbeit

Die gegenständliche Master Thesis ist in acht Kapitel aufgeteilt.

Im ersten Kapitel erfolgt eine Einführung in das Thema. Die Forschungsfrage wird definiert und die Methode sowie der Aufbau der Arbeit werden erläutert.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Vorstellung der Region Oberkärnten sowie der Beschreibung ihrer aktuellen wirtschaftlichen Situation.

Die Rolle des Geldes in unserem Wirtschaftssystem wird im dritten Kapitel untersucht. Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition von Geld, den Funktionen des Geldes, zeigt die Konstruktionsfehler im Geldsystem auf und beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Geldsystems auf die Nachhaltigkeit.

Das vierte Kapitel dient der intensiven Betrachtung des Themas Komplementärwährungen. Im Besonderen wird auf die Regionalwährungen als Sonderform der Komplementärwährungen eingegangen. Abschließend wird in 4 diesem Kapitel die Rolle der Volksbank als Genossenschaftsbank im Bereich der Regionalwährungen dargelegt.

Das fünfte Kapitel greift Finanzinnovationen auf, die ähnliche Zielsetzungen wie Komplementärwährungen verfolgen.

Im sechsten Kapitel wird die zur Anwendung gelangte Forschungsmethode, das leitfadengestützte Experteninterview, erläutert.

Das siebte Kapitel widmet sich der Darstellung der Resultate der empirischen Forschung.

Im achten Kapitel werden die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Theorie und dem empirischen Teil zusammengeführt. Auf dieser Grundlage wird die Forschungsfrage beantwortet.

Im neunten Kapitel erfolgt eine Zusammenfassung der Arbeit, es wird ein Fazit gezogen und die Methode der empirischen Erhebung kritisch hinterfragt sowie ein Ausblick gegeben. 5 2. Region Oberkärnten

Im Kapitel zwei wird die geschichtliche Entwicklung der Region Oberkärnten skizziert. Es erfolgt die geografische Definition der Region. Des Weiteren wird die aktuelle wirtschaftliche Situation anhand von Analysedaten der Statistik Austria, des AMS sowie dem KWF in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschafts- und Innovationsforschung (POLICIES) der JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH beschrieben.

2.1. Geschichtlicher Abriss

Die ersten bekannten Siedlungen in Oberkärnten stammen aus der Zeit von 3.000 bis 1.900 v. Chr. Die Illyrer waren die erste erwähnte Bevölkerung gefolgt von der norischen Bevölkerung. Der Hauptort der norischen Bevölkerung war Teurnia am Lurnfeld, eine Siedlung, die sich rund vier Kilometer westlich vom heutigen Spittal an der Drau befand. Im Lauf der Jahrhunderte entwickelte sich Teurnia zu einer der größten Städte und wurde schließlich Anfang des 5. Jahrhunderts zur Hauptstadt der römischen Provinz Noricum mediterraneum. Sie war lange Zeit das dominierende Herrschaftszentrum Oberkärntens.14

In Molzbichl, das rund zehn Kilometer von Teurnia entfernt liegt, verortet sich das vermutlich älteste Kärntner Kloster. Es wurde zwischen 722 und 788 gegründet. Ab 1.100 wurde Millstatt mit dem bekannten Stift Millstatt das geistliche Zentrum Oberkärntens. Im Mittelalter waren die großen Herrscher die Grafschaften Ortenburg und Lurn. Die Ortenburger machten Spittal an der Drau ab 1524 zum Herrschaftsmittelpunkt. Hier befindet sich auch das bekannte Schloss Porcia. In der Zeit von 1809 bis 1814 während des Napoleonischen Krieges war Oberkärnten Teil der Illyrischen Provinzen Frankreichs.15

2.2. Definition der Region

Geografisch gesehen befindet sich die Region Oberkärnten in Kärnten, dem südlichsten Bundesland Österreichs. Sie ist der westliche, höher liegende Teil dieses Bundeslandes und umfasst eine Fläche von ca. 6.000 Quadratkilometern.

14 Vgl. Wikimedia Foundation Inc., „Oberkärnten – Wikipedia“. 15 Vgl. ebd. 6 Je nach Kriterium gibt es allerdings mehrere terminologische Abgrenzungen dieser Region.16

Eine trennscharfe Definition der Region Oberkärnten findet sich in der Regionalgliederung durch die Europäische Union wieder. Dieses System, welches das Territorium der EU auf drei Ebenen in Gebietseinheiten unterteilt, wird NUTS genannt. NUTS ist die Abkürzung für „Nomenclature des unités territoriales statistiques“17. Auf Deutsch bedeutet diese Abkürzung ‚Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik‘. NUTS wurde hauptsächlich eingeführt, um den Statistiknutzern vergleichbare Daten auf regionaler Ebene zur Verfügung zu stellen. Alle regional gegliederten Statistiken, sowohl die der Mitgliedstaaten der EU wie auch die der EU, basieren auf den NUTS-Einheiten.18 Abbildung 1 zeigt die Gliederung Österreichs. Es gibt drei Einheiten auf der NUTS-Ebene 1, neun Einheiten auf der NUTS-Ebene 2 und insgesamt 35 Einheiten auf NUTS-Ebene 3.

Abbildung 1: Die Ebenen NUTS-1, NUTS-2 und NUTS-3 in Österreich19

Die Region Oberkärnten (AT212) gliedert sich in folgende Einheiten:

• Bezirk Spittal an der Drau,

• Bezirk Hermagor und

16 Vgl. ebd. 17 Statistik Austria, „STATISTIK AUSTRIA – NUTS-Einheiten“. 18 Vgl. ebd. 19 Vgl. Wikimedia Foundation Inc., „NUTS:AT – Wikipedia“. 7 • Bezirk Feldkirchen.

Tabelle 1 zeigt, dass sich die Region Oberkärnten über eine Fläche von 413.160,99 ha erstreckt, sich aus 50 Gemeinden zusammensetzt und insgesamt 125.600 Einwohner aufweist.20

20 Vgl. Statistik Austria, „STATISTIK AUSTRIA – NUTS-Einheiten“. 8 Tabelle 1: Gemeinden, Flächen und Bevölkerung der Region Oberkärnten nach NUTS-321

LAU 2 - Code Bevölke- NUTS 3- Fläche in ha NUTS 3- Name Gemeinde- LAU 2 Gemeindename rungszahl Code 1.1.2014 kennziffer 1.1.2014 AT212 Oberkärnten 20302 3.612,53 1.252 AT212 Oberkärnten 20305 Hermagor-Pressegger See 20.535,55 6.952 AT212 Oberkärnten 20306 Kirchbach 9.907,41 2.663 AT212 Oberkärnten 20307 Kötschach-Mauthen 15.491,44 3.414 AT212 Oberkärnten 20316 Sankt Stefan im Gailtal 6.620,16 1.595 AT212 Oberkärnten 20320 5.646,59 1.271 AT212 Oberkärnten 20321 19.083,01 1.400 AT212 Oberkärnten 20601 Bad Kleinkirchheim 7.400,67 1.693 AT212 Oberkärnten 20602 Baldramsdorf 3.797,86 1.877 AT212 Oberkärnten 20603 Berg im Drautal 5.423,69 1.316 AT212 Oberkärnten 20604 Dellach im Drautal 7.609,13 1.651 AT212 Oberkärnten 20605 Großkirchheim 10.951,10 1.382 AT212 Oberkärnten 20607 Flattach 9.884,60 1.185 AT212 Oberkärnten 20608 Gmünd in Kärnten 3.154,64 2.587 AT212 Oberkärnten 20609 Greifenburg 7.621,57 1.779 AT212 Oberkärnten 20610 Heiligenblut 19.314,82 1.060 AT212 Oberkärnten 20611 Irschen 3.342,91 1.990 AT212 Oberkärnten 20613 Kleblach-Lind 6.298,70 1.183 AT212 Oberkärnten 20616 Lendorf 3.437,41 1.744 AT212 Oberkärnten 20618 Mallnitz 11.173,35 805 AT212 Oberkärnten 20619 Malta 26.202,15 2.039 AT212 Oberkärnten 20620 Millstatt 5.774,42 3.361 AT212 Oberkärnten 20622 Mörtschach 7.473,25 798 AT212 Oberkärnten 20624 Mühldorf 2.441,74 992 AT212 Oberkärnten 20625 Oberdrauburg 6.992,18 1.216 AT212 Oberkärnten 20627 Obervellach 10.440,27 2.280 AT212 Oberkärnten 20630 Radenthein 8.929,64 5.998 AT212 Oberkärnten 20631 Rangersdorf 8.427,68 1.741 AT212 Oberkärnten 20632 Rennweg am Katschberg 12.048,14 1.780 AT212 Oberkärnten 20633 Sachsenburg 4.259,27 1.319 AT212 Oberkärnten 20634 Seeboden 4.443,78 6.259 AT212 Oberkärnten 20635 Spittal an der Drau 4.856,75 15.555 AT212 Oberkärnten 20636 Stall 9.646,25 1.625 AT212 Oberkärnten 20637 Steinfeld 8.132,98 2.027 AT212 Oberkärnten 20638 Trebesing 7.379,31 1.219 AT212 Oberkärnten 20639 Weißensee 7.810,76 763 AT212 Oberkärnten 20640 Winklern 3.720,24 1.191 AT212 Oberkärnten 20642 Krems in Kärnten 20.747,85 1.789 AT212 Oberkärnten 20643 Lurnfeld 3.300,13 2.554 AT212 Oberkärnten 20644 Reißeck 13.971,04 2.213 AT212 Oberkärnten 21001 Albeck 9.948,16 1.030 AT212 Oberkärnten 21002 Feldkirchen in Kärnten 7.752,67 14.278 AT212 Oberkärnten 21003 Glanegg 2.518,09 1.918 AT212 Oberkärnten 21004 Gnesau 7.857,19 1.094 AT212 Oberkärnten 21005 Himmelberg 5.687,86 2.306 AT212 Oberkärnten 21006 Ossiach 1.736,82 724 AT212 Oberkärnten 21007 Reichenau 11.398,93 1.876 AT212 Oberkärnten 21008 Sankt Urban 2.723,74 1.507 AT212 Oberkärnten 21009 Steindorf am Ossiacher See 2.954,79 3.725 AT212 Oberkärnten 21010 Steuerberg 3.277,77 1.624 Gesamt 413.160,99 125.600

Die nach der Einwohnerzahl größte Gemeinde ist Spittal an der Drau (15.555 Einwohner). Die Gemeinde mit der geringsten Einwohnerzahl ist Ossiach (724 Einwohner). Sie ist gleichzeitig die flächenmäßig kleinste Gemeinde (1.736,82 ha). Als flächenmäßig größte Gemeinde zählt Malta (26.202,15 ha).

21 Eigene Darstellung nach: Statistik Austria, „STATISTIK AUSTRIA – NUTS-Einheiten“ 9 Im nachfolgenden wirtschaftlichen Regionsprofil sowie im weiteren Verlauf der Arbeit ist unter dem Regionsbegriff Oberkärnten ausschließlich die geografische Eingrenzung gemäß NUTS-Ebene 3 AT212 zu verstehen.

2.3. Wirtschaftliches Regionsprofil

Das Wachstum der Weltwirtschaft lag im ersten Halbjahr 2014 hinter den Erwartungen der führenden Institute für Wirtschaftsprognosen wie z. B. WIFO und IHS. Auch Europa konnte sich diesem Trend nicht entziehen. Die konjunkturellen Aussichten werden nach wie vor durch hohe Budgetdefizite belastet. Außerdem verringern sich die Wachstumsraten aus den Schwellenländern kontinuierlich. Weitere Risiken für eine Erholung der Wirtschaft bestehen unter anderem in den aktuellen bewaffneten Konflikten in Syrien, der Ukraine und im Jemen.22

Auch in Österreich zeigt sich eine negative Entwicklung des Wirtschaftswachstums. Betrug das reale BIP-Wachstum im dritten und vierten Quartal 2013 noch 0,3 % bzw. 0,4 %, so belief es sich im ersten und zweiten Quartal 2014 gemäß aktuellen Schätzungen nur noch auf 0,1 % bzw. 0,2 %.23 Auch im dritten Quartal war das reale BIP weiter rückläufig. Es verringerte sich gegenüber der Vorperiode um 0,1 %.24 Die Prognosen für das Gesamtjahr 2014 lauten +1,0 % (IWF) bzw. +0,8 % (IHS und WIFO).25

Die konjunkturellen Aussichten für Kärnten sind im Vergleich zu Gesamtösterreich als noch schlechter einzuordnen. Die Gründe dafür sind einerseits die stärkere Ausrichtung der Exporte auf Länder wie Italien, Slowenien und Kroatien, in welchen sich die Wirtschaft ebenfalls schwach entwickelt. Andererseits tangiert auch in Kärnten die Unsicherheit aufgrund der oben angeführten Konflikte die Entwicklung negativ.26 Für 2014 wurde ein reales BRP (= regionales BIP) von 0,5 % prognostiziert.27

Im Arbeitsmarktprofil 2013 des AMS wird die Region Oberkärnten u. a. mit den Schlagwörtern Rückgang der Bevölkerungs- und Beschäftigtenzahl, hohe Arbeitslosenquote und Anstieg der Arbeitslosigkeit charakterisiert.28 In diesem

22 Vgl. KWF, Herbstprognose Kärnten 2014, 1. 23 Vgl. IHS Kärnten, Konjunkturreport 14. Jg., Ausgabe 3, Sept. 2014, 1. 24 Vgl. Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung, „Aktuell: WIFO-Konjunkturportal“. 25 Vgl. KWF, Herbstprognose Kärnten 2014, 1. 26 Vgl. IHS Kärnten, „Institut für Höhere Studien und wissenschaftliche Forschung“. 27 Vgl. IHS Kärnten, Wirtschaftsprognose Kärnten Oktober 2014, 1. 28 Vgl. AMS Österreich, „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Spittal/Drau“. 10 Umfeld stellen sich die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der Region Oberkärnten als schwierig dar. Nachfolgend soll anhand der Punkte

• Demografie,

• Beschäftigung, Bildung, Arbeitsmarkt,

• Betriebe, Betriebsdynamik,

• Wirtschaftsstruktur und

• Wirtschaftskraft ein aktuelles Regionsprofil der Region Oberkärnten gezeichnet werden. Zur besseren Einordnung der Werte werden diese jeweils mit den Daten bzw. Entwicklungen von Kärnten und von Österreich in Relation gestellt.

2.3.1. Demografie

Der Bevölkerungsstand der Region Oberkärnten betrug im Jahr 2013 (Stichtag 01.01.2014) 125.600 Einwohner, was einem Anteil an der Bevölkerung in Österreich von 1,48 % entspricht. Im Vergleich zu 2009 schrumpfte die Bevölkerung um 2,2 %. Wird das gesamte Bundesland Kärnten betrachtet, so betrug der Rückgang lediglich 0,4 %. In Österreich nahm die Bevölkerung im Vergleichszeitraum um 1,9 % zu.29

Zum Stichtag lag der Frauenanteil der 125.600 Einwohner bei 50,9 %. Der Jugendanteil (bis 24 Jahre) belief sich auf 25,1 %. Insgesamt gab es einen Anteil von 32,7 % Männer und 32,4 % Frauen im Erwerbsalter (15 bis 64 Jahre) an der Gesamtbevölkerung.30

Die Geburtenziffer 2013 (je 1.000 Einwohner) sowie die Sterbeziffer 2013 (je 1.000 Einwohner) beliefen sich auf 8,4 bzw. 10,5 und infolgedessen konnte eine negative Geburtenbilanz (- 1.323) ausgewiesen werden. Kärnten lag bei 8,2 bzw. 10,3 (- 5.071). In Österreich betrugen sowohl die Geburten- als auch die Sterbeziffer 9,3. Auch die Wanderungsbilanz zeigt mit - 17,5 Promille im Vergleich zu Kärnten mit + 2,7 Promille und Österreich mit + 20,1 Promille eine deutlich negative Entwicklung für die Region Oberkärnten.31

29 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 2. 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. ebd. 11 In Bezug auf die zukünftige Bevölkerungsentwicklung (Zeitraum 2013 bis 2030) soll nach den Prognosen ein ähnlicher Trend wie in der Vergangenheit zu beobachten sein. Bis 2030 sollen sich die Bevölkerungszahlen in der Region Oberkärnten mit - 1,6 % weiterhin rückläufig verhalten. Für das gesamte Bundesland Kärnten wird eine Zuwachsrate von 1,0 % erwartet. Diese liegt allerdings deutlich unter der Wachstumsrate Österreichs, welche einen Wert von 6,2 % erreichen soll.32

2.3.2. Beschäftigung, Bildung und Arbeitsmarkt

In Kärnten wird mit - 0,3 % gegenüber dem Vorjahreswert auch im Jahr 2014 erneut mit einer leicht negativen Beschäftigungsentwicklung gerechnet. Dieser Rückgang ist vor allem auf den produzierenden Bereich33 zurückzuführen.34 Aber auch im Dienstleistungssektor zeigen sich durch die Entwicklungen der letzten Monate negative Tendenzen, die die positiven Erwartungen für 2014 eintrüben. Insbesondere der Bereich der klassischen Dienstleistungen wie der Beherbergungs- und der Gastronomiesektor werden mit höheren Beschäftigungseinbußen konfrontiert sein.35 Das Arbeitsmarktservice Kärnten prognostiziert mit - 0,8 % einen noch höheren Rückgang bei den unselbstständig Beschäftigten in Kärnten.36

Die Ist-Daten Oberkärntens für 2013 zeigen, dass es insgesamt 34.470 unselbstständige Beschäftigte in der Region gab. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2013 nahm die Anzahl der Beschäftigten in der Region um 52 ab. In Kärnten gab es eine Zunahme von 3.746 (0,5 % pro Jahr), österreichweit betrug die Zunahme 157.218 (1,2 % pro Jahr). Die Anzahl der geringfügig Beschäftigten betrug 3.874. Die jährliche Zuwachsrate von 2009 bis 2013 lag bei 4,0 % (Kärnten 3,2 %, Österreich 3,2 %). Die Anzahl der Lehrlinge umfasste 2.049. Diesbezüglich ist sowohl in der Region (- 3,2 % pro Jahr) als auch in Kärnten (- 2,9 % pro Jahr) und Österreich (- 2,2 % pro Jahr) ein negativer Trend zu verzeichnen. Auch die Anzahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, weist im

32 Vgl. ebd. 33 Vgl. ÖNACE B-F. 34 Vgl. KWF, Herbstprognose Kärnten 2014, 5. 35 Vgl. ebd., 6. 36 Vgl. AMS Österreich, „Der Kärntner Arbeitsmarkt – Arbeitsmarktservice Kärnten“. 12 Vergleichszeitraum von 2009 bis 2013 (Oberkärnten - 101, Kärnten - 485, Österreich - 6.295) eine negative Entwicklung aus.37

In der Region Oberkärnten gibt es keine universitäre Bildungseinrichtung. Die einzige Universität Kärntens, die Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, befindet sich in der Region Klagenfurt-Villach.38 Die Fachhochschule Kärnten betreibt im Bundesland fünf Standorte, wobei sich mit Spittal an der Drau und Feldkirchen zwei davon in der Region Oberkärnten befinden. Am Standort Spittal an der Drau werden diverse Studiengänge der Hauptstudienrichtung Technik und Ingenieurwissenschaften angeboten. Am Standort Feldkirchen wird die Hauptstudienrichtung Gesundheitswesen gelehrt.39 In der Region gibt es insgesamt fünf Allgemeinbildende Höhere Schulen40 und fünf Berufsbildende mittlere und höhere Schulen, davon zwei Handelsakademien/Handelsschulen sowie drei humanberufliche Schulen. Im Bereich der Höheren Technischen Lehranstalten und Technischen Fachschulen gibt es derzeit keine Angebote.41

Hinsichtlich der Qualifikation der unselbstständig Beschäftigten kann für das Jahr 2013 folgende Gliederung eruiert werden:

• 8,3 % hochqualifizierte42 Beschäftigte,

• 72,2 % mittelqualifizierte43 Beschäftigte sowie

• 19,5 % niedrigqualifizierte44 Beschäftigte.

Im Vergleichszeitraum von 2009 bis 2013 nahm sowohl der Anteil an Hochqualifizierten (- 1,5 %) wie auch an Mittelqualifizierten (- 0,8 %) ab, während der Anteil an Niedrigqualifizierten (+ 2,2 %) stieg. Der Vergleich zu Kärnten sowie zu Österreich zeigt eine ähnliche Entwicklung.45

Die Qualifikation der Arbeitslosen verdeutlicht Tabelle 2:

37 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 4. 38 Vgl. Alpe-Adria-Universität Klagenfurt, „UNI Klagenfurt | Alpen-Adria-Universität Klagenfurt“. 39 Vgl. FH Kärnten, „Fachhochschule Kärnten – Standorte und Adressen“. 40 Vgl. AHS-BSA-BUND, „Allgemeinbildende Höhere Schulen in Kärnten“. 41 Vgl. Landesschulrat für Kärnten, „Berufsbildende mittlere und höhere Schulen – Schularten – Landesschulrat Kärnten“. 42 Abgeschlossene tertiäre Ausbildung (Universität, Fachhochschule sowie Akademie). 43 Abgeschlossene Lehre, Meisterprüfung oder Abschluss einer mittleren oder höheren Schule. 44 Maximal Pflichtschulabschluss. 45 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 6. 13 Tabelle 2: Qualifikation der Arbeitslosen46

Qualifikation der Arbeitslosen Oberkärnten Kärnten Österreich in % in % in % Universität, Hochschule, Akademie 2,4 3,9 5,3 Höhere Schule mit Matura 7,3 8,6 8,8 Fachschule ohne Matura 5,9 5,4 5,2 Lehrabschluss, Meisterprüfung 52,6 43,1 33,7 Pflichtschule 30,2 36,7 39,9 ohne bzw. unbekannter Schulabschluss 1,5 2,3 7,0

In Oberkärnten waren 2013 5.426 Menschen arbeitslos, was einer Arbeitslosenquote von 10,7 % entspricht. In Kärnten betrug die Arbeitslosenquote 10,2 %, in Österreich 7,6 %. Zwischen 2009 und 2013 umfasste die jährliche Zunahme an Arbeitslosen 2,5 % und war sogar etwas geringer als die jährliche Zuwachsrate Kärntens, welche auf 2,6 % zu beziffern war. Österreichweit konnte im Vergleichszeitraum eine deutlich geringere jährliche Steigerungsrate von 1,9 % registriert werden. Der Anteil an Personen in Schulungen im Jahr 2013 betrug 561, dies entspricht 10,3 % (Kärnten 14,5 %, Österreich 25,6 %).47

Die Zunahme der Arbeitslosigkeit bei Männern entstammt den Bereichen Hilfsberufe, Fremdenverkehr, Metall-/Elektroberufe, Handel sowie der Reinigungs- und Holzberufe. Abnahmen gab es im Bereich Bau sowie Steine und Erde. Bei den Frauen resultiert die Zunahme aus den Bereichen Reinigungs-, Büro-, Hilfs- und Verkehrsberufe. Rückgänge gab es im Handel und im Fremdenverkehr.48

Die soziale Struktur der Arbeitslosen zeigt eine Aufteilung von 56,7 % arbeitslose Männer und 43,3 % arbeitslose Frauen. Dieses Aufteilungsverhältnis spiegelt sich auch annähernd im Vergleich mit Kärnten (56,9 % zu 43,1 %) wider. Österreichweit beträgt das Verhältnis arbeitslose Männer zu arbeitslosen Frauen 57,5 % zu 42,5 %. Der Anteil an arbeitslosen Jugendlichen (bis 25 Jahre) lag 2013 in Oberkärnten bei 14,9 %. In Kärnten waren es 14,1 %, in Österreich ebenfalls 14,9 %. Der Anteil an älteren Arbeitslosen (ab 50 Jahren) zeigt eine Quote von 26,5 % (Kärnten 25,1 %, Österreich 24,1 %). Der Anteil an

46 Eigene Darstellung nach: ebd., 7. 47 Vgl. ebd., 7–8. 48 Vgl. AMS Österreich, „Der Kärntner Arbeitsmarkt – Arbeitsmarktservice Kärnten“. 14 Langzeitarbeitslosen umfasste in der Region Oberkärnten 5,6 %, in Kärnten 4,3 % und in Österreich 2,4 %.49

In diesen drei Regionen war zwischen 2009 und 2013 tendenziell eine geringe Verschiebung von männlichen zu weiblichen Arbeitslosen zu erkennen. Der Anteil an jugendlichen Arbeitslosen war in den Jahren 2009 bis 2013 rückläufig, während bei der Anzahl an älteren Arbeitslosen eine durchschnittliche Steigerung von rund 4,8 % zu beobachten war. Bei den Langzeitarbeitslosen zeigte sich in Oberkärnten eine Zunahme von 2,3 %, in Kärnten eine sehr geringe Zunahme von 0,2 % und österreichweit eine Verringerung um 0,2 %.50

2.3.3. Betriebe und Betriebsdynamik

In Oberkärnten waren im Jahr 2013 4.148 Arbeitgeberbetriebe registriert, dies entsprach einem Anteil an den österreichischen Arbeitgeberbetrieben von 1,42 %. In Kärnten gab es 19.931 Arbeitgeberbetriebe (Anteil Österreich- Arbeitgeberbetriebe 6,82 %). Rund 21 % der Kärntner Arbeitgeberbetriebe befinden sich somit in Oberkärnten. Die Entwicklung von 2009 bis 2013 verzeichnet eine geringe jährliche Zunahme von 0,7 % für Oberkärnten. In Gesamtkärnten betrug die Zunahme 0,3 %, österreichweit kam es zu einer Stagnation (0,0 %).51

Die Verteilung der unselbstständig Beschäftigten zeigt, dass 24,7 % in Kleinstbetrieben (1 bis 9 Mitarbeiter), 30,1 % in Kleinbetrieben (10 bis 49 Mitarbeiter), 29,2 % in Mittelbetrieben (50 bis 249 Mitarbeiter) und 26,0 % in Großbetrieben (ab 250 Mitarbeiter) beschäftigt sind. Sowohl kärnten- als auch österreichweit war eine Verschiebung bei der Anzahl an Beschäftigten von den Kleinst- und Kleinbetrieben hin zu den Mittel- und Großbetrieben zu eruieren. So betrug beispielsweise der Anteil an Beschäftigten in Kleinstbetrieben in Kärnten 19,2 % und in Österreich 16,6 %, während der Anteil in Großbetrieben in Kärnten 34,7 % und in Österreich 39,9 % umfasste.52 Die nachfolgenden Tabellen zeigen jeweils zehn der größten Produktions- (Tabelle 3) bzw. Dienstleistungsbetriebe (Tabelle 4) Oberkärntens inklusive der Anzahl der Beschäftigten 2013. Es muss angemerkt werden, dass lediglich sechs dieser 20 Betriebe unter die Kategorie

49 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 7. 50 Vgl. ebd. 51 Vgl. ebd., 11. 52 Vgl. ebd. 15 der Großbetriebe fallen. Die restlichen 14 Betriebe können der Kategorie der Mittelbetriebe zugeordnet werden.

Tabelle 3: 10 der größten Produktionsbetriebe Oberkärntens – gerundete Anzahl der Beschäftigten 201353

Arbeitgeberbetrieb Mitarbeiter Strabag 970 Haslinger Stahlbau GmbH 300 Merck KGaA & Co. Spittal 250 Hasslacher Drauland Holzindustrie GmbH 200 Kärntnermilch 180 Lindner-Recyclingtech GmbH 180 Eco Wärmeaustauscher GmbH 170 Noritec Holzindustrie GmbH 160 Wech-Kärntner Truthahnverarbeitung GmbH 160 Embatex AG 160

Tabelle 4: 10 der größten Dienstleistungsbetriebe Oberkärntens – gerundete Anzahl der Beschäftigten 201354

Arbeitgeberbetrieb Mitarbeiter Fachhochschule Kärnten 580 Krankenhaus Spittal/Drau GmbH 450 BRVZ Bau- Rechen- u. Verwaltungszentrum GmbH 310 Familie Ronacher GmbH 150 Jobzone Personalmanagement GmbH 150 Walcher Security GmbH 130 Hotel Hochschober GmbH 100 Franz Moser GmbH 100 Bergeralm Hotelbetriebsgesellschaft m.b.H. 90 Stadtgemeinde Spittal 90

Im Jahr 2013 wurden bei der Wirtschaftskammer in Oberkärnten 541 Neugründungen verzeichnet. Die Steigerungsrate im Vergleich zum Vorjahr

53 Eigene Darstellung nach: AMS Österreich, „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Spittal/Drau", „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Hermagor", „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Feldkirchen“. 54 Eigene Darstellung nach: ebd. 16 betrug 2,8 %, Kärnten lag bei 8,1 %. Österreichweit wurde eine Steigerung von 11,5 % erzielt. Durchschnittlich gab es zwischen 2009 und 2012 in Oberkärnten 444 Neugründen pro Jahr (Kärnten 2.088, Österreich 35.189).55

2.3.4. Wirtschaftsstruktur

Die regionale Wirtschaftsstruktur Oberkärntens ist vor allem durch den Dienstleistungssektor geprägt.56 Die Tabelle 5 zeigt die Aufteilung der unselbstständigen Beschäftigten auf die einzelnen Sektoren und Branchen. Im Jahr 2013 waren in diesem Sektor 67,8 % der unselbstständigen Beschäftigten der Region Oberkärnten beschäftigt, im Produktionssektor waren es 31,2 % und im Primärsektor 1 %. Im Dienstleistungssektor waren überwiegend die Bereiche Handel, Reparatur (25,4 %), Beherbergung und Gastronomie (19,9 %) sowie öffentliche Verwaltung, Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen (29,6 %) stark ausgeprägt. Im Produktionssektor lagen die Schwerpunkte im Bauwesen (44,2 %) und im Bereich der Warenherstellung (48,5 %), hier vordergründig bei der Nahrungs-, Futtermittel-, Getränkeherstellung und Tabakverarbeitung sowie bei Holz, Flecht-, Korb- und Korkwaren (ohne Möbel) und im Maschinenbau.57

In Kärnten bzw. Österreich waren 2013 72,5 % bzw. 73,5 % im Dienstleistungssektor beschäftigt. Größere Abweichungen im Vergleich zu Oberkärnten gab es in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen (37,7 % bzw. 35,2 %) sowie Beherbergung und Gastronomie (9,4 % bzw. 7,9 %). Im Produktionssektor lagen die größten Abweichungen im Bauwesen und in der Herstellung von Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren (ohne Möbel).58

55 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 13. 56 Vgl. AMS Österreich, „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Spittal/Drau“. 57 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 15. 58 Vgl. ebd. 17 Tabelle 5: Wirtschaftsstruktur 2013 – anteilig, Vergleich Oberkärnten, Kärnten, Österreich59

In Oberkärnten gab es zwischen 2009 und 2013 bei den Beschäftigungsanteilen eine Verschiebung von - 2,2 % zulasten des Produktionssektors und hin zum Dienstleistungssektor (+ 1,9 %) sowie zum Primärsektor + 0,3 %. In Kärnten und in Österreich war eine geringere Verschiebung vom Produktionssektor (- 0,8 % bzw. - 0,7 %) hin zum Dienstleistungssektor (jeweils + 0,7 %) zu beobachten.60

59 Vgl. ebd. 60 Vgl. ebd., 18. 18 2.3.5. Wirtschaftskraft

Das BRP von Oberkärnten betrug im Jahr 2012 3.158 Mio. EUR, dies entsprach 25.000,00 EUR je Einwohner.61 Kärnten lag bei 31.700,00 EUR je Einwohner, Österreich bei 37.650,00 EUR.62 Zwischen 2009 und 2011 konnte eine Steigerung des BRP von 5,4 % eruiert werden (Kärnten + 9,2 %, Österreich + 8,3 %). Im Vergleich zu den anderen 34 NUTS 3-Regionen Österreichs belegte die Region Oberkärnten 2011 mit einem BRP/EW von rund 70 % des österreichischen Wertes den 28. Rang. Die Bruttowertschöpfung im Jahr 2011 erfolgte zu 4 % aus dem primären Sektor (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei), zu rund 30 % aus dem sekundären Sektor (Gewinnung von Rohstoffen, Herstellung von Waren, Energie und Wasser, Bau) und zu rund 66 % aus dem tertiären Sektor (Erbringung von Dienstleistungen). Die BWS Österreichs verteilt sich zu 2 % auf den primären, zu 29 % auf den sekundären und zu 70 % auf den tertiären Sektor.63

Das monatliche Bruttomedianeinkommen umfasste im Jahr 2013 2.101,00 EUR in Oberkärnten und lag damit 184,00 EUR unter dem Kärntner und 276,00 EUR unter dem österreichischen Bruttomedianeinkommen. Die jährlichen Steigerungsraten zwischen 2009 und 2013 waren in den drei Vergleichsregionen nahezu gleich hoch (Oberkärnten 2,0 %, Kärnten 2,1 %, Österreich 2,0 %). Der Kaufkraftindex (Österreich 2013 = 100) lag bei 86 (Kärnten 94).64

2.3.6. Zwischenfazit

Es kann zusammengefasst werden, dass sich die im Kapitel 2.3. angeführten Schlagwörter wie Rückgang der Bevölkerungs- und Beschäftigtenzahl, hohe Arbeitslosenquote und Anstieg der Arbeitslosigkeit bei näherer Betrachtung für die Region Oberkärnten bewahrheitet haben. In den Jahren 2009 bis 2013 schrumpfte die Bevölkerung um 2,2 % und auch in Zukunft (bis 2030) wird mit einem weiteren Bevölkerungsrückgang von 1,6 % gerechnet. Die Arbeitslosenquote lag 2013 bei 10,7 %, für 2014 wird ebenso mit einer negativen Beschäftigungsentwicklung gerechnet. Zudem ist eine Zunahme von älteren Arbeitslosen zu beobachten. Rund ein Viertel der unselbstständigen

61 Vgl. Statistik Austria, „STATISTIK AUSTRIA – NUTS 3 – Regionales BIP und Hauptaggregate“. 62 Vgl. Statistik Austria, „STATISTIK AUSTRIA – Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“. 63 Vgl. AMS Österreich, „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Spittal/Drau“. 64 Vgl. KWF, NUTS3 – Profil Oberkärnten AT 212 mit den Vergleichsregionen Bundesland Kärnten (AT21) Österreich (AT), 25. 19 Beschäftigten arbeiten in einem der sechs Großbetriebe der Region. Die Anzahl an Arbeitgeberbetrieben nahm zwar in den Jahren von 2009 bis 2013 jährlich geringfügig zu, generell zeigt die Statistik bei der Anzahl an Neugründungen im Kärnten- und Österreichvergleich jedoch eine unterdurchschnittliche Entwicklung. Die regionale Wirtschaftsstruktur ist mit rund zwei Drittel stark vom Dienstleistungssektor mit Hauptaugenmerk auf die Bereiche Handel, Reparatur und Beherbergung und Gastronomie sowie öffentlicher Verwaltung, Unterrichts-, Gesundheits- und Sozialwesen geprägt. Im Produktionssektor ist das Bauwesen als dominanter Bereich zu nennen. Generell kann angemerkt werden, dass sich die Beschäftigungsverhältnisse vom Produktionssektor laufend hin zum Dienstleistungssektor verschieben. Der Kaufkraftindex der Region umfasste im Vergleich zu Österreich 2013 lediglich 86.

Ein ähnliches Ergebnis liefert eine Standortbestimmung für die Region Oberkärnten durch das AMS, die sich aus der Analyse des Wohlstandsniveaus ableiten lässt. Hier wurden verschiedene „Wohlstandsindikatoren“65 verknüpft und daraus eine synthetische Gesamtrangreihung für das Wohlstandsniveau der österreichischen NUTS 3-Regionen nach dem Wohnortprinzip66 abgeleitet. Die dabei verwendeten Indikatoren spiegeln sowohl die Einkommens- als auch die demografische Struktur der Regionen wider und offerieren somit ergänzende Informationen zu jenen Indikatoren, die sich auf den Arbeitsort beziehen. Die Region Oberkärnten ist nach dieser Bewertung in die Kategorie ‚Ränge 30-35‘ (siehe Abbildung 2) einzuordnen. Das AMS gibt als Hauptgründe für diese Reihung die hohe Arbeitslosenquote, den hohen Anteil der Wohnbevölkerung über 65 Jahren und den hohen Anteil erwerbsferner Personen an.67

65 Statistik Austria: Anteil der Über-65-Jährigen 2013, durchschnittlicher Jahresnettobezug 2010 bis 2012, Anteil der Teilzeitbeschäftigung 2010 bis 2012; Arbeitsmarktservice Österreich (bzw. Statistik Austria): Arbeitslosenquote 2011 bis 2013, Anzahl der Tage in Krankengeldbezug 2011 bis 2013 je erwerbstätiger Person 2009 bis 2011, Anteil der 25- bis 64-jährigen erwerbsfernen Personen an der Wohnbevölkerung im selben Alter 2011 bis 2013. 66 Erfassungsprinzip der Daten nach dem Wohnort (Wohnsitz). 67 Vgl. AMS Österreich, „AMS | Arbeitsmarktprofile 2013 Spittal/Drau“. 20

Abbildung 2: Verknüpfung von Wohlstandsindikatoren68

68 ebd. 21 3. Geld

Im Kapitel 3 erfolgt zunächst zum leichteren Verständnis der Thematik eine Einführung zum Thema Geld. Hierbei wird geklärt, was Geld ist und welche Funktion es hat. Geld und Zinsen sind in unserem heutigen Währungssystem untrennbar verbunden und stellen in der Wirtschaft unverzichtbare Faktoren dar. Geld hat zwar den Tauschhandel vereinfacht, in unserem Geldsystem gibt es aber auch Konstruktionsfehler, die sich negativ auf eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft auswirken. Diese Konstruktionsfehler werden nachfolgend aufgezeigt, ebenso werden die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung diskutiert.

3.1. Was ist Geld?

„Geld ist eine Übereinkunft innerhalb einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden.“69 Mit der Einführung des Geldes wurden die Nachteile des Tauschhandels beseitigt. Zur Erfüllung dieser Funktion ist es erforderlich, dass das Tauschmittel verfügbar, erschwinglich, dauerhaft, tauschbar, handlich und zuverlässig ist.70 Einerseits gilt es als wertneutral, d. h., es beeinflusst weder die ausgeführten Transaktionen noch die Beziehungen der Menschen, die es verwenden.71 Andererseits gilt Geld als das Herz der Wirtschaft und bestimmt Erfolg und Misserfolg der Menschen ein ganzes Leben lang.72 Es ist ein zentrales Merkmal der menschlichen Existenz und zugleich ein Gradmesser unseres Wirtschaftswachstums, des sozialen Status und der Konsumgewohnheiten.73

Die Formen des Geldes haben sich über die Jahrtausende hinweg entwickelt. Der Entwicklungsbeginn liegt im direkten Tauschhandel. Schon damals waren die meisten Tauschmittel beschränkt, aber in ausreichender Menge verfügbar, nicht verderblich und wurden allgemein als wertvoll erachtet. Frühformen waren z. B. Steine, Muscheln, Schmuck, Waffen, aber auch Getreide, Tiere oder Salz. Um die Nachteile des Tauschhandels zu beseitigen, wurde Geld als Tauschmittel eingeführt. Zwischen 650 und 600 v. Chr. wurden von den Lydiern die ersten Münzen als Zahlungsmittel verwendet. Den Münzhandel im antiken Europa

69 Lietaer, Das Geld der Zukunft, 119. 70 Vgl. Ferguson, Der Aufstieg des Geldes, 25. 71 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 22. 72 Vgl. Brunnhuber et al., Geld und Nachhaltigkeit, 6. 73 Vgl. ebd., 11. 22 setzten die Griechen und die Römer durch. Im Frühmittelalter nahm der Münzverkehr zugunsten des Tauschhandels erneut ab, bis Karl der Große 792 bis 793 mit dem Silberdenar eine einheitliche Silberwährung durchsetzte. In weiterer Folge gingen Material und Wert der Münzen immer weiter auseinander. Heute spielt das Material, aus dem Geld gemacht wird, keine Rolle mehr. Der Wert des Geldes resultiert aus Kriterien wie Vertrauen, Gesetze, Zinssätze und Einschätzungen der Finanzmärkte über den zukünftigen Wert.74 Mittlerweile kommt dem Bargeld nur noch eine untergeordnete Rolle zu. Die Bargeldmenge beträgt in den USA lediglich noch 11 % des Geldmengenaggregats M275. Elektronisches Geld verdrängt es zunehmend.76

3.2. Funktionen des Geldes

Geld besitzt vier Grundfunktionen:77

1. Die Tauschfunktion

Geld wird als einheitliches Tauschmittel akzeptiert und erleichtert somit den Tauschhandel erheblich. Es macht die mühevolle Suche nach einem Tauschpartner mit geeignetem Produkt überflüssig. Ohne Geld als Tauschmedium wäre der Handel bei der heutigen Anzahl an Produkten und Tauschpartner nur schwer möglich.78

2. Die Regulierungsfunktion

IWF und Zentralbanken nutzen Geld zur Regulierung und Stabilisierung des Wirtschaftssystems. Die entsprechenden Ergebnisse können z. B. durch die Bereitstellung von Geldkrediten oder durch Steuereinhebungen erzielt werden. Dadurch wird es möglich, entweder entwicklungsdynamische oder verteilungspolitische Ziele zu erreichen.79

3. Geld als Recheneinheit

Geld dient als allgemein anerkannte Maß- und Recheneinheit und spiegelt den Preis von Produkten und Dienstleistungen wider. Es ist ein

74 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 14–15. 75 Das Geldmengenaggregat M2 ist die Summe der US-Dollar-Bar-Bestände in Banknoten und Münzen plus laufende Dollar-Girokontenbestände plus Dollar-Einlagenzertifikate und Dollar-Geldmarkt-Kontenbestände unter 100.000 Dollar. 76 Vgl. Ferguson, Der Aufstieg des Geldes, 29. 77 Vgl. Brunnhuber und Klimenta, Wie wir wirtschaften werden, 192–194. 78 Vgl. ebd., 192. 79 Vgl. ebd., 192–193. 23 Wertvergleichsmaßstab wie die Einheit Kilogramm zur Messung von Gewicht oder die Einheit Meter zur Messung von Distanzen.80

4. Geld als Vermögensspeicher

Geld dient als Vermögensspeicher und spielt somit eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Wirtschaft. Wird gespart, so wirkt sich dies nur positiv auf unser Finanzsystem aus, sofern die Ersparnisse von Banken als Kredite weitergegeben werden. Konsum belebt die Wirtschaft, das Horten von Geld zu Hause hat dagegen negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung.81

Darüber hinaus gibt es weitere Funktionen des Geldes, die z. T. in den

Lehrbüchern nicht angeführt werden. Schon im Jahr 1999 merkte LIETAER an, dass 98 % des Devisenhandels Spekulationsgeschäfte sind. Somit diene nur 2 % dem Handel von realen Werten. Geld übernimmt in diesem Fall die Funktion des Spekulationsinstrumentes. Währungen fungieren fallweise auch als Herrschaftsinstrument. Mit ihnen können einheitliche Wirtschafts- und Informationsräume geschaffen werden. Beim Aufbau von Nationalstaaten kam den Landeswährungen eine bedeutende symbolische Rolle zu. Schon Aristoteles war der Meinung, dass die Macht, eine Währung durchzusetzen, eine Grundlage für ein Reich ist.82

3.3. Die Konstruktionsfehler unseres Geldsystems

Laut KENNEDY wirken auf unser herkömmliches Geldsystem drei Missverständnisse ein83, welche ein krankhaftes Wirtschaftswachstum erzwingen.

3.3.1. Exponentielles Wachstum

Das erste Missverständnis betrifft das Wachstum. Es gibt nur ein gesundes Wachstum und das ist das natürliche Wachstum. Sowohl unser Körper als auch Pflanzen und Tiere wachsen nicht ewig, das Wachstum endet bei der optimalen Größe. Dieser Gedankengang trifft auf das Geldsystem nicht zu. Es ist kein natürliches System, sondern wurde von Menschen konstruiert. Geld folgt einem anderen Wachstumsmuster, dem sogenannten exponentiellen oder

80 Vgl. ebd., 193. 81 Vgl. ebd., 193–194. 82 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 440. 83 Vgl. Kennedy, „Wer regiert das Geld“, 22–23. 24 Verdoppelungswachstum. Zuerst steigt es nur in kleinen Raten an, erhöht sich dann aber kontinuierlich und endet schließlich in einem fast senkrechten, unbegrenzten qualitativen Wachstum. Die Natur würde hier ihre Grenzen aufzeigen und unkontrolliertes Wachstum durch Zusammenbruch oder Zerstörung regeln. Geldvermögen verdoppelt sich durch Zins und Zinseszins in regelmäßigen Abständen. Hätte Joseph z. B. zur Zeit der Geburt Christi einen Pfennig mit einer 5%igen Verzinsung pro Jahr bei einer Bank angelegt, so hätte sein Wert im Jahr 2000 zum damaligen Goldpreis 500 Milliarden Kugeln aus Gold vom Gewicht unserer Erde entsprochen. Dieses Beispiel zeigt auf, dass exponentielles Wachstum durch Zins und Zinseszinsen zwar mathematisch berechenbar ist, aber faktisch auf Dauer nicht funktionieren kann. Die Lösung liegt in der Vermeidung von Zins und Zinseszins. Allerdings ist dies praktisch nicht umsetzbar, weil sie für die Wirtschaft ein wichtiger Indikator für die Betrachtung von Investitionen sind. Zumindest Zinsen plus Gewinn sollen durch zukünftige Investitionen erwirtschaftet werden, deshalb strebt die Wirtschaft exponentielles Wachstum an. Irgendwann jedoch geht die Schere zwischen Geldwerten und Realwirtschaft auseinander und es bilden sich Spekulationsblasen. Diese platzen und der Zyklus beginnt erneut.84

3.3.2. Zinszahlungen nur für eigene Ausleihungen

Das zweite Missverständnis lautet, dass Zinszahlungen nur zu leisten sind, wenn Geld von der Bank oder von anderen geliehen wird. Tatsächlich sind aber in jedem Preis, der für Waren und Dienstleistungen bezahlt wird, Zinsanteile enthalten. Es handelt sich hierbei um die Zinsen, welche die Produzenten und Dienstleister für die über Dritte finanzierten Investitionen, für z. B. Maschinen und Geräte, zu zahlen haben und an ihre Kunden als Teil des Preises weitergeben.85

KENNEDY gibt an, dass dieser Anteil am Preis der Güter und Dienstleistungen, die für das tägliche Leben verwendet werden, durchschnittlich etwa 40 % beträgt. Fallen die Zinsen weg, so bleibt mehr (fast das doppelte) Einkommen übrig oder es kann, ohne ein Sinken des Lebensstandards befürchten zu müssen, weniger gearbeitet werden.86

84 Vgl. ebd., 22. 85 Vgl. ebd. 86 Vgl. ebd. 25 3.3.3. Zinsen als gerechte Gebühr bzw. Prämie

Das dritte Missverständnis bezieht sich darauf, dass der Zins für eine gerechte Gebühr für das Bereitstellen von Liquidität interpretiert wird. Jeder soll für seine Spareinlagen Zinsen erhalten und von allen sollen Zinsen mit jedem Preis bezahlt werden. Dies scheint zwar gerecht, ist aber bei näherer Betrachtung trügerisch. Zins und Zinseszinseffekt sorgen dauerhaft für eine legale Umverteilung des Geldes. 80 % der deutschen Haushalte zahlen fast doppelt so viele Zinsen, wie sie einnehmen. Bei 10 % sind Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen und lediglich 10 % profitieren von diesem System.87

Zinsen gelten als Merkmal sämtlicher offizieller nationaler Währungen. Für die meisten Menschen gehören sie zum wirtschaftlichen Alltag und werden als selbstverständlich angenommen. Dies war allerdings in der Geschichte nicht immer der Fall. Über viele Jahrhunderte hinweg haben die drei Offenbarungsreligionen den Wucher, also jede Form, Zinsen auf Geld zu kassieren, ausdrücklich bekämpft. In der katholischen Kirche war dies noch bis in das 19. Jahrhundert der Fall. Islamische Religionslehrer halten bis jetzt daran fest. Die Einhebung von Zinsen zieht weitreichende Folgen nach sich. Zinsen fördern indirekt den Wettbewerb und verstärken auch bei stagnierendem Lebensstandard die Notwendigkeit des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums. Schließlich unterstützen sie die Konzentration von Reichtum durch die Umverteilung von Geld von großen zu kleinen Minderheiten.88

3.4. Auswirkungen des Geldsystems auf die Nachhaltigkeit

BERNARD LIETAER, CHRISTIAN ARNSPERGER, SALLY GOERNER und STEFAN

BRUNNHUBER beschäftigen sich in ihrem Buch ‚Geld und Nachhaltigkeit – Von einem überholten Finanzsystem zu einem monetären Ökosystem‘ u. a. mit den schädlichen Auswirkungen des konventionellen Geldsystems auf die Nachhaltigkeit. Sie zeigen darin fünf schädliche Prozesse auf:89

1. der prozyklische Charakter des Geldschöpfungsprozesses, der sowohl Auf- als auch Abschwung im Konjunkturzyklus verstärkt;

87 Vgl. ebd. 88 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 129–132. 89 Vgl. Brunnhuber et al., Geld und Nachhaltigkeit, 174–175. 26 2. die systematische Förderung des kurzsichtigen Denkens und Handelns, weil das Zinsmerkmal des Geldsystems ‚rationale‘ Investoren darauf programmiert, die Zukunft zu ignorieren;

3. zwanghaftes Wachstum aufgrund der Mechanismen der Zinseszinsen;

4. Konzentration von Reichtum;

5. eine Abwertung des Sozialkapitals.

In guten Zeiten gewähren die Banken großzügig Kredite, in schlechten Zeiten werden die Kreditgewährungen dagegen stark reduziert. Die Banken verstärken damit sowohl die positiven als auch die negativen Konjunkturentwicklungen (Boom-und-Bust-Zyklen) und fördern die Bildung von Vermögensblasen, welche stets mit negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung platzen. Rational denkende Investoren fokussieren eher auf kurzfristige Gewinne als auf langfristigen Erfolg und Stabilität. Dies führt dazu, dass langfristige und nachhaltige Investitionen, z. B. in Infrastruktur oder Strategien in erneuerbare Ressourcen, vernachlässigt werden. Unser konventionelles Geldsystem hebt auf Geld Zinseszinsen ein und fördert somit exponentielles Wachstum. Dieses Wachstum ist mathematisch dauerhaft nicht möglich und hat zerstörerische Folgen für die reale Wirtschaft (siehe Kapitel 3.3.1). Zinsen, Geldschöpfungsprozesse und Lobbyismus sind in unserem Geldsystem eingebaute Funktionen, die zur Konzentration von Reichtum führen. Eine ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung lässt die Schere zwischen Arm und Reich immer größer werden, was zu sozialen Spannungen führt. Armut ist hierbei das erste Anzeichen einer Abnahme von Sozialkapital. Es kann zusammengefasst werden, dass alle fünf Prozesse nicht für sich alleine wirken, sondern eine Ursache-Wirkungs-Beziehung bilden. Sie können jedoch ebenso durch andere Systeme ausgeglichen werden.90 Ein solches System stellen Komplementärwährungen dar.

90 Vgl. ebd., 175–214. 27 4. Komplementärwährungen

Zu Beginn des Kapitels 4 werden zunächst Definition, Aufgaben und Prinzip der Komplementärwährungen näher erläutert. Zum besseren Verständnis des Themas werden zwei erfolgreiche Beispiele aus der Vergangenheit betrachtet. Der Hauptteil dieses Kapitels widmet sich dem Thema Regionalwährungen, welche eine Sonderform der Komplementärwährungen darstellen. Zunächst werden Sinn und Zweck sowie Ziele von Regionalwährungen betrachtet. Es wird aufgezeigt, welche Bestandteile und Kriterien Regionalwährungen nachhaltig und erfolgreich machen. Weiterhin erfolgt eine kritische Würdigung des Themas. Die Zukunft der Regionalwährungen soll anhand weiterführender Systeme sowie aktuellen Finanzinnovationen aufgezeigt werden. Abschließend wird betrachtet, welche Rolle die Volksbank als Genossenschaftsbank nach dem Gedankengut von Hermann Schulze-Delitzsch im angeführten Kontext spielen kann.

4.1. Definition, Aufgaben und Prinzip der Komplementärwährungen

„Eine Komplementärwährung stellt eine allgemeine Übereinkunft innerhalb einer Gemeinschaft dar, etwas anderes als das offizielle gesetzliche Zahlungsmittel für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu akzeptieren.“91

Komplementärwährungen sind keine Erfindung der Neuzeit, denn es gab schon immer Parallelwährungen. Viele wurden aus der Not heraus erschaffen, weil die Zentralwährung nicht in ausreichendem Maße vorhanden war. In den Zeiten von Gold-, Silber- und Kupfertalern fielen Bleimünzen in die Kategorie der Komplementärwährungen. Aufgrund ihres geringeren Edelmetallanteiles wurde sie nicht sicher verwahrt, sondern schnell für Lebensmittel im Dorf ausgegeben.92 Heute sind z. B. Bonusmeilen von Fluggesellschaften eine in die Praxis umgesetzte Form von Komplementärwährungen. Ihr Ursprung liegt in der Bindung der Kunden an das Unternehmen. Mittlerweile wird allerdings nur ein Drittel der Bonusmeilen für neue Flüge verwendet, der Rest wird zur Zahlung verschiedenster Dienstleistungen wie Taxifahrten, Hotelaufenthalte usw.

91 Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 46. 92 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 21–22. 28 herangezogen. Sogar in diversen Supermärkten werden Bonusmeilen als Zahlungsmittel anerkannt.93

Sowohl Bleimünzen als auch Bonusmeilen existierten bzw. existieren parallel zu den jeweils gültigen Zentralwährungen und waren bzw. sind mit diesen nicht ursächlich verknüpft. Das Prinzip der Komplementarität ist ein wesentliches Merkmal von Komplementärwährungen. „Zwei Phänomene werden als komplementär zueinander beschrieben, wenn sie nicht ursächlich verbunden sind, nichtsdestotrotz jedoch beide nötig sind, um einen empirischen Prozess, ein Ereignis oder Verhalten zu verstehen und zu beschreiben.“94 Dieses Konzept kommt ebenso in vielen anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie z. B. der Physik oder der Psychologie vor. Auch unsere genetischen Codes sind nach binären Konzepten aufgebaut. Sie sind ursächlich nicht verknüpft, laufen parallel, aber zur Erklärung menschlichen Verhaltens sind beide Begriffe erforderlich. So verhält es sich auch mit Komplementärwährungen. Sie funktionieren auf der Basis verschiedener Prinzipien, sind jedoch hinsichtlich ihrer Mechanismen aufeinander angewiesen. Sie übernehmen somit Aufgaben, welche von den Standardwährungen nicht getragen werden.95

4.2. Historische Beispiele

Wie bereits erwähnt, hat es in der Geschichte der Menschheit immer schon Komplementärwährungen gegeben. Speziell aus der jüngeren Geschichte bestehen zahlreiche Beispiele. Einige waren erfolgreich, bei vielen ist die Umsetzung nicht geglückt. Nachfolgend sollen zwei besondere und erfolgreiche historische Beispiele betrachtet werden: das Brakteatengeld, eines der ältesten Beispiele europäischer Komplementärwährungen, und das in den 1930er Jahren sehr erfolgreiche Wörgler Schwundgeld.

4.2.1. Das Brakteatengeld

Das Brakteatengeld stammt aus dem 12. Jahrhundert und war eine einseitig geprägte Münze. Über Wert und Wirkung besteht in der Forschung heute keine Einigkeit. Einerseits wird es in vielen Geschichtsbüchern als Geld dargestellt, das nur Verwirrung stiftete, andererseits waren andere, beispielsweise KENNEDY, der Meinung, dass es die Grundlage für eine positive wirtschaftliche und kulturelle

93 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 46. 94 ebd., 49. 95 Vgl. ebd., 49–50. 29 Entwicklung des Hochmittelalters war. Ein Entstehungsgrund des Geldes war der Silbermangel zur damaligen Zeit. Auch dürfte das vorherrschende allgemeine Zinsverbot zur Entwicklung beigetragen haben. Im Sinne der Steigerung der Anzahl von Silbermünzen bei gleichem Materialeinsatz wurden kleinere oder dünnere Münzen geprägt. Diese wurden Halbbrakteaten genannt. Eine Weiterentwicklung waren dann die eigentlichen Brakteaten, welche nur einfach geprägt wurden. Aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit waren sie lediglich sehr kurz einsetzbar und häufige Münzverrufungen waren die Folge. Hierbei wurden alte Münzen gegen eine neue Prägung ausgetauscht. Im Zuge dessen kam es zur Einführung einer Prägesteuer (auch Schlagschatz genannt), welche zwischen 10 und 25 % betrug. Der Wert der Münzen verfiel mit jeder Münzverrufung. Der Aufbau von Geldvermögen war dadurch nicht möglich. Alternativ wurde in nachhaltige Sachwerte wie Häuser, Kunstwerke und schöne Möbel investiert. „Der Wirtschaftskreislauf florierte, weil der zinsbedingte Aufschuldungseffekt wegfiel und eine stetige Nachfrage durch den Umlaufzwang des Geldes garantiert war.“96 In Relation zur Geldmenge war die Prägesteuer vergleichsweise hoch. Wird dieses allerdings in Relation zum gesamten Geldvolumen (= Umschlag x Geldmenge) gesetzt, so relativiert sich die Höhe stark und der gesamtwirtschaftliche Mehrwert aufgrund der Umlaufsicherung ist wesentlich höher. Die Einnahmen aus der Münzerneuerung verhindern zudem weitere Steuern.97 Rund zweieinhalb Jahrhunderte funktionierte das System der ständigen Gelderneuerung, eher es Mitte des 14. Jahrhunderts in Schieflage geriet. Die Gründe waren vielfältig. Einerseits gab es aufgrund vieler Kriege bei den Herrschern einen erhöhten Geldbedarf, welchen diese durch immer häufigere Gelderneuerungen aufzubringen versuchten. Dies führte letztendlich zur systematischen Geldentwertung. Andererseits machten Katastrophen, wie z. B. die Pest, eine normale wirtschaftliche Entwicklung unmöglich.98

4.2.2. Das Wörgler Schwundgeld

Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren begann mit dem ‚Schwarzen Freitag‘, dem 24. Oktober 1929. Hier wurde deutlich, dass die Geldnachfrage hinter dem Warenangebot zurückblieb, d. h., für einen gewissen Warenteil gab es

96 Kennedy und Creutz, Geld ohne Zinsen und Inflation, 139. 97 Vgl. ebd., 138–140. 98 Vgl. Busch und Busch, „Die Brakteaten des Mittelalters – ein historisches Phänomen von aktueller Bedeutung?“, 16. 30 keine Nachfrage, da das Geld dafür fehlte. Infolgedessen mussten die Preise fallen, was Panik auslöste.99

Wörgl hatte zu dieser Zeit rund 4.200 Einwohner100. Es gab 400 Arbeitslose im engeren Gemeindegebiet sowie 1.500 Arbeitslose im Gesamtbezirk und ihre Zahl stieg von Tag zu Tag. Es bestanden Schulden in Höhe von 1.300.000,00 Schilling sowie Zinsrückstände von 50.000,00 Schilling bei der Sparkasse der Stadt Innsbruck. Guthaben gab es keine, lediglich ausstehende Steuereinnahmen von 118.000 Schilling, die aber zum damaligen Zeitpunkt nicht einbringlich waren. So stellte sich die Situation trostlos dar.101

Das weitere Schicksal von Wörgl ist mit dem damaligen Bürgermeister Michael Unterguggenberger untrennbar verbunden. Er entstammte einer Tiroler Bauernfamilie. Schon als Zwölfjähriger verließ er die Schule und arbeitete als Hilfsarbeiter, um einen Beitrag zum Lebensunterhalt seiner Familie leisten zu können. Nach drei Jahren begann er eine Ausbildung als Mechaniker. In kleinen Schritten baute er sich sein Leben selbst auf. Nach Arbeitsstätten am Bodensee, in Wien, an der rumänischen Grenze und in Galizien verschlug es ihn nach Liegnitz in Schlesien. Dort machte er erste Erfahrungen mit der Gewerkschaft. 1905 kam er zurück nach Wörgl und trat in den Dienst der Bahn. Zulasten einer Karriere bei der Bahn engagierte er sich stark für den Auf- und Ausbau der Gewerkschaft.102 Er wurde 1920/22 zum Gemeinderat gewählt, etwas später wurde er Vizebürgermeister und 1931 schließlich Bürgermeister von Wörgl.103

Unterguggenberger sah den langsamen Geldumlauf als Hauptursache der damaligen Wirtschaftsflaute. Geld wurde, anstatt es dem Warenmarkt zuzuführen, als Spekulationsmittel zurückbehalten. Es sammelte sich bei einigen wenigen Personen an, die Masse blieb geldmittellos. Eine Verringerung der Nachfrage nach Waren zusammen mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahl waren die Folgen. Angst und Misstrauen gegenüber den Wirtschaftsverhältnissen führten zu einem weiteren Abschwung und verlangsamen den Geldumlauf weiter. Das Ziel von Unterguggenberger war es, ein Zeichen zu setzen. In der Gemeinde Wörgl sollte das langsam umlaufende Nationalbankgeld durch ein geeigneteres Tauschmittel ersetzte werden. Es handelte sich hierbei um eine Hilfsaktion auf kommunaler Basis. Für die Einführung war eine positive Abstimmung im Gemeinderat erforderlich. Unterguggenberger sicherte sich schon im Vorfeld der

99 Vgl. Schwarz, Das Experiment von Wörgl, 32–33. 100 Vgl. ebd., 36. 101 Vgl. ebd., 40–41. 102 Vgl. ebd., 24–26. 103 Vgl. ebd., 30. 31 Abstimmung die Stimme der Meinungsmacher durch intensive Aufklärung. Dies führte letztendlich zu einem einstimmigen Beschluss zugunsten der Einführung seiner Idee.104 ‚Arbeitsbestätigungen‘ in drei Nennwerten zu 1, 5 und 10 Schilling wurden ausgegeben und in Umlauf gebracht. Damit sollten zukünftig so viele Zahlungen wie mögliche in der Gemeinde vorgenommen werden. Ebenso war es geplant, dass auch öffentliche Arbeiten damit durchgeführt und bezahlt werden. Die ‚Arbeitsbestätigungen‘ mussten zur weiteren Gültigkeit pro Monat mit einer Notabgabemarke in Höhe von 1 % beklebt werden. Sie konnten zum vollen Nennwert gekauft werden, beim Rückkauf fiel allerdings eine Gebühr von 2 % des Nennwertes an.105

Die Bevölkerung betrachtete die neue Währung zuerst mit Skepsis. Zu Einführungsbeginn gab es nur vier Geschäfte, darunter das Modegeschäft von Rosa Unterguggenberger, der Frau des Bürgermeisters, welche die Arbeitswertbescheinigung als Zahlungsmittel akzeptierten. Im Laufe der Zeit konnte Unterguggenberger aber immer mehr Kaufleute zur Teilnahme gewinnen, was wiederum den Druck auf die noch im alten System verbleibenden Kaufleute erhöhte. Zunehmend wuchs das Vertrauen der Bürger in das neue Zahlungsmittel. Eine steigende Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen war die Folge. Durch die Verwendung der ‚Arbeitsbestätigungen‘ wurde die Wirtschaft belebt und es konnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden.106 Während in anderen Ländern die Arbeitslosigkeit weiter stieg, sank zwischen 1932 und 1933 die Zahl der Arbeitslosen in Wörgl um 25 %.107

Das Experiment von Wörgl war eine Erfolgsgeschichte. Sie verbreitete sich rasch und schon nach kurzer Zeit wollten an die 200 Gemeinden in Österreich dieses System übernehmen. Das neue Währungssystem wurde allerdings von der Zentralbank abgelehnt. Sie erwirkte schließlich beim österreichischen Verwaltungsgerichtshof ein Verbot der Ausgabe von ‚Notgeld‘. In Wörgl musste das alte Währungssystem wieder eingeführt werden und schon nach kurzer Zeit lag die Arbeitslosenquote erneut bei 30 %.108

104 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 48. 105 Vgl. Schwarz, Das Experiment von Wörgl, 41–45. 106 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 49–50. 107 Vgl. Schwarz, Das Experiment von Wörgl, 54. 108 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 270–271. 32 4.3. Regionalwährungen

Das aktuelle Geldsystem kann als ein System der Ausplünderung beschrieben werden. Es unterstützt die Verschiebung von Kapital aus den Regionen, in denen es verdient wird, in die Regionen, welche die meisten Renditen erbringen. Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer.109 Der Euro ist der Region nicht verpflichtet. Er wird dorthin weitergeleitet, wo das meiste Geld zu verdienen ist. Im Jahr 2003 wurden fast 70 % des gesamten internationalen Investitionskapitals im asiatischen Raum in China, Hongkong und Taiwan veranlagt. Abgesehen von den Billigstlohnländern finanzieren zukünftig nahezu alle mit ihren Spareinlagen die eigene Arbeitslosigkeit durch Kapitalabfluss und Abwanderung von Betrieben in diese Länder mit. Mithilfe von Regionalwährungen kann diese Entwicklung abgefedert werden. Da der Kapitalabfluss mit Kosten verbunden ist, bleibt das Geld in der Region und wird reinvestiert. Die regionale Wirtschaft wird gestärkt und gleichzeitig gelingt es, in der Region eine höhere Kaufkraft zu schaffen.110

Gemäß der Definition sind Regionalwährungen den Komplementärwährungen zuzuordnen. Sie sind eine Sonderform dieser, die darauf abzielen, sich ungenutzte Ressourcen auf regionaler Ebene zunutze zu machen, um damit in einer Region unbefriedigte Bedürfnisse zu bedienen.111

4.3.1. Ziele von Regionalwährungen

Grundsätzlich verlieren alternative Geldformen kontinuierlich an Kaufkraft. Entweder werden Negativzinsen verrechnet oder zumindest keine Guthabenzinsen gezahlt und die Entwertung erfolgt über Inflation. Regionalwährungen besitzen somit die Funktion des Geldes als Wertaufbewahrungsmittel nicht.

Zusätzlich unterstützen Regionalwährungen das Erreichen der folgenden Ziele:

• teilweise Trennung der regionalen Wirtschaft von der globalen Wirtschaft,

• Entwicklung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft,

• Schutz vor weltweiten Finanzspekulationen,

• Bereitstellung von Liquidität für kleine und mittlere Betriebe,

109 Vgl. Kennedy und Creutz, Geld ohne Zinsen und Inflation, 213. 110 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 65–66. 111 Vgl. ebd., 51. 33 • Nachfrage nach regionalen Produkten und Dienstleistungen verstärken,

• Verkürzung der Transportwege und somit Reduktion des Energieverbrauchs,

• Konsument und Produzent enger verbinden,

• Verringerung der Arbeitslosigkeit,

• ‚Re-Regionalisierung‘ öffentlicher Infrastruktureinrichtungen sowie

• Stärkung der regionalen Identität.112

4.3.2. Bestandteile einer erfolgreichen Regionalwährung

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass sich erfolgreiche Regionalwährungen aus dem Zusammenspiel verschiedener Teilmodelle ergeben: durch Kombination eines Gutscheinsystems, eines Kooperationsrings und einer Mitgliedsbank.113 Alle drei Teilmodelle sind getrennt einführbar. Gemeinsam sind allerdings Synergieeffekte möglich. Sie optimieren die Funktionen des Geldes als Tauschmittel, Recheneinheit und Kreditmittel in der Region. Gleichzeitig kann die Währung so gestaltet werden, dass sie gemeinnützige regionale Einrichtungen durch Zuwendungen unterstützt.

Diese Teilmodelle werden nachfolgend zunächst erläutert und zum besseren Verständnis jeweils mit einem erfolgreichen Beispiel aus der Praxis unterlegt.

1. Gutscheinsystem:

Das Gutscheinsystem dient als regionales Zahlungsmittel und soll als Ersatz für Bargeld zur Zahlung geringer Beträge des täglichen Bedarfs herangezogen werden.114 Wer es einführt, kann die Regeln des Geldverkehrs selbst gestalten und ist durch Wirtschaftskrisen weniger beeinflussbar. Der Einsatz zum Nutzen aller Beteiligten in der Region sensibilisiert und fördert das Miteinander und den Zusammenhalt. Vereine und gemeinnützige Einrichtungen profitieren.115

Der Chiemgauer ist an dieser Stelle als erfolgreiches Beispiel zu nennen. Er ist ein komplementäres regionales Tauschmittel, welches sich den Kostenfaktor Kundentreue, der in viele Unternehmen mit 5 bis 10 % des Umsatzes kalkuliert

112 Vgl. ebd., 67. 113 Vgl. ebd. 114 Vgl. ebd., 67–68. 115 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 64. 34 wird, zum Nutzen macht.116 Sein Leitbild skizziert seine Funktion prägnant. „Wir wollen nachhaltig das Gemeinwohl und die regionale Wirtschaft stärken und damit unsere Arbeitsplätze und öffentliche Infrastruktur sichern und unabhängiger von externen Einflüssen machen, um das Einkommen und den Wohlstand seiner Bewohner nachhaltig zu sichern, indem wir selbst bestimmen, was mit unserem Geld passiert, dazu werden wir gemeinsam den reibungslosen Geldfluß in der Region sichern (Tauschmittel), Anlagekapital bündeln und Mittel für Regionale [sic!] Projekte und Unternehmen zur Verfügung stellen (Spar-, Kredit- und Finanzierungsfunktion) und regionale Gemeinnützige [sic!] Aufgaben unterstützen (Schenk- & Finanzierungsfunktion) um damit das Bewußtsein für die Bedeutung, und den Stellenwert des regionalen Wirtschaftens, in der Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Kultur zu erhöhen.“117 Im Gegensatz zum Euro nimmt der Wert des Chiemgauers laufend ab. Pro Quartal verliert er 2 %, wird er in Euro zurückgetauscht, werden Gebühren in Höhe von 5 % verrechnet, 2 % dienen als Bearbeitungsgebühr, 3 % gehen an soziale Einrichtungen und Vereine in der Region. Wohin die Unterstützung fließen soll, kann der Nutzer selbst festlegen. Durch diese Maßnahmen erhöht sich die Umlaufgeschwindigkeit des Chiemgauers und gleichzeitig wird das Gemeinschaftsgefühl in der Region gestärkt. Die Scheine gibt es in Stückelungen zu 1-, 2-, 5-, 10-, 20- und 50-Euro- Chiemgauern. Mittlerweile wurde die ‚Regiocard‘ eingeführt, mit der es ebenso möglich ist, bargeldlos in den Mitgliedsbetrieben zu bezahlen. Monatlich werden an die 150.000 Euro in Chiemgauer umgetauscht. Sie wechseln einmal vom Verbraucher zum Unternehmer und rund dreimal zwischen den Unternehmen und deren Partner. Etwa 75 % der Chiemgauer bleiben im System und werden aufgebraucht. Die restlichen 25 % werden zurückgetauscht.118

2. Kooperationsring:

Der Kooperationsring dient der bargeldlosen Verrechnung des Handels von Produkten und Dienstleistungen sowie der Kreditvergabe an Privatleute und Unternehmen in einer Region. Jeder kann seine eigene Leistung einbringen und mit anderen in der Region über Verrechnungskonten tauschen. Da die Geldschöpfung durch Leistung erfolgt und das ‚Geld‘ stets zu 100 % auf Leistungen abgesichert ist, gibt es keine Inflation. Es ergeben sich neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Privatleuten. Diese vergeben untereinander Kredite für den Handel von Waren- und Dienstleistungen, welche

116 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 68–69. 117 Chiemgauer Regiogeld UG (haftungsbeschränkt), Strategie- und Leitbildprozess 2005 – Ergebnispapier, 2. 118 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 59–64. 35 innerhalb einer vereinbarten Frist durch die eigene Leistung ‚zurückgezahlt‘ werden.119

Ein erfolgreiches Beispiel ist das Schweizer WIR-System. Dieses bargeldlose Verrechnungssystem besteht seit 1934. Es fördert die Umsätze kleiner und mittlerer Unternehmen, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.120 WIR steht für ‚Wirtschaftsring-Genossenschaft‘, aber auch für das persönliche Fürwort ‚wir‘.121 „WIR-Guthaben (CHW) sind gebundene Kaufkraft, sie werden immer wieder im Kreis der Teilnehmer ausgegeben. WIR verhält sich paritätisch zum CHF und wirft als aktives Geld keine Zinsen ab, damit es wieder rasch in Zirkulation gebracht wird.“122 Das WIR-System besteht aus WIR-Gruppen, wovon es aktuell 13 gibt. Sie sind unabhängige regionale Zusammenschlüsse mit vereinsähnlichen Strukturen.123 Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage werden im Sinne der Erhöhung der Liquidität gegenseitig Kredite vergeben. Die Analyse der Umsatzentwicklung belegt, dass, im Gegensatz zu herkömmlichen Banken, die prozyklisch wirken, sich WIR antizyklisch verhält. In Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs und eines Rückgangs des Umsatzes in CHF steigt der Umsatz in WIR. Erholt sich die Wirtschaft und können Waren in CHF bezahlt werden, so geht der Umsatz in WIR zurück.124

3. Mitgliedsbank:

Die Mitgliedsbank wickelt für Privatleute und Unternehmen die Kreditvergaben ab und verwaltet die Spareinlagen in der Region. Dies geschieht sowohl für den Euro als auch für die Regionalwährung. Das Modell der Mitgliedsbank basiert hauptsächlich auf dem Konzept und den Erfahrungen der J.A.K.-Systems.125

„Die Initialen J.A.K. stehen für Jord, Arbete, Kapital = Land, Arbeit, Kapital [...]“126 und das J.A.K.-System entstammt einer Idee aus Dänemark, die sich mittlerweile auch in Schweden etabliert hat. Das J.A.K.-Modell betreibt einen etwas anderen Umgang mit herkömmlichem Geld. In den 1930er Jahren schlossen sich aus wirtschaftlicher Not Bauern, Händler und Produzenten zusammen und führten eine zinsenlose Währung ein. Dieses System soll durch die Bildung einer eigenen Spar- und Leihgemeinschaft Kredite ohne Zinsen ermöglichen und zu

119 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 72–74. 120 Vgl. Kennedy, „Wer regiert das Geld“, 23. 121 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 292. 122 WIR Bank Genossenschaft, „WIR & CHF | Die WIR Bank | WIR Bank“. 123 Vgl. WIR Bank Genossenschaft, „WIR-Gruppen | WIR-Netzwerk | WIR Bank“. 124 Vgl. Kennedy, „Wer regiert das Geld“, 23. 125 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 76–77. 126 Kennedy und Creutz, Geld ohne Zinsen und Inflation, 193. 36 einer Wirtschaft ohne Inflation und Arbeitslosigkeit führen. Es funktioniert nach dem Prinzip der Bausparkassen mit der Abweichung, dass für Guthaben keine Zinsen erhalten und für Darlehen keine Zinsen gezahlt werden. Für die Kreditgewährung ist ein Zehntel an Eigenmittel erforderlich. Während der Rückzahlung wird gleichzeitig erneut angespart. Im Gegensatz zum gängigen Bankkredit verbleibt am Ende der Rückzahlung ein Sparguthaben von 90 % des Darlehens. Außerdem wird durch fixe Rückzahlungsraten, durch fixe Ansparraten und fixe Kreditgebühren Planungssicherheit während der gesamten Laufzeit geboten. Das System lebt von einer ständigen Ausgeglichenheit von Rückzahlung und Besparung. Oft wird über das erforderliche Ausmaß hinaus weitergespart, sodass auch jene, die noch nicht sparen konnten, die Möglichkeit haben, an Geld zu kommen. Das Risiko sowie die Risikokosten werden nicht an andere Institutionen abgewälzt, sondern durch die Zeichnung von Geschäftsanteilen selbst getragen. Es besteht auch hier wie bei anderen genossenschaftlich orientierten Geldinstituten die Verpflichtung der Zeichnung von Genossenschaftsanteilen. Diese werden ein Jahr nach Kreditrückzahlung wieder frei.127 „Während Kreditnehmer bei der normalen Bank anderen Menschen, die ihnen ihr Geld leihen, Zinsen zahlen, bauen sie im J.A.K.-System ein eigenes Sparvermögen auf, was – zeitverzögert – in die eigene Tasche fließt, und in der Zwischenzeit anderen einen zinsfreien Kredit ermöglicht.“128

Unbeachtet blieben bisher währungs- und bankrechtliche Aspekte. Aufgrund des Umfanges wird dieses Thema in der gegenständlichen Arbeit nicht näher betrachtet, wohl aber wird von der Voraussetzung ausgegangen, dass alle drei Teilmodelle legal eingeführt werden können.

4.3.3. Kriterien für Regionalwährungen

KENNEDY, LIETAER und LIEBL haben eruiert, dass die nachfolgenden sieben Kriterien129 bei der Auswahl, der Einführung und der dauerhaften Nutzung von Regionalwährungen wichtig sind:

1. ein Gewinn für alle Teilnehmer,

2. gemeinnützig organisiert,

3. professionell umgesetzt,

127 Vgl. ebd., 193–197. 128 ebd., 197–198. 129 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 82–85. 37 4. transparent für die Nutzer,

5. demokratisch kontrolliert,

6. nachhaltig finanziert und

7. umlaufgesichert.

1. Zu einem Gewinn für alle Teilnehmer wird die neue Währung, wenn alle Teilnehmer einen Mehrwert erkennen können. Das bedeutet, dass im Vergleich zum heutigen Geldsystem nicht nur die Reichsten durch Zinserträge ihr Vermögen vermehren können, sondern alle durch Bonuspunkte oder einen gegenseitigen gewinnbringenden Liquiditätsausgleich profitieren können. Die Einhebung von Zinsen als Umlaufsicherung ist nicht mehr erforderlich.

2. Gemeinnützig organisiert bedeutet, dass nicht rein auf ehrenamtlicher Basis ohne Bezahlung agiert werden soll. Sowohl Gehälter für die Arbeit der Gründer und Mitarbeiter wie auch die Kosten für die Infrastruktur und die Organisation sollen ordnungsgemäß aufgewendet werden, aber sich in gewissen Grenzen halten.

3. Mit professionell umgesetzt ist gemeint, ein stimmiges Konzept unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Potenziale der mitwirkenden Menschen anzuwenden. Hier sind sowohl professionelle Arbeit als auch die Einhaltung gewisser Kostengrenzen erforderlich, um die Aufwendungen für Ausgabe und Verwaltung der Währung so niedrig wie möglich halten zu können und so die Vorteile einer Regionalwährung zu verdeutlichen. In der Praxis zeigt sich, dass es oftmals schwierig ist, Professionalität und Gemeinnützigkeit zu vereinen.

4. Transparent für die Nutzer heißt, dass sämtliche Informationen so verbreitet werden, dass sie für alle Nutzer verständlich sind. Des Weiteren ist es wichtig, dass die Nutzer die Möglichkeit haben, positives und negatives Feedback abzugeben. Bei der Kommunikation sollte berücksichtigt werden, dass Menschen sich auf verschiedenen Ebenen (Gefühl, Logik, Verstand usw.) angesprochen fühlen. Fachsprache soll in die Alltagssprache übersetzt werden, ebenso soll die Kommunikation einfach und für alle verständlich sein.

5. Demokratisch kontrolliert bedeutet in diesem Kontext, dass über Entscheidungen nach Regeln abgestimmt wird. Es soll zu einer breiten Konsensbildung kommen, vor allem aber sollen so wenig wie möglich 38 Minderheiten überstimmt werden. Entscheidungen sollen auf der Ebene vorbereitet werden, die von ihnen am unmittelbarsten betroffen ist. Die Größe der Region soll überschaubar bleiben, sodass jeder Einzelne den Überblick behält. Verwaltung, Verwahrung und Kontrolle der Währung sollen transparent erfolgen, dies erleichtert es, demokratische Kontrollen durchzuführen.

6. Nachhaltig finanzierbar bedeutet, dass die Kosten für das Währungssystem dauerhaft von den Mitgliedern aufzubringen sind. Ein großes Problem bildet vor allem die Durststrecke von der Initiierung bis zur Selbstfinanzierung. Stellt sich heraus, dass das regionale Währungssystem auf Dauer nicht selbsttragend ist, sollte es verworfen werden.

7. Umlaufgesichert ist eine Regionalwährung aufgrund ihrer drei umlaufsichernden Merkmale von sich aus. Regionalwährungen unterliegen wie die Landeswährung der Inflation. Sie sind nur in einer begrenzten Region gültig. Es fallen Kosten beim Um- oder Rücktausch in die Landeswährung an.

4.3.4. Einführung einer Regionalwährung

Grundsätzlich liegen die Probleme bei der Einführung einer neuen Regionalwährung nicht in der Idee des Währungsmodelles oder der Gründung der Währung selbst. Am schwierigsten ist es, dafür zu sorgen, dass die neue Regionalwährung von der Gemeinschaft in der Region akzeptiert und eingesetzt wird. Die Bevölkerung ist die Landeswährung als gesetzliches Zahlungsmittel gewohnt. Die neue Regionalwährung muss folglich andere Vorteile aufweisen.130

Für den Einführungsprozess stehen drei verschiedene Modelle131 zur Verfügung:

1. Einführungsprozess von unten

Hier wird der Prozess, unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen über Vorteile einer neuen regionalen Währung zu informieren und sie für sich zu gewinnen, ‚von unten‘, sozusagen an der Graswurzelebene, begonnen. Sinnvoll ist diese Vorgehensweise, wenn eine langsame Einführung erwünscht ist und auch keine finanzielle Unterstützung von außen infrage kommt.

130 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 351. 131 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 87. 39 2. Einführungsprozess von oben

Beim Einführungsprozess ‚von oben‘ wird dafür gesorgt, dass die Entwicklung durch Unterstützung regionaler Entscheidungsträger, eine Anschubfinanzierung von dritter Seite sowie eine zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit schneller erfolgt. Dies bietet sich einerseits an, wenn die Zeit zur Einführung drängt, und andererseits die nötigen finanziellen Mittel bereitstehen.

3. Einführungsprozess auf mittlerer Ebene

Diese Prozessart sollte zur Anwendung kommen, wenn sich bereits vorhandene Gruppen, Institutionen oder Systeme miteinander zu einer Regionalwährung vereinen.

Bei jedem Einführungsprozess gibt es Bestandteile aus den drei genannten Vorgehensweisen. Die Auswahl der Variante sollte anhand der Vor- und Nachteile der einzelnen Herangehensweisen erfolgen.132

Um den Bewohnern der Region einen wirkungsvollen Lernprozess zu ermöglichen, sollte die Initiierung einer regionalen Währung zumindest einen dreistufigen Prozess durchlaufen:

1. Analyse- und Konzeptphase

Hier werden die Ressourcen und Probleme der Region analysiert und die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle diskutiert. Aus den Ergebnissen wird das Konzept für die neue Regionalwährung abgeleitet.

2. Beteiligungs- und Multiplikationsphase

In dieser Prozessphase werden die Schlüsselpersonen und die Meinungsbildner der Region informiert und für eine aktive Unterstützung geworben. Mit ihnen wird nach weiteren Multiplikatoren gesucht und Konzept, Ziele sowie die weitere Vorgehensweise festgelegt.

3. Einführungsphase

Bei dieser geht es um die konkrete Einführung der neuen Regionalwährung und die Beteiligung der Bevölkerung der Region.133

JOCHUM-MÜLLER, Organisationsentwickler und Gründer komplementärer Währungssysteme, hat aus den Erkenntnissen, die seit einigen Jahrzehnten

132 Vgl. ebd. 133 Vgl. ebd., 92–93. 40 gemacht wurden, nachstehende Grundregeln134 für die Einführung von Regionalwährungen identifiziert:

1. Regionalwährungen sind ein Werkzeugkasten.

Die im Werkzeugkasten befindlichen Werkzeuge wie Währungsmodell, Träger und Struktur der Verwaltung, Art der Öffentlichkeitsarbeit usw. dienen dem Erreichen gewisser, aber nicht aller Ziele.

2. Das Regionalwährungssystem besteht aus mindestens zwei Subsystemen.

Einerseits gibt es das Währungssystem mit einem technischen Teil (Transaktionen, Buchungen usw.) und andererseits mit einem sozialen Teil (Kommunikation, Informationsaustausch, Beziehungen, Rangordnung usw.). Es ist darauf zu achten, zumindest diese beiden Teile in die Einführung einzubeziehen.

3. Beteiligte sind mehr als nur Nutzer.

Sie sind der wesentlichste Teil des Systems. Es sind strategische Partner von den Trägern des Systems zu unterscheiden. Beteiligte und auch Verlierer (z. B. Banken, weil sie möglicherweise Kreditgeschäfte verlieren können) sollen definiert und in den Einführungsprozess einbezogen werden.

4. Die Vision bzw. das Ziel einfach und erkennbar fassen.

Ausführung und Organisation sind auf Vision und Ziele ausgerichtet. Sind diese unklar, zu vielfältig bzw. zu breit, entsteht ein unnötiger Aufwand und es kommt zu vielen Teilprojekten.

5. Eine solide Konzeption erspart spätere Reparaturen.

Ist die Vision klar, bedarf es einer schlüssigen strategischen Planung. Eine korrekte Planung ist die Grundlage für eine fundierte Konzeption und verhindert spätere Adaptierungserfordernisse. Das fördert Mut und Begeisterung zur Umsetzung, denn meist besteht nur eine Chance, so ein komplexes System einzuführen. Scheitert es, kommt es zu einer möglicherweise jahrelangen Blockierung.

134 Vgl. ebd., 99–102. 41 6. Handeln mit Komplementärwährungen ist einfacher als einkaufen mit Euro.

Hierfür ist eine gewisse Größe erforderlich. Ist der Aufwand für die Beschaffung der Regionalwährung größer als z. B. das Einkaufen im Geschäft, so nehmen Akzeptanz und Nutzung schnell ab. Angebot und Nachfrage sollten sich decken.

7. Die Organisation spiegelt das Ziel bzw. die Vision wider.

Die Struktur der Organisation soll ihre grundlegenden Anliegen widerspiegeln. Authentizität ist bei den handelnden Personen und Gruppen ein wichtiges Kriterium.

8. Wie es beginnt, so wird es sein.

Die am Anfang definierten Umsetzungsmodalitäten wie Vision, Ziele und Zielgruppen, aber auch die Organisationskultur sollte nicht einfach wahllos verändert werden. Das kann sonst schnell für Verstimmung und Verwirrung sorgen.

9. Zeit für die Orientierung.

Menschen müssen hinsichtlich der Verwendung eines neuen Modells unterstützt werden. Um sich damit auseinanderzusetzen und sich zurechtzufinden, benötigen sie vor allem Zeit.

10. Die Theorie muss niemand verstehen, wenn sie in der Praxis erlebbar ist.

Viele Menschen überfordert ein theoretisches Verstehen von komplexen Themen, wie es Regionalwährungen sind. Erleben sie allerdings die Vorteile, sind sie auch bereit, sich die Theorie anzueignen.

11. Komplementäre Währungssysteme sind gemeinschaftsfördernd.

Sinn und Zweck von gemeinnützigen regionalen Währungssystemen sind das Erreichen von sozialem Anschluss, die Bekämpfung von Armutsbildung und anderen negativen gesellschaftlichen Trends. Geht die Entwicklung nicht in diese Richtung, wirkt sich das mittel- bis langfristig negativ auf deren Akzeptanz aus.

12. Die Organisation ist Vertrauensträger des Projektes.

Vertrauen in die Organisation ist eine Vorbedingung für ein langfristiges Bestehen einer Regionalwährungsinitiative. Es gilt, so vertrauenswürdig 42 wie eine Bank zu sein, aber Freundlichkeit und Menschlichkeit der Gründungsgruppe sind ebenso gefragt.

13. Organisationen sind lebendige Systeme.

Komplementärwährungen sind lebendige Systeme. Sie möchten nicht mit Managementtools verwaltet werden, sie wollen gelebt werden. Es ist in der Theorie bereits viel Wissen vorhanden, über das organisatorische Gestalten in der Praxis ist allerdings noch viel zu lernen.

4.3.5. Verwaltung und Finanzierung einer Regionalwährung

Die Herausgeber von Komplementärwährungen sind im Regelfall keine Banken, sondern Privatpersonen, Vereine, Unternehmen, Werbegemeinschaften und andere. Es gibt aber auch Banken, wie z. B. die WIR-Bank in der Schweiz, die Komplementärwährungen in Umlauf bringen.135

Zu den Aufgaben der Verwaltung gehört es, das Regiogeld bzw. die Gutscheine zu drucken und in Umlauf zu bringen. Des Weiteren sind ein gleichbleibender Eintausch, ein Rücktausch sowie die Abwertung zu organisieren. Das Währungssystem mit den dazugehörigen Teilnehmern ist gründlich zu verwalten. Bei geringer Anzahl an Teilnehmern ist dies einfach und mit geringen Mitteln umsetzbar. Sobald sich aber größere Teilnehmerzahlen ergeben, ist eine professionelle Software und Personal vonnöten. Aktuell ist es so, dass es unter den Regionalwährungen keine Selbstläufer gibt. Es sind somit ständig geringfügige Korrekturen am Konzept erforderlich. Die Gewinnung weiterer Teilnehmer, Unterstützer und Finanziers ist ein ebenso wichtiger Punkt wie die andauernde Bekräftigung der schon entwickelten Strukturen.136

Die Entwicklung von Regionalgeldinitiativen wird von der Frage der Finanzierung dominiert. Der Initiative sollte es gelingen, ihre Organisation durch Eigen- oder Fremdfinanzierung auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen. Ist die Initiative fortdauernd auf ehrenamtliche Arbeit und Unterstützung durch private Geldmittel angewiesen, so bleibt ein dauerhafter Bestand ungewiss.137

135 Vgl. ebd., 143. 136 Vgl. Thiel, Das „bessere“ Geld, 221. 137 Vgl. ebd., 222. 43 4.4. Kritische Würdigung von Regionalwährungen

Viele komplementäre Währungssysteme gehen auf das Gedankengut von SILVIO 138 GESELL zurück. Seiner Theorie nach sollte Geld ‚rosten‘, also fortlaufend an Wert verlieren, um nicht zum Vermögensaufbau, sondern als reines Tauschmittel verwendet zu werden. Zur Unterstützung des Wertverlustes bzw. zu Sicherung des Geldumlaufes schlug er die Einhebung von Gebühren vor.139 Allerdings sind viele heutige Initiativen von diesem Gedankengut abgekommen, sie sehen das Regionalgeld eher als Marketinginstrument zur Stärkung der regionalen Wirtschaft.140

Als Hauptgründe für das Versagen von Regionalwährungen werden wiederholt die fehlende Akzeptanz unter den Teilnehmern sowie ein Sinken der Motivation bei den oft ehrenamtlichen Verantwortlichen genannt. Weitere wesentliche Kritikpunkte sind im Wertverlust aufgrund der Umlaufsicherung und in den Rücktauschkosten zu sehen. Vor allem Teilnahmebetriebe mit hohem Umsatz in der jeweiligen Regionalwährung haben Probleme, diese vor Entwertung erneut in ausreichenden Mengen ausgeben zu können. Sie werden zu Finanziers des Systems, da nur die Möglichkeit des Rücktausches, der mit Gebühren verbunden ist, bleibt.141 Aber auch für Konsumenten wird das Ersatzgeld als teuer erachtet. Sie müssen Wertverlust und Kosten beim Rücktausch hinnehmen. In der Regel zahlen sie die höheren Preise für regionale Waren, die anderswo preiswerter wären. Aus diesen Gründen wird das Regionalgeld teilweise als überflüssig betrachtet. Es kann auch die regionale wirtschaftliche Entwicklung nicht beeinflussen. Die Region ist nur dann stark, wenn sie überregional wettbewerbsfähig ist.142

Regionalwährungen haben einen starken regionalen Bezug. Eine überschaubare Mitgliederzahl sowie gemeinsame Werte sowie ein gemeinsames Grundverständnis sind wesentliche Faktoren für ihr Funktionieren.143 Wird das System größer und somit unpersönlicher, werden gleichzeitig die gegenseitigen sozialen Kontrollmechanismen geschwächt. Damit wird das System anfälliger für Betrug und Missbrauch.144

138 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 133. 139 Vgl. ebd., 31–32. 140 Vgl. Heintze, „Jedem Dorf seine eigene Notenbank“, 82–83. 141 Vgl. Lehmann, „Der Tauschhandel“, 44. 142 Vgl. Heintze, „Jedem Dorf seine eigene Notenbank“, 82–83. 143 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 134. 144 Vgl. ebd., 137. 44 Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Akzeptanz der alternativen Währung in der Bevölkerung. Entfällt im Geldsystem die Funktion der Wertaufbewahrung, so besteht die Möglichkeit, dass unkontrollierte Alternativen entstehen, die den Wert zumindest erhalten oder sogar erhöhen sollen. Diesbezüglich besteht das systemimmanente Risiko, dass sich das aufgrund einer Krise entwickelte Geld langfristig selbst vernichtet.145

In unserem herkömmlichen Geldsystem dient der Zins als Indikator für das Risiko. Höhere Zinsen deuten auf ein höheres Ausfallsrisiko eines Schuldners hin. In zinslosen Systemen besteht die Gefahr, dass riskantere Projekte nicht mehr finanziert werden und somit die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft eine starke Einschränkung erfährt.146

Der Hauptzweck alternativer Währungen ist die Stiftung von Nutzen, sie dienen nicht der Stiftung von Gewinn.147 Das Argument der Gebühren lässt sich entkräften, indem diese als Rabatte an soziale Einrichtungen und Vereine der Region betrachtet werden. Der sinkenden Motivation ehrenamtlicher Organisatoren kann durch eine hauptamtliche Geschäftsführung, wie z. B. beim Chiemgauer, entgegengewirkt werden. Wenn die Teilnehmer entsprechendes Engagement zeigen und über die nötige Ausdauer verfügen, ermöglichen Regionalwährungen eine Ausweitung des Kundenstammes und somit einen zusätzlichen Umsatz. Sie binden die Kaufkraft in der Region. Vorsicht ist allerdings bei laienhaften Experimenten geboten, bleibt es nur bei einem Versuch, so gehen diese am Ende meistens zulasten der regionalen Betriebe.148

Aktuell nimmt die Anzahl von Tauschringen und Komplementärwährungen aufgrund prekärer Einkommensverhältnisse und negativer wirtschaftlicher Entwicklung laufend zu.149 Diese werden aber auch „als Gegenreaktion zur abstrakten Geldwirtschaft und anonymen Konsumgesellschaft etabliert, in denen sich Menschen zusammenfinden und versuchen, immer weitere Teile ihrer ökonomischen Bedürfnisse abseits der Standardökonomie zu befriedigen“150.

145 Vgl. ebd., 135–136. 146 Vgl. ebd., 136. 147 Vgl. Kennedy und Creutz, Geld ohne Zinsen und Inflation, 207. 148 Vgl. Lehmann, „Der Tauschhandel“, 44. 149 Vgl. Brunnhuber und Klimenta, Wie wir wirtschaften werden, 84. 150 ebd. 45 4.5. Die Rolle der Volksbank als Genossenschaftsbank im Bereich der Regionalwährungen

Welche Rolle spielen regionale Kreditgenossenschaften im Bereich der Regionalwährungen? Nachdem der Autor langjähriger Mitarbeiter einer Volksbank ist und diese Volksbank auch an der Einführung des Spittaler City- Talers maßgeblich beteiligt war, soll an dieser Stelle im Besonderen die Rolle der Volksbanken, die nach den genossenschaftlichen Grundwerten von Hermann Schulze-Delitzsch initiiert wurden, untersucht werden. Anhand der Beschreibung der geschichtlichen Entwicklung o. a. der Kreditgenossenschaften soll aufgezeigt werden, dass die Gründungsmotive von Regionalwährungen und Genossenschaften große Ähnlichkeiten aufweisen.

4.5.1. Geschichtliche Entwicklung der Kreditgenossenschaften nach Schulze-Delitzsch

Hermann Schulze-Delitzsch gilt als Initiator und Gestalter des deutschen Genossenschaftsrechts.151 Auf dieser Basis wurde auch das Modell des Volksbankensektors in Österreich entwickelt.152

Über viele Jahrhunderte hinweg war der Mittelstand ein treibender Motor für die kulturelle, geistige und wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahre 1848 erkannte Schulze-Delitzsch, der als Abgeordneter umfangreiche Informationen über die wirtschaftliche und soziale Situation des Mittelstandes hatte, dass dieser Stand auszusterben drohte. Durch die moderne Entwicklung der Industrie entstanden kapitalistische Wirtschaftsbetriebe, welche die handwerksmäßige Produktion zunehmend vom Markt verdrängten. Daher stellte sich die Frage, wie den Handwerkern und Kleingewerbetreibenden geholfen werden konnte, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und trotzdem auf die vielen Vorteile eines Großbetriebes zurückzugreifen. Er stützte sich auf den Gedanken, „daß sich Menschen immer dann zu einer Gemeinschaft zusammenschließen, wenn zur Erreichung wirtschaftlicher Zwecke die Kräfte des einzelnen versagen“153, und schuf hierauf aufbauend ein neues Modell für die Wirtschaft im 19. Jahrhundert: die moderne Genossenschaft. Selbsthilfe und Zusammenschluss als

151 Vgl. Laurinkari, Brazda und Cooperation, Genossenschaftswesen, 193. 152 Vgl. Österreichischer Genossenschaftsverband, 150 Jahre Volksbanken – ÖGV. 153 Laurinkari, Brazda und Cooperation, Genossenschaftswesen, 193. 46 Problemlösungen sollten die Ohnmacht des Einzelnen ablösen.154 Später definierte er die Genossenschaft als „eine Verbindung unter den wenig bemittelten, vorzugsweise arbeitenden Klassen, welche dahin strebt, bei wirtschaftlichen Zwecken den einzelnen kleinen und im Verkehr verschwindenden Kräften durch ihre Vereinigung soviel als möglich die Vorteile einer Großkraft zu Gebote zu stellen“155.

Die Idee der Genossenschaft war in Deutschland und auch in anderen europäischen Staaten wie Frankreich und Großbritannien zwar schon seit einigen Jahren bekannt, Umsetzungsversuche scheiterten aber in den meisten Fällen. Den Grund dafür sah Schulze-Delitzsch in der Subventionierung durch Dritte, wie dem Staat, die Kommunen oder auch Privatpersonen. Er vertrat die Meinung, dass die Gründung anstatt durch staatliche oder behördliche Hilfe aus den eigenen Reihen der Handwerker auf freiwilliger Basis und mit eigener Kraft erfolgen sollte. Das erste Institut, welches auf seine Initiative gegründet wurde, war im Jahr 1849 eine Kranken- und Sterbekasse. Sie entwickelte sich gut, es fehlten ihr aber aufgrund der Einteilung der Mitglieder in verschiedene Klassen mit unterschiedlichen Leistungsansprüchen die genossenschaftlich- demokratischen Prinzipien der Gleichberechtigung und der solidarischen Hilfe. Selbst eine schwere Leistungsprobe durch eine Choleraepidemie und ein aufreibender Kampf um die Genehmigung der Kasse durch die staatlichen Behörden brachten Schulze-Delitzsch nicht von seinem Weg ab, dem Mittelstand wirksame Hilfe zu leisten. Mit Nachhaltigkeit verfolgte er den Zusammenschluss von vielen kleinen Handwerkern zu größeren Wirtschaftseinheiten, um damit eine deutliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation zu erreichen. 1849 wurden zur Erzielung besserer Einkaufspreise die ersten Rohstoffgenossenschaften gegründet. Das notwendige Kapital wurde durch Eintrittsgelder, Einlagen der Mitglieder und durch Kreditaufnahme finanziert. Zur Besicherung übernahmen die Mitglieder solidarische Bürgschaften. Auch die zuvor gegründete Kranken- und Sterbekasse befand sich unter den Geldgebern. Durch den Wegfall des Zwischenhandels wurden Gewinne erzielt, welche an die Mitglieder ausgeschüttet oder zur Kredittilgung herangezogen wurden. Der Erfolg der Rohstoffgenossenschaften brachte u. a. die Erkenntnis mit sich, dass zur gegenwärtigen Zeit zum erfolgreichen Wirtschaften vor allem der Zugang zu Kapital und Kredit erforderlich war. Die Aufnahme von Krediten bei Institutionen gestaltete sich äußerst schwierig und so verblieb oftmals nur das Privatdarlehen

154 Vgl. ebd. 155 ebd., 206. 47 als Alternative, welches jedoch häufig mit Zinsen in Höhe von 30 bis 40 % behaftet war. Durch die Gründung eines Vorschussvereins im Jahr 1850 versuchte Schulze-Delitzsch, für die Handwerkszunft einen günstigen Zugang zu Krediten zu schaffen. Zuerst fehlten die Prinzipien Selbsthilfe und Solidarität der Mitglieder noch vollständig und auch der gewünschte Zulauf stellte sich nicht ein. Mit Unterstützung des Arztes Dr. Anton Bernhardi und des Schneidermeisters Bürmann, die im Nachbarort einen erfolgreichen Vorschussverein führten, identifizierte Schulze-Delitzsch die Prinzipien Selbsthilfe und solidarische Verbürgung als erforderliche Erfolgskriterien. Er forcierte die Kapitalaufbringung durch Mitglieder, strich die Kreditgewährung an Nichtmitglieder und führte die Solidarhaftung ein. Somit waren die Grundprinzipien des Genossenschaftswesens definiert.156

Mit seinem Werk ‚Vorschußvereine als Volksbanken‘ aus dem Jahr 1855, in dem er die geschäftlichen Grundsätze für die Kreditgenossenschaften gestaltete, leitete er die Gründung der Volksbanken ein. Die Mitglieder waren die Träger der Genossenschaft und zugleich Kunden beim Vorschussverein. Gemeinsam wurden Risiko und Gewinn getragen und so hafteten alle Mitglieder solidarisch. Die Kapitalaufbringung erfolgte über die Mitgliedsbeiträge sowie durch Anleihen Dritter. Bis zur vollständigen Einzahlung des Geschäftsanteils wurde von den Mitgliedern ein monatlicher Beitrag eingehoben. Für diesen Geschäftsanteil wurde eine Dividende ausgezahlt, die allerdings bis zur vollständigen Einzahlung des Geschäftsanteils einbehalten wurde. Der schnelle Erfolg der Vorschussvereine war einerseits auf die Kapitalbildung durch die eigenen Mitglieder und andererseits auf ein Verwaltungssystem nach streng wirtschaftlich-bankmäßigen Kriterien, d. h. angemessene Entlohnung der Mitarbeiter sowie Zahlung und Einhebung marktüblicher Zinsen, zurückzuführen. Ein weiteres Erfolgskriterium war ein ausgewogener Branchenmix der Mitglieder und somit der Kunden.157

4.5.2. Hermann Schulze-Delitzsch heute

Schulze-Delitzsch war zu Lebenszeiten um ein größtmögliches Ausmaß an Selbstbestimmung für die Menschen bemüht. Er vertrat die Meinung, dass Kooperationen den besten Nutzen sowohl für den Einzelnen als auch für die Allgemeinheit bringen. Seinen Vorstellungen nach sollte der Staat Bedingungen

156 Vgl. ebd., 206–210. 157 Vgl. ebd., 218. 48 schaffen, die es dem Einzelnen ermöglichen, selbstständig und aus eigener Motivation heraus zu handeln. Seine Motive sind dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft ähnlich und somit ist sein Gedankengut heute noch aktuell.158

Vertrauen in die Finanzmärkte ist zur Stabilisierung in Krisenzeiten und zur Regulierung in normalen Zeiten von großer Bedeutung. Im Hinblick auf das Vertrauen haben die Genossenschaftsbanken aufgrund ihrer Eigentümerstruktur und den gegenseitigen Verpflichtungen einen Vorsprung, der zunehmend an Wichtigkeit gewinnt. Eine weitere Grundlage für Vertrauen ist ein funktionierendes Geschäftsmodell. Dieses Geschäftsmodell ergibt sich aus den Grundprinzipien der Mitgliedschaft nach Schulze-Delitzsch, die Mitglieder und Kunden der örtlichen Genossenschaftsbank zu fördern. Als Konsequenzen ergeben sich eine starke Verwurzelung dieses Bankinstituts in der Region sowie eine Kontrolle der Mitglieder als Anteilsinhaber. Die Herausforderung und die Chance der Zukunft liegen in der Mobilisierung der Stärke der Gruppe zur Unterstützung jedes Mitglieds. Meist teilen sich die Anteile an Genossenschaftsbanken auf viele Privatpersonen auf, was zu einer besonderen Stellung im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft führt. Der Förderauftrag der Genossenschaftsbanken soll zum „Wohlstand für Alle“159 führen. Gleichzeitig sollen Genossenschaftsbanken den selbstbestimmenden Umgang der Bürger mit Finanzdienstleistungen gewährleisten. Die Verantwortung der Genossenschaftsbanken liegt in der Unterstützung der Selbstbestimmung.160

4.5.3. Die Volksbank als Mitgliedsbank

Im bisherigen Verlauf der Arbeit wurden u. a. die Gründungsgedanken sowohl von Regionalwährungen als auch von Volksbanken erläutert. Es hat sich gezeigt, dass beide Ideologien Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese ähnlichen Gründungsmotive und Ziele werden in der Tabelle 6 zusammengefasst.

158 Vgl. Pleister, „Hermann Schulze-Delitzsch heute“, 2. 159 ebd., 5. 160 Vgl. ebd., 3–5. 49 Tabelle 6: Gemeinsamkeiten Gründungsmotive und Ziele von Regionalwährungen und Volksbanken161

Gründungsmotive und Ziele Gründungsmotive und Ziele Regionalwährungen Volksbanken aus der Not heraus erschaffen Hilfe für Mittelstand, der sich in einer schwierigen sozialen Situation befand Nutzung regionaler Ressourcen zur Zusammenschluss zu einer Befriedigung der Bedürfnisse auf Gemeinschaft, um stärker zu sein als regionaler Ebene der Einzelne Entwicklung einer nachhaltigen selbstbestimmter Umgang der Bürger Finanzwirtschaft mit Finanzdienstleistungen Bereitstellung von Liquidität für kleine leichterer Zugang zu Kapital und Kredit und mittlere Betriebe Verhinderung Kapitalabfluss, gemeinsames durch Mitglieder Arbeitslosigkeit und Abwanderung von aufgebrachtes Kapital wird für Unternehmen Finanzierung der Mitglieder verwendet und stärkt somit die Region in Bezug auf Kapitalabfluss, Arbeitslosigkeit und Abwanderung Stärkung der regionalen Identität starke Verwurzelung in der Region Selbstgestaltung der Regeln des Selbsthilfe und solidarische Haftung Geldverkehrs Transparenz und demokratische Kontrolle durch Mitglieder, da diese Entscheidungen auf breiter Ebene Anteilsinhaber sind gemeinnützig organisiert, professionell Verwaltungssystem nach streng umgesetzt wirtschaftlich-bankmäßigen Kriterien

Mit der Kundenpartnerschaft als Strategie setzen die Volksbanken auf eine stärkere Einbindung der Doppelfunktion ihrer Mitglieder als Eigentümer und Kunden. Dies soll einerseits zu einer höheren Identifikation der Kunden und Mitglieder mit den Volksbanken führen und andererseits die Eigenkapitalbildung fördern sowie eine Mitgestaltung und Umsetzung bei der Geschäftspolitik mit sich bringen.162 Im Gegensatz zu anderen Banken arbeiten die Volksbanken daher mitgliederorientiert. Sie sind dafür verantwortlich, dass es den Regionen, in denen sie tätig sind, gut geht. Positive Entwicklungen der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens der Region sind für die Volksbanken von großer Bedeutung. Dies kann vor allem über eine nachhaltige Entwicklung der Kundenpotenziale erreicht werden. Regionalwährungen dienen dabei u. a. der

161 Eigene Darstellung. 162 Vgl. Österreichischer Genossenschaftsverband, „150 Jahre Volksbanken – ÖGV“. 50 Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf regionaler Ebene.163 Aus diesen Gründen sowie der in Tabelle 6 aufgezeigten Gemeinsamkeiten bieten sich die Volksbanken als regionale Kreditgenossenschaften gut für die Rolle der Mitgliedsbank, die bereits in Kapitel 4.3.2. erläutert wurde, an.

163 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 131–132. 51 5. Finanzinnovationen

Finanzinnovationen sind zu einem Teil Innovation und zum anderen Teil lediglich eine neue Vermarktungsform bereits bekannter Modelle. Oft werden für bekannte Konzepte nur neue Wörter verwendet.164 Die Finanzwirtschaft ist traditionell und zeigt deshalb wenig Bereitschaft, Änderungen vorzunehmen. Die meisten Finanzinnovationen sind in Krisenzeiten entstanden, durch diese geprägt und daher nicht auf langfristige Vollkommenheit ausgerichtet. Nachdem Menschen oft in starren Bahnen denken, müssen zur Weiterentwicklung erfolgreicher Finanzinnovationen neue Bezeichnungen und Begriffe eingeführt werden, um die bestehenden Denkmuster zu durchbrechen.165

5.1. Crowdfunding

„Crowdfunding ist eine Form der Finanzierung (‚funding‘) durch eine Menge (‚crowd‘) von Internetnutzern. Zur Spende oder Beteiligung wird über persönliche Homepages, professionelle Websites und spezielle Plattformen aufgerufen.“166

Es gibt eine Vielzahl an Crowdfunding-Modellen. Unterscheidungskriterium ist im Wesentlichen die Art der Gegenleistung für die Investoren. Die nachstehenden drei Modelle haben sich als erfolgreich herausgestellt:

1. Equity-based Crowdfunding (Geld für Beteiligung)

Die Gegenleistung erfolgt in materieller Form. Die Investoren erwerben eine Beteiligung am Unternehmen und bekommen dafür eine jährliche Gewinn- oder Verlustbeteiligung.167

2. Reward-based Crowdfunding (Geld für Anerkennung)

Die Investoren bekommen einen ideellen Gegenwert, welcher vielfach niedriger als die Investition ist. Es fließt kein Geld zurück. Der Investor erhält z. B. den Prototypen einer neuen Maschine, eines neu entwickelten EDV-Programmes, Bonusmaterial bei Musik- oder Filmproduktionen usw.168

164 Vgl. Shiller und Pyka, Märkte für Menschen. So schaffen wir ein besseres Finanzsystem, 168. 165 Vgl. ebd., 170. 166 Springer Gabler / Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, „Definition » Crowdfunding « | Gabler Wirtschaftslexikon“. 167 Vgl. Saria, Unternehmensanleihen und Crowdfunding, 147. 168 Vgl. ebd. 52 3. Lending-based Crowdfunding (Geld für Zinsen)

Hier vergeben die Investoren gemeinsam über einen Plattformbetreiber einen Kredit für ein Projekt mit einer festgelegten Laufzeit gegen die Zahlung von Zinsen.169

Crowdfunding kann in zwei Kategorien geteilt werden:

1. Klassisches Crowdfunding

Hierbei geht der Investor grundsätzlich davon aus, dass das eingesetzte Kapital nicht zurückgeführt wird. Vielfach dient die Kapitalaufbringung der Finanzierung künstlerischer Projekte. Als Gegenleistung erhält der Investor z. B. das Endprodukt (eine CD vom unterstützten Musiker) oder wird im Abspann eines unterstützten Filmes genannt.170

2. Crowdinvesting

Erwartet der Investor einerseits die Rückzahlung und andererseits eine entsprechende Verzinsung für die Bereitstellung des Kapitals, so wird von Crowdinvesting gesprochen. Da Unternehmer oftmals nicht die Möglichkeit haben, eine risikobehaftete Unternehmensgründung oder risikoreichere Projekte auf herkömmlichem Weg über Banken zu finanzieren, wird diese Finanzierungsform als Alternative gewählt.171

Im Rahmen der Geschäftsmodelle verschiedener Crowdfunding-Plattformen sind zwei unterschiedliche Arten zu beobachten:

1. Konventionelles Crowdfunding bzw. Crowdinvesting

Eine Crowdfunding-Plattform tritt als Vermittler zwischen Crowd und Finanzierungswerber auf. Auf dieser Plattform werden verschiedene Projekte beworben und die Investoren können sich für sie interessante Investments aussuchen. Zur Durchführung eines Projektes müssen 100 % des Finanzierungsbetrages zugesagt sein. Ist dies der Fall, beginnt die weitere Prozedur. Der Finanzierungswerber verkauft per Vertrag stille Beteiligungen an die Investoren und erhält im Gegenzug den Beteiligungsbetrag abzüglich der Gebühren für die Plattform. Die Investoren erhalten entweder die Rückzahlung des Kapitals sowie eine

169 Vgl. ebd. 170 Vgl. Koch, „Crowdinvesting und Peer-to-Peer Lending“, 43. 171 Vgl. ebd. 53 entsprechende Verzinsung oder das Endprodukt, eine Gegenleistung oder es wird sich nur bei ihnen bedankt.172

2. Crowdinvesting nach dem Modell ‚Companisto‘

Der Unterschied zum konventionellen Crowdfunding bezieht sich auf die Bündelung der Investitionen. Dieses Modell ist einem geschlossenen Investmentfonds ähnlich. Mithilfe eines Unterbeteiligungsvertrags wird ein Anteil am Bündel erlangt. Im Insolvenzfall besteht eine Absicherung, da die Beteiligung über eine Schwesterfirma, die kein operatives Geschäft betreibt, abgewickelt wird. Dieses Modell bringt für Finanzierungswerber weniger Verwaltungsaufwand mit sich und ist aufgrund seiner klaren Beteiligungsstruktur auch für eine Beteiligungsgesellschaft hinsichtlich Anschlussfinanzierungen interessant.173

Die Vorteile von Crowdfunding sind vielfältig. Die Unternehmer erhalten Kapital zur Verwirklichung ihrer Visionen. Die Crowd unterstützt die Umsetzung und Verbreitung der Projekte. Vielfach ist sie erster Nutzer der neuen Produkte und Lösungen und kann wertvolles Feedback geben, wobei die neuen Web- Technologien eine direkte Kommunikation und Interaktion zwischen allen Beteiligten unterstützen. Somit können einerseits die Erfolgsaussichten erhöht und andererseits das Risiko für alle Teilnehmer verringert werden. Als nachteilig kann gesehen werden, dass es sich für die Investoren meist um risikoreiche Projekte handelt und ein Totalverlust nicht ausgeschlossen werden kann. Zur Risikominimierung kann der Investor eine Verteilung der Investments auf mehrere Projekte vornehmen.174

Die weltweit größte Plattform für Crowdfunding ist www.kickstarter.com.175 In Österreich gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt die folgenden aktiven Plattformen:

• www.1000x1000.at – spezialisiert auf Innovationsprojekte und Gründungsvorhaben;

• www.conda.at – spezialisiert auf Start-ups;

• www.greenrocket.at – spezialisiert auf Start-ups im Bereich Nachhaltigkeit;

172 Vgl. ebd., 45–46. 173 Vgl. ebd., 46. 174 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich, „Crowdfunding für österreichische Unternehmen“. 175 Vgl. Wikimedia Foundation Inc., „Crowdfunding – Wikipedia“. 54 • www.inject-power.at – spezialisiert auf Forschungsprojekte;

• www.neurovation.net – spezialisiert auf die Kreativbranche und Prototypen;

• www.respekt.net – spezialisiert auf Spenden für Zivilprojekte;

• www.crowdcapital.at. – keine Spezialisierung.176

Grundsätzlich ist Crowdfunding in Österreich legal. Die Crowdfunding- Plattformen werden von der Finanzmarktaufsicht überprüft, sie erhalten allerdings keine Lizenz. Im Falle der Gründung einer Crowdfunding-Initiative sollten jedoch stets juristische Experten einbezogen werden.177

5.2. Benefit Corporation

„Benefit Corporations are a new class of corporation that are required to create a material positive impact on society and the environment and to meet higher standards of accountability and transparency.“178

Der Begriff ‚Benefit Corporation‘ stammt aus den USA und bildet sozusagen den Versuch, einen ‚vierten Sektor‘ zu gründen. Im Mittelpunkt dieser Unternehmen stehen neben der reinen Gewinnerzielung übergeordnete Ziele, die dem Gemeinwohl dienen. Nachdem ‚Benefit Corporations‘ durch den Gesetzgeber nicht zur Maximierung der Aktionärserträge verpflichtet sind, müssen sie auch keine diesbezüglichen Klagen fürchten, wenn sie nicht nur auf Gewinn ausgerichtet sind.179 Neben der Orientierung am Shareholder Value wird der Stakeholder Value, dazu zählen vor allem die Gemeinschaft, die Umwelt, die Arbeitnehmer sowie die Lieferanten, beachtet. Diese neue Rechtsform schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen, einerseits dem Gemeinwohl dienen zu können und andererseits Gewinne an die Gesellschafter/Shareholder ausschütten zu können, es verbindet somit den Shareholder Value mit dem Gemeinwohl.180

Ähnliche Versuche gibt es in Deutschland und Österreich mit der ‚gemeinnützigen GmbH‘ (eGmbH). Hier wurde diese neue Rechtsform allerdings in erste Linie als eine Alternative zu Vereinen und Stiftungen geschaffen. Sie soll im Gegensatz zu diesen professionelle Strukturen eine höhere Rechtssicherheit

176 Vgl. Wirtschaftskammer Österreich, „Crowdfunding für österreichische Unternehmen“. 177 Vgl. ebd. 178 B Lab, „Benefit Corporation“. 179 Vgl. Shiller und Pyka, Märkte für Menschen. So schaffen wir ein besseres Finanzsystem, 143–144. 180 Vgl. Social Startups Media UG (haftungsbeschränkt) i.Gr., „Benefit Corporation – USA schaffen Rechtsform für Sozialunternehmen | Social Entrepreneurship und nachhaltige Geschäftsideen“. 55 mit sich bringen, aber trotzdem die umfassenden Steuervorteile von Vereinen und Stiftungen bieten.181 ‚Benefit Corporations‘ genießen keine Steuervorteile.182 Gemeinsam ist ihnen, dass die Gesellschafter die Entscheidungen treffen. Der wesentliche Unterschied liegt in der Gewinnausschüttung. Die eGmbH darf keine Gewinne ausschütten und ist somit vollständig auf das Gemeinwohl ausgerichtet. ‚Benefit Corporations‘ können beide Ziele – Gewinne für Gesellschafter/Shareholder und Gemeinnützigkeit – vereinen.183

Das Modell der ‚Benefit Corporation‘ ist vergleichsweise neu und im Finanzsystem noch von geringer Bedeutung.184 Es ist aber ein weiterer Schritt zur Unterstützung für Unternehmer, die Gemeinnützigkeit und Gewinn im Unternehmenszweck verankern möchten, weil sie dies als Chance und nicht als Gegensatz sehen.185

5.3. Der genossenschaftliche Vermögenspool

Der genossenschaftliche Vermögenspool kann als alternatives zins- und mietfreies Finanzierungsmodell umschrieben werden. Er schafft zinsenlos einen werterhaltenden Vermögenskreislauf, d. h., es können einerseits laufend Beiträge geleistet werden, anderseits können laufend Anteile entnommen werden. Er ist im Wesentlichen nicht vom Bankensystem abhängig und wird durch ein gemeinsames Interesse an einem sozial nützlichen Projekt aufrechterhalten. Die Beteiligten stehen in Beziehung zueinander, was im Gegensatz zum herkömmlichen Bankensystem transparente Abläufe schafft. Die Teilnehmer können Geld, Vermögen, aber auch Arbeitsleistung zinsfrei für ein gemeinschaftliches Wirtschaftsprojekt einbringen. Im Regelfall dienen diese Projekte dem Erwerb von Grundstücken, Gebäuden, dem Bau oder der Sanierung von Gebäuden oder der Errichtung von Anlagen für die menschliche Grundversorgung. Ein großes Netz an Menschen ermöglicht einen Vermögensaufbau frei von Geldängsten.186

181 Vgl. ebd. 182 Vgl. Shiller und Pyka, Märkte für Menschen. So schaffen wir ein besseres Finanzsystem, 144. 183 Vgl. Social Startups Media UG (haftungsbeschränkt) i.Gr., „Benefit Corporation – USA schaffen Rechtsform für Sozialunternehmen | Social Entrepreneurship und nachhaltige Geschäftsideen“. 184 Vgl. Shiller und Pyka, Märkte für Menschen. So schaffen wir ein besseres Finanzsystem, 144. 185 Vgl. Social Startups Media UG (haftungsbeschränkt) i.Gr., „Benefit Corporation – USA schaffen Rechtsform für Sozialunternehmen | Social Entrepreneurship und nachhaltige Geschäftsideen“. 186 Vgl. Distelberger, Der genossenschaftliche Vermögenspool – Vermögenskreislauf im solidarischen Wirtschaften, 1–2. 56 Die Bildung, Erhaltung und Sicherung des Vermögens erfolgen im rechtlichen Rahmen einer Genossenschaft oder eines genossenschaftsähnlichen Vereins. Die getätigten Beiträge werden von einem Treuhänder verwaltet und im Grundbuch abgesichert.187

Die Sicherung der Liquidität wird durch ein rechtlich geprüftes Regelwerk gewährleistet. Weiterhin wird eine Liquiditätsreserve von 10 % gehalten. Von entscheidender Bedeutung ist das Netzwerk im Vermögenspool, das durch eine große Anzahl an Menschen aufgebaut wird. Dieses sichert im Bedarfsfall durch die Erhöhung der Zuflüsse ein ausgeglichenes Zu- und Abflussvolumen im System.188

Der genossenschaftliche Vermögenspool ist vielseitig nutzbar. Er kann z. B. zur Entschuldung von Gemeinden verwendet werden, indem die Gemeindebürger die Finanzierung von gemeindeeigenen Einrichtungen übernehmen. Durch die Gründung eines Pools durch Konsumenten zur Förderung von Landwirtschaften kann aber auch die Entschuldung von Landwirten erreicht werden. Diesbezüglich kann der Rückfluss auch z. T. in Naturalien erfolgen.189

Der genossenschaftsähnliche Vermögenspool fungiert als ein Werkzeug für solidarisches Wirtschaften, das einen neuen Umgang mit Geld und Vermögenswerten ermöglicht und ein alternatives System des nachhaltigen Wirtschaftens schafft.190

5.4. Social Impact Bonds

Ein SIB bietet die Möglichkeit der Finanzierung präventiver Maßnahmen im sozialen Sektor durch private Investoren. Das zur Verfügung gestellte Kapital wird bei Erfolg der sozialen Maßnahme zurückgezahlt, wobei mit Erfolg ein positiver Beitrag zur Lösung eines definierten gesellschaftlichen Problems gemeint ist. SIBs werden auch als ‚Pay for Success Bonds‘ bezeichnet.191

Ein SIB stellt eine Kooperation zwischen einem oder mehreren sozialen Dienstleistern, privaten Investoren und dem Staat dar. Die sozialen Dienstleister leisten bereits erprobte präventive Maßnahmen, wobei ihre soziale Wirkung messbar sein muss. Diese Maßnahmen werden von privaten Investoren durch

187 Vgl. ebd., 2. 188 Vgl. ebd. 189 Vgl. ebd. 190 Vgl. Garten der Generationen, „Garten der Generationen – Umsetzung“. 191 Vgl. Bertelsmann Stiftung, Was sind Social Impact Bonds? Definition, Strukturen, Marktentwicklung, 1. 57 die Einbringung ihres Investmentkapitals finanziert. Sind die Maßnahmen erfolgreich, so erhalten die Investoren das eingesetzte Kapital sowie eine Verzinsung zurück, welche von der Ausprägung des Erfolgs abhängig ist. Diese Rendite wird vom Staat gezahlt, der durch die finanzierten Maßnahmen Einsparungen im öffentlichen Haushalt erzielen konnte. Das Ziel dieser Kooperation ist die Beseitigung oder Abschwächung gesellschaftlicher Probleme durch vorbeugende Maßnahmen.192

SIBs sind keine Anleihen im herkömmlichen Sinn. Sie haben eine fixe Laufzeit, verbriefen aber im Gegensatz zu konventionellen Anleihen keine fixe Zinszahlung. Die Rückzahlung des Investments ist erfolgsabhängig. Im Hinblick auf die Anlegerrisiken sind sie vordergründig als strukturierte Anlageprodukte oder offene Beteiligungen einzuordnen.193

Die Vorteile sind vielfältig. SIBs sind neue und innovative Finanzierungsmodelle für soziale Projekte. Sie gewährleisten eine Verwendung öffentlicher Finanzmittel, die sich an der Wirkung der gesetzten Maßnahmen orientiert. Das Risiko der Erfolglosigkeit des Investments wird von der öffentlichen Hand, also vom Steuerzahler, auf die Investoren übertragen. Sie unterstützen die Investitionen in Maßnahmen zur Prävention, die spätere mit höheren Kosten verbundene Reparaturmaßnahmen verhindern oder diese verringern. Zudem führen sie durch die Finanzierung konzentrierter Handlungen mehrerer Kooperationspartner zu einer höheren Wirksamkeit.194

Zu den Risiken zählen die aufgrund der Neuheit der Finanzierungsform nur eingeschränkten Erfahrungswerte sowie die zur Vermeidung von Fehleinschätzungen erforderlichen kosten- und zeitintensiven Vorbereitungsmaßnahmen. Politische bzw. finanzpolitische Risiken können auftreten. Weitere Nachteile können durch falsche Kennzahlen und Vergleichsgruppen sowie durch zu geringe Evaluierungszeiten für die Erfolgsnachweise entstehen.195

192 Vgl. ebd., 2–3. 193 Vgl. ebd., 3. 194 Vgl. ebd., 3–4. 195 Vgl. ebd., 4. 58

Abbildung 3: SIBs – Länder und Projekte196

Wie Abbildung 3 zeigt, versuchen bereits einige Länder, SIBs zur Finanzierung verschiedener Sozialprojekte heranzuziehen. Großbritannien ist diesbezüglich als Vorreiter zu sehen. In Österreich sind die ersten Versuche des Einsatzes von SIBs eher mühsam. Im Wesentlichen müssen hier erst staatliche Agenturen für die Abwicklung geschaffen werden. Im Gegensatz zu Ländern wie Deutschland, der Schweiz usw., wo laufend neue Stiftungen mit gemeinnützigen Zielen initiiert werden, sind in Österreich nur 6 % der Stiftungen auf Gemeinnützigkeit ausgerichtet. Diese Entwicklung liegt in Österreich in erster Linie in rechtlichen und steuerlichen Hürden begründet. Aus diesem Grund ist auch das Potenzial an Investoren in Österreich überschaubar.197

5.5. Zwischenfazit Finanzinnovationen

Die Entwicklung dieser Bewegungen befindet sich erst am Anfang. Aus heutiger Sicht ist es zudem schwierig, ihren weiteren Verlauf zu prognostizieren. Ihre Erfolgsaussichten bestehen in einer neuen und bewussteren Wahrnehmung und Wertschätzung der Wertigkeit von Waren und Dienstleistung sowie der Gemeinschaft. Das Tauschen gewinnt wieder an Bedeutung. Qualität und gute Leistung, aber auch ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen treten zunehmend in den Vordergrund. Dies alles sind Gründe, die für eine Nutzung alternativer Währungssysteme sprechen.198

196 ICEP Wirtschaft und Entwicklung GmbH, „corporAID“. 197 Vgl. ebd. 198 Vgl. Koller und Seidel, Geld war gestern, 139–140. 59

6. Forschungsmethode – Experteninterviews

In den bisherigen Kapiteln erfolgte die Beleuchtung der forschungsrelevanten Daten, die durch eine Literaturrecherche und eine Analyse statistischer Daten erhoben wurden. Weitere wichtige Beiträge zur Beantwortung der Forschungsfragen stellen das Wissen und die langjährige Erfahrung von Experten dar. Das Kapitel 6 dient der Beschreibung der Erhebung des empirischen Teils dieser Master Thesis. In diesem Kapitel wird die Erhebungsmethode begründet und erklärt. Es werden die Erstellung des Interviewleitfadens, die Auswahl der Interviewpartner sowie deren Profil erläutert. In weiterer Folge werden die Durchführung der Interviews sowie deren Transkription und schlussendlich die Auswertungsform der Interviews näher beschrieben.

6.1. Erhebungsmethode – das leitfadengestützte Experteninterview

Der Autor wählte das leitfadengestützte Experteninterview als geeignete Erhebungsmethode zur Beantwortung der Forschungsfrage aus nachstehenden Gründen aus.

Die qualitative Forschung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der rasche soziale Wandel führt dazu, dass die Lebenswelten und -stile der modernen Gesellschaft vielfältiger und unübersichtlicher werden. Diese neue Vielzahl an Lebenslagen und -mustern führt auch zu einer Anpassung der Forschungsmethoden. „Nachdem Vertreter der Postmoderne erklären, dass die Zeit der großen Erzählungen und Theorien zu Ende sei (Lyotard 1986), sind eher lokal, zeitlich und situativ begrenzte Erzählungen zeitgemäß.“199 Dies erfordert eine induktive Vorgangsweise.200

Jedes Individuum hat ein besonderes ‚Expertenwissen‘ über die Aktivitäten, an denen es teilnimmt. Es ist das Wissen über den Betrieb, in dem man arbeitet, über die eigenen Arbeitsabläufe, über den Verein, bei dem eine Mitgliedschaft besteht, usw. Experteninterviews dienen der Erschließung dieses Spezialwissens

199 Flick, Qualitative Sozialforschung, 22. 200 Vgl. ebd., 22–23. 60 über bestimmte soziale Sachverhalte.201 Sie werden zur Analyse von Strukturen und Strukturzusammenhängen des Expertenwissens und -handelns herangezogen.202

Das leitfadengestützte Experteninterview ist der Kategorie der nichtstandardisierten Interviews zuzuordnen. Hier sind weder Fragewortlaut und Reihenfolge noch Antwortmöglichkeiten vorgegeben.203

Der Interviewleitfaden dient der Lenkung und Strukturierung der Interviews sowie der Erleichterung der Vergleichbarkeit der erhobenen Aussagen der Experten.

6.2. Interviewleitfaden

Der Interviewleitfaden204 fungiert, wie schon dargelegt, als Richtschnur für die Durchführung der Interviews. Im Leitfaden wurden jene Fragen angeführt, die in jedem Interview beantwortet werden sollten. Formulierung und Reihenfolge der Fragen waren nicht verbindlich und konnten, wenn es der Gesprächsverlauf erforderte, abgeändert werden.205 Um auch neue Gesichtspunkte zum Thema zu erhalten, wurde bei der Ausarbeitung des Leitfadens darauf geachtet, dass offene Fragen gestellt werden.

Der Leitfaden orientierte sich an den in den vorherigen Kapiteln erarbeiteten Erkenntnissen aus der Theorie und der Analyse der statistischen Daten. Es fand eine Untergliederung des Leitfadens in eine einleitende Vorbemerkung sowie drei Themenbereiche statt. Die Vorbemerkung diente zur Vereinbarung organisatorischer Maßnahmen der Interviews und der Hinführung zum Thema. Der erste Themenbereich beschäftigt sich mit der Erfragung von allgemeinem Wissen und Erfahrungen der Experten zum Thema Regionalwährungen. Der zweite Themenbereich behandelte die Verwaltung und die Finanzierung von Regionalwährungen. Der dritte Teil des Leitfadens diente der Gewinnung von praktischen Erkenntnissen zur Übertragung der Regionalwährung auf die Region Oberkärnten.

201 Vgl. Gläser und Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen, 11–12. 202 Vgl. Garz und Kraimer, Qualitativ-empirische Sozialforschung, 447. 203 Vgl. Gläser und Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen, 41. 204 Der Interviewleitfaden befindet sich im Anhang dieser Master Thesis 205 Vgl. Gläser und Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen, 42. 61 6.3. Auswahl der Interviewpartner

Die Auswahl der Experten für das leitfadengestützte Interview ist stark vom Forschungsinteresse abhängig. Die Experten sollten selbst Teil eines Handlungsfeldes des Forschungsgebietes sein. Sie sollte für die Planung, die Einführung oder die Kontrolle einer Problemlösung Verantwortung tragen bzw. über einen bevorzugten Zugang zu Informationen über Entscheidungsprozesse oder Personengruppen verfügen. Der Expertenstatus wird folglich vom Forscher selbst vergeben und hat einen rationalen Status.206

Unter Berücksichtigung der Forschungsfrage wurde im Vorfeld nach möglichen Experten gesucht. Aus sprachlichen Gründen wurde die Suche auf die Länder Deutschland, Österreich und Schweiz eingegrenzt. Um möglichst viele Sichtweisen zu erhalten, wurde bei der Suche darauf geachtet, dass die ausgewählten Experten verschiedene Aufgaben und Arbeitsgebiete im Bereich und Umfeld der Komplementärwährungen abdecken. Aus einer Vielzahl an möglichen Experten wurden insgesamt 17 ausgewählt und telefonisch oder per E-Mail um ein Interview gebeten. Von diesen 17 haben sich fünf Experten zu einem Interview bereit erklärt, wobei einer leider kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen musste.

6.4. Die Interviewpartner

Dieses Unterkapitel dient der näheren Beschreibung der Interviewpartner und ihrer Tätigkeiten sowie der Institutionen, in denen sie beschäftigt sind bzw. bei der sie mitarbeiten. Die Beschreibung der Interviewpartner soll zeigen, mit welchem Blickwinkel die Beantwortung der Fragen erfolgte. Die Reihung der Interviewpartner findet nach der alphabetischen Reihenfolge der Nachnamen statt.

Karl Anton Immervoll

Karl Anton Immervoll ist Mitbegründer der Regionalwährung ‚Waldviertler‘.207 Der ‚Waldviertler‘ ist keine eigene Währung, sondern ein legales und vereinsinternes Gutscheinsystem, was als komplementäres Tausch- und Zahlungsmittel im Waldviertel verwendet wird. Das Zahlungsmittel ist in Euro gedeckt ist. Die Ziele

206 Vgl. Garz und Kraimer, Qualitativ-empirische Sozialforschung, 443. 207 Vgl. Verein Netzwerk – Weißkirchen gemeinsam gestalten, „NETZWERK – Weißkirchen gemeinsam gestalten“. 62 des ‚Waldviertlers‘ sind die Stärkung des regionalen Wirtschaftskreislaufes und die Unterstützung der gemeinnützigen Vereine in der Region.208

Karl Anton Immervoll ist Theologe, Schuhmacher und Musiker und arbeitet in der Betriebsseelsorge im Oberen Waldviertel. Im Besonderen beschäftigt er sich mit der Entwicklung und Vernetzung unterschiedlicher Sozialprojekte. Durch sein Engagement sind viele regionale Arbeitsplätze und Initiativen für die Menschen der Region, auch unter Einbeziehung der tschechischen Nachbarn, entstanden. Beispiele sind die Gründung der Waldviertler Schuhwerkstatt sowie die Lehrlingsstiftung Eggenburg. Weiterhin hat er einen Lehrauftrag am Seminar für kirchliche Berufe in Wien inne. Auch die Musik ist ihm sehr wichtig und soll nach seiner Ansicht allen Menschen zugänglich gemacht werden. Er ist Organist an der Stadtpfarrkirche in Heidenreichstein und auch Lehrer am Musikschulverband Heidenreichstein.209

Herr Immervoll wird in weiterer Folge der Master Thesis als Experte A bezeichnet.

Frank Jansky

Frank Jansky ist erster Vorsitzender des Regionalwährungsvereins ‚Regiogeld e.V.‘ in Deutschland.210 „Der Regiogeld-Verband ist ein Fachverband von Herausgebern regionaler Zahlungsmittel, Gruppen die die Herausgabe von regionalen Zahlungsmitteln vor Ort prüfen und Förderer der Idee.“211 Dieser Verein ist ein profilbildendes Kompetenznetzwerk, welches auf gemeinsam festgelegten Werten und Qualitätsprinzipien basiert. Im Verein tauschen die Mitglieder sich aus und gründen Netzwerke. Der Regiogeldverband hat die Ziele, mehr Nachhaltigkeit in das Geldsystem zu bringen und die Entwicklung innovativer regionaler Finanzsysteme in der Praxis zu begleiten. Er leistet Öffentlichkeitsarbeit und verbreitet die Idee von Komplementärwährungen, berät die Mitgliedsinitiativen und bindet die Herausgeber von Regionalwährungen in seine Vernetzung und den Austausch ein.212

Frank Jansky ist seit 1998 freiberuflicher Rechtsanwalt. In seiner Kanzlei betreut er hauptsächlich eigenständige klein- und mittelständische Unternehmen, die in

208 Vgl. Waldviertler – Verein für regionales Wirtschaften, „Waldviertler Regionalwährung: Das gute Leben ist möglich!“. 209 Vgl. Verein Netzwerk – Weißkirchen gemeinsam gestalten, „NETZWERK – Weißkirchen gemeinsam gestalten“. 210 Vgl. MonNetA gemeinnützige GmbH, „Über MonNetA » Partner » Frank Jansky | MonNetA.org – Komplementäre Währungen – Initiativen zur Einführung stabiler Geldsysteme“. 211 Regiogeld e.V., „Regionalgeld: Mitglieder“. 212 Vgl. ebd. 63 der Regionalwirtschaft tätig sind. Im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsprogrammen ist er als Dozent für Rechtskunde tätig. Zudem ist er eingetragener Streitschlichter und führt verschiedene Vereine und Kapitalgesellschaften als Vorsitzender des Vorstandes oder des Aufsichtsrates. Im Rahmen seiner langjährigen vielfältigen Tätigkeiten hat er sich spezielles Wissen im Bereich des Geld- und Währungsrechts angeeignet.213

Herr Jansky wird in weiterer Folge der Master Thesis als Experte B bezeichnet.

Veronika Spielbichler

Veronika Spielbichler ist seit Gründung im Jahr 2003 Obfrau des gemeinnützigen Vereins ‚Unterguggenberger Institut‘. Der Namensgeber des Vereins ist der ehemalige Wörgler Bürgermeister Michael Unterguggenberger. Er hat in Wörgl 1932/33 das Freigeld als Regionalwährung eingeführt und auf diese Weise die Wirtschaftskrise wirkungsvoll bekämpft.214 Das Wörgler Schwundgeld wurde bereits im Kapitel 4.2.2. näher beschrieben. Das Unterguggenberger Institut befasst sich sowohl mit der Geschichte des Wörgler Freigeld-Experiments 1932/33 als auch mit dem Thema Komplementärwährungen heute. Ziel des Vereins ist vor allem die Öffentlichkeitsarbeit zu diesen Themen. Dazu gehören die Begleitung und Vernetzung aktiver Projekte und die Schaffung von Bewusstsein, wie Geldsysteme auf die Gemeinschaft wirken. Mit Unterstützung des Unterguggenberger Instituts wurde im Oktober 2005 in Wörgl eine Jugendkomplementärwährung eingeführt.215

Veronika Spielbichler hat nach dem Abschluss der Handelsakademie Wörgl über 20 Jahre lang als Redakteurin einer Bezirkswochenzeitung gearbeitet. Seit 2005 ist sie als freie Journalistin und Redakteurin tätig und hat sich ein persönliches Journalistenportal für Regionalnachrichten im Internet aufgebaut. Außerdem arbeitet sie in der Initiative Neues Geld und in der Lokalen Agenda 21 in Wörgl mit. Hier ist sie u. a. als Leiterin der Projektgruppe zur Entwicklung der Jugendkomplementärwährung I-MOTION beschäftigt.216

Frau Spielbichler wird in weiterer Folge der Master Thesis als Experte C bezeichnet.

213 Vgl. MonNetA gemeinnützige GmbH, „Über MonNetA » Partner » Frank Jansky | MonNetA.org – Komplementäre Währungen – Initiativen zur Einführung stabiler Geldsysteme“. 214 Vgl. Unterguggenberger Institut, „Unterguggenberger Institut – Unterguggenberger Institut Wörgl – Kurzportrait“. 215 Vgl. ebd. 216 Vgl. Unterguggenberger Institut, „Unterguggenberger Institut – Kurzbiografie Veronika Spielbichler“. 64 Dr. Gerhard Zwingler

Gerhard Zwingler ist geschäftsführender Obmann des Vereins ‚NETs.werk – Nachhaltig leben‘ und leitet die ‚NETs.werk – Regionalstelle Steyr‘.217 Dieser Verein wurde im Jahr 2005 gegründet.218 „Unsere Vision ist ein Versorger- Verbraucher Netzwerk, welches sozial und ökologisch wertvolle Betriebe und Produkte stärkt: ein Wirtschaftssystem mit menschlichen Werten und dem art- und naturgemäßen Umgang mit allen Lebewesen: Ein NETs.werk für nachhaltiges Leben. Unser NETs.werk lebt von der Vernetzung. Wir freuen uns, wenn Gleichgesinnte unser NETs.werk bereichern. Jeder ausgegebene Euro soll regional, biologisch, sozial und tierfreundlich wirken.“219

Mit dem Projekt ‚SonnenZeit – Spiel des Lebens‘ hat der Verein ein innovatives Wirtschaftssystem entwickelt, mit dessen Umsetzung im Jänner 2013 begonnen wurde. Neben nachhaltigem Wirtschaften, das durch die Kennzeichnung der angebotenen Produkte nach ihren Auswirkungen auf Mensch und Natur sowie die Belohnung von Unternehmern für ökologisches und soziales Engagement erreicht wird, hat dieses Projekt die Schaffung von Geld, das allen immer ausreichend zur Verfügung steht und gerecht verteilt wird, zum Ziel. Eine gerechte Verteilung wird über ein ausgabenbezogenes Grundeinkommen erreicht, wobei die gemeinsame Währung die Stunde ist.220

Gerhard Zwingler studierte Volkswirtschaftslehre. Seine Doktorarbeit behandelte das Thema der nachhaltigen Gemeindeentwicklung.221

Herr Zwingler wird in weiterer Folge der Master Thesis als Experte D bezeichnet.

6.5. Durchführung der Interviews

Die Interviews mit den vier in Kapital 6.4. genannten Experten wurden im März 2015 in einem Zeitraum von einer Woche durchgeführt. Aufgrund der großen Entfernung zu den Interviewpartnern wurden alle vier Interviews telefonisch geführt. Im Zuge der Terminvereinbarung wurde der Interviewleitfaden vorab per E-Mail versendet. Am Beginn der Interviews wurde gemäß des Leitfadens nochmals für die Zeit und die Bereitschaft zum Interview gedankt, es wurde das Thema der Master Thesis skizziert sowie Sinn und Zweck der Interviews

217 Vgl. NETs.werk – Nachhaltig leben, „Worum geht´s? « SonnenZeit – Spiel des Lebens“. 218 Vgl. NETs.werk – Nachhaltig leben, „Geschichte » NETs.werk – Nachhaltig leben“. 219 NETs.werk – Nachhaltig leben, „NETs.werk Idee » NETs.werk – Nachhaltig leben“. 220 Vgl. NETs.werk – Nachhaltig leben, „Was bieten wir? » NETs.werk – Nachhaltig leben“. 221 Vgl. NETs.werk – Nachhaltig leben, „Worum geht´s? « SonnenZeit – Spiel des Lebens“. 65 erläutert. Zudem wurde die Interviewdauer abgestimmt, ebenso wurde die Zustimmung zur Aufzeichnung der Interviews und deren namentliche Veröffentlichung eingeholt. Alle vier Interviewpartner haben dieser Vorgehensweise zugestimmt. Nach Einholung der Zustimmung wurde mit der Aufzeichnung begonnen.

Das Interview mit Experten A dauerte ca. 33 Minuten. Mit Experten B wurde ein Interview von ca. 49 Minuten geführt. Das Interview mit Experten C wurde aufgrund einer Unterbrechung der Telefonverbindung in zwei Teile geteilt und dauerte insgesamt ca. 31 Minuten. Das Interview mit Experten D umfasste ca. 41 Minuten.

Die im Zuge der Erarbeitung der Kapitel eins bis fünf der Master Thesis sowie der Erstellung des Leitfadens erfolgte intensive Auseinandersetzung mit dem Thema schaffte eine gute Grundlage für eine angenehme und entspannte Interviewführung. Dadurch konnte ein offener Verlauf der Interviews gewährleistet werden.222 Der Interviewleitfaden unterstützte die Strukturierung der Interviewabläufe und stellte sicher, dass keine der im Vorfeld erarbeiteten Fragen vergessen wurde. Die Reihenfolge der Fragestellung war situationsbedingt in allen vier Interviews unterschiedlich.

6.6. Transkription

Die Interviews wurden nach deren Durchführung wortgetreu transkribiert. Die Transkripte befinden sich im Anhang dieser Master Thesis. Nachdem für das Untersuchungsergebnis Sprechpausen, paraverbale Äußerungen und Ähnliches nicht relevant sind, blieben diese in der Transkription unberücksichtigt.223

6.7. Auswertung der Interviews

Zielsetzung der Auswertung ist das Generieren von Informationen, die neben den Erkenntnissen aus dem Theorieteil der Beantwortung der Forschungsfrage dienen.

Als Auswertungsmethode der leitfadengestützten Interviews wurde die qualitative Inhaltsanalyse gewählt. Die qualitative Inhaltsanalyse dient der systematischen Auswertung fixierter Kommunikation. Explizite Regeln und ein theoriegeleitetes

222 Vgl. Garz und Kraimer, Qualitativ-empirische Sozialforschung, 449. 223 Vgl. Gläser und Laudel, Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen, 193. 66 Vorgehen gewährleisten eine Systematik und stellen sicher, dass die Analyse auch von Dritten verstanden wird. Sie gibt nicht nur einfach einen Text wieder, sondern deutet ihr Material unter Einbezug der jeweiligen theoretischen Sichtweise.224

Aufgrund des gewählten Forschungsdesigns wurde die Auswertung der Interviews dieser Master Thesis nach dem Ansatz der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING durchgeführt.

Nach vollständiger Transkription der aufgezeichneten Interviews wurden die Texte paraphrasiert und auf das gewünschte Abstraktionsniveau gebracht. Auf Basis der Struktur der Fragestellungen aus dem Leitfaden erfolgte im nächsten Schritt eine induktive Auswertung der paraphrasierten Textpassagen. Die Beurteilung der einzelnen Textpassagen und ihrer Aussage wurde im Wesentlichen nach der Relevanz für die Beantwortung der Forschungsfrage durchgeführt.

Die Strukturierung der Auswertung wurde von der Struktur des Interviewleitfadens abgeleitet. Die Gliederung kann der nachfolgenden Tabelle 7 entnommen werden. Eine Beschreibung der Hauptkategorien erfolgt in den nachfolgenden Unterkapiteln 7.1., 7.2., und 7.3. des Hauptkapitels 7.

Tabelle 7: Auswertungsschema225

224 Vgl. Mayring, Qualitative Inhaltsanalyse Grundlagen und Techniken, 12–13. 225 Eigene Darstellung. 67 7. Ergebnisse der empirischen Erhebung

Das Kapitel sieben dient der Darstellung der Ergebnisse der empirischen Erhebung, welche, wie bereits beschrieben, in Form von leitfadengestützten Experteninterviews durchgeführt wurde. Die transkribierten Interviews wurden gemäß der Erläuterung in Unterkapitel 6.7. verdichtet. Die Ergebnisse werden getrennt dargestellt. Die Strukturierung erfolgte nach der in diesem Unterkapitel angeführten Haupt- und Untergruppe. Die Aussagen der Experten wurden nicht gewertet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit erfolgte die Reihung der zusammengefassten Aussagen der Experten in alphabetischer Reihenfolge.

Es wurden nicht zu allen Fragestellungen entsprechende Aussagen der Experten getroffen. Dies ist darin begründet, dass in den Interviews nicht immer alle Aspekte behandelt wurden bzw. teilweise keine Aussage von den Experten getroffen wurde.

7.1. Regionalwährungen – allgemeiner Teil

Dieses Unterkapitel soll zunächst zum leichteren Verständnis der nachfolgenden Aussagen der Experten ihre Erfahrungen mit Regionalgeldern aufzeigen. In weiterer Folge werden mögliche Kriterien nachhaltiger und zur Stärkung der Region betragender Regionalwährungen genannt und verschiedene Modelle von Komplementärwährungen sowie eine sinnvolle Kombination der Modelle diskutiert. Des Weiteren werden Chancen und Vorteile, die Einflussmöglichkeiten auf die regionale Wirtschaft sowie Nachteile und deren Beseitigungsmöglichkeiten von Regionalwährungen dargelegt.

7.1.1. Erfahrungen mit Regionalwährungen

Als Mitbegründer des Waldviertlers konnte Experte A viele Erfahrungen zum einen durch die Beschäftigung mit dem Wörgler Freigeld sowie deutschen Vorbildern wie dem Chiemgauer im Vorfeld der Gründung und zum anderen durch die jahrelange Tätigkeit für den Waldviertler sammeln. Es gibt aber auch Erfahrungen aus der theologischen Sicht. Hier geht es um die faszinierende Frage und Diskussion, wie Geld auf Menschen wirkt. Viele Erfahrungen konnten 68 und können auch aus der laufenden Diskussion darüber, dass die Währung zinsenlos ist und sich durch Schwund entwertet, gewonnen werden.226

Experte B ist bereits seit über zehn Jahren im Bereich der Regionalwährungen tätig. Seine Erfahrungen stammen aus verschiedenen Perspektiven sowohl als Initiator von Regionalgeldern wie auch als Vorstand des Fachverbandes Regiogeld. Durch die Unterstützungstätigkeit bei der deutschland- bzw. europaweiten Vernetzung der Regiogelder konnten viele Erkenntnisse gesammelt werden.227

Das Wissen über Regionalwährungen von Experten C stammt aus der Beschäftigung mit der Geschichte des Wörgler Freigeldes. Zudem konnten Erfahrungen durch die Mitbegründung von I-MOTION, einer Zeitwährung für Jugendliche in Wörgl, und die Energy Card, die in gewisser Weise eine Regionalwährung darstellt und die es seit 2013 in Wörgl gibt, gesammelt werden.228

Experte D hat Erfahrungen in diesem Bereich durch die Komplementärwährung Sonnenzeit, welche 2013 initiiert wurde, sammeln können. Die Sonnenzeit ist keine klassische Regionalwährung, da sie nicht auf Regionen beschränkt ist, sondern sich beliebig verbreiten kann. Die Währung selbst heißt Sonnenstunde.229

7.1.2. Kriterien zur Stärkung der Region

Es ist wichtig, das Bewusstsein, was mit Geld passiert, zu ändern. Geld hat den Trend, dorthin abzuwandern, wo es ohnehin schon Geld gibt, d. h. aus den Regionen weg zu den Zentralräumen. Der Waldviertler in der Brieftasche soll die Menschen dazu animieren, regional einzukaufen. Die Gemeinde erhält Kommunalabgaben in Waldviertler. Sie kann mit den Waldviertlern die Vereine vor Ort fördern und die Vereine können erneut in der Stadt und der Region mit den Waldviertlern einkaufen.230

Früher einmal war der Schwund von 2 % im Quartal ein Grund für die Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit. Mittlerweile wurde das entschärft. Der Schwund wird innerhalb eines Jahres von den Betrieben subventioniert, sodass der Waldviertler

226 Vgl. Transkript Experte A, Z. 7–22. 227 Vgl. Transkript Experte B, Z. 5–11. 228 Vgl. Transkript Experte C, Z. 4–19. 229 Vgl. Transkript Experte D, Z. 2–7. 230 Vgl. Transkript Experte A, Z. 26–40. 69 ein Jahr gültig ist, erst dann setzt der Schwund ein. Nunmehr ergibt sich eine schnellere Zirkulation durch das Bewusstsein der Befürworter des Waldviertlers für die Regionalität. Sie verwenden ihn einfach stetig und beschleunigen damit den Umlauf. Wer den Waldviertler erhält, obwohl er ihn nicht mag, der gibt ihn sowieso schnell wieder aus.231

Die Frage, ob Regionalwährungen zur Stärkung einer Region beitragen, ist ein sehr großes, fast unspezifisches Ziel. Regionalwährungen stellen zunächst einmal ein Experimentierfeld zur Stärkung der Region im Kleinen dar. Sie sind ein Baustein, jedoch gibt es noch weitere. Es kann auch sein, dass eine Regionalwährung gar nicht zur Stärkung der Region beiträgt. Sie sind ein geeignetes Instrument für Einzelprojekte oder Situationen, die in einer Region als Problem erkannt werden. Für Menschen sind überschaubare und kurzfristige Ziele wichtig. Ein weiteres wesentliches Kriterium, um eine Region zu stärken oder „überhaupt wieder aus dem Winterschlaf zu erwecken“232, ist die Vernetzungsarbeit mit vielen anderen Gruppen und Initiativen.233

Wichtig sind ein zielgruppenorientiertes Arbeiten und eine Definition, welches Ziel durch die geplante Maßnahme erreicht werden soll. Sinnvolle Modelle lassen sich oft aus der Festlegung, wer durch die Einführung des neuen Modells profitieren soll, ableiten. Zur erfolgreichen Durchsetzung der Maßnahmen ist es wesentlich, schon im Vorfeld darauf zu achten, dass der Kreislauf des Modells geschlossen werden kann. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist eine professionelle Umsetzung. Hierbei ist ein ehrenamtliches Engagement am Anfang immanent wichtig. Ein engagiertes ehrenamtliches Team ist irgendwann erschöpft, deshalb ist es in weiterer Folge zur Aufrechterhaltung des Modells erforderlich, eine nachhaltige Trägerstruktur zu etablieren.234

Hauptkriterium ist die Drehung der Währung. Unternehmen, welche die Regionalwährung als Zahlungsmittel akzeptieren, müssen die Möglichkeit haben, auch ihre Zulieferketten mit der Regionalwährung bedienen zu können. Die Währung wird attraktiv, wenn viele Unternehmen teilnehmen, die Dinge des täglichen Bedarfs anbieten.235

231 Vgl. ebd., Z. 119–132. 232 Transkript Experte B, Z. 48–49. 233 Vgl. ebd., Z. 26–49. 234 Vgl. Transkript Experte C, Z. 42–60. 235 Vgl. Transkript Experte D, Z. 10–17. 70 7.1.3. Modelle

Der Waldviertler ist unter den Komplementärwährungen als Gutscheinsystem einzuordnen. Er hat nicht den Anspruch, den Euro zu ersetzen, sondern ist ein Versuch, die Systemfehler des Euros bzw. des normalen Geldes zu korrigieren.236

In der Vergangenheit gab es mehrere Versuche, verschiedene Modelle zu kombinieren. Es wurde beispielsweise ein Tauschkreis eingeführt. Dieser Versuch ist vordergründig daran gescheitert, dass die angebotenen Gegenleistungen oft zu spezifisch waren und nicht nachgefragt wurden. Ein weiterer Grund des Scheiterns war vielleicht auch eine zu kleine Struktur bzw. Region.237

Was aber sehr wohl zu beobachten ist, dass es in den Bereichen, wo der Waldviertler verwendet wird, eine Tendenz in Richtung Geschenkökonomie gibt, d. h., ich mache etwas und habe das Vertrauen, dafür einmal was zurückzubekommen, ohne dass es gemessen oder in Zeitguthaben festgehalten wird.238

Heutzutage gibt es schon in vielen Regionen Europas Bürger, die beginnen, die Problembereiche selbst zu erkennen und auch entsprechende Lösungsmodelle zu entwerfen. Das Dorfleben ist diesbezüglich ein Klassiker. Bürger schließen sich zusammen und organisieren gemeinsam z. B. die Nahversorgung, Pflegeeinrichtungen, die Grünflächennutzung in der Stadt, die Mobilität etc. Es gibt eine Vielzahl an Instrumenten und Projektformen, um eine Region voranzubringen. Regiogeld ist nur ein einzelner Baustein. Es müssen die Spezifika einer Region genau betrachtet und analysiert werden und das Modell nach dem, was fehlt, oder nach den Entwicklungsperspektiven ausgerichtet werden. Aus diesen Gründen gibt es die unterschiedlichsten Formen von Regionalgeld und auch die verschiedenen Zielsetzungen innerhalb der Regionalgelder.239 Im Chiemgau gibt es mehr Touristen als Einwohner und dort besteht vergleichsweise viel Geld in der Region. Hier geht es also nicht darum, Liquidität neu zu schaffen. Der Chiemgauer soll den Geldumlauf stabilisieren und das Geld länger in der Region zirkulieren lassen. Aus diesem Grund ist der Chiemgauer auch Euro-gedeckt. Beim Bremer Roland zeigt sich ein anderes

236 Vgl. Transkript Experte A, Z. 43–47. 237 Vgl. ebd., Z. 53–66. 238 Vgl. ebd., Z. 66–70. 239 Vgl. Transkript Experte B, Z. 58–103. 71 Bild. Hier gibt es viele produzierende Bio-Bauern, die ein gemeinsames Finanzierungsinstrument benötigen, um beispielsweise Anschaffungen zu finanzieren. Der Bremer Roland ist speziell auf die Bedürfnisse der Bio-Bauern ausgerichtet. Dann gibt es leistungsgedecktes Geld, das unter der Bezeichnung Tauschringe bekannt ist. Dieses Modell dient zur Schaffung von Liquidität in Regionen, wo die Menschen wenig Geld haben. Es macht den Austausch von Geld untereinander wieder möglich und fördert den regionalen Einkauf. In den Regionen, wo Liquidität fehlt, ist ein leistungsgedecktes Geld empfehlenswert.240

Auch in Österreich gibt es unterschiedliche Modelle. In Vorarlberg wird sowohl mit Euro-gedeckten als auch mit leistungsgedeckten Modellen agiert. Im Waldviertel, das sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befindet, gibt es mit dem Waldviertler eine Regionalwährung.241 Es bestehen aber auch Modelle auf politischer Ebene, wie z. B. die demokratische Bank, eine Geld- ohne-Schuld-Bewegung sowie einige Bildungsprojekte.242

In der Schweiz gibt es das WIR-Modell. Dieses Modell ist sicherlich eines der erfolgreichsten Modelle und hat mittlerweile seit 80 Jahren Bestand.243 Dieses Modell ist der Favorit in Europa von Experten B.244

In Italien gibt es den Sardex, dies ist ebenfalls ein leistungsgedecktes Geld, bei dem ebenso eine hohe Resonanz, sogar in kürzester Zeit, eingetreten ist.245

Die Modellwahl oder eine mögliche Kombination von Modellen sollte sich nach dem Ergebnis der Analyse der Region orientieren.246

Im Bereich der Komplementärwährungen gibt es viele Ansätze und Lösungsmodelle. Diese reichen vom Tauschkreis bis hin zu Euro-gedeckten Regionalwährungen wie Waldviertler und Chiemgauer. Weiterhin bestehen Regionalwährungen mit und ohne Schwund. Zum Teil werden auch Zeitbankmodelle gestartet. Diese sind den sektoralen Komplementärwährungen zuzuordnen, da sie auf einen gewissen Zweck abzielen. Sektorale Komplementärwährungen sind zwar nicht unbedingt regional, denn sie können auch bundesländerweit organisiert sein, aber gewisse Überschneidungen mit der Region gibt es immer. Die Zeit als Währung ist ein inflationsgeschütztes, kaufkraftsicherndes Instrument und eignet sich gut für Tätigkeiten in der

240 Vgl. ebd., Z. 116–149. 241 Vgl. ebd., Z. 169–173. 242 Vgl. ebd., Z. 180–187. 243 Vgl. ebd., Z. 201–207. 244 Vgl. ebd., Z. 249–250. 245 Vgl. ebd., Z. 255–257. 246 Vgl. ebd., Z. 150–161. 72 Betreuung, z. B. für die Altersvorsorge, für die Senioren- oder die Kinderbetreuung. Es gibt zum Beispiel in der Stadt St. Gallen in der Schweiz ein Projekt, bei dem die Stadt die Deckung der Zeitguthaben übernimmt. Die Wahl des Modells ist von der Frage, was erreicht werden soll, abhängig. Eine Kombination aus mehreren Modellen ist stets vorteilhaft, da es das eine Projekt, das unser Geld- und Wirtschaftssystem grundlegend ändert, nicht gibt.247

Es bestehen drei verschiedene Systeme. Das sind die Euro-gedeckten Währungen, die leistungsgedeckten Währungen und die vertrauensgedeckten Währungen. Hierbei handelt es sich um eine rein virtuelle Währung ohne Scheine. Die Sonnenzeit ist eine vertrauensgedeckte Währung. Im Grunde vertraut jemand anderer darauf, dass er für seine Sonnenstunden eine Gegenleistung bekommen kann. Dadurch besteht die Möglichkeit der Geldschöpfung, die bei leistungs- oder Euro-gedeckten Währungen nicht existiert. Den Mitgliedern wird ein laufendes Grundeinkommen zur Verfügung gestellt. Unternehmerseitig kann durch die Festlegung eigener Quoten selbst bestimmt werden, wie viel Prozent des Rechnungsbetrages in Euro und wie viel in der Komplementärwährung fakturiert wird.248

7.1.4. Chancen und Vorteile

Die größte Entwicklungschance liegt in der Stärkung des Regionalbewusstseins. Man beschäftigt sich vermehrt mit Fragen, wie z. B., wo kommen die Produkte her, wo kaufe ich ein, aber auch mit Umweltfragen. Die Gemeinde vergibt ihre Förderungen in der Regionalwährung, die Unternehmen spenden bzw. unterstützen Vereine und dergleichen in Waldviertlern. Der Vorteil liegt darin, dass z. B. bei Spenden an Nichtkunden durch die Regionalwährung eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese in das Geschäft zurückfließt. Somit wird das Bewusstsein für die Regionalität gestärkt und darin besteht die größte Chance.249

Regionalgeld hilft den Menschen, eher zu verstehen, worum es bei regionalem Wirtschaften geht, als wenn dies über abstrakte Ökonomie erklärt werden soll. Mit einer Schülerbank lässt sich z. B. eine Zielgruppe erreichen, die sich sonst für Wirtschaftskunde nur marginal interessiert. Nachdem die Kinder und Jugendlichen die Träger der zukünftigen Regionalentwicklung sind, sollten sie

247 Vgl. Transkript Experte C, Z. 224–260. 248 Vgl. Transkript Experte D, Z. 43–62. 249 Vgl. Transkript Experte A, Z. 76–93. 73 auch stärker in diesen Bereich eingebunden werden. Das verwurzelt sie stärker mit der Region und zeigt ihnen, dass sie in der Region eine Chance haben.250

Regionalwährungen bringen viele Aspekte mit sich, die einen Mehrwert haben, der sich aber auf den ersten Blick nicht erschließt. Das Jugendprojekt in Wörgl schafft u. a. die Basis für eine Sozialarbeit mit Kindern und Jugendlichen, die es sonst in dieser Form nicht geben würde. Es unterstützt aber auch die Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen zur Schaffung eines positiven Bewusstseins für die Region.251

Ein Vorteil der vertrauensgedeckten Währung ist die Möglichkeit der Geldschöpfung, welche die Gelegenheit mit sich bringt, ein Grundeinkommen als Leistungsbestätigung und Dankeswährung in Umlauf zu bringen. Im jetzigen Geldsystem besteht das Problem, dass viele Menschen wertvolle Arbeiten machen, sie aber, weil das Geld nicht zur Verfügung steht, nicht dafür entgolten werden.252 Der Umlauf wird über das Grundeinkommen angekurbelt. Dieses stellt sicher, dass ein Mensch, der etwas braucht, es auch entgelten kann. Eine Umlaufsicherung durch Schwund, wie z. B. beim Chiemgauer, ist nicht erforderlich und das nimmt dem Geldsystem den Druck.253 Da die Sonnenstunden nicht ablaufen und es auch keine laufende Gebühr wie z. B. beim Schwundgeld gibt, ist es auch nicht erforderlich, noch schnell vor Ablauf einen Tauschpartner zu finden, um der Gebühr zu entgehen.254

7.1.5. Auswirkungen auf die Region

Zu diesen Themen gibt es keine Messungen. Kaufkraftvermehrung oder Umwegrentabilität sind nur einige Kriterien. Die wichtigere Sache lautet: Wie gehe ich mit Geld um, das dann andere beeinflusst? Hier sind durch die Regionalwährung Regionalmärkte entstanden und ein Gemeindetaxi wurde gegründet. Es kam zu einem Beteiligungsmodell an einer Photovoltaikanlage, wobei die Rendite in Waldviertlern ausgezahlt wird. Es gibt somit eine Reihe an konkreten Projekten, die Arbeitsplätze schaffen. Der Waldviertler zirkuliert ca. zwei bis drei Mal so schnell wie der Euro. Derzeit befinden sich 50.000 Euro in

250 Vgl. Transkript Experte B, Z. 549–575. 251 Vgl. Transkript Experte C, Z. 120–133. 252 Vgl. Transkript Experte D, Z. 68–74. 253 Vgl. ebd., Z. 106–114. 254 Vgl. ebd., 207–215. 74 Waldviertlern im Umlauf. Das bringt eine Wertschöpfung von rd. 500.000 bis 700.000 Euro pro Jahr. Dies schafft auch indirekt Arbeitsplätze.255

Ein weiteres Beispiel gibt es in Langenegg. Dort existierte kein Greißler mehr und es bestand der Wunsch, wieder einen Dorfladen zu haben. Ein Betreiber hat sich gefunden, aber es stellte sich die Frage, wer garantiert, dass die Bevölkerung im Dorfladen einkauft. Als Lösung dafür sind die Langenegger Talente entstanden. Mit dem Abonnementsystem, die die Haushalte dort haben, wird im Dorfladen auch wirklich eingekauft.256

Regionalgeld ist primär ein Bildungsprojekt, liefert somit Bildung darüber, dass die Leute ihr Geld in der Region belassen sollen. Es soll einen Erinnerungseffekt auslösen, dass wir für die Region etwas tun müssen.257

Wir haben in Europa derzeit eine Situation, die macht sich auch an der Geldversorgung durch die Europäische Zentralbank bemerkbar, dass wir das Geld nicht in die Realwirtschaft zurückbringen. Das Geld verbleibt gegenwärtig in anderen Bereichen.258

Im Chiemgau gibt es mittlerweile Vereine, die ohne Rücktauschgebühren nicht mehr existieren würden. Da die Touristen im Chiemgau nur vergleichsweise kurz in der Region sind und nicht Mitglied bei irgendeinem Verein der Region werden, ist dort die Vereinsförderung zu einem der wichtigsten Instrumente geworden, um die Vereine, die in der Region aktiv sind, am Leben zu erhalten.259

Die Erfolge von Regionalwährungen bzw. Komplementärwährungen lassen sich heute noch schlecht messen. Die herkömmlichen wirtschaftlichen Parameter der Betriebs- und Volkswirtschaft wie Umsatz sagen wenig über die Lebensqualität, das Konsumverhalten oder wie sich Leute in der Region engagieren und einbringen aus. Deshalb sind greifbare Erfolge für die Wissenschaft schwer vorzuweisen. Regionalwährungen sollen durch die Beschäftigung mit diesen Kreisläufen, den Hintergründen der Geldwirtschaft und der Wirtschaft generell eine Änderung des menschlichen Wertesystems hervorrufen. Sie sollen auch dazu führen, dass vermehrt regionale Produkte eingekauft werden, nicht nur in der Regionalwährung, sondern auch in Euro.260

255 Vgl. Transkript Experte A, Z. 99–115. 256 Vgl. ebd., 304–311. 257 Vgl. Transkript Experte B, Z. 188–190. 258 Vgl. ebd., Z. 249–254. 259 Vgl. ebd., Z. 324–333. 260 Vgl. Transkript Experte C, Z. 99–118. 75 Das Beispiel des Jugendprojektes in Wörgl zeigt, dass mit Komplementärwährungen auch Sozialarbeit geleistet werden kann. Die Jugendlichen kommen in die Betreuungseinrichtungen, die Betreuungspersonen erfahren so mehr über ihren Hintergrund und ihre Probleme. Dieses Projekt spricht zudem viele Kinder mit Migrationshintergrund an, die sonst nicht erreicht werden würden. Gleichzeitig wird durch die Komplementärwährung für Jugendliche auch deren Konsumverhalten geprägt. Die Jugendlichen nutzen die Einkaufsgutscheine der Stadt in der Stadt. Dadurch kann sowohl die Identifikation als auch die Bindung an den Ort erhöht werden. Sie verbindet Generationen, da Jugendliche für Senioren verschiedene Arbeiten leisten, die über die Jugendkomplementärwährung abgerechnet werden. Komplementärwährungen sind ein vertrauensbildendes Instrument, welches dabei hilft, Netzwerke und Vertrauen in unmittelbarer Umgebung entstehen und anonyme Strukturen aufbrechen zu lassen. Das Projekt hat auch die Politik dazu veranlasst, sich für die Jugend zu interessieren. Mittlerweile hat Wörgl die bestaufgestellte Jugendarbeit in Tirol.261

Durch Bürgerengagement ist sehr viel passiert. Wenn nur der Wert der Zeitwertkarten an dem monetären Wert gemessen würde, so würde das bei Weitem nicht das widerspiegeln, was alles geschehen ist.262

Die Sonnenzeit gibt es seit zwei Jahren. Es gibt 250 Mitglieder, wovon 50 Unternehmer sind. Es ist also noch viel zu früh, um positive Auswirkungen auf Unternehmen oder die Kaufkraft von Personen messen zu können. Bei der Sonnenzeit geht es zudem vordergründig nicht um das Geld oder eine Regionalwährung. Es geht auch darum, eine positive Auswirkung auf Mensch und Natur zu erreichen. Um das beeinflussen zu können, wird in der Sonnenzeit eine Nachhaltigkeitsbewertung eingeführt und die Produkte und Dienstleistungen werden je nach Auswirkung auf Mensch und Natur unterschiedlich bepreist. Dieser Nachhaltigkeitsausgleich soll dann den Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Damit sollen Produktion und Konsum in eine sozialverträglichere und ökologische Richtung gelenkt werden.263

261 Vgl. ebd., Z. 120–173. 262 Vgl. ebd., Z. 178–181. 263 Vgl. Transkript Experte D, Z. 131–142. 76 7.1.6. Nachteile und deren Möglichkeiten zur Beseitigung

Ein Nachteil ist sicherlich, dass nicht 100 % der Unternehmen beteiligt sind. Die Einwohner müssen daher überlegen, wo sie einkaufen können und wo sie überall nicht hingehen können. Sonst hat man sicher nicht viele Nachteile. Die Nachteile sind aber auch immer eine Frage der Sichtweise, hierbei ist Folgendes leitgebend: Was will ich und wozu bin ich bereit und wie kompliziert gehe ich damit um? Auch der Betrieb kann äußern, dass ihm die Waldviertler zu umständlich in der Buchhaltung sind. Sie können aber auch sagen, dass es ihnen egal ist, ob Gutschein oder Euro in der Kasse sind, denn dies wird identisch abgerechnet.264

Dieser Nachteil lässt sich durch Öffentlichkeits- bzw. Bildungsarbeit beseitigen. Im Laufe der Jahre wird die Akzeptanz höher. Die Entwicklung des Geldes zum Zinssystem hin ist eine jahrtausendalte. Es kann also nicht erwartet werden, die Denkweisen in zehn Jahren verändern zu können.265

Ein Nachteil von Euro-hinterlegten und leistungsgedeckten Regionalgeldern sind die höheren Schuhlederkosten. Man hat weitere Wege, um das Regionalgeld zu bekommen. Es ist nicht am Automaten erhältlich, sondern muss in eine Bankfiliale oder eine Wechselstube beschafft werden.266 Es ist somit aufwendiger, das Geld zu beziehen. Da nicht alle Geschäfte einer Region mitmachen, kann es auch aufwendiger sein, das Geld auszugeben. Eine niedrige Akzeptanzstellendichte ist infolgedessen ein Kostenfaktor. Die Schuhlederkosten sind also eines der schwierigsten Argumente.267

Euro-gedeckte Modelle, wie z. B. der Chiemgauer, sind sehr stark von der Eintauschbereitschaft der Menschen abhängig. Es muss ständig jemand gefunden werden, der das Geld wieder eintauscht. Bei einer Knappheit an Liquidität, die es mittlerweile vermehrt zu beobachten gibt, tauschen die Leute nicht in die Regionalwährung, sondern sie sparen Euros für Engpässe. Daher ist momentan ein Zurückgehen der Euro-hinterlegten Modelle zu verzeichnen.268

Ein weiteres Problem ist der Negativzins. Die Diskussion ist zwar heute etwas leichter, weil die Euro-Strategie mittlerweile dieselbe ist. Dass die Umlaufgeschwindigkeit mit Instrumenten wie Negativzinsen und Schwund

264 Vgl. Transkript Experte A, Z. 144–153. 265 Vgl. ebd., Z. 154–161. 266 Vgl. Transkript Experte B, Z. 515–521. 267 Vgl. ebd., Z. 533–541. 268 Vgl. ebd., Z. 218–226. 77 angeregt werden kann, ist allerdings ein Prozess, den die Menschen bildungsmäßig nicht verstehen. Hier ist auch zu sagen, dass die Bildung über Finanzen, Geld und Wirtschaft und noch spezieller über Regionalwährungen so gering geworden ist, dass mit so einem Modell erst einmal Bildungsarbeit geleistet werden muss, bevor es überhaupt wirtschaftliche Resonanz erfährt.269

Nachteile entstehen nur dort, wo es Probleme bei der Umsetzung gibt und die Strukturen nicht so aufgestellt sind, dass sie nachhaltig wirken. Wenn viele Rohstoffe vor Ort fehlen, kann nicht ausschließlich mit Komplementär- bzw. Regionalwährungen gewirtschaftet werden, darin liegt auch nicht ihr Sinn. Aufgrund der weltweit vernetzten Wirtschaft wird es immer einen Außenhandel geben und dies verleiht dem Einsatz von Regionalwährungen natürliche Grenzen.270

Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass oftmals zu große Hoffnungen bestehen, was die Wirkung von Regionalwährungen betrifft. Sie lösen nicht alle strukturellen Schwächen, sondern sind meist erst der Katalysator, sodass es noch besser funktioniert, wenn die anderen Probleme gelöst werden.271

Auch fehlende personelle Strukturen und die Gegebenheit, dass der Kreislauf aufgrund mangelnder Beteiligung der Wirtschaftsbetriebe und Konsumenten nicht geschlossen werden kann, stellen oft Schwierigkeiten dar.272

Oftmals ist es schwierig, Personen zu finden, die eine Idee weitertragen und sich zutrauen, öffentlich darüber zu sprechen.273

Eine Hauptschwierigkeit liegt im Bewusstseinswandel. Jeder einzelne muss sich gut einbringen, ansonsten ist es naheliegend, wenn am Marktplatz wenig Angebot und Nachfrage vorhanden sind.274 Die Schaffung von betrieblichen Kreisläufen ist eine große Herausforderung.275

Ein Manko von Regionalwährungen liegt auch darin, dass sie nur zur Regionalisierung dienen und nicht wirklich andere Impulse setzen.276

269 Vgl. ebd., Z. 521–531. 270 Vgl. Transkript Experte C, Z. 184–196. 271 Vgl. ebd., Z. 196–204. 272 Vgl. ebd., Z. 211–215. 273 Vgl. Transkript Experte D, Z. 204–206. 274 Vgl. ebd., Z. 95–101. 275 Vgl. ebd., Z. 153–154. 276 Vgl. ebd., Z. 145–147. 78 7.2. Regionalwährungen – Verwaltung/Finanzierung

Dieses Unterkapitel dient der Darstellung der Expertenaussage zu den Aufgaben der Verwaltung einer Regionalwährung und den Finanzierungsmöglichkeiten von Regionalwährungen. Es werden mögliche Institutionen für die Verwaltung von Regionalwährungen aufgezeigt sowie die Rolle der Volksbank im Rahmen der Verwaltung von Regionalwährungen diskutiert.

7.2.1. Aufgaben der Verwaltung

Im Falle der Regionalwährung Waldviertler liegt die Verwaltung zu 100 % bei der Betriebsfürsorge. Es gibt eine Bank, die die zentrale Ausgabe der Scheine übernimmt und mit der bestimmte Aufgaben geteilt werden. Die Bank ist aus praktischen Gründen involviert. Zu ihr haben die Menschen Vertrauen, sie hat regelmäßige Öffnungszeiten und zu ihr gehen Geschäftsleute, sodass keine zusätzlichen Wege anfallen. Für die Verwaltung selbst wurde eine eigene Mitarbeiterin angestellt, die im Umfang von 20 Wochenstunden beschäftigt ist. In dieser Zeit werden alle mit der Verwaltung zusammenhängenden Arbeiten wie die Abrechnung der Scheine, der Austausch der alten und neuen Scheine mit der Bank, die Werbung, die Bürokratie, die mit der Rückgabe der Scheine einhergeht, usw. durchgeführt.277

Die Aufgaben der Verwaltung sind modellabhängig. Bei Euro-hinterlegten Modellen ist der Aufwand sehr hoch. Es ist nötig, die Gutscheine zu verwalten und die Akzeptanzstellen zu betreuen. Im Prinzip muss wie eine Bank agiert werden.278 Der Verwaltungsaufwand bei leitstungsgedeckten Modellen ist überschaubar. Hier gibt es in Europa gute Netzwerke und eine eigene Bankensoftware, mit der dies bewältigt werden kann. Die Allmenda Social Business Genossenschaft279 in Vorarlberg ist ein Anbieter eines solchen leistungsgedeckten Online-Banking-Systems.280

Experte C hat bezüglich der Verwaltung von Regionalwährungen wenig Erfahrung. In Österreich ist die Allmenda Social Business Genossenschaft in Vorarlberg Träger der Gemeinde- und Lokalwährungen und bietet sich auch als

277 Vgl. Transkript Experte A, Z. 190–209. 278 Vgl. Transkript Experte B, Z. 607–611. 279 Anmerkung: Ein Interview mit einem Vertreter dieser Genossenschaft wurde angefragt, ist aber leider nicht zustande gekommen. 280 Vgl. Transkript Experte B, Z. 631–640. 79 Dachorganisation für die Gründung von Regionalwährungen in ganz Österreich an. Sie kann Know-how, Organisationsstrukturen und Praxiserfahrungen vermitteln.281

Zum einen gibt es die technische Verwaltung. Dafür existiert eine gute Software, die individuell angepasst werden kann. Mit ihr werden die Kontobewegungen gebucht und die Marktplatzinserate verwaltet. Nachdem es keine physischen Gutscheine gibt und nur virtuell auf Konten gebucht wird, ist dieser Teil der Verwaltung eher gering und leicht zu handhaben. Für den administrativen Teil gibt es eine Angestellte, die ca. 150 Euro monatlich für ihre Tätigkeiten erhält. Zum anderen fallen viele Arbeiten wie z. B. Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung mit dem Voranbringen der Idee an. Für diese Arbeiten hat es sich bewährt, wenn es Trägergemeinschaften, z. B. einen Verein, eine Genossenschaft etc., gibt, die als Interessensgruppe agiert und sich organisiert.282

7.2.2. Finanzierung von Regionalwährungen

Die eingehobene Gebühr finanziert vordergründig die Spenden an gemeinnützige Einrichtungen. Hiermit wird eine größere Summe erreicht. Die Scheine werden von Partnerbetrieben, die in Werbeform auf den Scheinen genannt werden, finanziert. Die Finanzierung der Arbeitskraft erfolgt über verschiedene Kanäle und „wird oft irgendwie zusammengeschnorrt“283. Es gibt Unternehmen und öffentliche Institutionen, die sich an den Kosten beteiligen, und hin und wieder werden gegen Entgelt Aufträge erfüllt.284

Die Gebühren betragen 5 %. Zur Finanzierung der Vereinsförderung werden 3 % eingehoben. Die restlichen 2 % verbleiben beim Betreiber. Damit sollen seine Kosten gedeckt werden.285 Es gibt kein Regionalgeld, das kostendeckend arbeiten kann, auch nicht der Chiemgauer mit 600 Unternehmen.286 Regionalgeldmodelle basieren momentan zu weiten Teilen auf Ehrenamtlichkeit.287

Eine Möglichkeit der Finanzierung besteht in der Verrechnung einer Gebühr bei Umtausch. Es gibt aber auch andere Wege. Beim Sterntaler in Berchtesgaden

281 Vgl. Transkript Experte C, Z. 272–281. 282 Vgl. Transkript Experte D, Z. 165–176. 283 Transkript Experte A, Z. 220. 284 Vgl. ebd., Z. 212–224. 285 Vgl. Transkript Experte B, Z. 321–323. 286 Vgl. ebd., Z. 348–352. 287 Vgl. ebd., Z. 614–615. 80 werden die Gutscheine als Werbefläche verkauft, d. h., die Finanzierung stützt sich auf einen Druckkostenbeitrag. Zudem gibt es kreative Lösungen, wie z. B. beim Hallertauer, wo die Gutscheine künstlerisch gestaltet und an Sammler im Block verkauft werden. Aus den Einnahmen werden die Scheine finanziert.288

Gerade in der Startphase kann es, wie z. B. beim Jugendprojekt I-MOTION, sein, dass es Subventionen seitens des Landes gibt. Partizipationsprojekte bzw. deren Prozessbegleitung werden aber auch oft über EU-Mittel gefördert. Diesbezüglich ist es wichtig, sich zu informieren, welche Fördermöglichkeiten bestehen, und diese vor allem für die Kosten einer professionellen Begleitung beim Start der Einführung eines Komplementärwährungsmodelles zu nutzen.289

Die Mitglieder zahlen einen einmaligen Aktivierungsbeitrag beim Beitritt. Für einmalig 30 Euro erhalten sie fünf Sonnenstunden gutgeschrieben, für 60 Euro bekommen sie zehn Sonnenstunden. In Stufe 2 wird ein einmaliger Betrag von 120 Euro gezahlt, dafür werden 80 Sonnenstunden gutgeschrieben. Ab dem zweiten Kalenderjahr gibt es einen freiwilligen Mitgliedsbeitrag mit einem Richtwert von 60 Euro pro Mitglied. Eine nachhaltige Finanzierung könnte mit 50 bis 60 Euro pro Mitglied pro Jahr erreicht werden. Hierin ist allerdings die Öffentlichkeitsarbeit nicht berücksichtigt. Diese wird hauptsächlich durch den Experten D ehrenamtlich durchgeführt. Die Öffentlichkeitsarbeit ist nicht immer eine Geldfrage, denn wenn jemanden eine Idee gefällt, setzt er sich auch gerne dafür ein. Es ist allerdings schwierig, solche Personen zu finden. Insgesamt wäre aber bezüglich der Öffentlichkeitsarbeit ein größeres Budget wünschenswert.290

7.2.3. Verwaltungseinheit und Rolle der Volksbank

Welche Einrichtungen bzw. Institutionen am besten für die Verwaltung einer Regionalwährung geeignet sind, lässt sich nicht leicht beantworten. Eine Grundvoraussetzung sind Menschen mit viel Idealismus, die auch bereit sind, viel unbezahlte Zeit zu investieren, um das Projekt stetig weiterzuführen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Beispiele wie der Chiemgauer oder die Regionalwährungsbewegungen in Vorarlberg zeigen, dass dies ohne ehrenamtliches Engagement nur schwer umsetzbar ist. Eine weitere Voraussetzung ist, dass diese Menschen sehr kommunikativ sind und gute

288 Vgl. Transkript Experte C, Z. 285–298. 289 Vgl. ebd., Z. 298–321. 290 Vgl. Transkript Experte D, Z. 184–206. 81 Kontakte zu den Unternehmen und Mitbürgern der Region haben. Sie müssen für ihre Idee begeistern können.291

Die Volksbank ist eine Genossenschaftsbank und hat einen regionalen Auftrag, dem sie aus verschiedenen Gründen sowie aufsichtsrechtlichen Bestimmungen immer schwerer nachkommen kann. Um dem Gründungsauftrag wieder näher zu kommen und eine entscheidende Rolle in der Region zu spielen, hat sie sich entschieden, die Verwaltung bzw. die Ausgabe des Waldviertlers zu übernehmen. So lautet die Argumentation der Volksbank im Waldviertel. Aufgrund größerer Umstrukturierungsmaßnahmen, die drei Jahre nach Gründung erforderlich waren, weil das Projekt zu idealistisch und zu groß dimensioniert war, wurde die Teilnahme der Volksbank an der Regionalwährung, aber auch der Einbezug von Kaufleuten und Gewerbetreibenden vor Ort gefordert. Das ist einfach praktisch für diese.292

Es werden ein stabiles Netzwerk sowie verschiedene Schultern, auf denen man die intensive Arbeit lasten kann, und Professionalität benötigt. Zusätzlich sind eine gewisse Erfahrung, solche Dinge zu betreiben, und auch eine gewisse Akzeptanz in der Region vonnöten. Insofern wäre eine Bank tatsächlich eine gute Basis.293

Euro-hinterlegte Gelder erfordern einen sehr hohen Verwaltungsaufwand. Es muss ständig eine Stelle gegen, die eintauscht, und sozusagen den Motor darstellt, um einzutauschen. Auch das kann eine Bank sein.294

Der Schwerpunkt einer Regionalwährung liegt in der Gemeinschaftsarbeit. Die Geldnutzer sollen sich als Gemeinschaft verstehen. Das kann eine Regionalbank gut organisieren.295

Es ist durchaus sinnvoll, dass eine Bank eine Regionalwährung imitiert. Eine Hürde, zumindest in Deutschland, sind die Regularien für eine Bankbeteiligung, welche für normale Geschäftsbanken sehr hoch sind. In Österreich ist die Gesetzeslage etwas legerer. Diesbezüglich konnten in Vorarlberg relativ gute Vorarbeiten geleistet werden. Es empfiehlt sich, mit Gernot Jochum Müller der Rolf Schilling in Vorarlberg Kontakt aufzunehmen, denn diese verfügen über

291 Vgl. Transkript Experte A, Z. 225–236. 292 Vgl. ebd., Z. 239–252. 293 Vgl. Transkript Experte B, Z. 693–697. 294 Vgl. ebd., Z. 231–234. 295 Vgl. ebd., Z. 658–659. 82 einen umfangreichen Erfahrungsschatz in Bezug auf die österreichischen Besonderheiten.296

Vereine stellen am Anfang eine gute Struktur dar. Über sie werden auf einem sehr niedrigen Level Mitarbeiter gewonnen. Auf lange Sicht sind Vereine allerdings keine ideale Rechtsform für eine nachhaltige Tätigkeit. Der Vorstand haftet persönlich und über Regionalwährungen kommen rasch hohe Umsätze zustande, sodass die finanzielle Verantwortung und Haftung von Privatleuten auf Dauer nicht gerne übernommen wird. Alternativ bieten sich Genossenschaften als Trägereinheiten an. Bestenfalls steht sogar wie in Wörgl beim Jugendprojekt I-MOTION eine Gemeinde im Hintergrund. Durch das Mitmachen der Gemeinde ergeben sich viele Synergien, die genutzt werden können.297

Volks- bzw. Genossenschaftsbanken eignen sich sehr gut dafür, Regionalwährungen zu tragen und zu fördern. In Vorarlberg hat das die Raiffeisen Landesbank bereits erkannt. So hat sie von sich aus eine Zusammenarbeit mit Regionalwährungen angeboten, da diese im Grunde die Ideen ihres Gründers, nämlich die Versorgung der regionalen Wirtschaft und Unterstützung der wirtschaftlichen Selbsthilfe der Region, entsprechen. Im Hinblick auf die neue Zahlungsmittelrichtlinie ist es auch aus Gründen der gesetzlichen Erfordernisse zielführend, eine Bank als Partner einzubeziehen. Zudem signalisiert eine Bank, die sich im Bereich der Regionalwährungen engagiert, dass sie nicht nur Großkapital für Spekulanten bereitstellt, sondern ihr die wirtschaftliche Basisversorgung der Region sehr wichtig ist.298

Es ist durchaus vorstellbar, dass eine Bank als Verwalter einer Regionalwährung in Erscheinung tritt. Bei der Prüfung des Systems von Experten D durch die Finanzmarktaufsicht hat sich herausgestellt, dass, so lange keine Systemrelevanz besteht, die Betreibung des Modells durch einen Verein zulässig ist. Sobald man allerdings systemrelevant wird, ist zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs eine Banklizenz erforderlich. Insofern ist es positiv, wenn der Träger der Währung von Beginn an eine Bank ist. Die Bank muss abwägen, inwieweit eine Komplementärwährung, die noch dazu zinslos ist, als Konkurrenz oder als Ergänzung des Angebotes gesehen wird. Aufgrund der eher kritischen Wirtschaftslage ist die Zeit reif, dass die geistigen Wurzeln der Gründer erneut

296 Vgl. ebd., Z. 237–248. 297 Vgl. Transkript Experte C, Z. 325–351. 298 Vgl. ebd., Z. 355–381. 83 Beachtung finden. Insofern bieten sich Volksbanken, aber auch Raiffeisenbanken sehr gut als Verwaltungseinheit für Regionalwährungen an.299

7.3. Regionalwährungen – Übertragung auf die Region Oberkärnten

Dieses Unterkapitel dient der Darstellung der Meinungen der Experten, wie sie sich die Einführung einer Regionalwährung in der Region Oberkärnten vorstellen können. Es werden mögliche Risiken und Schwierigkeiten, aber auch die Chancen der Einführung genannt. Abschließend werden Finanzinnovationen diskutiert, die sich ebenfalls zur Stärkung einer Region eignen.

7.3.1. Einführung

Zur Region Oberkärnten kann Experte A das mangels Ortskenntnisse nicht beantworten. Die Empfehlung lautet allerdings, nicht zu groß anzufangen. Beim Waldviertler haben sich sieben, acht Interessierte zusammengetan und sich jeweils eine Stadt bzw. einen Ort vorgenommen. Anfänglich hat es funktioniert, aber dann wurde es zu arbeitsintensiv und war ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen. Die Konsumenten ließen sich vergleichsweise leicht überzeugen, die Unternehmen sind das Problem. Diese müssen sehr intensiv betreut werden. Für einen privaten Verein ist das schwer durchführbar. Das kann nur funktionieren, wenn eine Bank mitspielt, die in allen Orten, wo die Einführung geplant ist, Filialen hat. Aus diesem Grund wurde das Gebiet um den Waldviertler radikal verkleinert. Es gibt zwar im ganzen Waldviertel Betriebe, die aus Solidarität mitmachen, aber das Zentrum ist Heidenreichstein und die nähere Umgebung. Hier funktioniert der Kreislauf der Regionalwährung. Dafür werden viele Unternehmen benötigt, vor allem solche wie z. B. der Bäcker und der Fleischer, die Produkte des täglichen Bedarfs anbieten.300

Wichtig sind zuerst einmal ein Blick in die Region und die Beantwortung folgender Fragen: Wer könnten die Partner in der Region sein? Wer könnte an solchen Modellen mitwirken? Wo wären möglicherweise Akzeptanzstellen und Nutzer eines solchen regionalen Geldes? Es muss analysiert werden, wie die

299 Vgl. Transkript Experte D, Z. 222–246. 300 Vgl. Transkript Experte A, Z. 257–293. 84 Situation in der Region ist und welche Problemlage aufgegriffen werden soll. Hiernach richtet sich das Modell.301

Im ersten Schritt könnte die Grundidee durchaus wie folgt lauten: Wir haben ein Gutscheinsystem, die Bank hat Konten und zur Förderung der Region kombinieren wir beides zu einem Modell, das das Geld in der Region lässt. Das wäre gegenwärtig auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, und wenn Bank und die Akzeptanzstellen des Gutscheinsystems zusammenarbeiten, wird die Aufbauarbeit reduziert.302

Der Beteiligungsprozess sollte mit der oder den Gemeinden begonnen werden, in denen die Einführung erfolgen soll. Es sollten auf möglichst breiter Basis alle Beteiligten, die für das Zusammenspiel wichtig sind, wie Gemeindevertreter, Wirtschaftskammer bzw. Kammern generell, Wirtschaftsverbände und auch die Bevölkerung, gemeinsam so etwas wie eine Zukunftskonferenz abhalten. Denn es geht nicht nur um Geld bzw. um die Lösung struktureller Probleme mit einem Gutschein, sondern darum, die Idee der Regionalwährung zu transportieren.303

Es ist es immer einen Versuch wert, einen regionalen Kreislauf aufzubauen. Vonnöten ist, dass die Situation der Region gut durchleuchtet wird, um ein geeignetes Modell auswählen zu können. Dann wird ein kleines Trägerteam benötigt, das sich auf ein Modell einigt und dieses auch einführen möchte. Es ist wichtig, viele Unternehmer vom System überzeugen zu können. Hierzu braucht es Personen, die als Unternehmensbegleiter fungieren und sich darum kümmern, dass die Unternehmen auch Zulieferer finden, um die Komplementärwährung ausgeben zu können. Diesbezüglich gibt es ein großes Potenzial, es ist aber auch viel Arbeit nötig.304

7.3.2. Risiken und Schwierigkeiten

Wenn mit Regionalgeld angefangen wird, sollte klar sein, dass dies ein langwieriges Projekt ist.305

Die Risiken und Schwierigkeit liegen klar in der Akzeptanzstellendichte. Hier muss in der Region bei den Kleinst- und Kleinunternehmen und bei den

301 Vgl. Transkript Experte B, Z. 104–115. 302 Vgl. ebd., Z. 410–421. 303 Vgl. Transkript Experte C, Z. 385–392. 304 Vgl. Transkript Experte D, Z. 253–273. 305 Vgl. Transkript Experte B, Z. 207–210. 85 Mittelständlern, die auf den Umsatz in der Region angewiesen sind, einiges bewegt werden.306

Unabhängig davon, auf welches Modell die Entscheidung fällt, tritt die Akzeptanz erst nach einer langen Zeit ein. Hier kann man mit fünf bis sieben Jahren rechnen. Die erste frühe Phase ist sehr anstrengend. Die Beteiligten müssen aufpassen, dass sie sich nicht verausgaben. Es gibt auch einige Projekte, die nach zwei oder drei Jahren wieder aufhören, weil zu kurzfristig gedacht wurde und die gesteckten Ziele in zu kurzer Zeit erreicht werden sollten.307

Die Schwierigkeiten liegen darin, dass die Leute oft sagen, sie haben keine Zeit, sie den Nutzen anzweifeln oder etwas Neues grundsätzlich ablehnen. Da sie Regionalwährungen nicht kennen, sind sie unsicher, ob sie mitmachen sollen. Deshalb ist es wichtig, von Anfang über eine klare Zielformulierung zu verfügen. Es muss deutlich werden, was es der Region bringen soll. Wichtig ist es, eine positive Vision zu entwickeln. Diesbezüglich ist viel Kommunikationsarbeit notwendig.308 Die Einführung ist nicht von heute auf morgen durchführbar. Eine Gruppe hat es am Anfang sicher leichter als ein Einzelner. Die Idee kann mit Begeisterung schnell vermittelt werden, aber das Projekt lässt sich nicht derartig schnell umsetzen. Damit sich die Leute mit dem Regionalgeld identifizieren können, müssen sie Zeit haben, um sich damit auseinandersetzen zu können.309 Gibt es keine moderierte Struktur, so treten am Beginn oft viele negative Fragen auf und die positiven Argumente verpuffen schnell. Deshalb ist vor allem zum Projektstart eine professionelle Prozessbegleitung leitgebend.310

Im Falle des Wörgler Freigeldes stand ein konkretes Infrastrukturbauprogramm dahinter. Alle haben gewusst, wofür sie es verwenden und wie der Kreislauf vom Arbeiter zurück zur Gemeinde zu schließen ist. Die Möglichkeit, Steuern und Abgaben in der Regionalwährung zu zahlen, hebt den Stellenwert dieser Initiative und ist ein wichtiges Kriterium für einen anfänglichen Vertrauensvorschuss. Der Bürger weiß, dass es immer einen Endabnehmer gibt.311

Eine der Hauptschwierigkeiten liegt in der Auswahl des Modells, ob ein Euro- gedecktes System, ein leistungsgedecktes System, ein vertrauensgedecktes Modell oder etwas ganz Neues ausgewählt wird.312 Ein Risiko besteht zudem

306 Vgl. ebd., Z. 424–429. 307 Vgl. ebd., Z. 191–200. 308 Vgl. Transkript Experte C, Z. 395–408. 309 Vgl. ebd., Z. 441–449. 310 Vgl. ebd., Z. 310–318. 311 Vgl. ebd., Z. 412–425. 312 Vgl. Transkript Experte D, Z. 255–257. 86 darin, dass es gegebenenfalls nicht gelingt, den Kreislauf aufzubauen und in Schwung zu halten.313 Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Entwicklung. Was ist nach einem Jahr? Kann ich real etwas dafür kaufen? Was kriege ich dafür? Was bringt mir das im Leben? Wenn ein Angebot besteht und attraktiv ist, dann nimmt die Entwicklung einen guten Verlauf. Wenn nicht, wird es einfach wieder abebben. Die Empfehlung lautet, mit einem griffigen Modell, das im Kleinen funktioniert, zu beginnen und dieses in weiterer Folge gezielt auszubauen.314

7.3.3. Chancen

In Heidenreichstein wurde vor zehn Jahren berechnet, wie hoch die Wertschöpfung ist, die pro Jahr durch Einkäufe in Geschäften von Lebensmittelketten aus der Region abfließen. Es gibt in Heidenreichstein 4000 Einwohner und fünf Lebensmittelketten. Das Ergebnis wurde um die Kosten für die regional Beschäftigten sowie die lokalen Produkte bereinigt. Als Ergebnis hat sich ein Betrag von 12 Millionen Euro ergeben. Das ist eine wesentliche Summe, vor allem in Zeiten, wo Förderungen und Gegengeschäfte durch die öffentliche Hand bzw. durch Unternehmen sehr gering sind. Für die Region Oberkärnten werden die Zahlen zwar anders lauten, aber bei einer Berechnung würde sich ein ähnliches Ergebnis zeigen.315

Geografische Hindernisse, z. B. durch Berge, wie es sie auch in Oberkärnten gibt, sind zur Förderung der Region gut geeignet. In Regionen, die geografisch begrenzt sind, ist die Identifikation der Menschen mit der Region höher als in anderen Regionen. In den großen Städten sind die Lebensformen der Menschen hoch individualisiert und fern von jeder gemeinschaftlichen Identität. Das ist einer der Gründe, warum es in deutschen Großstädten kein Regionalgeld gibt. In Regionen, wo geografische Hindernisse bestehen, ist das anders. Aus diesem Grund ist die Ausgangslage in Oberkärnten gar nicht schlecht.316

Ein Regiogeld, das von einer Bank ausgegeben wird, hat Vorteile, denn die Infrastruktur für die Ausgabe ist bereits vorhanden. Die Verwaltung erfolgt professionell, weil professionelles Handling bereits bei anderen Bankdienstleistungen praktiziert wird. Zudem erhält die Bank einen gewissen

313 Vgl. ebd., Z. 282–284. 314 Vgl. ebd., Z. 314–327. 315 Vgl. Transkript Experte A, Z. 322–338. 316 Vgl. Transkript Experte B, Z. 434–467. 87 Vertrauensvorschuss, der eine höhere Akzeptanz mit sich bringen und die Phase der Einführung von ca. sieben Jahren verkürzen kann.317

Eine Regionalwährung kann helfen, die Abwanderung zu stoppen und eine Trendumkehr einzuleiten. Sie kann den Ausbau der Infrastruktur in einer Region unterstützen und die Region lebenswerter machen.318

Die Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem jetzigen System erhöht die Chancen auf eine höhere Akzeptanz und Bereitschaft, sich auf Alternativen einzulassen. Diese sind mittlerweile um ein Vielfaches höher, als sie es noch vor zehn Jahren waren.319 Die erste Welle kann folglich zügig angestoßen werden. Hier machen viele mit, weil sie etwas Neues kennenlernen möchten. Wenn auch noch die Volksbank als Mitinitiator auftritt, dann bringt das noch einmal einen Schub an positiver Reputation.320

7.3.4. Andere Finanzinnovationen

Nachdem es immer schwieriger wird, von öffentlichen Stellen Gelder zu erhalten, müssen die Menschen zwangsläufig auf Crowdfunding ausweichen. Das Problem beim Crowdfunding ist allerdings, dass der Spendenmarkt ein Markt ist, sodass derjenige, der sich am besten präsentiert, am meisten Geld bekommt. Oftmals ist das eine Frage eines guten Marketings und nicht einer guten Idee. Dies ist eigentlich ein Widerspruch zu den Regionalwährungen, mit denen das Ziel besteht, aus dem Kapitalismus auszusteigen bzw. eine Korrektur zu setzen, denn Crowdfunding funktioniert im Sinne des Kapitalismus. Eine Stärkung der Wirtschaft kann durch Crowdfunding somit nur sehr schwer erfolgen. Diese findet über Regionalwährungen statt.321

Hier und da gibt es auch Tendenzen, genossenschaftlich organisiert gemeinsam etwas zu machen bzw. Projekte durchzuführen. Professionell wird das z. B. von Markus Distelberger mit den sieben Generationen322 gemacht. Das ist allerdings zeit- und arbeitsintensiv und als Voraussetzung muss ein funktionierendes Netzwerk bestehen. Zudem spielt Idealismus eine große Rolle.323

317 Vgl. ebd., Z. 353–363. 318 Vgl. Transkript Experte C, Z. 429–438. 319 Vgl. Transkript Experte D, Z. 274–281. 320 Vgl. ebd., Z. 310–314. 321 Vgl. Transkript Experte A, Z. 343–370. 322 Internationales und interkulturelles Forschungs-, Bildungs- und Entwicklungsnetzwerk für Gemeinschaftskultur, Lebensweisheit und Mediation 323 Vgl. Transkript Experte A, Z. 376–384. 88 Das Thema Crowdfunding sollte nicht dem freien Markt überlassen werden. In diesem Bereich sollte sich eine Bank, gerade eine Volksbank, unter dem Motto ‚Zurück zu den Wurzeln der Gründungsväter‘ stark engagieren. Die Situation ist heute ähnlich wie damals. Die Industrie zieht sich zurück und hinterlässt Ruinen und eine geschwächte Region, in der es kaum mehr Kleinst- und Kleinunternehmer gibt und wo wichtige Versorgungseinheiten wie Bäcker oder Fleischer nicht mehr vorhanden sind. Da ist es Aufgabe der Volksbank, dafür sorgen, diesen Unternehmen Kleinstkredite im Bereich von Crowdfunding zur Verfügung zu stellen. Anstatt es den großen Internetplattformen zu überlassen, könnte hier durchaus eine Bank für regionale Projekte Crowdfunding organisieren. Ein innovatives Themenfeld wäre somit die Kombination von Regionalgeld und Crowdfunding.324

Aufgrund fehlender Anlageformen für eine Region wäre beispielsweise auch die Auflage eines Regionalfonds denkbar. Mit diesem Regionalfonds lassen sich in weiterer Folge Kleinst- und Kleinbetrieben Formen der Mikrofinanzierungen anbieten. Das Thema Mikrofinanzierungen wäre ein innovatives Modell für Regionalgeldinitiativen.325

Crowdfunding ist massiv im Kommen und eine sehr gute Möglichkeit, um neue Finanzierungsformen zu finden.326

Die Menschen wirtschaften nicht ausschließlich in der Komplementärwährung. Sie haben natürlich auch Euros und fragen sich, ob es eine Möglichkeit gibt, diese vor Ort zu investieren. Aufgrund der Zielsetzung Wörgls, bis 2025 die Strom- und Wärmeversorgung autonom umzusetzen, gibt es diesbezüglich einen großen Investitionsbedarf. Zur Finanzierung wurden Bürgerbeteiligungsmodelle geschaffen. Kunden der Stadtwerke können Sonnenscheine über 900 Euro erwerben und so einen gewissen Anteil an Solarfläche auf 20 Jahre pachten. Sie haben dadurch kein Preissteigerungsrisiko für die nächsten 20 Jahre und erzielen hiermit eine gute Rendite. Der Betreiber bekommt Bargeld, benötigt folglich für die Finanzierung keinen Kredit und hat somit auch kein Zinsrisiko. Es wird davon ausgegangen, dass die Stadtwerke, die schon seit Jahrzehnten die Stadt mit Energie versorgen, dies auch für die nächsten 20 Jahre gewährleisten können. Hier wird einem kommunalen Betrieb auch Vertrauen entgegenbracht. In der Privatwirtschaft gibt es hier eher Bedenken.327

324 Vgl. Transkript Experte B, Z. 474–511. 325 Vgl. ebd., Z. 267–280. 326 Vgl. Transkript Experte C, Z. 458–462. 327 Vgl. ebd., Z. 463–498. 89 Es gibt zudem Regionalfonds in Vorarlberg, die von Sparkassen aufgelegt werden. Ob diese allerdings garantieren, dass das Geld in der Region investiert wird, ist nicht bekannt.328

Vom Begriff infomoney wurde schon gehört, allerdings ist nicht bekannt, wie dieses funktioniert. Andere Finanzinnovationen sind nicht bekannt. Es ist eher wichtig, am Anfang gut zu planen und sich Verschiedenes anzuschauen. In weiterer Folge sollte dann jedoch die Entscheidung auf ein Modell fallen. Aufgrund des hohen Betreuungsaufwandes sollten die Modelle, mit der Ausnahme, dass sich ein wirklich sinnvoller Mix von Komplementärwährung und Finanzinnovation ergibt, so einfach wie möglich gehalten werden.329

328 Vgl. ebd., Z. 505–509. 329 Vgl. Transkript Experte D, Z. 331–342. 90

8. Zusammenführung von Theorie und Empirie

Die Zielsetzung dieses Kapitels besteht in der Zusammenführung der theoretischen Ausarbeitungen der Kapitel 4 und 5 mit den empirisch erhobenen Erkenntnissen, die in Kapitel 7 zusammengefasst wurden.

Da es für die Beantwortung der Forschungsfrage als sinnvoll erachtet wurde, erfolgte die Zusammenführung von Theorie und Empirie ebenfalls in Anlehnung an die Struktur der Zusammenfassung der empirischen Erhebung in Kapitel 7. Die bereits bekannten Hauptkapitel wurden unverändert übernommen. Das Kapitel 7.1.1. diente der Beschreibung der Erfahrungen der Experten, um zu verstehen, aus welchen Blickwinkeln sie ihre Aussagen tätigen. Nachdem dies in weiterer Folge nicht mehr relevant ist, wurde Kapitel 7.1.1. in der weiteren Diskussion von Theorie und Empirie nicht mehr berücksichtigt. Aufgrund der Ähnlichkeit der Inhalte wurden die Unterkapitel 7.1.4. und 7.1.5. in der nachfolgenden Diskussion zusammengefasst.

8.1. Regionalwährungen – allgemeiner Teil

8.1.1. Kriterien zur Stärkung der Region

Die nachfolgenden sieben Kriterien werden für die Einführung und die dauerhafte Nutzung von Regionalwährungen als wichtig definiert (siehe Kapitel 4.3.3.):

1. ein Gewinn für alle Teilnehmer,

2. gemeinnützig organisiert,

3. professionell umgesetzt,

4. transparent für die Nutzer,

5. demokratisch kontrolliert,

6. nachhaltig finanziert und

7. umlaufgesichert.

Diese Kriterien stimmen teilweise mit den Meinungen der Experten überein, werden aber durch einige weitere Aspekte ergänzt. 91 Experte A sieht einen weiteren wichtigen Punkt in der Bewusstseinsbildung, was mit Geld passiert, nämlich, dass es den Trend hat, dorthin abzuwandern, wo es ohnehin schon Geld ergibt, und sich demnach ein Geldstrom aus der Region in die Zentralräume gibt. Die Regionalwährung also die Menschen folglich animieren, regional einzukaufen.330 Aus dieser Bewusstseinsbildung für die regionale Währung ergibt sich eine automatische Umlaufsicherung, die nicht mehr nur durch die Einhebung von Gebühren beim Umtausch oder Ablauf der Regionalwährung erzielt wird.331

Für Experte D ist ebenfalls die Drehung der Währung ein Hauptkriterium für eine erfolgreiche Regionalwährung. Zusätzlich werden eine hohe Akzeptanz und möglichst viele Teilnehmer, vor allem Unternehmen, die Güter des täglichen Bedarfs anbieten, genannt.332

Experte C gibt als wichtige Kriterien ein zielgruppenorientiertes Arbeiten und eine klare Definition der Ziele an. Es ist leitgebend, dass der Kreislauf des geplanten Modells geschlossen werden kann. Sowohl eine professionelle Umsetzung wie auch eine gemeinnützige Organisation werden ebenfalls als wichtige Kriterien identifiziert.333

Experte B führt als wesentliches Kriterium an, dass in der Region eine Vernetzungsarbeit mit vielen anderen Gruppen und Initiativen erfolgt. Des Weiteren ist es wichtig, überschaubare und kurzfristige Ziele zu setzen.334

8.1.2. Modelle

KENNEDY, LIETAER und LIEBL beschreiben Gutscheinsysteme, Kooperationsringe und die Mitgliedsbank als Modelle von Regionalwährungen. Sie sehen diese als Teilmodelle und geben an, dass sich erfolgreiche Regionalwährungen aus dem Zusammenspiel dieser Teilmodelle ergeben. Der Vorteil dieser Teilmodelle liegt darin, dass sie getrennt einführbar sind, gemeinsam aber die Nutzung von Synergieeffekten ermöglichen (siehe Kapitel 4.3.2.).335

Fachexperte D beschreibt drei verschiedene Systeme: Euro-gedeckte Währungen, leistungsgedeckte Währungen und vertrauensgedeckte Währungen.

330 Vgl. Transkript Experte A, Z. 26–40. 331 Vgl. ebd., Z. 119–132. 332 Vgl. Transkript Experte D, Z. 10–17. 333 Vgl. Transkript Experte C, Z. 42–60. 334 Vgl. Transkript Experte B, Z. 26–49. 335 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 67. 92 Die vertrauensgedeckten Währungen haben den Vorteil, dass bei ihnen die Möglichkeit zur Geldschöpfung besteht.336

Fachexperte C sieht im Bereich der Komplementärwährungen sehr viele Ansätze und Lösungsmodelle. Diese reichen vom Tauschkreis bis hin zu Euro-gedeckten Regionalwährungen. Es gibt Modelle mit und ohne Schwund. Interessant ist auch die Zeit als Währung, sie ist ein inflationsgeschütztes sowie kaufkraftsicherndes Instrument und gut für Betreuungstätigkeiten geeignet. Eine Kombination aus mehreren Modellen wird als vorteilhaft eingeordnet, weil es das eine Projekt, das unsere Geld- und Wirtschaftssysteme grundlegend ändert, nicht gibt.337

In der Vergangenheit gab es mehrere Versuche, Modelle zu kombinieren. U. a. wurde die Kombination Waldviertler, der ein Gutscheinsystem darstellt, mit einem Tauschring versucht. Dieser Versuch ist in erster Linie daran gescheitert, dass die angebotenen Gegenleistungen beim Tauschring oft zu spezifisch waren und nicht nachgefragt wurden. Als weiterer Grund für das Scheitern wird eine zu kleine Struktur bzw. Region angegeben.338 In Verbindung mit dem Waldviertler gibt es aber einen Trend zur Geschenkökonomie zu beobachten.339

Für Experten B ist das Schweizer WIR-Modell eines der erfolgreichsten Modelle, weil es schon seit 80 Jahren besteht.340 Aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen gibt es ebenfalls unterschiedliche Formen von Regionalwährungen. Der Chiemgauer, ein Euro-gedecktes Regionalgeld, wurde z. B. zur Stabilisierung des Geldumlaufes geschaffen und soll das Geld länger in der Region zirkulieren lassen. Der Bremer Roland ist speziell auf die Bedürfnisse der Bio-Bauern ausgerichtet. Tauschringe, die zu den leistungsgedeckten Regionalwährungen zählen, dienen zur Schaffung von Liquidität in Regionen, wo Menschen wenig Geld haben.341

Die Modellwahl bzw. eine mögliche Kombination von Modellen sollte sich an dem Ergebnis der Analyse der Region orientieren.342

336 Vgl. Transkript Experte D, Z. 43–62. 337 Vgl. Transkript Experte C, Z. 224–260. 338 Vgl. Transkript Experte A, Z. 52–66. 339 Vgl. ebd., Z. 66–70. 340 Vgl. Transkript Experte B, Z. 201–207. 341 Vgl. ebd., Z. 116–149. 342 Vgl. ebd., Z. 150–161. 93 8.1.3. Chancen, Vorteile und Auswirkungen auf die Region

Regionalwährungen sollen das Erreichen der folgenden Ziele unterstützen (siehe Kapitel 4.3.1.):

• teilweise Trennung der regionalen Wirtschaft von der globalen Wirtschaft,

• Entwicklung einer nachhaltigen Finanzwirtschaft,

• Schutz vor weltweiten Finanzspekulationen,

• Bereitstellung von Liquidität für kleine und mittlere Betriebe,

• Nachfrage nach regionalen Produkten und Dienstleistungen verstärken,

• Verkürzung der Transportwege und somit Reduktion des Energieverbrauchs,

• Konsument und Produzent enger verbinden,

• Verringerung der Arbeitslosigkeit,

• ‚Re-Regionalisierung‘ öffentlicher Infrastruktureinrichtungen sowie Stärkung der regionalen Identität.

Diese Ziele decken sich zu einem großen Teil mit den durch die Experten genannten Chancen und Vorteilen sowie Auswirkungen von Regionalwährungen. Experte A nennt die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Gründung von Betrieben343 sowie die Stärkung des Regionalbewusstseins344 als wichtige Aspekte. Die Erhöhung des Bewusstseins für die Region sowie das Verstehen, worum es beim regionalen Wirtschaften geht, nennt Experte B als wichtige Vorteile. Ein Vorteil sieht er zudem darin, dass mit Regionalwährung auch speziell bei Kindern und Jugendliche, den späteren Trägern der Region, Bildungsarbeit geleistet werden kann.345 Experte C identifiziert auch die Möglichkeit, durch Regionalwährungen Bildungsarbeit zur Schaffung eines positiven Bewusstseins für die Region bei Kindern und Jugendlichen leisten zu können, als Vorteil.346 Außerdem unterstützen Regionalwährungen den Umstand, dass Menschen sich mit den Kreisläufen der Wirtschaft und den Hintergründen des Geldes auseinandersetzen, und tragen so zur Änderung des menschlichen

343 Vgl. Transkript Experte A, Z. 120–133. 344 Vgl. ebd., Z. 76–93. 345 Vgl. Transkript Experte B, Z. 549–575. 346 Vgl. Transkript Experte C, Z. 120–133. 94 Wertesystems bei. Das führt dazu, dass vermehrt regionale Produkte gekauft werden, nicht nur in der Regionalwährung, sondern auch mit dem Euro.347

Als zusätzlicher Vorteil wurde genannt, dass mit vertrauensgedeckten Währungen eine Geldschöpfung erfolgen kann. Dies ermöglicht die Basis für die Zurverfügungstellung eines Grundeinkommens, sodass eine Umlaufsicherung durch Schwund nicht mehr erforderlich ist. 348

Eine Messung der Auswirkungen von Regionalwährungen rein anhand wirtschaftlicher Parameter wird von den Experten nicht durchgeführt und erscheint ihnen grundsätzlich auch nicht sinnvoll. Diese Parameter sagen wenig über Lebensqualität, Konsumverhalten oder das Engagement bzw. die Verhaltensweisen der Menschen in der Region aus.349 Nur den monetären Wert zu messen, würde bei Weitem nicht alle Aspekte widerspiegeln, die durch Regionalwährungen angestoßen werden.350 Gleicher Meinung ist Experte D, der zusätzlich anmerkt, dass es für ihn des Weiteren darum geht, positive Auswirkungen auf Mensch und Natur zu erreichen.351 Für Experten A sind Kaufkraftvermehrung und Umwegrentabilität nur ein Kriterienbündel. Die viel wichtigere Sache sieht er im bewussten Umgang mit Geld.352

8.1.4. Nachteile und deren Beseitigungsmöglichkeiten

LIETAER ist der Meinung, dass die Schwierigkeiten bei der Einführung einer Regionalwährung darin liegen, dass diese von der Gemeinschaft akzeptiert und auch eingesetzt wird (siehe Kapitel 4.3.4.).353

Diese Aussage wird von den Experten bestätigt. Experte D sieht die Hauptschwierigkeit ebenso im Bewusstseinswandel und der damit verbundenen Akzeptanz der Währung.354 Experte A merkt an, dass dieser Nachteil seiner Meinung nach durch Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit beseitigt werden kann.355 Auch Experte B äußert sich so. Allerdings beurteilt er als den größten Nachteil die Schuhlederkosten.356 Ein weiterer Nachteil sind die Umlaufgebühren, die mit

347 Vgl. ebd., Z. 99–118. 348 Vgl. Transkript Experte D, Z. 106–114. 349 Vgl. Transkript Experte C, Z. 99–118. 350 Vgl. ebd., Z. 178–181. 351 Vgl. Transkript Experte D, Z. 131–142. 352 Vgl. Transkript Experte A, Z. 99–115. 353 Vgl. Lietaer, Das Geld der Zukunft, 351. 354 Vgl. Transkript Experte D, Z. 95–101. 355 Vgl. Transkript Experte A, Z. 154–161. 356 Vgl. Transkript Experte B, Z. 533–541. 95 Bildungsarbeit ebenfalls reduziert werden können.357 Ebenso prognostiziert er einen Rückgang der Euro-hinterlegten Modelle, wobei er dies auf die Knappheit an Liquidität im Euro zurückführt.358

Experte D sieht als Manko von Regionalwährungen, dass diese nur der Regionalisierung dienen und keine anderen Impulse setzen.359 Ähnlich ist die Meinung von Experte C, der als Nachteil anmerkt, dass hinsichtlich der Wirkung von Regionalwährung oftmals zu große Hoffnungen vorhanden sind.360

8.2. Regionalwährungen – Verwaltung/Finanzierung

8.2.1. Aufgaben der Verwaltung

THIEL sieht die Aufgaben der Verwaltung von Regiogeld im Drucken und in Umlauf bringen der Gutscheine. Weiterhin sind ein gleichbleibender Eintausch, Rücktausch sowie die Abwertung zu organisieren. Das Währungssystem mit den dazugehörigen Teilnehmern ist transparent zu verwalten. Mit steigender Teilnehmerzahl ist zudem eine professionelle Software und Personal vonnöten. Die Gewinnung weiterer Teilnehmer, Unterstützer und Finanziers ist ein ebenso wichtiger Teilbereich der Verwaltung wie die andauernde Bekräftigung der schon entwickelten Strukturen (siehe Kapitel 4.3.5.).361

Experte A sieht die Aufgabenbereiche gleich wie THIEL. Im Falle des Waldviertlers fungiert als Ausgabestelle eine Bank. Die Verwaltung wird von einer Mitarbeiterin, die 20 Wochenstunden beschäftigt ist, durchgeführt.362

Für Experte B sind Euro-hinterlegte Regionalwährungsmodelle sehr verwaltungsintensiv. Die Verwaltungsaufgaben beurteilt Experte B wie THIEL. Die Verwaltung leistungsgedeckter Modelle ist überschaubarer. Diesbezüglich gibt es bereits gute Netzwerke und eine eigene Bankensoftware, z. B. von der Allmenda Social Business Genossenschaft, die die Verwaltungstätigkeiten gut unterstützen.363

357 Vgl. ebd., Z. 521–531. 358 Vgl. ebd., Z. 218–226. 359 Vgl. Transkript Experte D, Z. 145–147. 360 Vgl. Transkript Experte C, Z. 196–204. 361 Vgl. Thiel, Das „bessere“ Geld, 221. 362 Vgl. Transkript Experte A, Z. 190–209. 363 Vgl. Transkript Experte B, Z. 631–640. 96 Experte C hat wenig Erfahrungen im Bereich der Verwaltung von Regionalwährungen und gibt ebenfalls die Allmenda Social Business Genossenschaft als Ansprechpartner für Fragen zur Verwaltung bzw. als Dachorganisation für die Gründung einer Regionalwährung an.364

Die technische Verwaltung, die Buchung der Kontobewegungen und die Betreuung der Marktplatzinserate erfolgen über eine Software. Gibt es keine Gutscheine und wird nur virtuell auf Konten gebucht, ist dieser Teil der Verwaltung eher gering. Der administrative Teil wird durch eine geringfügig Beschäftigte erledigt. Die Öffentlichkeitsarbeit sowie das Voranbringen der Idee sollten von der Trägergemeinschaft, z. B. Verein, Genossenschaft, selbst erledigt werden.365

8.2.2. Finanzierung

THIEL ist der Meinung, dass es für einen dauerhaften Bestand einer Regionalwährung wichtig ist, die Organisation einer Regionalgeldinitiative durch Eigen- oder Fremdfinanzierung auf ein nachhaltiges Fundament zu stellen. Fortlaufend auf ehrenamtliche Arbeit und Unterstützung durch private Geldmittel angewiesen zu sein, ordnet er als problematisch ein (siehe Kapitel 4.3.5.).366

Für Experten B gibt es keine Regionalwährung, die kostendeckend arbeiten kann, auch nicht der Chiemgauer mit mittlerweile 600 beteiligten Unternehmen.367 Regionalgeldmodelle basieren momentan zu weiten Teilen auf Ehrenamtlichkeit.368

Insgesamt gibt es verschiedene Finanzierungsmodelle. Es existieren Modelle, die Gebühren einheben. In der Regel sind das 5 %, wobei 3 % der Vereinsförderung dienen und 2 % zur Deckung der Kosten beim Betreiber verbleiben.369 Finanzielle Mittel können aber auch über Druckkostenbeiträge, als Gegenleistung wird der Gutschein als Werbefläche angeboten, oder den Verkauf künstlerisch gestalteter Scheine an Sammler beschafft werden.370 Im Bereich der Startphase sind je nach

364 Vgl. Transkript Experte C, Z. 272–281. 365 Vgl. Transkript Experte D, Z. 165–176. 366 Vgl. Thiel, Das „bessere“ Geld, 222. 367 Vgl. Transkript Experte B, Z. 348–352. 368 Vgl. ebd., Z. 614–615. 369 Vgl. ebd., Z. 321–323. 370 Vgl. Transkript Experte C, Z. 285–298. 97 Förderkriterien auch Subventionen aus EU-Mitteln möglich, die gerade für eine professionelle Begleitung beim Einführungsprozess nützlich sind.371

Im Bereich der vertrauensgedeckten Regionalwährung Sonnenzeit erfolgt die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge. Hier gibt Experte D an, dass ein Beitrag von 50 bis 60 Euro bereits eine nachhaltige Finanzierung sichern kann. Allerdings sind hierbei Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit, die der Experte D aktuell selbst leistet, nicht berücksichtigt.372

8.2.3. Verwaltungseinheit und Rolle der Volksbank

In der Literatur sowie auch unter Kapitel 4.3.5. kurz angesprochen, sind viele Formen zum Herausgeben von Regionalwährungen zu finden. Auch aus der Meinung der Experten konnten keine einheitlichen Aussagen zur optimalen Verwaltungseinheit von Regionalwährungen abgeleitet werden.

Für Experte A ist die Frage der Einrichtung bzw. Institution schwer zu beantworten. Grundvoraussetzung sind allerdings Eigenschaften der handelnden Personen wie Idealismus, Bereitschaft zur ehrenamtlichen Tätigkeit, ein kommunikatives Wesen sowie viele Kontakte in der Region.373

Für Experte C stellen am Anfang Vereine eine gute Struktur dar. Aus Haftungsgründen sollten in weiterer Folge allerdings andere Trägereinheiten wie z. B. Genossenschaften involviert werden. Bestenfalls steht sogar eine Gemeinde im Hintergrund.374

Experte D merkt an, dass aus aufsichtsrechtlichen Gründen eine Bank als Träger einer Regionalwährung positiv ist.375

Im Kapitel 4.5.3. wurde aufgezeigt, dass sich die Volksbank aufgrund vieler Gemeinsamkeiten mit Regionalwährungen sehr gut als Trägerinstitution für eine Regionalwährung anbietet.

Diese Aussage deckt sich mit den Meinungen der Experten. Experte C ist der Meinung, dass sich Volks- bzw. Genossenschaftsbanken sehr gut dafür eignen, Regionalwährungen zu tragen und zu fördern.376 Nach der Meinung von Experte D bieten sich Volksbanken, aber auch Raiffeisenbanken aufgrund der geistigen

371 Vgl. ebd., Z. 298–321. 372 Vgl. Transkript Experte D, Z. 184–206. 373 Vgl. Transkript Experte A, Z. 225–236. 374 Vgl. Transkript Experte C, Z. 325–351. 375 Vgl. Transkript Experte D, Z. 222–246. 376 Vgl. Transkript Experte C, Z. 355–381. 98 Wurzeln ihrer Gründer als Verwaltungseinheit für Regionalwährungen an.377 Experte A findet die Volksbank als Verwalter einer Regionalwährung ebenso geeignet.378 Auch für Experte B ist die Organisation einer Regionalwährung durch eine Regionalbank, wie es die Volksbank ist, sinnvoll.379

8.3. Regionalwährungen – Übertragung auf die Region

8.3.1. Einführung in der Region Oberkärnten

Die von KENNEDY, LIETAER und LIEBL empfohlenen drei Einführungsschritte, nämlich die Analyse- und Konzeptphase, die Beteiligungs- und Multiplikationsphase und die Einführungsphase selbst (siehe Kapitel 4.3.4.),380 finden sich zum Großteil in den Aussagen der Experten wieder.

381 Im Gegensatz zu LIETAER (siehe Kapitel 4.3.4.) sehen sowohl Experte D als auch Experte B die Wahl des Modelles als wesentliche Determinante bei der Einführung an. Experte B ergänzt, dass in der ersten Phase eine genaue Analyse der Region und ihrer Probleme erfolgen soll, und darauf abgestimmt die Wahl eines passenden Modelles stattfinden sollte. 382

KENNEDY, LIETAER und LIEBL sehen den Einführungsprozess auf mittlerer Ebene als gut geeignet, wenn bereits vorhandene Gruppen, Institutionen oder Systeme gemeinsam eine Regionalwährung einführen möchten (siehe Kapitel 4.3.4.).383

Für Experte B ist im Hinblick auf die bereits vorhandenen Institutionen auch die Kombination des bestehenden Gutscheinsystems mit den Konten der Volksbank zu einer Regionalwährung ein möglicher erster Schritt für die Förderung der Region, der ebenso die Aufbauarbeit reduziert.384 Die Einführung einer Regionalwährung ist arbeitsintensiv und für private Vereine schwer durchführbar. Die Teilnahme einer Bank, die Filialen in den Orten hat, in denen die

377 Vgl. Transkript Experte D, Z. 222–246. 378 Vgl. Transkript Experte A, Z. 239–252. 379 Vgl. Transkript Experte B, Z. 658–659. 380 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 92–93. 381 Vgl. Transkript Experte D, Z. 253–273. 382 Vgl. Transkript Experte B, Z. 104–115. 383 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 87. 384 Vgl. Transkript Experte B, Z. 410–421. 99 Regionalwährung eingeführt werden soll, beurteilt Experte A diesbezüglich als sehr förderlich.385

JOCHUM-MÜLLER (siehe Kapitel 4.3.4.) hat 13 Grundregeln für die Einführung von Regionalwährungen identifiziert.386 Einige davon finden sich auch in den Aussagen der Experten wieder. Experte C erachtet einen Beteiligungsprozess auf breiter Basis als gute Idee für die Gründungsphase.387 Experte D erachtet zusätzlich einfache Zielsetzung und die Koordination der Einführung durch ein kleines Trägerteam als zielführend. Die Überzeugung der Unternehmer, dass eine Teilnahme sinnvoll ist, erscheint ebenfalls wichtig.388 Auch für Experte A ist das Mitwirken vieler Unternehmer ein Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Einführung.389

8.3.2. Risiken und Schwierigkeiten

Nach Meinung von Experte B ist die Einführung von Regionalgeld, unabhängig von der Wahl des Modells, ein langwieriges Projekt.390 Es darf nicht zu kurzfristig geplant werden, denn für eine gewisse Akzeptanz ist mit einem Zeitrahmen von fünf bis sieben Jahren zu rechnen und es gibt viele Projekte, die bereits nach ein bis zwei Jahren wieder beendet wurden.391 Die Risiken und Schwierigkeiten liegen in einer zu geringen Akzeptanzstellendichte der Regionalwährung.392

Für Experte C verorten sich die Risiken und Schwierigkeiten ebenfalls in der Akzeptanz der neuen Währung, deshalb ist eine klare Zielformulierung erforderlich. Hierzu ist auch sehr viel Kommunikationsarbeit erforderlich.393 Wie Experte B sieht Experte C eine zu kurzfristige Planung als Risiko.394 Ein professionell begleiteter Projektstart könnte wesentlich zur Reduktion möglicher Risiken und Schwierigkeiten betragen.395 Auch die Möglichkeiten, Steuern und öffentliche Abgaben in der Regionalwährung zahlen zu können, werden anfänglich als vertrauensfördernd gesehen.396

385 Vgl. Transkript Experte A, Z. 257–293. 386 Vgl. Kennedy, Lietaer und Liebl, Regionalwährungen Neue Wege zu nachhaltigem Wohlstand, 99–102. 387 Vgl. Transkript Experte C, Z. 385–392. 388 Vgl. Transkript Experte D, Z. 253–273. 389 Vgl. Transkript Experte A, Z. 257–293. 390 Vgl. Transkript Experte B, Z. 207–210. 391 Vgl. ebd., 191–200. 392 Vgl. ebd., Z. 414–429. 393 Vgl. Transkript Experte C, Z. 395–408. 394 Vgl. ebd., Z. 441–449. 395 Vgl. ebd., Z. 310–318. 396 Vgl. ebd., Z. 412–425. 100 Experte D sieht die Schwierigkeiten hinsichtlich der zeitlichen Planung und Zielformulierung ähnlich wie die Experten B und C. Zur Reduktion von Schwierigkeiten lautet die Empfehlung, mit einem kleinen und klar verständlichen Modell zu beginnen.397 Erneut wird eine fehlende Akzeptanz als Risiko beurteilt. Als Hauptschwierigkeit wird die Wahl des Modelles genannt.398

8.3.3. Chancen

Zu diesem Thema werden von den Experten unterschiedliche Aspekte aufgeführt, die sich mit den bereits in Kapitel 8.1.3. diskutierten Expertenaussagen und Ergebnissen aus der Literaturrecherche decken.

Experte A identifiziert eine Regionalwährung für die Region Oberkärnten als Motor für eine höhere Wertschöpfung, die über Förderungen oder Gegengeschäfte in diesem Ausmaß nicht zu erzielen wäre.399 Die Begrenzung einer Region durch geografische Hindernisse sind für Experten B förderlich für die positive Entwicklung einer Regionalwährung. Nachdem diese in Oberkärnten gegeben sind, empfindet er die Ausgangslage als nicht so schlecht.400 Experte C ist der Meinung, dass eine Regionalwährung helfen kann, die Abwanderung in der Region zu stoppen. Durch die Regionalwährung können Infrastrukturprojekte, welche die Region lebenswerter machen, unterstützt werden.401 Experte D sieht in der aktuellen Situation eine Chance, da die Unzufriedenheit der Menschen eine höhere Akzeptanz und Bereitschaft, sich auf Alternativen einzulassen, mit sich bringt.402

Sowohl Experte B als auch Experte D verstehen das Mitwirken der Volksbank als einen Mehrwert. Einerseits bringt ihre Teilnahme einen Schub an positiver Reputation,403 andererseits gewährleistet sie professionelles Handling und schafft einen gewissen Vertrauensvorschuss, der wiederum eine höhere Akzeptanz hervorruft und die Einführungsphase von ca. sieben Jahren verkürzen kann.404

397 Vgl. Transkript Experte D, Z. 314–327. 398 Vgl. ebd., Z. 255–257. 399 Vgl. Transkript Experte A, Z. 322–338. 400 Vgl. Transkript Experte B, Z. 434–467. 401 Vgl. Transkript Experte C, Z. 429–438. 402 Vgl. Transkript Experte D, Z. 274–314. 403 Vgl. ebd., Z. 310–314. 404 Vgl. Transkript Experte B, Z. 353–363. 101 8.3.4. Andere Finanzinnovationen

Im Kapitel 5 wurden Crowdfunding, Benefit Corporations, der genossenschaftliche Vermögenspool und Social Imbact Bonds als mögliche Finanzinnovationen beschrieben, die zur Stärkung der regionalen Wirtschaft beitragen können. Bei der Beantwortung der Frage nach Finanzinnovationen, die ebenfalls zur Stärkung einer Region beitragen können, wurde von einigen Experten das Thema Crowdfunding angesprochen.

Experte B sieht in der Kombination von Crowdfunding mit Regionalgeld ein innovatives Themenfeld. Crowdfunding sollte generell nicht dem freien Markt überlassen werden. Im Hinblick auf die Wurzeln der Gründungsväter ist die Volksbank prädestiniert, sich in diesem Bereich zu engagieren und den Klein- und Kleinstbetrieben ihrer Region über Crowdfunding Kredite zur Verfügung zu stellen.405 Experte C schätzt Crowdfunding als Trend und als eine sehr gute Möglichkeit ein, um neue Finanzierungsformen zu finden.406 Hier gibt es in Wörgl ein gutes Beispiel in Form eines Bürgerbeteiligungsmodelles für die Finanzierung der Strom- und Wärmeversorgung.407 Auch Experte A sieht Crowdfunding aufgrund fehlender Alternativen als zukünftig notwendiges Finanzierungsmittel. Nachdem der Spendenmarkt auch ein Markt ist und die Möglichkeit zur Finanzierung oft vom eigenen Marketing und weniger von einer guten Geschäftsidee abhängig ist, wird Crowdfunding allerdings als Widerspruch zu Regionalwährungen eingeordnet. Deshalb kann durch Crowdfunding nur sehr schwer eine generelle Stärkung der Wirtschaft erfolgen.408

Des Weiteren wurde durch den Experten A das Thema des genossenschaftlichen Vermögenspools (siehe Kapitel 5.3.) kurz angesprochen. Nachteilig werden allerdings angeführt, dass die Betreibung sehr zeit- und arbeitsintensiv ist und somit ein gewisser Idealismus eine große Rolle spielt.409

Aufgrund fehlender Anlageformen für eine Region ist die Auflage eines Regionalfonds ebenfalls eine denkbare Möglichkeit zu einer positiven Regionalentwicklung. Damit könnten in weiterer Folge Mikrofinanzierungen für Kleinst- und Kleinbetriebe angeboten werden, was ein innovatives Modell für

405 Vgl. ebd., Z. 474–511. 406 Vgl. Transkript Experte C, Z. 458–462. 407 Vgl. ebd., Z. 463–498. 408 Vgl. Transkript Experte A, Z. 343–370. 409 Vgl. ebd., Z. 376–384. 102 Regionalgeldinitiativen sein würde.410 Das Thema Regionalfonds wurde auch von Experten C angesprochen.411

Die weiteren im Kapitel 5 beschriebenen Finanzinnovationen, wie Benefit Corporation (siehe Kapitel 5.2.) und Social Impact Bonds (siehe Kapitel 5.4.), wurden von den Experten nicht genannt.

8.4. Schlussfolgerung und Beantwortung der Forschungsfrage

Die Zielsetzung der Master Thesis wurde in Kapitel 1.2 definiert. Die Beantwortung der Forschungsfrage soll eine klare Aussage hinsichtlich dessen mit sich bringen, inwieweit die Einführung einer Regionalwährung positive Auswirkungen auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Region Oberkärnten hat. Sie soll den Weg einer erfolgreichen Einführung einer Regionalwährung beschreiben und mögliche Erfolgsaussichten, welche sich daraus ergeben können, aufzeigen. Des Weiteren sollen die Themen Finanzierung und Verwaltung von Regionalwährungen betrachtet werden.

Die Leitfrage dieser Master Thesis lautete:

Wie kann die Einführung einer Regionalwährung erfolgreich zur Stärkung der Wirtschaft der Region Oberkärnten beitragen?

Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil dieser Arbeit sowie den Ergebnissen, die durch die Durchführungen und Auswertung der Experteninterviews gewonnen wurden, kann die Forschungsfrage wie folgt beantwortet werden:

Die Vorteile und Auswirkungen, die sich durch eine Regionalwährung ergeben, sind vielfältig. An erster Stelle sind hier sowohl die Erhöhung und Stärkung des Regionalbewusstseins als auch ein bewussterer Umgang mit Geld zu nennen. Mithilfe von Regionalwährungen wird die Bildungsarbeit über regionale Geldwirtschaft unterstützt. Speziell im Kinder- und Jugendbereich forcieren Regionalwährungen die Identifikation mit und die Bindung dieser Zielgruppe an die Region, sodass eine spätere Abwanderungsgefahr zumindest reduziert werden kann. Regionalwährungen unterstützen aber auch die Gründung von Unternehmen und schaffen direkt sowie indirekt Arbeitsplätze. Anzumerken ist allerdings, dass es in den genannten Bereichen keine wissenschaftlichen

410 Vgl. Transkript Experte B, Z. 267–280. 411 Vgl. Transkript Experte C, Z. 505–509. 103 Messungen über die Auswirkungen gibt, sondern diese Aspekte lediglich den Angaben der interviewten Experten folgen. Diese sind geschlossen der Meinung, dass rein monetäre Messungen in keiner Weise die vielen direkten und indirekten Auswirkungen widerspiegeln würden.

Im gegebenen Fall wurde ein Einführungsprozess einer neuen Regionalwährung auf mittlerer Ebene als gut geeignet identifiziert, hierzu wird auf vorhandene Gruppen, Institutionen oder Systeme aufgebaut. Die Einführungsschritte sollten sich aus einer Analyse- und Konzeptphase, einer Beteiligungs- und Multiplikationsphase und einer Einführungsphase zusammensetzen. In der ersten Phase erfolgt eine genaue Analyse der Region. Ein wesentlicher Teil der Einführung ist die Modellwahl, die sich aus den identifizierten Defiziten und Gegebenheiten der Region ergibt. Als wesentliche Erfolgskriterien für die Umsetzung wurden eine gemeinnützige Organisation, eine professionelle Umsetzung und eine Umlaufsicherung genannt. Aber auch die Bewusstseinsbildung für die regionale Währung sowie die Vernetzungsarbeit untereinander zusammen mit überschaubaren und kurzfristigen Zielen wurden als zu beachtende Kriterien dargelegt.

Ein nachhaltiges Finanzierungsmodell ist ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Regionalwährung. Aktuell gibt es allerdings keine Regionalgeldinitiative, die kostendeckend arbeitet, diese sind mehr oder weniger auf ehrenamtliche Tätigkeiten und Spenden angewiesen. Der erforderliche finanzielle Aufwand und die unterschiedlichen Finanzierungsformen, z. B. durch die Einhebung einer Gebühr bei Umtausch oder Ablauf der Regionalwährung oder aber Mitgliedsbeiträge, sind stark vom Modell der Regionalwährung abhängig. In der Gründungsphase gilt es, zu beachten, dass je nach Gebiet der Einführung die Möglichkeit der Lukrierung von Fördergeldern der EU besteht.

Die Aufgaben der Verwaltung sind ebenfalls stark vom Modell abhängig. Die Euro-gedeckten Regionalwährungen bringen aufgrund der Manipulation mit den physischen Gutscheinen aktuell einen hohen Verwaltungsaufwand mit sich, welcher im Fall von leistungs- oder vertrauensgedeckten Regionalwährungen durch den Einsatz von entsprechenden Software-Lösungen deutlich niedriger ist. Festzuhalten ist jedoch, dass der Anteil an Öffentlichkeitsarbeit bei allen Modellen hoch ist. Aufgrund ihrer genossenschaftlichen Wurzeln bietet sich die Volksbank gut als Träger einer Regionalwährung an.

Abschließend ist zu sagen, dass die Regionen sich von Regionalwährungen keine Wunder erhoffen können, diese alternativen Währungsformen können 104 jedoch ein Baustein sein, um die Entwicklung einer Region positiv zu beeinflussen. 105 9. Zusammenfassung und Ausblick

9.1. Zusammenfassung und Fazit

In der Einleitung der Master Thesis erfolgte zunächst die Erläuterung zur Motivation des Themas. In weiterer Folge wurden die Forschungsfrage sowie die Zielsetzung der Arbeit formuliert und die Methode und der Aufbau der Arbeit erläutert.

Das nachfolgende Kapitel 2 widmete sich der Beschreibung der Region Oberkärnten. Anhand statistischer Daten zu den Themenbereichen Demografie, Beschäftigung, Bildung und Arbeitsmarkt, Betriebe und Betriebsdynamik, Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftskraft wurde für die Region Oberkärnten ein wirtschaftliches Regionsprofil gezeichnet. Die Erkenntnisse wurden mit einem Zwischenfazit abgerundet.

Im Kapitel 3 wurde zum leichteren Verständnis der Geldwirtschaft die Thematik Geld überblicksmäßig dargestellt. Die Funktionen des Geldes wurden erläutert und die Konstruktionsfehler unseres Geldsystems aufgezeigt. Abschließend wurden in diesem Kapitel die Auswirkungen des Geldsystems auf die Nachhaltigkeit diskutiert.

Das Kapitel 4 widmete sich zunächst dem Thema Komplementärwährungen. Es wurde die Definition dargelegt, zudem wurden Aufgaben und Prinzipien der Komplementärwährungen erläutert sowie erfolgreiche historische Beispiele beschrieben. Im Anschluss wurden Regionalwährungen, eine Sonderform der Komplementärwährungen, detailliert betrachtet. Hier wurden die Ziele, Bestandteile und Kriterien von Regionalwährungen erläutert und die erforderlichen Schritte für die erfolgreiche Einführung einer Regionalwährung nachgezeichnet. Des Weiteren wurden die Aspekte Verwaltung und Finanzierung von Regionalwährungen betrachtet. Nachfolgend erfolgte eine kritische Würdigung der Regionalwährungen und es wurde die Rolle der Volksbank als Genossenschaftsbank im Bereich der Regionalwährungen betrachtet.

Im Kapitel 5 wurden mögliche Finanzinnovationen beschrieben, die ebenfalls zu einer positiven regionalen Entwicklung beitragen können. Im Detail wurden die Begriffe Crowdfunding, Benefit Corporation, der genossenschaftliche Vermögenspool sowie Social Impact Bonds dargestellt und das Kapitel wurde mit einem Zwischenfazit abgerundet. 106 Das nachfolgende Kapitel 6 widmete sich einer genauen Betrachtung der Forschungsmethode für den empirischen Teil dieser Arbeit. Um auf das Wissen und die langjährige Erfahrung von Experten zurückgreifen zu können, wurde als Erhebungsmethode das leitfadengestützte Experteninterview gewählt. Dieses Kapitel begründet die Auswahl dieser Methode, beschreibt die Erstellung des Interviewleitfadens, die Auswahl der Interviewpartner und den Ablauf der Interviews. Abschließend wurde in diesem Kapitel die Auswertungsmethode der Ergebnisse, die qualitative Inhaltsanalyse, erläutert.

Das Kapitel 7 diente der Darstellung der Ergebnisse der empirischen Erhebungen durch die leitfadengestützten Experteninterviews. Die Ergebnisse wurden in die drei Hauptkategorien, Regionalwährungen – allgemeiner Teil, Regionalwährungen – Verwaltung und Finanzierung und Regionalwährungen – Übertragung auf die Region, gegliedert.

Als Grundlagen zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden in Kapitel 8 die theoretischen Erkenntnisse aus den Kapiteln 4 (Komplementärwährungen) und 5 (Finanzinnovationen) mit den Ergebnissen aus dem empirischen Teil in Kapitel 7 zusammengeführt und schlussendlich die Forschungsfrage beantwortet.

Im Kapitel 9 erfolgte die gegenständliche Zusammenfassung sowie eine kritische Auseinandersetzung mit der empirischen Methode. Zum Abschluss wird ein Ausblick zu weiterführenden Fragen im Kontext der Thematik gegeben.

Die vorliegende Arbeit wurde mit dem Hauptziel begonnen, herauszufinden, wie durch eine Regionalwährung eine Stärkung der regionalen Wirtschaft in Oberkärnten erfolgen kann. Diese Forschungsfrage hat sich aus der Motivation des Autors ergeben, eine Möglichkeit zu finden, das in der Stadt Spittal an der Drau vorhandene Gutscheinsystem, bei dem er als Kassier mitwirkt, weiter auszubauen bzw. zu reformieren und mit der ebenfalls in der Stadt Spittal an der Drau ansässigen Volksbank, in der er seit vielen Jahren tätig ist, zu einer erfolgreichen Regionalwährung zu kombinieren. Hierbei sollten nachstehende Aspekte, die bereits bei der Beantwortung der Forschungsfrage genannt wurden, Beachtung finden:

• Regionalwährungen können keine Wunder bewirken, sie sind aber ein Baustein zu einer positiven Regionalentwicklung.

• Die Einführung einer Regionalwährung sollte in drei Phasen erfolgen: der Analyse- und Konzeptphase, der Beteiligungs- und Multiplikationsphase sowie der Einführungsphase. 107 • Der Modellwahl sollte eine eingehende Analyse der Region vorausgehen, die untersucht, wo die Ursachen für die negative Entwicklung der Region liegen.

• Ein Einführungsprozess unter Einbeziehung der vorhandenen Institutionen (Verein Spittal gestalten, Volksbank, Gemeinde) erscheint sinnvoll und bringt gute Erfolgsaussichten mit sich.

• Die Volksbank eignet sich als Träger einer Regionalwährung aufgrund ihrer genossenschaftlichen Wurzeln.

• Die Umsetzung sollte zunächst von einem kleinen Team in einem überschaubaren Teil der Region, wo sich auch Bankstellen befinden, erfolgen.

• Die Bewusstseinsbildung für die regionale Währung ist ein wesentliches Erfolgskriterium. Sie sollte auf breiter Basis in der Bevölkerung erfolgen. Wichtig ist auch, Kinder und Jugendliche hierin einzubeziehen.

• Das Finanzierungsmodell spielt für einen dauerhaften Bestand einer Regionalgeldinitiative eine tragende Rolle.

• Mögliche Risiken und Schwierigkeiten bei der Einführung können durch das Mitwirken einer Bank sowie einem professionell begleiteten Einführungsprozess und eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit verringert werden.

9.2. Methodenkritik und Ausblick

Um möglichst viel Input aus dem Wissen und dem Erfahrungsschatz der Experten zu erhalten, wurde einerseits die Methode des leitfadengestützten Experteninterviews als Erhebungsmethode gewählt und andererseits bei der Auswahl der Experten darauf geachtet, dass diese unterschiedlichen Modelle und Blickwinkel im Bereich der Komplementärwährungen abdecken. Bei der Durchführung der Interviews hat sich herausgestellt, dass die Antworten der Experten einer sehr breiten Streuung im Themengebiet der Komplementärwährungen unterlagen. Auch haben sich die Antworten der Experten zu einzelnen Themengebieten bzw. Fragestellungen überschnitten bzw. wiederholt. Aus diesen Gründen gestaltet sich die Zuordnung der Aussagen bei der Auswertung der empirischen Erhebungen teilweise schwierig. Insgesamt haben sich nur vier Interviewpartner aus diesem Themenbereich gefunden, 108 sodass ein repräsentatives Umfrageergebnis nicht gegeben war. Die Aussagen haben lediglich Stichprobencharakter. Insgesamt führte die Methode der leitfadengestützten Experteninterviews allerdings dazu, dass von den Experten viele Ideen und Praxisbeispiele eingebracht wurden. Diese Aspekte liefern einen guten Überblick über die Möglichkeiten, die sich durch die Verwendung von Regionalwährungen ergeben können, über verschiedene Modelle von Komplementärwährungen und ihre Auswirkungen sowie über erforderliche Schritte, die zu einer erfolgreichen Einführung einer Regionalwährung führen. Auf Basis dieser Erhebungen bieten sich für zukünftige Arbeiten nachfolgende Fragestellungen bzw. Themenbereiche an:

Das WIR-Modell in der Schweiz wurde als eines der erfolgreichsten Modelle in Europa mit mittlerweile 80 Jahren Bestand genannt. Ein Interview mit einem Vertreter dieses Modells war zwar vereinbart, musste aber aus gesundheitlichen Gründen vom Interviewpartner kurzfristig abgesagt werden. Es wäre interessant, dieses Modell im Detail zu erforschen und Überleitungsmöglichkeiten auf die Region Oberkärnten zu untersuchen.

Die Untersuchung der Fragestellung, wie sich Crowdfunding mit einer Regionalgeldinitiative und einer genossenschaftlichen Bank kombinieren bzw. in das Produktportfolio einer Bank einbauen ließe, könnte dazu beitragen, innovative Finanzprodukte auch wissenschaftlich zu untermauern. Weitere Aspekte dieser Fragestellung wäre die Vergabe von Mikrokrediten an regionale Kleinst- und Kleinbetriebe.

Die währungs- und bankrechtlichen Aspekte im Zusammenhang mit der Einführung einer Regionalwährung wurden aufgrund des Umfanges dieses Themas in der gegenständlichen Arbeit nicht näher betrachtet. Analysen in diesem Themenbereich würden sich daher für weitere Arbeiten anbieten.

Primär soll allerdings mit den Ergebnissen dieser Arbeit an der zukünftigen Nutzung und Weiterentwicklung des City-Talers als Regionalwährung gearbeitet werden. Die nächsten Schritte sind einerseits eine eingehende Analyse, wo die Ursachen für die negative Entwicklung der Region liegen, und anderseits die Gewinnung sowie Einbeziehung der in der Region vorhandenen Institution, mit dem Ziel, die Einführung einer Regionalwährung gemeinsam weiterzuentwickeln. 109 10. Literaturverzeichnis

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Transkript Experte A, B, C, D (siehe Anhang)

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11.1. Leitfaden Experteninterviews

Vorbemerkungen

Vielen Dank, das Sie mir die Gelegenheit für dieses Interview geben!

Ich beschäftige mich in meiner Master Thesis mit der Forschungsfrage, wie die Einführung einer Regionalwährung erfolgreich zur Stärkung der Wirtschaft der Region Oberkärnten beitragen kann. Das Interview dient der Erhebung von Aspekten, die sich aus Ihrem Expertenwissen und Ihrer langjährigen Erfahrung ergeben, welche einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Forschungsfrage leisten.

Die geplante Interviewdauer beträgt rund 30 Minuten. Besteht der Wunsch auf Anonymisierung der Ergebnisse? Darf das Interview aufgezeichnet werden?

Regionalwährungen – allgemeiner Teil

1. Welche Erfahrungen haben Sie mit Regionalwährungen?

2. Welche Kriterien sollen Ihrer Meinung nach Regionalwährungen aufweisen, um zu einer Stärkung einer Region beitragen zu können?

3. Welche Modelle von Regionalwährungen sind Ihnen bekannt?

a. Welche davon können am ehesten zur Stärkung einer Region beitragen?

b. Sollen Modelle kombiniert werden?

4. Welche Vorteile und Chancen ergeben sich durch den Einsatz von Regionalwährungen?

5. Welchen Einfluss haben Regionalwährungen ihrer Meinung nach auf die Entwicklung der

a. Bevölkerungsanzahl einer Region

b. Wirtschaftskraft (Einkommen bzw. Kaufkraft) einer Region

c. Betriebe (Anzahl, Neugründungen, Branchenmix) einer Region

d. Beschäftigten bzw. Arbeitslosen einer Region

117 6. Welche Nachteile gibt es?

7. Was sollte zur Beseitigung der Nachteile geändert werden?

Regionalwährungen – Verwaltung/Finanzierung

8. Welche Aufgaben muss die Verwaltung einer Regionalwährung ausführen?

9. Wie erfolgt bzw. soll die Finanzierung von Regionalwährungen erfolgen, damit diese nachhaltig ist?

10. Welche Einrichtungen bzw. Institutionen sind Ihrer Meinung nach am besten für die Verwaltung von Regionalwährungen geeignet?

a. Welche Rolle kann in diesem Zusammenhang die Volksbank als genossenschaftlich orientierte Bank spielen?

Regionalwährungen – Übertragung auf die Region

11. In welcher Form können Sie sich die Einführung eines solchen Systems in der Region Oberkärnten vorstellen?

12. Welche Risiken und Schwierigkeiten sehen Sie dabei?

13. Welche Chancen sehen Sie dabei?

14. Gibt es aus Ihrer Sicht Finanzinnovationen, die auch zu einer Stärkung der Region im Hinblick auf die vorher angeführten Punkte

a. Bevölkerungsanzahl

b. Wirtschaftskraft (Einkommen bzw. Kaufkraft)

c. Betriebe (Anzahl, Neugründungen, Branchenmix)

d. Beschäftigten bzw. Arbeitslosen

führen können?

118 11.2. Transkript Interview Experte A

Das Interview mit Herrn Karl Anton Immervoll wurde telefonisch am 16. März 2015 geführt und dauerte ca. 33 Minuten. Im Transkript wurden die Abkürzungen B (Befragter) für die Wortmeldungen von Herrn Immervoll und I (Interviewer) für die Wortmeldungen des Autors verwendet.

Das Originaltranskript befindet sich auf beiliegender CD-ROM.

11.3. Transkript Interview Experte B

Das Interview mit Herrn Frank Jansky wurde telefonisch am 11. März 2015 geführt und dauerte ca. 49 Minuten. Im Transkript wurden die Abkürzungen B (Befragter) für die Wortmeldungen von Herrn Jansky und I (Interviewer) für die Wortmeldungen des Autors verwendet.

Das Originaltranskript befindet sich auf beiliegender CD-ROM.

11.4. Transkript Interview Experte C

Das Interview mit Frau Veronika Spielbichler wurde telefonisch am 13. März 2015 geführt und dauerte ca. 41 Minuten. Im Transkript wurden die Abkürzungen B (Befragter) für die Wortmeldungen von Frau Spielbichler und I (Interviewer) für die Wortmeldungen des Autors verwendet.

Das Originaltranskript befindet sich auf beiliegender CD-ROM.

11.5. Transkript Interview Experte D

Das Interview mit Herrn Gerhard Zwingler wurde telefonisch am 11. März 2015 geführt und dauerte insgesamt ca. 31 Minuten. Aufgrund einer kurzen Unterbrechung der Telefonverbindung ist es in zwei Teile gegliedert. Im Transkript wurden die Abkürzungen B (Befragter) für die Wortmeldungen von Herrn Zwingler und I (Interviewer) für die Wortmeldungen des Autors verwendet.

Das Originaltranskript befindet sich auf beiliegender CD-ROM.

11.6. CD-ROM

Transkripte Experte A, B, C und D.