Johann Christoph Allmayer-Beck: Ist Mili-Tärgeschichte Heute Noch

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Johann Christoph Allmayer-Beck: Ist Mili-Tärgeschichte Heute Noch Anzeigen könne Kriege in ihrer »Totalität« erfassen; zu die- sem Zwecke hätten die übrigen Wissenschaften ihr Datenmaterial in die Militärgeschichte einzubrin- Johann Christoph Allmayer-Beck: Ist Mili- gen und nicht umgekehrt; im übrigen könne der tärgeschichte heute noch zeitgemäß? In: Soziologe und erst recht der Politologe vom Mili- österreichische Militärische Zeitschrift. 12 tärhistoriker und seiner Betrachtungsweise der (1974) 257-261. Probleme manches lernen. Militärgeschichte also als neue Integrations-, als »Überwissenschaft«? Mit seiner auf dem Kölner Historikertag 1970 ge- Das scheint Allmayer-Beck in der Tat zu meinen, stellten Frage »Wozu noch Historie?« gab Reinhart wenn er schließt, sie sei »noch immer höchst zeit- Koselleck einem in der bundesrepublikanischen gemäß«. Eine kräftige Portion Skepsis dürfte hier Historikerzunft weit verbreiteten Unbehagen Ausdruck. Seitdem ist viel über krisenhafte Er- am Platze sein, und dies zumal, wenn man die Mei- scheinungen in der Geschichtswissenschaft ge- nung des österreichischen Autors, Krieg sei die schrieben und gesprochen worden. Die einen mei- »Daseinsvoraussetzung« für Streitkräfte, nicht ge- nen damit das Geschichtsbewußtsein, also das ge- rade als zeitgemäß beurteilt. Schließlich darf be- trübte Verhältnis einer breiteren Öffentlichkeit zur zweifelt werden, ob der Hinweis, der heute »plötz- Geschichte, die anderen haben eher die Geschichte lich so heiß ersehnte Gegenwartsbezug« lasse sich als Wissenschaft, als akademische Disziplin wie als bei der Militärgeschichtsforschung in Form von Schulfach, im Auge. Was wir konstatieren können, Beispielsammlungen für die Operationslehre und ist »Geschichtsmüdigkeit« auf der einen Seite und Taktik schon seit jeher knüpfen, ein Legitimations- eine kritische Infragestellung der historistischen argument darstellt, das modernen Anforderungen Geschichtswissenschaft auf der anderen. an die Militärgeschichte entspricht. Die hauptsächlich in der Bundesrepublik geführte Wolfram "Wette wissenschaftstheoretische und wissenschaftspoliti- sche Diskussion über die Möglichkeiten einer Neuorientierung nimmt der österreichische Mili- tärhistoriker Allmayer-Beck zum Anlaß, die ein wenig rhetorisch klingende Frage zu stellen, ob Mi- Paul MacKendrick: Deutschlands römi- litärgeschichte heute noch zeitgemäß sei. Er knüpft sches Erbe. Übersetzung aus dem Eng- dabei an die Überlegungen zur Standortbestim- lisdien von Helmuth Eggert. 2. Aufl. mung der Militärgeschichte aus den späten 50er Wiesbaden: Brockhaus 1972. 255 Seiten und frühen 60er Jahren an. In einem eigenen Bei- trag hatte der Autor seinerzeit für eine enge Anleh- nung der Militärgeschichte an die historische Ge- Der Verfasser, Professor für Altphilologie an samtwissenschaft plädiert (s. ÖMZ 1964). An die- der Universität von Wisconsin, hatte es sich zur ser Forderung hält er heute wie damals fest, da der Aufgabe gemacht, auf Grund archäologischer Fluchtweg zurück zur alten Militär- oder Wehr- Funde eine Kulturgeschichte der ehemaligen wissenschaft aus mancherlei Gründen »verram- römischen Provinzen Belgica, Raetia, Noricum melt« sei. und Ober- und Niedergermanien zu schreiben. Für die Militärgeschichte ist die Darstellung in- Der vorliegende Aufsatz geht insbesondere auf die- sofern relevant, als es sich um die Geschichte jenigen Fragen ein, die in der neueren fachinternen militärischer Eroberungen, einer Militärgrenze Debatte immer wieder auftauchen: Gegenwartsbe- und der dahinterliegenden Etappe handelt. In 8 zug, praktischer oder innerer Nutzen, Gegen- Kapiteln werden abgehandelt: das vorrömische standsbestimmung, Kooperationsprobleme, Theo- Germanien, die militärischen Vorstöße Caesars riedefizit, Relevanz. Allmayer-Beck interessiert über den Rhein, die militärischen Aktionen sich in diesem Zusammenhang allerdings weniger Roms von Augustus bis 73 n. Chr. sowie die für die Ursachen und die Tragweite der um diese römischen Städtegründungen von den Nieder- Stichworte kreisenden Diskussion als vielmehr für landen bis Österreich und der Limes; nach die- die spezifische Frage, ob denn die Militärgeschichte sen mehr politisch-militärischen Kapiteln fol- von alledem überhaupt tangiert werde. Es über- gen die Zeugnisse des zivilen Lebens im Schat- 2 rascht etwas, daß der Autor diese Frage eher ver- ten des Limes als Überreste römischer Kultur ^ neint und insgesamt ein rosiges und von Krisen we- auf germanischem Boden, weiterhin die religiö- ^ nig erschüttertes Bild der Militärgeschichtswissen- sen Kulte, die sich in diesen Gebieten durch die S Schaft zeichnet. Nur sie, lautet eine seiner Thesen, Stationierung von Truppen aus allen möglichen Provinzen des Römischen Reiches in mannigfa- werte Fehler: So spricht gegen eine besondere cher Weise vermischten, Kunst, Handwerk und Kinderliebe der Römer (S. 190) die bei ihnen Technik und als Abschluß die Kaiserstadt Trier frei geübte Abtreibung und Kindestötung; auch als Zeugin antik-römischer Nachblüte auf ger- waren in der Kaiserzeit die Ärzte keineswegs manischem Boden. meistens griechische Sklaven (S. 197); weiter Zu loben ist an dieser Darstellung, daß sie sind Aderlassen und Schröpfen zwei verschie- einen Überblick über die reichen archäologi- dene ärztliche Verrichtungen (S. 197), und die schen Zeugnisse römischer Besetzung und Kul- Herstellung des Diatretglases ist vor einigen tivierung des westlichen Deutschland vermit- Jahren geklärt worden, was MacKendrick an- telt. Der Verfasser zeichnet jedoch das histori- scheinend noch nicht bekannt war (S. sche Bild römischer Besetzung und Kultivie- 200—202). rung, das sich aus den archäologischen und lite- Für militärhistorische Einzelheiten gilt Ähn- rarischen Quellen ergibt, in einem oft unange- liches: Gut gelungen ist die Darstellung der bracht mokanten Tonfall — wie ein amerikani- Rheinbrücke Caesars (S. 34—36). Dagegen ist scher Urlauber im alten Europa im Stil von die verallgemeinernde Feststellung, militärische Mark Twain. Damit erweckt er den Eindruck, Truppen hätten seit jeher neuartige Waffen als wolle er geschichtliche Fakten einem unkri- verschmäht, ein unsinniger Allgemeinplatz, und tischen modernen Publikum anbiedern, aber zwar um so mehr, als der Verfasser dies zu nicht seinen Lesern geschichtliche Zusammen- einem Fund von Katapultpfeilen feststellt, die hänge verdeutlidien; dies wird in den religions- von der Truppe offenbar zurückgewiesen wor- geschichtlichen Ausführungen besonders deut- den sind, da sie nicht einwandfrei flogen, also lich. Oft erscheint die Darstellung wie ein unbrauchbar und mitnichten neuartig waren (S. Kompilat ohne klares Konzept, als eine Anhäu- 65). Die Schlacht im Teutoburger Wald hätte fung von historischen Fakten, die mehr als etwas ausführlicher behandelt werden können; Curiosa dargeboten werden. Hierfür sei ein freilich sind namentlich archäologische Zeug- Beispiel angeführt (S. 89 f.): »Auch die gegen- nisse hierzu kaum zu finden. Der Versuch, den wärtige Hauptstadt der Bundesrepublik ver- Fluchtweg der römischen Reiterei an Hand von dankt ihre Gründung dem Drusus. In Bonn Münzfunden zu rekonstruieren, bleibt uner- (Bonna) gibt es römische Gräber unter dem wähnt. Bundestag und dicht dabei einen römischen Zu den einzelnen Kapiteln wird das Schrifttum Brennofen. Plinius d. Ä. schrieb hier einen Teil angegeben, doch fehlen Anmerkungen mit seiner Naturgeschichte und seiner Germanen- Quellennachweisen zum Text fast gänzlich. Zu kriege, und Beethoven wurde wenige hundert loben sind die Karten vor allem zu Grenzbefe- Meter vom römischen Lager geboren.« stigungen und Garnisonen sowie die zahlrei- Einer solchen Darstellungsweise entspricht der chen Abbildungen, die viele Militärlager, mili- nachlässige Umgang mit der Sprache, der wohl tärische Einzelgebäude und Befestigungsanla- zum Teil zu Lasten des Übersetzers geht: »Seit gen wiedergeben. Rita Probst dem dritten Jahrhundert verdunkelt sich die Geschichte von Mainz.« (S. 78) Auch im Um- gang mit dem Lateinischen sollte ein Altphilo- loge sorgfältiger sein: pius heißt nicht »alt« (S. 90), sondern pflichtmäßig, gottesfürchtig. Im einzelnen sei pars pro toto noch folgendes Winfried Baumgart: Bücherverzeichnis zur hervorgehoben: Gut brauchbar und zu eigenen deutschen Geschichte. Hilfsmittel, Hand- Ortsbesichtigungen anregend ist das Kapitel bücher, Quellen. 2. erweiterte und ergänzte über den Limes und sein Hinterland: eine über- Auflage. Frankfurt a. M., Berlin, Wien: sichtliche Beschreibung des Verlaufs mit mehre- Ullstein 1973. 220 Seiten (= Deutsche ren geographischen Skizzen, der archäologi- Geschichte. Ereignisse und Probleme. 14.) schen Überreste und der Rekonstruktionen des (= Ullstein-Buch. 3856.) historischen Zustandes. Das gleiche gilt für das 5. Kapitel, in dem die Badeorte sowie die Landhäuser und Landgüter westlich und süd- Ursprünglich in einer Rotaprintausgabe (1969) als lich des Limes beschrieben werden. Bei der Be- Bibliographie zum Studium der neueren Ge- handlung fachgeschichtlicher Einzelheiten un- schichte konzipiert, liegt nach völliger Umarbei- terlaufen dem Verfasser nicht selten bemerkens- tung (1971) für die Deutsche Geschichte nach be- reits zwei Jahren die wiederum ergänzte und um rd 20 Seiten erweiterte Neuauflage in einer handli- Helmnt Nickel: Ullstein Waffenbuch. Eine chen, zudem für die bescheidenste Börse er- kulturhistorische Waffenkunde mit Mar- schwinglichen Taschenbuchausgabe vor. kenverzeichnis. Berlin, Frankfurt a. M., Soweit für die deutsche Geschichte bedeutsam, Wien: Ullstein 1974. 323 Seiten sind europäische und Weltgeschichte - wie es ja Wer die Bände der Ullstein-Antiquitäten-Biblio-
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