Prof. Dr. Ivan Nagel Intendant, Dramaturg, Kritiker Und Schriftsteller Im Gespräch Mit Stephan Pauly

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Prof. Dr. Ivan Nagel Intendant, Dramaturg, Kritiker Und Schriftsteller Im Gespräch Mit Stephan Pauly BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 03.01.2000 Prof. Dr. Ivan Nagel Intendant, Dramaturg, Kritiker und Schriftsteller im Gespräch mit Stephan Pauly Pauly: Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu Alpha- Forum. Zu Gast ist heute Professor Ivan Nagel. Er ist Theaterintendant, Dramaturg, Kritiker, Festivalerfinder und -leiter, Entdecker von jungen Theatertalenten, emeritierter Professor aus Berlin und nicht zuletzt natürlich glänzender Essayist und Schriftsteller. Herr Professor Nagel, Sie haben 1999 den Fritz-Kortner-Preis bekommen und Sie haben in Ihrer Rede bei der Verleihung gesagt, der innere Antrieb für alle diese Berufe in und um das Theater herum war und ist, Künstlern zu danken und von Künstlern zu lernen. Daraus spricht innige Nähe zur Kunst und zu Künstlern, aber auch Freiheit und Distanz. Nagel: Ich glaube ganz einfach, dass ich in meinem Leben einigen großen Menschen begegnet bin. Und in meinen ersten 20, 30 Jahren waren das natürlich ältere Leute als ich. Mein Lehrer an der Universität war Theodor W. Adorno. Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann war es wahrscheinlich so, dass ich überhaupt nur wegen Adorno nach Deutschland gekommen bin, um bei ihm in Frankfurt zu studieren. Die nächste große Erfahrung, der nächste große Lehrer, war Fritz Kortner an den Münchner Kammerspielen. Eine spätere große Erfahrung - da waren wir dann allerdings vom Alter her schon fast gleich alt – war sicherlich Peter Zadek. Pauly: Sie haben eine Ihrer ersten großen und konzentrierten Theatererfahrungen in Zürich am Schauspielhaus gemacht: Sie haben dort große Schauspieler und Schauspielerinnen erlebt wie z. B. die Giehse, wie Maria Becker oder Will Quadflieg. Wie sind Sie denn eigentlich in die Schweiz gekommen, denn geboren sind Sie ja in Ungarn? Nagel: Ich bin geboren und aufgewachsen in Ungarn. Ich habe dort auch diese beiden grässlichen letzten zwei Kriegsjahre durchgemacht. Meine Familie, und damit auch ich, wurde verfolgt: Ich lebte zu der Zeit mit falschen Papieren, d. h., ich hatte eine gefälschte Identität und einen gefälschten Namen. Das ist etwas, das einem Kind sehr viel ausmacht, denn Kinder hängen nun einmal an Namen und an Worten, als ob sie die Sache selbst wären. Wenn man selbst anders heißen will, dann bedeutet das, dass es einen eigentlich nicht geben dürfte: dass es Ivan Nagel nicht geben darf, sondern stattdessen Ferenc Kiss geben muss. Das ist etwas, das man mit 13 Jahren nicht versteht, aber doch sehr stark empfindet. Diese schlimmen Jahre habe ich also ebenso in Ungarn verbracht wie diese drei wunderbaren Nachkriegsjahre, als sich das Land plötzlich öffnete, als Georg Lukács aus Moskau zurückkam und aus Amerika Otto Klemperer als Generalmusikdirektor der Budapester Oper zu uns kam. Das heißt, meine großen musikalischen und philosophischen Erlebnisse fingen schon damals im Alter von 14 bis 17 Jahren an. Pauly: Waren in der Zeit die Kunst und die Musik, das Aufwachsen mit Büchern und Klavierauszügen von Mozart so etwas wie eine Gegenwelt? Nagel: Ja, sicher. Das war vor allem nicht nur bei mir, sondern in ganz Europa so: Da bildete sich ein Musikstil heraus - vor allem auch ein Mozartstil -, der Trost war. Das war eine Versicherung, dass es auch noch etwas anderes gibt als dieses Grässliche, das wir in Europa alle auf die eine oder andere Art und Weise erlebt hatten. Ich glaube, dass dieser heute auf uns beinahe schon ein wenig affektiert wirkende Mozartstil der höchsten Verfeinerung und Vergeistigung wirklich ein Versuch war, ein Gegengewicht und eine Sicherheit zu finden, dass es auch noch etwas anderes gibt. Für meine Kindheit war Musik daher ganz bestimmt sehr entscheidend. Sie war sicherlich auch Zuflucht und wohl schon ein wenig schuld daran, dass ich dann, als ich selbst Kunst machte, d. h. Kunst für andere Menschen ermöglichte, deswegen die Kunst immer noch zu stark als Zuflucht, als Bildungsparadies eines bürgerlichen Daseins sah und nicht wie die wirklichen Künstler das Machen daran erlebte. Es dauerte Jahre, bis sich das bei mir änderte. Ich musste bei großen Künstlern wirklich in die Schule gehen - bei Kortner und auch bei Zadek oder Wilfried Minks, dem großen Bühnenbildner –, um begreifen zu können, dass die Kunst manchmal fast etwas Bäuerliches, etwas Handwerkliches und etwas mit Machen und mit sich Ausdrücken zu tun hat, und eben nicht mit dieser Zuflucht zum Schöneren. Pauly: Sie haben die Kunst dann auch professionell nicht als Macher begonnen, wie Sie sagen, sondern zunächst als kritischer Zuschauer. Sie haben bei Adorno Philosophie studiert: Adorno hat Sie in die "Studienstiftung des Deutschen Volkes" gebracht, weil er Ihnen ein Zeugnis ausgestellt hat, in dem er Sie als philosophische Begabung lobte und zugleich aber auch bemerkte – und da irrte er –, dass Sie dagegen gefeit seien, in die journalistische Zunft zu gehen. Denn Sie waren keineswegs dagegen gefeit, weil Sie ja zunächst einmal Kritiker geworden sind. Nagel: Ich glaube, ich war ein sehr unjournalistischer Journalist, wenn man das so ausdrücken darf. Damals hatte man, was man heute nur noch bei ganz wenigen Zeitungen und Zeitschriften hat, eine ziemliche Freiheit zu explizieren, was man dachte. Man musste im Gegensatz zu heute nicht immer daran denken, wie man es so kurz fasst, dass es der Leser überfliegen kann, und wie man es so einfach sagt, dass der Leser damit keine Schwierigkeiten hat: weder in der Phantasie sich vorzustellen, was da eigentlich gemeint sei, noch bei seiner gedanklichen Arbeit. Es war eigentlich schon ein Privileg, damals Theaterkritiker zu sein. Pauly: War Fritz Kortner eine Art von Bekehrung zur Praxis und vielleicht auch der Anstoß weg von der Außensicht und hin zur Innensicht und zum Verständnis von Theater, zur inneren Genese, wie Theaterarbeit eigentlich funktioniert? Nagel: Gehen wir doch in der zeitlichen Ebene noch ein wenig zurück. Ich bin 1948 mit 17 Jahren allein und ohne die Familie, die in Ungarn bleiben musste, aus Ungarn herausgegangen, weil 1948 das Jahr war, in dem sich die Grenzen in Europa schlossen. Ich wollte ganz einfach nicht umsonst Englisch, Französisch und Deutsch gelernt haben: Ich wollte das auch benützen können, ich wollte die Welt sehen. Ich bin also einsam aus Ungarn weggegangen und nach Zürich gekommen. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern ein bisschen Geld für mich hatten sammeln können, sodass ich dort wenigstens noch das Abitur ruhig, d. h. finanziell abgesichert, absolvieren konnte. Danach bin ich nach Deutschland gegangen: Meine Familie hat es nicht so richtig verstanden, warum ich gerade nach Deutschland ging. Ich ging deshalb dorthin, weil mich diese große deutsche Literatur um das Jahr 1800 herum - Kleist und vor allem Hölderlin – so sehr fasziniert hat. Diese Literatur war für mich das Wichtigste: Das, was sich damals in Deutschland parallel zur Französischen Revolution ereignet hatte. Diese Zeit um 1800 herum, diese große Wende und diese große Krise des europäischen Bewusstseins ist auch bis heute ein Thema für mich geblieben. Ich kam also nach Frankfurt, um bei Adorno zu studieren. In diese Zeit fiel auch Adornos Hilfe, die mir das Studium überhaupt erst ermöglicht hat. Ich glaube, ich war der erste Staatenlose, der damals von der "Studienstiftung" aufgenommen worden ist. Ich hatte daher ein verhältnismäßig schönes und auch langes Studium in Frankfurt, bis ich mir sagte: "Jetzt muss ich anfangen, etwas zu machen." Pauly: Wenn man nun versucht, diesen Sprung zu erläutern: Wie hat sich denn Ihre Sicht auf das Theater verändert, als Sie dann später Chefdramaturg an den Münchner Kammerspielen geworden sind? Was haben Sie von Fritz Kortner gelernt, wie hat sich Ihre Theatersicht, Ihre Erlebnisweise und Ihre Lesart von Stücken geändert? Nagel: Ich habe das schon angedeutet: Meine erste Periode als Kritiker war zu sehr von dieser Idee der Schönheit als Gegenwelt, als Bildungswelt, als Zuflucht geprägt. Bei Kortner erlebte ich mit der ungeheuren Monumentalität und Suggestivität dieser Person zum ersten Mal, was Machen heißt: und zwar nicht Machen als Macher, denn davon gab es an den Münchner Kammerspielen auch damals schon einige, sondern Machen als ganz großer genialer Künstler. Seine Arbeit war von einer ungeheuren Faszination für die Schauspieler und auch für den Dramaturgen, der dabeisaß. Das hat mich wirklich ein für alle Mal geprägt. Das hat mich auch darin geprägt, wie ich Stücke gelesen habe. Ich habe immer schon irrsinnig viel gelesen: Ich hatte schon mit viereinhalb Jahren lesen gelernt, weil es mich geärgert hat, dass mein zweieinhalb Jahre älterer Bruder etwas konnte, was ich nicht konnte. Von da an habe ich wirklich so intensiv gelesen, dass ich dabei nichts mehr hörte oder gesehen hätte, was sich um mich herum abspielte. Trotzdem war es jedoch so, dass ich dabei das Theater auf eine konventionelle und verschönte und auch routinierte Art und Weise betrachtet habe: Das heißt, man erwartete von Tragödien, dass sie einen traurig erschüttern und keinesfalls komisch sind – so wie die Menschen im wirklichen Leben ja auch sehr komisch sein können, selbst wenn ihnen etwas Schreckliches zustößt. Von Komödien erwartete man wiederum einen wunderbaren und schönen Schluss und Anmut und Wortgeklingel. All das habe ich bei Kortner verlernen müssen. Sei es in der Komödie wie in "Leonce und Lena" oder in "Was ihr wollt" – zwei wunderbaren Aufführungen an den Münchner Kammerspielen – oder in den Tragödien wie "Richard III." oder "Othello": Kortner hat jeweils auch in der Komödie das Tragische, das Erschreckende, sehen wollen und in der Tragödie das Komische, das Hinfällige, das Lächerliche, das Erbärmliche des Menschen. Pauly: Wie ist das Verhältnis von Schauspieler und Regisseur bzw. wie sollte es sein? Können Sie das erklären? Das ist, soll und muss sicherlich von Fall zu Fall verschieden sein. Sie selbst haben ja mit sehr vielen großen Regisseuren gearbeitet wie z. B. Peter Zadek, Peter Stein, Luc Bondy, und Sie haben auch viele junge Talente entdeckt, die Sie von deren Regieassistenz bis zu ersten eigenen Regiearbeiten geführt haben. Was ist Ihrer Meinung nach der Kern in der Beziehung zwischen Regisseur und Schauspieler? Was muss da stattfinden? Nagel: Sie haben Recht, es ist jedes Mal anders.
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