Abschlussbericht zur Kapverden-Exkursion 9. – 24. März 2009

Leitung: Prof. Alexander Siegmund & Dipl.-Geol. Gerd Schukraft

Geographische Institute Pädagogische Hochschule Heidelberg und Universität Heidelberg 2 TEILNEHMER

Teilnehmer an der Kapverden-Exkursion 2009

Jessica Markus Englert Niklas Kramberg Schenck Helena Sarah Lohneis Boris Knoll Katja Schmittit Romanski Steffen Meike Aaron Julia Füssel Lutz Franz Martus Elena Linda Beuchert Lüdemann Simon Bozung Manuel Michael Herzog Werner

Gerd Alexander Schukraft Siegmund ÜBERSICHTSKARTE 3

25°30'0"W 25°0'0"W 24°30'0"W 24°0'0"W 23°30'0"W 23°0'0"W 22°30'0"W Santo Antão 17°0'0"N São Vicente 17°0'0"N

Sao Nicolão Sal 16°30'0"N 16°30'0"N

Boa Vista 16°0'0"N 16°0'0"N

Atlantischer Ozean 15°30'0"N Santiago 15°30'0"N Maio

Fogo 15°0'0"N Pico de 15°0'0"N Brava Fogo 2829 m

25°30'0"W 25°0'0"W 24°30'0"W 24°0'0"W 23°30'0"W 23°0'0"W 22°30'0"W

Höhenstufen [m. ü. M.]

Meereshöhe < 200 AFRIKA 200 - 400 400 - 600 600 - 800 800 - 1.000 1.000 - 1.500 Kartographie: Schenck, Herzog, Franz 1.500 - 2.000 Universität / PH Heidelberg Datengrundlage: SRTM 90 m 2.000 - 2.500 Kilometer > 2.500 05010025 4 VORWORT

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen ...

... wenn aber erst einmal 16 Studierende, zu gleichen Teilen von der Pädagogischen Hoch- schule und der Universität Heidelberg erstmals gemeinsam mit ihren ebenfalls „hochschul- übergreifenden“ Exkursionsleitern auf große Exkursion gehen, dann gibt es noch viel mehr zu berichten. Zu berichten von den Vorbereitungen auf die Exkursion im Rahmen eines Hauptse- minars, bei dem sich die „Hochschul-Welten“ auf studentischer Seite mitunter noch im wahrs- ten Sinne des Wortes gegenüber saßen, von den „Geländesimulationen“ auf Speyerer Dü- nensanden und schließlich von der gemeinsamen Tour auf und über die Kapverdischen Inseln vom 12. bis 26. März 2009. Von den 15 Inseln des etwa 450.000 Einwohner zählenden Archipels, von denen nur neun bewohnt sind, wurden während der vierzehntägigen Reise sechs besucht, davon drei intensiv bewandert, bearbeitet und studiert: Santo Antão, Fogo und Boa Vista. Markanter als zwischen diesen drei Inseln, die jede für sich einen charakteristischen Ausschnitt der natur- und kultur- räumlichen Vielfalt der Kapverden kennzeichnen, hätten die Unterschiede kaum sein können, was Land und Leute betrifft. Da ist auf der einen Seite die schroffe Abgeschiedenheit von Santo Antão mit ihrer markanten Topographie, die mitunter an Gebirgslandschaften der Alpen erinnert. Im äußersten Nord- westen der Inselgruppe gelegen, unterliegt sie mit ihrem zentralen Gebirgskamm als einzige neben den Passatwinden im Winter zuweilen auch dem Einfluss von einzelnen Ausläufern der Westwindzirkulation. Da ist aber auch Fogo, die aktive Vulkaninsel mit ihrer charakteristi- schen Caldeira, die im Pico de Fogo gipfelt, dem 2.829 m hohen Sekundärkrater und höchsten Berg der Kapverden. Durch seine fast idealtypische, kegelförmige Topographie lassen sich hier geoökologische Gradienten analysieren, die von feuchttropisch anmutenden Papaya-, Mango-, Bananen- und Kaffeegewächsen im Stau der Passatbewölkung im Nordosten bis zu halbwüstenhaften, kargen Landstrichen um die Inselhauptstadt São Filipe im Südwesten reichen – alles auf rund 25 km Luftlinie. Beide Inseln sind vom Massentourismus weitgehend verschont. Kleine Pensionen und der unmittelbare Kontakt mit den Menschen vor Ort sind ebenso einprägsam wie die schwarzen Lavastrände an den zumeist steilen Küsten. Dem stehen Boa Vista und vor allem auch Sal gegenüber, die seit einigen Jahren von inzwi- schen hunderttausenden von Pauschaltouristen besucht werden. Lange, (noch) weitgehend menschenleere weiße Sandstrände und eine praktisch ganzjährige Schönwettergarantie sind das Potenzial für einen anhaltenden Tourismusboom. Waren auf Boa Vista noch vor einigen Jahren nur wenige Hotels zu finden, werden heute manche Regionen von großen Hotelan- lagen dominiert – mit all den damit verbundenen ökologischen Folgen durch den immensen Wasserverbrauch angesichts jährlicher Niederschlagsmengen von teilweise unter 200 Milli- metern. Davon und von vielen geographischen Fakten mehr gilt es zu berichten in diesem Exkursi- onsband. Die Berichte verknüpfen die Vorbereitungen auf den Kapverdenaufenthalt in Form eingehender Literaturstudien und Referatspräsentationen im Wintersemester 2008/2009 mit den umfangreichen Geländeerfahrungen, Messungen und Kartierungen vor Ort. Dabei stan- den vor allem physisch-geographische Aspekte im Mittelpunkt, die sich auf die Themenberei- che Geologie/Geomorphologie, Bodenkunde, Vegetation/Landnutzung und Klima konzentrie- ren. Aber auch humangeographische Fragestellungen wie zu Landwirtschaft und Fischerei, Wirtschaft,Tourismus und Bevölkerungsstrukturen wurden mit einbezogen. Wovon der Exkursionsband kaum berichten kann, umso mehr jedoch die beteiligten Studie- renden und die beiden Exkursionsleiter: Die spannenden Begegnungen mit den Menschen auf den Kapverden, die intensiven gemeinsamen Erfahrungen und Gespräche innerhalb der Exkursionsgruppe, die Hochschulgrenzen vergessen und den Kapverdenaufenthalt zu einem echten gemeinsamen Erlebnis werden ließen. Hierfür sowie für die oft genug Schweiß treiben- de Arbeit vor Ort im Gelände und an dem vorliegenden Exkursionsband sei allen Studierenden an dieser Stelle herzlich gedankt.

Heidelberg, im August 2009 Prof. Dr. Alexander Siegmund & Dipl.-Geol. Gerd Schukraft 5

INHALTSVERZEICHNIS

Geschichte Dana Frödert & Markus Engler 10

Geomorphologie Michael Werner, Katja Romanski, Linda Lüdemann & Manuel Herzog 12

Vulkanische Streitfragen Manuel Herzog & Niklas Schenck 24

Geologie der Insel Boa Vista Gerd Schukraft 26

Klima Elena Beuchert, Sarah Knoll & Jessica Kramberg 28 Ozeanische Zirkulation Sarah Knoll 41

Boden Markus Engler, Steffen Füssel, Helena Lohneis & Boris Schmitt 42

Vegetation Simon Bozung, Julia Lutz & Aaron Martus 54

Tourismus Linda Lüdemann 70

Fischerei Meike Franz 72

Karten Meike Franz, Manuel Herzog & Niklas Schenck 73 6 EXKURSIONSROUTE

Was sind schon Minuten?

Es ist eine typische Szene auf den Kapverden: noch ein wenig verzögert. Der abgebrochene In leeren Hallen und mit Blick auf eine ebenso Start auf der kurzen Landebahn beim dritten leere Startbahn warten wir auf der Insel Sal unserer insgesamt fünf Inlandsflüge stärkt stundenlang auf den längst überfälligen – und nicht eben das Vertrauen der Gruppe in Tech- längst bereitstehenden – Anschlussflug nach nik und Personal. Und auch die nächsten São Vicente. Auch wenn Pauschaltourismus Kurzreisen mit den kleinen Propellermaschi- und städtische Entwicklung die Gesichter der nen verhelfen uns zu, gelinde gesagt, recht östlichen Inseln Sal und Boa Vista stark ver- „unmittelbaren“ Flugerlebnissen. ändern, weht der typisch kapverdianische Es- Auf Fogo empfängt uns die aus Deutschland prit auch hier noch so stetig wie der Nordost- ausgewanderte Renate Heckelmann-Zanini in passat: Sechs Uhren hängen ihren wunderschönen Häusern in São Felipe. über der Abfertigungshalle, Auf dem Weg zur Cha das Caldeiras, wo wir digitale Ziffernblätter, eine pro insgesamt drei Tage verbringen und den 2829 Zeitzone. Während für Paris Meter hohen Pico de Fogo bezwingen, fol- 17.51 im Display erscheint, gen weitere bodenphysikalische Experimente ist es in Rom bereits 17.58, am Rande der Siedlung Achada Furna. Der und überhaupt: in Amster- Aufstieg zum Gipfel im Morgengrauen wird dam 18.34. Was sind schon für viele zum Höhepunkt der Exkursion, doch Minuten? Es wird uns noch auch die nächsten Tage haben aufregende häufiger auffallen, dass diese Momente zu bieten – etwa beim Abstieg nach Zeiteinheit auf den Kapver- Mosteiros an der nördlichen Küste, begleitet den ein ganz und gar fremd- von Klimamessungen beim Kreuzen der Pas- artiges Konzept darzustellen satinversion. Abb. oben: scheint, neumodisch, unnötig, übergenau. Auf dem Weg nach Sal verbringen wir dann Immer gut für ein wenig Rechneten wir nur in Stunden, keine Fähre, eine Nacht auf Santiago in der Hauptstadt Aufregung: Die Flug- kaum ein Flugzeug und kein Bus kämen je zu Praia, wo es sich unsere Reisebüro-Agentin zeuge der kapverdi- spät, und die fast chronische Entspanntheit Sibylle Schellmann nicht nehmen lässt, die- schen Airline TACV. der Einwohner wäre erklärt. Stadtführung selbst zu geben. Auf Sal besu- Als die Maschine endlich abhebt, fliegen wir chen wir die Saline von Pedra de Lume (sie- bei Sonnenuntergang der Insel São Vicen- he Foto) und den von riesigen Touristenhotels te entgegen. Dort verbringen wir in Mindelo „verzierten“ Strand von Santa Maria. Auch die die erste Nacht und setzen früh am nächsten Wellblechhüttensiedlung am Rande der Stadt Morgen nach Santo Antão über, wo die ei- Espargos wird – mit gemischten Gefühlen auf- gentliche Exkursion beginnt (siehe Karte auf grund unserer Außenperspektive – besucht, der gegenüberliegenden Seite). Drei Wande- bevor es in den letzten Tagen auf der Insel rungen – eine vom -Krater entlang der Boa Vista wieder physisch-geographischer spektakulären Ribeira do Paul nach Süden, zugeht. Wir erklimmen den blumenkohlartigen eine entlang der Küste von Ponta do Sol nach Monolithen Rocha de Estancia und verschaf- und eine dritte durch den monu- fen uns einen Überblick über den womöglich mentalen Kessel des Cha de Morte, wo wir von Saumriffbildung und einem Mega-Tsuna- im Schatten eines Feigenbaumes die ersten mi geprägten Aufbau der Insel. bodenphysikalischen Messungen mit Dop- Ein Abstecher in den Norden führt uns zum pelringinfiltrometer und Luftpyknometer vor- Wrack am Cabo Santa Maria, und im Dünen- nahmen. Dazu spektakuläre Autofahrten mit feld „Deserto Viana“ machen wir geländekli- unserem Guide Cecilio und ein Besuch in der matologische Messungen und weitere Infiltra- traditionellen Schnapsbrennerei von Ildo Ben- tionsexperimente. Vor dem Rückflug inmitten rós Silva. Horden deutscher Pauschaltouristen nach 14 Von Porto Novo setzen wir erneut mit der Tagen und fünf Inseln steht für viele die Er- Fähre nach Mindelo über. So sehr wir die kenntnis, dass ein Kulturschock nicht immer Abb. unten: Warterei am Flughafen in Sal verflucht haben dann kommt, wenn man ihn erwartet. Saline Pedra de Lume – beim folgenden Transfer auf die Insel Fogo Es folgen Überblickskarten der von uns auf der Insel Sal wären wir froh gewesen, der Abflug hätte sich erkundeten Inseln. EXKURSIONSROUTE 7

675000 680000 685000 690000 695000 700000 705000 710000 715000 1905000 1905000 SANTO ANTÃO Punta do Sol

1900000 Ü Cruzinha Cha de Igreja 1900000 Vila das Pombas

1895000 Faja de Janela 1895000 Cova de Paul

1890000 III 1890000

Cha de Morte 1885000 1885000 Lagedos Porto Novo 1880000 25°W 24°W 23°W 1880000 17°N 17°N 1875000 1875000 16°N 16°N 1870000 1870000 15°N 15°N

25°W 24°W 23°W

1865000 UTM Zone 26 N / WGS 84 1865000

675000 680000 685000 690000 695000 700000 705000 710000 715000 720000

Legende UTM Zone 26 N / WGS 84 Höhenstufen [m ü. M.]

Ortschaft > 1500 Fahrt Ribeira do Paul - Punta do Sol 1000 - 1500 Fahrt Pico da Cruz - Porto Novo 500 - 1000 Fahrt Porto Novo - Cova do Paul < 500 Fahrt Cruzinha - Punta do Sol Fahrt Cha de Morte - Porto Novo

Wanderung Punta do Sol - Cruzinha Wanderung Pico da Cruz 505102,5 Kilometer Wanderung Cha de Morte - Alto Mira III Kartographie: Franz, Herzog, Schenck - Universität / PH Heidelberg Wanderung Ribeira Paul Datengrundlage: DGM - SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009 8 EXKURSIONSROUTE 772000 778000 784000 790000

FOGO Igreja / Mosteiros

Ponta da Salina 1660000 1660000

Bangaeira

Pico de Fogo Pico Pequeno 1654000 1654000

Carbonatit

Sao Filipe 1648000 1648000

Achada Furna 1642000 1642000

25°W 24°W 23°W

772000 778000 784000 790000 17°N 17°N

Höhenstufen [m ü. M.] Legende UTM Meereshöhe Ortschaften < 500 Fahrt Sao Filipe - Caldeira 16°N 16°N 500 - 1000 Fahrt Mosteiros - Sao Filipe 1000 - 1500 Wanderung Caldeira - Mosteiros

1500 - 2000 Wanderung Pico de Fogo 15°N 2000 - 2500 Wanderung Pico Pequeno 15°N > 2500 25°W 24°W 23°W

Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg UTM Zone 26 N / WGS 84 Datengrundlage: DGM Olehowski (2007) eigene GPS-Kartierung 2009 Kilometer 05102,5 Saline 9 Espargos

25°W 24°W 23°W 17°N 17°N 16°N 16°N 15°N 15°N

25°W 24°W 23°W SAL UTM Zone 27 N / WGS 84

Santa Maria Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg Ü Datengrundlage: SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009 Kilometer 05102,5

BOA VISTA

290000 295000 300000 305000 310000 315000 320000

Legende

Ortschaften 1795000 1795000 Boa Vista Wanderung Rocha Estancia Wrack Cabo Santa Maria Fahrt Wrack und Dünenfeld Vila do Sal Rei Fahrt Rocha Esperanca und Strand Va 1790000 1790000 Varandinha

Dünenfeld Deserto Viana

1785000 Ziegelei Aufschluss 1785000 Höhenstufen [m ü. M.] Gips- und Tonfolgen

Meereshöhe

< 50 1780000 1780000 50 - 100

100 - 200 354 m 200 - 300 1775000 Rocha Estancia 1775000 > 300 1770000 1770000

290000 295000 300000 305000 310000 315000 320000 10 GESCHICHTE & SOZIALSTRUKTUR Von der Kolonie zur Demokratie Geschichte & Sozialstruktur der Kapverden

Das 15. Jahrhundert war die Zeit der großen Eroberungs- verden enorme Gewinne - eine neue Einnahmequelle war züge und Handelsreisen, wobei Heinrich der Seefahrer als gefunden. Schon 1890 verzeichnete man wieder heftige Vorreiter Kapitäne aus verschiedenen Ländern verpflich- Exportrückgänge. tete. Zuerst entdeckt wurden die Kapverden im Jahr 1456 1932 putschte sich António Salazar in Portugal an die durch den Italiener Aloisio Cadamosto, offiziell anerkannt Macht. Er führte eine diktatorische Herrschaft mit faschisti- wurde aber erst die Entdeckung durch seinen Landsmann schen Zügen.1951 wurden die Kapverden offiziell zur por- António da Noli im Jahr 1460, als die Inseln Maio, Fogo, tugiesischen Überseeprovinz, was das Ende des Kolonial- Sal, Boa Vista und Santiago erstmals urkundlich erwähnt status bedeutete. Auf dem afrikanischen Festland war es wurden. Darauf folgte 1461/62 der Auftrag an Diego Afon- zuvor zu einem guerillaartigen Befreiungskrieg gekommen. so, weitere Erkundungsfahrten zu unternehmen – er fand Amilcar Cabral, nach dem auch der Flughafen auf der In- als erster die Inseln São Nicolau, Santa Luzia, Santo Antó- sel Sal benannt ist, gründete am 19. September 1956 die nio, São Vicente, Razo und Branco. erste Partei, die binationale Partido Africano da Indepen- dência da Guiné e Cabo Verde (PAIGC). Fünf Jahre später Die Anfänge als portugiesische Kolonie wurden den Bürgern der Kapverden „portugiesische Bür- gerrechte“ zugesprochen. Ein herber Rückschlag war die Im Jahr 1466 erhielten Siedler das Recht, mit afrikanischen Ermordung von Amílcar Cabral 1973. Ein Jahr später ging Sklaven und Waren zu handeln. 1468 regelte ein Vertrag mit der Nelkenrevolution (25. April 1974) in Portugal die den Export von Färberflechten (Rocella tinctoria, kreo- Diktatur zu Ende. lisch: Urzella), und der intensive Handel mit verschleppten Die portugiesische Kolonialherrschaft war für die Bevöl- westafrikanischen Sklaven, von denen der Großteil aus kerung mit großer Armut verbunden gewesen. Die kargen Guinea-Bissau stammte, dauerte bis 1575 an. Zu dieser Böden und die ständigen Dürreperioden erschwerten das Zeit war Ribeira Grande, das heutige Cidade Velha auf der Leben auf den Inseln und sorgten für Hungersnöte und Insel Santiago, einer der wichtigsten Sklavenhandelshäfen ständige Bevölkerungsrückgänge. Migration ist daher ein und die Kapverden hatten – wenngleich auf zweifelhafter Merkmal der kapverdianischen Gesellschaft und die Exis- Basis – erste wirtschaftliche Erfolge vorzuweisen. Im Jahr tenzgrundlage vieler Familien. Allein in Boston im Nord- 1494 legte der Vertrag von Tordesillas eine neue Grenzli- westen der USA leben 180.000 Kapverdianer, 700.000 nie in Nord-Süd-Richtung durch den Atlantik fest, welche sollen es in aller Welt sein – bei nur 450.000 auf den Kap- die Einflusssphären Portugals und Spaniens definierte. verden selbst.

Ernste Krise & erneute Blütezeit Die Unabhängigkeit

Ab Mitte des 16. Jahrhunderts verlor die Inselgruppe ihre Offiziell unabhängig wurden die Kapverden am 5.Juli 1975 zentrale Rolle als Sklavenumschlagplatz, die wirtschaftli- unter dem Namen República de Cabo Verde. Noch im glei- che Situation verschlechterte sich zunehmend. Auch die chen Jahr wurde das Land in die UNO aufgenommen, und Bedrohung durch regelmäßige Angriffe von Piraten aus ein Jahr später fanden – noch nach dem Einparteiensys- England, den Niederlanden und Frankreich wurde immer tem, das erst 1990 abgeschafft werden sollte – die ersten problematischer. In den Jahrzehnten von 1580 bis 1640 Wahlen statt. Erster Staatspräsident war Aristides Pereira, war Portugal von den Spaniern besetzt. Im Jahr 1731 wur- sein Premierminister Pedro Pires – ihre Regierung wurde de Praia zur Hauptstadt der Kapverden. zwei Mal wiedergewählt. Ein Jahr nach Verabschiedung Als 1790 die Kaffeepflanze eingeführt wurde, sich Großbri- der Verfassung im Jahr 1980 führte ein Putsch auf Guinea- tannien 1810 das Handelsvorrecht mit Brasilien und Portu- Bissau zum Bruch des Bündnisses mit dem afrikanischen gal sicherte und man im Jahr 1830 mit der Salzproduktion Küstenstaat, und die PAIGC musste sich in PAICV (Partido auf der Insel Sal begann, bedeutete dies einen erneuten Africano da Independência de Cabo Verde) umbenennen. wirtschaftlichen Aufschwung für die Kapverden.1838 wur- Das 1990 eingerichtete Mehrparteiensystem in einer par- de Mindelo (São Vicente) durch die Engländer als Ver- lamentarischen Demokratie erlaubte auch die Gründung sorgungsstation (so ge- der Partei MPD (Movimento para a Democracia), die 1991 nannter Kohlebunker) für erstmals bei Wahlen an die Macht kam und 1992 prompt die transatlantische Han- die Staatssymbole (Wappen, Flagge und Nationalhymne) delsschifffahrt ausgebaut. austauschte. Die Regierung wurde 1995 im Amt bestätigt Zwanzig Jahre später ra- tifizierten die Kapverden Kreolischer Kulturmix - die Kapverden heute Gesetze zur Abschaffung der Sklaverei, die 1878 Bei den Wahlen 2001 kam erneut die PAICV an die Macht, endgültig in Kraft traten. Pedro Pires wurde Staatspräsident, José Maria Pereira Vier Jahre zuvor war eine Neves Premierminister. 2006 wurde sie wiedergewählt. Telegrafenstation auf São Seit 2008 zählen die Kapverden nicht mehr zur Gruppe Vicente installiert worden, der Least Developed Countries und wurden inzwischen und der Anschluss an das in die World Trade Organization aufgenommen. Seither Transatlantik-Telegrafen- gilt das Land als politisch stabiler, souveräner Staat, der kabel brachte den Kap- sich selbst als Brückenglied zwischen Europa, Afrika und

Abb. links: Kapverdischer Händler. Oben: improvisierte Malstunde am Rande eines Infiltrationsexperimentes 11 Amerika versteht. Dennoch benötigen die Kapverden nach gen, dass „nur“ 0,8% der Bevölkerung mit HIV infiziert sind wie vor finanzielle Unterstützung für ihre Bemühungen um – für afrikanische Verhältnisse eine echte Erfolgsgeschich- wirtschaftliche Entwicklung. te, die auf aktive Bildung zurückzuführen ist: 97% der Be- völkerung sind mit AIDS-Aufklärungsprogrammen erreicht Die Gesellschaftsstrukturen der jungen Republik lassen worden. In 10 Jahren wurde der Anteil derer, die Kondome sich auf die einzelnen Besiedlungsphasen zurückführen. benutzen, verdoppelt. Der Anteil der Mulatten liegt bei ca. 71%, Afrikaner machen rund 28% der Bevölkerung aus und Europäer knapp 1%. Die kreolische Mischkultur enthält sowohl Elemente afrika- nischer Kultur als auch solche portugiesisch-europäischer Prägung. Zu den bedeutendsten afrikanischen Einflüsseln gehört etwa der Hackbau, der Gebrauch von Mörsern und Stößeln, die Speicherbauten. Die Frauen nehmen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle ein. Weil die Männer im Ausland ihr Geld verdienen müssen, liegt die Kindererzie- hung und der Feldbau ganz in ihrer Hand. Zu den por- tugiesischen Kulturelementen kann man die Struktur der Städte, den Terrassenbau in der Landwirtschaft und die Erziehung und Bildung zählen. Das Grundgefühl der kapverdianischen Gesellschaft wird von der „Sodade“ bestimmt, der von Weltschmerz und Wehmut geprägten Sehnsucht nach Emigration und dem Entkommen aus den armseligen Verhältnissen des Lan- des. Im Ausland verkehrt sich dieses Gefühl indes häufig in ein anderes Gefühl der Melancholie: Heimweh. Im Alter kehren viele der Arbeitsemigranten zurück in die Heimat. Mit dem gesparten Geld können sie sich und ihrer Familie Nach wie vor leben durchschnittlich 40% der Bevölkerung den Lebensabend sichern. unterhalb der Armutsgrenze, rund ein Drittel von ihnen in Die Verteilung der Bevölkerung hängt von den ökonomi- extremer Armut. Die Grundversorgung der Menschen auf schen Potenzialen ab. So schwankt die Besiedlungsdichte den kapverdischen Inseln ist zwar in der Verfassung gere- zwischen 6 Einwohnern/km2 auf Boa Vista und 276 EW/ gelt, kann aber aus ökonomischen Gesichtspunkten nicht km2 auf São Vicente, wo sich die Bewohner hauptsäch- immer gewährleistet werden. In Berichten des United Na- lich in Mindelo konzentrieren. Die Hälfte der Bevölkerung tions Development Programme (UNDP) über die mensch- lebt auf der Hauptinsel Santiago. Die wirtschaftlich attrak- liche Entwicklung rangierte das Land im Jahr 2001 auf 91. tiven Zentren sind die Insel Sal und die Städte Praia und Stelle von 174 Ländern, was seine Lebensqualität betrifft. Mindelo. Von 1990-2000 nahm die Verstädterungsrate von Entscheidend für diesen Wert sind das Pro-Kopf-Einkom- 45,9% auf 53,3% zu. men (ca. $ 1500 US), eine Alphabetisierungsrate von 71,9% und die Lebenserwartung von 69,4 Jahren. Neun von zehn Einwohnern sind katholischen Glaubens, die übrigen sind Protestanten oder Anhänger der Zeugen Unter den 43 Staaten südlich der Sahara liegen die Kapver- Jehovas. Drei Viertel der Bevölkerung sind jünger als 15 den an siebter Stelle – ein Erfolg, der auf Investitionen im Jahre, während die Kohorte der 55- bis 70-Jährigen auf- Bildungssektor und im Gesundheitswesen zurückzuführen grund extremer Hungersnöte in den 40er und 50er-Jahren ist. Seit Anfang Januar 2008 werden die Kapverden nicht fast komplett fehlt. 54% der Bevölkerung sind ledig, 16% mehr zu den „Least Developed Countries“ gezählt. sind verheiratet und 24% leben in Partnerschft. Während DANA FRÖDERT & MARKUS ENGLER auf dem Land die Großfamilie noch Bestand hat, gibt es in den Städten meist nur noch kleinere Familien mit einem LITERATUR oder zwei Kindern. Ein durchschnittlicher Haushalt hat 4,6 Personen. BÖRSCH, D. (2001): Kap Verde. Inselstaat im Atlantik. – In: Geographie und Schule, Heft 130, S. 29-37. Investitionen in Bildung und Gesundheit DIEZEMANN, E. (2001): Kapverdische Inseln. Die Inseln der 14,5% des Gesamtbudgets werden im Jahr 2000 für Bil- Glückseligkeit. Ascheberg. S. 22-31. dung eingesetzt. Es besteht eine Schulpflicht für die Grund- HOFMEIER, R., MEHLER, A. (HRSG.): Kleines Afrika-Lexikon. schule und die zweistufige Sekundarschule. 1999/2000 Politik – Wirtschaft – Kultur. (Lizenzausgabe für die Bun- erreichte die Alphabetisierungsrate 72% der Erwachsenen über 18 Jahren, die Einschulungsrate lag bei 77%. Heute deszentrale für politische Bildung 2005) S. 147-149 besuchen laut den Vereinten Nationen 9 von 10 Kindern IMBER, W., GYGAX, K. (1971): Atlantische Inseln. Azoren, Ma- die Schule. Seit 2001 gibt es in Praia die erste Universität des Landes. deira, Kapverden. Bern. S. 151-155. Das Gesundheitswesen wurde im Jahr 2000 mit 5,3% des LOBBAN, R. (1995): . Crioulo colony to indepen- Gesamtbudgets unterstützt. Zwei zentrale und drei regi- dent nation. Boulder, San Francisco, Oxford. onale Krankenhäuser sowie 82 Gesundheitszentren wer- den unterhalten. Trotzdem kam im Jahr 1999 nur ein Arzt MAY, S. (1985): Tourismus in der Dritten Welt. Von der Kritik auf 4274 Einwohner. zur Strategie: Das Beispiel Kapverde. S. 212-226.

30 Jahre, nachdem auf den Kapverden zum ersten Mal die STUDIENKREIS FÜR TOURISMUS UND ENTWICKLUNG E.V. (2007): Kap Krankheit AIDS diagnostiziert wurde, kann man heute sa- Verde verstehen. S. 6-7, 14-15. GEOMORPHOLOGIE

Michael Werner, Katja Romanski, Linda Lüdemann & Manuel Herzog

lle Inseln des kapverdischen Archipel sind vulkanischen Ursprungs. Dennoch hat Ajede ihr eigenes Gesicht entwickelt, weil die Inseln unter den räumlich und zeitlich stark variierenden klimatischen Bedingungen und aufgrund ihres unterschiedlichen Alters völlig unterschiedlich stark überprägt wurden. So bildeten sich Formen wie die spektakulären Cirques und Steilküsten auf Santo Antão, die in krassem Kontrast zu den sandigen Flachküsten der Ostinseln Boa Vista, Sal und Maio stehen. Im folgenden Kapi- tel wird diese vulkanogene Entstehungsgeschichte beleuchtet und gezeigt, welcher flu- viale, marine und äolische Formenschatz sich auf dem vulkanischen Ausgangsmaterial entwickelt hat – und unter welchen auf jeder Insel einzigartigen Bedingungen.

1. Vulkanogener Formenschatz

Der Pico de Fogo, mit 2829 Metern der Pico. Er baut sich als vulkanischer Innen- höchste Berg der Kapverden und nach dem kegel in der Cha das Caldeiras auf. Obwohl Teide auf Teneriffa der zweithöchste im At- er 1200 Meter über dem alten Kraterboden lantik, liegt rund 7000 Meter über dem Mee- steht, überragt er das Kraterwandgebirge der resboden der Kapverden-Schwelle. Auf einen Bordeira do Fogo nur um etwa 200 Meter. flachen Schildvulkan sattelte sich zu Beginn des Tertiär vor rund 60 Mio. Jahren ein stei- ler Schichtvulkan, der eine Höhe von 3500 1.1 Lava-Typen m über dem Meer gehabt haben mag. Nach bisheriger Lehrmeinung hinterließ in der Fol- Auf der Insel Fogo, speziell in der Cha das ge ein einstürzender Magmaschlot einen Ein- Caldeiras, findet man zwei Lavatypen vor, die bruchkessel von acht Kilometern Durchmes- Aa-Lava und die Pahoehoe-Lava, die beide Abb. 1: ser und den Kraterrand der Bordeira, dessen zur Gruppe der basaltischen Laven gehören, Der Pico de Fogo Felswände sich fast 1000 Meter über die Cha die bei Temperaturen von 1000 bis 1200°C (2829 m) von das Caldeiras erheben. Auf der Seite von gefördert werden und wegen der hohen Tem- Westen betrachtet, Mosteiros ist der Ringwall völlig abgerutscht. peratur und des geringen Kieselsäuregehalts im Vordergrund der Jüngere Ausbrüche schufen im östlichen Teil ausgesprochen dünnflüssig sind, sodass sie Pico Pequeno der Caldera den 1200 Meter hohen aktiven sich schnell und über weite Strecken ausbrei- ten können. Aa-Lava ist etwas viskoser als Pahoehoe-Lava. Aufgrund der langsameren Fließgeschwindigkeit, bildet sich eine Kruste. Bewegt sich die Lava weiter fort, zerbricht die Oberfläche in raue, scharfkantige Brocken und Klumpen (PRESS 2003). Pahoehoe-Lava entsteht, wenn sich eine dünnflüssige Schmel- ze (geringe Viskosität; gasarm) schichtförmig ausbreitet und ihre Oberfläche beim Abküh- len in Form einer dünnen, glasigen Haut er- starrt. Fließt eine solche Schmelze unter der Oberflächenhaut weiter, bilden sich auf der Oberhaut strickleiterförmige Strukturen aus (PRESS 2003). Pahoehoe-Lava kann beim Fließen in Aa-Lava übergehen, aber niemals umgekehrt. (Abb. 2 und 3.) Die Pillow-Lava, wie sie etwa im Südwesten von Boa Vista zu finden ist, entsteht, wenn basaltische Lava unter Wasser ausfließt oder sich ins Meer hi- nein ergießt. Dabei bilden sich charakteristi- sche Kissenlaven aus, die durch eine glasig GEOMORPHOLOGIE 13

abgeschreckte Haut, eine rundliche, etwa ein da die Schmelzen heißer und

Meter große kissenartige Form und oft durch aufgrund ihres geringen SiO2- feinkristallines Material im Inneren gekenn- Gehaltes dünnflüssiger sind. zeichnet sind (MARKL 2008). Die glasige Haut Diese Eigenschaften führen entsteht, wenn das Magma mit Wasser in Be- auch zu Phänomenen wie rührung kommt und dabei äußerlich schnell Lapilli oder Bomben (MARKL abkühlt, während das Innere noch flüssig ist. 2008). Eruptierte Lava kühlt als zusammenhängendes Ge- steinsgefüge schnell aus, je 1.2 Magmatische Gesteine nach Temperatur und Gasge- Abb. 2: Stricklava auf halt als Pahoehoe-Lava oder als Aa-Lava er- einem Strom von Magmatische Gesteine sind im wesentlichen starrt. Findet die Abkühlung jedoch verzögert Pahoehoe-Lava Kristallationsprodukte des Magmas, gluthei- statt, entstehen durch das Zusammenziehen im Fogokrater ßer, silikatischer Schmelze. Die Magmatite nicht selten meterlange eckige Basaltsäulen werden nach ihrer geologischen Stellung in (Säulenbasalt), die sich senkrecht zur Abküh- drei Gruppen unterteilt: Plutonite, Vulkanite lungsfläche bilden – bevorzugt mit einer he- und Ganggesteine (MATTHES 2001). Die Pluto- xagonalen (sechseckigen) Geometrie. nite sind Tiefengesteine: Das Magma ist noch Das neben Basalt häufigste Gestein der Kap- innerhalb der Erdkruste langsam erstarrt, so verden ist Phonolith, ein dichtes und hartes, dass die Mineralbestandteile auskristallisie- grau-grünes bis bräunliches Ergussgestein ren. Dies hat eine gleichmäßig-körnige bis aus Alkalifeldspäten und Aluminiumoxiden, grobkörnige Struktur zur Folge. Vulkanite sind das sich meist plattig absondert und beim Ergussgesteine, das heißt, die Gesteine ha- Anschlagen klingt – daher auch der Name ben sich aus der Oberfläche schnell erstarrter „Klingstein“. Lava gebildet. Durch das schnellere Abkühlen Neben Lava und vulkanischen Dämpfe för- haben sich feinkristalline Gesteine ausgebil- dern Vulkane verschiedene feste Produkte det (LESER 2005). Zu den Vulkaniten gehören wie Bomben, Lapilli, Aschen, Tuffe und Bim- auch Ganggesteine und die vulkanischen se – zusammengefasst als Tephra. Sie wird Förderprodukte, wie Asche, Tuffe und Lapilli. nach Korngrößen unterteilt. Feine Partikel mit Eine Besonderheit der Kapverden sind die einem Korndurchmesser unter 2 mm werden Karbonatite, die zu den Plutoniten zählen. In als Asche bezeichnet, die sich mit Wasser der Nähe von Sao Filipe auf Fogo findet sich zu Tuff verfestigt. Auswurfmaterial bis zu 64 ein primärer Karbonatit, der heute als „Insel“ mm wird als Lapilli bezeichnet, größere La- in einem ehemaligen Flussbett ansteht. Der vafetzen, die sich durch Rotation in der Luft ehemalige Flusslauf hat sich hier einen Weg zu Gesteinsformen verfestigen und vor dem um den Karbonatit gebahnt. Karbonatite deu- Aufprall erstarren, nennt man Bomben. An Abb. 3: ten häufig auf Mantelplums hin und enthalten den Hängen des Pico de Fogo sind diese Karbonatit in Förderprodukte in großen Mengen zu finden. altem Flussbett bei fast kein SiO2 – ihre Schmelze besteht haupt- sächlich aus Karbonaten und ist dünnflüssig, Pyroklastische Gesteine entstehen bei hoch- Sao Felipe, Fogo. da keine vernetzten Si-O-Ketten für Zähigkeit sorgen. Sie sind Mantelschmelzen und treten häufig mit Nepheliniten auf, wenn karbonat- reicher Mantel aufgeschmolzen oder eine

CO2-reiche basaltische Schmelze stark frak- tioniert wird.(MARKL 2008). Sie sind innerhalb von intrakontinentalen Riftzonen besonders häufig (MATTHES 2001). Basaltische Gesteine, die den gesamten Ozeanboden aufbauen, sind auch auf den Kapverden die am häufigsten auftretende Gesteine. Dunkelgrau bis schwarz und sehr hart mit porphyrischem Gefüge, stellen sie das vulkanische Äquivalent zum Gabbro dar. Hauptminerale sind Pyroxene, Plagioklase oder Foide. Basaltische Schmelzen sind im- mer Mantelschmelzen, die bei ihrer Extrusi- on zwischen 1000° und 1300° heiß sind. Ba- saltische Vulkane sind meist wenig explosiv, GEOMORPHOLOGIE Zeitalter 14 Paleozän ca.65 Ma-55 Ma Oberkreide ca. 100 Ma -65Ma Albium–Aptium ca. 125 Ma -99 Ma(mittlere Kreide) Unterkreide ca.145 Ma -100 Ma Jura ca199 Ma -145 Ma

Westen und Thetys im Osten. Das Gebiet des heutigen Atlantiks ist ein flaches Becken im Zentrum Pangäas. In der mittleren Trias be- ginnt die Riftbildung zwischen dem heutigen Nordafrika und Nordamerika. Spreizungsten- denzen lassen Grabenstrukturen einbrechen, in die verstärkt rote Sandsteine sedimentiert werden. Am Übergang zum Frühjura findet entlang der ersten großen Verwerfungslini- en teils exzessiver Vulkanismus statt. In der Folge weitet sich die Thetys über das heuti- Abb. 4: energetischen und gasreichen Eruptionen. ge Mittelmeer in das absinkende Becken des Solche Säulenbasalte Die plötzliche Volumenzunahme von Gas, Zentralatlantiks aus. Im ariden Klima führt das entstehen, wenn Lava das nicht mehr unter Druck steht, zerreißt die zur Ablagerung mächtiger Karbonatsedimen- langsam abkühlt. umgebende Schmelze regelrecht und schleu- te bis in die Unterkreide. dert sie aus dem Krater (MARKL 2008). Ein Der Intraplattenvulkanismus aufgrund an- weiteres Auswurfsmaterial ist Bimsstein – ein dauernder Krustenschwächung setzte mit helles, aus kieselsäure- und gasreicher Lava dem Beginn des aktiven Seafloor-Spreadings schaumig erstarrtes Gesteinsglas, das vor al- während des Aptiums (vor ca. 112 Ma) in der lem auf Santo Antão vorkommt. Bimse haben unteren Kreide ein. Verstärkte tektomagma- amorphe Strukturen ohne erkennbare Kris- tische Aktivität verhindert weiteres Absinken talle und sind so leicht, dass sie auf Wasser des zentralatlantischen Beckens und führ- schwimmen. Auf Santo Antão wird der Bims te zur Bildung mehrerer Rücken im Atlantik, als geologischer Zeitmarker verwendet. Bims auch den „Cape Verde Rise“, auf dem die wurde in der Zeit von 220 000 bis 170 000 Kapvderden in rund 4000 Metern Tiefe auf- Jahren abgelagert. Daraus folgt, dass die Ge- sitzen. Die geologische Geschichte lässt sich steine über oder unter dem Bims geologisch insbesondere auf der Insel Maio genau unter- jünger bzw. älter sind. suchen. Teilweise lassen sich die hier vorlie- genden Sedimente mit ungestörten Schich- Abb. 5: ten im senegalesischen Becken an der Küste 1.3 Dikesysteme Starke chemische Westafrikas in Verbindung bringen. Für die Verwitterung legt frü- gesamten Kapverden liegen erst wenige und here Spaltenfüllungen Dikesysteme, auch Gangsysteme genannt, zum Teil widersprüchliche Datierungen der frei, die auf Portugie- kommen auf den kapverdischen Inseln vor vulkanischen Entwicklung vor anhand der K/ sisch Filões heißen. allem auf Fogo und Santo Antão vor. Es han- Ar bzw. Ar/Ar-Methode vor. Beide Methoden delt sich um magmatische Füllungen verti- basieren darauf, dass Isotopenverhältnisse kaler, radialer oder ringförmiger Spalten im verraten, wann ein Mineral zuletzt unter sei- Vulkanbau. Sie entstehen, wenn die Lava ne Erstarrungstemperatur abgekühlt ist – ab zur Oberfläche aufsteigt und entlang von dem Moment zerfällt etwa das Ar39, während Schwächezonen in das Vulkangebäude (älte- Ar40 erhalten bleibt. re Schichten) intrudiert und dort erstarrt – oft Nach STORETVEDT (1987) begann die Entste- zu Säulen oder plattenförmigen Körpern mit hung der kapverdischen Inseln vor ca. 135 großer Längsausdehnung und geringer Brei- Ma mit Pillow Laven, die bis zum Aptium von te, die senkrecht zum Nebengestein stehen. pelagischen Sedimenten überlagert wurden. Erosion legt diese inneren Strukturen als so An diesem Übergang bildeten sich dunkle genannte Filões wieder frei, die das frühere Tonschichten in den großen Schelfmeeren. Netz von Haupt- und Nebengängen, erkenn- Die marine Sedimentation setzte sich teils bar machen. . bis zum Ende der Kreide fort und ergab eine recht einheitliche Stratigraphie. 1.4 Historische Geologie Der „Uplift“ der Insel wird ebenfalls mit dieser Grenze in Verbindung gebracht, verursacht durch einen Intrusionskörper im Zentrum Ma- Im Übergang vom Perm zur Trias vor rund ios. Dieser zog in zwei Eruptionsphasen die 251 Millionen Jahren erstreckt sich der Groß- aufliegenden Sedimente mit nach oben und kontinent Pangäa als Ergebnis der variski- durchstieß sie, bevor im Tertiär die subaersi- schen Gebirgsbildung über den Globus, flan- che Phase begann, gefolgt von einer langen kiert von den Großozeanen Phantalassa im Phase der Erosion, die erst mit Einsetzen des Sedimentgestein GEOMORPHOLOGIE Schelf Karbonate 15 Pelagische Sedimente Schwarztone Abb. 6b: Geologische Karbonatische Sedimente Abb. 6a: Sedimenttypen in der Stratigraphie, Karbonatische Sedimente späten Trias und im Frühtertiär Quelle: http://www. stratigraphy.org/

jüngeren Vulkanismus im Miozän und Quar- morphogenese immer wieder änderten, eben- tär endete. so wie die Höhenlage der Erosionsbasis, die aufgrund eustatischer Meeresspiegelschwan- kungen variierte. Grundsätzlich werden zwei grundverschiedene Talformtypen unterschie- den: Trogförmige, weiträumige Erosionskes- 2. Fluvialer Formenschatz seltäler (WIRTHMANN 1973) und enge, schlucht- artige Kerbtäler.

2.2.1 Erosionskesseltäler 2.1 Reliefgestaltung Auf Santo Antão im Nordwesten der Insel- gruppe finden sich zahlreiche Erosionskes- Anhand der morphologischen Differenzierung seltäler. Die Insel ist entlang ihrer Längsach- kann man die kapverdischen Inseln grund- se vom Cova do Paul zum Tope do Coroa sätzlich in zwei Teile gliedern: Die relativ (1979 m) rund 1400 Meter hoch. Die orogra- flachen östlichen Inseln und die gebirgigen, phischen Verhältnisse bewirken eine ausge- stärker differenzierten Inseln mit bis zu 3000 prägte hygrische Differenzierung aufgrund Metern Höhe. Als primäre Ursache der dif- von Staueffekten des Nordostpassates, was ferenzierten morphologischen Entwicklung zu einem Reliefgegensatz zwischen dem gelten regional ungleichmäßige Hebungsvor- Norden bzw. Nordosten und dem südlichen gänge unterschiedlichen Ausmaßes sowie Inselteil führt. Diese Luv-Lee-Teilung bestand das unterschiedliche Alter der Inseln (GIER, schon während der Haupterosionsphase der KLUG 1990), sowie klimatische Faktoren. Talbildung. Deshalb ist der nördliche, feuchte Alle Inseln des Archipels sitzen auf einem prä- Teil der Insel geprägt von bis zu 1600 Meter miozänen, submarinen vulkanische Sockel. tiefen, weiträumigen Tälern mit kesselförmi- In einer ersten Annäherung könnte man an- gen Talschlüssen, die bis in die Gipfelregion nehmen, dass hauptsächlich marine und äo- reichen. Die südlichen Leebereiche hingegen lische Prozesse die dominante Rolle bei der sind kaum zerschnitten. Hier reichte das Was- Formung der Erdoberfläche spielen. Enge, serangebot nicht zur Talbildung, auch wurden tiefe Schluchten sowie Wasserfälle sind je- Reliefsenken von jüngerer Lava überprägt doch wichtige Hinweise darauf, dass auch die wurden. Unter heutigen Klimabedingungen enormen Kräfte des fließenden Wassers bei ist dieser als „erosive Hangentwicklung“ be- der Herausbildung der Oberfläche von großer zeichnete Prozess (WIRTHMAN 1973) auch im Bedeutung waren. Auch die Tatsache, dass Norden Santo Antãos mangels regelmäßiger zahlreiche Täler aus hartem Gestein heraus- Starkniederschläge nicht mehr möglich. geschnitten wurden und der Hauptteil der Ero- Die kraterähnlichen Täler im Norden legen sion in einer relativ kurzen Periode vonstatten den Vergleich mit echten Calderen nahe. ging, sind deutliche Zeichen, wie wichtig das Charakteristisch für diese Erosionskesseltäler an der Oberfläche fließende Wasser für die ist der Knick zwischen Steilhang und Fußzo- morphologische Entwicklung dieses Gebietes ne, der nicht immer auf Gesteinsunterschiede war und ist. zurückzuführen ist, auch wenn Petrovarianz In den jüngeren Tälern wird durch die steilen eine entscheidende Rolle spielt. Der steile, seitliche Abhänge Material unter Schwerkraft wandartige Oberhang mit Hangneigung von nach unten Richtung Talboden bewegt, wo 60-80° übersteigt den konkav ansetzenden man heute vielerorts „rock debris“ aller Grö- Unterhang, der eine bis zu 45° geneigte Fuß- ßen entdecken kann. In älteren Tälern indes rippenzone ausbildet. Durch die Oberhänge findet sich selten Material größer als Kies ziehen sich tiefe Runsen, deren Flanken ei- (MITCHELL-THOMÉ 1976). nander schneiden. Neben der beschriebenen Idealform existieren im Norden Santo Antãos 2.2 Hang- und Talformen auch noch Kesseltäler, die sich in einer frühen Phase der Morphogenese befinden. Hier ist die Fußrippenzone noch nicht bzw. nur mar- Grund für die Vielfalt der Hang- und Talfor- ginal ausgebildet, die zerrunsten Steilhänge men auf den Kapverden ist die differenzierte reichen bis zur Talsohle herab, die noch äu- Klimaaustattung sowie die große Variations- ßerst schmal ist. breite im Altersspektrum der Inseln – wobei Erosionskesseltäler sind grundsätzlich an sich die Klimabedingungen während der Tal- tropisch-subtropische Feuchtklimate mit ent- 16 GEOMORPHOLOGIE

Abb. 7: Cirque-Genese nach Wirthmann (1994)

sprechender Tiefenverwitterung und hohen Niederschlagsmengen von über 2000 Milli- meter pro Jahr gebunden. Außerdem muss steiles Ausgangsrelief von über 100 Metern Gestein, sondern nimmt durch den Transport Höhe vorliegen. Aufgrund der räumlich be- großer Mengen gelöster Stoffe die Abtra- grenzten Verbreitung der Erosionskesseltä- gungsarbeit schon teilweise vorweg. ler, die nur in der einzigen tropisch-feuchten Am Steilhang wird die flächenhafte Abspülung Region der Inselgruppe der Kapverden zu (Denudation) um ein Vielfaches von linien- finden sind, sind die hierfür entscheidenden hafter Erosion entlang engständiger Runsen morphodynamischen Prozesse eindeutig kli- übertroffen, die vor allem bei Starkregen zu matisch gebunden. Die hohen Temperaturen regelrechten Wasserfallbahnen werden. Auch sowie die lang andauernde Durchfeuchtung die dichte Vegetation verhindert flächenhaf- führten im Nordteil Santo Antãos zu einer üp- ten Abfluss. Die Runsen sind im Abstand von pigen Vegetation sowie tiefgründiger chemi- einigen zehn bis 100m angeordnet und vertie- scher Verwitterung (KLUG 1977). fen sich im Laufe ihrer Entwicklung ständig. Die hier anstehenden Basalte weisen gerin- Ihre Eintiefung des Gerinnebettes führt zu ge Korngrößen auf und setzen sich aus leicht einer Zunahme des Erosions- und Transport- verwitterbaren Silikaten wie Plagioklas, Oli- vermögens. und zu einer Rückverlegung des vin und Augit zusammen. Das macht sie be- Hanges. sonders anfällig für tiefreichende chemische Auch die aufgrund exzessiver Regenfälle Verwitterung. Deren Intensität hängt bei glei- häufigen Rutschungen leisten eine nicht zu chen Temperatur- und Substratbedingungen unterschätzende Abtragungsarbeit. Bei die- Abb. 8: vor allem von der Dauer der Durchfeuchtung sen „debris flows“ können Blöcke im Ausmaß Erosionskesseltal ab, die auf den Passat-zugeneigten Flanken von Kubikmetern zu Tal stürzen. Auch diese auf Santo Antão. Die der höheren Inseln acht bis zehn Monate an- gravitativen Massenbewegungen tragen im Cirquegenese ist dauert. Hier findet die Abtragung praktisch Norden Santo Antãos zur raschen Rückver- nicht mehr aktiv, am ausschließlich auf einer mächtigen, immer legung der Steilhänge bei. Dies führt dann zu Hangfuß wieder erneuerten Verwitterungsdecke statt. einer Talweitung und schließlich zur charakte- sammelt sich Schutt. Die Verwitterung zerkleinert also nicht nur das ristischen Form der Kesseltäler. GEOMORPHOLOGIE 17

2.2.2 Cirquegenese

Mit der erosiven Hangentwicklung verbun- den ist eine Rückverlegung der Hänge, die schließlich zu der Verschneidung von Hän- gen und zur Gratbildung auf den Zwischental- scheiden führt, die in der Folge immer nied- riger werden. (WIRTHMANN und HÜSER 1987). Dies kann bis zu einer vollständigen Zer- störung von Hängen führen, die lediglich niedrige Restketten bzw. pyramidenförmige 2.2.3 Kerbtäler Inselberge übrig lässt. Werden die Restket- ten vollständig erodiert, weiten sich die Ero- Abb. 9: Kerbtäler treten überall dort auf, wo Trocken- Landsat-Szene auf sionskesseltäler zu runden Hohlformen auf, heit das Klima bestimmt bzw. wo die Land- sogenannten Cirques (frz.) bzw. Amphithea- SRTM-Höhenmodell, oberflächen aus jungen (quartären) Vulkani- Echtfarbendarstellung. ter (engl.). Die Breite dieser Erosionskessel ten aufgebaut sind. Da heute arid-semiaride beschreibt gleichzeitig ihren Entwicklungs- Links im Bild die flache Klimabedingungen vorherrschen, überwiegt Südseite Santo Antãos, stand: Je runder die Form des Kessels, desto gegenwärtig die Kerbtalgenese. Alle weiteren weiter fortgeschritten ist die Cirquegenese. rechts die Nordwestflanke Talformen sind Modifikationen der Kerb- und der Insel mit tiefen Kes- So ist der „Cha de Morte“ auf Santo Antão Kesseltäler. als fast kreisrunder Kessel mit 4 Kilometern seltälern. Im Zentrum der Unter Hinzuziehung geeigneter Indikatoren, Krater Cova do Paul. Durchmesser ausgebildet. Im untersuchten etwa Reliktböden, Kalkkrusten, fossilierte Querschnitt liegt der höchste Punkt bei etwa Pflanzen oder Kolluvialaufschüttungen, kön- 1400m, der niedrigste Punkt bei rund 400m nen aus den geomorphologischen Befunden über NN. Schlussfolgerungen hinsichtlich der klimage- Neben den Erosionskesseln finden sich auch bundenen Talentwicklung gezogen werden Akkumulationsformen, etwa Schotterterras- und somit auch der Klimagang selbst rekon- sen im Talverlauf bzw. an dessen Mündung. struiert werden. Nach solchen Untersuchun- Sie können als Folgewirkung glazial-eustati- gen gehen die Erosionskesseltäler wohl auf scher Meeresspiegelschwankungen bzw. tek- das jüngere Tertiär, eventuell ins Pliozän, zu- tonischer Hebungs- und Senkungsprozesse rück. Die Entstehung fand unter randtropisch- Abb. 10: erklärt werden. Bei den teils beträchtlichen humiden Klimabedingungen statt. Im Laufe Aster-Szene von Santo Akkumulationskörpern im Innern der Erosi- des Quartärs wechselte die Morphodynamik Antão über SRTM-Höhen- onskesseltäler handelt es sich zumeist um aufgrund von Klimaveränderungen zu den für modell. Oben im Bild der Reste von Talverschüttungen. trockenere Gebiete typischen Formbildungs- Kessel Cha de Morte, mit Mit den Erosionskesseltälern von Santo Antão vorgängen. Die Aridität bestimmte, unterbro- Lagen von Cao-Grande- formverwandt sind offene, weite Täler im Nor- chen durch feuchtere Intervalle, zunehmend Bimsstein (weiß). Links im den des über 1300m ansteigenden Inneren das Klima, sodass die Herausbildung von Bild die zur Nordküste ver- von Santiago. Hier sind allerdings die steilen laufende Ribeira de Garça. Kerbtälern begann (KLUG 1977). Oberhänge meist schon beträchtlich aufge- zehrt und infolge des Breitenwachstums der flacher geböschten Unterhänge werden die steilen Oberhänge niedriger. Da laut WIRTH- MANN/KLUG (1977) bei der Genese der Erosi- onskesseltäler keine Hinweise auf wirksame Seitenerosion vorliegen, ist die Breite des Unterhanges ein Maß für die Rückverlegung des Oberhanges. Daraus folgt, dass diese Täler im Inneren Santiagos gealterte Erosi- onskesseltäler darstellen. Unter den heute hier vorherrschenden semihumid-semiariden Klimabedingungen dominiert die hangverfla- chende Denudation gegenüber der erosiven Komponente der Hangrückverlegung. 18 GEOMORPHOLOGIE

3. Mariner Formenschatz

3.1 Küstenmorphologie

Die Kapverden zeichnen sich durch einen rei- Wellenbewegung wird nach und nach Strand- chen küstenmorphologischen Formenschatz material erodiert und mittransportiert. Das aus. Je nach morphologischer Härte des vor- Gesteinsmaterial, das nicht von der Bran- herrschenden Gesteins und Grad der Bran- dungswelle mitgeführt werden kann, wird dungswirkung bilden sich unterschiedliche landeinwärts als Strandwall abgelagert. Hin- Küstenformen aus. Widerständiges Gestein , ter den Strandwällen beginnt meist der Be- auf den Kapverden vor allem Basalt, begüns- reich, der äolischen Prozessen unterliegt. So tigt die Bildung steiler Kliffe, während leicht wird der Sand durch den Wind transportiert erodierbares Gestein, hier zumeist Kalk und und dann als Düne landeinwärts wieder ab- Sandsteine, die Entwicklung niedriger Kliffe gelagert. An der Flachküste befindet sich zwi- mit undeutlicher Form fördert. Da die vorran- schen dem mittleren Niedrigwasser und dem gig aus Basalten und Phonoliten aufgebauten mittleren Hochwasser der Bereich des Wel- Inseln im älteren Osten des Archipels größ- lenrücklaufs. Durch den Sogeffekt, der Erosi- tenteils erodiert sind, treten Steilküsten fast ons- und Akkumulationsprozesse begünstigt, Abb. 11: nur auf den jüngeren Inseln auf. Auf den Os- kann sich auf der Schorre ein Strandriff bilden. Steilküste auf Santo tinseln sind Flachküsten mit kilometerlangen, Typische Flachküsten mit Strandwällen findet Antão auf der Wan- feinsandigen Stränden entstanden. man z.B. auf Boa Vista (Costa de Boa Espe- derung von Ponta do Dort verliert die Brandungswelle aufgrund ranca, Praia de Carlota, Praia de Joao Barro- Sol über Fontainhas der geringen Wassertiefe an Energie, bricht sa ) und Sal (Santa Maria, Baia da Murdeira, nach Cruzinha schon früh und läuft aus. Mit der periodischen Baia do Algodoeiro). An den Steilküsten trifft die Brandung ohne Energieverlust auf die steilen Hänge einer Küste. Die ozeannahen Gesteine sind der Erosion ausgesetzt und das anstehende Ge- stein wird freigelegt. Weil es beim Aufprall der Brandung zu druckvoller Kompression der Luft in den Klüften kommt und aufgrund der Verwitterung (Hydratation) erweitern sich die Klüfte im Gestein und die Widerständig- keit der Basalte wird vermindert. Der Sog des Brandungsrücklaufs trägt Lockermaterial mit sich, das dann in der untermeerischen See- halde abgelagert wird (AHNERT 2003). Wo vorher die Gesteinsblöcke waren, entsteht ein flacher Hang, die sogenannte Abrasions- plattform oder Felsschorre. Sie wird durch die Brandung und den mitgeführten Gesteins- schutt erosiv abgeschliffen. Der Brandungs- bereich des Steilhangs wird zunehmend unterschnitten, es bildet sich eine Brandungs- hohlkehle. Bricht der Hang darüber nach, ent- steht wiederum ein Kliff.

3.1.1 Kliffarten

Hinsichtlich des Profils und der Höhe eines Kliffs unterscheidet man zwischen Bran- dungskliffs, zusammengesetzten Kliffs und abtauchenden Kliffs. Das zusammengesetz- te Kliff ist durch eine steile untere Kliffwand, die marin geformt wird und eine abgerundete obere Kliffwand, die terrestrisch beeinflusst wird, gekennzeichnet. Diese Form des Kliffs findet man z.B. im Norden der Insel Sal. Abtauchende Kliffs wie etwa auf Fogo oder Santo Antão (Ponta do Sol) setzen sich unter Wasser fort, weil große Wassertiefe die Ent- stehung von Brandungsbrechern verhindert GEOMORPHOLOGIE 19

und weil Sand und Geröll zur Bearbeitung Inseln. Die frühere Uferlinie wird durch diesen Abb. 12 & 13: der unteren Wandteile fehlen. Es herrscht Prozess zu einer gehobenen Uferlinie, dem Rockpools und also weitgehende Formungsruhe (EMBLETON- Wirkungsbereich der Wellen entzogen. An Salzpfannen an der Ponta HAMANN 2007). der Stirnseite dieser Terrasse bildet das Meer da Salina / Die Sied- Tote Kliffs entstehen, wenn die Brandungs- neue Kliffs und Buchten aus. Da die Vertikal- lung Ponta do Sol auf erosion das aktive Kliff soweit zurückverlegt, bewegungen der Erdoberfläche phasenweise einer Küstenterrasse bis es außerhalb des Wirkungsbereiches des erfolgen, werden unterschiedlich mächtige Meeres liegt. Das erodierte Gesteinsmaterial stufenartige Terrassen ausgebildet. kann nicht mehr von der Brandung mitgeführt Küstenterrassen zwischen zwei und sechs werden und bleibt als Kliffhalde liegen. Nach Metern Mächtigkeit findet man auf allen Inseln. einiger Zeit bildet ein Teil der Abrasionplatt- Im Süden der Insel Sal findet man Mächtigkei- form meist einen Schotter- oder Sandstrand ten von bis zu sechzig, auf Maio und Santiago aus, der aus erodiertem Kliffmaterial und von bis zu hundert Metern. Sie sind im Pleistozän der Brandung aufgearbeitetem Schutt be- entstanden (ZAZO 2007). Auf Fogo findet man steht. So finden sich auf Fogo schwarze La- die Form der Küstenterrasse mit dahinterlie- vastrände mit einem dahinterliegenden toten gendem ehemaligem Kliff z.B. bei Igreja und Kliff. Mosteiros. Auf Santo Antão liegt der Ort Pon- ta do Sol auf einer großen Terrassenstufe. 3.1.2 Küstenterrassen Neben den Hauptküstenformen werden noch weitere Detailformen an Kliffen ausgebildet, Weiterhin lassen sich auf den Kapverden die an das Vorkommen morphologisch harter Meeresbodenküsten mit Küstenterrassen Gesteine gebunden sind. Basalt etwa bie- nachweisen. Küstenterrassen sind vormals tet Klüfte, Flächen und Linien, an denen die unter Wasser gelegene Felsschorren/Abrasi- Brandungserosion angreifen kann (AHNERT onsplattformen. Sie entstehen, wenn sich die 2003). Wo die Klüfte dicht geschart auftreten, Insel über den Meeresspiegel hebt – sei es können die Gesteinsblöcke besonders leicht wegen eustatischer Meeresspiegelschwan- erodiert werden. An Längstklüften entstehen kungen (klimabedingt variabler Wasserhaus- meist Brandungsgassen. Wird ein vorsprin- halt) oder individueller vulkanischer oder gender Teil des Kliffs durch eine Brandungs- Abb. 14: tektonischer Vertikalbewegungen einzelner gasse vom übrigen Kliff abgetrennt, entsteht Brandungstor, Ponta da Salina, Fogo 20 GEOMORPHOLOGIE

Abb. 15: auf der Abrasionsplattform ein Brandungs- sprungs im Zusammenhang mit einer Riffbil- Quartäre Sandstei- pfeiler. Brandungstore und -höhlen entstehen, dung. Zumindest die Vulkane der Ostinseln ne auf Santo Antão, wenn höher gelegene Teile des Kliffs bei der erreichten im Miozän die Meeresoberfläche Wanderung von Ponta Bildung einer Brandungsgasse aufgrund des oder wenigstens die Brandungszone (KLUG do Sol nach Cruzinha festen Zusammenhalts mit dem Nachbarge- 1977). Die westlichen Inseln sind fast aus- stein nicht nachbrechen, sondern als Bogen schließlich aus Basalt und Phonoliten auf- oder Decke stehen bleiben (AHNERT 2003). gebaut, marine bzw. lakustrine Sedimente An der Küste von Ponta da Salina auf Fogo gelten als Ausnahme. Auf Santo Antão findet haben sich neben den Küstenterrassen zahl- man jedoch im randmarinen Bereich bei Cru- reiche solcher Detailformen gebildet: Ein zinha fossile Ablagerungen und Wurzelver- Brandungstor, eine Brandungshohlkehle, steinerungen, die als Relikte fossiler Böden Abb. 16: eine Brandungshöhle, sowie Brandungsni- gelten können (Abb.9). Es kann angenom- Randmarine schen und Brandungsplattformen. Auf den men werden, dass sich nahe der Küste Santo Ablagerungen Brandungsplattformen haben sich Pools und Antãos ein Saumriff gebildet hat. Die Oberflä- (Ton-Gips-Wechsel- Salzpfannen (Ablagerung von Salz nach Ver- che des Saumriffs bildete entlang der Küste folgen) auf Boa Vista dunstung des Meereswassers) ausgebildet. eine unebene Terrasse, die sich im Bereich Auch an der Steilküste des Niedrigwassers befand (vgl. Abb. in den im Norden Santo Antãos Ausführungen zu Boa Vista). Wahrschein- zwischen Ponta do Sol lich kam es immer wieder zu isostatischen und Cruzinha findet man und eustatischen Hebungen und Senkun- Brandungspfeiler, -tore gen, sodass phasenweise eine Bodenbildung und -nischen, sowie und ein Pflanzenwachstum möglich war. Die Brandungshohlkehlen. sekundär verkalkten (stelzenartigen, mäch- tigen) Wurzeln legen die Vermutung nahe, 3.1.3 Randmarine dass es sich um Mangrovenwälder gehandelt fossile Böden haben könnte, die an die Bedingungen im salzig- brackigen Wasser der Riffpfanne bzw. Auf den Kapverden exis- Lagune angepasst waren. Das Brackwasser tieren Sedimentgesteine der Lagune wurde zusätzlich zur salzigen Flut vorrangig auf den östli- des Meeres durch Niederschläge gespeist, chen Inseln. Meist sind sodass sich für die Mangroven optimale Be- es Kalkablagerungen, dingungen ergaben. von denen angenom- men wird, dass sie vor 3.1.4 Quartärer Sandstein allem im Miozän auf den Sockeln der Inseln Auf Boa Vista findet man Sedimentgesteine, bzw. am Rand der alten die im Zuge der Saumriffbildung entstanden Kerne entstanden. Das sind. Dazu zählt auch der quartäre Sandstein. geschah wie bei vielen Neben dem Sandstein findet man weitere Se- Inseln vulkanischen Ur- dimente, die vermutlich zeitgleich entstanden GEOMORPHOLOGIE 21

sind. Diese Sedimente treten geschichtet auf und bestehen aus verschiedenen Ton- und Gipsablagerungen. Es kann angenommen werden, dass sie in der Pfanne eines Riffs entstanden. Der Meeresspiegel lag vermut- lich in vergleichbarer Höhe mit dem Rand der Riffpfanne, sodass phasenweise immer wie- der Meereswasser in die Vertiefung schwapp- te und dann wieder verdunstete. Infolge der Verdunstung kam es zur initialen Auskristalli- Besteht die Oberfläche aus verschieden gro- sierung der gelösten Meerwasser-Bestandtei- ßen Korngrößen (z.B. aus Schluff, Sand und Abb. 17: le und es kam zur wiederholten dünnlagigen Kies) kann die Deflation selektive Wirkung Wir konnten zeigen, dass Ablagerung von Gips und Ton. Unter diesen haben. Der Wind weht präferentiell Feinmate- der Sand im Deserto Schichten findet man Basaltgestein. rial aus, grobe Komponenten bleiben zurück. de Viana zum Großteil So entsteht residuales Wüstenpflaster (auch autochthon ist und anders Hamada, Serir oder Rikh genannt). Nach der als bisher angenommen Abtragung des ersten Feinmaterials erhöht nur zu geringen Anteilen 4. Äolischer Formenschatz sich der Grad der Deflation weiter, da die gro- aus der Sahara stammt ben Gesteinskomponenten noch kräftigere Verwirbelungen verursachen. Die Kapverdischen Inseln, insbesondere die Eine Sandakkumulation findet dann statt, flachen Ostinseln Sal, Boa Vista und Maio), wenn die Transportkapazität des Windes so sind durch aride und semiaride Bedingungen stark nachlässt, dass keine Saltation und und eine unvollständige, lückenhafte Vegeta- Reptation mehr stattfinden kann. Nachlas- tion gekennzeichnet. Aufgrund der speziellen sende Wind- und Schubspannungsgeschwin- Lage innerhalb der Haupttransportachse des digkeiten können z.B. durch Veränderung des Saharastaubs fungiert die Sahara als Staub- Windfeldes (Hindernisse, Leewirkung etc.) und Sandlieferant. Durch die Windsysteme verursacht sein, aber auch durch veränderte des Harmattan, Saharan Air Layers, Nord- Rauhigkeitswerte. Zu den großen Akkumu- ostpassats und des African Easterly Jet wird lationsformen zählen Dünen, die meist an Sand und Staub in westlicher Richtung trans- Hindernissen wie Steinen, Sträuchern oder portiert und auf den Kapverden abgelagert. aus anderen Gründen raueren Oberflächen Allerdings konnte die vielfach angenomme- entstehen. Sie halten den am Boden krie- ne Theorie, dass ein Großteil des Sand- und chenden Sand auf und es bildet sich ein fla- Staubmaterials auf den Inseln aus der Sahara cher schildförmiger Sandhaufen, aus dem all- stammt, auf der Exkursion widerlegt werden. mählich eine Düne mit dem charakteristisch Eigene Laboruntersuchungen zeigen, dass asymmetrischen Profil – flach im Luv und stei- es sich zumindest auf Boa Vista überwiegend ler im Lee. An der steilen Leeseite werden um autochthones Material handelt. die Sandkörner ständig vorgeschüttet und es Die auf den Kapverden vorherrschenden stellt sich ein Schüttungswinkel von 30° ein. Windbedingungen begünstigen äolische Ero- Deflation auf der Luv- und Akkumulation auf sions- und Akkumulationsprozesse. Bei den der Leeseite verursachen eine Bewegung äolischen Erosionsformen wird zwischen der der Düne. Bei dieser Wanderung des Dünen- kleinflächigen, bodennahen Korrasion und kamms geraten ehemalige Kamm- und Lee- Abb. 18: der flächenhaften Deflation unterschieden, seitensandkörner in das Innere der Düne, bis Barchan im Deserto wobei letztere auf den Kapverden dominiert. sie wieder im Luv ankommen und durch Sal- de Viana, Boa Vista 22 GEOMORPHOLOGIE

tation auf den Kamm getrieben werden (ZEPP deckt ist. Im Norden der Insel, östlich von 2002). Estancia Baixo erstreckt sich das Dünenfeld Man unterscheidet grundsätzlich zwischen „Deserto Viana“, das vor allem aus feinem, gebundenen Dünen, die entstehen, wenn sich hellem Kalksand besteht und zusätzlich mit Sand an Vegetation oder topographischen Sand und Staub aus der Sahara gespeist Hindernissen akkumuliert, und freien Dünen. wird. Bei den vorherrschenden Dünentypen Zu den gebundenen Dünen zählen z.B. die handelt es sich hauptsächlich um Barchane Parabeldünen, Leedünen, Echodünen und und Transversaldüne. Die spärliche und lü- Sandrampen. Parabeldünen besitzen eine ckenhafte Vegetation begünstigt das Wan- Sichelform mit luvwärts zeigenden Hörnern. dern der Dünen, was eine Bedrohung für An den Seiten ist der Sandtransport durch er- landwirtschaftliche Flächen und Siedlungen höhte Rauhigkeit, z.B. durch Sträucher häu- darstellt. Auch das Betreten der Dünen und fig behindert, sodass der mittlere Bereich der touristische Offroadtouren bewirken verstärk- Dünen schneller wandert. te Dünenwanderung, da dadurch die ohnehin Zu den freien Dünen zählen Transversaldü- schon spärliche Vegetation verstärkt abgetra- nen, Akledünen, Längsdünen und Barchane. gen wird. Barchane sind Dünen, die durch glatte Ober- fläche, eine relativ geringe Sandverfügbarkeit, sowie starke Winde aus einer vorherrschen- den Richtung begünstigt werden. Anders als Literatur bei der Parabeldüne besitzen sie eine konkav gekrümmte Leeseite, d.h. die Hörner wandern ZEPP schneller als das Zentrum der Düne ( AHNERT, F. (2003): Einführung in die Geomor- 2002). Oftmals berühren sich Barchane bei phologie. 3.Auflage. Stuttgart. der Wanderung seitlich, wachsen so zusam- men und bilden eine quer zur Windrichtung EMBLETON-HAMANN, C.(2007): Geomorphologie verlaufende Dünenkette. Transversaldünen in Stichworten. Exogene Morphodynamik. 6. (Querdünen) werden in Gebieten mit großem Neubearbeitete Auflage. Suttgart, Berlin. Sandangebot und einer relativ konstanten Windrichtung gebildet und kommen deshalb DUPRAT, H.I., FRIIS, J., HOLM, P.M., GRANDVUI- oft an Sandküsten vor. NET, T., SORENSEN, R.V. (2007): The volcanic Auf den Dünen lassen sich kleine Akkumula- and geochemical development of São Nico- tionsformen wie Windrippel feststellen. Das ssindind bisbis zu 50 cm hhoheohe Kleinstformen,Kleinstfor die lau, Cape Verde Islands : Constraints from qqueruer zur vorvorherrschendenherrschenden WindrichtungWindrich ver- field and 40Ar/39Ar evidence. In Journal of laulaufenfen undund durchdurch eineneine asym- Vulcanology and geothermal research. metrischen Aufbau, F , J., STUART, F., DAY, S., WALL, F. (2007) dd.h..h. ddurchurc einen OEKEN : flflachenachen Luvhang Carbonatite seamount formation and first sub- uundnd einemein stei- arial exposure of Fogo (Cape Verde Islands): llenen LLeehangeeh ge- results from apatite and pyrochlore (U-Th)/He kkennzeichnetennzeichn sind. dating. IhIhrere WWellenlängeellenlä wird durch den Grad der äoli- GIER, S., KLUG, H. (1990): Untersuchungen sschenchen TTransportenergieransporten be- zur Reliefentwicklung der Kapverdischen In- ststimmt:immt: JJee hhöher,öher, ddestoes länger seln am Beispiel der Inseln Sal, Santiago und ((wenigewenige Zentimeter bis zuzu fünf Me- Santo Antão. In: Courier Forsch.-Inst. Sen- ter). Für die RippelbildunRippelbildung,g für die ckenberg, 129: S. 43-46. sschonchon kleinste UnregelmUnregelmäßigkeitenä der überströmten OberflOberflächeäc genü- KLUG, H. (1977): Vergleichende Studien zur gen, iistst dderer TTransportmechanismusransportmech Tal- und Hangentwicklung auf den Kanari- dderer Reptation von großgroßerer Bedeu- schen und Kapverdischen Inseln In: Z. Geo- tung, welcher die SandSandkörnerkö auf morph. N. F. 28, 101-123. ddenen KKammamm dderer RiRippelmarkenppelmark treibt (STENGELTENGEL 1992).1992). LESER, H. (2005): Diercke Wörterbuch. Allge- AufAuf den Kapverden findet man Dü- meine Geographie. 13. Auflage. München/ nnenfelderenfelder vor allem auf der InselI Boa Braunschweig. VVista,ista, die zu 15 Prozent mit Sand be- GEOMORPHOLOGIEEOMORPHOLOGIE 23

MARKL, G. (2008): Minerale und Gesteine. Mi- neralogie- Petrologie- Geochemie. 2. Auflage. Heidelberg.

MATTHES, S. (2001): Mineralogie.Eine Einfüh- rung in die spezielle Mineralogie. 6. Auflage. Berlin/Heidelberg.

MITCHELL-THOMÉ, R. C. (1976): Vulcanicity of Historic Times in the Middle Atlantic Islands:

MITCHELL, J., LE BAS, M., ZIELONKA, J., FURNES, H. (1982): On dating the magmatism of Maio, Cape Verde Islands. In: Earth and Planetary Science Letters, Vol. 64.

PRESS, F. UND MAGMOND, S. (2003): Allgemei- nene Geologie. Einführung in das System Erde. 3. Auflage. Heidelberg.

STENGEL, I. (1992): Zur äolischen Morphodyna- mik von Dünen und Sandflächen. Würzburger Geographische Arbeiten, Heft 83. Würzburg

STOREDVEDT, K.M. (1987): Evidence for ocean- continent crust boundary beneath the abyssal plain of the East Central Atlantic. In: Physics of the Earth & Planetary Interiors 48(1-2), 115-129.

WIRTHMANN, A. (1973): Reliefentwicklung auf Basalt unter tropischen Klimaten. In: Zeit- schrift für Geomorphologie, Band 17, S. 223- 241.

WIRTHMANN, A. & HÜSER, K. (1987): Vulkanin- seln als Modelle tropischer Reliefgenese: Dargestellt am Beispiel von Hawaii, La Réu- nion und Mauritius. – Geographische Rund- schau 39 (1): 22-31.

ZEPP, H. (2002): Grundriß allgemeine Geogra- phie: Geomorphologie. Paderborn

ZAZO, C. (2007): Quaternary marine terraces on Sal Island. In: Quaternary Science Review 26. Madrid, S. 876-893. 24 VULKANISMUS

Vulkanische und geologische Besonderheiten der Kapverden

Hot Spot or not? Seamounts als „Wärmetauscher und Mixer“

Lange schien die Hotspot-Theorie den kapverdischen In- Die Kapverden bestehen aus drei Sockeln, wobei Inseln traplattenvulkanismus zu erklären – Magma steigt wegen auf Seamounts aufsitzen. Das sind Vulkane, die nie die Temperaturanomalien an der Kern-Mantel-Grenze unter Oberfläche erreichten. Sie wachsen durch Intrusionen Aufschmelzen des Gesteins im oberen Mantel auf. Eine oder sehr ruhige Eruptionen auf, weil der hohe Wasser- stationäre Position im Erdmantel voausgesetzt, über die druck in mehr als 1000 Metern Tiefe Dampfbildung oder Lithosphärenplatten hinweggleiten, würde ein Hotspot heftige Entgasung des Magmas verhindert. Gelangt ein ganze Vulkanketten in die Lithosphäre „einbrennen“. Die Seamount in die Nähe der Meeresoberfläche, lässt der bisherige, unvollständige Altersreihe der Kapverden stützt Druck nach, das Mamga entgast und verursacht explo- diese These allerdings nicht eindeutig. Die Probleme bei sive Unterwasser-Eruptionen – dann entstehen glasige der Zeitreihe zeigt São Nicolau: Auf zwei Dritteln der Di- Fragmente abgeschreckter Lava, die man als Hyaloklas- stanz von Maio nach Santo Antão gelegen, weist es fast tite bezeichnet. Sie sind auf den Kapverden sehr häufig. identische Alter auf wie diese westlichste Insel, nämlich mit Geowissenschaftler der Universität Bremen untersuchen Aktivität von 6,2 Millionen Jahren bis >100.000 Jahre. Der derzeit in einem DFG-Schwerpunktprogramm die Funkti- Beginn der Eruptionen koinzidierte mit aktivem Vulkanis- on von Seamounts als „Wärmetauscher und Mixer“: Die mus auf Santo Antão und Maio – ein Hotspot müsste also Gebilde kühlen die Lithosphäre, weil hier Wasser eindrin- mehrere Austrittskanäle zur Oberfläche gefunden haben. gen und geochemisch relevante Stoffe wie durch ein Ventil in den Ozean austreten können – denn an ihren Flanken ANGUITA & HERNAN postulierten deshalb schon 1975 ein alter- fehlen die sonst oft mächtigen Sedimentauflagen, die sol- natives, dreiphasiges Modell. Nach der Seamountbildung chen geochemischen Austausch hemmen. Zudem sorgen bildeten sich mächtige marine Schildvulkane, auf denen Seamounts für vertikale Turbulenzen im Strömungskreis- Basalttafelberge, Schlackekegel und Lavaflüsse subae- lauf, so dass es verstärkt zu Upwelling kalten Tiefenwas- risch aufsitzen, gefolgt vom quartären bis rezenten Vulka- sers kommt. nismus. Innerhalb jeder Phase wiederholte sich ein Trend zunehmender Alkalität, so dass eine einzelne Magmaquel- le ausgeschlossen wurde. Ihrer Theorie des „Propaga- ting Fracture“ zufolge entsteht eine grabenbruchähnliche Schwächezone innerhalb der Platte, weil die Litosphäre unter in weiter Ferne – etwa im marokkanischen Rif-Ge- birge – erzeugter Spannung steht. Solange diese nicht ge- löst wird, indem sich die Lithosphärenplatten einem neuen Krümmungsradius anpassen, komme es zu Eruptionen. Dilatation und Kompression der afrikanischen Lithosphä- renplatten würden die Zeitreihe erklären: Auf einen Ge- birgsbildungsimpuls im hohen Atlas folgt eine magmatische Phase auf den Inseln. Treibende Kraft wäre also nicht ein Prozess im Mantel, sondern Spannung in der Lithosphäre. Auch FOULGER UND NATLAND stellten 2003 in der Zeitschrift Science die fast ketzerische Frage: „Ist Hotspot-Vulkanis- mus eine Folge von Plattentektonik?“ Magmaquelle für den kapverdischen Vulkanismus seien Der Cão-Grande-Bimsstein als Zeitmarker alte tektonische Schweißnähte, an Der bis zu acht Meter mächtige Cão Grande Bims, ein denen ozeanische phonolithischer Bims, der bei extrem rascher Abkühlung Kruste im oberen entsteht, liefert, analog zu den Tephren des Laacher See- Mantel feststeckt. Ausbruchs eine Möglichkeit, morphologische und vulkani- Der Charme des sche Ereignisse zeitlich einzuordnen. Sein Alter wurde auf Ansatzes: Platten- 220.000 bis 170.000 Jahre datiert, was Aussagen über da- tektonik wäre nun runter oder darüber liegende Schichten zulässt. Die Bims- das alleinige Erklä- Ablagerungen müssen einst die komplette Insel bedeckt rungsmodell und haben, wurden aber zu großen Teilen erodiert. Zu finden man müsste nicht sind sie heute vor allem auf der Südostseite und im Kessel auf zwei unter- des Cha de Morte, teils überfahren von jüngeren nephe- schiedliche Ansät- linitischen Lavaströmen und Schichtfluten. In der Region ze zurückgreifen. von Porto Novo wird der Bims als Baumaterial verwendet.

Abb. oben: Die nordwestlichen Inseln und der Seamounta Nola teilen einen Sockel. Abb links: Cao Grande Fogo, Brava und der Seamount Cadamosto einen weiteren. Den Ostkomplex bilden Bimsstein auf Santo Antão Sal, Boa Vista, Maio, Santiago und die beiden Seamouns Boa Vista und Senghor. Aster-Szene über ein Höhenmodell drapiert: Bis 1785 war der Pico de Fogo äußerst aktiv, fast zwei Dutzend Mal brach er allein seit der Besiedlung im 15. Jahrhundert aus. Seither finden Eruptionen nur noch an seinen Flanken bzw. im Kesselinneren statt, etwa 1995.

Fogo – Caldera oder Bergsturz?

Betrachtet man Karten oder Satellitenbilder von Fogo, sticht der acht Kilometer breite Kraterkessel mit dem na- hezu perfekten Vulkankegel des Pico de Fogo in seinem Zentrum ins Auge. Er ist der einzige aktive Vulkan des Ar- chipels und brach zuletzt 1995 aus – nicht am 2829 Meter hohen Zentralkrater, sondern mit Lavaströmen und Fuma- rolen entlang der Flanken im Südosten des Kessels. Für den portugiesischen Vulkanologen FREDERICO MACHADO, und Filme („Der Schwarm“) geliefert hat. Im Falle Fogos der in den Sechziger Jahren einige grundlegende Aufsät- wäre vor allem die Küste Westafrikas gefährdet, denn man ze verfasste, war aufgrund der Oberflächenform klar: Das nimmt an, dass der Seamount Cadamosto in nordwestli- ist eine Caldera. Wie einst RIBEIRO ging er dabei von einer cher Richtung stabilisierenden Einfluss übt. So gilt es vor Somma-Phase vor der Caldera-Entstehung aus, in der das allem, die Dehnung entlang der Dyke-Zonen zu überwa- Vulkangebäude aufwächst, gefolgt von der Vesbio-Phase chen, was seit einigen Jahren zumindest in Erwägung ge- nach Einstürzen des früheren Vulkankörpers. Das schien zogen wird. auch das Vorkommen nephelinitischer Magmen während MANUEL HERZOG & NIKLAS SCHENCK der Somma-Phase und die Dominanz von Basaniten und Limburgiten in der Vesbio-Phase zu erklären, weil der För- Literatur derschlot in eine bereits differenzierte, geschichtete Mag- menkammer abgetaucht sei. ANGUITA, F., HERNAN, F. (1975): A propagating fracture model Doch es gibt entschiedenen Widerspruch von vielen Wis- senschaftlern. Denn handelt es sich um eine Explosionscal- versus a hot spot origin for the Canary Islands. In: Earth dera, dann fehlt jede Spur von fast sechs Kubikkilometern and Planetary Science Letters, Vol. 27. Kessel-Volumen, an den Flanken des Fogo findet sich kei- DAY, S., DA SILVA, S., FONSECA, J. (1999): A past giant lateral nerlei Auswurfmaterial. Und wäre der Kraterkessel Folge einer Caldera-Subsidenz, wie Machado postuliert, müss- collapse and present-day flank instability of Fogo, Cape ten zwingend so genannte Ringverwerfungen entlang des Verde Islands. In: Journal of Volcanology and Geothermal Kesselrands vorliegen. Die fanden weder Machado noch Research, Vol. 94. spätere Forschungsgruppen. Machado verlor zudem kein F , G., NATLAND, J. (2003) Wort darüber, dass die „Caldera“ nach Osten offen ist. OULGER : Is “Hotspot” Volcanism a consequence of Plate Tectonics? In: Science, Vol. 300. Eine Arbeitsgruppe um DAY, DA SILVA und FONSECA (1999, London/Lissabon) entwickelte die These, dass ein Berg- LE BAS, T., MASSON, D., HOLTOM, R., GREVEMEYER, I. (2007): sturz entlang der Schwachstellen, die heute von lateral Slope failures of the flanks of the Southern Cape Verde Is- aus einem früheren Zentralschlot führende Dykes nach- lands. In: Advances in Natural and Technological Hazards gezeichnet wird, die offene Ostflanke des Fogo ins Meer Research, Vol. 27. riss. LE BAS et al. orteten 2007 bei einer batyhmetrischen Vermessung submarin abgelagertes Abraummaterial, das MACHADO, F. (1965): Mechanism of Fogo Volcano, Cape wenigstens größenordnungsmäßig dem Volumen eines Verde Islands. In: Garcia de Orta (Lisboa) solchen Bergsturzes entspricht. Datiert ist dieser Kollaps bisher nicht, dennoch ergibt sich ein ganz neues Bild der PLESNER, S., HOLM, P., WILSON, J. (2002): 40Ar-39Ar geo- vulkanischen Entstehung von Fogo. Das könnte wichtig chronology of Santo Antão, Cape Verde Islands. In: Jour- sein, um die Gefährdung der Insel für zukünftige Massen- nal of Volcanology and Geothermal Research, Vol. 103. bewegungen einschätzen zu können. Immerhin könnten diese zu verheerenden Tsunamis führen – was ja auf den SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT DOSSIER (1997): Unruhige Erde. Kanaren längst diskutiert wird und sogar Stoff für Bücher S. 73: Seamounts.

Bergsturz-Abraum (li) und Dykes als Indikatoren für künftige Abrisskanten (re). 26 GEOLOGIE BOA VISTA Weniger Saharastaub als angenommen? Eigene Analyse zeigt autochthone Quellen der Dünensande

Vereinfachte geologische Karte Boa Vista

25°W 24°W 23°W 17°N 17°N 16°N 16°N 15°N 15°N

25°W 24°W 23°W UTM Zone 27 N / WGS 84

Legende

quartäre Kalksandsteine Dünen Ü bimodaler Vulkanismus

B2

Kartographie: Herzog, Schenck verändert nach: Vailleux Y., Bourguet L., Paris 1974

Kilometer 05102,5

Gemeinsam mit Sal und Maio zählt Boa Vista zu der Grup- ursprüngliche Vulkansystem aus sauren bis basischen pe der flachen kapverdianischen Ostinseln. Während auf Magmen (bimodaler Vulkanismus) senkte sich ab, wurde Maio die ältesten Pillowlaven und marinen Sedimente ein an seinen Rändern vom Meer erodiert und es entwickelte Alter von ca. 120 bis 150 Ma zeigen, sind die beiden ande- sich ein Saumriff. An einigen Stellen zeigen dünne Schich- ren Inseln mit ca. 10 bis 20 Ma deutlich jünger. ten von Gips- und Tonablagerungen in Wechselfolge schon einen Ansatz zur Atoll-Bildung. Eine anschließende Hebung Die vereinfachte geologische Karte von Boa Vista (s. oben) ermöglichte eine Vegetationsentwicklung auf den randma- zeigt sehr deutlich die jüngere quartäre Entwicklung: Das rinen Kalksandsteinen. Die fossilen Wurzelreste und Lö- sungskanäle im Kalksandstein sind im Nordosten der Insel deutlich zu erkennen (s. Abbildung links). Mit der Hebung wurden die Kalksandsteine teilweise wieder erodiert und bil- deten die Materialquelle der rezenten Sanddünen (Abb2). Eine mikroskopische Betrachtung (Bilder 1-3) zeigt die bio- gene Herkunft dieser Partikel, und die Karbonatbestimmung erbrachte einen Kalkgehalt von etwas über 85 Gewichts%. Die Korngrößen zeigen die Dominanz der Sandfraktion (vgl. Graphik). Die Korngrößen liegen mit d50 bei etwa 240 μm und zeigen eine sehr gute Sortierung. Die 0,03 Gewichts- Prozent der Schluff- und Tonfraktion, d50 und der Kalkge- halt lassen zudem Zweifel an der Aussage zu, dass das Lie- fergebiet der Dünensande die Sahara sei und der Transport über Sandstürme oder den Saharan Dust erfolgen würde.

GERD SCHUKRAFT

Foto: Fossilierte Wurzelreste im Nordosten von Boa Vista, auf der Route zum Cabo de Santa María. GEOLOGIE BOA VISTA 27

Abb. oben: drei mikroskopische Aufnahmen, aus denen sich die biogene Herkunft der Sandkör- ner eindrucksvoll belegen lässt.

Abb. links: Die Korngrößenverteilung zeigt eine Dominanz der Sandfraktion - Mate- rial also, das nicht mit den Windstürmen des „Saharan Dust“ auf die Kapver- den verfrachtet worden sein kann..

Abb. unten: Angenommene Entwicklung der Insel Boa Vista: Auf ein Absinken des Vulkankomplexes unter den Meeresspiegel folgte eine Saumriffbildung – in Ansätzen wurde auch das Atoll-Stadium erreicht. Die anschließende Hebung ermöglichte wieder Vegetationsentwicklung. Der Dünensand ist größtenteils autochthon und entstammt den gehobenen Kalksandsteinen KLIMA

Elena Beuchert, Sarah Knoll & Jessica Kramberg

as Klima der Kapverden kennt zwei Zustände: In der Tempo das Brisas, der Zeit der DWinde, beherrschen die trockenheißen Luftströme aus der Sahara – der Tropical Eas- terly Jet und die berüchtigte Bruma Seca, auch Harmattan genannt – den Alltag der Kap- verdianer. Das Leben erwacht hingegen mit der Tempo das Chuvas, der Regenzeit, die von monsunalen Luftströmungen aus dem Südwesten und einer Nordverschiebung der innertropischen Konvergenz ausgelöst wird und auf den bergigen Westinseln auch von Staueffekten im Luv des Nordostpassats herrühren kann. Dann erblüht die Landschaft in tausend Tönen von Grün. Bleibt allerdings der Niederschlag aus, haben die Kapver- dianer seit jeher zu kämpfen – in früheren Zeiten sogar mit heftigen Hungersnöten. Das folgende Kapitel soll die Grundlagen zum Verständnis der unterschiedlichen Inselklima- te vermitteln.

Grundlagen der tropischen Zirkulation

Zunächst soll die allgemeine tropische Zirku- Äquator zurückströmen und dort wieder auf- lation erläutert werden, um einen Überblick steigen. Da die auf den rotierenden Erdkörper über die klimatischen Verhältnisse in diesen wirkende Corioliskraft in Richtung Äquator Breitengraden zu geben. Dann werden die abnimmt, werden die bodennahen Luftströme Methoden vorgestellt, die für die Untersuchun- nach Westen abgelenkt (vgl. GEBHARDT et al. gen verwendet wurden – von der Auswahl der 2007, 220). So treffen sie auf der Nordhalb- Gerätschaften bis zur Datenerfassung und kugel in Form des Nordostpassats auf den In- -auswertung. Im dritten Teil dieses Kapitels selarchipel der Kapverden und beeinflussen folgt die Analyse der regionalklimatischen das dortige Klima enorm. Verhältnisse der jeweiligen Inseln. Der Nordostpassat weht fast das ganze Jahr Die Kapverdischen Inseln liegen ca. 460 hindurch und dominiert das Klima der Kapver- km westlich der afrikanischen Küste bei 16° den. Aufgrund der Nähe zum afrikanischen Nord und 24° West. Sie befinden sich in der Kontinent transportiert er trockenwarme Luft Übergangszone zwischen dem subtropischen vom Festland über den Atlantik auf die Inseln. Hochdruck- und dem tropischen Tiefdruck- Diese relativ stabile Luftschichtung wird be- gürtel und liegen somit im Einflussbereich dingt durch die Passatinversion. Während des Nordost-Passats der atlantischen Rand- die am Äquator aufsteigenden Luftmassen tropen. Die Tagestemperaturen auf den Kap- aufgrund der Flächendivergenz im Bereich verden betragen das ganze Jahr hindurch der subtropischen Antizyklonen absinken und zwischen 22° und 28°C, die Wassertempera- erwärmen, reichern sich die mit dem Nordost- turen sinken nie unter 20°C. Auf allen Inseln Passat zurückströmenden Luftmassen in den herrscht eine angenehm trockene Luft mit ei- unteren Schichten über dem kühlen Kana- ner Luftfeuchtigkeit zwischen 55% und 65 %. renstrom mit Wasserdampf an und steigen Um die regionalklimatischen Verhältnisse der konvektiv nach oben. Die absinkende tro- Kapverden verstehen zu können, ist es sinn- ckenwarme Luft trifft somit in einer Höhe von voll zunächst einen Blick auf das Makroklima etwa 800m auf die feuchtkühle aufsteigende der tropischen Zirkulation zu werfen. Luft, die am weiteren Aufstieg gehindert wird: Eine Inversionsschicht entsteht. Diese Pas- Sowohl Nordost-, als auch Südost-Passat ent- satinversion verhindert einen Austausch der stehen durch das Luftdruckgefälle zwischen beiden Luftmassen und ist somit Ursache der den subtropischen Antizyklonen und der äquatorialen Tiefdruck- rinne. Die Passatwinde sind Temperaturinversion im Anflug auf die Insel Sal somit eine Ausgleichsströmung zwischen dem bodennahen sub- 18 tropischen Hochdruckgebiet und 16 dem innertropischen Tief. Wür- 14 de die Erde still stehen, so wür- 12 de die am Äquator aufsteigende 10 Luft in der Höhe zu den Polen 8 strömen, dort herabsinken, in 6 den unteren Schichten zum 4 Höhe über Null in km 2 Abb. 1: Passatinversion im Anflug 0 auf die Insel Sal, Messung an- -50 -40 -30 -20 -10 0 10 20 hand der Flugzeuginstrumente. Temperatur in °C KLIMA 29

geringen Niederschlagsmenge und des tro- ckenen Klimas der Kapverden (vgl. GEBHARDT et al. 2007, 220). Der Verlauf der Lufttemperatur ließ sich beim Anflug auf die Kapverdischen Inseln vom Flugzeug aus gut beobachten. Wie die ne- benstehende Graphik verdeutlicht, steigt die Lufttemperatur während des Landeanflugs bei abnehmender Höhe kontinuierlich an, bis in 1000 m Höhe eine Temperatur von etwa 18°C erreicht ist. Bei 700-800 m, in der Höhe der Passatinversion, fällt die Temperatur jedoch ganz plötzlich wieder auf 13°C und erreicht erst wieder in etwa 200 m Höhe 18°C. Diese Temperaturumkehr ist ein typisches Merkmal der Inversionsschicht. Das zur Trockenheit neigende Klima der Kap- verden wird zusätzlich durch den sogenann- ten „Harmattan“ bzw. die „Bruma seca“ ver- stärkt. Dieser Wind der mittleren Troposphäre entsteht über der Zentralsahara. Intensive Isolation führt dort zur Entwicklung starker Winde und Konvektionen in der trockenen oberflächennahen Luftschicht. Hierdurch wer- da er dann zusätzlich zwischen 17° und 21° Abb. 2: Schematische Dar- den Staubpartikel bis in Höhen von mehr als Nord auf den African Easterly Jet trifft (vgl. stellung der tropischen Zir- 6km angehoben und bilden die sogenannte Abb. 4). Der AEJ entsteht durch die Tempera- kulation (Quelle: www.klett. „African Dust Plume“, eine Staubglocke, die tur- und Luftdruckunterschiede zwischen der de/sixcms/media.php/76/ sich oberhalb einer starken Inversionszone Sahara und dem kühlen Golf von Guinea. Er passatzirkulation.jpg) der Passatwinde in einer Höhe von ca. 1,5km ist am stärksten ausgeprägt in einer Höhe von über dem Meeresspiegel westwärts bewegt 4-6 km (vgl. FRANKENBERG 1995, 94). (vgl. RATMEYER 1998, 1291f). Der westwärts wandernde Harmattan, der in Höhen von Dennoch gibt es auf den Kapverden auch 1-5km weht, erreicht seine maximale Stärke Niederschlagsphasen, weshalb man das und Sandfracht während der Sommermonate, Jahr auch in die „Tempo das Brisas“ (Zeit der Winde) und die „Tempo das Chuvas“ (Regenzeit) unterteilt. In der „Tempo das Brisas“ do- miniert die trockenwarme Luft, die durch Passatwinde auf die Inseln transportiert wird. Nie- derschläge bleiben aus. Die „Tempo das Chuvas“ ist bedingt durch südwestliche monsunale Luftströmungen während des Spätsommers und Frühherbst. Diese entstehen durch die Ver- lagerung der Inertropikfront (ITF) nach Norden. So gelangen feuchtwarme Luftmassen der äquatorialen Tiefdruckrinne auf den Inselarchipel und es kann zu Niederschlägen kommen. Die Niederschläge sind allerdings Abb. 3: Einfluss unregelmäßig in Häufigkeit und verschiedener Menge, was auf den Kapverden Windsysteme auf den Kap- häufiger zu Dürreperioden und verden (Eigener Entwurf, Hungersnöten führte. Satellitenbild: NASA) 30 KLIMA

Zu unseren klimatischen Untersuchungen auf den Kapverden gehörte auch die Beob- achtung der Wolkenformen und des Bewöl- kungsgrades. Hierzu sollen zunächst einige grundlegende Informationen gegeben wer- den. Wolken werden nach Höhe und Form klassifiziert. Im Hinblick auf die Form werden zwei Wol- kenklassen unterschieden: Stratus- bzw. Schichtwolken und Cumulus- bzw. Haufen- wolken. Charakteristisch für Stratuswolken ist eine dichte Decke, die in der Regel über Abb. 4, oben: Wolkenfamilien und große Gebiete reicht. Sie entstehen beim -stockwerke (www.luftrettung-ham- Aufstieg von Luftschichten über stabile unter- burg.de/assets/images/Wolken- Abb. 5, unten: Bezeichnung und lagernde Luftschichten großer Dichte. Cumu- einteilung_nach_WMO.jpg). Symbole verschiedener luswolken hingegen bilden runde Formen. Es Bewölkungsgrade (http://nettebal- sind blasenförmige Körper warmer Luft, die lon.de/bilder/bewoelkung.gif). aufgrund ihrer geringeren Dichte in Bezug auf die Umgebungsluft spontan aufsteigen. Im Hinblick auf die Höhe der Wolken werden vier wesentliche Gruppen unterschieden: hohe (Cirro-), mittlere (Alto-) und niedrige (Strato) Wolken, sowie vertikale Wolken (Nimbo-), die über mehrere Stockwerke hinweg reichen können (vgl. STRAHLER, A./STRAHLER, A. 2005). Insgesamt werden zehn Wolkengattungen unterschieden: Die Eiswolken des oberen Stockwerks Cirrus (Ci), Cirrocumulus (Cc) und Cirrostratus (Cs), die Wolken des mittle- ren Stockwerks Altocumulus (Ac) und Altostra- tus (As), die Wolken des unteren Stockwerks Stratus (St), Cumulus (Cu) und Stratocumu- lus (Sc) und schließlich die vertikalen Wolken Nimbostratus (Ns) und Cumulonimbus (Cb). Der Bewölkungsgrad kann mithilfe der in der Synoptik vorherrschenden Achtel-Untertei- lung erfasst werden, wobei ein auf 8/8 auf- gerundeter Wert als vollständig bedeckt gilt. Dabei wird das Ausmaß der Bedeckung des Himmels mit Wolken abgeschätzt oder mit Wetter-Kameras festgestellt. Regional unterscheidet sich das Klima der Kapverden zwischen den flachen östlichen (Maio, Sal, Boa Vista) und regenfangenden westlichen Inseln, deren Relief Höhen bis zu 3000m erreicht. Daher sollen im folgen- den Kapitel die regionalen Klimate der Inseln Santo Antão, Fogo, sowie Sal und Boa Vista mithilfe unserer klimatischen Messungen und Daten, die vor Ort aufgenommen und später bearbeitet wurden, näher erläutert werden (vgl. KLUG 1980, 54). Abb. 6: Verschiedene Klimamessgeräte, von links oben: Höhenmesser „Thommen“, KLIMA GPS-Gerät Garmin extrex, Drei-Schaufel- 31 Handwindmessgerät, Qtemp 200 Ein- stichthermomether, Hygrometerhzur Bestimmung der Luftfeuchte.

Klimamessgeräte, Methoden

Im Folgenden werden die Klimamessungen erläutert, die während der Exkursion vorge- nommen wurden, und dargestellt, wie sie sich in einen theoretisch-klimatologischen Kontext einbetten lassen, ohne die spezi- fische Charakterisierung von Kleinklimaten der einzelnen Inseln zu vernachlässigen. Zu dem vorhandenen GPS stand ein mecha- Für die Datenerhebung standen folgende nischer, batterieunabhängiger Höhenmesser Messinstrumente zur Verfügung, deren Da- zur Verfügung, der Standorte bis 6000 Me- ten in eigens angefertigten Klimatabellen ter Höhe bestimmen kann. Die gemessenen festgehalten wurden. Für die Messung der Werte haben eine Genauigkeit von ± 10 m. Luftfeuchte und der Temperatur wurde ein Die durch das GPS angegebene Höhe un- digitales Hygrometer mit einem zusätzlichen terschied sich zu der mit dem mechanischen Pt-100-Temperaturmesser verwendet. Ein hy- Höhenmesser gemessenen Höhe zumeist groskopischer Polymerkunststoff verändert je um 0-5 m. Bei der Auswertung der Klimada- nach Luftfeuchtigkeit seine dielektrischen Ei- ten haben wir uns ausschließlich auf die vom genschaften. Diese werden elektronisch ge- GPS angegebenen Höhen beschränkt, da messen, vearbeitet und als relative Luftfeuch- diese Messungenauigkeit für unsere Zwecke te in Prozent angezeigt. vernachlässigbar erschien. Bei elektronischen Geräten können sich Feh- Die Windstärke wurde mit einem mechani- ler in der Elektronik hinzu addieren, sodass schen Handwindmessgerät mit Zeigerarre- in der Praxis durchaus Messfehler von 5-7 tierung bestimmt, das mit seinem Dreischa- % vorkommen können. Bei der Auswertung lenrotor eine messbare Windstärke aus allen unserer gemessenen Daten haben wir diese Richtungen bis 30 m/s bestimmen kann. Die Messfehler berücksichtigt und gegebenenfalls Windstärke kann wahlweise in km/h, m/s oder ausgeglichen. Die Messungen wurden immer Meilen/h bzw. Meilen/s abgelesen werden. unter Vermeidung direkter Sonneneinstrah- Wir erfassten die Winddaten durchgängig in lung und im Windschatten durchgeführt, um m/s. möglichst genaue Messwerte zu erhalten. Eine weitere Messung der Temperatur erfolg- te mit einem digitalen Qtemp 200 Einsticht- hermometer (vgl. Abb. 8) mit einem ca. 10 cm langen Fühler. Das Gerät eignete sich für Bodentemperaturmessungen, die wir bis zu einer Tiefen von 30 cm durchführten. Außer- dem sollte es Vergleichsdaten für die mit dem digitalen Hygrometer gemessene Temperatur liefern. Die mit dem jeweiligen Thermometer gemessene Temperatur unterschied sich re- lativ konstant um ca. 0,7-1,5 °C. Die Tem- peraturdaten die mit Hilfe des Einstichthermo- meters erfasst wurden, lagen stets über den mit dem Psychrometer gemessenen Daten. Diese Differenz wurde bei der Verwendung der Klimadaten durch Mittelung heraus ge- rechnet. Koordinaten und Höhe der einzelnen Mess- stationen lieferte ein GPS-Gerät. Alle Mess- stationen wurden erfasst und gespeichert. Hier wurde versucht Messungen mit einer Genauigkeit von ± 5 m durchzuführen, was durch den relativ guten Satellitenempfang in fast allen Fällen gelang. 32 KLIMA

Abb. 7, oben: Das 4. Santo Antão – die Bergige Südwesten zumeist trocken bleibt. Höchste malerisch gelegene Erhebung ist der (1979 m) im Dorf Fontainhas wüstenartigen Westen. an der von tiefen Santo Antão – Insel der Berge, der Winde, Der Süden und Westen erscheinen trostlos Ribeiras zertalten des Wassers – man könnte der zweitgrößten und karg, im Norden und Osten dagegen Steilküste im Norden Insel der Kapverden viele Namen geben. Mit wird man in subtropischem Klima von einer Santo Antãos ihrer sehr gegensätzlichen Landschafts- und Bodenstruktur begrenzt sie mit 779 km2 Grö- reichen Vegetation überrascht, Fichten- und ße die Inselgruppe im Nordwesten. Die fast Kiefernwälder begrünen die Ribeiras ebenso 50.000 Einwohner der Insel leben vorwiegend wie Dattel- und Kokospalmen, Mango- und Af- in den Städten Porto Novo, Ponta do Sol, Paúl fenbrotbäume, Zitrus-, Mandel-, Papaya- und und Ribeira Grande. Dennoch sind die Men- Orangenbäume. Im Gebirge wird auf Terras- schen von Santo Antão ein Bergvölkchen, die senfeldern, die teils aus schwarzer Lavaerde, Insel ist noch sehr ursprünglich, und bislang teils aus weißem Pozolana bestehen, Mais, wenig vom Tourismus gekennzeichnet. Sie ist Ananas, Kaffeeh und Maniok angebaut. Es bekannt für Gebirgslandschaften mit tief ein- duftet nach Eukalyptus, Lavendel und sogar geschnittenen Erosionstälern im Norden und nach Süden etwas flacher auslaufenden Vulkanhängen. Auf den Höhen der östlichen Hochebene ste- hen die größ- ten Misch- und Nadelwälder Abb. 8: Tempe- der Kapverden. ratur- (rot) und Der Nordosten Feuchtigkeitsprofil der Insel ist re- (blau) entlang der lativ regenreich, Wanderroute am während der ersten Wandertag auf Santo Antão (Cova do Paul nach Eito) KLIMA 33

Lotusblüten, Akazien, wilde Feigen und Dra- chenbäume säumen vielerorts die Wege. Anhand der Klimamessungen und Aufarbei- tung in Diagrammen, sollen diese kleinklima- tischen Begebenheiten wiedergespiegelt wer- den. Für Santo Antão waren insgesamt vier Wandertage geplant. Beispielhaft wird hier aber nur auf den ersten Tag, den 13.03.09 eingegangen: niedrigere Kuppe in der Mitte zwischen den Abb. 9: Wolkenschicht Gipfeln hindurch. Es bildet sich ein Luftstrom aufgrund einer Nach Ankunft morgens in Porto Novo wurde aus, der nicht gleichmäßig über alle Gipfel Stauung der die Exkursionsgruppe nach Cova do Paul strömt. Daher zieht der Nebel nur über diese heranströmenden gefahren. Von dort aus ging die Wanderung Kuppe hinweg auf die andere Seite des Ber- Luft am Gebirge bis nach Vila das Pombas im Nordosten der ges (vgl. Abb. 14 und 15). Insel. Je höher die Luftfeuchte, desto größer ist die Streuung der Sonnenstrahlen und desto wei- 4.1 Klimagradienten im Nordostteil ßer erscheint der Himmel. An diesem Tag war der Himmel dunkelblau, d.h. die Luftfeuchte ist gering und die Wetterlage stabil. Die Wol- Bis zum Aufstieg auf der Südseite war der kenbedeckung war relativ untypisch für den Himmel wolkenfrei und klar. Sobald der Gip- Standort, da sie größer sein müsste. Auf der fel erreicht wurde, begann dichter Nebel. Die Südseite von Santo Antão, war hingegen un- Obergrenze der Inversionsschicht auf der gewöhnlich viel Bewölkung. Der Grund dafür Nordseite des Berges war erreicht und der war der niedrige Luftdruck, d.h. die Luftdruck- Abstieg erfolgte durch die Inversionsschicht. unterschiede sind geringer, woraus schwä- Anhand der Diagramme ist zu erkennen, dass chere Passatwinde resultieren. Die Wolken die Luftfeuchtigkeit mit Erreichen der Inversi- ziehen über die Insel hinweg, es kommt zu onsschicht bis auf fast 100% steigt, die kar- einer fast vollständigen Wolkenbedeckung. Abb. 10: Inversionswetter- ge Vegetation weicht üppigen Pflanzungen lage auf der Nordseite der von Kaffee, Bananen und Zuckerrohr, und Insel (eigener Entwurf) die Temperatur fällt mit Beginn der Inversi- onsschicht plötzlich ab (siehe Standort 4 im Diagramm). Die Inversionsschicht beginnt bei Standort 4 und reicht bis Standort 8, d.h. laut Diagramm 1 ist sie ca. 260 m mächtig. Die Luftfeuchtigkeit bleibt unterhalb der Inversi- onsschicht hoch bei ca. 80 % und die Tempe- ratur pendelt sich wieder auf knapp über 20 °C ein.

4.2 Inversionswetterlage auf Santo Antão

Der Nebel bzw. die Wolken stauen sich an der Nordseite. Nur über die Kuppe zieht Ne- bel über die die Berge hinweg. Hier stellte sich die Frage, warum die Wolken sich an der Bergwand stauen und nicht aufsteigen und über die Gipfel ziehen. Aufgrund der Inversi- onswetterlage - eine Umkehr des vertikalen Temperaturgradienten in der Atmosphäre – ist die Lufttemperatur über den von der Luft an den Berg geschobenen Wolken etwas höher, was die Wolken deckelt und einen Aufstieg verhindert. Allerdings strömt Luft über die 34 KLIMA

4.3 Einordnung in Kapverden-Kontext

Auf den Nord- und Ostsei- ten der Inseln sind durch- schnittlich 2-3°C weniger zu verzeichnen als auf den West- bzw. Südseiten in gleicher Höhenlage. Er- klären lassen sich diese Ungleichheiten mit dem höheren Bewölkungsgrad auf den Luvseiten infolge des Nordost-Passats. Der somit bedeckte Himmel führt zu einer geringeren Sonneneinstrahlung. Auf der Wind abgewandten Seite sind die höheren Temperaturen u. a. dem Windschatten und dem kaum vorhandenen Be- Tabellen: Wolkenbede- wölkungsgrad zuzuspre- Dementsprechend verhält sich auch die Nie- ckung auf Santo Antão chen. Darüber hinaus überquert der Passat, derschlagsverteilung auf der Insel. Die Luv- (oben) Vergleich der bevor er auf die gebirgigen Inseln der Kap- Seite Santo Antãos mit der Ortschaft Ponta Jahresniederschläge verden trifft, den relativ kühlen Kanarenstrom. do Sol im Norden hat einen höheren Jahres- ausgewählter Stationen in Deshalb erwärmt er sich erst bei der Abstiegs- niederschlag als die Ortschaft Tarrafal, im Luv- und Lee-Lage (unten, bewegung auf den südwestlichen Seiten der Südwesten der Insel. nach KLUG 1980: 64) Inseln.

Tag 2 Tag 3 Tag 4 Küstenwanderung Wanderung Vila das Wanderung nach Ponta do Sol nach Cruzinha Pombas zum Pico da Cruz Cha de Morte Cumulus 1/8 1/8 1/8 – 3/8 – 6/8 < 2 km mehr Streuung, keine Zirren Altocumulus 2/8 1/8 - 2/8 am Horizont 2-5 km über dem Meer Cirrus > 5 km 2/8 – 6/8

ND-Differenz Insel Luv-Station [mm] Lee-Station [mm] Luv > Lee [mm]

Santo Antão Ponta do Sol (16 m) 226 Tarrafal (10 m) 82 144

Santiago S. Jorge Orgãos (319 m) 739 S. Domingos (315 m) 444 295

Fogo Atalaia (470 m) 915 Cova Figuera (459 m) 440 475 Abb. 11: Inversionsschicht im KLIMA Norden von Santo Antão, beim 35 Abstieg vom Gipfelgrat des Cha de Morte nach Alto Mira III

5. Fogo – die Vulkanische Hier kommt es zu sogenannten Reliefwolken. Diese entstehen im tageszeitlichen Rhyth- mus. Erklären lässt sich dieses Phänomen Fogo gehört zu den im Sotavento gelegenen, folgendermaßen: wenn durch den Nordost- gebirgigen Westinseln und bildet mit einer passat transportierte Luftmassen auf die nord- Höhe von 2829 m die höchste Erhebung des Archipels. Fogo heißt übersetzt Feuer und der noch heute aktive Vulkanberg Pico de Fogo bestimmt das Landschaftsbild der Insel. Nur Nordosthänge des Vulkankegels sind ganz- jährig grün, sonst überwiegen wüsten- und steppenhafte Trockenregionen. Als südlichste und gebirgigste Insel erhält Fogo den meisten Niederschlag auf den kapverdischen Inseln, was unregelmäßigen Trockenfeldbau ermög- licht. Dennoch gibt es keine ganzjährig Was- ser führenden Flüsse. Die Berghänge werden zum Kaffeeanbau genutzt. Die Lava dient den Einheimischen als Baustoff. Am Tag nach unserer Landung in São Fili- pe im Südwesten der Insel (19. März) war Bangaeira das Tagesziel, ein Ort im Kessel Cha das Caldeiras – mit einem Zwischen- Abb. 11: Blick von Acha- stopp und einer Messstation in Achada Fur- östliche Luvseite der Insel auftreffen, werden sie gegen die Inselgebirge gedrängt, können da Furna auf die Süd- na. Bei der Besteigung des Pico de Fogo am westseite von Fogo nächsten Morgen nahmen wir an insgesamt aber wegen der Passatinversion nicht aufstei- 13 Haltepunkten in vertikaler Reihung Klima- gen und es kommt infolge adiabatischer Ab- messungen vor. Für Tag drei war der Abstieg kühlung zu direkter Kondensation und somit zu Fuß von Bangaeira über den Nordosthang zu Wolkenbildung. Kommt es nun zu einer nach Mosteiros geplant, um von dort mit dem Erhöhung der Sonneneinstrahlung, so geht Auto wieder zum Ausgangspunkt nach São die Wolkenbildung unverzüglich zurück. Die- Filipe zu fahren. Auch hier wurden eine ganze se Schicht befindet sich auf einer Höhe zwi- Reihe von Messungen durchgeführt, deren schen ca. 500 m und 900 m. Von uns durch- Ergebnisse im Folgenden beschrieben und geführte Messreihen haben ergeben, dass in den regionalen wie überregionalen klima- tischen Kontext der Insel Fogo und der Kap- verden eingebettet werden sollen. Die regionalklimatische Charakterisierung der Insel Fogo ergibt sich aufgrund ihrer süd- westlichen Lage innerhalb der kapverdischen Inseln, ihres idealtypischen Grundrisses und ihres Reliefs, welches Luv-Lee-Effekte auf- grund des Passatstaus mit sich bringt.

5.1 Thermische Höhenzonierung

Die Lage von Fogo im Nordostpassat führt zur Ausbildung einer trocken-heißen Küstenstufe im Südwesten und einem arid-semiariden Kli- Abb. 12: Temperaturjahresgang ma im Nordosten bis zu einer Höhe von ca. ausgewähler Stationen ver- 300 m. In den mittleren Höhenlagen der Insel schiedener Inseln (KLUG 1980: tritt über die Küstenstufe an der nordöstlichen 53 – Tarrafal/Ponta do Sol, Luvseite eine nebelreiche und durch Verduns- Santo Antão, 10/16 m ü. M.; Sal tung abgekühlte Region. Man spricht hier an Rei, Boa Vista, 10 m ü.M.; Mon- den luvseitigen Nordosthängen von einem te Velha, Fogo, 1299 m ü. M.)h semihumiden Klima. 36 KLIMA

Tabelle: Klimapara- Höhe 1600 m 1400 m 1200 m 1100 m 1000 m 800 m meter am Nordost- hang von Fogo, beim rel. Luftfeuchte 17 % 36 % 79 % 94 % 90 % 78 % Abstieg von Banga- Temperatur eira nach Mosteiros 20 °C 19,5 °C 18,5 °C 16 °C 17 °C 19 °C am 22. März 2009 Zeit 09:00 10:00 11:00 11:15 12:00 13:00

sich eine Wolkenbedeckung von zunächst felregion an, die der trockenkalten Hochge- 6/8 Cumulus um die Mittagszeit innerhalb ei- birgszone angehört. In dieser Region schwin- ner Stunde auf eine Wolkenbedeckung von det die relative Luftfeuchte auf bis zu 12 % nur noch 1/8 verringern kann. In diesem Zeit- und es herrschen Temperaturen von 13 °C raum ist die Temperatur von ca. 19 °C auf 23 und 15 °C. °C angestiegen, was auf eine thermisch be- dingte Wolkenauflösung schließen lässt. Auf diese Schicht folgt eine mehr oder weniger 5.2 Luv-Lee-Effekte geschlossene Wolkendecke von Strato- und Cumuluswolken. Thermische Unterschiede konnten wir auf Die Untergrenze der Inversionsschicht konn- Fogo nicht nur in den unterschiedlichen Hö- ten wir auf einer Höhe von ca. 900 m festle- henstufen feststellen, sondern es gab auch gen und die Obergrenze bei ca. 1200 m. Die- signifikante Unterschiede zwischen der Luv- se Messwerte ergeben eine 300 m mächtige und Leeseite der Insel. Durch Messungen Inversionsschicht. Die relative Luftfeuchtigkeit wurde deutlich, dass sich in gleicher Höhe und erreichte einen Maximalwert auf einer Höhe unter sehr ähnlichen Bedingungen gemesse- von ca. 1100 m mit 94 %. Unterhalb der Inver- ne Werte im Luv und Lee der Insel um einige sionsschicht im Nordosten sank der Wert der Grad unterscheiden. So ergaben Messungen relativen Luftfeuchtigkeit nicht unter 60 %. Die an der Station Achada Furna auf einer Höhe Höhe der Inversionsschicht variiert allerdings von 915 m um 12.00 Uhr eine Temperatur von je nach Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit 23 °C und eine relative Luftfeuchte von 64 % (vgl. Tabelle). bei einer Wolkenbedeckung von 2/8 Cumu- Oberhalb dieser feuchten Schicht folgt eine lus. Im Gegensatz dazu konnte auf gleicher trockenere und wärmere Schicht, die nach Höhe am Nordosthang bei dem Abstieg nach MATZNETTER (1968, 102) in Höhenlagen zwi- Mosteiros um 12.15 Uhr eine Temperatur von schen 1500 m und 2000 m zu finden ist. An 19 °C und eine relative Luftfeuchte von 82 % diese schließt sich als höchste Stufe die Gip- gemessen werden. Grund dafür wird in dem

Abb. 13: Blick auf die Oberseite der geschlossenen Passatbewölkung im Nordosten von Fogo KLIMA 37

dichteren Bewölkungsgrad im Passatluv und der abgeschwächten Sonneneinstrahlung, im Gegensatz zum Windschatten im Passat- lee der Insel gesehen. Hinzu kommt, dass der Passat über den verhältnismäßig kühlen Kanarenstrom weht und sich nach teilweiser Feuchtigkeitsabgabe auf der Nordseite auf den Südwestseiten bei absteigender Luftbe- wegung stärker erwärmt.

5.3 Niederschläge auf Fogo

Niederschläge konnten während unseres Kapverden-Aufenthaltes nicht gemessen wer- den. Anhand der Vegetation kann allerdings Passatwind feuchteren Nordosten der Insel Abb. 12: Anzahl humider davon ausgegangen werden, dass an den eine Vegetation mit Papaya- und Mangobäu- Monate auf Fogo Hängen der Insel, die dem Passat zugewandt men sowie Bananenstauden vorhanden war, (KLUG 1980). sind, erheblich mehr Niederschläge fallen, als die merklich abnahm, je weiter man sich in an den im Passatlee liegenden Hängen im Richtung Westen bewegte. Als Feuchtigkeits- Südwesten. anzeiger und Beleg dafür, dass es im Westen der Insel nicht vollkommen trocken ist, konn- Hier kann man fast nur Akazien als natürliche ten wir Kühe und andere Viehhaltung vermer- Vegetation und keine landwirtschaftliche Nut- ken. Der Bewölkungsgrad auf der Fahrt vom zung finden. Diese ist aufgrund äußerst un- Nordosten der Insel Richtung Westen nahm zuverlässiger Niederschläge und mindestens wie vermutet stark ab. Auf halber Strecke von zehn ariden Monaten im Jahr kaum möglich. Mosteiros nach Sao Filipe waren nur noch An den Nordwesthängen hingegen lässt sich wenige Cumuluswolken zu sehen. Diese wa- die maximale Feuchte der Insel vorfinden. In- ren Teil der Inversionsschicht und sind nach diz dafür ist der Anbau von Bananenstauden, Westen „geschwappt“. Man bezeichnet dies Papaya- und Mangobäumen, Kongobohnen, als „cut-off Effekt“. Als Anzeiger für die Wind- Kaffee und weiteren Nutzpflanzen. richtung diente die Wuchsform der Pflanzen, zum Beispiel der Akazienbäume, die vom Passat gepeitscht Richtung Süden wachsen. 5.4 Windverhältnisse auf Fogo

Windmessungen auf Fogo ergaben keine Werte über 3 m/s. Dieser Höchstwert wurde einmalig in einer Höhe von ca. 2700 m auf 6. Boa Vista – die Wüstenhafte dem Pico de Fogo gemessen. Zu jeder an- deren Messung war es nahezu windstill. Dies Die beiden Inseln Sal und Boa Vista sind die spricht dafür, dass für die Dauer unseres Auf- am weitesten östlich gelegenen Inseln der enthaltes ein sehr schwacher Nordostpassat Kapverden. Aufgrund ihrer Lage weisen sie auf Fogo vorherrschte. Einziger Windindika- eine große klimatische Ähnlichkeit auf. Ihre tor war die nach Süden wachsende Vegetati- Landschaft ist bestimmt von Trockenheit, on, was besonders an der Wuchsform vieler weißen Sandstränden, Dünen und Wüsten- Akazien deutlich wird. landschaften. Die durchschnittliche Jahres- temperatur Sals liegt bei 23,4 °C und mit nur 64 mm im Jahresdurchschnitt fällt weitaus 5.5 Differenzierter Passat-Einfluss weniger Niederschlag als auf den benach- zwischen Mosteiros und Sao Filipe barten westlichen Inseln. Die letzten Über- reste einer spärlichen Vegetation erscheinen vielerorts bereits ausgedorrt und leblos. Sal Auf der Fahrt von Mosteiros nach Sao Filipe ist mit seinen 216 Quadratkilometern Fläche am dritten Tag konnte erneut der Einfluss des eine der kleinsten der kapverdischen Inseln Nordostpassats beobachtet werden. Zum ei- und alten vulkanischen Ursprungs (ca. 50 nen ließ sich feststellen, dass im durch den Mio. Jahre). Die weitgehend flache Insel mit 38 KLIMA

Kalkplateaus und Dünenlandschaft wird von Inseln hat mehrere Ursachen. Zum einen einigen Zeugenbergen und abgewitterten Vul- verhindert das flache Relief der Inseln einen kanschloten überragt. Im Norden überwiegen Staueffekt der Passatwinde und die daraus Lava-Felsküsten und -strände, während der resultierende Wolkenbildung, wie es zum Süden durch kilometerweite feinsandige helle Beispiel auf der Luvseite Santo Antãos der Strände, flache Dünen und aufgelassene Sa- Fall ist, da die Winde ungehindert über das linen gekennzeichnet ist. Einzelne Oasen mit Relief hinwegziehen können. Die leicht ver- windzerzausten Dattelpalmen wie zum Bei- wehbaren Cumuluswolken, die es auf den spiel Fontona dienten in der Vergangenheit Inseln gibt, reflektieren weniger Strahlung, dem Gartenbau und der Viehzucht. was zu erhöhter Sonneneinstrahlung auf den östlichen Inseln führt. Außerdem setzt die Im Inselinneren von Boa Vista überragen ei- Nähe zum afrikanischen Kontinent die Inseln nige verwitterte Vulkanschlote den Kalksaum, stärker dem Einfluss der Saharawinde aus, der die Insel umgibt. Das Innere der mit 620 welche die meisten Wolken rasch verwehen. km² recht großen Insel ist wüstenhaft. Ausge- Dennoch ist die durchschnittliche Jahrestem- dehnte Dattelhaine wechseln sich ab mit Dü- peratur von Sal und Boa Vista nicht ganz so nenfeldern, gebirgiger Steinwüste und weiten hoch wie jene der Leeseiten der westlichen Kiesfeldern in den zumeist flach auslaufen- Inseln. Das liegt wiederum am flachen Reli- ef der Inseln. Da es keine Gebirge gibt, kann auch kein Windschatten entstehen, der die Inseln vor den stark wehenden Passatwinden schützt und durch das Absinken der trocke- nen Luft hinter dem Kamm zu einer erhöhten Temperatur führt. Die durchschnittliche Jah- restemperatur der östlichen Inseln liegt folg- lich zwischen den durchschnittlichen Tempe- raturen der Luv- und Leeseiten der westlichen Inseln (vgl. KLUG 1980, 53). Der Einfluss der Winde, die semiariden bis ariden klimatischen Verhältnisse, die spärlich vorhandene Vegetation und die Verfügbarkeit von Lockermaterial auf Sal und Boa Vista begünstigen äolische Prozesse. Dünenfel- der sind weit verbreitet und bieten eine gute Gelegenheit zu mikroklimatischen Untersu- Abb. 15 & 16: Profilansicht den Trockentälern. Umgeben wird die Insel chungen, wie wir sie am 24. März an einem (oben) und Vogelpers- von einer Kette weiter heller Sandstrände, Barchan im Deserto da Viana in Boa Vista pektive (unten) auf die teilweise gesäumt von riesigen Hotelanlagen. durchführten, indem wir an verschiedenen Messstandorte an einem Das Klima kennt nur geringe jahreszeitliche Stellen der Düne Luft- und Bodentempera- Barchan im Deserto Viana Schwankungen mit Temperaturen zwischen tur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit auf Boa Vista. Mikrokli- 20 und 32°C, extrem seltenen Niederschlä- maßen (vgl. Abb. links). matologische Messungen gen und zumeist einer kräftigen Brise aus spiegeln die Luv-Lee-Effek- Bei Standpunkt E ist die Temperatur mit Nord-Ost. te größerer Reliefformen 25,8°C am höchsten, weil er im Vergleich mit Das aride bis semi-aride Klima der östlichen den anderen Punkten stärker vom Wind ge- schützt ist. Die niedrigsten Temperaturen hingegen wurden an den Standorten A und B gemessen. Die Lufttemperatur lag hier um ca. 1 °C niedriger, da die Standpunkt stärker wind- exponiert sind und nicht im Lee der Düne liegen. Standpunkt F weist die höchste Bodentemperatur auf. Hier herrscht ein reger Einfluss des Windes. Im- KLIMA 39

Standort AB C D E F Lufttemperatur 23,2 °C 23,4 °C 23,7 °C 24,4 °C 25,8 °C 24,5 °C Bodentempera- 21,8 °C 21,8 °C 21,7 °C 21,5 °C 22,1 °C 23,1 °C tur (1cm Tiefe) Luftfeuchte 69,3 % 69,3 % 68,5 % 67,8 % 59,3 % 67,5 % Windgeschwin- digkeit - bodennah 8-10 m/s 8-10 m/s 8-9 m/s 8-9 m/s 1-2 m/s 4 m/s

- in 2 m Höhe 9-10 m/s 9-10 m/s 3-4 m/s 9 m/s

- Böen 14 m/s 12 m/s

mer wieder von neuem treibt er die obersten, 7. Fazit Tabelle: Klima- kälteren Sandschichten auf den Kamm der messwerte an Düne hinauf. Möglicherweise treten hier tiefer unterschiedli- liegende Bodenschichten, die noch Wärme Für die bergige Insel Santo Antão ist abschlie- chen Standorten gespeichert haben, an die Oberfläche, was ßend festzuhalten, dass das Klima auf der entlang des eine höhere Bodentemperatur als an anderen Nord- und auf der Südseite sehr unterschied- Barchans im Stellen bedingt. Offensichtlich herrscht am lich ist. Kleinklimatisch betrachtet ist der Nor- Deserto de Viana Kamm der Düne (Standpunkt D) die gerings- den aufgrund des Nordostpassates, der die te Bodentemperatur, da hier das Sandmateri- feuchte Luft bis an die Gebirge schiebt und al ständig in Bewegung ist und sich nicht über dort für ein sehr feucht-warmes Klima sorgt, längere Zeit hinweg erwärmen kann. geeignet für vielfältigen Anbau. Der Süden bzw. Südwesten ist aufgrund des trockene- Die höchste Luftfeuchte wurde an den Stand- ren Klimas karg und wird landwirtschaftlich orten A und B gemessen. Sie lag bei 69,3 %. Eigentlich wäre die höchste Luftfeuchte am wärmsten Standort, in diesem Falle Standort E, zu erwarten. Hier ist die Luftfeuchte jedoch am geringsten. Wahrscheinlich liegt das mit- unter daran, dass Standort E völlig vom Wind geschützt ist. Die Standorte A und B hingegen liegen nicht im Windschatten, wodurch sie stärker mit Feuchtigkeit aus der Luft angerei- chert werden können. Demzufolge ist die Windstärke erwartungs- gemäß in Standort E am geringsten, wo sie lediglich bei 3-4 m/s liegt. Am höchsten ist sie auf dem Rücken der Düne und auf deren Kamm (Standorte C und D), wobei Standort C, der höchste Punkt der Düne, zeitweise Böen mit einer noch höheren Geschwindigkeit von bis zu 14 m/s aufweist. Dies liegt am Zusam- menrücken der Stromlinie mit zunehmender Höhe der Düne, wodurch die Strömungsge- schwindigkeit des Windes an diesem Punkt Abb. 18: Cumuluswolken steigt (vgl. PRESS/SIEVER 1995, 313) über Boa Vista über dem Brennofen einer alten Ziegelei 40 KLIMA

seinen konischen Grundriss besitzt Fogo, das Klima betreffend, eine Sonderstellung und es lassen sich die mit dem Passatstau verbun- Abb. 17: denen Luv- und Leeeffekte, sowie eine kli- Klimadia- matische Höhenstufung herausarbeiten und gramm von durch verschiedene Messungen belegen. Sal (www.klima- Sal und Boa Vista grenzen sich klimatisch, diagramme. bedingt durch ihre Ostlage, deutlich von den de/Afrika/ westlichen Nachbarinseln ab. Das Klima ist sal.html) hier weitaus trockener, da das flache Reli- ef und der starke Einfluss des Nordostpas- sats Wolkenbildung verhindern und es somit kaum zu Niederschlagsereignissen kommt. Die Landschaft ist daher geprägt von Wüs- te, Sandstränden, Dünen und einer äußerst lückenhaften Vegetation. Das Mikroklima ei- nes Barchans aus dem Deserto de Viana in Boa Vista unterstreicht den starken Einfluss des Nordostpassates auf die Landschaft der nicht genutzt. Deshalb ist nur im Nordteil beiden Inseln. der Insel Santo Antão das wechselhumide Luvhang- und Höhenklima ausgebildet. Der Jahresniederschlag liegt dort bei 1500-4000 mm, zwischen sieben und zehn Monate sind humid, was für das Klima diese Inselgruppe 8. Literatur eine Ausnahmeerscheinung darstellt. Abb. 19: Einfahrt Fogo repräsenteirt aufgrund seiner südwest- FRANKENBERG, P. (1995) in das Dünenfeld lichen Lage einen gemäßigt feuchten Typ in- : Moderne Klimakunde. Deserto de Viana nerhalb des Archipels. Durch die Höhe und Grundwissen von Advektion bis Treibhauskli- ma. Braunschweig.

GEBHARDT, H./GLASER, R./RADTKE, U./REUBER, P. (2007): Geographie: Physische Geographie und Humangeographie. München: Elsevier Spektrum Akadmeischer Verlag.

KLUG, H. (1980): Zur Klimageographie der Kapverdischen Inseln. In: Barth, H. K., Wilhel- my, H. (Hrsg. 1980): Trockengebiete – Natur und Mensch im ariden Lebensraum. Tübinger Geographische Studien. Heft 80. Tübingen, S. 51-72.

PRESS, F./SIEVER, R. (1995): Allgemeine Geo- logie. Heidelberg: Spektrum.

RATMEYER, V. ET AL. (1998): Lithogenic particle fluxes and grain size distributions in the deep ocean off northwest Africa: Implications for seasonal changes of aeolian dust input and downward transport. In: Deep Sea Research Part 1. Bremen: Pergamon. KLIMA 41 Meeresströme Die Ozeanische Zirkulation vor der Westküste Afrikas

I. Thermohaline Zirkulation Drei Einflussgrößen bestimmen die ozeanische Zirkula- tion vor der Westküste Afrikas maßgeblich: Mit Hilfe der thermohalinen Zirkulation, die einen Teil der ozeanischen Zirkulation beschreibt, lässt sich die Entstehung des kalten Kanarenstroms vor der Westküste Afrikas erklären. Durch die globalen Windsysteme fließt warmes Oberflä- chenwasser im Atlantik nordwärts und wird im Nordatlantik stark abgekühlt. Sowohl Abkühlung als auch die aufgrund der Verdunstung gesteigerte Salinität bewirken eine Erhö- hung der Dichte und damit des spezifischen Gewichtes des Wassers, was zum Absinken führt. Das kalte Tiefen- wasser strömt nun als Nordatlantisches Tiefenwasser zu- rück in Richtung Süden und in den Indischen- und Pazifi- schen Ozean. Unterwegs vermischt es sich mit anderen Wassermassen und wird langsam wieder an die Oberflä- che transportiert. Absinken der Luft,v was Konvektion und Niederschlags- II. Oberflächenströmungen bildung verhindert. Das nordatlantische und südatlantische Strömungssystem Generell sind Regionen mit Auftriebsgebieten durch Nie- werden maßgeblich durch Windeinwirkung und Erdrotation derschlagsarmut und wüstenhafte Verhältnisse gekenn- beeinflusst, wodurch es zu den charakteristischen Oberflä- zeichnet. chenströmungen kommt. Der Kanaren- und der Golfstrom fließen überwiegend im Uhrzeigersinn, der Benguelastrom Das kalte aufsteigende Wasser ist sehr nährstoffreich und meist entgegen dem Uhrzeigersinn. führt zu einem großen Reichtum an Phytoplankton und Fischen in diesen Gebieten.

SARAH KNOLL

Literatur

CAMP, L. et al (1991): Upwelling and boundary circulation off Northwest Africa as depicted by infrared and visible sa- tellite observations. In: Prog. Oceanog. Vol. 26, 357-402.

DIETRICH, G. (1978): Ozeanographie. Westermann-Verlag.

MARCINEK, J. et al (1996): Das Wasser der Erde. Eine geo- graphische Meeres- und Gewässerkunde. Justus Perthes

RAHMSTORF, S. (2006): Thermohaline Ocean Circulation. In: III. Upwelling Encyclopedia of Quaternary Sciences, Elsevier.

Vor der Westküste Afrikas befindet sich außerdem ein sog. RATMEYER, V. / FISCHER, G. / WEFER, G. (1998): Lithogenic Upwelling-Gebiet. Diese Auftriebsgebiete sind Regionen particle fluxes and grain size distributions in the deep oce- in den Ozeanen, in denen kaltes Tiefenwasser aus ca. an off northwest Afrika: Implications for seasonal changes 100-300 m Tiefe das von Winden horizontal verfrachtete of aeolian dust input and downward transport. In: Deep- warme Oberflächenwässer ersetzen. Das aus Gründen Sea Research I 46, 1289-1337. der Massenerhaltung aufsteigende Wasser ist bis zu 8 °C kälter als das umgebende Ozeanwasser. STRAMMA, L. / SCHOTT, F. (1998): The mean flow field of the Diese Gebiete befinden sich vor allem an den Westsei- tropical Atlantic Ocean. In: Deep-Sea Research II, 279- ten der Kontinente (Kalifornien/Oregon, Peru/Nordchile, 303. NW- und SW-Afrika). Dort sind die Lufttemperaturen meist höher als die Wassertemperaturen, wodurch Küstennebel entsteht. Die trockenen Land-Passatwinde bewirken ein

Abb. links: Thermohaline Zirkulation (www.enso.info/images/thc.jpg); rechts: Upwellling (www.dorcom.com/Dorcom%20english-Dateien/Upwelling.jpg) BODEN

Markus Engler, Steffen Füssel, Helena Lohneis & Boris Schmitt

ie Böden der Kapverden sind geprägt von den vulkanischen Ausgangsgesteinen. DAufgrund der vielerorts geringen Niederschläge und der hohen Erosionsanfälligkeit steiler Hänge bilden sich häufig nur geringmächtige Rohböden aus. Allerdings finden sich auch mächtige fossile Böden – Zeugen früherer Klimaveränderungen, denn sie kön- nen nur unter feuchteren Bedingungen entstanden sein. Das folgende Kapitel fasst die Ergebnisse unser bodenphysikalischen Untersuchungen im Gelände zusammen und ergänzt sie um einige Erkenntnisse, die erst nach der Exkursion im Labor gewonnen werden konnten.

1. Bodenphysikalische Messungen

Die rezenten Böden der Kap Verden sind im Schluff, Ton) an den mineralischen Bestand- Allgemeinen wenig entwickelt. In der Regel teilen des Bodens. Die Körnung ist abhängig handelt es sich um Rohböden. Bei den im vom Ausgangsmaterial und von der Intensität Verlauf der Exkursion durchgeführten Boden- und Form der physikalischen Verwitterung. untersuchungen wurde eine große Bandbrei- Die Körnung ist relativ leicht zu bestimmen, te von Bodenparametern erhoben. Es handelt zudem korrelieren viele Eigenschaften des sich bei den Untersuchungen ausschließlich Bodens mit ihr. um Feldmessungen, bei denen die folgenden Bodeneigenschaften bestimmt wurden: Die ungefähre Bestimmung der Wasserleitfä- higkeit und der Wasserspeicherfähigkeit des 1. Bestimmung der Infiltrationsrate Bodens, die man durch die Korrelation mit mit einem Doppelringinfiltrometer der Körnung abschätzen kann, ist eine der wichtigsten Informationen, die man aus der 2. Bestimmung des Porenvolumens Untersuchung der Körnung gewinnen kann mit einem Luftpyknometer (HARTGE/ HORN 1999, S. 8 ff.). 3. Bestimmung der Körnung anhand Auf den Kap Verden variiert die Korngrößen- der Fingerprobe und anhand einer verteilung von Insel zu Insel bisweilen sehr Beobachtung des Sedimentations- stark, teilweise sogar auf der gleichen Insel. verhaltens einer Suspension in ei- Zu den Gründen hierfür zählen das unter- nem Becherglas schiedliche Alter der Inseln sowie die teilwei- 4. Messung des pH–Wertes mit pH– se extremen Klimaunterschiede. Allerdings Indikatorstreifen in KCl-Lösung dominieren generell eher sandige Böden auf den Inseln (KARTHE/SIEGMUND 2004, S. 63 ff.) 5. Bestimmung des Karbonatgehalts mit Salzsäure 6. Bestimmung des Anteils der orga- 1. 2. Porung nischen Substanz Diese Parameter wurden insgesamt an fünf Ein Faktor, der eng mit der Körnung verbun- Standorten bestimmt – einem auf Santo den ist, ist die Porung des Bodenmaterials, Antão, drei auf Fogo und einem weiteren auf welche maßgeblich die Wasseraufnahme- Boa Vista. Im Folgenden soll kurz auf die Be- fähigkeit sowie die Wasserspeicherfähigkeit deutung der wichtigsten Parameter, die Me- des Bodens bestimmt. Als Poren bezeichnet thodik und die vorherrschenden Bodentypen man die verbundenen Hohlräume zwischen auf den Kapverden eingegangen werden. den Bodenpartikeln. Das Porenvolumen wird hauptsächlich von der Körnung, dem Boden- gefüge und der Lagerung bestimmt. Auch die 1.1 Körnung Größen der Poren beeinflussen in erheblichem Maße die hydrologischen Eigenschaften des Bodens. In sandigen Böden ist der Anteil der Als Körnung, Korngrößenverteilung oder Grobporen (Poren > 10 μm) relativ hoch. In Bodenart bezeichnet man den prozentua- diesen Poren kann das Wasser nicht gehalten len Anteil verschiedener Korngrößen (Sand, werden und versickert. Es ist dadurch nicht BODEN 43

pflanzenverfügbar. Wenn die Poren allerdings Ring. Der Grund hierfür ist, dass das Wasser zu klein sind (Poren < 0,2 μm), wird das Was- im äußeren Ring nicht senkrecht versickert Abb. 1 & 2: ser so stark an die Bodenpartikel gebunden, – es dient lediglich dazu, das Wasser des Doppelringinfiltrometer: dass die Saugspannung der Pflanzen nicht inneren Rings zu kanalisieren (s. Abb.). Der Installation und Ablesen mehr ausreicht, um es verfügbar zu machen. Wasserstand des äußeren Rings wird durch der Messergebnisse Aus diesem Grund ist ein großer Anteil von Befüllen permanent an den Wasserstand des Poren, die kleiner als zehn Mikrometer und inneren Rings angepasst. größer als 0,2 Mikrometer sind, ideal für den Während der Messung wird nach bestimmten Wasserhaushalt der Pflanzen. Zeitintervallen mit einem Zollstock die bereits Bei den eher sandigen Böden auf den Kap- versickerte Wassermenge gemessen. verden kann man ungefähr von einem Poren- Nach der Messung der Infiltrationsrate, wird volumen von 40 bis 55 % ausgehen. Je älter das benetzte Bodenvolumen ausgegraben der Boden ist, desto kleiner wird in der Regel und vermessen. Je nachdem, wie das Was- der Grobporenanteil und entsprechend grö- ser versickert, können erste Rückschlüsse auf ßer wird der Mittel- und Feinporenanteil. die Bodenbeschaffenheit getroffen werden. Auf den Kapverden war die Versickerungs- form meist zylindrisch, was auf eine schnelle Abführung des Wassers in den Untergrund 2. Methodik schließen lässt. Abb. 3 & 4: Indem man das Volumen des benetzten Bo- Funktionsprinzip und dens berechnet, kann man auch den Anteil Benetzungsvolumen der Mittel- und Feinporen bestimmen. Denn einer Messung mit dem Doppelringinfiltrometer 2.1 Messung mit Doppel- die durch den Versuch eingetragene Was- ringinfiltrometer

Mit einem Doppelringin- filtrometer bestimmt man die Infiltrationsrate des Bo- dens. Diese gibt Auskunft über die Wasseraufnah- mefähigkeit des Bodens. Der Doppelringinfiltrometer besteht aus zwei miteinan- der verbundenen Metallrin- gen, die leicht in den Bo- den geschlagen werden. Der innere und der äußere Ring werden gleich hoch mit Wasser befüllt, jedoch misst man nur im inneren 44 BODEN

sermenge verteilt sich auf das ausgegrabene geführt. Da nur in den Fein- und Mittelporen Bodenvolumen. Da das Wasser in den Grob- (Poren < 10 μm) das Wasser entgegen der poren nicht gehalten wird, befindet es sich Schwerkraft gehalten wird, kann durch die Be- Abb. 5: ausschließlich in den Mittel- und Feinporen. rechnung der Differenz der beiden Messwerte Saugspannung und nutz- So kann man näherungsweise eine Prozen- das Volumen dieser Poren ermittelt werden. bare Feldkapazität, abge- tangabe für den Anteil der Mittel- und Feinpo- Da bei der Felduntersuchung die trockenen leitet aus einer pF-Kurve ren berechnen. Proben nicht in einem Trockenschrank ein- gelagert werden können, ist meist noch Restfeuchte vorhanden. Deswegen ist davon auszugehen, dass die Werte ge- nerell etwas zu niedrig liegen. Die durch den Luftpyknometerversuch bestimmten Werte dienen als Grundla- ge zur Erstellung eines pF-Diagramms. Denn die Grenze zwischen Grobporen und Mittelporen bestimmt die Feldka- pazität. Da im Rahmen der Untersu- chungen jedoch nicht der permanente Welkepunkt ermittelt wurde, kann kein vollständiges pF – Diagramm erstellt werden.

2.3 Bestimmung des pH - Werts

Die Bodenacidität beeinflusst nahezu alle Bodeneigenschaften sowie das Pflanzenwachstum direkt oder indirekt. Niedrige sowie extrem hohe pH-Werte können das Pflanzenwachstum je nach Pflanzenart mehr oder weniger stark behindern. 2.2 Luftpyknometer Im Rahmen der Exkursion wurde der pH-Wert mit Hilfe von Indikatorstreifen in ein-molarer Mit einem Luftpyknometer kann man das un- KCl-Lösung bestimmt. Diese Methode ist komprimierbare Volumen einer Bodenprobe relativ ungenau (Abweichungen von ± 0,5), bestimmen. In einem kleinen Reservoir wird jedoch ausreichend genau, um einen ersten ein Druck von 2,3 bar aufgebaut und an- Eindruck der Bodeneigenschaften zu gewin- schließend in den Probenraum abgegeben. nen. Aus dem sich nun einstellenden Druck kann man mit Hilfe der idealen Gasgesetze das Vo- lumen der nicht komprimierbaren Bestandtei- 2.4 Bestimmung des Karbonatgehalts le bestimmen (Wasser, Substrat, Mantel). Es wurde jeweils eine Messung mit einer Unter dem Begriff Karbonat versteht man trockenen und einer feuchten Probe durch- hauptsächlich Calcium- und Calcium-Ma- Aufbrausen Carbonat- Bezeichnung Code anteil [%] keine Reaktion 0 carbonatfrei c0 sehr schwach (nur hörbar) < 0,5 sehr carbonatarm c1 schwach 0,5 – 2 carbonatarm c2 Abb. 6: Karbonatanteil deutlich Reaktion 2- 10 (mäßig) carbonathaltig c3 anhand der Reaktion stark anhaltende Reaktion 10- 25 carbonatreich c4 mit zehnprozentiger Salzsäure: Richtwerte sehr starke, lang > 25 sehr carbonatreich c5 für die Feldbestimmung anhaltende Reaktion BODEN 45

Abb. 7 & 8: Salzsäuretest zur Karbonatbestimmung und Druckaufbau im Luftpyknotmeter gnesiumcarbonate. Sie dienen als wichtige 3. Bodentypen gesteinsbildende Komponenten. So sind sie zum Beispiel in Locker- und Festgesteinen wie Mergel-, Kalk- und Lössgesteinen enthal- Im Rahmen der Bodenuntersuchungen der ten. Der Grad der Entkalkung gibt Auskunft Exkursion wurden keine Bodentypen be- darüber, wie fortgeschritten die stattfindenden stimmt, doch kann man, wenn man die vor- Bodenbildungsprozesse sind. handene Literatur zu Rate zieht, zu dem Er- gebnis kommen, dass die vorherrschenden Die Bestimmung im Gelände erfolgte mit einer Bodentypen auf den Kap Verden Lithosole, 10-prozentigen Salzsäure (HCl). Die Reak- Regosole, Cambisole, Andosole und Kolluvi- tionen mit den Carbonaten ist akustisch und sole sind. Lediglich für die Insel Fogo existiert optisch in Form eines Sprudelns wahrnehm- eine Bodenkarte. Für die anderen Inseln lie- bar. Als Maßstab für den Carbonatgehalt wird gen nur Karten vor, die eine Verbindung von Abb. 9: die Stärke der Reaktion herangezogen – die geologischer, bodenkundlicher und geomor- Bodentypenkarte Klassifizierung ist in der Tabelle auf der vor- phologischer Karte und zudem sehr alt sind der Insel Fogo hergehenden Seite dargestellt. (1930er Jahre). Faria, F. X. (1974) 46 BODEN Abb. 10 & 11: Fossiler Boden nahe Achada Furna, von Lapilli verschüttet

3.1 Lithosole

Lithosole sind Gesteinsrohböden. Sie sind kaum entwickelt und weisen eine geringe Mächtigkeit < 10 cm auf (SCHEFFER/SCHACHT- SCHABEL 2008, S. 484). Die Gründe für die geringe Mächtigkeit liegen zum einen darin, dass es sich oftmals um relative junge Böden handelt. Zum anderen kommen diese Böden auch häufig an steilen Hängen vor (z.B. Fogo) und können aufgrund starker Erosion nicht mächtiger werden.

3.2 Regosole

Auch der Regosol ist ein geringmächtiger Boden, der sich aber nur auf kalkfreien oder kalkarmen Lockergesteinen ausbildet. Der humose A-Horizont geht direkt in das Aus- gangsgestein über. Es handelt sich bei den Regosolen meist um Böden, die landwirt- schaftlich genutzt wurden und in Folge der Nutzung erodierten. In semiariden Gebieten müssen die Regosole bewässert werden, falls sie weiterhin landwirtschaftlich genutzt wer- den sollen (SCHEFFER/SCHACHTSCHABEL 2008, S. 491 f.).

3.2 Andosole

Andosole sind meist junge Böden, die sich auf vulkanischem Lockermaterial bilden. Die typischen Tonminerale des Andosols sind Allophan und Imogolit. Sie sind in der Regel durch ein hohes Porenvolumen und locke- re Lagerung gekennzeichnet. Zudem ist der Oberboden relativ humusreich (bis 20 %) und bei einem hohen pH-Wert haben sie auch eine hohe Anionenaustauschkapazität. Ando- sole sind aufgrund dieser Eigenschaften gut für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet, vorausgesetzt, es steht ausreichend Wasser zur Verfügung (HEIM/SCHMIDT, S. 13). Durch ihre lockere Struktur sind sie allerdings stark erosionsgefährdet (REICH 2007).

3.3 Cambisole

Da eine gute Wasserverfügbarkeit Voraus- setzung für ihre Entstehung ist, ist das Vor- kommen der Cambisole nur auf sehr kleine Gebiete der Kapverden beschränkt, etwa den Norden der Insel Fogo. Dieser Boden entwi- ckelt sich auf kalkarmem bis kalkfreiem Aus- gangsgestein wie etwa Basalt. Typische Ho-

rizontfolge ist ABwC, wobei der diagnostische Horizont der Bw-Horizont ist. Er zeichnet sich

Abb. 12 & 13: Andosol am Ausgang der Caldeira; Cambisol auf einer Citrusplantage auf Fogo BODEN 47

durch hohe Porosität, gute Aggregatsstabilität mittelten Werte, könnten – sofern genügend und feinere Körnung als der C-Horizont aus Wasser vorhanden wäre – mehr Flächen be- (HINTERMAIER-ERHARD/ZECH 2002, S. 30). Cam- pflanzt werden. Die Böden zeigen gute Vor- bisole entstehen auf den Kapverden in der aussetzungen dafür. Sie können viel Wasser Regel aus den weniger tiefgründigen Rego- aufnehmen und den Pflanzen zur Verfügung solen. stellen. Für Boa Vista zeigen Carbonatgehalt Bei ausreichender Mächtigkeit und gutem und pH-Wert einen gewissen Nährstoffreich- Wasserangebot sind die Cambisole ackerbau- tum an, welcher den Pflanzen dargeboten lich gut nutzbar, da sie relativ hohe Gehalte an werden kann. Einzig der Mangel an Nieder- verwitterbaren Mineralien bei besserer Nähr- schlag verhindert dieses potentielle Wachs- stoffnachlieferung haben (HINTERMAIER-ERHARD/ tum. Daher findet man „grünere“ Landstriche ZECH 2002, S. 30). auch hauptsächlich an den nordöstlichen Tei- len der höheren Inseln.

3.4 Kolluvisole

Die Kolluvisole sind eine sehr heterogene Literatur Gruppe von Böden, denen gemeinsam ist, dass es sich um hangabwärts umgelagerte FARIA, F. X. (1970) Böden handelt. Sie entstehen hauptsächlich : Os solos da ilha de San- in Senken und Tälern. Aufgrund von Erosions- tiago. Lissabon: Junta de Investigações do prozessen sammelt sich dort humoses Bo- Ultramar. 157 Seiten. denmaterial. Zur Klassifizierung als Kolluvisol muss der Horizont mindestens 40 cm mächtig HEIM, A., SCHMIDT, M (2007): Bodengeographie. sein. Die Kolluvisole überdecken häufig be- Online unter: http://www.geo.uzh.ch/fileadmin/ reits vorhandene Böden (SCHEFFER/SCHACHT- files/content/abteilungen/phys2b/Vorlesungs- SCHABEL 2008, S. 519). unterlagen/211/SkriptGEO211_2_2007.pdf Das Material, aus dem sich die Kolluvisole am 29.09.08. bilden, wird in den meisten Fällen aufgrund HARTGE, K.H., HORN, R. (1999): Einführung in landwirtschaftlicher Nutzung abgetragen. Aus diesem Grund sind die Kolluvisole in der Re- die Bodenphysik. Stuttgart: Ferdinand Enke gel auch für eine landwirtschaftliche Nutzung Verlag. 304 Seiten. geeignet (FARIA 1970, S. 138 f.). KARTHE, D., SIEGMUND, A. (2004): Die Böden der Kapverden: Eine Bestandsaufnahme auf 3.5 Fossile Böden den Inseln Fogo, Boa Vista, und Santo Antão. In: Geoökodynamik, 25 (1), S. 59-72.

Auf mehreren Inseln (Santo Antão, Boa Vista, REICH, S. (2007): Vulkanböden. Online unter: Fogo) sind fossile Böden zu finden. Diese Bö- http://www.geocarbo.com/c/pedosph-re/bo- den sind zum Teil sehr mächtig und weit ent- dentypen/vulkanb-den/startseite-vulkanb-den wickelt (z.B. mächtige verbraunte Horizonte). am 30.09.08. Eine solche Bodenentwicklung kann nur unter relativ feuchten Klimabedingungen stattgefun- SCHEFFER, F./SCHACHTSCHABEL, P. (2008): Lehr- den haben. Dies lässt den Rückschluss zu, buch der Bodenkunde. Heidelberg: Spektrum dass sich das Klima der Kapverden von einem akademischer Verlag. 593 Seiten. feuchteren Klimat in ein arides gewandelt hat. ZECH, W./ HINTERMAIER-ERHARD, G. (2002): Die Böden der Erde: Ein Bildatlas. Heidelberg/ Berlin: Spetrum akademischer Verlag. 120 Synthese Seiten.

Die Bodeneigenschaften auf Boa Vista stellen einen guten Kontrast zu den übrigen Inseln dar. Obwohl die Ergebnisse aus dem Rahmen fallen, zeigen sie die große Bandbreite der möglichen Böden, die man auf den Kapver- Auf den folgenden Seiten beschreiben wir den antrifft. Die Ergebnisse zeigen, dass das die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen im äußere Bild der Kapverden, was Vegetation Einzelnen an fünf Standorten. angeht, sehr trügerisch ist. Aufgrund der er- BODENODEN 48 Ü Standort: Fogo nahe Dorf „Achada Furna“

Koordinaten: N 14°52,519`, W 24°21,335`, 915 m ü. NN Besonderheiten: Geringer Anteil an Restwasser in den Proben möglich

Bodenphysikalische Parameter Korngrößenzusammensetzung 80% Kies, Sand; 15-20% Schluff; < 5% Ton; 1% Organik pH-Wert Neutral 7 Carbonatgehalt Kalkgehalt 0 %

Infiltrationsmessung Infiltrationstiefe 61 cm Benetztes Bodenvolumen 70,2 ltr. Infiltrierte Wassermenge 12,5 ltr. Mittlere Infiltrationsgeschwindigkeit 0,27 mm/s // 17 mm/min // 1000 mm/h

Lfd. Zeit Höhe Nr. t [sek] h [mm]

1. 30 15 2. 60 24 3. 90 35 4. 120 43 5. 150 50 6. 180 58 7. 210 64 8. 240 70 9. 270 78 10. 300 87 11. 330 96 12. 360 100

Luftpyknometer Gesamtporenvolumen 63,5 V% = 44,6 l Anteil Grobporen >10 μm 72 % = 32,1 ltr. am Gesamtporenvolumen Anteil Fein- und Mittelporen 28 % = 12,5 ltr. < 10 μm am Gesamtporenvolumen Festes Bodenmaterial 36,5 % = 25,6 ltr. BODEN 49

Ü Standort: Fogo in der Caldeira bei „Casa Fernando“

Koordinaten: N 14°58,513`, W 24°22,049`, 1675 m ü. NN Besonderheiten: Geringer Anteil an Restwasser in den Proben möglich.

Bodenpysikalische Parameter Korngrößenzusammensetzung 70% Sand; ca. 20% Schluff; > 10% Ton; 2-3% Organik pH-Wert Neutral 7,5 Carbonatgehalt Kalkgehalt 0 %

Infiltrometermessung Infiltrationstiefe 60 cm Benetztes Bodenvolumen 79,7 ltr. Infiltrierte Wassermenge 9,2 ltr. Mittlere Infiltrationsgeschwindigkeit 0,16 mm/s // 9,6 mm/min // 576 mm/h

Lfd. Zeit t Höhe h Nr. (sek) (mm) 1. 30 8 12. 360 57 2. 60 15 13. 390 61 3. 90 19 14. 420 65 4. 120 22 15. 450 70 5. 150 27 16. 480 75 6. 180 32 17. 510 78 7. 210 36 18. 540 81 8. 240 40 19. 570 86 9. 270 44 20. 600 91 10. 300 48 21. 630 96 11. 330 52 22. 670 100

Luftpyknometermessung Gesamtporenvolumen 49,9 V% = 39,8 ltr. Anteil Grobporen >10 μm am Ge- 77 % = 30,6 ltr. samtporenvolumen Anteil Fein- und Mittelporen 23 % = 9,2 ltr. < 10 μm am Gesamtporenvolumen Festes Bodenmaterial 50,1 % = 40,1 ltr. 50 BODEN Ü

Standort: NW-Fogo, am Rand einer Citrusplantage

Koordinaten: N 15°00,565`, W 24°20,073`, 1008 m ü. NN Besonderheiten: Bodenproben entnommen, Trocknung und Messung im Labor ergab einen Restwassergehalt von 5,9 V%.

Bodenphysikalische Parameter Korngrößenzusammensetzung 70% Sand; 25% Schluff; > 5-10% Ton; 1% Organik pH-Wert Neutral 6,5 Carbonatgehalt Kalkgehalt 0 %

Infiltrationsmessung Infiltrationstiefe 24 cm Benetztes Bodenvolumen 19,3 ltr. Infiltrierte Wassermenge 8,2 ltr. Mittlere Infiltrationsgeschwindigkeit 0,04 mm/s // 2,5 mm/min // 150 mm/h

Lfd. Zeit Höhe Nr. [sek] [mm] 1. 30 2 2. 60 5 10. 420 29 3. 90 8 11. 480 30 4. 120 10 12. 540 34 5. 150 12 13. 600 36 6. 180 15 14. 900 49 7. 240 20 15. 1500 71 8. 300 24 16. 2100 89 9. 360 26 17. 2400 100

Luftpyknometer Gesamtporenvolumen 55,5 V% = 10,7 ltr.

(VL + VW) Anteil Grobporen >10 μm am 23 % = 2,5 ltr. Gesamtporenvolumen Anteil Fein- und Mittelporen 77 % = 8,2 ltr. < 10 μm am Gesamtporenvolumen Festes Bodenmaterial 44,5 % = 8,6 ltr. BODEN 51

Standort: Santo Antão, Landgut im Kessel Cha de Morte

N 17°02,687`; W 25°12,204`; 651 m ü. NN Besonderheiten: Kleiner Anteil an Restwasser Ü

Bodenpysikalische Parameter Korngrößenzusammensetzung 80 % Feinkies, Sand; 10% Schluff; 5-10% Ton; 2-3% Organik pH-Wert Neutral 7 Carbonatgehalt Kalkgehalt ca. 1-3 %

Infiltrometermessung Infiltrationstiefe 65 cm Benetztes Bodenvolumen 42,5 ltr. Infiltrierte Wassermenge 4,0 ltr. Mittlere Infiltrationsgeschwindigkeit 0,04 mm/s // 2,6 mm/min // 156 mm/h

Lfd. Zeit t Höhe h Nr. (sek) (mm) 1. 30 2 11. 540 30 2. 60 6 12. 660 35 3. 90 8 13.v 780 43 4. 120 10 14. 900 47 5. 180 13 15. 1050 54 6. 240 16 16. 1200 57 7. 300 19 17. 1500 68 8. 360 22 18. 1800 78 9. 420 25 19. 2310 0 10. 480 28

Luftpyknometermessung Gesamtporenvolumen 49,9 V% = 21,2 ltr. Anteil Grobporen >10 μm am 81 % = 17,2 ltr. Gesamtporenvolumen Anteil Fein- und Mittelporen 19% = 4,0 ltr. < 10 μm am Gesamtporenvolumen Festes Bodenmaterial 50,1 % = 21,3 ltr. 52 BODEN

Bodenuntersuchung auf Boa Vista „Deserto do Viana“

Koordinaten: N 16°08,524`, W 22°51,759`, 15 m ü. NN Besonderheiten: Ursache für den leicht basischen pH-Wert ist, dass es sich bei diesen Dünen um biogene Kalke eines ehemaligen Saumriffs handelt. Geringer Anteil an Restwasser in der Probe möglich. Ü

Bodenphysikalische Parameter Korngrößenzusammensetzung 99,9 % Sand; 0,1 % Restliche Bestandteile pH-Wert leicht basisch 8,8 Carbonatgehalt Kalkgehalt > 25 % [im Labor ca. 85%]

Infiltrationsmessung Infiltrationstiefe 35 cm Benetztes Bodenvolumen 28,2 ltr. Infiltrierte Wassermenge 8,8 ltr. Mittlere Infiltrationsgeschwindigkeit 0,7 mm/s // 44 mm/min // 2000 mm/h

Lfd. Zeit Höhe Nr. [sek] [mm]

1. 30 25 2. 60 35 3. 90 66 4. 120 fertig

Luftpyknometer Gesamtporenvolumen 46,4 V% = 12,9 ltr. Anteil Grobporen >10 μm am 32 % = 4,1 ltr. Gesamtporenvolumen Anteil Fein- und Mittelporen 68 % = 8,8 ltr. < 10 μm am Gesamtporenvolumen Festes Bodenmaterial 53,6 % = 15,3 ltr. BODENPHYSIK AUF FOGO: ZUSAMMENSTELLUNG 53 54 ENTWICKLUNG

Der Aufstieg aus der Armut Entwicklungszusammenarbeit auf den Kapverden

Die Kapverden haben sich in den letzten Jahren positiv in der Ribeira Selada auf Santiago besteht das Kernpro- entwickelt. Die Staatsschulden liegen mit 3,4 % des BIP blem seither weiter: Erosion und der Nutzungsdruck auf im Rahmen dessen, was auch in der europäischen Union Ressourcen halten unverändert an. als erstrebenswert gilt. Die Bindung des Wechselkurses Als relevanter erwies sich ein privatwirtschaftliches Projekt an den Euro stellt einen der wichtigsten Fortschritte dar, der Rhein-Ruhr Ing. GmbH aus Dortmund, das bei einer weil sie die Währungsstabilität erhöht und die Kapverden Dauer von 5 Jahren und 13,7 Mio. Euro Kosten den Hafen- damit zu einem verlässlicheren Handelspartner macht. So betrieb auf Fogo und Brava verbessern sollte, um stabile haben sie die Gruppe der ärmsten Länder (LLDC) verlas- wirtschaftliche Aktivitäten zu garantieren. Das Fracht- und sen und konnten in die Gruppe der Länder mit mittlerem Passagieraufkommen von rd. 20.000 t und 17.000 Per- Einkommen (Middle Income Country) aufsteigen. sonen (Fogo) bzw. 5.000 t und 6.600 Personen (Brava) Die Kapverden sind Mitglied in verschiedenen internati- konnte gesteigert werden und die durchschnittliche Liege- onalen Organisationen von UNO, WHO, WTO und IWF zeit von Linienschiffen in den Häfen wurde reduziert. Au- über CEDEAO (Communauté Economique des Etats ßerdem wurden vom Wellenschlag beschädigtenHafenan- de l‘Afrique de l‘Ouest), und AU (Afrikanische Union) bis lagen restauriert und ein Wellenbrecher vergrößert. zur Organisation der Small Islands Development States Die verbessere Situation der Kapverden und das Aufrü- (SIDS). Bei einem Bevölkerungswachstum von 2,3 % und cken in die Gruppe der Middle Income einer Lebenserwartung bei Frauen von 73,8 Jahren und Countries hat auch Probleme mit sich bei Männer von 67,5 Jahren sowie Alphabetisierungsquo- gebracht, da seither der Zugang zu neu- ten bei Frauen von 75,5 % und bei Männern von 87,8 % em Geld aus dem Ausland natürlich er- rangieren die Kapverden im Human Development Index schwert ist. So verlassen sich viele Kap- (HDI) auf Platz 102 von 177 Ländern. (Wert 0,736). Den- verdianer vermehrt auf die Geldtransfers noch ist das Land noch von struktureller Armut betroffen, von Verwandten, die im Ausland leben. knapp ein Drittel der Bevölkerung gilt als arm, ca. jeder Dennoch bleiben Investitionen in das Bil- Fünfte gilt als sehr arm – am gravierendsten ist die Situati- dungs – und Gesundheitssystem dringend erforderlich. on auf Santo Antão, Fogo und Santiago. Das nebenstehende Schaubild macht deutlich, dass die Entwicklungshilfe ist eine finanzielle und technische Unter- Kapverden – im Vergleich zu anderen Ländern der Grup- stützung von Entwicklungsländern durch Industrieländer, pe mit mittlerem Einkommen – eine gute Einschulungsrate die dann als erfolgreich gilt, wenn die Vorhaben nachhalti- vorweisen (Gross primary enrollment), ein hohes Brutto- ge Wirkung erzielen. nationaleinkommen pro Kopf und eine hohe Lebenserwar- tung haben. Mängel werden im Bereich des Zugangs zu Die kapverdischen Inseln werden von einer Vielzahl von Trinkwasser deutlich. Weiterhin haben nur 80 Prozent der Ländern gefördert, wobei die einzelnen Inseln gewisser- Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser. maßen einzelnen Geberländern zugeteilt sind. Außer den in der nebenstehenden Karte abgebildeten Hauptförde- SIMON BOZUNG rern sind auch die frühere Sowjetunion (Hafenbau und Fachärzte), Kuba (Fachärzte), Schweden (geothermische Projekte), Dänemark (Windenergie), Luxemburg (moder- ne Infrastruktur) und Portugal sehr aktiv, zum Teil auf meh- reren Inseln. Allein Portual als frühere Kolonialmacht gibt, vor allem für Universitätsstipendien und den Kampf gegen Kriminalität, insgesamt fast 50 Mio. US-Dollar pro Jahr aus und ist damit größter Hauptgeber. Auch China war und ist auf den Kapverden aktiv. Zwei Beispiele für deutsche Entwicklungshilfe zeigen, wie unterschiedlich von deutschen Unternehmen geförderte Projekte wirken. So wurde ein Projekt der Gesellschaft für Agrarprojekte (GfA) im Bereich der Forstentwicklung, an- gelegt auf sechs Jahre für Kosten von 2,74 Mio. Euro, im Nachhinein als wenig erfolgreich eingestuft. Man wollte die Einkommens- und Lebensbedingungen der Bevölkerung verbessern, indem man ca. 1364 ha degradierter Fläche auf Fogo und Santiago durch Aufforstung und Erosions- schutzmaßnahmen rehabilitierte und ca. 960 ha bereits früher aufgeforsteter Flächen auf Fogo nachbesserte. Doch trotz der Erosionsschutz- und Wasserkonservie- rungsmaßnahmen durch Aufforstung in der Region von Monte Boca Larga auf Fogo und ein ähnliches Teilprojekt ENTWICKLUNG 55

Karte: Santo Antão Entwicklungszusam- Kapverdische Inseln menarbeit auf den Kapverden, Geber- länder nach Inseln. São Vicente

Sao Nicolão Sal Literatur

Manninger, K (2008): Projektorientierter Masterplan für eine nachhaltige Touris- musentwicklung in Sao Miguel / Kap Verde. Boavista Diplomarbeit zur Erlangung des akademi- schen Grades der Magistra der Naturwis- senschaften. Graz. Atlantischer Ozean Meyns, P. (3. völlig neu bearbeitete Aufla- ge 1993): Kap Verde. – In: Nohlen, D., Nu- scheler F.(Hg.): Handbuch der dritten Welt. Westafrika und Zentralafrika. Hamburg. S.270-276. Santiago

Fogo Maio

Pico de Wo soll‘s hin- Brava Fogo 2829 m gehen für die Kapverden? Kilometer 05010025

Schaubild: Vergleich verschie- denen Entwicklungs- Aspekte mit anderen Ländern aus der Gruppe der Middle- Income-Countries VEGETATION

Simon Bozung, Julia Lutz & Aaron Martus

ie Nutzpflanzen und die Vegetation der kapverdischen Inseln sind mit wenigen Aus- Dnahmen an extreme Trockenbedingungen angepasst. Einzig an den Luvhängen, etwa auf Fogo und Santo Antão, finden sich Gebiete mit fast ganzjährigem Feuchteangebot. Entscheidend für Pflanzenwachstum sind geographische Besonderheiten wie Relief und Klima, so dass sich Vegetationsgesellschaften zumeist anhand von Höhenzonen und Feuchtegradienten abgrenzen lassen. Die geoökologische und floristische Vielfalt der Kapverden spiegelt sich auf Fogo, Santo Antão und Boa Vista in besonderem Maße wi- der. Das folgende Kapitel dokumentiert vegetationsgeographische Aspekte, die im Rah- men der Exkursion erkundet wurden. Auf jeder der drei Beispielinseln werden typische pflanzengeographische Groß- und Kleinräume in Bezug auf landwirtschaftliche Nutzung und der natürlichen Vegetation vorgestellt.

1. Allgemeines

1.1 Klimatischer Überblick Dass auf den Kapverden mehr Niederschläge fallen, als in der sie beeinflussenden Sahel- zone liegt mehreren Einflüssen zugrunde: Die Die Entfernung der kapverdischen Inseln vom Dominanz des Nordostpassats wird im Spät- afrikanischen Kontinent ist so gering, „dass sommer bzw. Frühherbst durch südwestliche sich ihr Klima kaum von dem des nördlichen monsunale Luftströmungen abgeschwächt. Sahel unterscheidet“ (SCHICHO 2001: 362). Mit Durch die Nordverlagerung der Inertropikfront der geographischen Lage um den 16. nördli- (ITF) gelangen feuchtwarme Luftmassen der chen Breiten- und 24. westlichen Längengrad äquatorialen Tiefdruckrinne in den Archipel. befinden sie sich noch im Bereich des nahezu Die dabei fallenden Niederschläge sind je- ganzjährlich herrschenden Nordostpassats doch in ihrer Menge und Erscheinung sehr der atlantischen Randtropen. unregelmäßig. Das führte in der Vergangen- Nach KLUG (1980: 51) muss die konventionelle heit oft zu Dürreperioden und Hungersnöten Gliederung der einzelnen Inseln der Kapver- in der Bevölkerung. In einem anderen Fall den in „Barlavento“ („Inseln über dem Winde“) sorgen Druckwellen, die in den Passat ein- mit den im Norden gelegenen São Vicente, gelagert sind und sich unabhängig von Kon- Santa Luzia, São Nicolau, Santo Antão, Boa vergenzzonen und Fronten in den Tropen von Vista und Sal und den „Sotavento“ („Inseln Ost nach West bewegen, hauptsächlich im unter dem Winde“) mit Santiago, Maio, Fogo Spätsommer für (teilweise zusätzliche) Nie- und Brava im Süden für die Klimagestaltung derschläge. In manchen Jahren sind sogar der Unterscheidung der flachen östlichen In- vereinzelt (auf Santo Antão und manchmal seln (Maio, Sal, Boa Vista) und der („regen- Fogo) Ausläufer von Zyklonen aus höheren fangenden“) höheren westlichen Inseln wei- Breiten zu spüren, wodurch diese zwischen chen. Deren Vertikalerstreckung kann Höhen Dezember und Februar zusätzliche Nieder- zwischen 1000 und 3000 Meter erreichen. schläge erfahren können. Anstatt der üblichen vier Jahreszeiten herr- Das zu „exzessiver Trockenheit“ neigende Kli- schen auf den Kapverden nur die „Tempo das ma wird während der so genannten „Lestada“- Brisas“ (Zeit der Winde) und die „Tempo das Wetterlage (KLUG 1980: 51) vom „Harmattan“ Chuvas“ (Regenzeit). Letztere zeichnet sich verstärkt. Darunter versteht man einen tro- durch das klimatologische Charakteristikum ckenwarmen Wind, der zur Jahreswende viel aus, unregelmäßige oder gar keine Nieder- Saharastaub auf die Kapverden bringt und die schläge mit sich zu bringen. Der fast das gan- Luftfeuchtigkeit abrupt absenkt. Dies führt zu ze Jahr über dominante Nordost-Passat führt zusätzlichen Evarporationsbelastungen (FI- trockenwarme Luft vom Festland über den SCHER 2007: 16), welche die Vegetation sehr Atlantik. In einer fast isobarenparallelen Strö- schädigen, da dem Boden große Mengen des mung (ENE-SWS) überlagert er ab ca. 1000 gespeicherten Wassers entzogen werden. Die Metern Höhe relativ kühle Luftmassen, die mit Aussicht auf eine erfolgreiche Ernte ist sehr der Kanarendrift verbunden sind. So entsteht gering, wenn die vorangegangene Regenzeit eine stabile Luftschichtung ohne konvektive wenige Niederschläge mit sich brachte. Von Vorgänge (Passatinversion), die kaum Nie- den Einheimischen wird dieser feine und tro- derschläge verursacht. Dies bewirkt das sehr ckene Staub in der Atmosphäre als „bruma trockene Klima des Archipels. seca“ bezeichnet. Aufgrund der stabilen Luft- VEGETATION 57

schichtung kann sich der Saharastaub, der kapverdischen Inseln zur saharo-sindischen auch oftmals vom Passatwind auf die Inseln Florenregion zu zählen seien. Sie teilten den getragen wird, recht lange in der Schicht un- Inselarchipel dem Florenreich der Paläotropis terhalb der Passatinversion halten und führt zu. Beide Theorien verfügen über gute Argu- oft zu Staubniederschlägen. mente, jedoch kann keine letztgültig überzeu- gen. Für die Landwirtschaft und das Wachstum von Pflanzen sind sowohl Wärme als auch BEYHL et al. (1990: 48) wenden sich ab von Niederschläge von existenzieller Bedeutung. der Sichtweise, die Kapverden müssten ei- Da das kapverdische Tageszeitenklima ganz- nem einheitlichen Florengebiet zugewiesen jährig für ausreichend Wärme sorgt, gilt die werden. Sie fassen die Erkenntnisse der ma- Niederschlagsmenge als limitierender Faktor. karonesischen Theorie und der saharo-sindi- Umso gravierender sind Untersuchungen, schen Theorie zusammen. Demnach sind auf die zeigen, dass im Laufe des letzten Jahr- den Inseln des Archipels zwei Florenreiche hunderts die Niederschläge mancherorts um vertreten. Auf den Inseln mit starker vertika- mehr als 60 % zurückgingen und somit die ler Erhebung verläuft dabei eine Grenze, die Jahresniederschläge (v. a. auf den Ostinseln) zwischen Tiefland- und Hochlandvegetation auf weniger als 300 mm sanken. Eine natürli- unterscheidet. Die Grenzregion ist dabei der che Vegetation bzw. Landwirtschaft ist bei die- Bereich, in dem aride und humide Areale in- sen Bedingungen so gut wie nicht möglich. einander übergehen. Es handelt sich somit nicht um eine strikte Abgrenzung, sondern um einen fließenden Übergang, der aus der Men- 1.2 Pflanzengeographische Einordnung ge der gefallenen Niederschläge (resultierend aus den Staueffekten des Nordostpassats) hervorgeht. Die Vegetation der flacheren In- Der deutsche Botaniker Adolf Engler fasste im seln und der tieferen Lagen jener Inseln mit Jahr 1882 die Flora der Kapverdischen Inseln steilem Relief zählt zur Tieflandvegetation mit der Flora der Kanaren, Azoren und Madei- und wird der saharo-sindischen Florenregion ra zur Florenregion „Makaronesien“ zusam- zugeordnet. Sie sind an trockene und was- men. Diese betrachtete er als Teil der Holark- serarme Standorte angepasst. In den nieder- tis, des Florenreiches, welches den Großteil schlagsreicheren Höhenlagen sind Pflanzen der Nordhemisphäre ausmacht. Da aber auf des makaronesischen Florengebiets ange- den Kapverden nicht nur Pflanzen der maka- siedelt. ronesischen Florenregion angesiedelt sind, sondern auch solche mit Ursprung in West- afrika, unterscheidet sich die südlichste der 1.3 Vegetationsgesellschaften nach Inselgruppen floristisch von den restlichen Höhenlage (nach LOBIN und KLUG) Archipelen. Deshalb kritisierte ENGLER (bei SCHROEDER 1998: 93) diese Einordnung, und sowohl Vertreter der „unitaristisch-makarone- Eine ausführliche Darstellung der charakte- sischen“ Theorie (Einteilung nach ENGLER) als ristischen Höhenzonierung der Vegetations- auch Vertreter der „unitaristisch-saharischen“ gesellschaften der Kapverden ist wichtig, da Theorie, die besagt, die Flora der Kapverden sie sich von anderen tropischen sowie sub- sei der afrikanischen Flora zuzuzählen, mit ih- tropischen Vegetationsverbreitungen deutlich rem Anspruch auf Alleingültigkeit. unterscheidet. Eine eindeutige Zuordnung der Erstere begründeten ihre Zuweisung zu den Pflanzen in bestimmte Höhenregionen ist al- mittelatlantischen Inseln damit, dass charak- lerdings nicht immer möglich, da die Grenzen teristische Vegetations- und Florenelemente fließend und eher schematisch zu verstehen des Sukkulentenbuschs und Lorbeerwaldes sind. So fanden sich während der Gelände- auf allen Inseln zu finden sind. Dem ist aller- untersuchungen bestimmte Akazien aus der dings entgegenzusetzen, dass mediterrane Zone der küstennahen Vegetation auch in hö- bzw. kanaro-madeirische Florenelemente (die heren Lagen. auf Madeira und den Kanaren mehr als die Da sich die örtlichen Niederschläge sowohl in Hälfte der Gesamtvegetation ausmachen) auf der Menge als auch hinsichtlich des Zeitpunk- den Kapverden mit 12 bzw. zehn Prozent nur tes, zu dem sie fallen, stark unterscheiden, eine untergeordnete Rolle spielen. Diese Tat- kann man auf den Kapverden nicht von einem sache griffen die Vertreter der „unitaristisch- klassischen Schema mit vorgegebenen Gren- saharischen“ Theorie auf und begründeten zen der Höhenzonierung sprechen. unter anderem damit ihre Theorie, dass die 58 VEGETATION

Abb. 1: Charakteristische Höhenzonierung der Kapverden nach LOBIN 1982

Die küstennahe Trockenvegetation wird auf- ten. Das wechselhumide Luvhang-und Hö- grund der geographischen Lage vor allem henklima findet sich hauptsächlich auf den durch afrikanische Vertreter charakterisiert, gebirgigen Inseln wie Fogo und Santo Antão, die an extreme Trockenheit, Wasserman- die vom Nordostpassat dominiert werden. gel, intensive Sonneneinstrahlung und den Hier bieten die Gebirgslagen feuchtere Tä- starken Wind der niederen Lagen angepasst ler in Luvlage, wo trotzdem ganzjährig hohe sind. Sie passen sich durch Wasserspeiche- Temperaturen herrschen und somit optima- rung und Verdunstungsschutz an, etwa durch le Voraussetzungen für intensive landwirt- Veränderungen der Blattformen und -größen, schaftliche Nutzungen. Dort werden Bananen der Spaltöffnungslage, toten oder lebendigen (musa acuminata), Zuckerrohr (Saccharum Haaren sowie der Dicke der Kutikula. Trotz officinarum), Kaffee (coffea arabica) und mit allem kennzeichnen sich die Gebiete rund um zusätzlicher Bewässerung auch Salate und die Küste durch eine Individuen- und Artenar- Kohl angebaut. mut. Die Landschaft ist karg und nur spärlich Steilhänge sowie Höhenlagen ab 900-1000 bepflanzt. Nur die typisch intensiven Regen- m weisen charakteristische Polstervegetatio- fälle beenden diesen Zustand bisweilen und nen und Vertreter des mediterranen Floren- führen zu einer sehr schnellen Keimung der elementes auf, die sich an die Trockenheit Samen im Boden: Der Raum ergrünt – be- anpassen, indem sie durch tote Haare ein sonders stark ist dieser Effekt auf den flachen spezielles Mikroklima aufbauen und ein op- und wüstenhaften Inseln Sal, Boa Vista und timales Verhältnis zwischen ihrer Oberfläche Maio. und Wuchshöhe schaffen. Dazu gehört auch Ausnahmen beschränken sich auf tiefer lie- die endemische Macela (nautilus daltonii). gende Trockenflüsse, die während der Tro- Parallel zu diesen Höhenlagen finden sich ckenperioden feuchter sind als ihre Umge- vereinzelte Baumarten wie der Johannisbrot- bung und somit artenreicher. Einige Vertreter baum (Prosopis juliflora), die Kanarenkiefer dieser küstennahen Trockenvegetation sind (Pinus canariensis) oder Eukalyptusarten die Akazien (Acacia albida), Dattelpalmen (Eucalyptus globulus). Zusammenhängende (Phoenix atlantica und canariensis), salzto- Waldbestände sind jedoch selten. lerante Arten wie die Graue Gliedermelde (Arthrocneum glaucum) oder das meistens in Verbindung mit Dünen vorkommende Zypern- gras (Zyperus cadamosti). 1.4 Endemismus Diese Pflanzengesellschaft grenzt sich mal mehr, mal weniger ab von der so genannten Ein Endemit ist eine Pflanzenart, deren Ver- Übergangsvegetation zur Höhenvegetation breitung auf ein räumlich eng begrenztes mit wechselhumidem Klima, den Mesophy- Gebiet beschränkt ist – etwa auf ein Gebirge VEGETATION 59

oder eine Insel, beides auf den Kapverden gegeben. Dort fehlt aufgrund der Isolation ein unmittelbarer floristischer Austausch mit anderen Gebieten und es vollzieht sich eine eigene evolutionäre Entwicklung. Man muss allerdings trennen zwischen den Begriffen der Paläoendemiten und der Neoendemi- ten. Paläoendemiten haben sich über große geologische Zeiträume hinweg sowie durch Konkurrenzdruck und evolutionäre Prozesse in bestimmten isolierten Gebieten entwickelt. Neoendemiten dagegen kennzeichnen sich durch eine intensive Artenbildung in isolierten Lebensräumen. Aus evolutionärer Sichtweise 1.5 Anthropogener Einfluss ist die Ansiedlung und Entstehung der Neoen- Abb. 2: Klassifizie- demiten bezüglich der geologischen Zeittafel rung der Pflanzen ein fast „rezentes“ Ereignis. Der Anteil der En- Der Einfluss des Menschen auf die kapver- nach menschli- demiten an der Gesamtflora beträgt 11 %. dische Flora ist als sehr hoch einzustufen. chem Einfluss, Der Mensch ist für fast die Hälfte der auf den nach LOBIN/ Zu den kapverdischen Endemiten zählen ZIZKA, 1987: 128 die Kapverdische Wolfsmilch (Euphorbia tu- Kapverden vorkommenden Pflanzen verant- ckeyana), das Kreuzblütengewächs (Erysium wortlich (s. Abb). Weitere 30 % der Pflanzen caboverdeanum), die Palme Phönix atlantica, lassen sich nicht eindeutig zuordnen. sowie die Nationalpflanze der Kapverden, die Pflanzen, die man den Anthropochoren zu- Abb. 3: Kapverdische Glockenblume (Campanula jo- rechnet, wurden durch den Menschen in ein Anbauflächenver- cobaea), die man in Höhen ab 700-800 m fin- bestimmtes Gebiet verfrachtet. Die Idiocho- teilung im det. Fogo gilt als Biodiversitätszentrum, hier ren umfasst Arten, welche ohne Einfluss des Trockenfeldbau kommen allein 37 der insgesamt 82 endemi- Menschen entstanden oder eingewandert nach BARROS schen Arten vor. sind. 1998, 23 60 VEGETATION

Abb. 4: Den starken Einfluss der Menschen auf die zyklonalen Ausläufern aus höheren Breiten Anbauflächen- kapverdische Flora erkennt man unter an- (Niederschlagstyp III) beeinflusst wird, ist sie verteilung im derem an den Ergasiophygophyten, d.h. an besonders begünstigt, was landwirtschaftli- Bewässerungs- Pflanzen, welche absichtlich eingeführt wur- che Nutzung angeht. Die daraus resultieren- feldbau, nach den und heute noch kultiviert werden, etwa den teils hohen Niederschläge ergänzen sich BARROS 1998, 23 die Aufforstungsbestände der Kapverden in zeitlich und mengenmäßig mit Niederschlä- den Hochlagen von Fogo und Santo Antão. gen der beiden anderen Niederschlagstypen (durch Easterly Waves verursachte Nieder- Futterpflanzen spielen hierbei eine besondere schläge und solche aufgrund der Nordver- Rolle. Auf den Kapverden werden in den An- lagerung der ITC), wodurch im Norden von baugebieten Zuckerrohr, Bananen, Bohnen Santo Antão als einzigem Bereich der Kap- und Papayas, aber auch zahlreiche andere verden fast durchgängig tropisch-humides Kulturpflanzen angebaut, die absichtlich von Klima herrscht. KLUG (1980: 70f) spricht bei Menschen eingeführt wurden. seiner Höhenzonierung von einem wechsel- humidem Luvhang- und Höhenklima mit ei- nem Jahresniederschlag von 1500-4000 mm bei 7 bis 9,5 humiden Monaten. 2. Santo Antão Diese für die Landwirtschaft günstigen Be- dingungen beschränken sich auf die Luvsei- te. Aufgrund des orographischen Effekts (an den Luvseiten fallen mehr Niederschläge als 2.1 Klimatische Charakteristika an den Leeseiten) und den höheren Tempe- raturen der Leeseiten ist nur im Nordosten der Insel (unterhalb der Passatinversion) eine Mit fast 2000 Metern vertikaler Erhebung sowohl artenreiche natürliche Vegetation als Abb. 5, 6 & 7: ist Santo Antão im Nordwesten nach Fogo auch eine landwirtschaftliche Nutzung mög- Mais & Zitrusfrüchte die zweithöchste Insel der Kapverden, so lich. auf Santo Antão; dass Santo Antão eine klimatische Sonder- Tröpfchenbewässe- stellung zukommt. Weil sie als einzige Insel rung bei Karotten zwischen Dezember und Februar stark von VEGETATION 61

2.2 Landwirtschaft auf Santo Antão mit einem Schlauch an die Pflanzen abgege- ben werden. Diese Präzision spart Wasser, weil Verdunstung verhindert wird. Abb. 8: Auf der Nordseite der Insel und auf höher ge- Charakteristisch legenen Flächen wird Trockenfeldbau betrie- Die fruchtbaren Böden auf Santo Antão eig- angelegte ben. Hier steht nur wenig Wasser für Anbau nen sich gut für landwirtschaftliche Zwecke, Terrassen und Bewirtschaftung zur Verfügung. was eine Bodenuntersuchung bei Alto Mira deutlich zeigt. Es mangelt lediglich an Was- zwischen Ponta In der Caldeira Cova de Paul findet man ver- do Sol und ser. schiedene Bohnen- sowie Kartoffelsorten, Cha de Igreja Mais, Yams, Maniok und auch Zitrusfrüchte. Sie bietet Platz zum Anbau von Kulturpflan- zen und optimale klimatische Verhältnisse aufgrund ihrer Lage und wird intensiv bewirt- schaftet. Das Vorkommen von Kiefern kann hier eindeutig Aufforstungsbeständen zuge- ordnet werden. In der Regel liegen die klimatisch etwas güns- tigeren Anbaugebiete an den Luv-Hängen, was Terrassenbau erforderlich macht – auf Santo Antão besonders an den klimatisch be- günstigten Westhängen bis in 1200 m Höhe. Sie wirken der Gefahr der Bodenerosion ent- gegen. Ihre Nutzung zeigt, wie groß der Be- darf an Anbauflächen auf den Kapverden ist. Unterschiede zwischen einzelnen Höhen- stufen lassen sich auf Santo Antão in der Landwirtschaft erkennen, aber auch an den Hängen der Ribeiras, die von der Sonne un- terschiedlich intensiv bestrahlt werden und un- terschiedlich feucht sind. An den Osthängen werden vermehrt trockenresistente Kongo- bohnen angebaut. An den Westhängen dage- gen findet sich eine Vielzahl unterschiedlicher Kulturpflanzen, am häufigsten Zuckerrohr, Bananen, Papaya und Kongobohnen. Das Zuckerrohr wird überwiegend für die Her- stellung von Groque (Schnaps) verwendet. Darüber hinaus findet man Mango- und Man- delbäume, Mais, Tomaten, Zwiebeln, Kartof- feln (vor allem englische Kartoffeln und Süß- kartoffeln), Karotten, Kaffee, Tabak, Yams, Maniok, Salat und Kohl. Um „Platz zu sparen“ wird je nach Lage, die passende Pflanzen angebaut. So wachsen mancherorts an den Terrassenrändern Toma- ten, da diese aufgrund ihres Eigengewichtes ab einer bestimmten Größe nach vorne um- kippen. Sie wachsen dann entlang der Ter- rassenmauer weiter und nehmen wieder eine optimale Position für ihre Reifung an. Da trotz der Feuchtigkeit durch die Passatwol- ken das Wasser für manche Pflanzen nicht reicht, werden Wasserauffangbecken und Zisternen gebaut, entlang der Wege liegen Wasserleitungen, zum Teil mit Tröpfchenbe- wässerung, bei der geringe Wassermengen 62 VEGETATION

Abb. 9: 2.3 Natürliche Vegetation auf Santo Antão Felshängen, häufig direkt an Wanderwegen. Die Fülle an In einer Höhe von ca. 800 m finden sich viele verschiedenen Flechten, insbesondere Krusten- und Blatt- Auf der Südseite der Insel befindet sich auf- Nutzpflanzen ist flechten, ein Zeichen für Feuchtigkeit und grund der Trockenheit kaum Vegetation. Die hier gut erkennbar daher unterhalb der Passatinversion gelegen. höher gelegenen Regionen und vor allem die – von Kartoffeln Oberhalb der Inversion ist die Luft zu trocken Luvseite der Insel sind grün. Die Pflanzen und Zwiebeln für Flechten. über Karotten unterscheiden sich in diesen Regionen grob bis zu Tomaten nach Höhenlage. Weit verbreitet in den mitt- In der Ribeira de Paul ist zudem ein groß ge- leren Höhenlagen sind Agaven, aber auch wachsener Drachenbaum vorzufinden – zwar Pseudoagaven, die sich im Aussehen nur charakteristisch für diese Höhenstufe, aber geringfügig unterscheiden. An Luv-Hängen selten. Drachenbäume können 300 bis 400 häufen sich Wilder Tabak und Aloe-Pflanzen, Jahre alt werden, und jede Verzweigung ent- von denen man in Europa vor allem die Aloe spricht einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren. Vera kennt, da diese Art für die Haut verträg- Man kann Samen oder Zweige des Drachen- liche Wirkstoffe besitzt. Auf den Kapverden baums mit nach Europa nehmen und ihn dort dienen sie als Erosionsschutz und sind daher in Töpfen hochziehen. häufig an Straßenrändern in Reihenpflanzung Weiter kann man in der Ribeira de Paul eine Abb. 10-14: gesetzt. Kapverdenflora, Bougainvillea finden, auffällig aufgrund ihrer von links: Agaven, Auch Pionierpflanzen wie der Wilde Tabak violetten Blüten. In Tälern und Flussmündun- Aloe Vera, Macela, entlang der Wanderwege an der Steilküste gen sind zudem Tamarisken häufig. sind häufig, was darauf hindeutet, dass das Kapverdische Vegetationsdichte und Artenvielfalt nehmen Gestein recht jung ist. Auch die kapverdische Glockenblume, im Luv wie Lee miit der Höhe zu. Hier wach- Glockenblume zählt dazu und wächst an Drachenbaum sen unter anderem das Fettkrautgewächs, VEGETATION 63

Feigenkakteen, Farne und das Afri- can Foxtail Grass. Typisch für diese Höhenlagen ist die Federbuschvege- tation, etwa die endemische Macela, die ein optimales Verhältnis zwischen Oberfläche und Wuchshöhe aufweist (vgl. Abb.). Federbuschpflanzen, zu denen auch der Drachenbaum zählt, haben einen ökologischen Vorteil ge- genüber anderen Pflanzen, nämlich einen weit verzweigten Bau mit Blät- tern, die am Ende der Äste in einer Rosettenform wachsen. Das limitiert die Verdunstung. Neben der Federbuschvegetation fin- die geographische Lage im Süden der Insel- Abb. 15: det man in den Höhenlagen außerdem viele gruppe erreichen Fogo nur in manchen Jah- Kiefern-, Zypressen und Eukalyptuspflanzun- Individuelle ren Niederschläge vom Typ III, also Ausläufer Höhenzonierung und gen. Sie dienen zugleich als Brennholz und dynamischer Tiefdruckgebiete aus höheren als Erosionsschutz. Man geht davon aus, Vegetationsgrenzen Fogos Breiten. Wenn allerdings Zyklone so weit nach dass es einen natürlichen Wald auf Santo Süden vorstoßen, dann kommt es aufgrund Antão bzw. den Kapverden nie gegeben hat. der starken vertikalen Erhebung im Norden Zusammenfassend: Der Unterschied zwi- der Inseln durchaus zu Niederschlägen. Auch schen Luv- und Leeseite sowie zwischen den die unregelmäßig weit nach Norden ragende einzelnen Höhestufen ist auf Santo Antão sehr ITC sorgt durch den Einfluss des südwestli- ausgeprägt und im Vergleich zu den meisten chen Monsuns für weitere Niederschläge, anderen Inseln ist die Vegetation üppig. wenn sie Fogo erreicht – was allerdings sel- ten und unregelmäßig eintritt und deshalb in der Vergangenheit immer wieder für Dürren und Hungersnöte sorgte. Da oberhalb der Passatinversion die Nieder- 3. Fogo schläge rapide abnehmen, teilte KLUG (1980: 70f) diese Höhengebiete verschiedenen Zo- nen zu. Den Bereich zwischen 1600/1700 und 2000 m wies er dem semiariden Höhenklima 3.1 Klimatische Charakteristika von Fogo und die darüber liegenden Gebieten dem ari- den Höhenklima der Gipfelregion zu. Auch auf Fogo werden die klimaprägenden Lufströmungen stark von der Höhe beein- 3.2 Höhenzonierung der Vegetation flusst. So unterscheidet sich die passatexpo- nierte nordöstliche Luvseite klimatisch (und somit auch landwirtschaftlich) stark von der Das Klima bringt pflanzengeographische Be- südwestlichen Leeseite. Die mit steigender sonderheiten mit sich. Man kann bei der Flo- Höhe zunehmende Niederschlagsdifferenz renverbreitung, ob dies landwirtschaftliche zwischen Luv- und Leeseiten führt zu einer Nutzpflanzen oder natürliche Florenelemente starken hygrischen Differenzierung. Durch sind, eine Abhängigkeit bezüglich des Feuch- 64 VEGETATION

genunterschiedliche Lokalklimate aufweisen. Die Westhänge sind ganztägig exponiert und dienen vor allem zum Anbau von Kongoboh- nen, während an den feuchteren Osthängen Bananen (ab 900 m), Mangos, Papaya und Kaffee kultiviert werden. Auch Kaffeebohnen sind an die Osthänge gebunden, da sie keiner direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt wer- den dürfen und zumindest ein geringes Maß an Feuchtigkeit benötigen. Abb. 16: tigkeitsgrades sowie der individuellen Hö- Kaffeebohnen henzonierung der Insel Fogo feststellen, die Das übliche landwirtschaftliche Bodennut- auf Fogo für eine SW-/NO-Ausrichtung gültig ist. Der zungssystem auf Fogo ist der Trockenfeldbau, Feuchtigkeitsgradient nimmt von Südwesten der nur auf natürliche Niederschläge setzt. in Richtung Nordosten und mit der Höhe zu. Auch Dünger und andere künstliche Hilfsmit- Aus diesem Schema lässt sich eine Dreitei- tel werden selten eingesetzt. Daraus resultiert lung der vorhandenen Florenelemente ablei- jedoch auch ein geringes Ertragspotential mit ten. hohem Ernterisiko und -schwankungen. Bau- Im äußersten Südwesten Fogos, bei São ern, die nicht bewässern, müssen daher auch Filipe, herrscht extremer Trockenstress bei trockenresistente Nutzpflanzen anbauen, vor mindestens zehn ariden Monaten pro Jahr, allem die drei Bohnen Bangola, Fischon (= so dass hier hauptsächlich afrikanische Ve- Kongobohne) und Fionn de terre. Die gelben getationsvertreter zu finden sind. Die einzige Blüten der Kongobohne findet man auch an mehrjährige Pflanze ist die Akazie, häufig al- abgelegenen Berghängen. lein am Wegrand anzutreffen. Auch die Purgiernuss (Jathropa curcas) Der nächsthöhere Abschnitt von 500 bis 1000 wächst an jedem noch so trockenen Standort. Metern Höhe kann landwirtschftliche genutzt Sie kann bis zu 5 m hoch werden und blüht werden, was auf Luftmassenausläufer des auch bei extremen Klima- und Bodenbedin- Abb. 17: Nordostpassats zurückzuführen ist. gungen. Sie besiedelt degradierte Standorte Strauch der und wirkt der Erosion durch Starkniederschlä- Purgiernuss Für die Höhenlagen ab 1300 m ist die Feder- ge entgegen, was sonst häufig zum Verlust buschvegetation typisch wertvoller Böden und Überschwemmungen und die Vegetation ent- führt. Die Purgiernuss steht mit keiner ande- spricht mediterranen Flo- ren Nutzpflanze in Konkurrenz, im Gegenteil: renelementen. Sie spendet anderen Pflanzen sogar Schat- ten. Aus ihr kann Öl gewonnen werden, das früher in wirtschaftlich bedeutendem Maße 3.3 Landwirtschaft exportiert wurde. Heute wird es nur noch auf regionalen Märkten verkauft. Die Landwirtschaft der Weitere Anbauprodukte Fogos wie Mais, Ma- Insel ist gekennzeichnet niok, Bananen, Süßkartoffeln und Yams wer- durch die ständige Kon- den von den Bauern während der Regenzeit frontation mit den limitie- gepflanzt und ungefähr im April geerntet. Auf renden Klima- und Bo- Fogo ist nur eine Ernte pro Jahr möglich. Die denverhältnissen, sowie Temperaturen würden laut Aussage eines durch trockenresistente Bauern drei bis vier Ernten pro Jahr ermög- Nutzpflanzen, Terrassen- lichen, doch der fehlende Niederschlag lässt bau und viele Ribeiras. nur eine Ernte zu. Um diese nicht zu gefähr- Besonders Ribeiras bie- den, werden an Hängen in der Nähe der be- ten sich für die landwirt- wirtschafteten Felder hangparallele Furchen schaftliche Nutzung an, angelegt, die ebenso wie angepflanzte und wobei vor allem auf die vertrocknete Maispflanzen oder Purgiernuss- Hanglage geachtet wird, Bäume Oberflächenabfluss und Erosion ent- da Ost- und Westhän- gegenwirken sollen. VEGETATION 65

Abkürzung Erklärung Nutzung Abb. 18: PN Purgiernuss Öl Kartierung eines landwirtschaftlichen M Mais Nahrung, Erosionsschutz Anbaus in Achada Furna Kartoffeln Nahrung Kongobohnen Nahrung AK Akazien Brennholz, (Erosionsschutz) „Freie Fläche“ Flächendeckende Gräser, Kletten- sträucher, sonstige Kleinsträucher

Alle sonstigen Pflanzen, Sträucher und Bäu- 3.4 Nutzpflanzen in der Caldeira me ohne Früchte, welche nicht für den Men- schen oder die Nutztiere von Bedeutung sind, werden von den Dorfbewohnern als Brenn- Die Cha das Caldeiras befindet sich auf 1600 holz gesammelt und genutzt. m. Charakteristisch für die Höhen- und Kessel- lage sind Vertreter der Federbuschvegetation, Ein Beispiel für den auf Fogo charakteristi- bis zu drei Meter hohe Strauchformationen schen Trockenfeldbau ist das bewirtschafte- mit auffällig kleinen Blättern, die Verdunstung te Feld am Rande des Dorfes Achada Furna, minimieren. Beispiele sind die Kapverden- wo wir auch Bodenexperimente durchführten. Wolfsmilch (Euphorbia tuckeyana), typisch Auf einer Höhe von 915 m gelegen, gehört es für Mittel- und Steilhänge oberhalb von 700 einem Bauern, den wir zu seinen Anbaupro- m, oder das zu den Kreuzblütengewächsen dukten und -methoden befragt haben. Akazi- gehörende Erysimum caboverdeanum, ende- en und Purgiernüsse dienen ihm als Erosions- misch in der Caldeira Fogos. schutz und Schattenspender für die anderen landwirtschaftlichen Anbauprodukte. Das sind Für die Kapverden einzigartig ist der Wein- in diesem Fall hauptsächlich Bohnen- und anbau innerhalb und am Rande der Caldeira Kartoffelarten sowie Mais. Der Bauer besitzt ab einer Höhe von 1500 m. Die Lavaböden noch ein weiteres Feld näher an Achada Fur- und das Lokalklima der Caldeira liefern für na, wo er andere Produkte anbaut. die Weinsetzlinge eine fruchtbare Grundlage. Eine Bestandsaufnahme der Anbauprodukte 66 VEGETATION

Abb. 19: in Bangaeira in der Nähe der Casa Fernan- 3.5 Natürliche Vegetation auf Fogo Wolfsmilchge- do ergab, dass hier vor allem standortange- wächs Artemisia passte Pflanzen wie Kongobohnen, Mais und Wein angebaut werden. Weitere Kulturpflan- Die natürliche Artenverteilung der Pflanzen entspricht der schon angesprochenen Eintei- Abb. 20: zen sowie Bäume waren Avocado- Setzlinge, Aloe- Pflanzen, Paprika (Pimenta), Feigen- lung nach Höhenzonen bzw. Feuchtegradi- Weinreben auf enten. Die Verbreitungsgebiete grenzen sich Lapilli in der Cha bäume, Grevillea robusta, Eukalyptus sowie Brotfruchtbäume. nach Höhenlage, Niederschlag, Sonneninten- das Caldeiras sität, Hangexposition und Temperatur scharf ab. So bilden sich angepasste Randgruppen, die isoliert an Extremstandorten vorkommen. An solchen Standorten ist die genetische Va- riabilität der Endemiten zum Teil allerdings stark eingeschränkt. Das wird hauptsächlich auf fehlende Bestäuber und daraus resultie- rende Selbstbefruchtung zurückgeführt, die für viele Pflanzen an Extremstandorten die einzige Möglichkeit sind, den Fortbestand ih- rer Art zu sichern – so auch für das Erysimum caboverdeanum. Neben dem isolierten Standort der Caldera stellen die Abschnitte der küstennahen Ve- getation, den Übergangsregionen, der Me- sophyten und Landwirtschaft sowie den Hö- henlagen weitere natürliche Barrieren für die Vegetationsverbreitung dar. In Küstennähe herrscht akute, lang anhalten- de Trockenheit. Hier hat sich vor allem die Akazie (Acacia albida) etabliert, die bis zu 20 m hoch wird und dicke Wurzeln, blaugrü- VEGETATION 67

ne Blätter und Dornen hat, die der Transpi- turschutzgebietes auf dem Weg vom Pico de Abb. 21 - 23: rationsminderung dienen. Sie ergrünt erst zu Fogo in Richtung Mosteiros ist eine Wald- und Pimenta (links), Beginn der Trockenphase. Außerdem ist der Baumvegetation vorhanden. Inwiefern diese Frucht (rechts) des afrikanische Affenbrotbaum in den niederen geschlossene Waldvegetation schon in der Affenbrotbaumes (unten) Lagen kennzeichnend. Er besitzt einen ext- Vergangenheit herrschte, kann nur vermutet rem dicken und kurzen Stamm, ausgeprägte werden, da keine konkreten Forschungen Pfahlwurzelsysteme und eine verzweigte und vorliegen. große Krone. Aufgrund der Stammsukkulenz Auf Fogo sind ganze Projekte auf das Problem können große Mengen Wasser für Trocken- der fehlenden Wald- und Baumvegetation an- zeiten gespeichert werden. Da er keine Baum- gesetzt. Rezent haben die Aufforstungsmaß- ringe ausbildet, sind Altersschätzungen nur nahmen durchaus Erfolge gezeitigt, ob eine eingeschränkt möglich, trotzdem weiß man nachhaltige Entwicklung damit erzielt werden anhand der Wachstumsraten, dass sie tau- kann, ist dennoch ungewiss. Kahlschläge sende von Jahren alt werden. Ihre länglichen, oder Überweidung sind häufig. behaarten, goldgeben Früchte entwickeln sich an langen herabhängenden Stielen. Fast alle Baumarten auf Fogo sind anthro- pogen eingeführt und künstlich angepflanzt. Frucht- und Zierbäume auf Fogo sind aus- 4. Boa Vista schließlich synanthrope Vorkommen. Oran- gen- und Zitronenbäume häufen sich vor allem an den Luvhängen. Einzig an den Luvhängen Fogos, etwa innerhalb des Na- 4.1 Klimatische Charakteristika

Die östlichste Insel der Kapverden ist durch sehr trockenes und arides Klima gekenn- zeichnet. Mit Jahresniederschlägen von we- niger als 300 mm bezeichnete es KLUG (1980: 70f) als „arid-semiarides Klima der flachen Ostinseln“. Die zu den beiden anderen Inseln vergleichsweise hohen Temperaturen und niedrigen Niederschläge haben eine wieder- um charakteristische Florengesellschaft ent- stehen lassen.

4.2 Natürliche Vegetation auf Boa Vista

Viel mehr als auf den anderen Inseln tritt Wasser als limitierender Wachstumsfaktor auf und an landwirtschaftliche Nutzung ist nicht zu denken. Selbst für einen natürlichen 68 VEGETATION

Abb. 24 & 25: Vegetationsbestand sind diese Bedingun- mancherorts aus dem Wüstensand heraus- Ribeira auf der gen grenzwertig. Die wenigen angesiedelten ragende Kalksandstein bietet genügend Halt, Insel Boa Vista und Pflanzen konzentrieren sich entweder auf die dass sich Kanarische Dattelpalmen darauf vertrocknete Akazien schmalen, tiefer liegenden Ribeiras, in denen ansiedeln können. Mit Wuchshöhen bis 18 m & Palmen nach die kostbaren Niederschläge etwas länger sind sie schon von weitem zu erkennen. Ty- vierjähriger Dürre verfügbar sind, oder sie sind durch Wasser- pisch für die trockenen Ostinseln ist auch das speicherung, oder Verdunstungsschutz an die Kaperngewächs (Cleome viscosa), das wir al- lebensfeindlichen Bedingungen angepasst. lerdings in den Dünen nicht vorfanden. In den Wie drastisch sich das Ausbleiben der ohne- tieferen Lagen zwischen den Dünenkämmen hin geringen Niederschläge auswirkt, war bei war oft Sesuvium portulacastrum vorzufinden. unseren Erkundungsfahrten mit dem Aluguer Aufgrund seiner dichten Wuchsform knapp zu erkennen. Von 2004 bis zum Herbst 2008 über dem Boden trägt auch diese Pflanze zur herrschten vier Jahre Trockenheit auf der Befestigung der Dünen bei. Eine der wenigen Insel. Selbst viele der an Trockenheit ange- Nutzpflanzen innerhalb des Deserto de Viana passten Pflanzen überlebten diese Zeit ohne ist der Wilde Tabak, der vor allem in windge- Niederschläge nicht. Vielerorts fanden sich schützten Gebieten in der Nähe von eigens vertrocknete und abgestorbene Pflanzen, dafür errichteten kleinen Mauern vorkam. An- Akazien und Palmen, nur entlang der Ribei- sonsten bestand die vorgefundene Vegetati- ras herrschte ein anderes Bild. on aus Disteln und anderen Sukkulenten. Einen Eindruck vom wüstenhaften Charakter der Insel erhielten wir im Deserto de Viana. Dieses Dünenfeld zeichnet sich durch einen geringen Anteil natürlicher Vegetation aus, mit 5. Synthese Bedeckungsgraden von gerade einmal 2-3 %. Wie schon in anderen Teilen der Insel zeigten sich auch hier teilweise die Auswirkungen der Die Vegetationsgesellschaften aller Inseln fehlenden Niederschläge der vorhergehen- sind optimal an die klimatischen, vor allem den Jahre, etwa beim Zyperngras (Zyperus an die hygrischen Gegebenheiten ange- Abb. 26-28, cadamosti). Obwohl es an trockene Standorte passt, sei es in der Extremwelt der Caldeira von links: gewöhnt ist, war es nur verdörrt vorzufinden. auf Fogo oder die Dünenfelder auf Boa Vis- Wilder Tabak; Sesu- Auch viele Akazien überlebten die letzten ta. Trotz der bestmöglichen Anpassung ist vium portulacastrum, Jahre nicht und stehen nur noch als vertrock- die Vegetation vor allem auf Boa Vista und in wie es vor allem netes Geäst in den Dünen. Bei den lebenden den Küstenregionen der anderen Inseln der- zwischen den Dünen Akazien mit ihrer ausladenden Wuchsform artigen Grenzbedingungen ausgesetzt, dass vorkommt; vertrock- lässt sich spekulieren, dass sie einen befes- sie häufig gerade noch bestehen können. Die netes Zyperngras tigenden Einfluss auf die Dünen haben. Der überdurchschnittliche Trockenheit der letzten VEGETATION 69

vier Jahre auf Boa Vista hinterließ viele abge- KLUG, H. (1980): Zur Klimageographie der storbene Pflanzen, die weite Teile des Land- Kapverdischen Inseln. In: Barth, H. K., H. schaftsbildes prägen, unterbrochen von den Wilhelmy (Hg. 1980): Trockengebiete – Natur „grünen Oasen“ der Ribeiras, in denen die und Mensch im ariden Lebensraum. Tübinger wenigen Niederschläge länger und besser Geographische Studien. Heft 80. Tübingen, gespeichert werden. An eine landwirtschaft- S. 51 - 72. liche Nutzung ohne künstliche Bewässerung ist bei diesen Bedingungen nicht zu denken. LEYENS, T. (2002): Biodiversität und Erhalt der Dass sich diese Extrema vor allem auf Boa Hochlagenvegetation der Inseln Fogo (Kap vsta finden, liegt an der Flachheit der Insel. Verde): Ausarbeitung eines Konzeptes für ein Santo Antão und Fogo besitzen aufgrund ih- Schutzgebiet. Bonn. rer Erhebungen vor allem in den Höhenlagen differenzierte Klimaverhältnisse, so dass hier LOBIN, W. (1982): Untersuchung über Flora, Ve- Unterschiede bezüglich der Vegetationsver- getation und biogeographische Beziehungen breitungen zutage treten. Man kann das Hö- der Kapverdischen Inseln nach ihrer Einwan- henzonierungsmodell allerdings auf alle Inseln derungsgeschichte. In :Courier Forschungs- anwenden. Auch wenn die Höhenzonierung institut Senckenberg, Bd. 95.Frankfurt/Main. nur ein grobes Modell darstellt, so konnte die Exkursionsgruppe doch die meisten Vegetati- LOBIN, W./ZIZKA, G. (1987): Einteilung der Flo- onsbeispiele, die im Vorfeld für den Exkursi- ra (Phanerogamae) der Kapverdischen In- onsreader zusammengestellt worden waren, seln nach ihrer Einwanderungsgeschichte. In: auch in den entsprechenden Höhenlagen kar- Courier Forschungsinstitut. Senckenberg, Bd. tieren. Die Modelle dienen demnach als gute 95. Frankfurt/Main. Grundlagen für das Verständnis der Pflanzen- verbreitungen und Vegetationsbestimmungen LÖSCH, R. (1998): Lehrbuch der Geobotanik. Abb. 29: auf den Kapverdischen Inseln. Stuttgart/Jena/Lübeck/Ulm. Dattelpalme auf einem Kalksandsteinsockel REITMAIER, P. (2001): Wanderführer Santo im Deserto de Viana Antão. Pforzheim.

SCHICHO, W. (2001): Handbuch Literatur Afrika: Westafrika und die Inseln im Atlantik. Band 2. Frankfurt am Main. (= Handbuch Afrika in drei BARROS, B. G. DE (1998) : Landwirtschaftliche Bänden), S. 358 - 373. Praxis auf den Inseln Fogo und Brava (Kap Verden) und ihre Kompatibilität mit den offizi- SCHMITT, E./SCHMITT, T. (2007): ellen Beratungsempfehlungen. Berlin. Biogeographie: Arealkunde In: GEBHARDT, H. et al. (Hg.; 2007): B , F. ET AL. (1990) EYHL : Bilden die Kapverden Geographie. Physische Geo- ein einheitliches Florengebiet? In: Courier graphie und Humangeographie. Forschungsinstitut. Senckenberg, Bd. 129. München, S. 406-414. Frankfurt/Main. SCHRÖDER, F.-G. (1998): Lehrbuch C , H.-J. (1987) ONERT : Über den Einfluss des der Pflanzengeographie. Wiesba- Menschen auf die Flora der Kapverdischen den. Inseln. In: Courier Forschungsinstitut. Sen- ckenberg, Bd. 95. Frankfurt/Main.

FISCHER, D. (2007): Diplomarbeit: Einsatz von GIS und Fernerkundung zur Geoökolo- gischen Raumgliederung von Fogo (Kapver- den) – Eine Klassifikation auf der Basis von multivariat-statistischen Verfahren. Geogra- phisches Institut der Ruprecht-Karls-Universi- tät Heidelberg. 70 TOURISMUS Individual- und Massentourismus Ausbau und Bedeutung des Fremdenverkehrs

Noch vor einigen Jahren waren die kapverdischen Inseln 400.000 Besucher. Bis 2012 soll die Bettenzahl deshalb und ihre Lage wenig bekannt. Ab den 70er Jahren galten auf 15.500 gesteigert werden (MALETZ 2006). Die meisten die Inseln unter Flugzeugbesatzungen, denen ein Hotel Touristen kommen aus der früheren Kolonialmacht Portu- auf Sal als Übernachtungsmöglichkeit diente, als „Ge- gal und aus Italien, gefolgt von Deutschland und Frank- heimtipp“. In den Folgejahren war eine stetig steigende reich. touristische Nachfrage zu verzeichnen, sodass mehr und Derzeit verfügt das Archipel über drei internationale und mehr Hotels und Pensionen eröffnet wurden. Heute zählen vier lokale Flughäfen. Der größte internationale Flughafen die Kapverden zu einer der am rasantesten wachsenden befindet sich auf Sal. 2006 wurde der internationale Flug- Tourismusregionen West-Afrikas und gehören zur Gruppe hafen in Praia eröffnet, der bereits Flüge aus dem afrika- jener Entwicklungsländer, in denen der Tourismus zweit- nischem Festland, Amerika, Portugal, Holland, Frankreich oder drittstärkster Devisenbringer ist (MANNINGER 2008). und den Kanaren empfängt. Im Folgejahr eröffnete der Wie in vielen anderen Entwicklungsländern (insbesonde- internationale Flughafen auf Boa Vista. Derzeit verbinden re Inselstaaten), gibt es auch auf den Kapverden kaum fünf Fluggesellschaften den deutschsprachigen Raum mit wirtschaftliche Alternativen zum Tourismus. Dies erklärt, den Kapverden: die portugiesische TAP (Transportos Aé- warum seit der Demokratisierung im Jahr 1991 der Aus- reos de Portugal), die kapverdische TACV (Cabo Verde bau der Infrastruktur, die Förderung der Privatisierung und Airlines), sowie die Fluggesellschaften TUIfly, Condor und die Entwicklung des Tourismus zu den wichtigsten Zielen Hapagfly. der Regierung zählt. 1992 wurden das Ministerium für Tourismus und die Tourismus-Vermarktungs-Organisation PROMEX gegründet. Der in der Folge erstellte nationale Ökonomisches Allheilmittel? Tourismusentwicklungsplan verfolgt, neben dem Ausbau der Infrastruktur und der Erweiterung der Flugkapazität, auch die Verbesserung der Müllentsorgung. Weiterhin sol- Der Tourismus birgt enormes wirtschaftliches Potential. len vielfach touristische Arbeitskräfte ausgebildet werden Zwischen 1998 und 2004 stieg der Anteil des Tourismus und der Service und das Angebot optimiert werden. am Bruttoinlandsprodukt von 3,7% auf 11% an, die Ein- künfte haben sich von 12 Mio. € mehr als verachtfacht In den ersten Jahren fand die touristische Entwicklung der auf über 103 Mio. €. Im Jahr 2004 hatten die Tourismus- Inseln vor allem auf Sal statt, wo der internationale Flug- einkünfte einen Anteil am Exportwert von über 40%, so- hafen liegt, sowie in den Wirtschaftszentren Praia (Santia- dass man davon ausgehen kann, dass der Tourismus am go) und Mindelo (São Vicente). Auch wenn noch im Jahre durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 5,5% einen 2003 vier von fünf Urlaubern auf Sal blieben, macht die hohen Anteil hatte. Am Ausgleich des Handelsbilanzdefi- rasante touristische Entwicklung auch vor den übrigen zits konnte der Anteil des Tourismus zwischen 1997 und Inseln nicht Halt. Auf den flachen Ostinseln Sal und Boa 2004 um das 3,6fache von 7% auf 25% erhöht werden. Ein vista mit ihren kilometerlangen, feinsandigen Stränden hat weiterer positiver Effekt der touristischen Erschließung ist sich schon früh der Badetourismus mit Pauschalangebo- die Schaffung von Arbeitsplätzen. 2005 konnten durch den ten durchgesetzt. Individualurlauber, die das Wandern in Tourismus ca. 12.550 Arbeitsplätze geschaffen werden. der Natur bevorzugen und bereit sind, sich auf die Verhält- Bei den Angestellten handelt es sich fast ausschließlich nisse vor Ort einzustellen, steuern dagegen eher die ge- um Kapverdianer. Europäer sind lediglich im Management birgigen Inseln im Nordwesten und Süden wie z.B. Santo großer Ressorts und Hotels beschäftigt (MALETZ 2006). Antão und Fogo an. Die zahlreichen Verflechtungen des Fremdenverkehrs Die rasante touristische Entwicklung der Kapverden wird mit anderen Wirtschaftszweigen, z.B. dem Baugewerbe, an der Zahl der Touristen und Betten deutlich. Im Jahre der Landwirtschaft und verschiedenen Dienstleistungen, 1982 existierten 15 Pensionen und Hotels mit insgesamt bewirken zusätzlich ein indirektes Einkommen aus dem 455 Betten auf den Inseln. Während im Jahre 1991 die Tourismus. jährliche Touristenzahl bei ca. 19.000 lag, stieg die Zahl Um die Entwicklung anzukurbeln, versucht die kapverdi- der Touristen seit 1994 jährlich um 11%. 1999 konnten sche Regierung ausländische Investoren zu locken, etwa 67.000 Touristenankünfte verzeichnet werden. Im selben durch den Erlass von Steuergeldern für touristische Direk- Jahr gab es 85 Beherbergungsbetriebe mit einer Kapa- tinvestitionen in den ersten fünf Jahren, oder den zollfrei- zität von 1.977 Zimmern und 3.602 Betten. In den vier en Import und Export von Gütern und Materialien für die Jahren bis 2003 verdreifachte sich die Zahl der Touristen Errichtung touristischer Anlagen. Diese Investitionsvorteile auf 178.000. Für 2008 prognostizierte die Regierung rund führen jedoch gleichzeitig zu einer erheblichen Reduzie- rung der staatlichen Steuer- und Zolleinnahmen. Ein wei- teres Problem besteht darin, dass die lokalen Anbieter oft nicht in der Lage sind, die nachgefragten Warenmengen zu liefern. Oftmals ist der Import von Produkten aus der EU zuverlässiger und aufgrund der hohen Agrarsubventio- nen auch billiger. Auf den Kapverden werden ca. 90% der Nahrungsmittel importiert, vor allem jene für den touristi-

Bild links: Massentourismus, Riu-Hotel auf Sal; Rechte Seite oben: Strandpanorama Santa Maria; unten: Einnahmequelle Tourismus TOURISMUS 71

schen Konsum. Weiterhin werden nahezu alle Luxusgüter, mit dem Tourismus vielfältige Nutzungskonflikte. Hier wer- Fahrzeuge, Einrichtungsgegenstände und Baustoffe aus den die touristisch attraktiven Strände in den Sommer- dem Ausland bezogen. monaten von den zahlreichen Meeresschildkröten zur Ei- ablage genutzt. Hinzu kommen Umweltbelastungen und Da der steigende Bedarf an Unterkünften auf den Kap- Nutzungskonflikte durch Trendsportarten wie Motocross, verden zum großen Teil nur durch die Errichtung großer Mountainbike oder Offroad-Touren mit Geländewägen, Hotelanlagen gedeckt werden kann und es den nationa- die insbesondere auf Boa Vista zur Störung der Anpflan- len Investoren weitgehend an Kapital mangelnt, hängt ein zungsmaßnahmen auf den (wandernden) Dünen führen. Ausbau der Kapazitäten zwingend von ausländischem Kapital ab. Diese Besitzverhältnisse der touristischen An- LINDA LÜDEMANN lagen führen dazu, dass ein großer Teil der Devisenein- nahmen wieder zurück ins Ausland fließen (LUGER 2006). Mit der rasanten touristischen Erschließung sind nicht sel- ten auch ökologische Folgen verbunden. Wo der Massen- Literatur tourismus dominiert wie auf Sal und Boa Vista, kommt es häufig zu einem enormen Abfallaufkommen, das aufgrund des Mangels an adäquaten Entsorgungssystemen oft Luger, K. (Hrsg.):Tourismus in der Dritten Welt. Zur Dis- nicht bewältigt werden kann. Auch die Versorgung mit dem kussion einer Entwicklungsperspektive, Wien: Südwind- chronischen Mangelprodukt Wasser erweist sich als sehr Verlag, 2006 problematisch. Die Situation verschlechtert sich mit zu- nehmendem touristischen Bedarf weiter. Auf Sal und São Maletz, V.: Diplomarbeit: Tourismus und Nachhaltigkeit Vicente erfolgt die Wasserversorgung heute ausschließ- am Beispiel der Kapverden, Geographisches Institut der lich und auf Santiago zum größten Teil über kosten- und Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 2006 flächenintensive Meereswasserentsalzungsanlagen. Die Manninger,K.: Diplomarbeit: Projektorientierter Masterplan anderen Inseln verfügen nicht über Entsalzungsanlagen, für eine nachhaltige Tourismusentwicklung in São Miguel, sodass Wasser importiert werden muss (MALETZ 2006). Kap Verde, Institut für Geographie und Raumforschung Vor allem in den Küstengebieten der Inseln ergeben sich der Karl-Franzens-Universität Graz, 2008 72 FISCHEREI Mehr Handwerk als Industrie Die Fischerei wächst auf den Kapverden nur langsam

Das Aufeinandertreffen kalter und warmer Meeresströ- den Inseln selbst. So ist die Insel Sal bekannt für den Ex- mungen bringt Fische der Tropen und des Nordatlantiks port von Langusten, was sich in der Außenhandelsbilanz in der Region um die Kapverden zusammen. Die vorherr- der Inselrepublik durchaus bemerkbar macht. schenden Passatwinde und der Kanarenstrom bewirken zudem, dass kaltes, nährstoffreiches Wasser vom Meeres- boden an die Oberfläche steigt. Mit Hilfe der Sonne wird die Westafrikanische Meeresregion um die Kapverden so zu einem der produktivsten Meeresgebiete der Welt – hier wird von Thunfisch, Hornfisch, Sardinen, Heringe und Bar- schen über Brassen, Rochen, Flundern und Stachelmak- relen bis hin zu Muränen, Haien, Langusten und Krabben alles gefangen, was die Herzen von Feinschmeckern höher schlagen lässt. Die Kapverdischen Inseln verfü- gen über Fischereigewässer, die etwa 183-mal so groß sind wie ihre Landfläche selbst. In einem Gebiet von rund 735.265 km2 kön- nen die kapverdischen Fischer ihre Arbeit verrichten, um Geld und Nahrung für die Bevölkerung Die GTZ (Deutsche Gesellschaft für technische Zusam- zu erwirtschaften. Wirtschaftlich menarbeit), aber auch der Staat, fördern die Verbesse- schöpfen die Kap Verden ihre rung der Fischerei und verschiedene Maßnahmen, um Fischereigewässer allerdings der Überfischung vorzubeugen. Auch unterstützen sie die noch nicht voll aus. Ihre jährliche handwerklich arbeitenden Fischer und ihre Familien. durchschnittliche Fangmenge MEIKE FRANZ liegt bei 10 000 t (2004), obwohl schätzungsweise 45 000 t möglich wären, ohne der Na- tur Schaden zuzufügen. Wie sollte auch eine Fischerei, welche noch stark durch die handwerklichen Methoden geprägt ist und auf alte Boote, Angelschnüre und Netze Literatur zurückgreift, mit den hoch technisierten Schiffen und Me- thoden aus dem Ausland mithalten. Unterscheiden muss man in der kapverdischen Fischerei SCHLEICH, H. HERMANN, KARIN SCHLEICH (1998): Cabo Verde zwischen dem handwerklichen und industriellen Fisch- – Kapverdische Inseln. Stuttgart. fang. Der handwerkliche Fischfang wird von den Bewoh- nern betrieben um sich selbst, Familie und Bekannte zu STATISTISCHES BUNDESAMT DEUTSCHLAND (1990): Länderbe- versorgen. Die industrielle Fischerei dagegen verkauft richt. Kap Verde. Stuttgart. den Fisch beispielsweise an Fabriken, die Fischkonserven oder – Marinaden herstellen. Dies geschieht teilweise auf KARTEN 73

KARTENWERK

Manuel Herzog, Niklas Schenck, Meike Franz

in Panasonic Toughbook und ein GPS-Tracker waren die Ebesten Freunde der Gruppe, die im Gelände weniger Mes- sungen zu leisten hatte, dafür aber vor und nach der Exkursion alle Hände voll zu tun hatte: Vor Abreise wurden umfangreiche GIS-Datenbanken erstellt, hinterher eigene Karten mit unseren Wander- und Fahrtrouten angefertigt.

In wochenlanger Arbeit am Scanner und vor dem Computer beim Geo- referenzieren erstellte die Gruppe vor der Exkursion für jede Insel eine Geodatenbank mit allen verfügbaren topographischen, geologischen und pedologischen Karten sowie mit Hö- henmodellen (ASTER und SRTM) und Satellitenbildern (ASTER und diverse Landsatserien). Und nach der Rückkehr galt es, die Karten für diesen Reader und als Grundlage für eine Präsentation an der Pädagogi- schen Hochschule zu gestalten, die den anderen Exkursionteilnehmern sowohl als Routen für Google Maps als auch als fertige Print-Karten zur Verfügung gestellt wurden. Eine zweite Gruppe kümmerte sich um das Layout dieses Readers, na- mentlich: Jessica Kramberg, Markus Engler, Kajta Romanski und Niklas Schenck.

Bilder linke Seite: Fischmarkt in Mindelo auf der Insel São Vicente Rechte Seite oben: Weltkugel mit Kapverdenfokus, ebenfalls in Mindelo auf São Vicente Rechts unten: Geologische Karte der Insel Fogo, Karto- graphie: Claas Olehowski, Pädagogische Hochschule Oben: Rückflug nach Europa 74WanderungKARTEN von Ponta do Sol nach Cruzinha Antão: Wanderung Ponta do Sol nach Cruzinha

695000 696000 697000 698000 699000 700000 701000 702000 703000 704000 705000 706000

Ponta do Sol 1903000

A17 1903000 UTM Zone 26 N / WGS 84 A18 1902000 A19 1902000 A20 Fontainhas Legende 1901000 A21 Ribeira Grande 1901000 Ortschaften Haltepunkte/Messungen

1900000 Fahrt Cruzinha nach Ponta do Sol Cruzinha 1900000 Wanderung Ponta do Sol Cruzinha 1899000 1899000

Cha de Igreja Höhenstufen [m ü. M.] 1898000 1898000 Meeresspiegel < 200 1897000

1897000 200 - 400 400 - 600

1896000 600 - 800 1896000 > 800 1895000 1895000 10120,5 1894000

1894000 Kartographie: Franz, Herzog, Schenck - Universität / PH Heidelberg Datengrundlage: ASTER-DGM, eigene GPS-Kartierung 2009 695000 696000 697000 698000 699000 700000 701000 702000 703000 704000 705000 706000

Antão:Wanderungen Wanderungen Pico Pico da Cruz da Cruz/ Ribeira & Ribeira Paul Paul

706000 707000 708000 709000 710000 711000 712000 713000

Vila das Pombas 1897000 1897000

Eito UTM Zone 26 N / WGS 84 1896000

A16 1896000 1895000 1895000 Ü

A15 A24 1894000 A14 Faja de Janela

1894000 Legende A25 A12 Ortschaften A11 A13 A26 A10 Haltepunkte/Messungen A4 A8 A27 A7 Fahrt Ribeira Paul - Punta do Sol A30 A29A28

1893000 A6 A5 A31

A9 1893000 Wanderung Pico da Cruz Cova A33A32 Wanderung Ribeira Paul de Paul A35 A34

A36

1892000 Pico da Cruz Pico da Cruz 1892000 A3 (Ortschaft) 10120,5 Kilometer

Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM - SRTM 90m, 1891000

1891000 Landsat-Aufnahme (ETM+) Mai 2001, eigene GPS-Kartierung 2009 706000 707000 708000 709000 710000 711000 712000 713000 KARTEN 75 WanderungAntão von Cha – Wanderung de Morte nach Cha Alto de MorteMira III

688000 689000 690000 691000 692000 693000

Alto Mira III 1889000 1889000

UTM Zone 26 N / WGS 84

Legende

1888000 Ortschaften 1888000 Haltepunkte/Messungen Fahrt Cha de Morte - Porto Novo Wanderung Cha de Morte - Alto Mira III

Höhenstufen [m ü. M.] 1887000 1887000 < 400 400 - 600 600 - 800 800 - 1000 1000 - 1200 1886000

1886000 1200 - 1400 1400 - 1600 > 1600 Cha de Morte A37 1010,5 Kilometer

1885000 Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg 1885000 Datengrundlage: ASTER-DGM, eigene GPS-Kartierung 2009 688000 689000 690000 691000 692000 693000

Geländeprofil – Wanderung Ribeira do Paul, 13. März 1600

1400 Cova de Paul 1200

1000

800

Höhe [m ü. NN] 600

400 Eito 200

0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 9000 Länge [m]

Geländeprofil – Wanderung Ponta do Sol - Cruzinha, 14. März

250

200

150

100

Höhe [m ü. NN] Ponta Cruzinha 50 do Sol

0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 9000 9500 10000 10500 11000 11500 12000 12500 13000 Länge [m] 76 KARTEN

Geländeprofil Geländebegehung Pico da Cruz 15.03.2009 Länge 9800m

1600 Pico da Cruz

1400

1200

1000

800

Höhe [m ü. NN] 600

400 Faja de Janela 200

0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 9000 9500

Länge [m] Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM - SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009

Geländeprofil Geländebegehung Cha de Morte 16.03.2009 Länge 5400m

1100

900 Alto Mira 3

700 Höhe [m ü. NN] 500 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500

Länge [m] Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM -SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009

Foto Mitte: Abstieg vom Pico Pequeno auf der Insel Fogo. Alle Geländeprofile: Manuel Herzog, Niklas Schenck. Datengrundlage: DGM (SRTM 90 m), eigene Kartierung. KARTEN 77 Kilometer S UTM Zone 26 N / WGS 84 2000 - 2500 Ortschaften Haltepunkte/Messungen GP Pico de Fogo Wanderung Pico Pequeno Wanderung 1500 - 2000 > 2500 1000 - 1500 < 1000 0,5

Legende Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg Datengrundlage: DGM Olehowski (2007), eigene GPS-Kartierung 2009 Höhenstufen [m ü. M.] 0123

1658000 1657000 1656000 1655000 1654000 1653000 1652000 1651000 1650000 788000 788000 787000 787000 Pico de Fogo F10 F9 F8 786000 786000 F7 F13 F6 F12 F11 F5 F4 785000 785000 F14 Pico Pequeno F3 784000 784000 Bangaeira F2 F15 783000 783000 Wanderungen Pico de Fogo Wanderungen 782000 782000 Fogo: Wanderung zum Picolino und auf den Pico de Fogo Fogo: Wanderung

781000 781000

1658000 1657000 1656000 1655000 1654000 1653000 1652000 1651000 1650000 78 KARTEN Kilometer UTM Zone 26 N / WGS 84 500 - 1000 2000 - 2500 1500 - 2000 > 2500 < 500 1000 - 1500 Meereshöhe Ortschaften Haltepunkte/Messungen GPS Fahrt Mosteiros - Salo Filipe Bangaeira - Mosteiros Wanderung Legende Höhenstufen [m ü. M.] 0,5

Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg Datengrundlage: DGM Olehowski (2007) eigene GPS-Kartierung 2009 0123

1664000 1662000 1660000 1658000 790000 790000 Igreja / Mosteiros 788000 788000 F27 F26 F25 F24 F23 F22 F21 F20 F19 F17 786000 786000 F18 F16 784000 784000 Bangaeira Wanderung Bangaeira nach Mosteiros Wanderung Fogo: Wanderung von Bangaeira nach Mosteiros an der Küste Fogo: Wanderung 782000 782000 KARTEN 79

Geländeprofil GeländebegehungPico Pequeno 19.03.09 Länge 8600 m 2200

Pico Pequeno 2000

1800 Bangaeira Höhe [m ü. NN] 1600 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 Länge [m] Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM -SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009

Geländeprofil GeländebegehungPico de Fogo 20.03.09 Länge 11950m 3000 Pico de Fogo 2800

2600

2400 Aufstieg Abstieg 2200

Höhe [m ü. NN 2000

1800 Bangaeira Bangaeira 1600

1400 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 9000 9500 10000 10500 11000 11500 12000

Länge (m) Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM -SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009

Geländeprofil Geländebegehung Mosteiros 21.03.09 Länge 13600m 1800 Bangaeira 1600

1400

1200

Bodenmessungen 4 1000

800 Höhe [m ü. NN] 600

400

200

Mosteiros 0 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000 5500 6000 6500 7000 7500 8000 8500 9000 9500 10000 10500 11000 11500 12000 12500 13000 13500 14000

Länge [m] Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / Pädagogische Hochschule. Datengrundlage: DGM - SRTM 90m, eigene GPS-Kartierung 2009 80 KARTEN Boa Vista – Wanderung zum Rocha Estancia

294000 294500 295000 295500 296000 1775000 1775000

Rocha Estancia UTM Zone 27 N / WGS 84 354 m Legende Ortschaften

350 Wanderung Rocha Estancia 1774500 1774500

300 Povacao Höhenstufen [m ü. M.] Velha < 20 20 - 40 40 - 60 60 - 80 1774000 1774000 80 - 100 100 - 150 150 - 200 200 - 250 250 - 300 300 - 350 1773500 1773500 350 - 400

Kartographie: Schenck, Herzog, Franz - Universität / PH Heidelberg Datengrundlage: ASTER DGM , eigene GPS-Kartierung 2009

Meter 294000 294500 295000 295500 296000 0250500125