Kulturlandschaftswandel im Zürcher Unterland

Von der Agrarlandschaft zur Industrieregion 18501965

Hans Hofer

Einleitung schen Hochfelden und Rheinsfelden ein zum Teil schluchtartiges Tal entstand. Vom Sporn der Lägern, der östlichsten Jurakette, Im Glattal sind die markanten Moränenzüge, die kann man den größten Teil des Zürcher Unterlan¬ bei Oberglatt, -Seebach und Dübendorf des überblicken, dessen Kerngebiet das untere quer über dem Talboden liegen, die Zeugen des Glattal darstellt. In für schweizerische Verhältnisse etappenweisen Rückzuges des Linthgletschers. In ungewöhnlicher Breite (bis 8 km) erstreckt sich das den rückwärtigen, von wasserundurchlässigen untere Glattal, im Osten von der niedrigen Detten- Grundmoränen erfüllten Zungenbecken bildeten berg-Rheinsberg-Kette, im Westen von den Molasse¬ sich kleine Seen (2). Die Seen verlandeten, und höhen bei Rümlang-Oberglatt, der Lägern und dem schließlich entstanden große Riedflächen, insbeson¬ Stadlerberg flankiert, von Opfikon 20 km nord¬ dere südlich von Bülach, zwischen Oberglatt und wärts bis zum Zürcher Rhein. Bei den Morä¬ und bei Neerach. Die Menschen mieden die nenzügen von erfolgt fast unmerklich breiten, versumpften Talsohlen, die zudem bis zur der Übergang ins Wehntal, und bei zum Kanalisierung der Glatt immer wieder von Über¬ rechtsrheinischen Rafzerfeld, so daß die drei Täler schwemmungen heimgesucht wurden. Sie siedelten beinahe eine landschaftliche Einheit bilden. Furt¬ sich an den sanften Talflanken in trockenen Ge¬ tal und unterstes Tößtal, die als Randgebiete mei¬ hängebuchten oder auf kleinen Terrassen an. Ein¬ stens auch zum Unterland gerechnet werden, sind zig Glattbrugg und Oberglatt entstanden mitten im in die folgende Darstellung nicht einbezogen. Talgrund auf Moränenhügeln. Eine Sonderstellung Der ganze Raum ist stark durch die Eiszeit geprägt nehmen die auf gesicherten Flußterrassen liegenden (1). Die Süd-Nord-Richtung, das heißt die Flie߬ Brückenorte und Eglisau ein. Im was¬ richtung des eiszeitlichen Linthgletschers, domi¬ serarmen Rafzerfeld machten sich die Bewohner niert in der Großgliederung des Reliefs. Einzig im am Fuße des Süd-Randens seßhaft, wo sie genü¬ Rafzerfeld, wo der Rheingletscher von Osten vor¬ gend Quellwasser fanden. drang, herrscht die Ost-West-Richtung vor. Die Dieser nordwestliche Kantonsteil, der bis anhin am Kleingliederung des Talgrundes ist der letzten Eis¬ industriellen Aufschwung des Kantons ver¬ zeit und der Nacheiszeit zu verdanken. Bei seinem hältnismäßig wenig Anteil hatte, ist in den letzten letzten Vorstoß lagerte der Linthgletscher die End¬ 15 Jahren von einer stürmischen Entwicklung er¬ moräne ab, die sich hufeisenförmig vom Detten- faßt worden. Natürlich wurzelt manche Erschei¬ berg bei Bülach über Hochfelden-Stadel-Steinmaur nung in der Vergangenheit und kann aus der histo¬ zur Nordflanke der Lägern hinzieht. Der Rhein¬ rischen Sicht besser verstanden werden. Dies ist gletscher lagerte die Endmoräne am Ostrand des aber nicht der alleinige Grund, weshalb zuerst ver¬ Rafzerfeldes ab. Außerhalb der Moränen schütteten sucht wird, den Kulturlandschaftswandel der letz¬ die Schmelzwasser die Schotterkörper von Seglin- ten 100 Jahre in großen Zügen nachzuzeichnen. gen, Glattfelden, Windlach und auf, die für Ich möchte die moderne, durch Industrie und Ver¬ die Kiesausbeutung eine große Bedeutung erlangt kehr geprägte Landschaft der früheren Agrarland¬ haben. Nach dem Rückzug des Rheingletschers ver¬ schaft möglichst eindrücklich gegenüberstellen. sperrte die Endmoräne den Schmelzwassern den normalen Abfluß nach Westen und sie mußten sich zwischen Irchel, Buchberg und Rheinsberg einen Die Kulturlandschaft um 1850 neuen Weg bahnen, um erst im Gebiet der heutigen Station Hüntwangen das alte Bett wieder zu er¬ Das einfache, durch die Natur vorgezeichnete Sied¬ reichen. In der Nacheiszeit schnitt sich der Rhein lungs- und Straßenbild tritt uns noch in der vor¬ zwischen Rüdlingen und Eglisau in den Molasse¬ züglichen Kantonskarte von Wild {18401860 ent¬ grund und unterhalb Eglisau in den Schotter ein. standen) entgegen. Sogar die damalige Wirtschafts¬ So entstand das canyonartige Tal, einer der schön¬ struktur läßt sich zum Teil aus der Karte heraus¬ sten Stromabschnitte zwischen Bodensee und . lesen, trug doch Wild auch die Fabriken und Müh¬ In die kräftige Erosionsarbeit des Stroms wurde len in die Kartenblätter ein. Im Gegensatz zum auch die unterste Glatt eingespannt, so daß zwi¬ Oberland sind im Unterland die Fabriksignaturen

49 äußerst spärlich vertreten. Das Unterland, wie bau und wurde das bedeutendste Verkehrszentrum überhaupt der nördliche Kantonsteil, hatte seinen der Ostschweiz. Ein rascher wirtschaftlicher Auf¬ bäuerlichen Charakter bewahrt. Der Boden für die schwung setzte ein. Die Stadt wuchs in die benach¬ im 19. Jahrhundert einsetzende Fabrikindustrie barten Dörfer hinein, limmattalabwärts das Indu¬ war nicht vorbereitet wie im Oberland, wo die im striequartier, und am Zürichberg stiegen die Wohn¬ 17. und 1 8. Jahrhundert blühende Heimindustrie quartiere immer höher und höher hinauf (1. Einge¬ den Umbruch von einer vorwiegend agrarischen meindung). Noch vor der Jahrhundertwende Lebens- und Denkweise zu einer industriellen be¬ sprengte das groß gewordene Industrie- und Han¬ reits bewirkt hatte. Braun (3) schildert in packen¬ delszentrum mit der Gründung der Oerlikoner In¬ der Weise, wie im Gebiet der Weiler und Einzel¬ dustrie seinen natürlichen Landschaftsrahmen. Die¬ höfe des gebirgigen Oberlandes dank dem fehlen¬ ser erste industrielle Schwerpunkt auf der Nord¬ den dörflichen Wirtschaftszwang und wegen der seite des Milchbucks übte dann später einen beson¬ wenig ertragreichen Landwirtschaft die Voraus¬ deren Einfluß auf das Glattal aus. setzungen für die Einführung der Verlagsindustrie Zürich wirkte damals im ganzen Kanton als nach¬ (Zürcher Textilunternehmer ließen auf dem Lande ahmenswertes Beispiel; viele Gemeinden wurden Baumwolle verarbeiten) günstig waren. Dagegen vom Eisenbahnfieber gepackt, da sie sich von ei¬ banden im Unterland geschlossene Siedlungsweise nem Anschluß an das Schienennetz und insbeson¬ und Dreifelderwirtschaft die Bevölkerung an starre dere von einer Verbindung mit Zürich wirtschaftli¬ rechtliche und wirtschaftliche Normen. In einem chen Aufstieg versprachen. Auch das Unterland derart festgefügten Wirtschaftskörper konnte die wurde von dieser Gründungswelle erfaßt. Von Verlagsindustrie nur schwer Fuß fassen. Man be¬ 1865 bis zur Jahrhundertwende entstand ein relativ schränkte sich weitgehend auf die Verarbeitung von dichtes Bahnnetz. Den meisten Gemeinden ver¬ Flachs, Hanf und Roggenstroh (Strohindustrie im schaffte jedoch der neue Verkehrsweg lange Zeit Rafzerfeld), die im bäuerlichen Betrieb gewonnen nicht die erhoffte Neubelebung, da die Industriali¬ wurden. sierung ausblieb. Kloten und wurden Für die zweite Industrialisierungsphase, die im 19. sogar mit dem «Nationalbahn-Abenteuer» in große Jahrhundert mit dem Bau von Textilfabriken an ge- Schulden gestürzt. fällsreichen Flüssen und Bächen einsetzte, fehlte Da industrielle Arbeitsplätze weitgehend fehlten, somit im Unterland die heimindustrielle Basis; zu¬ wurde das ackerbautreibende Unterland durch die dem waren die hydrographischen Verhältnisse für Agrarkrise der achtziger Jahre besonders hart be¬ die Ausnützung der Wasserkraft ungünstiger als im troffen. Dies führte zu einer Entvölkerung der Oberland. Nur an der unteren Glatt bei Bülach Bauerndörfer. Viele Kleinbauern siedelten nach gründete man zwei Baumwollspinnereien (4). Die Zürich um, wo der Kräftezuwachs aus der Land¬ beiden Betriebe, 1850 die einzigen Fabriken im schaft erwünscht war. Andere zogen es vor, täg¬ Unterland (ohne unteres Tößtal), beschäftigten 150 lich nach Oerlikon, Zürich oder zu fah¬ Personen (5), während im Oberland in 50 Fabri¬ ren, um in den dortigen Fabriken ihr Brot zu ver¬ ken 3500 Arbeiter ihr Brot verdienten. dienen und nebenbei noch ihr kleines Gut zu be¬ Die unterschiedliche Entwicklung spiegelt sich in wirtschaften. Die erste Pendlerstatistik von 1910 den Bevölkerungszahlen, und zwar nicht in erster meldet daher auch für unser Gebiet eine ansehn¬ Linie bei der Bevölkerungszunahme, die in beiden liche Zahl von Pendlern. Nur langsam vermochte Gebieten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich die Landwirtschaft zu konsolidieren. Die der relativ bedeutend war, sondern in der Siedlungs¬ Scholle treu gebliebenen Bauern konnten die bei größe. Im industriellen Oberland zählte man 1850 der Liquidation von Betrieben frei werdenden ein Dutzend Dörfer mit 2000 bis 5000 Einwoh¬ Grundstücke erwerben und ihre Existenzbasis er¬ nern, während im agraren Unterland die 6 größten weitern. Sodann führten die gedrückten Getreide¬ Gemeinden (Kloten, Bülach, Stadel, Glattfelden, preise zu einer Änderung der Betriebsstruktur im Eglisau und Rafz) nur zwischen 1000 und 1600 Sinne eines vermehrten Überganges zur lohnende¬ Einwohner meldeten. Sogar die beiden Landstädt¬ ren Graswirtschaft. chen Bülach und Eglisau besaßen noch durchaus Eine andere Entwicklung nahmen Bülach und bäuerlichen Charakter und führten bei aller ge¬ Glattfelden. In Glattfelden bewirkte die blühende werblichen Geschäftigkeit ein beschauliches Da¬ Textilindustrie (4) eine Zuwanderung von Arbei¬ sein, wie es Gottfried Keller in seinen «Leuten von tern. Langsam vollzog sich der Wandel vom Bau¬ Seldwyla» schildert. ern- zum Industriedorf. Bülach bereitete mit einer geschickten Eisenbahn¬ Der Kulturlandschaftswandel von 18501945 politik den Boden für seine industrielle Entwick¬ lung vor. Im sogenannten «Dettenbergkrieg» (6) In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts über¬ zwischen Winterthur und Bülach, wo es um die nahm die Stadt Zürich die Führung im Eisenbahn¬ Trasseeführung der Linie WinterthurWaldshut

50 ging, siegte Bülach, indem der Bundesrat zugun¬ auch in , , Niederglatt sten eines Dettenberg-Durchstichs entschied. Da¬ und Rafz Einzug. mit wurde Bülach Eisenbahnknotenpunkt. Die Aus¬ Manche Leser mögen sich des Artillerie-Waffen¬ ließ wertung dieser günstigen Verkehrslage aller¬ platzes Kloten-Bülach erinnern. Er hat so merk¬ noch auf sich aber mit der Grün¬ dings warten; würdig das klingen mag entscheidend zur unge¬ dung der Glashütte, die 1965 ihr 75jähriges Beste¬ stümen Entwicklung der letzten 15 Jahre beigetra¬ hen feiern der erste konnte, war Schritt zur späte¬ gen. Zu Anfang dieses Jahrhunderts erkannte man ren Entfaltung getan. Bald entstanden weitere Be¬ die glänzende Eignung des großen Riedes zwischen triebe. Die Bevölkerung nahm von 18901910 um Kloten und Bülach für Artillerie-Schießübungen. rund 1000 Personen zu. So blieb trotz krepierenden Granaten die urwüch¬ Auch in der Zwischenkriegszeit wiesen wieder die sige Ried-Wald-Landschaft mit ihrer eigenartigen am Südrand des Unterlandes liegenden Vorortsge¬ Vogel- und Pflanzenwelt erhalten. 40 Jahre später, meinden der Stadt Zürich (Oerlikon, Seebach, als man auf der Suche nach einem geeigneten Areal Schwamendingen und ) die stärksten Ver¬ für einen interkontinentalen Flughafen war, fiel die änderungen auf. Der Aufschwung stand in engstem Wahl auf das Waffenplatzgelände. Hier, in die¬ Zusammenhang mit der Expansion der Stadt, de¬ sem unbesiedelten Gebiet, erkannte Zürich die ren Häusermeer mit den Glattalvororten zusam¬ Chance, ohne Niederreißen von Häusern, Kultur¬ menwuchs; was 1934 durch die zweite Eingemein¬ landverlust und ohne Abtrag von Hügeln den grö߬ dung auch rechtlich vollzogen wurde. Die Gro߬ ten schweizerischen Flughafen erstellen zu können. stadt, die sich nun endgültig ein Wohnrecht im Für das Unterland bildete daher die Abstimmung Glattal gesichert hatte, wirkte wie ein Magnet auf vom 5. Mai 1946 über den Bau des Flughafens die Landbevölkerung. Der Pendlerstrom schwoll Kloten Abschied von den vertrauten Artilleriesal¬ auch aus Richtung Unterland von Jahr zu Jahr an. ven und Anbruch einer neuen Zeit. Schon bald Trotz den intensiveren Beziehungen zwischen nach dem Beschluß zogen Übermittlungstruppen in Stadt und Land änderte sich die Bevölkerungsstruk¬ die Kasernen Bülach und Kloten ein, die viel weni¬ tur in den meisten Unterländer Dörfern nur lang¬ ger Land beanspruchen als die Artilleristen. sam, war doch noch 1941 in 23 von 30 Gemein¬ den das bäuerliche Element mit mehr als einem Drittel vertreten, unter anderem auch in Kloten und Rümlang. In diesem Zusammenhang sei an die Kulturlandschaftswandlungen von 19461965 damaligen Anstrengungen zur Verbesserung der Landwirtschaft erinnert. Hiezu leisteten die Melio¬ «Der Flughafenentscheid hatte für das Glattal die rationswerke von Rümlang-Oberglatt, , Bedeutung einer Zeitenwende, deren Folgen da¬ Glattfelden und des Rafzerfeldes einen namhaften mals wohl niemand in ihrem vollen Ausmaß erfaßt Beitrag. hat. In die ruhige Gegend mit ihren schönen Bau¬ Eglisau, dem verträumten Städtchen, während Jahr¬ erndörfern an den Rändern der sumpfigen Ebene hunderten durch den Rhein geprägt, dann aber brach mit elementarer Wucht die Technik herein, nach dem Erlöschen des Rheinverkehrs an Bedeu¬ gab der Landschaft ein vollständig neues Gesicht tung verlierend, brachte die Industrie den wirt¬ und verwandelte die Orte Kloten, Glattbrugg und schaftlichen Wiederaufstieg. Rümlang zu Vorstädten Zürichs». In diesen treffenden Sätzen deutet Dr. E. Altorfer Bülach, Hauptort des gleichnamigen Bezirkes, be¬ (8) den wichtigsten Grund an, der zum Umbruch anspruchte weiterhin den größten Anteil an der In¬ führte. Er ist aber nicht die einzige Ursache. Viele dustrialisierung des Unterlandes und baute seine anthropogene Kräfte wirkten und wirken noch auf zentralen Dienste aus. 1937 beschäftigen 14 Fa¬ die Landschaft ein. Auf diesem knappen Raum briken 644 Arbeitskräfte (7). Die bemerkenswerte können jedoch nicht alle jene Erscheinungen, die gewerbliche Entfaltung kam in einer regen Wohn¬ Ausdruck der «Verstädterung» sind, so differen¬ bautätigkeit zum Ausdruck. Um das Oval des alten ziert behandelt werden, wie es wünschbar wäre. Städtchens entstanden neue Wohnquartiere, vor¬ Hiezu bedürfte es tiefschürfender soziologischer nehmlich im Norden in Bahnhof- und Industrie¬ Untersuchungen, wie sie bereits R. Wehrle auf ei¬ nähe. Die Zuwanderung aus andern Kantonen und nem Teilgebiet durchführte (9). aus dem Ausland (Glashütte) war relativ groß. Mit rund 4000 Einwohnern war Bülach vor 20 Jahren Allein schon die Zahlen über die Bevölkerungsent¬ die größte Gemeinde des Unterlandes, ein eigen¬ wicklung lassen uns die bauliche und wirtschaft¬ ständiges Zentrum mit ausgewogener Bevölkerungs¬ liche Entwicklung ahnen. Fig. 1, die einige reprä¬ struktur. Noch dominierte keine Berufsgruppe über sentative Gemeinden umfaßt, zeigt uns, daß nicht die andere. nur die Flughafengemeinden von der stürmischen Dank dem Unternehmergeist hielt die Industrie Entwicklung erfaßt worden sind.

51 Wohnbevölkerung Niederglatt 100% Dielsdorf 75%

i Steinmaur 60% 12 000 Niederweningen 38% Stadel 10% 11000 \- Bezirk Meilen 50% 10 000 2 Bezirk Horgen 42% Bezirk Affoltern 33% 9 000 3 Bezirk Pfäffikon 30% Bezirk Hinwil 28% 8 000 Bezirk Andelfingen 12% Fi 7 000 - / /1 Nur abgelegene Dörfer wie Stadel weisen eine ge¬ 6000 ringe Zunahme auf oder stagnieren. /l i Diese Zahlen vermögen jedoch nur generell über 5 000 - / i das Wachstum Auskunft zu geben. Ein viel zu¬ 11 / treffenderes Bild über die grundlegenden Ände¬ 4 000 der Bevölkerungs-, Wirtschafts- und Sozial¬ i rungen struktur vermitteln die Berufsstatistik und die Er¬ 3 000 / / hebungen über die Heimatzugehörigkeit. So wie¬ sen 1960 nur noch 10 (1950: 23) von 30 Gemein¬ 2 000 X* den als ein Be¬ __ mehr Drittel landwirtschaftlicher - __ " -* auf. Tabelle 2 zeigt bei 15 repräsenta¬ 1000 ' - - völkerung tiven Gemeinden die zum Teil enorm große Zu¬ nahme der 0 nichtlandwirtschaftlichen Bevölkerung. Auch die Übersichtskarte, die nicht nur über die 193o 1941 195o 196o 1964 baulichen Änderungen orientieren will, veran¬ 1 Kloten, 2 Bülach, 3 Opfikon-Glattbrugg, schaulicht die fortschreitende Industrialisierung 4 Rümlang, 5 Eglisau, 6 Dielsdorf, 7 sehr deutlich. Stadel Als wichtigste Ursachen, die zu einem derartigen Wandel, ja zur Bildung neuer industrieller Schwer¬ Fig. 1 Quellen: Eidg. Volkszählung von 1930, punkte im Kanton Zürich führten, seien folgende 1941, 1950 und 1960. Die Bevölkerung des Kan¬ erwähnt: tons Zürich am 1. Januar 1964. Statistische Be¬ richte des Kantons Zürich, 19. Jahrgang, Heft 3/4, Zürich 1964. 1. Bau des interkontinentalen Flughafens Kloten

Der von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnende Noch eindrücklicher wirken die Prozentzahlen, Flughafen und die Betriebe der zogen eine insbesondere bei einem Vergleich mit anderen große Zahl von Arbeitskräften an, die sich mit Kantonsteilen. ihren Familien zum Teil in den umliegenden Dör¬ fern ansiedelten.

Tabelle 1 Bevölkerungszunahme von 19501964 2. Die Großstadt sprengt ihren Rahmen

Bezirk Bülach 92% Die Stadt Zürich, die in den letzten 20 Jahren Kloten 260% abermals stark gewachsen ist (Glattalquartiere al¬ Opf ikon-G Iattbrugg 244% lein von 35 000 auf 90 000 Einwohner), hat ihre Bülach 117% Grenzen bald erreicht. Das Bauland ist knapp ge¬ Höri 66% worden. Dies zwingt viele Industrie- und Handels¬ Eglisau 25% firmen, ihre Betriebe in die Vororte zu verlegen. Rafz 13% Mit den Unternehmen verlegt auch ein Teil der Belegschaft den Wohnsitz aufs Land. Bezirk Dielsdorf 80% Andrerseits schreitet die Citybildung unaufhaltsam Rümlang 190% fort. Mit jedem neuen Geschäftshaus werden die

52 Arbeitsplätze vermehrt. Die neuen Arbeitnehmer durch das Ausscheiden von Industrieland ganz finden jedoch häufig keine zusagende Wohnung in beachtlich. der Stadt, da aus den bereits erwähnten Gründen In weiser Voraussicht auf die kommenden Verän¬ (zu wenig Bauland) auch der Wohnungsbau rück¬ derungen erließ der Regierungsrat schon 1948 (10) läufig ist. Tausende müssen auf dem Lande woh¬ einen Regionalplan für das Zürcher Unterland. Mit nen. Viele entfliehen zwar gerne der lärmigen Hilfe dieses Planes ließ sich die bauliche Entwick¬ Stadt, um ein Leben in ruhiger Umgebung und in lung etwas lenken. Allerdings nahm die Entwick¬ möglichst enger Beziehung zur Natur genießen zu lung ein rascheres Tempo an, als man damals ahnen können. konnte, und die Folgen sind auch entsprechend:

3. Die Entwicklung der ortsansässigen Industrie Überbeanspruchung des Verkehrsnetzes Dank der guten Konjunktur und der Unternehmer¬ freudigkeit entwickelte sich auch die ortsansässige Flughafen und Industriegründungen ließen den Industrie in einigen Gemeinden begünstigt Austausch von Arbeitskräften unter den Unter- Berufs- und Fabrikstatistik

Prozentanteile der Hauptenwerbsgruppen Fabriken Berufstätige Land¬ Industrie und Handel und insgesamt Betriebe Arbeitnehmer wirtschaft Gewerbe Verkehr

1941 1960 1941 1960 1941 1960 1941 1960 1937 1963 1937 1963 Flughafen- Randgemeinden

Kloten 933 3 964 30 5 38 34 12 48 5 16 117 1718 Opfikon-Glattbrugg 692 3 995 15 2,5 58 48 13 41 2 34 26 982 Rümlang 547 1551 39 11 39 51 9 23 3 24 75 857 Oberglatt 476 829 35 18 35 54 12 18 6 269 Winkel 249 297 65 36 21 32 4 22 Bachenbülach 286 451 36 12 50 60 5 18 Bezirkshauptorte

Bülach 1726 3 839 11 4,5 52 63 18 21 14 21 644 2 290 Dielsdorf 456 761 21 13 37 52 12 16 3 6 56 290

Wehntal (Auswahl)

Niederweningen 361 519 33 17 50 64 7 10 1 1 293 785 154 185 49 20 37 66 5 9 1 9 Schöfflisdorf 171 220 50 20 34 57 6 13 2 49 Stadlertal Stadel 468 434 55 45 32 35 5 12 Rheintal und Rafzerfeld (Auswahl) Eglisau 667 840 30 12 46 61 11 15 5 7 119 533 Rafz 691 865 34 23 38 55 9 11 4 9 133 443 Wil 301 347 58 38 27 43 5 8

Tabelle 2 Quellen Eidg. Volkszählung 1941 und 1960, Bd. Kt. Zürich. Ergebnisse der Fabrikzählung 1963 (Mitteilung des Eidg. Fabrikstatistik von 1937. Eidg. Fabrikinspektorates Zürich).

53 länder Gemeinden gewaltig anwachsen. Die Zahl die Gemeinde 1952 eine Bauordnung mit Zonen¬ dieser Pendler hat von 1950 bis 1960 (11/12) plan. Die damaligen Annahmen sind noch über¬ von 1800 auf 5400, das heißt um 200% zuge¬ troffen worden. Tausende sind seither zugezogen. nommen. Mit der Flughafenerweiterung (19581963), bei¬ Etwas weniger stark war das Anschwellen des nahe parallel zur Vermehrung der Dienstgebäude Pendlerstroms in die Stadt Zürich. Die Zahl der und der Verlängerung der Pisten, erfolgte ein neuer in der Stadt Arbeitenden und in den 30 Unter¬ Wachstumsschub. Über 3000 Wohnungen sind seit länder Gemeinden Wohnenden hat von 1950 1950 erstellt worden, glücklicherweise viele von bis 1960 von 2500 auf 5000, das heißt um 100% großen Baugenossenschaften, die eine einheitliche zugenommen. Überbauung gewährleisteten. Harmonisch fügen sich die neuen Quartiere in die Topographie ein. Im Dorfzentrum prallen allerdings die wuchtigen Enorme Ansprüche an die öffentliche Bautätigkeit Wohnblöcke hart mit dem alten Ortskern zusam¬ Die Dörfer verlieren ihren zürcherischen Charakter men. Aber auch dieses unschöne Bild wird ver¬ schwinden, da zwischen Bahnhof und Kirche ein Der wirtschaftliche Aufschwung wäre ohne den Geschäfts- und Verwaltungszentrum geplant ist. Zuzug von Schweizern aus andern Kantonen und Dann wird vom alten Kloten nur noch das Quar¬ von Ausländern nicht möglich gewesen. In den tier um die prächtige Kirche bleiben. Flughafengemeinden überwiegen bereits die Das Dorf hat aber nicht nur sein bauliches Gesicht Nicht-Zürcher. Was allgemein überrascht, ist die gewandelt, sondern auch sein menschliches. Im hohe Ausländerquote. Bei den meisten Gemein¬ Weichbild ist das bäuerliche Element fast völlig den liegt sie zwischen 10% und 20%. Das ur¬ verschwunden. Die 72 im Jahre 1960 noch tätigen sprüngliche Gesicht vermochten sich die Dörfer Landwirte wohnen vorwiegend in den Weilern im Wehntal, im Stadlertal und im Rafzerfeld am Egetswil und Geerlisberg, wo abseits aller Hast besten zu bewahren. noch eine intensive Landwirtschaft betrieben wer¬ den kann. In den neuen Quartieren leben Familien, Damit sind jedoch die Auswirkungen der Industri¬ die aus der ganzen Schweiz zugezogen sind. Der alisierung nur angedeutet. Der eigentliche Kultur¬ Anteil der Zürcher beträgt nur noch 30%. landschaftswandel läßt sich nur in den Teilregio¬ Wo arbeiten die neuen Klotener? Als Außenstehen¬ nen erfassen. Das Schwergewicht ist auf die Flug¬ der würde man sie in erster Linie im Flughof und hafen-Randgemeinden, Bülach und das Rafzerfeld bei der Swissair suchen, zumal die Swissair in ihrer gelegt, wo die Veränderungen besonders auffällig Heimatbasis über 4000 Mitarbeiter beschäftigt. Von sind. diesen wohnt allerdings nur ein Teil in Kloten. Überraschend viele Zugezogene fahren täglich zu ihren Arbeitsplätzen in der nahen Großstadt. Wirt¬ schaftlich ist Kloten aber doch stark nach dem Flughafen-Randgemeinden Flughafen orientiert, und man würde die Ansied¬ lung von krisenfesten Industrien begrüßen. Kloten Ein besonderes Lob verdienen die Behörden, die Mit dem Bau des Flughafens ist das städtische Ele¬ alle öffentlichen Dienste der raschen Entwicklung ment am weitesten nach Norden verschoben wor¬ anpassen mußten. Dazu nur einige Hinweise: Schon den. Beschleunigte Durchführung der Glattabsen¬ 1961 genügte die Grundwasserfassung nicht mehr kung, Trockenlegung der Riedflächen, Rodung von und der Anschluß an die Seewasserversorgung der 260 ha Wald und Einbau des Pistennetzes kenn¬ Stadt Zürich war notwendig. Seit 1962 steht die zeichnen die ersten Etappen. Ohne Hochbauten Gemeinschaftskläranlage (mit Opfikon) im Rohr- kommt kein Flughafen aus. Für den Bau des Flug¬ holz in Betrieb. 1949 verfügte das Dorf über ein hofs, des Frachthofs, der Hangars unter anderem Schulhaus. Seither sind 4 neue Schulhausanlagen eignet sich das Südende der Blindlandepiste, wo sie erstellt worden. Aber nicht nur um die Bildung, sich harmonisch um das Halbrund des Holberges sondern auch um die Gesundheit der Jugend waren gruppieren. Imposant sticht heute das Flughafen¬ die Gemeindeväter besorgt. Das prächtige Wald- gelände aus der Landschaft heraus, wahrlich ein Schwimmbad und die Kunsteisbahn sind Zeugnisse «neues zürcherisches Landschaftsphänomen» (13). dieser Anstrengungen. Hinter diesem «Tor zur Welt», im Rücken des pul¬ sierenden Lebens und der düsenlärmerfüllten Pi¬ Opfikon-Glattbrugg sten entwickelte sich das behäbige Bauerndorf, das Vor 20 Jahren war Glattbrugg, das politisch zur 1941 erst 2000 Einwohner zählte, in kurzer Zeit Gemeinde Opfikon gehört, ein bescheidenes Dorf. zur Flughafenstadt von 13 000 Einwohnern. Im Der Flughafen-Entscheid löste die Baulawine aus. Hinblick auf die kommende Entwicklung beschloß Die Baulustigen erfaßten die Situation. Sie sahen

54 das am Südrand des Flughafens und an wichtigen bezüglich Fluglärms den schlechtesten Ruf in der Ausfallstraßen liegende Glattbrugg bereits als zu¬ ganzen Schweiz genießt. Dies läßt sich nur mit dem künftige Wohngemeinde von Flughafenangestellten. Bevölkerungsdruck der benachbarten Stadt erklä¬ Bauunternehmer, Finanzgesellschaften und andere ren, wo man überall in der Umgebung nach günsti¬ bewarben sich um Bauland und trieben sich gegen¬ gem Bauland Ausschau hält. Sogar die Stadt Zü¬ seitig die Bodenpreise hinauf. 1952 gelang es den rich fördert den Wohnungsbau in den Vororten Gemeindebehörden noch rechtzeitig, die Bauord¬ mit Subventionen. nung mit Zonenplan unter Dach zu bringen. Der Am Beispiel Opfikon und Rümlang ließ sich zei¬ Zonenplan teilt das Gebiet in Wohn- und Industrie¬ gen, wie sich die Wohnbautätigkeit der Stadt Zü¬ zonen (Richtung Seebach und in Bahnhof nähe) auf. rich immer mehr in die Vororte verlagert, weil in Das Vorhandensein dieser Grundlage erwies sich der Stadt bald kein Platz mehr besteht. Damit bei der enormen Bautätigkeit (über 2000 Wohnun¬ wächst auch der städtische Lebensstil immer wei¬ gen in 15 Jahren) als ein Segen. Nur so war eine ter ins offene Land hinaus, und die Behörden müs¬ zweckmäßige und tragbare Überbauung (Werk¬ sen sich mit sozialen Problemen befassen, die bis¬ leitungen) möglich. Zum Wohnungsbau gesellte her nur in großstädtischen Quartieren bestanden. sich in den letzten Jahren, wie die Fabrikstatistik Das Siedlungs- und Wirtschaftsgebiet der Stadt (Tab. 2) eindrücklich belegt, eine beachtliche Bau¬ greift über die Stadtgrenzen hinaus. Die Berüh¬ tätigkeit der Industrie. Somit ist Glattbrugg nicht rungspunkte zwischen Stadt und Vororten werden nur «Schlafgemeinde» für die in Zürich und Klo¬ zahlreicher. Beide sind Geber und Nehmer: Die ten berufstätigen Pendler, sondern auch Wohn¬ Stadt mit den zentralen Diensten höchster Ordnung gemeinde der Betriebsangehörigen einer ortsansäs¬ (Hochschulen, Theater) und die Agglomerationsge¬ sigen Industrie. meinden mit dem Wohn- und Industrieraum. In der Auch die Öffentlichkeit mußte von Grund auf Stadt, der Kernzone der ganzen Region, geht die Neues schaffen; nicht nur die üblichen Anlagen, Bevölkerung zurück. Man denkt aber doch nicht sondern auch zwei Kirchen waren in die Planung an eine weitere Eingemeindung und hofft, daß man einzubeziehen. So entstand neben dem alten, etwas mit Hilfe einer neuen regionalen Organisation (Ge¬ abseits liegenden Ortskern Opfikon die Vorstadt meindepräsident Ruosch, Kloten) die sich stellen¬ Glattbrugg mit rund 10 000 Einwohnern. Nur we¬ den Aufgaben gemeinsam wird lösen können. nige Häuser sind mehr als 20 Jahre alt, und wenn in der Zürich ein Ort den Namen Umgebung von Bachenbülach, Oberglatt und Winkel «Satellitenstadt» verdient, dann ist es Glattbrugg: Die im Nordosten und Norden an den Flughafen eine die das Schicksal der Gemeinde, allerdings grenzenden Dörfer sind glücklicherweise noch meisten Vororte teilt. Für viele Einwohner wird sie nicht in den Sog Zürichs gelangt. Der Wandel nie zur zweiten Heimat. Sie kommen aus der na¬ ist bescheidener, aber immerhin so bedeutend, daß hen Stadt, wo sie keine geeignete Wohnung finden er keinem Besucher entgehen kann. und sind ohne weiteres bereit, den Wanderstab zu ergreifen, wenn sie an einem andern Ort etwas In Bachenbülach und Winkel verlockten die sonni¬ Günstigeres finden. gen Hänge manchen in Kloten und Bülach berufs¬ tätigen Angestellten zum Bauen. Die über den alten Rümlang Ortskernen thronenden, sehr individuell gestalteten Im Gegensatz zu Kloten und Opfikon, die schon Einfamilienhausquartiere wandeln das Ortsbild den Charakter von Vorstädten tragen, läßt sich am baulich und menschlich, schwindet doch der alte Westrand des Flughafens, in Rümlang, das lang¬ Dorfgeist von Jahr zu Jahr. same Hinausgreifen der benachbarten Großstadt noch besonders gut verfolgen. Außerhalb der Stadt¬ grenze schießen längs der Verkehrslinien die Indu¬ Oberglatt blieb trotz seiner guten Verkehrslage striebetriebe wie Pilze aus dem Boden. Die noch während Jahren von der Bauspekulation verschont. lockere Industriezone geht am Südrand des Dorfes Nun scheint allerdings der Damm gebrochen zu in ein modernes Hochhausquartier über, das den sein, indem die Gemeinde zum Standort kleiner alten Ortskern mit dem bekannten Kirchturm bei¬ Industriebetriebe auserwählt wurde und eine stär¬ nahe erdrückt. Noch ist das Bauerndorf in seinen kere Wohnbautätigkeit eingesetzt hat. Grundzügen zu erkennen, obwohl es in voller Um¬ gestaltung begriffen ist. Intakte und umgebaute Wehntal Bauernhäuser wechseln wahllos mit modernen Das fruchtbare Wehntal, etwas abseits der Haupt¬ Wohnblöcken und Geschäftshäusern ab, städtische verkehrsadern gelegen, vermochte mit Ausnahme und ländliche Elemente verflechten sich. der beiden industriellen Schwerpunkte Dielsdorf Die Fünftausendergrenze ist überschritten, und der und Niederweningen sein bäuerliches Gepräge zu Zuzug aus der Stadt hält weiter an, obwohl das Dorf bewahren.

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Riimlanc /? *"t */ Q\ X-, Glattbrugg oaDpfikon Fabrikindustrie Bescliäfligle 1937 1963 Beschäftigte 1963 y~. Baugebicte 1940 rd. 1000 (^J 20-100 Baugebicte 1965 101-200 201-400 O rd. 1700 (Kloten 401-600 p. rd. 2300 (Bülach. Wald Dielsdorf an der sonnigen Berghalde der Ost-Lä¬ Brot, der Gemeinde große Steuereinnahmen und gern, seiner Stellung als Bezirkshauptort bewußt, trägt den Namen «Bülach» in alle Welt hinaus. Das förderte die zentralen Dienste (Bezirksspital unter Schwergewicht liegt auf der Eisen- und Maschinen¬ anderem) und begünstigte die Ansiedlung neuer industrie (ca. 1500 Arbeitnehmer), ihr folgt die Industrien. bekannte Glasindustrie (ca. 500 Arbeiter). Sodann veranlaßte die gute Verkehrslage Hunderte In Niederweningen bildet die große Landmaschi¬ von in Zürich und Kloten Berufstätigen, in Bülach nenfabrik für einen weiten Umkreis eine Erwerbs¬ Wohnsitz zu nehmen. quelle. Die Wehntaler Industrie übt eine nicht zu Für die vielen Menschen, die in der Gemeinde ar¬ unterschätzende Anziehungskraft auf die bäuer¬ beiten oder wohnen wollten, mußte Industrie- und liche Jugend aus (Tab. 2), und man bemüht sich um Wohnraum geschaffen werden. Nördlich des Bahn¬ die Verbesserung und Erhaltung der Landwirt¬ hofs zeugen die großen Industriewerke vom ge¬ schaft. Im Zentrum dieser Anstrengungen steht die werblichen Fleiß und stehen auf ehemals gemein¬ Gesamtmelioration Wehntal (6 Gemeinden), wel¬ deeigenem Industrieland. Die Wohnquartiere ha¬ che eine sinnvolle Abgrenzung von Landwirtschaft. ben im Westen die Gemeindegrenze erreicht, eine Industrie und Verkehr bezweckt und den Bau von erstaunliche Häuserfülle dehnt sich bis zur Kaserne rund 30 Hofsiedlungen vorsieht. aus. Im Osten (Fig. 4) haben sie die kleinen Mo¬ Eine besondere Stellung nimmt das weithin sicht¬ ränenhügel im «Bergli» überflutet und tasten sich bare Regensberg ein, das als mittelalterliches Burg¬ den sonnigen Dettenberghang hinauf. städtchen, als Bijou des Unterlandes, erhalten blei¬ Wenn auch schon viele Äcker und Wiesen den ben soll und daher besonderen Schutzbestimmun¬ Wohnblöcken weichen mußten, so umgürten immer gen (14) unterstellt ist. noch bedeutender agrarischer Umschwung und ausgedehnte Wälder die städtische Siedlung. Das vertraute Landschaftsbild blieb erhalten. Ja, es ge¬ Bülach auf dem Wege zum Regionalzentrum lang den Behörden, den Weilern Eschenmosen, Nußbäumen und Heimgarten den bäuerlichen Cha¬ Bis zum Zweiten Weltkrieg zeigte Bülach ein or¬ rakter zu bewahren. Sie bilden das Gegenstück zur ganisches Wachstum, und die Bevölkerungszunah¬ Stadt, wo man dem alten Bülach nur noch in den me entsprach dem kantonalen Durchschnitt. Seit¬ stillen Winkeln des alten Städtchens begegnen her stieg die Einwohnerzahl um rund 120% (Kan¬ kann. Im Zentrum trifft man viele neue Gesichter, ton: 33%) von 4500 auf über 10 000 Einwohner, insbesondere auch Ausländer, die in der Bülacher und das alte Städtchen führt den Namen «Stadt» und Oerlikoner Industrie tätig sind. Viele Einhei¬ erneut zu Recht. mische sind wegen der Überfremdung besorgt, be¬ Wem verdankt die Landstadt diesen Aufschwung? trägt doch der Anteil der Ausländer an der Ge¬ Er beruht auf verschiedenen Kräften: samtbevölkerung 25%. Wie viele menschliche Pro¬ Blühende Industrie bleme und wie viele Sorgen der Behörden verber¬ Günstige Verkehrsverbindungen nach Zürich gen sich hinter diesen Zahlen! und nach dem nahen Flughafen Zu den menschlichen Sorgen gesellen sich die bau¬ Bewußte Förderung zum Regionalzentrum lichen. Diese belasten Behörden und Bürger, muß Begünstigt wurde sie auch, so paradox dies klingt, doch bei allen öffentlichen Bauten für ein größeres durch die 1946 abgeschlossene Integralmelioration. Gemeinwesen, für ein Regionalzentrum, geplant Mit dem Ausscheiden einer Bauzone und dem Er¬ werden. Schon jetzt übt Bülach regionale Funktio¬ stellen von 10 Hofsiedlungen an der Peripherie nen aus (zum Beispiel Bezirksgericht, Kreisspital, schuf man wichtige Voraussetzungen für die 10 Busbetrieb), und in den nächsten Jahren ist an die Jahre später erlassene Bauordnung, wobei man Verwirklichung großer Regionalaufgaben heranzu¬ dann allerdings unter dem Einfluß des magischen treten, vorab an den Bau der Mittelschule Unter¬ Begriffes «Regionalzentrum» umfangreichere Bau¬ land. zonen ausschied, mit Einschluß von Meliorations¬ land. Gerade für Großüberbauungen erwies sich später solches Land als besonders geeignet, da man Eglisau und Rafzerfeld für deren Erwerb nur mit wenigen Grundbesitzern verhandeln mußte. Eglisau Die Industrie wurde bewußt zuerst erwähnt, denn Am Zürcher Rhein stand das Leben auch nicht sie verschafft mehr als 2000 Personen Arbeit und still, aber die Entwicklung verlief bescheidener, da-

Fig. 2 Landschaftswandel des unteren Glattales 19401965.

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^ ^?«^i-.-- -w^^^aui ^ Fig. 3* Kloten vom Flughafen aus. Hinter dem Flughof der Holberg, im Hintergrund links Bassersdorf und rechts Brüttisellen. (Comet-Photo)

für harmonischer als im Glattal. Im schmucken Künstlern, die das kulturelle Leben der Kleinstadt Rheinstädtchen verspürt man noch nichts von prägen. einer Verstädterung. Es macht den Anschein, als ob die Eglisauer jeder Rafzerfeld Berufsgruppe einen Platz an der Sonne zuweisen Das Rafzerfeld, das (15) vor dem Zweiten Welt¬ wollten. Mit einem gewissen Stolz zeigen sie den krieg als Kornkammer bezeichnet werden durfte, Besuchern das Meliorationswerk, insbesondere den macht heute einen zwiespältigen Eindruck. geschlossenen Rebberg an den süd-exponierten In Rafz versucht man die bäuerliche Tradition zu Sonnenlagen und die Hofsiedlungen, worin der wahren. Davon zeugt die zweite Güterzusammen¬ Wille zur Verbesserung des Reb- und Ackerbaus legung, die das gesamte Gemeindeareal umfaßt und zum Ausdruck kommt. Aber auch die Industrie die Umfahrung des Dorfes einschließt. Ein Novum (Stamm & Co., Mineralquelle) darf sich sehen las¬ für das Rafzerfeld sind die rund 20 Hofsiedlungen ihre haben den des Städt¬ sen; Produkte Namen im Feld, deren Bau erst durch die neue, an das chens weit über seine Gemarkungen bekannt ge¬ Pumpwerk Eglisau angeschlossene Grund Wasser¬ Über macht. dem Rebberg, an einer der schön¬ versorgung möglich wurde. sten Wohnlagen des Unterlandes, begegnen wir den Einer ganz anderen Situation begegnen wir im un¬ teren Rafzerfeld, das bereits den Namen «Kies¬ kammer» trägt. Vor wenigen Jahren begann man in Hüntwangen und WH mit der großindustriellen

* Ausbeutung der glazialen Kies vorkommen: eine Aus Kloten: Vom Bauerndorf zur Flughafen¬ stadt, Orell-Füßli Verlag, Zürich 1964. Das Cliche Folge des Kieshungers im baufreudigen Kanton wurde uns von der Gemeinde Kloten in verdan¬ Zürich. 1965 lieferten die Rheinkieswerke (Rafzer¬ kenswerter Weise zur Verfügung gestellt. feld und Weiach) allein 2 Millionen m:! Kies (16).

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Fig. 4 Bülach (von Süden). Altstadt mit der protestantischen Kirche. Um dieses Zentrum gruppie¬ ren sich im Norden das Bahnhofquartier, im Osten moderne Wohnquartiere; im Hintergrund Rheinsberg. (Photo W. Friedli)

Über 2 km2 Kulturland sind jetzt im Besitz der drei Maßnahmen (Umfahrungsstraßen), um der kata¬ großen Kieswerke. strophalen Situation zu wehren. Wo einst goldene Kornfelder wogten, fressen sich die Bagger bis zu 40 m tief ins Erdreich ein. Sor¬ tieranlagen, Transportbänder, Schotterhügel und Kieszüge prägen die einst bäuerliche Landschaft. Zusammenfassung Natürlich können wir, wenn wir Nationalstraßen bauen wollen, auf die Erschließung dieser Kiesvor¬ Das Zürcher Unterland, das bis ins 20. Jahrhun¬ kommen nicht verzichten. Aber jene, die über das dert als Agrarland bekannt war, hat sich in den Tagesgeschehen hinaussehen, stellen sich die Frage, letzten 20 Jahren zur Industrieregion entwickelt. ob ein derartiger Kulturlandverlust tragbar sei; sie Mit dem Bau des Flughafens Kloten hat die Stadt bangen um den gefährdeten Grundwasserstrom Zürich ihren Einflußbereich ein gutes Stück nach Norden Um dieses technische und überlegen sich, wie diese «Mondlandschaft» ausgedehnt. Wunder¬ werk gruppieren sich heute blühende Gemeinden, später wieder landwirtschaftlich genutzt werden deren Bevölkerungszahl in kurzer Zeit zum Teil kann. Möge es Behörden und Planern gelingen, die um mehr als 200% zugenommen hat. daß sie der Nach¬ Entwicklung so zu lenken, vor Das im Norden des Flughafens liegende Bülach welt zu bestehen vermag. entwickelt sich dank seiner guten Verkehrslage und Aber nicht nur die Eingriffe im Rafzerfeld be¬ seiner bedeutenden Industrie immer mehr zum schäftigen die Unterländer, sondern auch der Ab¬ Regionalzentrum des Zürcher Unterlandes. Eine unterschiedliche läßt sich in den transport der riesigen Kiesmengen. Ungefähr die Wandlung Randlandschaften feststellen. Das das Hälfte des Materials erreicht auf dem Schienen¬ Wehntal, Stadlertal und die Ufergebiete am schönen Zürcher weg die großen Bauplätze. Der Rest wird auf den Rhein entfalten sich langsamer, dafür um so har¬ Straßen verfrachtet. Diese Transporte haben auf monischer. Leider läßt sich dies vom Rafzerfeld den des Unterlandes ein kaum vor¬ Hauptstraßen bisher als Kornkammer bekannt nicht mehr sa¬ stellbares Ausmaß Die Bevölkerung angenommen. gen. Der großindustrielle Abbau der mächtigen ist begreiflicherweise ungehalten über diesen Lärm Kiesvorkommen verändert das Landschaftsbild und die erhöhten Unfallgefahren und verlangt über weite Strecken, und die Wirtschafts- und So-

59 zialstruktur der ehemals stillen Bauerndörfer ver¬ rich 1963. 13. Egli E.: Erdbild als Schicksal, ändert sich zusehends. So ist eine einst eigenstän¬ Zürich 1959. H.Kanton Zürich: Verordnung dige Landschaft zur Vorortsregion der Großstadt zum Schutze des Orts- und Landschaftsbildes von geworden. Regensberg, Zürich 1946. 15. Hofer H: Wirt¬ schafts- und Siedlungsgeographie des Rafzerfeldes, Zürich 1940. 16. Mitteilungen der Planungs¬ Literatur gruppe Zürcher Unterland Nr. 2, Bülach 1965.

1. Winkler E.: Veränderungen der Kulturlandschaft im zürcherischen Glattal, Zürich 1936. 2. Jäckli H: Geologie von Kloten. Kloten: Vom Bauerndorf Resume zur Flughafenstadt, Zürich 1964. 3. Braun R.: Industrialisierung und Volksleben, Erlenbach 1960. Transformations du paysage au Zürcher Unterland 4. Moßdorf A.: Die Industrie in Bülach. Neu¬ jahrsblatt der Lesegesellschaft Bülach, Bülach 1942. Le Zürcher Unterland, connu jusqu'au 20e siecle 5. Wasserrechtskataster des Kantons Zürich comme pays agricole, s'est transforme considera- von 1850. 6. Hildebrandt W.: Der «Dettenberg- blement pendant les 20 dernieres annees. En cons- krieg». Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Bülach, truisant l'aeroport intercontinental de Kloten, la Bülach 1930. 7. Eidg. Fabrikstatistik 1937. Stat. ville de Zürich s'est etendue bien loin vers le nord. Quellenwerke der Schweiz, Heft 84, 1939. Autour de ce chef-d'oeuvre de la technique se grou¬ 8. Altorfer E.: Der Flughafen Zürich-Kloten. Klo¬ pent aujourd'hui une serie de communes pros- ten: Vom Bauerndorf zur Flughafenstadt, Zürich peres, qui presentent une augmentation de la popu¬ 1964. 9. Wehrle R.: Agrargeographische Unter¬ lation de plus de 200%. suchungen im Räume \/on Zürich. Geographica Dans le rayon de l'aeroport est situe egalement Bü¬ Helvetica XVII Nr. 1, Bern 1962. 10. Kanton lach qui, gräce ä sa Situation par rapport aux moy¬ Zürich. Regionalplanung im Kanton Zürich, Zü¬ ens de transport, est devenu le centre de gravite de rich 1960. 11. Die Pendelwanderung zwischen la region. Le developpement du versant nord de la Wohn- und Arbeitsort im Kanton Zürich 1950. Lägern, le Wehntal, et de la region du beau Rhin Stat. Berichte d. Kts. Zürich, 13. Jahrg., Heft 2, zurichois a ete plus lent. Par contre, ancien grenier Zürich 1957. 12. Die Pendelwanderung zwi¬ du canton de Zürich, le Rafzerfeld, est devenu, ces schen Wohn- und Arbeitsort im Kt. Zürich 1960, dernieres annees, une graviere gigantesque ä cause Stat. Ber. d. Kts. Zürich, 18. Jahrg., Heft 1/2, Zü¬ de ses nombreuses couches de gravier.

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