Anzeigen könne Kriege in ihrer »Totalität« erfassen; zu die- sem Zwecke hätten die übrigen Wissenschaften ihr Datenmaterial in die Militärgeschichte einzubrin- Johann Christoph Allmayer-Beck: Ist Mili- gen und nicht umgekehrt; im übrigen könne der tärgeschichte heute noch zeitgemäß? In: Soziologe und erst recht der Politologe vom Mili- österreichische Militärische Zeitschrift. 12 tärhistoriker und seiner Betrachtungsweise der (1974) 257-261. Probleme manches lernen. Militärgeschichte also als neue Integrations-, als »Überwissenschaft«? Mit seiner auf dem Kölner Historikertag 1970 ge- Das scheint Allmayer-Beck in der Tat zu meinen, stellten Frage »Wozu noch Historie?« gab Reinhart wenn er schließt, sie sei »noch immer höchst zeit- Koselleck einem in der bundesrepublikanischen gemäß«. Eine kräftige Portion Skepsis dürfte hier Historikerzunft weit verbreiteten Unbehagen Ausdruck. Seitdem ist viel über krisenhafte Er- am Platze sein, und dies zumal, wenn man die Mei- scheinungen in der Geschichtswissenschaft ge- nung des österreichischen Autors, Krieg sei die schrieben und gesprochen worden. Die einen mei- »Daseinsvoraussetzung« für Streitkräfte, nicht ge- nen damit das Geschichtsbewußtsein, also das ge- rade als zeitgemäß beurteilt. Schließlich darf be- trübte Verhältnis einer breiteren Öffentlichkeit zur zweifelt werden, ob der Hinweis, der heute »plötz- Geschichte, die anderen haben eher die Geschichte lich so heiß ersehnte Gegenwartsbezug« lasse sich als Wissenschaft, als akademische Disziplin wie als bei der Militärgeschichtsforschung in Form von Schulfach, im Auge. Was wir konstatieren können, Beispielsammlungen für die Operationslehre und ist »Geschichtsmüdigkeit« auf der einen Seite und Taktik schon seit jeher knüpfen, ein Legitimations- eine kritische Infragestellung der historistischen argument darstellt, das modernen Anforderungen Geschichtswissenschaft auf der anderen. an die Militärgeschichte entspricht. Die hauptsächlich in der Bundesrepublik geführte Wolfram "Wette wissenschaftstheoretische und wissenschaftspoliti- sche Diskussion über die Möglichkeiten einer Neuorientierung nimmt der österreichische Mili- tärhistoriker Allmayer-Beck zum Anlaß, die ein wenig rhetorisch klingende Frage zu stellen, ob Mi- Paul MacKendrick: Deutschlands römi- litärgeschichte heute noch zeitgemäß sei. Er knüpft sches Erbe. Übersetzung aus dem Eng- dabei an die Überlegungen zur Standortbestim- lisdien von Helmuth Eggert. 2. Aufl. mung der Militärgeschichte aus den späten 50er Wiesbaden: Brockhaus 1972. 255 Seiten und frühen 60er Jahren an. In einem eigenen Bei- trag hatte der Autor seinerzeit für eine enge Anleh- nung der Militärgeschichte an die historische Ge- Der Verfasser, Professor für Altphilologie an samtwissenschaft plädiert (s. ÖMZ 1964). An die- der Universität von Wisconsin, hatte es sich zur ser Forderung hält er heute wie damals fest, da der Aufgabe gemacht, auf Grund archäologischer Fluchtweg zurück zur alten Militär- oder Wehr- Funde eine Kulturgeschichte der ehemaligen wissenschaft aus mancherlei Gründen »verram- römischen Provinzen Belgica, Raetia, Noricum melt« sei. und Ober- und Niedergermanien zu schreiben. Für die Militärgeschichte ist die Darstellung in- Der vorliegende Aufsatz geht insbesondere auf die- sofern relevant, als es sich um die Geschichte jenigen Fragen ein, die in der neueren fachinternen militärischer Eroberungen, einer Militärgrenze Debatte immer wieder auftauchen: Gegenwartsbe- und der dahinterliegenden Etappe handelt. In 8 zug, praktischer oder innerer Nutzen, Gegen- Kapiteln werden abgehandelt: das vorrömische standsbestimmung, Kooperationsprobleme, Theo- Germanien, die militärischen Vorstöße Caesars riedefizit, Relevanz. Allmayer-Beck interessiert über den Rhein, die militärischen Aktionen sich in diesem Zusammenhang allerdings weniger Roms von Augustus bis 73 n. Chr. sowie die für die Ursachen und die Tragweite der um diese römischen Städtegründungen von den Nieder- Stichworte kreisenden Diskussion als vielmehr für landen bis Österreich und der Limes; nach die- die spezifische Frage, ob denn die Militärgeschichte sen mehr politisch-militärischen Kapiteln fol- von alledem überhaupt tangiert werde. Es über- gen die Zeugnisse des zivilen Lebens im Schat- 2 rascht etwas, daß der Autor diese Frage eher ver- ten des Limes als Überreste römischer Kultur ^ neint und insgesamt ein rosiges und von Krisen we- auf germanischem Boden, weiterhin die religiö- ^ nig erschüttertes Bild der Militärgeschichtswissen- sen Kulte, die sich in diesen Gebieten durch die S Schaft zeichnet. Nur sie, lautet eine seiner Thesen, Stationierung von Truppen aus allen möglichen Provinzen des Römischen Reiches in mannigfa- werte Fehler: So spricht gegen eine besondere cher Weise vermischten, Kunst, Handwerk und Kinderliebe der Römer (S. 190) die bei ihnen Technik und als Abschluß die Kaiserstadt Trier frei geübte Abtreibung und Kindestötung; auch als Zeugin antik-römischer Nachblüte auf ger- waren in der Kaiserzeit die Ärzte keineswegs manischem Boden. meistens griechische Sklaven (S. 197); weiter Zu loben ist an dieser Darstellung, daß sie sind Aderlassen und Schröpfen zwei verschie- einen Überblick über die reichen archäologi- dene ärztliche Verrichtungen (S. 197), und die schen Zeugnisse römischer Besetzung und Kul- Herstellung des Diatretglases ist vor einigen tivierung des westlichen Deutschland vermit- Jahren geklärt worden, was MacKendrick an- telt. Der Verfasser zeichnet jedoch das histori- scheinend noch nicht bekannt war (S. sche Bild römischer Besetzung und Kultivie- 200—202). rung, das sich aus den archäologischen und lite- Für militärhistorische Einzelheiten gilt Ähn- rarischen Quellen ergibt, in einem oft unange- liches: Gut gelungen ist die Darstellung der bracht mokanten Tonfall — wie ein amerikani- Rheinbrücke Caesars (S. 34—36). Dagegen ist scher Urlauber im alten Europa im Stil von die verallgemeinernde Feststellung, militärische Mark Twain. Damit erweckt er den Eindruck, Truppen hätten seit jeher neuartige Waffen als wolle er geschichtliche Fakten einem unkri- verschmäht, ein unsinniger Allgemeinplatz, und tischen modernen Publikum anbiedern, aber zwar um so mehr, als der Verfasser dies zu nicht seinen Lesern geschichtliche Zusammen- einem Fund von Katapultpfeilen feststellt, die hänge verdeutlidien; dies wird in den religions- von der Truppe offenbar zurückgewiesen wor- geschichtlichen Ausführungen besonders deut- den sind, da sie nicht einwandfrei flogen, also lich. Oft erscheint die Darstellung wie ein unbrauchbar und mitnichten neuartig waren (S. Kompilat ohne klares Konzept, als eine Anhäu- 65). Die Schlacht im Teutoburger Wald hätte fung von historischen Fakten, die mehr als etwas ausführlicher behandelt werden können; Curiosa dargeboten werden. Hierfür sei ein freilich sind namentlich archäologische Zeug- Beispiel angeführt (S. 89 f.): »Auch die gegen- nisse hierzu kaum zu finden. Der Versuch, den wärtige Hauptstadt der Bundesrepublik ver- Fluchtweg der römischen Reiterei an Hand von dankt ihre Gründung dem Drusus. In Bonn Münzfunden zu rekonstruieren, bleibt uner- (Bonna) gibt es römische Gräber unter dem wähnt. Bundestag und dicht dabei einen römischen Zu den einzelnen Kapiteln wird das Schrifttum Brennofen. Plinius d. Ä. schrieb hier einen Teil angegeben, doch fehlen Anmerkungen mit seiner Naturgeschichte und seiner Germanen- Quellennachweisen zum Text fast gänzlich. Zu kriege, und Beethoven wurde wenige hundert loben sind die Karten vor allem zu Grenzbefe- Meter vom römischen Lager geboren.« stigungen und Garnisonen sowie die zahlrei- Einer solchen Darstellungsweise entspricht der chen Abbildungen, die viele Militärlager, mili- nachlässige Umgang mit der Sprache, der wohl tärische Einzelgebäude und Befestigungsanla- zum Teil zu Lasten des Übersetzers geht: »Seit gen wiedergeben. Rita Probst dem dritten Jahrhundert verdunkelt sich die Geschichte von Mainz.« (S. 78) Auch im Um- gang mit dem Lateinischen sollte ein Altphilo- loge sorgfältiger sein: pius heißt nicht »alt« (S. 90), sondern pflichtmäßig, gottesfürchtig. Im einzelnen sei pars pro toto noch folgendes Winfried Baumgart: Bücherverzeichnis zur hervorgehoben: Gut brauchbar und zu eigenen deutschen Geschichte. Hilfsmittel, Hand- Ortsbesichtigungen anregend ist das Kapitel bücher, Quellen. 2. erweiterte und ergänzte über den Limes und sein Hinterland: eine über- Auflage. a. M., , Wien: sichtliche Beschreibung des Verlaufs mit mehre- Ullstein 1973. 220 Seiten (= Deutsche ren geographischen Skizzen, der archäologi- Geschichte. Ereignisse und Probleme. 14.) schen Überreste und der Rekonstruktionen des (= Ullstein-Buch. 3856.) historischen Zustandes. Das gleiche gilt für das 5. Kapitel, in dem die Badeorte sowie die Landhäuser und Landgüter westlich und süd- Ursprünglich in einer Rotaprintausgabe (1969) als lich des Limes beschrieben werden. Bei der Be- Bibliographie zum Studium der neueren Ge- handlung fachgeschichtlicher Einzelheiten un- schichte konzipiert, liegt nach völliger Umarbei- terlaufen dem Verfasser nicht selten bemerkens- tung (1971) für die Deutsche Geschichte nach be- reits zwei Jahren die wiederum ergänzte und um rd 20 Seiten erweiterte Neuauflage in einer handli- Helmnt Nickel: Ullstein Waffenbuch. Eine chen, zudem für die bescheidenste Börse er- kulturhistorische Waffenkunde mit Mar- schwinglichen Taschenbuchausgabe vor. kenverzeichnis. Berlin, Frankfurt a. M., Soweit für die deutsche Geschichte bedeutsam, Wien: Ullstein 1974. 323 Seiten sind europäische und Weltgeschichte - wie es ja Wer die Bände der Ullstein-Antiquitäten-Biblio- auch nicht anders sein kann - mit einbezogen. Das thek, insbesondere ihr vorzügliches Bildmaterial Material ist in 19 unterschiedlich umfängliche Ab- kennt, greift gespannt nach dem neuen Band dieser schnitte unterteilt, von denen Einführung in das Reihe, zumal der Verfasser im New Yorker Metro- Studium, Geschichte des Faches, Periodika und politan Museum of Arts eine der bedeutendsten Verzeichnisse der Regierungen und Regenten so- Sammlungen europäischer und außereuropäischer wie der diplomatischen Vertretungen sich nicht wie Waffen betreut. die übrigen den im Untertitel genannten drei we- Um es vorweg zu sagen, man wird in keiner Weise sentlichen Sachgruppen zuordnen lassen. Durch enttäuscht, weder vom Text noch von den vorzüg- Hinweise auf Fundstellen im Dahlmann/Waitz lichen und instruktiven Abbildungen. Getragen 1969 ff.) wird die Literatursuche noch auf brei- von fundierter Sachkenntnis hat das Buch den au- tere Grundlage gestellt. Moniert werden muß al- ßerordentlichen Vorzug, ebenso flott wie anspre- lerdings, daß der Nürnberger Fall Milch in die Ru- chend und auch für den Laien verständlich ge- brik Ärzte-Prozeß (S. 168) eingeordnet ist. Das schrieben zu sein. Sicher, es ist kein Ersatz für Kapitel der Technik des wissenschaftlichen Arbei- Klassiker der Waffenkunde, wie beispielsweise den tens (S. 13) wäre für eine Neuauflage um den Hin- heute noch unersetzlichen Boeheim oder Demmin, weis zu bereichern, daß Beuth noch andere Titel deren umfassende Waffenkenntnisse allerdings vertreibt, die zu normgerechtem Arbeiten anleiten: mehr für den wissenschaftlich arbeitenden Fach- D(eutsche) I(ndustrie-)N(orm) 1421, 1426, 1428, mann gedacht sind. Es ist eine gründliche Einfüh- 1429, 1460, 1462, 1501 bis 1504. Berlin, Köln rung in die Materie, die dank einem gut geglieder- 1928-74. ten Literaturverzeichnis weiter erschlossen wird. Die Aufnahme der Buchtitel lehnt sich eng an die Das Buch ist ausschließlich den historischen Preußischen Instruktionen an und wird dadurch Schutzwaffen (Schild und Harnisch) und Trutz- den Bedürfnissen derer gerecht, die sich in den al- waffen (blanke Waffe und Fernwaffe) gewidmet. phabetischen Katalogen der deutschen öffentlichen Es schafft die Voraussetzungen zur Fähigkeit, den wissenschaftlichen Bibliotheken zurechtfinden kulturellen- und Sammlerwert eines Stückes zu be- müssen. Erschlossen wird die Materie durch ein al- urteilen und öffnet Auge und Sinn nicht nur für die phabetisches Register (S. 180-220), das die Verfas- technische Vollkommenheit, sondern auch für die ser und Herausgeber (auch die korporativen) und edle Schönheit und Eleganz alter Waffen und Rü- mit Eleganz auch die anonymen (Sach-)Titel der stungen. verzeichneten Bücher erfaßt. Wer vom Hauptteil her auf die - vereinfacht ausgedrückt - mechani- Dem Soldaten, der dieses Werk in die Hand nimmt, sche Wonfolge (Militärgeschichtliche Mitteilun- wird der Weg gewiesen von der Waffe als seinem gen) eingestellt ist, kommt ebenso zurecht wie der- »täglichen Handwerkszeug« über die Waffenge- jenige, der sich bei der Suche vom regierenden Sub- schichte hin zur europäischen und außereuropä- stantiv (Militärgeschichtliche Mitteilungen) leiten ischen Kulturgeschichte, der nachzuspüren zu läßt. Dem Register hätte beinahe vollkommene einem faszinierenden Erlebnis werden kann. Beein- Perfektion bescheinigt werden können, denn es druckend auch die häufigen Berührungspunkte der verzeichnet selbst Zitienitel (MGM), wenn nicht Waffengeschichte mit den entscheidenden politi- die Zeitschrift für Militärgeschichte (S. 99) vermißt schen oder militärischen Ereignissen in der Ge- würde. schichte der einzelnen Staaten. Es ist eine nach- denklich stimmende Tatsache, daß das Schwert Statt weiterer Einzelhinweise auf die militärge- buchstäblich älter ist als die Pflugschar (Vorwort). schichtliche Relevanz nur die Feststellung, daß Mi- Von dieser Warte her gesehen, ist dem Buch eine litärhistoriker wie andere Spezialisten, mögen sie weite Verbreitung in den Truppen- und Stabsbü- auch gelegentlich einen Titel (Georgi) vermissen, chereien der Bundeswehr zu wünschen. Kleine sich der akribischen Bibliographie mit Gewinn be- Fehler, wie der Pleonasmus »Trommelrevolver« dienen können. H. Z. (S. 259), spielen hierbei nur eine geringe Rolle. Ab- schließend sei noch auf die gute Idee hingewiesen, dem Band ein Verzeichnis der wichtigsten Museen mit Waffensammlungen beizugeben. Schi. Oliver Warner: Die großen Schlachtflotten. Antwort: »Nur, das (erste) Buch, an sich schon Aus dem Englischen übersetzt von Niels dick genug, auch noch mit Illustrationen zu be- Neelsen. Oldenburg, Hamburg: StaUing packen, wäre nicht ratsam gewesen.« Man 1974. 240 Seiten 2° möchte hinzufügen: Viele Bilder hätten die fes- selnde Darstellung nur gestört, und eigentlich Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um ei- sind die drei vorhandenen — wie Mann eben- nen Bildband, den der Verfasser nach bewährtem falls konzediert — bereits zuviel. »Aber« — Muster gestaltet hat. In zehn Abschnitten stellt er um ihn nochmals zu zitieren — »warum nicht die »großen Schlachtflotten« vor, wobei er mit der auch Bilder?« Und dieses Vorhaben hat er kon- spanischen Armada beginnt und mit der U.S. Navy sequent verwirklicht: Wie bereits in seinem endet. Allein die britische Marine ist dreimal ver- Textband, so hat er sich hier gleichfalls nicht treten, und zwar mit der elisabethanischen Flotte, gescheut, neue oder zumindest unkonventio- der Flotte Nelsons und der Grand Fleet. Auf nelle Mittel anzuwenden, um damit den Fried- 300 Abbildungen, z. T. farbig und über zwei Seiten länder sich persönlich und auch seinen Lesern reichend, werden Herrscher, Admirale, Häfen und (oder hier besser gesagt: seinea Zusdiauern) Werften, Schiffe und Seeleute gezeigt, sei es in zeit- möglichst nahezubringen. Er holte sich den jun- genössischen Gemälden und Gedenkmünzen, in gen bekannten Schweizer Mode- und Werbe- Modellen und Rekonstruktionen oder in Fotogra- photographen Bliggenstorfer hinzu, der ihm nicht nur den größten Teil der Aufnahmen be- fien. Im Mittelpunkt der Abbildungen - wie auch sorgte, sondern offensichtlich auch die Gestal- der Darstellung - stehen natürlich die Seeschlach- tung des Buches als geschickter Arrangeur — ten. neben dem Historiker Golo Mann — wesent- Von der Konzeption her ist der Band allerdings et- lich mitbestimmt hat. Wen wundert es daher, was unglücklich angelegt, denn als Titel wurden die daß der eigentliche Bildteil, der rund 100 Sei- Schlachtflotten und nicht »Große Seeschlachten« ten umfaßt, den Betrachter immer wieder von gewählt, weil diese Überschrift bereits für eine ähn- neuem zu faszinieren vermag? Durch raffi- liche Veröffentlichung gebraucht worden war. nierte Ausnutzung der photographischen Tech- Deshalb werden dieselben militärischen Aktionen nik, durch die gezielte Verwendung verschiede- häufig zweimal erwähnt, weil zwei der behandelten ner Perspektiven, Entfernungen, Farben, For- Flotten daran beteiligt waren; anderseits werden men und Zusammenstellungen ist hier ein Mei- die Ereignisse so verkürzt dargestellt, daß kaum ein sterwerk historisch-biographischer Bilddarstel- zutreffender Eindruck entstehen kann. 16 Zeilen in lung entstanden, zumal die Herausgeber sich einer Spalte reichen einfach nicht aus, um die Tä- darauf beschränkt haben, Aufnahmen zeitge- tigkeit der französischen Flotte im Zweiten Welt- nössischer Porträts, Gemälde, Dokumente und krieg auch nur andeutungsweise zu beschreiben. Münzen sowie von bekannten Bauwerken und Noch ärgerlicher als die Dürftigkeit des Textes, der Landschaften jener Zeit in ihrem heutigen Zu- keineswegs der Ausstattung mit Illustrationen ent- stand darzubieten. Somit schlagen die Illustra- spricht, sind die zahlreichen sachlichen Fehler. tionen, die große Aussagekraft besitzen, zu- Dieses Urteil über die textliche Darstellung gilt gleich bedeutsame Brücken von der Vergangen- auch für die Bibliographie. /. Zienert heit zur Gegenwart.

Das einzig Störende an diesem hervorragenden Buch findet man überall dort, wo der Text überhandnimmt. Das gilt einmal für einen Teil der Bilderklärungen, insbesondere, wenn sie Golo Mann, Ruedi Bliggenstorfer: Wal- noch mit Zitaten aus dem erzählenden Werk lenstein. Bilder zu seinem Leben. Frank- beladen sind, und zum anderen für den Epilog, furt a. M.: S. Fischer 1973. 156 Seiten der den Titel trägt: Auf Wallensteins Spuren. Horst Rohde Golo Mann hat seiner außergewöhnlichen Wallenstein-Biographie (Bespr. in MGM 15 (1974) 211 ff.) ein Bildwerk folgen lassen, welches in etwa das gleiche Attribut verdient. Auf die mögliche Frage, wieso nicht sofort alles in einem Band zusammengefaßt wurde, gibt der Verfasser selber eine freilich allzu bescheidene Hans Conrad Lavater: Kriegs-Büchlein, 1677 verfaßte der Dragonerleutnant und nach- das ist grundtlidie Anleitung zum Kriegs- malige Rittmeister und Landvogt Johannes wesen. Um ein Vorwort vermehrter Nach- Schalch, angeregt durch vielfache Bitten seiner druck der 1644 in Zürich erschienenen Mitbürger, sein Exerzierbüchlein für die Stadt Ausgabe. Einleitung: Jürg Zimmermann. Schaffhausen. Den aktuellen Anlaß bot der Graz: Akademische Druck- und Verlags- Kampf einer europäischen Koalition gegen anstalt 1973. XXIII, 134 Seiten Ludwig XIV. Das Werk steht inhaltlich durch- Johannes Schalch: Exercier-Büchlein: aus auf der Höhe der Zeit. Bedeutsam ist die Darinn Adeliche und Kriegs-Exercitien, Priorität der Muskete, das zahlenmäßige Ver- auch allerhand Stell-, Zug- und hältnis der Musketiere zu den Pikenieren be- Schlachtordnungen, und wie sich ein trägt zwei zu eins. 1680 erlebte das Büchlein in jeder hoher Officierer und Kriegs- Basel eine fast unveränderte Neuauflage, eine Beampter so wol in Adelichen als Kriegs- weite Verbreitung hat es offenbar aber nicht Ubungen zu verhalten. Getruckt zu gefunden. Schaffhausen bey Alexander Rieding. Im Beide Nachdrucke sind mit den zeitgenössi- Jahre 1677. Unveränderter photomecha- schen Illustrationen versehen. Sie sind für den nischer Nachdruck. Schaffhausen: Meili Heereskundler eine wahre Fundgrube. Kehrig 1973. 89, VI Seiten. 10 x 16 cm

Die beiden hier anzuzeigenden photomechani- schen Nachdrucke machen erneut deutlich, daß das allgemeine Interesse an der alten Militärge- schichte im Zunehmen begriffen ist. Hierfür Peter Young, Richard Holmes: The English mag der Grund nicht nur in der vordergründi- Civil War. A military history of the three gen Neugierde des Heereskundlers zu suchen Civil Wars 1642-1651. London: Eyre Me- sein, sondern in dem heute überall zu spüren- thuen 1974. 366 Seiten den Hang, außen-, innen- und sozialpolitischen Faktoren auf die Entwicklung des Heerwesens Bis jetzt fehlte eine neuere Gesamtdarstellung der nachzugehen. drei aufeinanderfolgenden militärischen Konflikte Die oranische Heeresreform wandelte am Aus- in den Jahren 1642-1646, 1648 und 1650/51. Das gang des 16. Jahrhunderts das Gesicht des vergriffene Werk von A. H. Burne und P. Young: europäischen Heerwesens grundlegend, indem The Great Civil War. A military history of the First sie das Exerzieren und den Drill als Vorausset- Civil War 1642-1646. London 1959, beschäftigte zungen für Handhabung und Beherrschung der sich nur mit dem ersten Bürgerkrieg, A. Woolrych taktischen Elementarbewegungen im Kampf dagegen hat in seinen Batties of the English Civil einführte. Diese Neuerungen fanden vor allem War. London 1961, nur einzelne Schlachten der er- in der reformierten Schweiz sehr schnell Ein- sten beiden Kriege untersucht. Die vorliegende gang, und es ist sicher kein Zufall, daß im cal- Abhandlung beschränkt sich auf die Darstellung vinistischen Genf die ersten Dienstreglemente der kriegerischen Ereignisse in England unter Aus- erschienen. schluß der Kämpfe in Irland und der innerschotti- 1644 erschien in Zürich das »Kriegsbüchlein« schen Szenerie. des Hauptmanns Lavater. Er stammte aus Die Autoren fühlen sich einer modernen Kriegsge- Hanau am Main, wo sein Vater Rektor des schichtsschreibung verpflichtet, die Feldzüge und Gymnasiums war; die Familie siedelte dann Schlachten im Kontext der politischen und, was für nach Zürich über, wo der Vater Professor der den englischen Bürgerkrieg besonders wichtig er- Logik wurde. Das Büchlein, offenbar auf Ver- scheint, der sozialen und religiösen Entwicklungen anlassung der Stadtregierung verfaßt, handelt betrachtet (S. 9). Nach einer kurzen Einführung von den Festungen und ihren Besatzungen, be- (Ursachen des Krieges, Art, Umfang und militäri- schreibt das Exerzieren zu Fuß und zu Pferd, sche Wirksamkeit der Parteienbildung zugunsten die Schlachtordnungen von der Kompanie bis des Königs und des Parlaments, Truppenorganisa- zum Regiment. Das Buch hat sich unter den tion und Taktik) folgt in drei Hauptteilen die Dar- Zeitgenossen großer Beliebtheit erfreut, es er- stellung der nach Zeit, Motivation und Kontrahen- lebte drei weitere Auflagen und bildete lange ten zu unterscheidenden Bürgerkriege. Abschlie- Zeit die Grundlage für die Instruktion der ßend gehen die Autoren auf die Rolle der Armee 9 züricherischen Infanterie. während der Zeit von 1651 bis 1660 ein und beur- teilen kurz die politischen und militärischen Er- keiten jeweils durch Beiträge einer Reihe von gebnisse der Bürgerkriege. Die Darstellung wird Autoren zu Einzelthemen aus dem Bereich der ergänzt durch Zeittafeln, Karten und eine Aus- Behandelten und ihrer Zeit zu vergegenwärti- wahlbibliographie. Sie basiert auf dem schon er- gen. Hierin liegt eine Möglichkeit, dem nach wähnten Werk von Burne und Young (S. 10), auf wie vor lebendigen Interesse an einer biogra- zahlreichen Einzelstudien Youngs (S. 352 f.) und phisch orientierten Geschichtsbetrachtung ent- einer Neuinterpretation des umfangreichen Quel- gegenzukommen, ohne doch die überpersönlich- lenmaterials einschließlich zeitgenössischer Mili- strukturellen Zusammenhänge der Vergangen- tärhandbücher (S. 345 und 348). heit aus dem Auge zu verlieren, denen in jünge- Young und Holmes unternehmen den m. E. ge- rer Zeit zu Recht die gesteigerte Aufmerksam- lungenen Versuch, die oberflächlich betrachtet dis- keit der historischen Forschung gilt. John B. paraten mihtärischen Aktionen im Zusammenhang Wolf hat für den hier zu besprechenden Band und in ihrer gegenseitigen Bedingtheit zu schildern. ein unter verschiedenen Gesichtspunkten wohl- Sie widmen sich nicht nur in großer Ausführlich- abgewogenes Spektrum von Beiträgen zusam- keit den Hauptfeldzügen und -schlachten, sondern mengestellt, das von seiner umfassenden Kennt- bringen in zusammenhängender Darstellung auch nis der Materie Zeugnis ablegt. Wünschenswert die wichtigsten lokalen Ereignisse in Nord-, Mit- wäre allenfalls — wenn nötig, ohne direkten tel- und Westengland und verknüpfen sie mit dem Bezug zur Person des Königs — noch ein neue- Gesamtgeschehen. Diese Darstellungsmethode er- rer Beitrag mit sozial- und bevölkerungsge- gibt, ohne dem Geschehensablauf unnötigen schichtlicher Fragestellung gewesen. Zwang anzutun, ein Gesamtbild von großer An- Eine Analyse sämtlicher Beiträge erübrigt sich schon deshalb, weil es sich ausnahmslos um Ab- schaulichkeit und Folgerichtigkeit. drucke, teils Übersetzungen aus bereits erschie- Über die Landkriegführung während des engli- nenen Werken handelt. Daß einige Beiträge bis- schen Bürgerkrieges scheint in dem angegebenen her nur in französischer Sprache vorlagen, wird Rahmen mit diesem Buch das abschließende Wort eher den englischen Leser interessieren, der von einem der ersten Kenner der Materie gespro- diese Arbeiten hier erstmals in seiner Mutter- chen. Als Desiderat bleibt eine zusammenhän- sprache findet. Im folgenden soll vornehmlich gende Darstellung und Analyse der politischen von den Maßstäben der Auswahl und dem dar- Wirksamkeit der New Model Army, die über das aus folgenden Gesamtbild die Rede sein. von Ch. H. Firth in seiner Geschichte der Armee Die Beiträge stammen zum Teil aus Werken Cromwells (London "1962) Gesagte hinausführt^. direkt biographischen Charakters, andere sind Denn zweifellos gilt für die Zeit von 1647 bis 1660 Gesamtdarstellungen der Zeit, wieder andere die Feststellung der Autoren von der Armee als der sachbezogenen Monographien entnommen. einzigen realen Macht (S. 319), nicht zuletzt auch Neben der eigentlichen »Zunft« der akademi- im Hinblick auf ihre führende Stellung unter den schen Historiker kommen auch stärker oder anderen verfassungsmäßigen Organen und sonsti- eindeutig auf ein breites Publikum orientierte gen politischen Parteiungen und Kräften. Autoren zu Wort. Die Skala der Urteile über Greiner. den König schließlich reicht von den eindeutig positiven Äußerungen eines Louis Bertrand bis zur niederschmetternden Bilanz eines Lavisse. Daß in einem solchen Spektrum Arbeiten von Anmerkung unterschiedlichem wissenschaftlichem Wert ent- halten sind, ist unvermeidlich. Schon die Tatsa- ' Ein interessanter neuer Ansatz dazu bei John Ellis: che, daß zwischen dem frühesten und dem spä- Armies in Revolution. London 1973, S. 10 ff. testen Beitrag ein gutes halbes Jahrhundert und damit ein beträchtlicher Abschnitt Wissen- schaftsgeschichte liegt, ist hier zu berücksichti- gen und wäre vielleicht eines deutlichen Hin- weises des Herausgebers wert gewesen. So be- Lotiis XIV. A profile. Edited by John B. rücksichtigen 2. B. zwangsläufig nur die jünge- Wolf. London: Macmillan 1972. XXII, ren Arbeiten die neueren Erkenntnisse der Ver- 265 Seiten (= World Profiles.) fassungs- und Sozialgeschichte darüber, in wel- chem Umfang der europäische Absolutismus Die Serie »World Profiles« hat sich die Auf- bloßes Programm geblieben ist und neben ihm gabe gestellt, bedeutende historische Persönlich- oder gar gegen ihn überkommene gesellschaft- Kriegs- und Domänenkammer zum erfahrenen lich-politische Verhältnisse ein zähes Eigenle- Routinier in allen Verwaltungsfragen seines ben führten. vielschichtigen Staates. Die äußeren Staatsak- Die Auswahl der Beiträge läßt die Zeitgenossen tionen des Königs stellen in der Fülle der mit- Ludwigs XIV. und die folgende Generation mit geteilten Einzelheiten den »roten Faden« dar. Auszügen aus den Memoiren Saint-Simons und Dieser Umstand und daß der Text fast voll- dem »Zeitalter Ludwigs XIV.« von Voltaire zu ständig frei von Anmerkungen gehalten wurde, Wort kommen. Wolf selbst steuert außer der dürfte das Buch an einen breiten Leserkreis Einführung und einem biographischen Abriß empfehlen. Die Nachweise liefert im Anhang zwei Aufsätze über die Jugend des Königs und ein den Buchkapiteln entsprechend gegliederter über den Herrscherkult bei. Duc de la Force Apparat, der Quellenangaben, Bibliographie behandelt den Tageslauf Ludwigs XIV., mit und Randnoten verbindet. Der Anhang enthält seinem politischen Denken und seinen kulturel- ferner eine Verwandtschaftstafel Friedrichs des len Interessen befassen sich die Beiträge von Großen, die preußische Behördengliederung um Bertrand. Die Verwaltung ist in den Ausfüh- 1775, eine Statistik der Einwohnerzahlen rungen von Saint-Leger und Sagnac, die (1776), eine Zeittafel, eine Archivalienübersicht Außenpolitik von Andre behandelt. Zusam- sowie ein Personen- und Ortsverzeichnis. menfassenden Charakter haben die Beiträge Für seinen »unblutigen Kampf um Erwerbsmit- von Gooch (The Legacy of Louis XIV), Lavisse tel, um den ausgewogenen Haushalt im Staat, (The self-defeating Reign of Louis XIV) und in Provinzen und Gemeinden, um die Schaf- Goubert (A Man in the Universe). fung von Siedlerstellen, um öffentliche Bauten, Der Artikel von Goubert, ein Auszug aus sei- um Manufakturen und Handel, um Kornspei- nem 1966 erschienenen »Louis XIV et vingt cher, um Kodifikation und Menschenbildung« millions de franfais« schließt wohl nicht zufäl- (S. 10) stand dem jungen König eine Zentral- lig die Sammlung ab: Er stellt die Frage nach verwaltung zur Verfügung, die Friedrich Wil- dem Handlungsspielraum des Königs und sei- helm I. geschaffen hatte. Im Bemühen, diese ner Mitarbeiter innerhalb der säkularen Ent- Gesamtverwaltung durch eine Gesamtwirt- wicklungen in Wirtschaft, Gesellschaft und gei- schaft in seinen Provinzen zu ergänzen, hat stigem Leben und spricht damit das Grundpro- Friedrich das alte System bald durch die Bil- blem der Sammlung an. Mit seiner insgesamt dung von Fachressort-Departements im Gene- vermittelnden Antwort gewinnt Goubert den raldirektorium gesprengt und mit diesen den Rahmen für eine historische Einordnung Lud- inneren Ausbau seines Landes vorangetrieben. wigs XIV., die über eine bloße Bilanz persön- Verwaltungsgeschichte und Handelsgeschichte, licher Vorzüge und Schwächen hinausgeht. Wirtschaftsentwicklung und Staatsbildung fal- Ernst Opgenoorth len hier untrennbar zusammen. Die Methoden und Reformen, die der König und seine Mitar- beiter in diesem dynamischen Prozeß entwik- kelten, waren über das 18. Jahrhundert hinaus richtungweisend, und, wenn auch im einzelnen manchmal Fehlgriffe, im ganzen doch vom Er- folg gekrönt. Friedrich hinterließ seinem Nach- Walther Hubatsch: Friedrich der Große folger ein blühendes, kultiviertes, ertragreidies und die preußische Verwaltung. Köln, und menschenvolles Land. Berlin: Grote 1973. 295 Seiten (= Stu- Es ist bemerkenswert, wie unbürokratisch, wie dien zur Geschichte Preußens. Bd 18.) flexibel angesichts der Gegebenheiten — gerade in den neuen Provinzen — im alten Preußen, Dieses Buch, von dem eine englische Ausgabe auch in den schweren Kriegsjahren, zur Errei- 1973 auch in London erschienen ist, schließt diung des Ziels gearbeitet wurde. Dies gilt ge- eine Lücke, die in der Literatur über Preußen rade für die Heeresverwaltung, deren Beweg- im 18. Jahrhundert besonders empfunden wer- lichkeit nicht zuletzt den Erfolg der preußi- den mußte. Es leistet die systematische Auswer- schen Waffen verbürgte. Dieses Militär — tung der Acta Borussica und weiteren Archiv- weder Selbstzweck noch Ausgangspunkt des materials für eine Geschichte der frideriziani- staatlidien Lebens im friderizianisdien Preu- schen Verwaltung. Die Darstellung erfolgt vor ßen — wird vom Verfasser in allen Einzelhei- dem Hintergrund der Persönlichkeitsentwick- ten und in den verschiedenen Entwicklungsstu- II lung Friedrichs vom Auskultator bei einer fen seines Aufbaus vorgestellt. Es zeigt sich, und zum Durchbruch gelangen bis hin zur völ- daß das für das altpreußische Militärwesen ligen Pervertierung durch Hitler. Sämtliche charakteristische Beurlaubten- und Freiwäch- Motive werden aber schon nach kurzer Lektüre tersystem die einzige Möglichkeit für Preußen zerstört, denn Cronin ist allenfalls in der Lage, war, über ein so großes stehendes Heer zu ver- unbekannte Histörchen zu bieten, nachdem er fügen und trotz geringer Bevölkerungszahl die eingangs die Notwendigkeit seines Buches mit eigene Wirtschaftsentwicklung steigern zu kön- neuem Quellenmaterial (Tagebuchaufzeichnun- nen. gen aus Napoleons engster Umgebung, Memoi- Nach Lektüre dieses Buches wird man sich von ren, Briefe Napoleons, Fragment einer autobio- mancher mehr oder weniger liebgewordenen graphischen Erzählung) begründet hat, mit dem Vorstellung über das innere Staatsgefüge Preu- er »zu einer ganz neuen Betrachtung des Men- ßens im 18. Jahrhundert trennen. Dies gilt für schen Napoleon« kommen will, wobei sein das Bild von einer »militarisierten Beamten- Hauptaugenmerk dem Zivilisten gilt. schaft« als »reinem Befehlsempfänger« ebenso Schnell verliert sich Cronin dann aber in den wie für das Bild vom »allgegenwärtigen Bergen Korsikas; völlig fixiert auf seinen Hel- König« und seinen »einsamen Entscheidungen«. den, gelingt es ihm nahezu durchgehend, ihn Auch Friedrich der Große war angewiesen auf völlig zu isolieren: personalisierende Ge- seine zahlreichen Mitarbeiter im Generaldirek- schichtsschreibung, die kaum noch zu steigern torium und im Kabinettministerium, in der ist. Hin und wieder der Versuch einer Zusam- Justiz-, der Kirchen- und der Schulverwaltung, menfassung und Analyse, so nach dem Italien- in den Provinzialkammerbehörden und in den feldzug 1797, dessen erfolgreichen Abschluß Kreisämtern. So treten neben Schwerin, Zieten Cronin mit der Disziplin Napoleons, seinem oder Seydlitz Männer wie Ludwig Philipp v. alleinigen Oberbefehl, Ansporn zur Tapferkeit, Hagen, Friedrich Anton v. Heinitz und Johann unkonventionellem Verhalten in der Schlacht, Friedrich Domhardt, die voll Opfermut, Schnelligkeit und Kräftekonzentration begrün- Pflichtgefühl und Standesauffassung ihre Kraft det. Ähnliches, nur auf drei Gesichtspunkte mit im Dienst des Staates erschöpft haben. Sie alle negativem Vorzeichen reduziert, nimmt Cronin standen mit ihrem König, der ihre Energien zur Begründung der Schlappe von Waterloo weckte und auf das Gemeinsame konzentrierte, an. in unmittelbarer Wechselbeziehung. An die Lei- So bleibt außer dem Eindruck einer langatmi- stung dieser Preußen erinnert zu haben, macht gen, leichtgewichtigen Lektüre die Vermutung, nicht zuletzt den Wert dieses Buches aus. daß Cronin der gewiß faszinierenden Persön- Jürgen Kloosterhuis lichkeit einem seit St. Helena zwischen Bewun- derung und Haß schwankenden Publikum einen weiteren Beitrag gewidmet hat. Thies

Vincent Cronin: Napoleon. Eine Biogra- phie. Deutsch von Martin Berger. Ham- burg, Düsseldorf: Ciaassen 1973. 631 Wolf D. Gruner: Die Position der Armee Seiten in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Bayerns (1848—1866). In: Oberbayeri- War es die vor kurzem mächtig aufkommende sches Archiv. 97 (1973) 13—31. »Hitler-Welle«, die — gewissermaßen als Nebenprodukt — der deutschen Übersetzung Einleitend bemerkt der Verfasser, daß alle älte- einer englischen Napoleon-Biographie zu einem ren Darstellungen zur Geschichte der bewaff- erstaunlichen Publikumsinteresse verhalf? Und neten Macht Bayerns im 19. Jahrhundert von auch der Zeithistoriker muß sein prinzipielles Militärpersonen geschrieben worden sind, deren Interesse bekunden, nachdem seit einiger Zeit Arbeiten zur Apologie neigten und daher heute eine Diskussion über »Bonapartismus« in Gang einseitig wirken. Die moderne Militärge- gekommen ist, in der der Begriff zur Deutung schichtssdireibung erfordert jedoch zusätzlidi von Bismarcks Politik und von Strukturmerk- sowohl die Berücksichtigung von Gebieten, die malen des Kaiserreiches von 1871 angewandt außerhalb des rein militärischen Sektors liegen, wird, die sich unter Wilhelm II. verschärfen wie audi die Auswertung nichtmilitärisdien Quellenmaterials, da nur dadurch die Bedeu- mittelten und untersten sozialen Bevölke- tung der engen Wechselbeziehungen zwischen rungsschichten. Ein verpflichtendes Standes- dem Heer einerseits, dem Staat, der Politik, und Berufsethos fehlte im Offizierstand wie Wirtschaft und Gesellschaft andererseits ver- auch bei den unteren Chargen. ständlich wird. Diese Wechselbeziehungen Der Artikel wird bereichert durch zeitgenössi- schildert der Verfasser hier in kurzen Zügen sche Abbildungen und mehrere Tabellen, die für den zwischen der Revolution von 1848 und vergleichende Jahresverdienste für Zivilisten dem Preußisch-österreichischen Kriege liegenden und Militärpersonen, Lebenshaltungskosten und Zeitraum. einen Überblick über die Staatsfinanzen brin- Grundlegend für die Entwicklung der bayeri- gen. Werner T. Angress sdien Armee war vor 1866 die wirtschaftliche Struktur des Landes, das sich nur langsam vom Agrar- zum Industriestaat entwickelte und des- sen Finanzkraft infolgedessen beschränkt blieb. Das beeinträchtigte die Aufstellung eines star- Die deutsche Flotte 1848—1945. Ge- ken und schlagkräftigen Heeres, was wiederum schichte des deutschen Kriegssdiiflbaus in zur Folge hatte, daß Bayern in Mitteleuropa 437 Bildern. Herausgegeben von Günter keine führende Rolle spielte, obwohl es der Kroschel und August-Ludwig Evers. Mit drittgrößte Staat im Deutschen Bund war. Wei- einer Einführung von Friedrich Rüge. tere Faktoren, die sich auf die Armee ungünstig 5. Auflage. Wilhelmshaven: Lohse-Eis- auswirkten, waren der — zumindest seit 1854 sing 1973. XXVIII Seiten — ausschlaggebende Einfluß der auf Sparmaß- nahmen bedachten Finanzminister auf Kosten Als das Buch in erster Auflage 1962 erschien, der Kriegsminister im Gesamtministerium und konnten Herausgeber und Verleger mit Recht die Rückendeckung, die Maximilian II. und behaupten, eine Lücke in der marinegeschicht- Ludwig II. ihren Finanzministern dabei ge- lichen Literatur gefüllt zu haben. Der Gedanke, währten; und die ständige Weigerung des Mon- die Entwicklung des deutschen Kriegsschiffbaus archen, die von der Abgeordnetenkammer an Hand von Bildern mit einer kurzen histo- mehrfach angeregten Heeresreformen vorzu- riscii-technischen Einführung nachzuzeichnen, nehmen. Diese Weigerung beruhte neben der war zwar schon vorher — insbesondere in der schon erwähnten Finanzlage vor allem auf dem Zeit zwischen den beiden Weltkriegen — auf- Mißtrauen der Krone einer Armee gegenüber, gegriffen worden, die Fortführung des Themas die sich 1848 zu revolutionsfreundlich erwiesen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lag bis- hatte. Dazu kam noch, daß die von der Volks- her jedoch noch nicht vor. vertretung angestrebte Integration des Heeres Der angesprochene Leserkreis — Marine- in das Staatsganze, einschließlich der Vereidi- freunde und »shiplovers« werden genannt — gung auf die Staatsverfassung, dem patriarcha- war bestimmend für die Auswahl der Bilder. lisch-monarchischen Standpunkt zuwiderlief. Gezeigt werden in erster Linie publikumswirk- Aber auch der Landtag wandte gelegentlich same große Kriegsschiffe, und zwar sämtliche sein Budgetbewilligungsredit gegen den Heeres- größeren Einheiten einschließlich der Kleinen etat und damit zur Besdineidung der könig- Kreuzer. Kleinere Fahrzeuge sind weit geringer lichen Militärhoheit an, besonders wenn die vertreten, als ihrer Bedeutung angemessen Kammern dadurch Zugeständnisse von der wäre. Ein Vergleich mit dem Hauptwerk von Regierung in anderen Fragen erzwingen woll- Erich Gröner: Die deutschen Kriegssdiiffe ten. Waren somit dem militärischen Gewicht 1815—1945. Bd 1.2. München 1966—68 zeigt des bayerischen Heeres enge Grenzen gesetzt, den fundamentalen Unterschied in der Zielset- so blieb audi seine Stellung in Staat und Gesell- zung. Dieser verfolgte nicht in erster Linie schaft von untergeordneter Bedeutung. Der kommerzielle Interessen, sondern bemühte sich Offizierstand genoß kein hohes Ansehen, da die um Genauigkeit und Vollständigkeit nach wis- geringe Löhnung den Offizieren Anlaß zum senschaftlichen Grundsätzen. Dennoch soll Schuldenmachen bot und ihre geistige und wis- nicht behauptet werden, der Kroschel / Evers senschaftliche Bildung bis 1866 auf niedrigem habe nach dem Erscheinen des Gröner seinen Niveau stand. Auch die Unteroffiziere und Wert verloren. Der Bildband ergänzt und ver- Mannschaften rechneten nicht zur Blüte der anschaulicht vielmehr Gröners Standardwerk. Nation, sondern kamen zumeist aus den unbe- 13 Die fünf Auflagen des Kroschel / Evers bestä- tigen, daß beide Arbeiten nebeneinander beste- magistrale synth^se parue sous le titre «Guerre hen können. totale, guerre revolutionnaire». II le fait grace Was 1962 richtig war, muß nicht unbedingt a une vaste erudition et a partir d'une docu- auch 1973 uneingeschränkt vertreten werden mentation de premier choix. S'aidant de nom- können. Eine Neuauflage, zudem noch die breuses cartes, il diss^que chaque bataille im- fünfte, läßt erwarten, daß neue Forschungser- portante, compare les forces en presence, tire gebnisse zur Kenntnis genommen und eingear- les leyons tactiques de l'affrontement et re- beitet worden sind. Der Kroschel / Evers ist cherche leur eventuel prolongement sur le plan jedoch auf dem Stand von 1962 stehengeblie- strategique. Ce sont, toutefois, les 40 derni^res ben. Nichts zeigt dies deutlicher als ein Blick in pages oü l'historien livre ses r^flexions sur das Literaturverzeichnis. Keines der angeführ- l'ensemble de l'^v^nement, qui sont les plus ten Bücher erschien nach 1962! Mehrere Ver- riches en substance. On reUvera ici les grands gröberungen und Fehler im historisch-techni- themes qui sont ^voqu&. schen Überblick — vor allem in marinepoliti- Partant du fait que la sup^riorit^ maritime du scher Hinsicht — hätten vermieden werden Nord avait permis k celui-ci de provoquer können, wenn die Arbeiten von Salewski, l'asphyxie economique du Sud, Thayer Mahan, Deist, Dülffer und Güth — um nur einige zu le «Clausewitz de la mer», a d^fini le sens et la nennen — eingearbeitet worden wären. Eridi portee de la Strategie navale. C'est en s'ins- Gröners Hauptwerk wurde nur in der überhol- pirant de ces principes que la Royal Navy, au ten Fassung von 1936 herangezogen, die Neu- cours de la Premiere Guerre Mondiale, provo- bearbeitung von 1966 vergessen. Aber auch un- qua, grace au blocus, l'effondrement int^rieur ter, der angeführten Literatur vor 1962 sind de l'Allemagne. Beaucoup d'autres lejons de große Lücken. Unberücksichtigt blieben z. B. la Guerre de S^cession demeur^rent n^glig^es das sog. Seekriegswerk des Marinearchivs, die par les etats-majors europ^ens, englues dans le Arbeiten von Hadder, Klee, Hubatsch (Weser- conformisme et la routine. Les Prussiens en übung). Das Verzeichnis wirkt willkürlich zu- 1870 ä Gravelotte, les Franjais en 1914 ne tin- sammengestellt, Unbedeutendes steht neben Be- rent pas compte des m^thodes appliqu^es par deutendem, viele grundlegende Arbeiten fehlen les Sudistes pour pallier l'accroissement de la ganz. puissance des feux. Meconnaissant la tactique Überprüfenswert ist außerdem die Frage, ob offensive-d^fensive illustree par Wellington au der Abschluß des Buches mit dem Jahre 1945 Portugal et par Lee ä Fredericksburg, Foch et im Jahre 1973 noch vertretbar ist. 1962 lag der son disciple de Grandmaison pron^rent la Neubeginn, das Wiedererstehen einer deutschen theorie de l'offensive a outrance. De 1914 a Flotte in der Bundesmarine und der Aufbau 1917, Joffre et Foch n'avaient meme pas, comme einer Marine in der DDR noch zu kurz zurück, Grant, l'excuse de gagner une guerre d'usure, um schon berücksichtigt zu werden. 1973 ist puisque les Allemands qui pratiquaient generale- das nicht mehr selbstverständlich. Heute ist ment l'economie des forces, subirent des pertes nicht einzusehen, weshalb die Entwicklungsge- moins lourdes que les Franco-Britanniques. schichte der deutschen Flotte, die es ohnehin L'importance de la mobilite, mise en evidence unter diesem Namen nie gab, nicht bis in die par Sherman et Sheridan, resta longtemps in- 70er Jahre fortgeführt werden sollte. comprise en Europe oü on avait aussi oubli^ H.-J. Heibei les lefons a tirer de la Strategie de Genghis Khan. L'offensive allemande vers Paris en 1914 eüt abouti ä une victoire d^cisive, si Moltke, lan^ant ses dix divisions de cavalerie dans l'espace vide entre Tournai et la Mer du Nord, Henri Bernard: La Guerre de S^cession avait cherch^ a enrouler l'aile gauche franjaise. des Etats-Unis 1861—1865. Bruxelles: Entre les deux guerres, Füller et Liddell Hart De Meyke 1973. 311 Seiten s'inspir^rent de «l'esprit de Sherman» pour mettre au point un emploi nouveau de l'arme Etudiant la Guerre de S^cession des Etats-Unis motorisee: utilisation combin^e du diar et de en se pla^ant avant tout au point de vue mili- l'avion pour ouvrir une brkhe dans le disposi- taire, Henri Bernard, professeur imerite \ tif ennemi; exploitation imm^diate et rapide l'Ecole Royale Militaire de Belgique, revient, par des corps blindes agissant en avant et in- d'une fa9on plus explicite, sur des principes dependamment du gros des troupes. Ce fut qu'il avait d^jä mis en ^vidence dans sa Guderian qui, en 1940, tira parii des theories zu den politischen, rechtlichen und ökonomi- des deux experts anglais. Les Franco-Britanni- schen Problemen, die durch die Bildung von ques, une fois encore en retard d'une guerre, marktbeherrschenden wirtschaftlichen Zusam- s'etaient cantonnes dans une doctrine defensive menschlüssen entstanden waren. Der Verfasser axee sur le b^ton. Quant a leurs blindes, qui hat hierfür die juristische, volkswirtschaftliche ^taient plus nombreux que ceux des Allemands, und historische Literatur sowie die Stenogra- ils les utilis^rent en ordre dispers^, comme phischen Berichte des Reichstags sehr sorgfältig soutien d'infanterie, selon les methodes de ausgewertet, leider aber die archivalischen 1918. Quellen nur in einer sehr beliebigen und völlig Les raids de cavalerie des Sudistes Morgan et unzureichenden Auswahl herangezogen. Blaich Forrest, l'action des partisans de Mosby con- vertritt die Auffassung, daß die Reichstagspar- tenaient d^jä l'embryon d'un nouveau type de teien sehr frühzeitig die Gefahren erkannt hät- guerre, entrevu par Clausewitz, prone par ten, die von monopolistischen Zusammenschlüs- Marx et Engels. Seuls Lawrence, au cours du sen ausgingen bzw. potentiell ausgehen konn- Premier conflit mondiai, et Tito, au cours du ten, und belegt dies mit einer äußerst akribi- second, recoururent, d'une fafon parfaite et schen Beschreibung einzelner Kartell- und avec un plein succ^s, i la guerre subversive. Monopoldebatten im Reichstag. Freilich über- Comme les ^coles militaires de l'entre-deux sieht er, daß diese Reichstagsdebatten — im guerres avaient ignor^ le principe lawrencien übrigen läßt er die politisch bedeutsamsten, die du «tip and run», la guerre de maquis, faite Auseinandersetzungen über die Monopolbil- par des officiers franfais passes dans la Resis- dungen im Bereich der deutschen Rüstungsin- tance, aboutit souvent a des ^checs. dustrie, unerklärlicherweise aus — nur kaum Au cours de la Seconde Guerre Mondiale, les mehr als die Oberfläche des Problems streiften. Anglo-Am^ricains, s'inspirant du «planning Vielmehr wäre eine sehr viel genauere, nur mit staff», invent^ par Grant, cr^^rent des ^tats- Hilfe der archivalischen Quellen zu leistende, majors combines et int^gr^s. Le general W. Untersuchung über die Kartelle, Monopole und Warlimont (Im Hauptquartier der deutschen Konzernbildungen selber, über die Methoden, Wehrmadit. 1939—1945. Frankfurt a. M. 1962) die zur Erzielung einer marktbeherrschenden regrette que l'O K W ait ^t^ moins efficace que Stellung angewendet wurden, und schließlich le m^canisme du Haut Commandement allie. über die vielfältigen Verzahnungen zwischen Dans la Wehrmacht, la coordination des trois den an politischen Entscheidungen beteiligten armes se fit de plus en plus mal. Hitler qui ne Gruppen aus Regierung, Bürokratie, politischen laissait pas i ses g^neraux la libert^ d'action Parteden und nationalen Agitationsvereinigun- que Lincoln avait laiss^e ä Grant, intervenait gen einerseits sowie den Marktmacht repräsen- trop souvent et de fajon peu adäquate, dans la tierenden Gruppen anderseits notwendig gewe- direction de la Strategie allemande. sen. Nur so hätte sidi nämlich sein krasses Comme l'a ^crit Liddell Hart, trop souvent les Fehlurteil vermeiden lassen, der Reichstag habe Europeens ont oublie de consulter «le poteau in- bei der Regelung des wirtschaftspolitischen dicateur» de la Guerre de Secession. Problems der Marktmacht, gemessen an seiner schwachen staatsrechtlichen und politischen L. Papeleux Stellung, verhältnismäßig gute Erfolge erzielt. Diese sogenannten »Erfolge«, die Ablehnung von Reichsmonopolen, die »Alarmierung« der öffentlichen Meinung, die Kartelldenkschrift und die Kartellenquete, hätten vielleicht doch Fritz Blaich: Kartell- und Monopolpoli- mit der Wirklichkeit der zunehmenden Kartel- tik im Kaiserlichen Deutschland. Das lierung und Monopolisierung, der vertikalen Problem der Marktmacht im deutschen und horizontalen Konzernbildungen in der Reichstag zwischen 1879 und 1914. Düs- deutschen Wirtschaft konfrontiert werden müs- seldorf: Droste 1973. 329 Seiten (= Bei- sen. träge zur Geschichte des Parlamentaris- mus und der politischen Parteien. Bd 50.) Trotz der schwerwiegenden Einwände gegen Konzeption, Methoden und Ergebnisse der vor- Die vorliegende Studie zur Kartell- und Mono- liegenden Untersuchung sollte allerdings nicht polpolitik im Deutschen Kaiserreich untersucht übersehen werden, daß Blaich wenigstens eine 5 die Stellungnahme der Parteien des Reichstags recht genaue und übersichtliche (an einigen Punkten noch ergänzungsbedürftige) Beschrei- Parlamentarismus, die sich u.a. in Initiativen der bung der Kartelldebatten im Reichstag gegeben Fraktion für den Ausbau bestehender und die Be- und die divergierenden Vorstellungen und gründung neuer Kontrollrechte des "Reichstages Überlegungen zum Problem der Marktmacht dokumentierte, verstärkte noch die in der Partei quer durch die Parteien veranschaulicht hat. schon vorhandenen und die von der bürgerhchen Peter-Christian Witt Gesellschaft auf sie einwirkenden Tendenzen zur Anpassung an die gegebenen Verhältnisse. Militärgeschichtlich von Bedeutung ist die Beob- achtung, daß gerade die Flotten- und Weltmacht- pohtik der Jahrhundertwende und die mit ihr ver- Peter Domann: Sozialdemokratie und Kai- knüpfte Bedrohung der Stellung des Parlaments sertum unter Wilhelm II. Die Auseinander- durch plebiszitäre Bewegungen nationalistischer setzung der Partei mit dem monarchischen Prägung die Bindung der Sozialdemokratie an die System, seinen gesellschafts- und verfas- Zielvorstellung .eines parlamentarischen Regie- sungspolitischen Voraussetzungen. Wies- rungssystems vollendete. Es ist zu bedauern, daß baden: Steiner 1974. 244 Seiten (= Frank- der Verfasser in diesem Zusammenhang von den furter historische Abhandlungen. Bd 3.) Ergebnissen der bereits 1971 erschienenen Studie von V. R. Berghahn über die kaiserliche Flottenpo- Erklärtes Ziel des Verfassers dieser aus einer Frank- litik keine Kenntnis genommen hat. Relativ unbe- furter Dissertation erwachsenen Studie ist es, die friedigend bleibt auch die Darstellung der besonde- »praktische Verfassungspohtik der SPD vor dem ren Bedeutung des militärischen Instruments - Ersten Weltkrieg . . . systematisch darzustellen« Armee und Flotte - für die Stellung des Monarchen (S. 1). Ausgangspunkt und zugleich Basis der Ar- im Verfassungssystem und die Reaktion der So- gumentation sind die zahllosen Reden sozialdemo- zialdemokratie hierauf. Eine Interpretation des von kratischer Abgeordneter zu Verfassungsfragen im der Partei bevorzugten Wehrsystems und dessen Reichstag, ergänzt durch Korrespondenzen vor- verfassungspoHtische Einordnung fehlt weitge- nehmlich aus den Nachlässen von Heine, Kautsky hend; die Darstellung erschöpft sich in der Wieder- und Georg v. Vollmar. Auch bei der Auswahl des gabe bekannter Vorgänge im Reichstag, wobei sich herangezogenen Parteischrifttums kommt zum noch Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Von Ausdruck, daß es dem Verfasser in erster Linie um einer »De-facto-Parlamentarisierung« auf dem eine differenzierende Interpretation der Praxis so- Wege über die Budgetkontrolle »im Verhältnis von zialdemokratischer Verfassungspohtik, weniger Reichstag und Heeresverwaltung« zu sprechen um eine erneute Darstellung des Theorienstreites (S.173, auch S. 183 f.), stelk die tatsächlich gege- innerhalb der Partei zwischen Revisionisten, Zen- benen Verhältnisse nahezu auf den Kopf. Einen tristen und Radikalen zu tun ist. preußischen Kriegsminister Sixt v. Arnim (S. 190) Von dieser Fragestellung ausgehend gelangt die gab es nicht. Die Vernachlässigung der für das ge- Untersuchung zu dem Ergebnis, daß unmittelbar samte Verfassungssystem der preußisch-deutschen vor Ausbruch des Weltkrieges die »Aussöhnung Monarchie konstitutiven militärischen Gewalt ist mit der Monarchie auf der Ebene eines parlamenta- angesichts der überzeugenden und ergebnisreichen rischen Regierungssystems« so weit fortgeschritten Interpretation der anderen Aspekte des General- war, daß selbst von Abgeordneten »des gemäßigt und des radikal linken Flügels - wie Georg Lede- themas der Studie besonders bedauerlich. W. D. bour und Karl Liebknecht - ... die Existenz der Monarchie nicht mehr in Frage gestellt« (S. 229) wurde. Diese erstaunliche Entwicklung war mög- lich geworden durch die vom Verfasser im einzel- Jürgen Schaefer: Deutsche Militärhilfe nen nachgewiesene Orientierung der verfassungs- an Südamerika. Militär- und Rüstungsin- politischen Vorstellungen der Partei an der libera- teressen in Argentinien, Bolivien und len Verfassungstradition der preußischen Kon- Chile vor 1914. Düsseldorf: Bertelsmann fhktzeit und durch die Notwendigkeit, sich der Universitätsverlag 1974. 352 Seiten Übergriffe der monarchischen Gewalt im Zeichen (= Studien zur modernen Geschichte. des »persönlichen Regiments« und des wachsenden Bd 12.) Drucks der von Wilhelm II. und Bülow geförder- ten plebiszitären Bewegungen auf das Parlament zu Schaefer widmet sich in seiner engagiert ge- erwehren. Die dadurch bedingte Hinwendung zum schriebenen Studie einem Aspekt deutscher Außenpolitik vor dem ersten Weltkrieg und Militärhilfe spielte, ging während der Weima- versucht die Verzahnung politischer, wirt- rer Zeit und in der Zeit des Nationalsozialis- schaftlicher, sozialer und militärischer Aspekte mus auf militärische Stellen über. einer deutschen Militärhilfe exemplarisch an Zusammenfassend kann man feststellen, daß es drei südamerikanischen Staaten zu analysieren. Schaefer nicht gelungen ist, die deutsche Mili- Diese Studie will die deutsche Militärpolitik als tärhilfe als einen Teilaspekt einer expansiven ein Teilproblem der imperialistischen Zielset- deutschen Politik im Sinne imperialistischer zung des Deutschen Reiches verstanden wissen. Zielsetzung zu behandeln, da er sich mehr in Es wird eine im großen und ganzen gleichartige einer Beschreibung von Geschäftsmethoden im militärpolitische Entwicklung für Chile, Waffenhandel und vom zwielichtigen Gebaren Argentinien und Bolivien aufgezeigt und auf bei der Kriegsmaterialbeschaffung der behan- die innenpolitische Gebundenheit militärischer delten südamerikanischen Staaten verliert, als Anstrengungen hingewiesen, die durch ver- daß er auf die politischen und sozialen Bedin- meintliche außenpolitische Spannungen gestei- gungen und deren Relevanz eingeht, die sich gert wurden. Im Zuge einer »Professionalisie- insbesondere auch im zwischenstaatlichen Ver- rung« des Militärs entwickelten diese Staaten kehr auf gouvernementaler Ebene hätte zeigen ihre bewaffnete Macht von einem losen Söld- müssen. Es fehlt leider eine ausführliche nerhaufen zu einem stehenden Heer mit Hilfe Schlußbetrachtung, die die Gesamtkonzeption ausländischen Kapitals und Kriegsmaterials der deutschen Rüstungshilfe hätte aufzeigen sowie mit personeller Hilfe. Die Initiative zur und die einzelnen Teile dieser Studie hätte Reorganisation des Heeres ging jeweils von den mehr zusammenhalten können. Auch hätte man Regierungen der südamerikanischen Staaten gewünscht, daß in der Darstellung mit Aus- aus, indem sie sich mit der Bitte nach geeigne- drücken von größerer begrifflicher Klarheit ten Instrukteuren an die deutsche Reichsleitung und exakter definiertem Inhalt operiert worden wandten. Im Laufe der Studie zeigt sich, daß wäre. Gerhard W. Rakenius der Einfluß von Instruktionsoffizieren aus dem Deutschen Reich sich nachhaltig auf dessen wirtschafts- und handelspolitische Expansion auswirkte. Dies galt besonders für die deutsche Rüstungsindustrie, die in den deutschen Offi- zieren einflußreiche Fürsprecher bei den jewei- ligen Regierungen hatte. Auf Grund der Erwin Hölzle: Der Geheimnisverrat und Durchdringung der einzelnen Heere mit dem der Kriegsausbruch 1914. Göttingen: preußisch-deutschen Militärwesen bestand von Musterschmidt 1973. 39 Seiten (= Stu- vornherein eine gewisse Präferenz für deutsche dien zum Geschichtsbild. H. 23.) Rüstungsgüter. Hinzu kam, daß in den Heeren eine verhältnismäßig starke germanophile Nach Hölzles einleitenden Worten soll diese Gruppe vorhanden war, und es bei den Regie- Schrift nicht »einem breiten Bedürfnis nach ge- rungen Bestrebungen gab, dem französischen heimnisumwitterten Aufdeckungen und nach und amerikanischen Einfluß in ihren Ländern der Entblößung von Skandalösem« entgegen- ein Gegengewicht zu schaffen. kommen, sondern aus dem Tatbestand, daß der Der starke deutsche Einfluß in diesen südameri- zweite Botschaftssekretär an der russischen kanischen Ländern bestimmte nachhaltig deren Botschaft in London, der Baltendeutsche Benno neutrale Haltung während des Weltkrieges; V. Siebert, jahrelang das Auswärtige Amt mit trotz starker Pressionen von Seiten der Kriegs- geheimem Material versorgte, sollen die »Ent- gegner Deutschlands brach lediglich Bolivien scheidungen und Motive, die sich an jenem die Beziehungen zum Deutschen Reich ab. Verrat auslösten« an Hand von »alten und Nadi dem Weltkrieg wurden die Militärbezie- neuen, ja neuesten Quellen« entwirrt und ge- hungen zu Südamerika — wenn auch auf schildert werden. Diese Absicht ist legitim. Grund der Versailler Bestimmungen modifi- Wenn jedoch aus einer Anzahl willkürlich an- ziert — wieder aufgenommen. Stand vor die- einandergereihter Dokumente der Beweis für sem Krieg Chile im Mittelpunkt der deutschen das eigene Vorurteil angetreten und die Refle- Militärhilfe in Südamerika, so trat danach xion über Bekanntes, Kontroverses und Neues Argentinien in diese Position. Die aktive Rolle, einseitig betrieben wird, dann bleibt jede Quel- -die das Auswärtige Amt im Kaiserreich für die leninterpretation eine Farce. Denn was Hölzle bei weitgehender Negation Carl F. Ronsdorf: Maximilian Bayer. Ein der bisher erarbeiteten und teilweise noch kon- Wegbereiter zu Finnlands Unabhängigkeit. troversen Ergebnissen rekonstruiert, ist seine Helsinki 1973: Vammalan Kirjapaino Oy. bekannte Antwort auf die »Frage von Schuld 283 Seiten (= Historiallisia tutkimuksia. und Verantwortung für den Bruch des Frie- 88.) dens«. Hier wird die Fama von einer englisch- russischen »Einkreisung« des Deutschen Reiches In Finnland gilt dem erfolgreichen Kampf des Lan- am Leben gehalten und die deutsche Politik in des um seine Unabhängigkeit von Rußland der Julikrise als gewagt, aber folgerichtig hin- (1917/18) unvermindertes und begreifliches Inter- gestellt. esse. Die Tradition des königl. preußischen Jäger- So unterstellt Hölzle dem britischen Außenmi- bataillons Nr. 27, der Keimzelle der finnischen nister Grey (ohne es beweisen zu können), daß Armee, wird rührend gepflegt, nahezu alles, was dieser bewußt ein englisch-russisches Marineab- mit der »Jägerbewegung« zusammenhängt, akri- kommen angestrebt hätte, demzufolge russische bisch erforscht. So war die Biographie des ersten Truppen mit Hilfe einer englisdien Transport- Kommandeurs des Bataillons, Maximilian Bayer, flotte in Pommern eine dritte Front eröffnen unvermeidlich. Er führte das Bataillon vom Januar sollten. Als Beweis führt er das Verhalten 1915 bis Januar 1917, im Lokstedter Lager und im Greys gegenüber der deutschen Reichsregierung Einsatz an der Ostfront. an, die — über die laufenden englisch-russi- Auf beinahe 300 Seiten wird - vergleichbar einem schen Verhandlungen durch Siebert orientiert durch eine Unzahl überflüssiger Einzelheiten aus- — durch die Dementis des englischen Außen- geuferten barocken Lexikon-Artikel - das Lebens- ministers beunruhigt worden wäre. Hölzle fol- bild eines recht kommissigen Herrn gezeichnet, gert daraus, »daß die englisch-russischen Ge- dem offensichtlich außer seinen soldatischen Fä- spräche und das englische Verhalten wesentlich higkeiten alle Begabungen fehlten, um eine so hei- die Krise zum Kriegsausbruch beschleunigten«. kle Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, wie sie die Auf- Die deutsche Reichsregierung hätte die Auf- stellung eines finnischen Verbandes im kö- richtung einer dritten Kriegsfront befürchten nigl. preußischen Heer während des Ersten Welt- müssen, da Rußland nichts unterließ, seinen krieges ohne Zweifel war. Aber selbst Bayers Feh- Kriegswillen zu demonstrieren. Nachdem nun ler nötigen seinem deutschen Biographen, der un- die Reichsleitung von dem im Aufbau befind- schätzbare Verdienste um die deutsch-finnische lichen englischen Vertragssystem gesicherte Freundschaft hat, nur uneingeschränkte kritiklose Kenntnis erhalten hatte, war »dies das entsciiei- Liebe, Hochachtung und Verehrung ab. dende Motiv, nach Sarajewo die letzte verbün-. Paul Heinsius versucht in einem Beitrag (S. 184 ff.) dete Macht (Österreich) durch die Rückendek- die Umstände um den Tod des Majors Bayer auf- kung (»Blankoscheck«) zu sichern und als zuhellen, der im Oktober 1917 als Kommandeur letzte Möglichkeit angesichts eines nicht ganz eines Reserve-Infanterieregiments gefallen ist, und ungünstigen Kriegsrisikos den Ring mit dem hat auf seine Weise dem ersten Reichsfeldmeister geplanten Dreifrontenkrieg zu verhindern oder des Deutschen Pfadfinderbundes (was Bayer seit zu sprengen«. Der Konflikt um Serbien wird 1911/12 war) ein Denkmal gesetzt. für Hölzle zu einem Testfall: Deutschland und Aber wir werden auch über die Überführung des Österreich trieben den Konflikt auf die Spitze, Leichnams nach Mannheim und die Beisetzung im »um vom großen Krieg abzuschrecken oder, dortigen Familiengrab nicht im unklaren gelassen wenn dies nicht gelang, ihn vor der ausgefeilten (S. 196 ff.). Georg Meyer Schließung des Ringes zu führen«. Dem Rezensenten scheint diese Konstruktion äußerst gewagt, zumal eine englisch-russische Michael-Olaf Maxeion: Stresemann und Zusammenarbeit bei dieser Interpretation die Frankreich 1914—1929. Deutsche Poli- deutsche Politik in der Julikrise auf den Faktor tik der Ost-West-Balance. Düsseldorf: Furcht komprimiert. Klaus-Jörg Ruhl Droste 1972. 309 Seiten (= Geschicht- liche Studien zu Politik und Gesellschaft. Bd5.)

Das Stresemann-Problem, das vor allem in den 50er Jahren mit stark kontroversen Positionen diskutiert wurde — Stresemann, der große »Europäer«, der Vorläufer Adenauerscher ziele deutscher Politik, der Revision der Ost- Westpolitik, bzw. Stresemann, der taktisch raf- grenzen, schaffen. finierte Nationalist — ist in den letzten Jahren Unmißverständlich stellt der Verfasser aber auf breiterer Quellenbasis, mit verfeinertem In- heraus, daß Stresemanns »europäische« strumentarium und von unterschiedlichen Fra- Variante deutscher Revisionspolitik mit dem gestellungen her erneut angegangen worden. Ziel einer Wiedererlangung der Großmachtpo- Unter den einschlägigen Arbeiten ist die anzu- sition des Reiches mittels expansionistischer zeigende Dissertation aus der Hillgruber-Schule Handelspolitik infolge der Abhängigkeit von besonders beachtenswert. den USA zur Erfolglosigkeit verurteilt war. Da Der Verfasser versucht, zunächst vom speziel- eine Reduzierung der deutschen Ambitionen len Thema, der Frankreich-Politik Strese- auch für ihn nicht in Frage kam, vermochte er manns, her, die grundlegende Frage nach den nicht zu einem Abbau nationaler Revisionsan- außenpolitischen Perspektiven, den Prämissen sprüche und gefährlicher Illusionen im deutschen und Zielvorstellungen zu beantworten. Indem Volk beizutragen. er seine Politik und die komplexen Situationen, Unbefriedigend bleiben Maxeions einleitende welche entscheidende Momente der politischen theoretische Erörterungen (S. 13 f., wo »struk- Biographie Stresemanns bilden (wilhelminischer turgeschichtlich« steht und »konstellationsana- Imperialismus, Weltkrieg, Versailles, Ruhr- lytisch« gemeint ist, wo unreflektiert von ge- kampf, Reparationen, Locarno, Völkerbund schichtlichem »Verstehen« und »historischer und Thoiry), mit ihren außen- wie innenpoliti- Wahrheit« gesprochen wird). schen Konstellationen eingehend analysiert, ge- Davon abgesehen ist diese Studie die beacht- langt er zu einer neuen, teilweise Erkenntnisse lichste unter den neueren Arbeiten zum Strese- anderer Arbeiten integrierenden bemerkenswer- mann-Problem'. Sie trägt in hohem Maße dazu ten Interpretation. Zunächst: der Verfasser bei, daß die Frage nach der Kontinuität deut- weist unwiderlegbar die Kontinuität der Ziel- scher Großmachtpolitik fundiert und auf ange- vorstellungen Stresemanns nach, deren zentra- messenem Niveau diskutiert werden kann. les Moment die Erringung bzw. Wiederherstel- K.-J. Müller lung einer deutschen Großmachtstellung in Europa war. Sodann zeigt er überzeugend auf, welche dominierende Rolle der ökonomische Anmerkung Faktor in Politik und Denken Stresemanns ge- ' H. A. Turner jr.: Stresemann, Republikaner aus spielt hat. Daher fand bei ihm machtpolitisches Vernunft. Berlin, Frankfurt a. M. 1968; W. Denken stets seine Entsprechung in Wirtschaft- Weidenfeld: Die Englandpolitik Gustav Strese- lichem; gerade die Verbindung von machtpoli- manns. Theoretische und praktisdie Aspekte der tischem mit ökonomischem Kalkül war für ihn Außenpolitik. Mainz 1972; M. Walsdorf: West- typisch. So erklärt sich die dominierende Rolle orientierung und Ostpolitik. Stresemanns Ruß- landpolitik in der Locarno-Ära. Bremen 1971. der Vereinigten Staaten in Stresemanns Politik. Da Stresemann begriffen hatte, daß Deutsch- land trotz Versailles noch potentiell stärkste Wirtschaftsmacht des Kontinents war, und da er schon früh die USA als die ökonomische Weltmacht ansah, strebte er konsequent deren Einbeziehung in die europäischen Dinge an, Jacques Bariety, Jacques Droz: R^pu- was über die Reparationsfrage auch gelang. blique de Weimar et regime hitl^rien Das wirtschaftliche Engagement der USA war 1918—1945. Paris: Hatier 1973. 223 Sei- für ihn ein Mittel auf dem Wege zur Restaura- ten (= L'Allemagne. 3.) (= Collection tion der deutschen Großmachtstellung. d'histoire contemporaine.) Die Verständigung mit Frankreich dagegen hatte für ihn nach Maxeion nur »instrumen- Handbücher, häufig auch Monographien zur tale« Bedeutung: ein deutsch-französischer Zeitgeschichte, hinken bei Erscheinen wichtigen Ausgleich würde zwangsläufig den Stellenwert Ereignissen und neuen Erkenntnissen bereits Polens im »französischen System« relativieren hinterher. Daher muß hervorgehoben werden, und somit — in Verbindung mit der deutsch- daß für den dritten Band der vierbändigen Ge- sowjetischen Entente — eine wichtige Voraus- schichte Deutschlands, die unter der Regie von ' Setzung für die Realisierung eines der Haupt- Jacques Droz entsteht, die Literatur bis 1972 berücksichtigt worden ist. Weitere Pluspunkte Eichholtz, dagegen wird hier A. J. P. Ta> loi- .in ergibt der Aufbau: den getrennt behandelten erster Stelle genannt. Das Werk von Andreas Abschnitten Weimarer Republik und Drittes Hillgruber: Hitlers Strategie. Politik und Reich ist jeweils ein Anhang angegliedert, der Kriegführung 1940—1941. Frankfurt a. M. neben einer kommentierten Bibliographie auch 1965 wird mit der zweibändigen Edition eine Auswahl von Dokumenten, Statistiken, Staatsmänner und Diplomaten bei Hitler. Diagrammen und Karten umfaßt. Hrsg. und erl. von A. Hillgruber. Frankfurt Aus verschiedenen Gründen bietet es sich an, a. M. 1967—70 verwechselt. Und Axel Kuhn die beiden genannten Abschnitte getrennt zu vertritt in seiner Studie über Hitlers außenpoli- behandeln. Die Darstellung der Weimarer tisches Programm gerade nicht die Weltherr- Republik von Bari^ty besticht insgesamt durch schaftsziel-Konzeption. ihre Geschlossenheit. In vier Kapiteln und einer Die falsche Akzentuierung bringt z. B. eine un- Zusammenfassung werden Entstehungsge- zutreffende Einschätzung der Bedeutung der SS schichte, Außenpolitik, innenpolitische Ent- im Dritten Reich, die sogenannten Wunderwaf- wicklung und politische Kräfte der Weimarer fen finden zuviel Beachtung, während die Republik behandelt. Trotz dieser Einteilung deutsch-französischen Beziehungen nach dem wird der Zeitraum strukturell beschrieben, d. h. Frankreich-Feldzug mit wenigen Zeilen doch Innen- und Außenpolitik werden bei Bedarf unterbewertet sind. Es muß auch bezweifelt durch Hinweise auf die Wirtschafts- und werden, ob es nötig war, dem Problem des Sozialgeschichte, Ideengeschichte und Kurzbio- Widerstandes ein Viertel des gesamten Ab- graphien von Politikern ergänzt und vermitteln schnitts zu widmen. Bis zum Kriegsausbruch nicht nur dem französischen Leser einen umfas- kann der Darstellung weitgehend zugestimmt senden Eindruck. Immer wieder wird, im Vor- werden, doch ergeben sich erhebliche Bedenken griff auf 1933, auf Konstellationen hingewie- für die Abhandlung der Folgezeit. Dadurch sen, die die Machtergreifung Hitlers erklären. entsteht ein zwiespältiger Eindruck vom Drit- Das Problem der deutsch-französischen Bezie- ten Reich: Widerstand und Terror, Wunder- hungen wird das besondere Interesse des deut- waffen, SS und Superminister Speer — die Ge- schen Lesers finden, wie ist der Komplex »Ver- fahr der Entstehung oder Verstärkung von sailles« abgehandelt? Die Darstellung muß ins- Mythen ist nicht ganz von der Hand zu weisen. gesamt als ausgewogen bezeichnet werden. Die Thies Abtretung der Kolonien und der Verlust von Reichsgebiet bedeuten allerdings für die Wei- marer Republik sicherlich nicht nur die Lösung von Minderheitenproblemen. Die internatio- nale Lage nach Versailles wird als ein künst- Fritz Heigh Taschenbuch der Tanks. Er- liches Gleichgewicht dank der deutschen Ent- gänzungsband. Herausgegeben von waffnung gekennzeichnet, das alle Möglichkei- Friedrich Wiener. München: Lehmann ten in sich barg. Die Machtergreifung wird etwas zu kurz behandelt. Dieser gute Gesamt- 1973. 157 Seiten eindruck gilt aber nicht für den folgenden Teil. Heigls Taschenbuch der Tanks, das »erste Stan- Die fünf Kapitel über die nationalsozialistische dardwerk der Panzerwaffe«, entstand zwischen Revolution (1933/34), den Hitler-Staat, die 1926 und 1930 in sechs Bänden, die schon bald Außenpolitik Hitlers 1933—1939, den deut- vergriffen waren. In den Jahren 1935 bis 1938 schen Widerstand 1933—1939 und Deutsch- erfolgte eine Neubearbeitung mit dem Umfang land im Zweiten Weltkrieg mit abschließendem von drei Bänden. Ihr Nachdruck (1970/71) ist Resümee vermitteln stellenweise falsche Ein- in dieser Zeitschrift besprochen worden (siehe drücke. Neben der fragwürdigen Kapiteleintei- MGM 10 (1971) 263 und 12 (1972) 264 ff.). In lung ist zu bemängeln, daß sachlich zusammen- dem vorliegenden Ergänzungsband hat man gehörende Partien ausednandergerissen werden nun »jene Abschnitte aus den früheren Ausga- (z. B. die SS, Fragen des Widerstandes). Auch ben« zusammengefaßt, »die in der Neubearbei- die Bibliographie hat nicht den notwendigen tung von 1935/38 nicht mehr oder stark über- Stand: so fehlen beispielsweise zum Zweiten arbeitet aufgenommen wurden«. Denn die Be- Weltkrieg Angaben über das Standardwerk deutung der ursprünglichen und vollständigen von Lothar Gruchmann oder zur Kriegswirt- Fassung dieses Taschenbuchs hat zwei Gründe, schaft die grundlegende Arbeit von Dietrich die für den Militärhistoriker wichtig sind: 1. wird die Entwicklung der gesamten Panzer- doch erschöpfendes Bild vom Charakter und der waffe bis zum Ausbruch des Zweiten Weitkrie- Vielfalt der Begabung« Udets (S. 11) nachzuzeich- ges umfassend dargestellt, und 2. jenes Material nen. Es entstand eine lose Sammlung von Impres- vorgelegt, »auf das sich die Lagebeurteilung sionen, »Gags« und persönlichen Erlebnissen von von Guderian stützte, als er seine und mit dem »Kneckes« (Knirps) (S. 10) und »Tau- Entschlüsse für den Aufbau der deutschen Pan- sendkünstler« (S. 25) Ernst Udet, die von dessen zertruppe faßte.« »Humanitas« (S. 11) bis zu »Udet und die Frauen« Von vornherein beschränkte man sich in der (S. 30ff.) reicht. Die bekannten Eigenschaften Darstellung nicht auf die Information über die Udets, sein Charme, seine Anständigkeit, Selbstlo- technischen Daten der Panzerfahrzeuge, son- sigkeit und Menschlichkeit, das Liebenswert-Be- dern befaßte sich auch mit Untersuchungen scheidene an ihm, sein Humor und heller Verstand, über die technischen Grundlagen und taktische die Nonchalance und das Bohemienhafte werden Probleme. So kam man zu dem, was in der noch einmal verdeutlicht. Die Verdichtung dieser Überschrift zu Kapitel 1 im umfassenden Sinne Fakten durch Analyse und Reflexion zu einem Per- »das Wesen der Tanks« genannt wird. Die wei- sönlichkeits- und Charakterbild bleibt dem Leser teren dieser ergänzenden, aus den älteren Aus- überlassen. Einige Feststellungen über Udet und gaben entnommenen Kapitel behandeln die den Erwerb von amerikanischen Sturzflugzeugen Straßenpanzer und deren Taktik sowie Wesen (S. 25), das posthume Ermittlungsverfahren gegen und Einsatz der Panzerzüge. den Generalluftzeugmeister Udet (S. 45) und über Zur weiteren Orientierung über die Entstehung die Verantwortung für die Auswahl seines Chefs des Gesamtwerks sind die Lebensläufe der Be- des Stabes (S. 40 f.) treffen sachlich nicht ganz zu. arbeiter der Bände vor 1939 beigegeben wor- Neu und historisch relevant ist eigentlich nur, daß, den. Hierbei dürfte besonders interessant sein, wie der Autor auf Grund persönlichen Miterlebens daß der Begründer des Taschenbuchs, Fritz zu berichten weiß, der Eintritt Udets in die Luft- Heigl, im Ersten Weltkrieg k. u. k. Artillerie- waffe durch Göring und Milch letzdich unter An- zeitweise auch Infanterieoffizier war, in seiner drohung der Untersagung jeder öffentlichen fliege- militärischen Dienstzeit also unmittelbar mit rischen Betätigung erzwungen worden sein soll. der damals entstehenden Panzerwaffe nichts zu Hier tritt die apologetische Absicht des Freundes tun hatte. Er beschäftigte sich erst nach diesem hervor. Gewiß hat diese »Seelenmassage« stattge- Kriege mit ihr, und zwar nach Abschluß seines funden, aber Zuckmayer trifft die Wahrheit wohl Ingenieur-Studiums im Zusammenhang mit sei- eher, wenn er in seinen Erinnerungen Udet sagen ner Arbeit auf wehrtechnischem Gebiet. läßt: »Ich bin der Luftfahrt verfallen, aber eines Ta- In der Aufmachung, Anlage und Gliederung ges wird uns alle der Teufel holen!« Hier wäre ein entspricht dieser Ergänzungsband völlig den Ansatzpunkt zur Analyse der historischen Persön- bereits besprochenen Bänden. Die alten Fotos lichkeit Udet, der trotz seiner nicht militär- und (187 Abb.) sind nicht immer ganz scharf, her- nicht NS-freundlichen Einstellung dem von ihm vorragend aber in jedem Fall die Skizzen. Die innerlich abgelehnten Dritten Reich in einem Amt Sprache des Textes ist bei aller sachlichen Kor- diente, dem er auf Grund seiner ganz woanders lie- rektheit und Konzentration lebendig und klar genden Fähigkeiten und Begabungen nicht genü- und auch von dem Laien auf diesem speziellen gen konnte. Aber der Autor erwähnt die Tatsache Gebiet der Technik gut zu verstehen. dieser »Erpressung« nur in einer Fußnote (S. 24).

V. Regling H. B.

Hans Waldhausen: Ernst Udet. Vom Zau- Hans Joachim Frohen: Aufklärende Artille- ber seiner Persönlichkeit. Neckargemünd: rie. Geschichte der Beobachtungsabteilun- Vowinckel 1972. 48 Seiten gen und selbständigen Beobachtungsbatte- rien bis 1945. München: Schild-Verlag Das Büchlein wurde von einem alten Fliegerfreund 1972. 984 Seiten Udets auf Anregung eines US-Aero-Historikers in der Absicht geschrieben, in »einer Art von Kurz- Wer es unternimmt. Werden, Weg und Leistung 1 biographie« (S. 8) ein »nicht zu umfangreiches, je- einer Truppe als einen Beitrag zur Militär- und Kriegsgeschichte darzustellen, kann dieses Unter- torisch wesentlich wertvoller sind hingegen der fangen auf zweierlei Wegen angehen: Er kann die einleitende »Uberblick über die Entwicklung der »Geschichten« der einzelnen Einheiten und Ver- Aufklärenden Artillerie« und die nachfolgenden bände dieser Truppe in der fortlaufenden Folge ih- »Angaben zur Arbeitsweise der Artilleriebeobach- rer Numerierung aneinanderreihen oder - die tungstruppe«. Formationsgrenzen unberücksichtigend - das Die Sprache des Werkes ist sehr von der militäri- Wirken der Truppe im größeren Rahmen eines schen Terminologie geprägt: Auf der anderen Seite Kriegsschauplatzes, eines Feldzuges oder einer der Front steht meistens der »Feind«, Wälder wer- Operation untersuchen. Oberst a.D. Froben hat den von Russen »gesäubert«, eroberte Stellungen für seinen Beitrag den ersten Weg gewählt. Aus- von russischer Infanterie »gereinigt« u.ä. Im übri- schlaggebend hierfür wird das erkenntnisleitende gen hat der Verfasser seinen Vorsatz, »das ganze Interesse des Autors sein: Das vorliegende Werk schlicht und in erzählender Form« darzustellen, wendet sich primär als ein Erinnerungsbuch an die strikt eingehalten: Grundrichtung und Strecken- ehemaligen Soldaten dieser Waffe und ermöglicht zug sind die einzigen im Text vorkommenden es ihnen, zusammenhängend das Geschehen um Fremdwörter - zumindest für den Nichtartilleri- den eigenen Truppenteil zu verfolgen. sten! Daß Oberst a. D. Froben jedoch die Artillerie Exemplarisch aber wird an diesem Buch die Pro- wiederholt »in direktem Schuß« schießen läßt, blematik einer solchen militärhistorischen Litera- verwundert, denn es dürfte auch bei der Aufklä- tur offenkundig. Froben tritt mit dem Anspruch renden Artillerie bekannt gewesen sein, daß die an, »eine Geschichte der Aufklärenden Artillerie »schießende« stets direkt schoß, hingegen aber di- zu schreiben« (S. 17), bekundet aber bereits eine rekt oder indirekt eingerichtet wurde. Seite weiter seine Absicht, »unserer alten Truppe Manche interessanten Themen, die zu einer Ge- ein Denkmal (zu) errichten«. Die einem Denkmal schichte der Aufklärenden Artillerie gehören soll- innewohnende Funktion der Erbauung und der Er- ten, vermißt der Leser oder findet sie nur irgendwo innerung ist jedoch mit der von der wissenschaftli- am Rande erwähnt, so z.B. schon die Frage, wer chen Historie erstrebten kritischen Reflexion ver- auf höchster militärischer Ebene den Einsatz der gangenen Geschehens schlicht unvereinbar. Das in Beobachtungstruppen überhaupt befahl, denn ge- der Darstellung oft verwandte Wörtchen »leider« legentlich stellt sich bei ausgedehnten Marschbe- bei der Beschreibung von Schwächen, Mängeln wegungen dieser Verbände und Einheiten die Frage oder Fehlern auf der deutschen Seite dokumentiert nach Sinn und Zweck derartiger Manöver. In ein die unreflektierte und unaufhebbare Identifikation völlig anderes Feld führt die Frage nach der sozio- des Verfassers mit seinem Gegenstand. So reduziert logischen Einordnung des Offizierkorps dieser sich die von Froben niedergeschriebene »Geschich- Truppe, denn dort galt es, die traditionellen nor- te« zu einem Itinerar der Truppenteile der Aufklä- mativen Typen des Kämpfers und Führers mit wis- renden Artillerie, in dem wesentliche und völlig pe- senschaftlich-technischem Wissen und Können riphere Ereignisse zu einem bunten Bilderbogen und der Fähigkeit zur Teamarbeit zu verbinden. lebendiger Erlebnisgeschichten vereinigt sind: Im Nur verstreut wird an einigen äußerst wider- Inhaltsverzeichnis spricht der Autor bescheidener sprüchlichen Verhaltensweisen hoher und höchster von den »Lebensläufen der Beobachtungsabteilun- Truppenführer in der Handhabung des Instrumen- gen«. In einer fünfzehnjährigen Fleißarbeit hat tes der beobachtenden Artillerie die teilweise nicht Oberst a.D. Froben hierzu eine gewaltige Mate- ausreichende Kenntnis der Leistungsfähigkeit die- rialfülle, in Ermangelung schriftlicher Quellen vor ser Waffengattung auf jenen Kommandoebenen allem auf die Berichte ehemaliger Angehöriger der belegt. Aufklärenden Artillerie gestützt, zusammengetra- Der Einsatz der Aufklärenden Artillerie wird gen. Doch in der Gliederung nach den einzelnen durch reichhaltige Bebilderung mit Fotos aus pri- Verbänden und Einheiten und im Reichtum an De- vaten Quellen veranschaulicht, zahlreiche Skizzen, tails geht der Überblick über den Einsatz und die Karten und Gliederungsbilder ergänzen den Text. Leistung dieses Teilbereiches der Artillerie als Ge- Insgesamt kann das Werk als eine durchaus nützli- samtheit verloren. Zudem stören zahllose Wieder- che Quellensammlung auf der Ebene der reinen holungen desselben Sachverhaltes bei jeweils ver- Kriegsgeschichtsschreibung betrachtet werden. Es schiedenen Truppenteilen, so z.B. die Schilderun- steht aber durch seine höchst aufwendige Ausge- gen des harten Winters 1941/42 im Osten oder die staltung - Kunstdruckpapier - und den daraus re- Beschreibung der operativen Absicht des Unter- sultierenden Preis (DM 154.-) auch hinsichtlich nehmens »Zitadelle« und anderes mehr. Informa- seiner konzipierten Funktion als schriftliches Denkmal in einem merkwürdigen Gegensatz zu Führung, die einen deutschen Angriff auf Polen dem auf der letzten Seite abgebildeten schlichten nur mit einer Kriegserklärung beantworten steinernen Denkmal der Aufklärenden Artillerie. konnte, keinerlei Basis vorhanden war. So Greiseiis bleibt als Hauptakteur auf deutscher Seite Göring, der seine durch eine Konfrontation mit England gefährdeten wirtschaftsexpansionisti- schen Ziele u. a. auch auf diese ungewöhnliche Weise zu wahren versuchte. Birger Dahlerus: Der letzte Versuch. Wünschenswert wäre zumindest ein Hinweis London — Berlin Sommer 1939. Aus auf die Fortsetzung von Dahlerus' Bemühun- dem Schwedischen von Hellmuth Dix. gen in den ersten Kriegsmonaten gewesen, die Nachwort von Walter Siemers. Mün- in den Forschungen von B. Martin (Friedens- chen: Nymphenburger Verlagshandlung initiativen und Machtpolitik im Zweiten Welt- 1973. 211 Seiten krieg 1939—1942. Düsseldorf 1974) aufgegriffen und nun in einen größeren thematischen Rah- Offenbar soll die oft zitierte »Hitler-Welle« men eingeordnet wurden. Statt dessen wird der nun auch sdion vielbeachtete Publikationen überflüssige erneute Abdruck jener Quellen ge- vergangener Jahrzehnte in aufgefrischtem Ge- boten, die als Nürnberger »Schlüssel-Doku- wand zu neuem Erfolg tragen. Diesen Eindruck mente« in wirklich jede der zahlreichen Editio- erhält man, wenn der bereits 1948 in Deutsch- nen zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs land erschienene Bericht des schwedischen In- aufgenommen sind. Josef Henke dustriellen über seine Verhandlungen in Berlin und London kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs nunmehr — von wenigen Zusätzen bei Vor- und Nachworten und im Dokumenten- anhang abgesehen — unverändert neu aufgelegt auf den Markt kommt. Herbert Michaelis: Der Zweite Weltkrieg Erneut wird — nicht zuletzt durch die äußere 1939-1945. Völlig neu bearbeitete und er- Aufmachung — das inzwischen durch die zu- weiterte Sonderausgabe aus Handbuch der gänglichen amtlichen deutschen und britischen deutschen Geschichte, herausgegeben von Akten überholte Bild vermittelt, als habe Hitler Leo Just. Bd 4, 2. Frankfurt a. M.: Athe- zusammen mit Göring über Dahlerus in ernst- naion 1972. 587 Seiten haften Geheimverhandlungen mit Großbritan- nien gestanden, um den drohenden Krieg mit Entgegen der von Andreas Hillgruber vertretenen den ehedem als Bündnispartner vorgesehenen Ansicht, daß die Epoche der als Überblicke gehal- Engländern in letzter Minute zu verhindern. tenen Abhandlungen zum Zweiten Weltkrieg etwa Sinnvolles Motiv einer Neuauflage wäre jedoch 1960 zu Ende gegangen ist, scheinen die Darstel- gewesen, in kommentierenden Begleittexten o. ä. lungen der Kriegsereignisse von 1939 bis 1945 wie- zu zeigen, was sdion Dahlerus' Vernehmung der steigendes Interesse in der breiten Öffentlich- 1946 vor dem Nürnberger Tribunal angedeutet keit zu wecken und zu finden. Denn anders läßt hatte und die historisdie Forschung an Hand sich nicht erklären, warum 1972 außer Liddell der amtlichen Akten seit der Erstausgabe bestä- Harts Geschichte des Zweiten Weltkrieges die für tigte: daß Dahlems' »letzter Versuch«, den in das Handbuch der deutschen Geschichte konzi- Berlin und London niemand so recht ernsthaft pierte Darstellung als selbständige Veröffentli- aufgreifen wollte, im diplomatischen Geschehen chung auf den Markt gebracht wurde. Von einer des Sommers 1939 eher als Randerscheinung völligen Neubearbeitung kann insofern nicht ge- registriert wurde, und daß vor allem die für sprochen werden, als nicht nur der Text mit dem Krieg und Frieden letztlich ausschlaggebende von 1965 trotz einiger Erweiterungen nahezu iden- Entscheidungsebene, Hitler, von Dahlerus' tisch ist, sondern auch der Handbuchstil - engzei- Aktionen nur punktuell erreicht, niemals aber lige Einschübe, Verzicht auf Quellenbelege - bei- beeinflußt wurde. Von seiner Konzeption, den behalten wurde. Krieg gegen Polen in jedem Fall, auch unter Für den Verfasser ist der Zweite Weltkrieg ein pri- dem Risiko eines britischen Eingreifens zu füh- mär europäischer Krieg mit den Schwerpunkten ren, wich Hitler in keiner Phase ab, so daß für Deutschland und Hitler. Dementsprechend neh- '3 ernsthafte Verhandlungen mit der britischen men die Feldzüge auf Kosten der politischen Ent- Scheidungsprozesse, ihrer wirtschafdichen und Die Verfasser gehen u. a. auf grundsätzliche Fragen ideologischen Hintergründe einen zu großen Raum des strategischen Konzepts und der Kampfführung ein, obwohl Michaelis gerade die Interessenlage der ein. Solche Fragen sind aber auf wenigen Seiten gar BeteiUgten veranschaulichen wollte. Bedauerlich nicht abzuhandeln. Wenn auch viel Richtiges ge- ist die Vernachlässigung der neuesten Forschungs- bracht wird, so sind doch auch Passagen zu finden, ergebnisse. So wird z. B. das Unternehmen »Barba- die Unzutreffendes enthalten, wie z.B. bei der Er- rossa« noch immer als rein machtpolitischer Vor- örterung der von Hitler im Jahre 1938 geforderten gang gedeutet: Hitler habe in der Sowjetunion den enormen Vergrößerung der . Diese For- Festlanddegen für Großbritannien gesehen und sie derung wird hier so interpretiert, als habe nur Hit- deshalb überfallen (S. 221). Eine solche Deutung ler die Verhäknisse klar und weitblickend gesehen, übersieht zwei wesentliche Motive in Hitlers Ost- während dem Generalstab der »Unternehmungs- kriegskonzeption: die Gewinnung von »Lebens- geist, die Vorstellungskraft und der Wille« zu die- raum« und die Ausrottung der »jüdisch-bolschewi- sem Programm gefehlt hätten. In WirkUchkeit wa- stischen« Führungsschicht und ihrer biologischen ren die Forderungen Hitlers irreal. Das von ihm ge- Wurzel. Militärischer Kampf und SS-Aktion waren forderte Programm war auf Grund der gegebenen verschiedene Seiten eines einzigen großen Ver- Rohstofflage, der Rüstungskapazitäten, der Treib- nichtungskrieges. stoffversorgung und aus noch manchen anderen Im Literaturverzeichnis fehlen u.a. so wichtige Gründen einfach nicht zu realisieren. Hierüber Arbeiten wie Staatsmänner und Diplomaten bei sind - im Gegensatz zu der hier gebrachten Schilde- Hitler. Hrsg. und erl. von A. Hillgruber. T. 1.2. rung - sehr eingehende Untersuchungen über die Frankfurt a. M. 1967-70; K. Hildebrand: Deut- Durchführbarkeit vorgenommen worden. sche Außenpolitik 1933-1945. Stuttgart 1971 und Das Buch wird abgeschlossen mit statistischen An- A. Seaton: The Russo-German War 1941-45. Lon- gaben, vor allem mit einer Aufstellung der deut- don 1970. Das Desiderat einer umfassenden Ge- schen »Jagdflieger-Asse« mit mehr als 100 Ab- schichte des Zweiten Weltkrieges erfüllt die vor- schüssen, die sehr instruktiv ist, wenn auch leider liegende Untersuchung nicht. ein Hinweis fehlt, auf Grund welcher Unterlagen /. Förster sie erarbeitet worden ist. -khh-

Raymond F. Toliver, Trevor ]. Constahle: Henri Koch-Kent: Sie boten Trotz: Das waren die deutschen Jagdflieger-Asse Luxemburger im Freiheitskampf. 1939-1945. Aus dem Engüschen übertragen 1939—1945. Luxembourg: Hermann durch H. G. Schneider und Manfred Jäger. 1974. 412 Seiten 4. Auflage. Stuttgart: Motorbuch-Verlag 1974. 416 Seiten Koch-Kent hat bereits im Jahre 1.971 ein be- merkenswertes Buch herausgebracht unter dem Das Werk der beiden amerikanischen Autoren er- Titel »10 mai 1940 en Luxembourg«. Es ist in schien zuerst in England und das ist irgendwie französischer Sprache geschrieben, enthält aber symptomatisch. Das Interesse an der ehemaligen Fotokopien zahlreicher deutscher Kriegsdoku- deutschen Luftwaffe, an ihren Piloten, an ihren mente, die das Kriegsgeschehen am 10. Mai Flugzeugen ist in den angelsächsischen Ländern 1940. an der Westfront trefflich beleuchten. vielfach ausgeprägter als bei uns. Jet?t,beschreibt Koch-Kent das Schicksal jun- Der eine der beiden Autoren war selbst Jagdflieger. ger Luxemburger, die nach dem im Juni 1940 Ihm ist das Metier, über das er schreibt, daher nicht . abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen fremd. Darüber hinaus ist er mit einigen der über- Deutschland und Frankreich ihre Hoffnung auf lebenden deutschen Jagdflieger befreundet. Das Großbritannien gesetzt hatten. Sie glaubten verleitet aber recht oft dazu, überschwenglich zu nicht an den Endsieg Hitlers und waren ent- schreiben und Superlative zu verwenden. Auch der schlossen, mit der Waffe in der Hand zur Nie- Gegensatz »Front - Obere Führung« wird ange- derlage des Dritten Reiches beizutragen. Trotz schnitten, aber recht emotionell. Inwieweit hier der Drohung mit Zuchthaus und Todesstrafe deutsche Jagdflieger die Autoren in dieser Rich- durch die deutsche Besatzungsmacht verließen tung beeinflußt haben, sei dahingestellt. in den ersten baden Jahrert-nach dem Ein- marsch deutscher Truppen über 1000 wehrfä- Karl von Kutzlehen, Wilhelm Schroeder, Jo- hige Luxemburger ihre Heimat. Die meisten chen Brennecke: Minenschiffe 1939-1945. von ihnen versuchten England zu erreichen. Die geheimnisumwitterten Einsätze des Als dann am 30. August 1942 für die Luxem- »Mitternachtsgeschwaders«. Zeichnungen: burger die Wehrpflicht eingeführt wurde, de- Rohskizzen Karl von Kutzleben; die Rein- sertierten Hunderte von den zur deutschen zeichnungen besorgten Dusanka Smoljan Wehrmacht Eingezogenen und versuchten und Ernst A. Eberhard. Herford: Koehler ebenfalls in den Machtbereich der Alliierten zu 1974. 260 Seiten gelangen. Ferner meldeten sidi auch soldie Luxemburger für den Kriegseinsatz gegen Nach zwanzigjähriger Forschungsarbeit haben - Deutschland, die als Soldaten in deutscher Uni- laut Klappentext - die Verfasser diese erste umfas- form in Kriegsgefangenschaft geraten waren. sende Dokumentation über den Einsatz der deut- So kam es, daß Luxemburger nicht nur in den schen Minenschiffe im Zweiten Weltkrieg vorge- Landstreitkräften Großbritanniens, sondern legt. In einer kurzen Einleitung werden die Minen- auch in denen Frankreichs, Belgiens und Ame- schiffe, verschiedene Minentypen und Sperr- rikas vertreten waren. Manche dienten auch in schutzmittel vorgestellt; danach folgen sieben Ka- den Luftflotten der alliierten Länder oder als pitel, in denen in chronologischer Reihenfolge die Matrosen an Bord von Truppentransportern. Unternehmungen im europäischen Nordraum ge- Andere Luxemburger tauchten in belgischen schildert werden. Jeweils ein Kapitel ist dem Mi- und französischen Maquis unter. Im Osten stie- neneinsatz im Mittelmeer, den Hilfsminenschiffen ßen zwangsrekrutierte Luxemburger des öfteren in Übersee und den Flüchtlingstransporten in der auch zu Partisanenverbänden. Diesen Weg Ostsee gewidmet. In Zusammenarbeit mit D. Jung wählten schließlich auch Häftlinge, denen die Flucht aus deutschen Lagern gelang, deren Be- und M. Maaß wurde eine Liste der deutschen Mi- wacher vor dem Zusammenbruch kopflos ge- nenschiffe zusammengestellt; ein Schiffsnamen- worden waren. Wieder andere Luxemburger und ein Personenregister beschließen den Band. Standen an der Geheimen Front im Rahmen Als Quellen nennen die Verfasser Kriegstagebü- von alliierten Nachrichtendiensten oder Sabo- cher der beteiligten Schiffe oder deren vorgesetzten tagegruppen. Dienststellen, ohne diese jedoch im einzelnen zu bezeichnen. Ein Literaturverzeichnis ist nur dem »Sie boten Trotz« erbringt den Beweis, daß ein von J. Brennecke geschriebenen Kapitel über die ansehnlicher Prozentsatz der Bewohner eines Minenschiffe in Übersee beigefügt worden. kleinen Landes bewaffneten Widerstand gegen Von der Anlage her ist die Arbeit auf die Schilde- Deutschland geleistet hat. Sie waren die Garan- rung der Tätigkeit der Minenschiffe begrenzt. Das ten der Wiederherstellung der Eigenstaatlich- bedeutet, daß nicht nur die Mineneinsätze dieser keit des Großherzogtums. Schiffe dargestellt werden; dagegen finden Sperrle- Das Buch von Koch-Kent sollte auch in gungen anderer Fahrzeuge allein dann Erwähnung, Deutschland Verbreitung finden; allein schon wenn sie im Verband mit Minenschiffen erfolgten. aus dem Grunde, weil der Autor eine Reihe von Verfügungen des nationalsozialistischen Regi- Deshalb kann der Band nur schwer benutzt wer- mes zitiert, deren Inhalt die Überheblichkeit den, wenn etwa die Verlustursache eines Schiffes und Dummheit der Verfasser in solcher Weise geklärt werden soll, zumal Übersichtskarten über bloßlegt, daß es uns Deutschen heute schwer- die gelegten Sperren fehlen. Die beigegebenen 78 fällt, zu begreifen, wie das alles möglich war. Skizzen sind zumeist Wegekarten, die ohne Her- »Sie boten Trotz« ist auf Grund umfangreichen anziehung eines Kartenwerkes hierzu kaum etwas Quellenmaterials und der Schilderung zahlrei- auszusagen vermögen. cher Einzelschicksale zu einem Epos des Klein- Wohl mitbedingt durch die Quellenlage ist die un- krieges geworden. Es ist das bisher gründlichste gleichmäßige Verteilung der Gewichte. Der Be- Werk auf dem behandelten Gebiet, das ich richt über den Truppentransport der »Hansestadt kenne. Oscar Reile Danzig« zur Besetzung von Kopenhagen bean- sprucht sieben Seiten, das sind ebensoviele wie für die Mineneinsätze im Mittelmeer (einschließlich Schwarzem Meer) benötigt werden. Der Text lehnt sich eng an die benutzten Kriegstagebücher an; darüber hinausführende Betrachtungen und Ana- lysen fehlen. So sind auch Angäben über die Er- folge der gelegten Sperren rein zufällig. Für die so- rial mixture (see below) might be criticised. The wjetischen Verluste auf der Juminda-Sperre im style certainly invites criticism. For the professio- Finnischen Meerbusen werden der deutsche nal efficiency of works like this by North American Wehrmachtsbericht vom 30. August 1941 und die scholars, an aesthetic price has often to be paid. Bu- Stellungnahme der Seekriegsleitung zum Kriegsta- siness-like, solid, scholarly, informative, judi- gebuch des Führers der Minenschiffe zitiert: im cious, the book is nevertheless written in Ameri- Jahre 1974 kaum befriedigende Aussagen. Hier can, not English, and on the whole it reads as if it wäre wenigstens die Chronik des Seekrieges had been composed by a Computer. 1939-1945 von J. Rohwer und G. Hümmelchen. Since the study of 'war and society' usually includes Oldenburg 1969 heranzuziehen gewesen. the study of societies' reactions to wars after their Die den einzelnen Kapiteln vorangestellten »Lage- conclusion, it must be emphasized that this survey berichte« enthalten mehrmals grobe Fehler, z.B.: ends when the war ends. Only incidentally does the Frankreich besaß 1939 nicht sieben Flugzeugträ- author glance towards what came after. His exami- ger, das Linienschiff »Schlesien« beschoß nicht die nation of the U.S.A.'s. experience during the war Westerplatte, und durch den Abzug der U-Boote itself isconducted under theseheads:ForgingaWar aus dem Nord- und Mittelatlantik im Mai 1943 Economy, Civil Liberties and Concentration wurden nicht mehrere tausend Bomber für den Camps, The Waning of the New Deal, The Strug- Angriff auf deutsche Städte frei, denn im gesamten gle for Equal Rights, The Social Impact of War, Atlantik waren noch keine tausend Maschinen zur Challenges to Economic Regulation, Parties and U-Boot-Bekämpfung eingesetzt. Politics, and Soldiers, Civilians and Reconversion. Bernd Stegemann It ends with a comprehensive bibliography and a fine index. Geoffrey Best

Richard Polenberg: War and society. The United States 1941-1945. Second printing. Jürgen Thorwald: Die Illusion. Rotarmi- Philadelphia, New York, Toronto: Lippin- sten in Hitlers Heeren. München: Droe- cott 1972. 298 Seiten (= Critical Periods of mer Knaur 1974. 400 Seiten history.) Thorwald greift ein Thema auf, das er bereits A more informative subtitle for this estimable book vor 20 Jahren unter Zeitdruck höchst unvoll- would be: Social, Economic and Political Change kommen gelöst hatte Im Auftrage und mit in the U.S. during World War IL A big theme! It Unterstützung Gehlens trug er damals umfang- must therefore be understood that the method is reiches Material über die sogenannte Vlasov- that of summary, generalisation and Impression, Bewegung zusammen, das jetzt im Institut für brightened and sharpened by illustrative details. Zeitgeschichte in München zur Verfügung The severer sorts of social scientist might not think steht. Nun hat der Autor erneut bewiesen, daß the results satisfying by their exacting and exclusive er es versteht, ein für den Laien undurchsichti- Standards, but most historians will agree that this is ges Geschehen auf anschauliche Weise darzu- the only realistic method of scientifically digesting stellen. Dabei konnte er sich auf jüngere large topics into modest space for mass consump- Memoirenliteratur stützen und so für seine tion. And a perfectly good method it is, in the romanhafte und flüssige Darstellung eine ge- hands of capable historians with scholarly con- wisse Authentizität der Dialoge erreichen. sciences, like Professor Polenberg of Cornell Uni- Thorwald stützt sich besonders auf die Erinne- versity. His book is a high-intensity exercise in the rungen des Baltendeutschen Strik-Strikfeldt ordering and presentation of verifiable facts and der als Wehrmachtsdolmetscher dem gefange- justifiable judgments. Readers who want to chal- nen General Vlasov, dem erfolgreichen Vertei- lenge them are positively helped to do so, by the el- diger von Moskau, als Sonderführer beigeord- aborate annotation and the descriptive bibliogra- net war und sidi selbst als den eigentlichen In- phy. If you don't like it, in effect says a historian spirator des Vlasov-Unternehmens sieht. In sei- writing in this genre, do it better yourself! Döing it nen Aufzeichnungen, die auf einen Rohentwurf better might be difficult. Döing it differently would aus dem Jahre 1944 zurückgehen, wird noch of course be possible. The proportions of the mate- heute spürbar, wie sehr dem »starek« (Hei- ligen), wie ihn Vlasov selbst genannt hat, noch derfinden. Wenn der wissenschaftlich Interes- immer jenes Maß an Realismus und Selbstkritik sierte diese historiographische Form einer lite- abgeht, das hätte helfen können, die Tragödie rarisch-publizistischen Bearbeitung des Themas jener Bewegung zu verhindern. nur bedingt verwenden kann, so bleibt für ihn Thorwald ist es gelungen, diesen wichtigen doch zumindest das umfangreiche Quellenver- Sachverhalt in seiner historischen Bedeutung zeichnis bemerkenswert. Rolf-Dieter Müller aufzuzeigen. Der Titel Die Illusion soll Bestre- bungen kennzeichnen, die mit dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion ihren Anfang nahmen. Es war die Wehrmacht, die Anmerkungen von der Kollaborationsbereitschaft großer Teile 1 J. Thorwald: Wen sie verderben wollen. Bericht der Bevölkerung in den eroberten Gebieten des großen Verrats. Stuttgart 1952. überrascht wurde und unter dem Druck der 2 W. Strik-Strikfeldt: Gegen Stalin und Hitler. enormen personellen Verluste schließlich über Genosse Wlassow und die russische Freiheits- 600 000 einheimische Hilfswillige in die eige- bewegung. Mainz 1970. Vgl. dazu die Rez. in MGM 9 (1971) 272. Von der benutzten Me- nen Reihen aufnahm. Thorwald schildert das moirenliteratur ist besonders zu nennen R. Geh- Bemühen besonnener Offiziere im Heer, diese len: Der Dienst. Erinnerungen 1942—1971. Tatsache vor der eigenen politischen Führung Mainz, Wiesbaden 1971 — Rez. in MGM 13 und ihrer auf koloniale Ausbeutung bedachten (1973) 259—261 — und S. Steenberg: Wlassow. Verräter oder Patriot? Köln 1968 — Bespr. in Strategie zu verbergen und eine Änderung eben MGM 6 (1969) 240. dieser Politik herbeizuführen. Die katastropha- ' A. Solschenizyn: Der Archipel Gulag. Bern 1974. len Zustände in den Gefangenenlagern, die ver- Die ausführlidie Schilderung seiner persönlichen brecherischen Methoden der brutalen Zivilver- Eindrüdie über die Behandlung der repatriierten Rotarmisten, von der uns bisher im wesentlichen waitung und die hieraus resultierende Ernüch- nur die amtlichen Todesurteile gegen die Haupt- terung der unterworfenen sowjetrussischen Be- beteiligten vorlagen, madit den Eindrudc und völkerung mit ihren Auswirkungen auf die die nodi aktuelle Bedeutung dieser Vorgänge Partisanentätigkeit und den kämpferischen deutlidi. Einsatz der Roten Armee, die nun im »Vater- ländischen Krieg« zum Gegenangriff antrat, hatten Offiziere wachgerüttelt, die sich später zum größeren Teil in der militärischen Opposi- tion wiederfanden. William Craig: Die Schlacht um Stalin- Jene schließlich fast eine Million Rotarmisten, grad. Der Untergang der 6. Armee. die auf deutscher Seite kämpften, gerieten trotz Kriegswende an der Wolga. Ins Deutsche Unterstützung durch die verschiedensten Grup- übertragen von Ursula Gmelin und pen, vom Rosenberg-Ministerium bis zum Ab- Heinrich Graf von Einsiedel. München, wehrdienst, immer mehr ins politische Abseits. Wien, Basel: Desdi 1974. 375 Seiten Auch die Bereitschaft Vlasovs, an die Spitze

einer antikommunistischen Befreiungsbewegung Das Interesse an den Ereignissen zwischen Don zu treten, gab einem solchen Projekt doch nie- und Wolga im Winter 1942/43 ist heute noch mals eine reale Chance, zu dem ein nationalso- immer deshalb so stark, weil die Frage nach der zialistisches Deutschland wegen seiner bekann- Verantwortung und den Ursachen der Kata- ten ideologisch-machtpolitischen Zielsetzung strophe noch nicht geklärt ist. Alle bisherigen nicht der richtige Partner sein konnte. Publikationen blieben unbefriedigende Versu- Als schließlich im Zeichen des Zusammenbruchs che, weil sie entweder den taktischen Ablauf das Bündnis mit der SS geschlossen wurde, war des Kampfgeschehens oder die Frage nach der das Schicksal von Hunderttausenden endgültig Bewährung der ethischen Grundlagen soldati- besiegelt, die sich aus verschiedensten Motiven schen Handelns in unvollkommener Kenntnis gegen das herrschende System in ihrem Vater- der Ereignisse in den Vordergrund stellten. land gestellt hatten. Hoffnungen auf Verständ- Dem Phänomen Stalingrad kann man mit einer nis bei den westlichen Siegermächten wurden solch isolierten Betrachtungsweise aber nicht enttäuscht. Mit ihrer Auslieferung an sowjeti- gerecht werden. Militärisch verlangt es eine sche Kommandos begann ein Leidensweg, von breit angelegte operative Darstellung, und was 7 dem wir bei Solschenizyn ' einige Spuren wie- die ethische Komponente angeht, so kann deren Behandlung in zuverlässiger Weise erst dann Anbetracht dessen wirkt der Beitrag »Menete- erfolgen, wenn durch die Schilderung der ope- kel« des Grafen Einsiedel, der bekanntlich im rativen Abläufe ein sicherer Grund gelegt wor- Nationalkomitee Freies Deutschland eine Rolle den ist. gespielt hat, ebenso peinlich wie die Tatsache, Wie Craig in seinem Nachwort darlegt, war es daß bei der deutschen Ausgabe dieses merkwür- sein Ziel, die »komplexen Zusammenhänge zu digen Buches ehemalige hohe Offiziere der 6. untersuchen, die zum Untergang der 6. Armee Armee mitgewirkt haben. Kehrig in Stalingrad führten«. Hierzu vertiefte er sich, so wenigstens seine Behauptung, in die deut- schen Kriegsakten sowohl in Freiburg/Br. und Washington als auch in private Brief- und Fotosammlungen sowie Tagebücher; er reiste nach Stalingrad und befragte Überlebende. Institutul de Studii Istorice ji Social-poli- Was dabei herauskommt, ist jedoch ein in sei- tice de pe lingä C. C. al P. C. R. Centrul nen Aussagen wie Folgerungen höchst fragwür- de Studii }i Cercetäri de Istorie ji Teorie diger Report, der selbst den interessierten Laien Militarä al Ministerului Fortelor enttäuschen und letztlich verwirren muß. — Armate. Pentru eliherarea patriei. Docu- Der Verfasser schildert den taktischen Ablauf mente, extrase din presä, memorii cu pri- der Kämpfe der 6. Armee vom Sommer 1942 vire la lupta poporului roman pentru eli- bis Anfang Februar 1943, indem er kapitel- berarea patriei de sub jugul fascist (23 weise Situationsschilderungen, die er Augenzeu- august—25 octombrie 1944). Coordona- genberichten entnimmt, aneinanderreiht. Einge- tori de edi^ie: Gheorghe Zaharia ji streut sind Zitate aus Kriegstagebüchern, Be- Eugen Bantea. Indicii au fost mtocmip fehlen und Meldungen. So entstand ein flott ge- de Gheorghe Stoean. Coperta: N. Nobi- schriebener historical report, der sich strecken- lescu. Redactor: Gheorghe Stoean. Bucu- weise spannend liest, aber in nahezu jeder Hin- re^ti: Editura militarä 1972. 836 Seiten sicht unzuverlässig ist. Eine kritische, gründ- [Für die Befreiung des Vaterlandes.] liche Be- und Auswertung der Kriegsakten ist unterblieben, so daß der operative Rahmen un- Am 23. August 1944 kündigte Rumänien den berücksichtigt bleibt; und wo Aussagen zur Achsenmächten sein Bündnis auf und trat auf operativen und strategischen Bedeutung der die Seite der bisherigen Gegner. Als die rumä- Kämpfe im Raum von Stalingrad gemacht wer- nischen und sowjetischen Streitkräfte bei der den, sind sie so verschwommen, nichtssagend Verfolgung der nach Mitteleuropa zurückwei- oder gar falsch, daß man aus dem Staunen chenden deutschen Truppen am 25. Oktober nicht mehr herauskommt. Das gleiche gilt für die nordwestliche Grenze Rumäniens erreicht die Schilderung der taktischen Lageentwick- hatten, war die Befreiung des Landes abge- lung. Die drei militärischen Kernpunkte des schlossen. Diesem Zeitabschnitt widmet sich die Problems Stalingrad: die logistische Lage, die vorliegende Arbeit, für die ein Autorenkollek- Frage einer Luftversorgung und die Möglich- tiv zeichnet, das sich aus Mitarbeitern des Insti- keiten wie Konsequenzen eines Ausbruchs der tuts für historische und sozialpolitische Studien 6. Armee aus dem Kessel werden nicht einmal beim Zentralkomitee der Kommunistischen in ihren Ansätzen zu klären versucht. Und was Partei Rumäniens und des Studien- und For- die Erlebnisschilderungen betrifft, so mögen sie schungszentrums für Militärgeschichte und in einigen Fällen zutreffen, in ebenso vielen -theorie im Ministerium der Streitkräfte zusam- jedoch entsprechen sie wohl kaum den Tatsa- mensetzt. chen, verfälschen die Atmosphäre und grenzen Das Herausstellen der Kommunistischen Partei oft an grobe Taktlosigkeiten und ehrenrührige in der Einleitung verdeutlicht die ideologische Behauptungen. Grundhaltung des gesamten Berichtsbandes. Das Buch strotzt von falschen Angaben, deren Die übrigen politischen Kräfte, die zumindest Fülle sich allein auf den letzten 200 Seiten auf an der Wendung vom 23. August 1944 wohl eine dreistellige Zahl belaufen dürfte; sie im den entscheidenderen Anteil hatten, treten in einzelnen aufzuführen, würde zu weit führen. den Hintergrund, wie es sich ja auch in der ge- Zur Klärung des Problems Stalingrad trägt schichtlichen Entwicklung ergeben hat. Craigs Arbeit nichts bei, sondern belebt viel- Teil 1 (Alle Kräfte im Dienste der Befreiung mehr alte Legenden und schafft sogar neue. In des Vaterlandes) bringt Proklamationen und Appelle, Berichte und Dekrete, die in unmittel- Ceaujescu erwähnt, und zwar in einem Beridit barem Zusammenhang mit dem Umsturz ste- der Zeitung »Romänia liberä« vom 31. August hen; an erster Stelle steht eine Erklärung der 1944 als Sprecher der kommunistischen Jugend Kommunistischen Partei und danach erst (S. 83 f.) und in den Erinnerungen General Dom- kommt die Proklamation, mit deren Verlesung browskis (S. 163). Ferner ist er in einem Bild- im Bukarester Rundfunk am Abend des 23. ausschnitt von einer Massenkundgebung im August um 22.15 Uhr OEZ König Michael 1. Herbst 1944 zu sehen (9. Bildseite nach S. 480). den Übertritt Rumäniens auf die Seite der Alli- Bemerkenswert ist auch, daß der 1944 als ierten ankündigte. Von den persönlichen Erin- Justizminister eingesetzte Lucre^iu Päträjcanu, nerungen an die Ereignisse verdienen die des der später als nationalistischer Rechtsabweicher früheren und mit dem Umsturz wiedereinge- verurteilt und hingerichtet, von Ceaujescu aber setzten Oberbürgermeisters von Bukarest, Ge- rehabilitiert worden ist, als Teilnehmer an der neral Victor Dombrowski, Erwähnung. Vorbereitung und Durchführung des Aufstan- Teil 2 schildert an Hand von Einsatzbefehlen des vom 23. August 1944 gezeigt wird (4. Bild- und Lageberichten sowie rumänischen und alli- seite nach S. 480). ierten Presse- und Rundfunkmeldungen die In einem Bericht des Generalstabes über die all- militärische und politische Entwicklung bis zu gemeine Lage am 23. August 1944 werden die dem Einzug der Sowjettruppen in Bukarest am deutschen Streitkräfte in Rumänien an diesem 1. September. Tage auf insgesamt 580 527 Mann beziffert, Teil 3 bringt in Einsatzbefehlen und Lagebe- von denen 381 032 an der Front standen (S. richten die militärische Entwicklung bis zum 455). Im gleichen Bericht wird die Zahl der in 25. Oktober. Er schließt mit dem Tagesbefehl Rumänien gefangenen deutschen Soldaten mit des Kriegsministers vom folgenden Tage ab, der 56 455 Mann angegeben und die Zahl der ge- die Befreiung Siebenbürgens würdigt, den fallenen Deutschen auf 5000 beziffert (S. 463). Dank für die Hilfe der Roten Armee ausspricht Die Gesamtzahl der rumänischen Streitkräfte und zum weiteren Kampf bis zur endgültigen wird bis zum 6. bzw. 20. September 1944 mit Niederringung des »jahrhundertealten Feindes« 385 847 bzw. 242 918 Mann, ihre Verluste aufruft. Aus den vorhergehenden Sätzen ist er- werden mit 50 483 Mann angegeben; die Stärke sichtlich, daß damit die Ungarn gemeint sind. der rumänischen Streitkräfte sank bis zum 25. Der Band ist mit mehreren Registern ausgestat- Oktober 1944 auf 230 100 Mann, ihre Verluste tet. Das sehr ausführliche Inhaltsverzeichnis ist betrugen in dieser zweiten Ph^se 22 041 Mann. außer in rumänischer auch in russischer, fran- Die Gesamtverluste betrugen demnach rd. zösischer, englischer und deutscher Sprache zu 72 500 Mann. lesen. Der Wortlaut des am 12. September 1944 in An nichtrumänischen Dokumenten enthält der Moskau abgeschlossenen Waffenstillstandsver- Band einige, namentlich sowjetische Presse- trages ist auf S. 107 veröffentlicht. Aus Dom- und Rundfunkmeldungen, in denen die Bedeu- browskis Erinnerungen geht hervor, daß am 31. tung des Umschwenkens Rumäniens unterstri- August 1944 der Kurs für einen Rubel auf 100 chen wird; ferner werden einige Befehle von Lei festgesetzt wurde. Kommandostellen der Roten Armee aufgeführt, Im ganzen trotz der Unvollständigkeit eine für u. a. der von der operativen Unterstellung der den Historiker zweifellos aufschlußreiche rumänischen Truppen unter die Sowjets. An Dokumentensammlung, deren ideologische deutschen Dokumenten werden nur vier Be- Grundeinstellung nirgends verleugnet wird und fehle angeführt, von denen zwei die Neuord- daher unschwer bei der Bewertung berücksich- nung der Kommandogewalt betreffen und die tigt werden kann. ac. anderen zwei die Niederschlagung des rumäni- schen Aufstands »mit aller Härte« anordnen. Um den Verlauf der Operationen deutlicher zu machen, hätten noch einige deutsche Befehle und auch OKW-Berichte aufgenommen werden müssen. Aus den vielen Einzelangaben, die in den ver- schiedenen Dokumenten enthalten sind, mögen folgende herausgegriffen werden. An drei Stel- 9 len wird der heutige Staatspräsident Nicolae Institutul de Studii Istorice ?! Social- war und nun im Verband des russischen 33. politice de pe lingä C. C. al P. C. R. In Armeekorps kämpfte. Mit viel Liebe zum De- numele libertäfii }i prieteniei. Volumul tail und noch mehr schmückenden Beiwörtern [1. 2.] a fost pregätit de Gheorghe Zaha- werden da unbedeutende Gefechte beschrieben ria. Coperta: N. Nobilescu. Redactor: und die Moral der Truppe gelobt. Gh. Preda. Bucurejti: Editura militarä Es sei dahingestellt, inwieweit die Begeisterung 1970. einzelner Kommandanten und Offiziere von 1. Documente, extrase din presä 51 amin- der Mannschaft geteilt wurde, die kurz vorher tiri despre participarea Romäniei la eli- Stalingrad und den Rückzug auf der Krim als berarea Ungariei de sub jugul fascist Verlierer mitgemacht hatte und dann zu einem (octombrie 1944—ianuarie 1945). 423 zweiten Feldzug genötigt worden war. In der Seiten Darstellung der Teilnahme der rumänischen 2. Documente, extrase din presä ji amin- Armee an den Kämpfen zur Befreiung Ungarns tiri despre participarea Romäniei ia eli- und der Tschechoslowakei die eigenen Helden- berarea Cehoslovacied de sub jugul fascist taten der Sowjetunion gegenüber herauszustrei- (18 decembrie 1944—12 mai 1945). 469 chen, dürfte auch politische und wirtschaftspo- Seiten litisdie Gründe gehabt haben. [Im Namen der Freiheit und der Freundschaft.]

Die beiden Bände sind vom Institut für histori- Hubertus Bergwitz: Die Partisanenrepublik sche und sozial-politische Studien beim Zen- Ossola. Vom 10. September bis zum 23. tralkomitee der Kommunistischen Partei Oktober 1944. Mit einem Vorwort von Ed- Rumäniens herausgegeben. Sie würdigen in gar Rosen. Hannover: Verlag für Literatur Dokumenten, Zeitungsartikeln und persön- und Zeitgeschehen 1972. 165 Seiten (= lichen Erinnerungen den Anteil Rumäniens an Veröffentlichungen des Instituts für Soziai- der Befreiung der beiden Nachbarländer Un- geschichte. Braunschweig.) garn und Tschechoslowakei vom faschistischen Joch in der Zeit vom Oktober 1944 bis zum Die italienische Widerstandsbewegung ist in der Januar 1945 bzw. vom 18. Dezember 1944 bis deutschen Geschichtsschreibung über den Zweiten zum 9. Mai 1945. Weltkrieg bisher »terra incognita« (Geleitwort) ge- Jeder der Bände ist in vier Abschnitte einge- blieben. So ist Bergwitz das Verdienst zuzuerken- teilt: 1. Tagesbefehle und Berichte der einzel- nen, die erste deutsche Publikation über die, wenn nen Einheiten an die höheren Kommandostel- auch regional begrenzte, Resistenza vorgelegt zu len. 2. Auszüge aus den nach diesen Berichten haben. Als eine der »Oasen der Freiheit inmitten von der 1. und der 4. Armee und dem General- eines vom Feind besetzten Territoriums« (S. 7) läßt stab herausgegebenen Synthesen. In knapper aber die Partisanenrepublik Ossola, die im übrigen Form bringen diese Auszüge die Chronologie auch noch keine italienische Einzeldarstellung ge- der Ereignisse. 3. Erinnerungen ehemaliger jetzt funden hat, trotz ihrer Kurzlebigkeit alle Merk- im Ruhestand befindlicher Offiziere. 4. Dan- male erkennen, die für den Kampf der Partisanen kesreden und -schreiben, die die befreite Bevöl- gegen die »nazi-fascisti« und für das Ringen der po- kerung an die Adresse der rumänischen Armee litischen, sich in ihrer Zielsetzung unterscheiden- gerichtet hat. den Kräfte um die demokratische Erneuerung des Von militärgeschiditlichem Interesse dürften italienischen Staates kennzeichnend waren. Das vor allem die beiden ersten Abschnitte sein. Die Bestreben der einzelnen Partisanenbrigaden, ihre zweite Hälfte eines jeden der beiden Bände Selbständigkeit zu behaupten, erschwerte die könnte eher als politische Propaganda bezeich- Kampfplanung und -führung und schließlich die net werden. In der blumenreichen Sprache des Bildung eines gemeinsamen Oberkommandos. Balkans werden die soldatischen Tugenden der Parteipolitische Rivalitäten und Gegensätze bela- rumänischen Soldaten und ihre Liebe zu den steten die Verwaltungsorganisation und die Befehlshabern und den Kameraden im Kampf Neuordnung des öffentlichen und Wirtschaftsle- geschildert. Im besonderen werden die Hel- bens in der befreiten Region zusätzlich mit Pro- dentaten der Freiwilligendivision »Tudor blemen. Die Hoffnung auf laufende materielle Un- Vladimirescu« gewürdigt, die 1943 in Rußland terstützung durch die Alliierten und sogar auf Ein- aus rumänischen Gefangenen gebildet worden beziehung der bewaffneten Kräfte der Partisanen- republik in die strategische Planung des Ober- er sich freiwillig zur Verfügung gestellt hatte. Da- kommandos der Alliierten erfüllte sich nicht. Es bei war ihm auch eindringlich bewußt geworden, scheiterten auch die Bemühungen um ausreichende weshalb er als deutscher Offizier bestimmte Vor- Zulieferung von Waffen und Munition aus der un- gänge zwangsläufig »mit anderen Augen« (so der mittelbar angrenzenden Schweiz, die sich an die ursprüngliche Titel des Manuskripts) ansah als die Neutralität hielt. Trotz aller Schwierigkeiten ver- Ankläger und Richter des Militärtribunals. Die kri- mochten die Partisanenformationen den im Okto- tische Auseinandersetzung sowohl mit den eigenen ber 1944 zur Rückgewinnung dieser Region ange- Erlebnissen als auch mit dem Denken und Handeln tretenen deutsch-italienischen Kräften hartnäcki- der »anderen Seite« kam ihm dann vielfach zustat- gen Widerstand entgegenzusetzen, bevor sie erneut ten bei Geprächen und Verhandlungen über die den Untergrundkampf aufnahmen. EVG bzw. die WEU/NATO mit den ehemaligen Dieses nur 34 Tage währende »erste Experiment Gegnern und nunmehrigen Bündnispartnern, was einer demokratischen Regierung in Italien seit mit zahlreichen Beispielen belegt wird. Mussolinis Machtergreifung« (S. 129) im Hinter- Aufgeschlossenheit, Bescheidenheit und Aufrich- land der deutschen Kampffront hat mit dem vorlie- tigkeit prägen Konzeption und Stil der Erzählung in sehr überzeugender Weise. Der Leser wird un- genden Buch eine auch durch neu erschlossene mittelbarer Zeuge der Entwicklung und der Ar- Quellen eingehende und sich durch klare Gliede- beitsweise des »Amtes Blank«, besonders heraus- rung und Sachlichkeit auszeichnende Darstellung gehobene und differenziert charakterisierte Mitar- gefunden. W. Arenz beiter machen zugleich die Vielfalt der personellen und sachlichen Probleme lebendig, die sich bei Pla- nungen und vorbereitenden Arbeiten für einen Bei- trag der Bundesrepublik zur westeuropäischen Gerd Kobe: Der Wind kam vom Westen. Verteidigung ergaben. Die Darstellung konzen- Ein fast schon historischer Bericht. Mit ei- triert sich zunehmend auf das Gebiet der Ausbil- nem Geleitwort von General a. D. Adolf dung, einen Bereich also, der im Rahmen der Mili- Heusinger. Würzburg: Holzner 1974. tärliteratur gewiß nicht als besonders »spannend« 208 Seiten (= Würzburger wehrwissen- gelten kann. Daß es Kobe am Beispiel der Vor- schaftliche Abhandlungen. Bd 5.) schrift »Methodik der Ausbildung« gelungen ist zu zeigen, weshalb »ohne Anlehnung an die Formen Der Verfasser gehörte seit 1952 dem »Amt Blank« ^ der alten Wehrmacht etwas grundlegend Neues« an, wo er in erster Linie Fragen der Ausbildung zu geschaffen werden mußte, wie es die »Himmeroder bearbeiten hatte. Nach Übernahme als Oberst in Denkschrift« gefordert hatte, und wie dies geschah die Bundeswehr war er zunächst in verschiedenen - dies muß ohne Zweifel als besonders verdienst- Truppen- und Generalstabsdienststellungen tätig, voll hervorgehoben werden! leitete von 1965 bis 1967 die Ausbildung von Gene- Die sicherheitspolitischen Vorgänge und die militä- ralstabsoffizieren des Heeres an der Führungsaka- rischen Maßnahmen werden durchgehend in das demie und war bis zu seinem Ausscheiden aus dem gesamtpolitische Geschehen eingeordnet, wobei aktiven Dienst (1971) als Generalmajor Komman- Kobe mit gutem Augenmaß die Proportionen deur einer Panzerdivision. Er berichtet zunächst wahrt. Auf diese Weise wird das Verständnis des über sein Leben und seine berufhche Tätigkeit als Lesers nicht nur für die Anfänge der westdeutschen landwirtschaftlicher Gehilfe und Kaufmann in den Aufrüstung, sondern auch für aktuelle Verteidi- ersten Nachkriegsjahren. In dieser Zeit schrieb er gungsfragen gefördert. Darüber hinaus hat der u.a. einen kritischen Bericht über seinen Einsatz Verfasser mit seinem Buch, dem vor allem in der und seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg^. Jetzt Bundeswehr eine weite Verbreitung zu wünschen macht er noch einmal deutlich, worauf es ihm bei ist, einen nützlichen und wertvollen Beitrag zu ei- diesem Bericht aus den Kriegsjahren besonders an- ner Entstehungsgeschichte der Bundeswehr gelei- kam: zu zeigen, wie die jungen Offiziere seiner stet. J. F. Generation dachten, weshalb sie Soldaten gewor- den waren, wie sie sich mit den Problemen ihrer Zeit auseinandersetzten und sich bemühten, den Idealen ihrer Jugend treu zu bleiben. Den unmit- Anmerkungen telbaren Anstoß zur Niederschrift gab die Ver- ' Vgl. Chr. Greiner: Die Dienststelle Blank. In diesem nehmung Kobes vor dem Nürnberger Kriegsge- Bande, S. 99 ff. ^ Kalmuth: Befehl im Widerstreit. Neckargemünd richtshof im Rahmen der Fälle VII und XII, wozu 1962. Das militärische Fiihrungssystem. Manage- Paul Noack: Was ist Politik? Eine Einfüh- mentsysteme - Informationssysteme im rung in ihre Wissenschaft. Geleitwort von Management - EDV-Technik - EDV in In- Alfred Grosser. München, Zürich: Droe- formationssystemen. Herausgegeben von mer-Knaur 1973 . 400 Seiten Harald Wust und Louis Ferdinand Him- burg. Frankfurt a. M.: Bernard & Graefe Die Politikwissenschaft, heißt es im Vorwort, sei 1974. 290 Seiten ein so umstrittenes Fach, daß ihr oft die Existenz- berechtigung abgesprochen werde: Geschichte, Unter den 22 Autoren, die sich hier mit verschiede- Soziologie, Psychologie, Rechtswissenschaft, Phi- nen Aspekten militärischer Führung befassen, be- losophie und Ökonomie beanspruchen, oft weit- finden sich nur sieben Soldaten, darunter ein Gene^ gehend, Gegenstände und Gebiete, denen sich im ralstabsoffizier des Heeres. Themenauswahl, Glie- Jahre 1971 an deutschen Universitäten und Hoch- derung und Verhältnis der behandelten Gebiete zu- schulen 64 Lehrstühle in Forschung und Lehre einander sind durch diese Autorenauswahl quasi widmeten. Auch der Verfasser - Ordinarius für po- vorprogrammiert. litische Wissenschaft an der Pädagogischen Hoch- Der besondere Wert dieses Werkes liegt daher in schule der Universität München - verweist darauf, der ausführlichen Darstellung von elektronischen daß Politikwissenschaft zwar »ebenso uralt wie Hilfsmitteln für den Entscheidungsprozeß. Über- modern« sei, allerdings im Rahmen der Sozialwis- sichtliche Schaubilder ergänzen die Abhandlungen senschaften noch immer darum ringe, als eine ei- versierter Fachleute. genständige Wissenschaft anerkannt zu werden. Er Die naturgegebenen Unterschiede zwischen den versteht sein Fach (mit O. H. v. d. Gablentz) »im Teilstreitkräften sind auch künftig zu berücksichti- besonderen Maße als eine Krisen-Wissenschaft«, gen. So schränken z.B. die Eigenarten des Land- und in Verbindung mit diesem Krisen-Bewußtsein krieges den Gebrauch komplizierter elektronischer sei es vor allem der Versuch, »auch die praktische Geräte in Frontnähe - und damit von einer be- Politik der Rationalität stärker zugänglich, damit stimmten Führungsebene an - ein. Es ist daher planbarer zu machen«, der die heutige Politikwis- zwar richtig, wenn Zedier in seinem »Führungssy- senschaft nähre. Inhalt der Politik und ihrer Wis- stem des Heeres« eine Reihe von Forderungen für senschaft sind für ihn die »Ordnungsformen - von künftige Verbesserungen unter Verwendung mo- der Familie über den Staat bis zur Weltgemein- derner technischer Mittel erhebt. Bedenken stellen schaft - in denen wir leben«, Politik begreift er als sich aber ein, wenn für das Heer von einem ange- »die Kunst, die Leute dazu zu veranlassen, sich um strebten automatisierten »Führungssystem 1980« das zu kümmern, was sie angeht«. die Rede ist, das Teil eines Führungssystems der Um es vorwegzunehmen: sein »Versuch, Klarheit Bundeswehr sein soll: da die Verbände des Feld- in die politischen Verhältnisse zu bringen«, indem heeres »NATO-assigned« sind, ist mit einer zen- Schlagworte aufgelöst und die Bedingungen kennt- tralen Führung der Teilstreitkräfte durch die Spitze lich gemacht werden, unter denen Politik getrieben der Bundeswehr nicht zu rechnen. Mehr als be- wird, ist überzeugend gelungen! Dazu tragen die denklich (S. 30): »Die Fortführung der Führungs- Klarheit, die Allgemeinverständlichkeit und die arbeit muß aber auch dann gewährleistet sein, wenn Anschaulichkeit der Konzeption und der Darstel- EDV-Mittel ausfallen.« Das bedeutet in der Praxis, lung, die durch vorzüglich ausgewählte Abbildun- daß bis zu einer bestimmten Führungsebene (Divi- gen, Organigramme und Tabellen noch vertieft sion?) sowohl ein »automatisiertes elektronisches« werden, wesentlich bei. Der Verzicht auf Anmer- als auch ein (in gewissem Sinne) »klassisches« Füh- kungen - erforderliche Angaben wurden in den rungssystem vorhanden sein und funktionsfähig Text aufgenommen; eine Bücherliste erschließt die gehalten werden müssen! Von der Divisionsebene Möglichkeiten spezieller Informationen - und vor »nach vorn« muß ohnedies weitgehend auf elek- allem auf ein gerade in politikwissenschaftlichen tronische Entscheidungshilfen verzichtet werden. Arbeiten oft »abschreckendes« Fach-»Chine- Zum Schluß bleibt die Frage offen, ob unter diesem sisch«, erleichtern es dem Leser, der einleitenden Aspekt der Buchtitel korrekt ist. - Nichtsdestowe- »Einladung zur Politikwissenschaft« mit dankba- niger: ein höchst empfehlenswertes Werk, das frei- rem Interesse zu folgen. Er erhält nicht nur umfas- lich bezüglich praktischer Führung im Landkrieg sende Informationen über politische Philosophie und Ideengeschichte (Kap. 2), Weltanschauungen kritisch gelesen werden muß. R. Elble (Kap. 3), Wissenschaftstheorien (Kap. 4), Staats- formenlehre (Kap. 5), politische Soziologie (Kap. 6) und internationale Politik (Kap. 7), er stungs- und lUindnisdiplomatie und des Krisen- wird sich angesichts der Eindringlichkeit der Aus- Managements. Sie sind in die Zusammenhänge der führungen auch nicht der Einsicht verschließen internationalen Politik eingeordnet und vermitteln können, daß er mit dem Nach-Denken über die einen zuverlässigen Überblick über die Entwick- Vielfalt der Bemühungen um Gesetze und Struktu- lungen der Militärstrategien, Sicherheitstheorien ren menschlichen Zusammenlebens seine ureigene und Verteidigungskonzeptionen. Dabei verdienen Sache betreibt. besondere Aufmerksamkeit Überlegungen über die Das besondere Interesse der Militärhistoriker ver- Grenzen der Rüstungstechnologie bzw. die Not- dienen - abgesehen von der grundsätzlichen Not- wendigkeit, daß unter den gegenwärtigen Voraus- wendigkeit der Auseinandersetzung mit den Mög- Setzungen »neben die militärstrategischen Gedan- lichkeiten und Grenzen interdisziplinärer Zusam- kengänge nun auch sozialkritische und sozialpsy- menarbeit - neben interessanten Hinweisen zu chologische Gedankengänge« zu setzen seien, Problemen des Militärs unter staats- und verfas- bzw. daß »Stabilitätspolitik nicht nur die eigene Si- sungsrechtlichen (Militärdiktaturen; Autoritaris- cherheit, sondern stets auch die Sicherheit des mus) oder soziologischen Aspekten (Militäreliten) Gegners berücksichtigen müsse«. gedankenreiche Erörterungen von Fragen der Si- Es wäre zu wünschen, daß dieses informative und cherheit und Verteidigung, der Abschreckung und anregende Buch auch in der Bundeswehr weite des atomaren Gleichgewichts sowie der Abrü- Verbreitung fände! /. F.

DIE MITARBEITER DES BANDES

Dr. Hans Meier-Welcker, Oberst a.D., 78 Freiburg, Eichbergstr. 28 Dr. phil. Volker Wieland, 69 Heidelberg 1, Tiergartenstr. 112 Dr. rer. nat. Rainer Mennel, Dozent für Geographie und Politische Wissenschaften an der FU Berlin, 1 Berlin 45, Hortensienstr. 17a Dr. Peter Gosztony, Stiftung Schweizerische Osteuropa-Bibliothek, Jubiläumstr. 41, CH-3005 Bern Christian Greiner, M. A., Oberstleutnant, Militärgeschichtliches Forschungsamt Michael Geyer, 7802 Merzhausen, Alte Straße 36 Dr. Herbert Natale, Oberstaatsarchivrat, 7 Stuttgart 1, Hauptstaatsarchiv, Kon- rad-Adenauer-Straße 4 Wilhelm Keßler, Archivamtsrat a.D., 54 Koblenz, Landeshauptarchiv, Karmeliterstr. 1-3 Professor Dr. Bernd-Jürgen Wendt, 2 Hamburg 20, Beim Andreasbrunnen 8 Dr. Klaus-Jörg Ruhl, Wiss. Assistent, 7801 Umkirch, Brünnieacker 3 Professor Dr. Wolfgang Mager, Fakultät für Geschichtswissenschaft, 48 Bielefeld, Ka- valleriestr. 26 Dr. Volkmar Regling, Wiss. Direktor, Militärgeschichtliches Forschungsamt Dr. Friedrich Forstmeier, Kapitän zur See, Amtschef des Militärgeschichtlichen For- schungsamtes Professor Dr. Holger H. Herwig, Department of History, Vanderbilt University, Nash- ville, TN 37235, ÜSA Dr. Wolf D. Gruner, 813 Starnberg, Wilhelmshöhenstr. 6a Robert Dillmann, Vorsitzender Richter am Truppendienstgericht, 29 Oldenburg, Euti- ner Straße 20 Dr. Reinhard Patemann, Wiss. Mitarbeiter am Staatsarchiv Bremen, 28 Bremen 1, Franz-Liszt-Straße 15 Professor Dr. Hans-Erich Volkmann, Wiss. Direktor, Militärgeschichtliches For- schungsamt Professor Dr. Heinz Hürten, Ltd. Reg.-Direktor, Militärgeschichtliches Forschungsamt