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Vortrag zum AGGB-Treffen am 24.3.2010 in der GDW

1. Geschichte des Bendlerblocks

1.1. Das Gebiet bis zur Errichtung des Reichsmarineamtes

1803 Erster Nachweis über eine Bebauung der späteren Bendlerstraße; Errichtung eines eingeschossigen Gebäudes an der heutigen Ecke Stauffenbergstr./Tiergartenstr. 1837 Ratsmaurermeister Johann Christoph Bendler legt eine nach ihm benannte Straße an, die eine Verbindung herstellt zwischen der Tiergartenstraße und der späteren Kaiserin-Augusta-Str. (ab 1933 Tirpitzufer, seit 1947 bis heute: Reichpietschufer, damals bis 1867 Grabenstr.) 1855 Beginn der ersten Bebauungsphase in der Bendlerstraße mit gutbürgerlichen Villen 1870 Zweite Bebauungsphase, einige Grundstücke in der Bendlerstraße bleiben unbebaut 1905-07 Dritte Bebauungsphase 1910 Der Reichsmarinefiskus erwirbt die Grundstücke Bendlerstraße 14 und Königin-Augusta-Str. 38-42 für den Neubau des Reichsmarineamtes. Bisherige Unterbringung der Marinebehörden am Leipziger Platz und in zehn weiteren Gebäuden der Innenstadt zur Miete. Wahl des Standortes getroffen wegen der reizvollen gärtnerischen Umgebung und der ruhigen Verkehrslage.

1.2. Das Reichsmarineamt 1914 bis 1919

1911 Aus einem vom Reichsmarineamt veranstalteten Architekturwettbewerb geht das Büro Reinhardt & Süßenguth als Sieger hervor. Soweit die für den Neubau vorgesehenen Grundstücken noch bebaut sind, werden Abbrucharbeiten durchgeführt. Bis 1914 entsteht an der Königin-Augusta-Str. ein fünfgeschossiger Bau, der sich über mehrere Innenhöfe nach Norden erstreckt und mit seinem Ostflügel bis zur Bendlerstr. reicht. 1914 Bis Ende März sind alle Marinebehörden in das Hauptgebäude an der Königin-Augusta-Str. eingezogen. Neben den Dienstzimmern befinden sich auch Beamtenwohnungen im Gebäude sowie eine dreigeschossige Bibliothek mit 230.000 Bänden, Zeichen- und Modellsäle sowie Druckereien, um geheime Pläne und Karten in eigenem Betrieb herzustellen. Insgesamt ziehen etwa 900 Beschäftigte ein. Erster Hausherr war Großadmiral Alfred von Tirpitz (1849 – 1930), der von 1897 bis 1916 als Staatssekretär im Reichsmarineamt fungierte 1918/19 Mit der Auflösung der Kaiserliche Marine und des Reichsmarineamtes erhält der einen neuen Hausherrn. 2

1.3. Sitz der Reichswehführung in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933

1919 Reichswehrminister bezieht die Diensträume des Großadmirals im Hauptgebäude. In der Bendlerstraße wird der Chef der Heeresleitung Walter Reinhardt (1872 – 1930) einquartiert. Das unter General (1866 – 1936), eine Tarnbezeichnung für den gemäß des Versailler Vertrages aufgelösten Generalstab, zog ebenfalls ins Hauptgebäude. 1920 Nach dem Scheitern des Kapp-Putsches wird Seeckt neuer Chef der Heeresleitung. Zum Nachfolger Noskes wird der süddeutsche Liberale Otto Geßler ernannt. Seeckt zieht in die Bendlerstr. 14. 1926 Entlassung Seeckts. Der Reichswehrfiskus erwirbt die Grundstücke Bendlerstr. 12/13 für Erweiterungsbauten. Dort war zuvor seit 1909 ein Unternehmen zur Unterbringung und Pflege fremder Pferde tätig, das auch Pferde verlieh und eine Reithalle unterhielt: die Tattersall AG. In Tiergartennähe gab es mehrere dieser Unternehmen vor allem für den Morgenausritt wohlhabender Berliner. 1927 In Seeckts ehemalige Dienstwohnung zieht sein Nachfolger General ein. 1928 Geßler wird durch abgelöst. 1930 Heye wird durch Kurt von Hammerstein-Equord abgelöst. 1932 Im Juni 1932 wird Kurt von Schleicher als Nachfolger Groeners letzter Reichswehrminister der Weimarer Republik. 1933 In den letzten Tagen vor Hitlers Machtübernahmen erörtert die Reichswehrspitze um Hammerstein-Equord Möglichkeiten, Hitlers Machtantritt zu verhindern.

1.4. Der Bendler-Block in der NS-Zeit

1933 Am 30.Januar tritt Schleichers Nachfolge an. Am 3. Februar trägt Hitler in der Bendlerstr. 14 der versammelten Reichswehrführung sein außen- und wehrpolitisches Programm vor. 1934 wird neuer Chef der Heeresleitung. Während des sogenannten Röhmputsches verschanzen er und der Chef des Truppenamtes General sich hinter bewaffneten Posten. Teile der Heeresleitung sind mittlerweile im Dienstgebäude der Bendlerstr. 12/13 untergebracht. Im Hauptgebäude arbeitet die gesamte die Marineführung und das Truppenamt. 1934 Nach Verkündung der Wehrhoheit wird das Reichswehrministerium in Reichskriegsministerium umbenannt, das Truppenamt wird wieder Generalstab und aus dem Chef der Heeresleitung der Oberbefehlshaber des Heeres. 1938 In der sogenannten Affäre Fritsch-Blomberg entledigt sich Hitler seiner Opponenten in der Reichswehrführung Fritsch und Blomberg. An die Stelle des Reichskriegsministers tritt das 3

Oberkommando der unter General . Zum Oberbefehlshaber des Heeres wird Walther von Brauchitsch ernannt. Die Führung der Wehrmacht liegt nun in den Händen Hitlers. Mittlerweile hat der Bendlerblock durch Umbauten und Erweiterungen der 1926 neu erworbenen Grundstücke seine heutige Form angenommen. Das Baugeschehen lässt sich im einzelnen nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren, da einander widersprechende Quellen existieren. 1939 Mit Kriegsbeginn zieht ein Teil des OKH nach Zossen, der Wehrmachtführungsstab des OKW wechselt in das jeweilige Führerhauptquartier. Teile der Arbeitsgruppen dieses Stabes verbleiben in der Bendlerstr., ebenso die neugeschaffene Dienststelle „Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres“ unter dem Kommando von General Friedrich Fromm. Im Hauptgebäude am Landwehrkanal sind Teile der 1935 gebildeten Seekriegsleitung sowie des Amtes Ausland/Abwehr im OKW unter Admiral untergebracht. Mit wenigen Ausnahmen kann man nicht mehr sagen, wo welche Dienststelle saß. In erhalten gebliebenen militärischen Fernsprechbüchern findet man lediglich Hinweise, dass bestimmte Dienststellen im Bendlerblock beheimatet waren. 1943 Am 23. November wird infolge eines schweren britischen Luftangriffs auf auch die Gebäude am Tirpitzufer und in der Bendlerstr. schwer getroffen. 1944 Der Umsturzversuch vom 20. Juli rückt den Bendlerblock ins Zentrum der Ereignisse. Nach seinem Scheitern werden in der Nacht vom 20. zum 21. Juli im heutigen Ehrenhof die vier Verschwörer Oberst Stauffenberg, General Olbricht, Oberst Quirnheim und Oberleutnant Haeften standrechtlich erschossen. Beck wählt den Freitod. 1945 Im Endkampf um die Reichshauptstadt bezieht Kampfkommandant General Helmuth Weidling am 27. April den 1942 fertig gestellten Hochbunker in der Bendlerstr. als Befehlsstand. Am 2. Mai besetzen sowjetische Truppen den Bendlerblock. 4

2. Geschichte der Gedenkstätte

2.1. Die Gedenkstätte bis zu ihrer Neugestaltung

Nach 1945 Bauliche Instandsetzung des kriegsgeschädigten Gebäudekomplexes. Einzug verschiedener Bundes- und Landesbehörden. So waren Mitte der 80er Jahre dort ansässig: das Bundesversicherungsamt, das französische Generalkonsulat und eine Gesellschaft für Systemforschung und Dienstleistungen im Gesundheitswesen. 20. Juli 1952 Grundsteinlegung für das Ehrenmal im Innenhof auf Anregung von Eva Olbricht, der Witwe Friedrich Olbrichts. Seit diesem Zeitpunkt finden im Bendlerblock jährlich um den 20. Juli herum Gedenkveranstaltungen statt, bei denen an den Widerstand gegen das NS-Regime erinnert wird, darüber hinaus auch in der Gedenkstätte Plötzensee. Die Reden, soweit sie noch vorhanden sind, werden mittlerweile über die Website der GDW als PDF-Dateien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 20. Juli 1953 Feierliche Enthüllung der von Richard Scheibe geschaffenen Bronzefigur eines jungen Mannes mit gebundenen Händen. Vor dem Ehrenmal ein Text des Kunsthistorikers und ehemaligen Reichskunstwarts der Weimarer Republik Edwin Redslob: „Ihr trugt die Schande nicht . Ihr wehrtet Euch – Ihr gabt das große – Ewig wache – Zeichen der Umkehr – Opfernd Euer heißes Leben – Für Freiheit – Recht und Ehre“. 20. Juli 1955 Umbenennung der Bendlerstr. in Stauffenbergstr. 20. Juli 1962 Enthüllung der Ehrentafel im Innenhof für die vier hier erschossenen Widerstandskämpfer. 1967 Erste temporäre Ausstellung im Bendlerblock 20. Juli 1968 Eröffnung der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße mit der von dem Historiker Friedrich Zipfel konzipierten Dauerausstellung, die zuerst an die Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit Berlin angebunden ist, später dann an das Informationszentrum Berlin, das direkt dem Regierenden Bürgermeister untersteht. Die Ausstellung befindet sich in den ehemaligen Räumen des Allgemeinen Heeresamtes (die heutigen Seminarräume) und besteht aus lediglich vier Räumen auf 200 Quadratmetern (siehe Flyer von 1968). Mit einbezogen in die Gedenk- und Bildungsstätte wird die bereits am 14. September 1952 eingeweihte Gedenkstätte Plötzensee, an der ehemaligen Hinrichtungsstätte der NS-Strafjustiz. 1979 Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses zur Erweiterung der Gedenk- und Bildungsstätte. 1980 Umgestaltung des Ehrenhofes. Die Wand des Hofzugangs erhält die Inschrift: „Hier im ehemaligen Oberkommando des Heeres organisierten Deutsche den Versuch, am 20. Juli 1944 die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft zu stürzen. Dafür opferten sie ihr Leben. Erweiterung der Dauerausstellung 1983 beauftragte der damalige Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker den Historiker Peter Steinbach und den Stuttgarter Gestalter Hans Peter Hoch mit der Konzeption einer neuen 5

Dauerausstellung, die den deutschen Widerstand gegen die NS- Diktatur in seiner ganzen Breite darstellen sollte. Vorläufige Schließung der bisherigen Ausstellung. Der Bund als Eigentümer des Bendlerblocks stellt dem Land Berlin für die Ausstellungserweiterung eine Fläche von ca. 2000 Quadratmetern mietfrei zur Verfügung.

2.2. Die Neugestaltung der Gedenkstätte

1983 Nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses konstituiert sich im November die Leitung der Ausstellung einschließlich Beirat und Arbeitsgruppe. Die Leitung liegt in den Händen von Eberhard Bethge und Peter Steinbach. Dem Beirat gehören u.a. Ludwig von Hammerstein für die Stiftung 20. Jul 1944, Karl Ibach für den Zentralverband demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenverbände, Georg Prinz für die Union Deutscher Widerstandskämpfer- und Verfolgtenverbände und Rüdiger Voß für die Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 an. Die Sammlung der Ausstellungsobjekte koordiniert Johannes Tuchel. Auch die Ausstellungskonzeption liegt bereits im November vor. Im Vorfeld der Neugestaltung der Berliner Dauerausstellung veranstalten das Bundesarchiv Koblenz und das Freiheitsmuseum Rastatt in Zusammenarbeit mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg und der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße eine Ausstellung zum 20. Juli 1944, die den Widerstand gegen das NS-Regime in einer größeren Breite zeigt, wichtige Bereiche aber noch ausspart wie z.B. den Arbeiterwiderstand und die Hilfe für Verfolgte. 20. Juli 1986 Ein Teilbereich der neuen Ausstellung, etwa die Hälfte der Ausstellungsgesamtfläche, in den historischen Räumen des Umsturzversuches im Gebäudeteil Stauffenbergstr., 2. Stock wird der Öffentlichkeit übergeben. Es fehlen die Bereiche Exil, Weiße Rose, Rote Kapelle, Widerstand von Juden und von Häftlingen sowie die Hilfe für Verfolgte. Heftige Kritik entzündet sich an bestimmten inhaltlich-konzeptionellen Fragen. Die Geschichte der Gedenkstätte wird im folgenden auch immer wieder von öffentlichen Debatten begleitet. Im einzelnen kann man das nachlesen in einem 1994 veröffentlichten Beitrag von Peter Steinbach „Vermächtnis oder Verfälschung? Erfahrungen mit Ausstellungen zum deutschen Widerstand“. Es ging hier u.a. die Rolle der katholischen Kirche im Dritten Reich, die „Rote Kapelle“, das Nationalkomitee Freies Deutschland und den kommunistischen Widerstand. Diese Auseinandersetzungen fanden im Zusammenhang mit den folgenden Teileröffnungen in den Jahren 1987 und 1988 statt. 20. Juli 1989 Eröffnung der gesamten neuen Dauerausstellung

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2.3. Die Gedenkstätte nach der deutschen Vereinigung

Nach der Vereinigung flammt noch einmal die Debatte um den kommunistischen Widerstand auf. So erklärte Verteidigungsminister Rühe anlässlich der Übernahme seines Berliner Dienstsitzes 1993, dass „Menschen, die ein Unrechtsregime nur durch ein anderes ersetzt haben und damit Unglück auch über Millionen Landsleute brachten“ – und damit waren „Ulbricht, Pieck und andere Machthaber der späteren DDR“ gemeint – es nicht „verdienen ... an gleicher Stelle und in einem Atemzug mit Persönlichkeiten wie Graf von Stauffenberg, Goerdeler und Leuschner geehrt zu werden.“ Diese Debatte findet ihren Höhepunkt im Jubiläumsjahr 1994 und flaut dann wieder ab. Nachzulesen ist sie bei: Christiane Richter/Torsten Kupfer/Jürgen Danyel: „Wer gehört zum deutschen Widerstand? Die Kontroverse um die Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Umfeld des 50. Jahrestages des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 im Spiegel der zeitgenössischen Presse“ im Internetportal Zeitgeschichte online. 1992 Die Gedenkstätte erhält eine zusätzliche Ausstellungsfläche für Wechsel- und Sonderausstellungen im 1. Stock. 1993 Gründung der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte, ein Gemeinschaftsprojekt der GDW und des Fachbereichs Politische Wissenschaft der FU Berlin. 1994 Gründung der unselbständigen Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand als Träger der Gedenkstätte im Bendlerblock und der Gedenkstätte Plötzensee, seinerzeit im Geschäftsbereich der Kulturverwaltung des Landes Berlin, mittlerweile unter der Regie der Senatskanzlei. Finanziert wird die GDW zur Hälfte vom Land Berlin und vom Bund. 1998 beginnt der Aufbau der Forschungsbibliothek 1999/2000 wird die vorläufig letzte große öffentliche Widerstands-Debatte geführt, an der die GDW starken Anteil nimmt, nämlich über die Legitimität des Attentatversuchs auf Hitler durch Johann Georg Elser am 8. November 1939. 2002 Neugestaltung der Gedenkstätte Plötzensee 2004 Räumliche Erweiterung der GDW für Ausstellungen und Seminare, sowohl in der 2. als auch 3. Etage. Erwerb des Hauses Rosenthaler Str. 30 mit der Zweckbindung, das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt auszubauen und eine zentrale Gedenkstätte „Stille Helden“ zu schaffen. In Zusammenarbeit mit dem Internetportal Zeitgeschichte-online, einem gemeinsamen Projekt des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) und der Staatsbibliothek zu Berlin, wird das zeithistorische Modul „Der 20. Juli 1944. Beiträge und Materialien zum 60. Jahrestag des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944“ ins Netz gestellt. 2005 Übernahme der Blindenwerkstatt Otto Weidt, einer ehemaligen Dependance des Jüdischen Museums. 7

2006 Überarbeitung, Erweiterung und Neueröffnung der Dauerausstellung im Museum Blindenwerkstatt. 2008 Eröffnung der Gedenkstätte „Stille Helden“.

Neben der kontinuierlichen Aktualisierung der Dauerausstellung ist auch eine Erweiterung der Gedenkstätte „Stille Helden“ geplant, die in Zusammenarbeit mit Partnern aus dem In- und Ausland erfolgen soll.

Gegenwärtig arbeiten im Haus neben dem Leiter der Gedenkstätte Prof. Johannes Tuchel, vier wissenschaftliche Mitarbeiter, die mit der Arbeit für die Dauerausstellung, den Sammlungen, Publikationen, Veranstaltungen und Sonderausstellungen beschäftigt sind, ein Mitarbeiter für die Bildungsarbeit, zwei Mitarbeiter in der Bibliothek, drei Verwaltungskräfte, fünf Auskunftsassistenten in der Dauerausstellung, vier wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Projekt „Stille Helden“ und zwei Kollegen in der Blindenwerkstatt. Darüber hinaus gibt es temporär Freiwillige in sozialen Jahr und Gedenkdiener, Praktikanten und auf der Basis von Werkverträgen arbeitende Kollegen vor allem für die Führungen durch die Dauerausstellung. Die Aufsicht in den Ausstellungen in der Rosenthaler Str. wird von einer Service-Gesellschaft wahrgenommen. Seit Gründung der Gedenkstätte gab es insgesamt drei Leiter, von denen Herr Tuchel der bei weitem langjährigste ist. Seit 1983 mit der Neugestaltung der Gedenkstätte befasst, übernahm er Anfang der 90er Jahre die geschäftsführende Leitung der Einrichtung. Wissenschaftlicher Leiter ist weiterhin Prof. Peter Steinbach

3. Geschichte der Bibliothek der Gedenkstätte

3.1. Die Entstehung der Bibliothek 1997/98

Bis 1997 verfügte die GDW über eine Hausbibliothek von ca. 8000 Büchern, die zuerst über die Zimmer der Mitarbeiter verstreut, dann endlich an einem Ort gesammelt und aufgestellt wurden. Auf der Grundlage von Lars (Leistungsorientiertes Archivierungs- und Recherchesystem) wurde eine Bibliotheksdatenbank mit einer eigenen Erfassungsmaske erstellt.

1997/98 konnte die GDW zwei umfangreichere Bibliotheksbestände übernehmen: 1. einen Teilbestand der Institutsbibliothek des aufgelösten Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung (ZI 6) – schätzungsweise 40.000 Medieneinheiten, und 2. den Bestand der Studienbücherei für Zeitgeschichte – ungefähr 20.000 Medieneinheiten.

Die Studienbücherei für Zeitgeschichte ist aus der 1953 gegründeten Wanderausstellung „Im Brennpunkt Zeitgeschichte“ hervorgegangen, einem Gemeinschaftsprojekt des Verbandes Deutscher Bibliotheken und des Deutschen Städtetags. Die Wanderausstellung umfasste rund 2000 Bücher, Fotos, Dokumente, bildliche Darstellungen und Tonaufnahmen von Reden bekannter Politiker aus der 30er bis 50er Jahren. Die Ausstellung wurde 1957 dem Land Berlin übereignet mit der Maßgabe, sie in eine Studienbücherei umzuwandeln. Diese wurde am 1. April 1957 gegründet und nahm im Oktober 1958 in der neu errichteten Stadtbücherei Steglitz als Sonderbücherei des Senats für Volksbildung ihre Arbeit auf. Zu diesem Zeitpunkt umfasste der Bestand rund 4000 Bücher. Ihr erster Leiter war Walter Liening (s.a.: Walter Liening, Studienbücherei für Zeitgeschichte, in: Bücherei und Bildung, 8

13(1961), S. 87-90). Wann die Studienbücherei ihre Arbeit eingestellt hat, lässt sich nur durch Recherchen im Landesarchiv herausfinden. Es muss in der ersten Hälfte der 70er Jahre gewesen sein. Das 1970 erschienene Verzeichnis der Spezialbibliotheken in der Bundesrepublik einschließlich West-Berlin führt es noch auf als Ausleihbibliothek mit 13 000 Bänden und 40 laufenden Zeitschriften. Im 1977 veröffentlichten Nachschlagewerk „Spezialbestände in deutschen Bibliotheken“ ist die Studienbücherei nicht mehr verzeichnet. Über zwei Jahrzehnte führte der Bestand ein Schattendasein, bis er nach der Wende zuerst in den Besitz des 1994 gegründeten Berliner Instituts für Lehrerfort- und Weiterbildung (BIL) gelangte, das dann allerdings auch keine Verwendung dafür fand. Unser damaliger pädagogischer Mitarbeiter wurde auf den Bestand aufmerksam und sorgte dafür, dass die Bücher und Zeitschriften der Studienbücherei in den Bestand der GDW übergingen.

In Berlin war 1950 das Institut für politische Wissenschaft gegründet, das 1958 in die Freie Universität als interfakultatives Forschungsinstitut integriert wurde. Ein Jahr darauf erfolgte die Eingliederung der "Deutschen Hochschule für Politik" (DHfP) in die FU als interfakultatives Lehrinstitut unter dem Namen "Otto-Suhr-Institut" (OSI), aus dem 1969 der "Fachbereich Politische Wissenschaft" hervorgeht. 1970 wird das IpW zum "Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung" (ZI 6). 1996 wird das ZI 6 aufgelöst und in den Fachbereich Politische Wissenschaft der FUB integriert, aus dem dann wiederum 1999 der Fachbereich "Politik- und Sozialwissenschaften" hervorgeht. Parallel dazu erfolgte die Auflösung der Institutsbibliothek und die Aufteilung ihrer Bestände. Schätzungsweise zwei Drittel davon gelangten 1997 in die GDW, der Rest wurde in die Bibliothek des Otto-Suhr-Instituts eingegliedert.

3.2. Die weitere Entwicklung der Bibliothek bis heute

Über die Jahre hinweg übernahm die GDW noch weitere Teilbestände aufgelöster Bibliotheken wie z.B. der Akademie der Wissenschaften und der Ministerien für Kultur und des Innern der DDR sowie des Gesamtdeutschen Instituts oder auch kleinere Bibliotheken wie die Bibliothek der Stiftung Hilfswerk 20. Juli. Dazu kamen diverse private Buchnachlässe oder Spenden von Privatpersonen und Institutionen.

Nachdem sich zum Jahresanfang 1998 nun mittlerweile ca. 70.000 Medieneinheiten in der GDW angesammelt hatten, fehlte nur noch der Bibliothekar, der diese Bestände zusammenführt und verzeichnet. Am 1. April 1998 nahm ich meine Tätigkeit auf. Bestimmte Vorentscheidungen waren bereits getroffen: 1. Das Datenbankprogramm allegro-C sollte zur Verzeichnung der Bestände dienen, 2. es lag bereits eine Bibliothekssystematik vor, die sich – abgesehen von einigen unwesentlichen Änderungen – im Kernbereich bewährt hat, 3. es war mit einer öffentlichen Beschäftigungsgesellschaft ein ABM-Projekt zur Datenerfassung vereinbart worden, das ich nunmehr zu koordinieren hatte.

Im Juli 1998 startete das ABM-Projekt mit 12 Langzeitarbeitslosen. Wir sind wie folgt vorgegangen: zuerst wurden die Titel des ZI 6 erfasst, und zwar nach 9

Katalogkarte, was das aufwendige Hin- und Herbewegen der Bücher ersparte, da die meisten Mitarbeiter des Projektes im 1. Stock saßen, also weit entfernt von den Büchern, mit denen wir begannen. Wir hatten vom ZI 6 auch die Zettelkataloge übernommen. Dann wurde mit der Erfassung der restlichen Titel begonnen, d.h. nach Vorlage, also vom Buch aus. Nach Ablauf eines Jahres waren ca. 36.000 Titel erfasst, der ehemalige Bestand des ZI 6 nahezu komplett mit Ausnahme der Zeitschriften. Eine Verlängerung des ABM-Projektes gelang zunächst nicht. Die Arbeit wurde auf der Basis von Werkverträgen mit studentischen und anderen Hilfskräften fortgesetzt. Ein Großteil meiner Arbeitszeit verbrachte ich mit der Durchsicht und Korrektur der erfassten Daten. Im Herbst 1999 wurde die Bibliothek zur öffentlichen Nutzung freigegeben, aus personellen Gründen aber nur nach Terminabsprache. Seit Januar 2001 gibt es einen weiteren Freihandbereich im Erdgeschoss mit inhaltlichem Schwerpunkt: Deutsche Geschichte nach 1945, insbesondere Geschichte der DDR Im Laufe des Jahres 2002 konnten 2 weitere Räume bezogen werden, die bereits der Vornutzer, das Bundesversicherungsamt, als Magazinräume mit einer Regalanlage ausgerüstet hatte. Damit konnten unsere mittlerweile großen Platzprobleme gelöst werden. In den beiden neuen Räumen befinden sich: der Altbestand mit den Sondersammlungen, die Zeitschriften und Teile des Buchbestandes mit Themenschwerpunkt Politik- und Sozialwissenschaften, Allgemeine Geschichtswissenschaften und außerdeutsche Geschichte. Von Februar 2001 bis Januar 2003 wurde ein weiteres ABM-Projekt zur Formalkatalogisierung des Bestandes und zur Buchpflege durchgeführt. Mittlerweile war der Bestand auf schätzungsweise 100.000 Medieneinheiten angewachsen. Im Kernbereich zur deutschen Zeitgeschichte 1933 bis 1945 waren Sacherschließung, Signieren und Etikettieren nahezu abgeschlossen. Bis heute gibt es aber Teilbestände, die formal noch nicht erschlossen sind, weil ständig Neues hinzukommt.

3.3. Resümee

Die Bibliothek der GDW ist eine zeitgeschichtliche Forschungsbibliothek zum Widerstand gegen das NS-Regime. Von ihrer Bestandsbreite her hat sie sich mittlerweile fast zu einer Nachfolgeinstitution der beiden Bibliotheken, die mit ihren Beständen ihre Gründung erst ermöglichten, entwickelt. Weitere thematische Schwerpunkte sind: Geschichte des Nationalsozialismus, Weimarer Republik, Weltkriege; Konservative Revolution, völkische Religiosität; juristische Aufarbeitung der NS-Diktatur, öffentliche und künstlerische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime, Erinnern und Gedenken; Rechtsextremismus, Antisemitismus, Spanischer Bürgerkrieg, italienischer Faschismus, vergleichende Diktaturforschung, Opposition und Repression in der DDR. Als integraler Bestandteil der Gedenkstätte ist die Bibliothek zugleich Gedenkstättenbibliothek und bleibt in die Gedenkstättenarbeit in verschiedenerlei Hinsicht einbezogen, sei es durch die Nutzung der Bibliothek durch Besucher der Dauerausstellung bzw. Kollegen oder durch eigene Zuarbeiten für Ausstellungsprojekte und Publikationen der Gedenkstätte, wie die seit 2004 im Internetportal Zeitgeschichte online verfügbare Auswahlbibliographie zum Widerstand gegen das NS-Regime.